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Warum schweigen die Lämmer? Demokratie, Psychologie und Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements

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1
Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld
‚Moralisch unsichtbar‘ sind
Verletzungen moralischer Normen,
wenn sie zwar als Fakten sichtbar
sind, jedoch in einen Kontext ein-
gebettet sind, der verhindert, dass
sie in der Bevölkerung ein mora-
lisches Unbehagen oder Empö-
rung auslösen. Ein Beispiel sind
die gesellschaftlichen und huma-
nitären Folgen der mit der neoli-
beralen Wirtschaftsordnung ein-
hergehenden strukturellen Gewalt,
wie sie vor allem in der sog. ‚Drit-
ten Welt‘, doch zunehmend auch
in den westlichen Industrieländern
sichtbar werden.
Kognitiv unsichtbar‘ si nd Ver -
letzungen moralischer Normen,
wenn sie zwar als Fakten sichtbar
sind, jedoch in einen Kontext ein-
gebettet sind, der verhindert, dass
Schlussfolgerungen aus ihnen ge-
zogen werden. Insbesondere wer-
den in derartigen Fällen keine Be-
ziehungen zu vergleichba ren Fällen
hergestellt, die von den jeweiligen
Eliten nach gänzlich anderen Kri-
terien bewertet werden. Ein Bei-
spiel sind die sog. gezielten Tö-
tungen („targeted killings“) von
Personen, die von einem Staat als
Sicherheitsrisiko angesehen wer-
den. Derartige Morde stellen ei-
nen klaren Bruch des Völkerrechts
dar und würden in vergleichbarer
Weise nicht akzeptiert, wenn sie
von Staaten durchgeführt würden,
die von ‚uns‘ als ‚Gegner‘ angese-
hen werden.
Die Sichtbarkeit und Unsicht-
barkeit von Fakten wird wesent-
lich durch die Massenmedien ver-
mittelt, die neben den Fakten in
der Regel auch den gewünschten
Interpretationskontext und damit
das ‚politische Weltbild‘ vermit-
teln. Das Thema gehört also zu
unserem gesellschaftlichen Le-
bensalltag und geht uns alle an.
Die Fragen, die sich hierbei stel-
len, sind grundlegender und zu-
meist recht elementarer Natur. Für
die Auseinandersetzung mit ihnen
benötigt man kein Expertenwissen,
auch wenn die herrschenden Eliten
sich bemühen, Diskurse über der-
artige Themen auf Gruppen ‚ge-
eigneter Experten‘ zu beschrän-
ken. Für Themen, die uns alle als
Citoyens angehen, also als Bür-
ger, die sich im Geiste der Auf-
klärung um die Gestaltung unse-
res Gemeinwesens bemühen, sind
wir von Natur aus mit einem na-
türlichen Vermögen unseres Geis-
tes ausgestattet, einem ‚Licht der
Vernunft‘ – einem lumen natura-
le, wie man es in der Aufklärung
nannte. Den wesentlichen Kern
der Fragen, um die es bei unseren
Themen geht, können wir also auch
ohne eine Spezialistenausbildung
behandeln. Und darum soll es in
diesem Vortrag gehen.
Zu dem natürlichen Vermögen
unseres Geistes gehört die Befähi-
gung, die Beg r i fichke it en zu hi n-
terfragen, mit denen man im ge-
sellschaftlich-politischen Bereich
Phänomene und Fakten kategori-
siert, ordnet und bewertet. Promi-
nentes Beispiel ist der neolibera-
le Neusprech zur Verhüllung und
Verdeckung des tatsächlich Ge-
meinten, mit dem man leicht ein
Orwellsches Neusprech-Wörter-
buch füllen könnte. Hierzu gehö-
ren Begriffe wie Struktur reformen,
Reformwille, Bürokratieabbau,
Deregulierung, Stabilitätspakt,
Austerität, Euro-Rettungsschirm,
freier Markt, schlanker Staat, Li-
beralisierung, Harmonisierung,
marktkonforme Demokratie, al-
ternativlos, Humankapital, Leih-
arbeit, Lohnnebenkosten, Sozi-
alneid, Leistungsträger, etc. etc.
Derartige Begriffe transportieren
ideologische Weltbilder, deren to-
talitären Charakter es aufzudecken
und zu benennen gilt. Damit wir
diesen ideologischen Weltbildern
nicht unbewusst und ungewollt er-
liegen, müssen wir die stillschwei-
genden Prämissen, Vorurteile und
ideologischen Komponenten in der
Begrifflichkeit, in der wir über
gesellschaftlich-politische Phä-
nomene sprechen, identizieren
und bewusst machen. Auch für
diese Tätigkeit benötigen wir kein
Expertenwissen. Hierfür sind wir
alle von Natur durch das natürliche
Vermögen unseres Geistes ausge-
stattet, auch wenn es dies zu üben
und zu verfeinern gilt.
Wir wollen hier also versuchen,
ein ige stil lschweigende P rämis sen
„Warum schweigen
die Lämmer?
Thema dieses Vortrags sind Techniken, die dazu dienen, schwerwiegende Verletzungen mora-
lischer Normen durch die herrschenden Eliten für die Bevölkerung moralisch und kognitiv
unsichtbar zu machen. Prof. Dr. Rainer Mausfeld
(Foto: Ggia, CC BY-SA 3.0)
You already know
enough. So do I.
It is not knowledge we
lack. What is missing is
the courage to under-
stand what we know and
to draw conclusions.
Sven Lindqvist (1992).
Exterminate All the Brutes.
Vortrag an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, am 22. Juni 2015:
free21.org:
Professor Mausfeld bie-
tet anhand von vielen Bei-
spielen einen Einblick in die
tatsächliche Verwaltung un-
serer Demokratie und wie
mit den Techniken des Mei-
nungs- und Empörungs-
managements das Volk in
Apathie und der Illusion des
Informiertseins gehalten
wird. Wie einer der Kommen-
tatoren des Videomitschnit-
tes vom Vortrag auf Youtube
schrieb, „Etwas trocken im
Anbiss, aber kernig und ge-
haltvoll beim Kauen …“ oder
ein anderer „Das sollte man
allen Realitätsverweigerern
unter die Nase reiben. Die
Perfidität hat System.“
Demokratie, Psychologie und Techniken des Meinungs- und
Empörungsmanagements
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Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
und ideologischer Komponenten zu
identizieren, die sich in der Be-
grifichkeit verbergen, mit der in
demokratischen Gesellschaften die
jeweils herrschenden Eliten ihre
Macht zu stabilisieren suchen. Zu-
vor möchte ich jedoch das, wor-
um es beim Problem des Unsicht-
barmachens von Fakten geht, mit
einem Wahrnehmungsphänomen
illustrieren.
In diesem Bild sehen wir et-
was, das wir vermutlich als Frag-
mente von Objekten wahrnehmen,
ohne dass wir hier den tatsächli-
chen Bedeutungszusammenhang
dieser Fragmente erkennen kön-
nen. Warum ist hier der Bedeu-
tungszusammenhang unsichtbar?
Die Antwort, die die Wahrneh-
mungspsychologie hierzu gibt,
besagt im wesentlichen, dass das
Wahrnehmungssystem seine Be-
deutungskategorien solange nicht
zur Anwendung bringen kann, so-
lange die Fragmentierungsursache
selbst nicht erkennbar ist. Sobald
man – bei exakt gleichgebliebenen
Objektfragmenten – die Ursache
sichtbar macht, durch die die Ob-
jekte fragmentiert sind, können
wir mühelos das Verdeckte ergän-
zen und den Sinnzusammenhang
erkennen. Hierin zeigt sich eine
allgemeine Gesetzmäßigkeit des
Psychischen, die auch bei unse-
rem Thema von Interesse ist. Ein
Sinnzusammenhang von Fakten
lässt sich durch eine fragmentier-
te Darbietung gleichsam unsicht-
bar machen. Wir nehmen dann,
wie in der Regel beim Lesen einer
Tageszeitung, nicht mehr als eine
Ansammlung isolierter Informati-
onsfragmente wahr. Sobald jedoch
bei einer Fragmentierung von In-
formationen die Ursache der Frag-
mentierung erkennbar wird, ha-
ben wir keine Schwierigkeiten,
den Bedeutungszusammenhang
zu erkennen.
Das Paradoxon der
Demokratie
Bei unserem Thema geht es also
auch darum, warum man oder wie
man durch Fragmentierung Sach-
verhalte unsichtbar machen kann.
Das führt direkt zu der Frage, wer
will Sachverhalte unsichtbar ma-
chen und wer will Sachverhalte
für wen unsichtbar machen? Um
diese Frage zu verstehen, müssen
wir mit etwas beginnen, das oft als
Paradoxon der Demokratie‘ be-
zeichnet wird, nämlich mit einem
Problem der Beziehung von Eliten
und Volk. Die systematische Unter-
suchung dieses Pro blems geht bis in
die Antike zurück. Im politischen
Diskurs wird das Volk oftmals mit
einer Herde verglichen, mit einer
Herde, die zu irrationalen Affekten
neige und die es folglich zu kont-
rollieren gelte. Für die politische
Führung eines Volkes sei es daher
wichtig, das Schweigen der Herde
zu interpretieren und im Sinne ih-
res politischen Handelns zu deu-
ten. In neuer Zeit ist dieses
Thema ist vor allem durch
Richard Nixon populä r
geworden, der seiner-
zeit das Schweigen
der ‚silent majority‘
als Zustimmung zum
Vietnamkrieg gedeu-
tet hat.
Der griechische
Historiker Thukydi-
des (454-399 v.u.Z)
war der erste, der sich
in systematischer Weise
mit diesen Fragen be-
schäftigt hat. Thuky-
dides war auch der erste, der die
enge Beziehung zwischen unseren
Vorstellungen über Regierungsfor-
men und unseren Annahmen über
die Natur des Menschen erkannt
hat. Jede Art von Regierungsform
hängt, implizit oder explizit, im-
mer auch damit zusammen, wel-
ches Bild wir uns von der Natur
des menschlichen Geistes machen.
Thukydides war der Auffassung,
dass die Masse eine Neigung zu
Affekten und Leidenschaft hat, auf
Kosten der Vernunft: „Die Mas-
se ist in ihren Auffassungen un-
stet und wetterwendisch, für ihre
Fehlleistungen macht sie andere
verantwortlich….“ Die politischen
Führer andererseits seien in ihrem
Handel vor allem geleitet durch
ein „Verlangen nach Macht, um
Herrschsucht und Ehrgeiz zu be-
friedigen.“ Thukydides erkannte,
dass jede gute Organisationsform
einer Gesellschaft den Schwach-
stellen der menschlichen Natur
Rechnung tragen muss. Die Re-
gierungsform einer Demokratie
könne dies nach seiner Auffas-
sung nicht leisten. Als Idealform
sah er vielmehr – geleitet durch die
Regierung des Perikles – eine Re-
gierungsform an, die „dem Namen
nach eine Demokratie, in Wirk-
lichkeit die Herrschaft des Ers-
ten M ann es“ sei.
Aristoteles vertrat eine ähnli-
che Auffassung. Er sah die Timo-
kratie, die „Herrschaft der Angese-
henen und Besitzenden“, als ideale
Regierungsform an. Dabei sollten
demokratische und oligarchische
Elemente so ausgewogen werden,
dass weder die Masse oder
die Armen noch die Eli-
ten oder die Reichen
eine Übermacht ge-
winnen könnten.
Demokratie sah
Aristoteles als eine
Verfallsform der Ti-
mokratie an. Denn d ie
Demokratie beinhalte
die Möglichkeit, dass
„die Armen, weil sie
die Mehrheit bilde-
ten, das Vermögen
der Reichen unter sich
teilten“, was Aristote-
les als Unrecht ansah.
Derselbe Grundgedanken ndet
sich auch an den Ursprüngen der
amerikanischen Verfassung: Jede
Regierungsform müsse so gestal-
tet sein, dass sie die Minorität der
Reichen gegen die Majorität der
Armen schützt („to protect the mi-
nority of the opulent against the
majo rit y“), sagte James Madison
(1751–1836), einer der Gründungs-
väter der amerikanischen Verfas-
sung. Madisons Lösungsvorschlag
für dieses Spannungsverhältnis
zwischen Volk und Eliten war die
‚repräsentative Demokratie – de
facto also eine Form der Oligar-
chie -, mit der sich die Sicherung
der Eigeninteressen der Minorität
der Reichen gewährleisten lasse.
Diese wenigen Beispiele mögen
als Illustration dafür genügen, dass
die gesamte abendländische Ideen-
geschichte durchzogen ist von ei-
ner tiefen Demokratieskepsis und
oftmals Demokratiefeindlichkeit.
(1) [siehe Anmerkungen und Er-
gänzungen im Anschluss]
Fragementierung
Fragementierungsursache
Thukydides
(454–399 v.u.Z)
Aristoteles (384–322 v.u.Z)
James Madison (1751–1836)
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Vortrag
Im politischen Diskurs wie auch
in der politischen Rhetor ik der Neu-
zeit spielt der Begriff der Demo-
kratie dennoch eine immer größere
Rolle. Demokratie ist nun nicht nur
eine von möglichen Herrschafts-
formen, sondern sie ist die einzige
Form, in der sich politische Macht
überhaupt legitimieren lässt. Zu-
gleich betrachten die her rschenden
Eliten Demokratie als eine „not-
wendige Illusion“ und bemühen
sich hinter der Rhetorik von De-
mokratie zugleich, die zur Siche-
rung ihrer Eigeninteressen geeig-
neten oligarchischen Strukturen zu
etablieren. Dabei werden von ihnen
ernsthafte demokratische Errun-
genschaften als „excess of demo-
cra cy“ deklariert und demokrati-
sche Strukturen in einer Weise zu
erodieren versucht, die für die Be-
völkerung möglichst nicht sichtbar
sind – ein Prozess, der sich in der
Gegenwart in beängstigender Wei-
se beschleunigt hat. Für Beispiele
mögen als Stichworte die Gesetzge-
bungsverfahren der EU, Weltbank,
IWF, TTIP sowie „Troika“ genügen.
Das Etablieren oligarchischer
Strukturen unter demokratischem
Deckmantel ist in beeindrucken-
dem Maße gelungen, denn westli-
che Demokratien haben tatsächlich
eher den Charakter von Oligarchi-
en. Diese Auffassung wird nicht
nur von Kritikern dieses Entde-
mokratisierungsprozesses vertre-
ten, sondern sie wird auch von den
herrschenden Eliten selbst geteilt.
Beispiel USA: In einem Bericht von
1975 mit dem Titel „The Crisis of
Democracy“ – die Krise der De-
mokratie bezieht hier darauf, dass
die Autoren ein „Übermaß an De-
mokratie“ („excess of democracy“)
diagnostizierten – stellte Samuel
Huntington fest, dass zu Zeiten,
als Präsident Truman noch in der
Lage war, das Land lediglich mit
einer Handvoll Wallstreetbankern
zu regieren („to govern the count-
ry with the cooperation of a rela-
tively small number of Wall Street
lawyers and bankers“), das Ma-
nagement von ‚Demokratie‘ noch
relativ einfach war. Seitdem konnte
der excess of democracy“ umfas-
send korrigiert werden, so dass die
Washington Times vom 21. April
2014 feststellen kann: „America
is no longer a democracy – never
mind the democratic republic en-
visioned by Founding Fathers.“.
Der ehemalige US-Präsident Jim-
my Carter nannte in einem Inter-
view am 28. Juli 2015 die USA eine
„ol igarchy“ mit einer „unlimited
political bribery“. Der oligarchi-
sche Charakter der USA stellt also
für die Eliten eine Art offenkundi-
gen Fakt dar. Wer derartige Äus-
serungen der Elite kein Gewicht
beimisst, wird vielleicht das eigent-
lich Offensichtliche eher anerken-
nen, wenn es mit wissenschaftlicher
Methodik belegt wird. Die Poli-
tikwissenschaftler Martin Gilens
und Benjamin Page (2014) haben
jüngst am Beispiel der USA unter-
sucht, mit welchem Stimmgewicht
der Willen der großen Masse des
Volkes in politische Entscheidun-
gen eingeht. Ihre Analysen zeigen,
dass das Stimmgewicht nahe bei
Null liegt und dass siebzig Prozent
der Bevölkerung überhaupt keinen
Einuss auf politische Entscheidun-
gen haben. (2)
Das sieht in Europa nicht an-
ders aus. Will man ein halbwegs
realistisches Bild von der tatsäch-
lichen Situation bekommen, ist es
besonders erhellend, interne Infor-
mationsmedien der jeweiligen Eli-
ten heranzuziehen, beispielsweise
das Wallstreet Journal. In diesen
Medien ndet man bisweilen ei-
nen relativ ungetrübten Blick auf
die Realitäten, weil es für die Fi-
nanzelite und fü r das Geschäftema-
chen wichtig ist, einen ideologisch
nicht allzu verzerrten Blick auf die
Realitäten zu haben. Da sich diese
Informationsmedien an Mitglieder
der Eliten richten, können sie auf
die krude politische Rhetorik und
Propaganda verzichten, die man
in Massenmedien für die Bevöl-
kerung bereit hält. Das Wallstreet
Journal vom 28. Febr uar 2013 stellt
nüchtern fest, dass das neoliberale
Programm – trotz entsprechender
Wahlentscheidungen in zahlrei-
chen Ländern – nicht mehr demo-
kratisch abwählbar ist. (3) Auch in
Europa erweist sich also die Auf-
fassung als Illusion, dass die Wäh-
ler in einem ernsthaften Sinne den
Ausgang der Wa hl bestimmten oder
durch die Wahl Einuss auf ‚sys-
temrelevante‘ politische Entschei-
dungen hätten.
Das ist nun gerade bei Fragen
der Wirtschaftspolitik wenig über-
raschend, denn Neoliberalismus und
Demokratie sind in der Tat mitei-
nander unvereinbar. Milton Fried-
man (1912–2006), einer der Grün-
dungsväter des Neoliberalismus,
hat dies 1990 offen zum Ausdruck
gebracht: „a democratic society
once established, destroys a free
econ om y“ (Newsletter of the Mont
Pelérin Society) – was es natürlich
aus Sicht der Eliten zu verhindern
gilt. Demokratie wird also nur so-
weit als ‚zulässig‘ angesehen, wie
der Bereich der Wirtschaft von de-
mokratischen Entscheidungsprozes-
sen verschont ist – also solange sie
keine Demokratie ist. In diesem Sin-
ne ist weltweit der Neoliberalismus
der größte Feind von Demokratie.
Aus Sicht multinationaler Konzer-
ne stellt Demokratie vor allem ein
Geschäftsrisiko dar. Wenn die Be-
völkerung partout nicht bereit ist
einzusehen, dass die Organisation
einer Gesellschaft wirtschaftlichen
‚Sachzwä ngen‘ Rechnung zu tragen
hat und dass Löhne und Sozialleis-
tungen äußerst nachteilige Faktoren
für die Kapitalvermehrung sind,
müssen durch die herrschenden Eli-
ten eben geeignete „Str ukturanpa s-
sungsmaßnahmen‘ auf autoritärem
Wege durchgesetzt werden.
Eine wirklich demokratisch or-
ganisierte Gesellschaft ist also mit
den von den herrschenden Eliten
favorisierten Gesellschaftsformen
unvereinbar. Wenn schon ‚Demo-
kratie‘ im politischen Geschäft als
eine „notwendige Illusion“ erachtet
wird, dann sollte die Demokratie
eher die Form einer durch geeig-
nete Experten gelenkten ‚Zuschau-
erdemokratie‘ („spectator demo-
crac y“) annehmen als die einer
partizipatorischen Demokratie. In
einer Zuschauerdemokratie lässt
sich die Illusion der Demokratie
aufrechterhalten und zugleich eine
Stabilität des gegenwärtigen Status
politischer Eliten gewährleisten.
Genau mit diesen P roblemen be-
schäftigte sich auch der zuvor ge-
nannte einussreiche Bericht „The
Crisis of Democracy. Dieser Be-
richt war 1975 im Auftrag der so-
genannten Trilateralen Kommis-
sion“ erstellt worden. ‚Trilateral‘
bezieht sich darauf, dass die Mit-
glieder dieser elitären Beratungs-
kommission aus den drei großen
Wirtschaftsblöcken Nordameri-
ka, Europa und Japan stammten.
Die Trilaterale Kommission hat
enge Beziehungen zu anderen Eli-
tenetzwerken, insbesondere zur
Bilderbergkonferenz und zur At-
James Earl „Jimmy“ Carter Jr.
Milton Friedman (1912–2006)
Samuel P. Huntington
(Foto: 2004 World Economic
Forum, CC BY-SA 2.0)
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Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
lantik-Brücke. Mitglieder in der
deutschen Sektion sind beispiels-
weise Joseph Ackermann, Gerhard
Schröder, Edelgard Buhlmahn oder
Theo Sommer
In dem Bericht „The Crisis of
Democracy“ wird festgestellt, dass
sich die durch ein „Übermaß an
Demokratie“ verursachte Krise der
Demokratie nur lösen lasse und sich
Demokratie nur (im Sinne der Eli-
ten) handhaben lasse, wenn einige
Individuen und Gruppen ein gewis-
ses Maß an Apathie und Unbetei-
ligtheit aufweisen („The effective
operation of a democratic political
system usually requires some mea-
sure of apathy and noninvolvement
on the part of some individu als and
gro ups.“) Wobei es sich von selbst
versteht, dass es sich bei den Indi-
viduen und Gruppen, deren ‚Unbe-
teiligtheit‘ als wesentlich für eine
‚effektive Handhabung‘ einer De-
mokratie angesehen wird, nicht um
Mitglieder der herrschenden Eliten
handelt, sondern eben um das Volk.
Die von den herrschenden Eliten
gewünschte Zuschauerdemokratie
lässt sich also nur erreichen, wenn
die Bevölkerung weitgehend ent-
politisiert ist und von politischer
Lethargie und moralischer Apa-
thie befallen ist.
Dieses Ziel lässt sich nur er-
reichen, wenn geeignete Techni-
ken verfügbar sind, insbesondere
Techniken der Apathie-Induktion
(durch Sorgen um den nanziel-
len Lebensunterhalt, Angsterzeu-
gung, Konsumismus, etc.), Tech-
niken des Meinungsmanagements
und Techniken des Empörungsma-
nagements.
Demokratie und
Propaganda
Vergleicht man Vor- und Nachteile
verschiedener Regierungsformen ,
so sei – wie der amerikanische Poli-
tikwissenschaftler Harold Lasswell
(1902–1978) im Einklang mit einer
in der Elite weitverbreiteten Auf-
fassung kundtat – der Demokratie
dann der Vorzug zu geben, wenn
es zugleich gelänge, die Bürger in
Übereinstimmung mit dem poli-
tischen System und mit den Ent-
scheidungen, die eine spezialisierte
politische Klasse für sie trifft, zu
halten. Dies könne nur durch ge-
eignete Techniken der Propaganda
gewährleistet werden. Propaganda
gehöre also wesenhaft und zwangs-
läug zu einer ‚funktionsfähigen‘
Demokratie. Techniken des Mei-
nungsmanagements hätten zudem
gegenüber den Kontrolltechniken
einer Diktatur den Vorteil, dass sie
„kostengünstiger als Gewalt, Beste-
chung oder irgendwelche anderen
Kontrolltechniken“ seien („ch ea-
per than violence, bribery or other
possible control techniques.“). In
diesem Sinne könne man also De-
mokratie, wenn sie durch ein Mei-
nungsmanagement gelenkt sei, als
eine optimale Regierungsform an-
gesehen.
In einer besonderen – und heute
naheliegenderweise nicht mehr üb-
lichen – Offenheit wurde dies auch
durch Edward Bernays (1891–1995)
zum Ausdruck gebracht. Edward
Bernays war der einussreichste
Propagandist von Propaganda, de-
ren Grundlagen und Techniken er
in seinem 1928 erschienenen Buch
Propaganda ausarbeitete. Als Pro-
paganda sind alle systematischen
Versuche anzusehen, die darauf zie-
len, die natürliche Urteilsfähigkeit
von Menschen zu unterminieren
und Einstellungen, Überzeugun-
gen und Meinungen zu erzeugen,
durch die sich Menschen zum Vor-
teil der jeweils herrschenden Eliten
missbrauchen lassen („Entmündi-
gung“, „Verzweckung“). (4)
In seinem Buch schreibt Ber-
nays: „Die bewusste und intelli-
gente Manipulation der Verhal-
tensweisen und Einstellungen der
Massen ist ein wesentlicher Be-
standteil demokratischer Gesell-
schaften. Organisationen, die im
Verborgenen arbeiten, lenken die
gesellschaftlichen Abläufe. Sie bil-
den eine unsichtbare Regierung,
welche die wahre Herrschermacht
unseres Landes ist.“ Wir müssen
uns dabei klarmachen, dass die
von Bernays beschriebene Situ-
ation nicht ein Ziel war, sondern
bereits der Ist-Zustand der dama-
ligen Zeit – diese Situation hat sich
seitdem natü rlich noch beträchtl ich
verschärft. Propaganda ist heute als
ein notwendiger Teil des Indokt-
rinationssystems aller westlichen
Gesellschaften anzusehen. Und
die „unsichtbare Regierung, wel-
che die wahre Herrschermacht un-
seres Landes ist“, besteht aus na-
hezu unsichtbaren Geweben von
Netzwerken verschiedener Eliten.
Diese „lenken die gesellschaftli-
chen Abläufe“. Sie steuern politi-
sche Entscheidungen und vermit-
teln diese durch die ‚eingebetteten
Journalisten‘ der Massenmedien
der Öffentlichkeit als unvermeid-
liche Sachzwänge zum Wohle der
Bevölkerung. (5)
Wie kann man nun diesen von
den Eliten gewünschten Zustand
einer „unsichtbaren Regierung
und einer durch ein geeignetes
Maß an Apathie charakterisier-
ten Bevölkerung erreichen? Eine
zentrale Rolle spielen dabei na-
türlich die Massenmedien. Über
deren Funktion nden wir sehr
klare Einsichten bei Paul Lazars-
feld, einem der bedeutendsten
Kommunikationsforscher und zu-
gleich einem der Begründer der
modernen empirischen Sozialfor-
schung: „Man muss die Bürger
mit einer Flut von Informationen
überziehen, so dass sie die Illu-
sion der Informiertheit haben.“
Durch diese Illusion der Infor-
miertheit hat der Bürger ein po-
litisch reines Gewissen; er fühlt
sich über alles Wesentliche un-
terrichtet und kann abends be-
ruhigt zu Bett gehen. (6)
In dieser Hinsicht zählen für
Lazarsfeld die Massenmedien zu
den „mo st respect able an d ef ci-
ent of social na rcotics“. Wenn man
durch sie den Bürgern das Gefühl
der Informiertheit gibt und wenn
sie dann beim Frühstück die Süd-
deutsche Zeitung gelesen haben,
nachmittags noch einmal in Spie-
gel Online geschaut haben und sich
abends die Tage ssc h au angesehen
haben, sind sie von ihrem Gefühl
der Informiertheit so überwältigt,
dass sie die Krankheit, an der sie
leiden – so Lazarsfeld – nicht ein-
mal mehr erkennen können („to
keep the addict from recognizing
his own malady“).
Besonders die sog. gebildeten
Schichten sind anfällig für die
Illusion des Informiertseins. Die-
se Schichten sind aus naheliegen-
den Gründen in besonderem Gra-
de durch die jeweils herrschende
Ideologie indoktriniert – das war
im Nationalsozialismus nicht an-
ders als heute; sie sind durch ihre
schweigende Duldung ein wich-
tiges Stabilisierungselement der
jeweils herrschenden Ideologien.
Beispiele, wie eine solche Nar-
kotisierung auf affektivem Wege
zu erreichen ist, nden sich ge-
nügend. (7)
Screenshot der Website www.trilateral.org (4.8.2015, 21.51 Uhr)
5
Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
Neben Techniken der Sedierung
spielen im politischen Bereich der
affektiven Kontrolle Techniken der
Angsterzeugung eine besondere
Rolle. In der Legitimationsrheto-
rik für militärische ‚Interventio-
nen‘ bedient man sich gerne einer
Doppelstrategie: Die gebildeteren
Teile der Bevölkerung lassen sich
recht leicht unter dem Banner von
‚humanitären Interventionen‘ für
Angriffskriege gewinnen, der üb-
rige Teil lässt sich am leichtesten
durch Angsterzeugung vor bös-
artigen und gewalttätigen Kräf-
ten gewinnen. Ein historisch be-
rühmtes Beispiel mit gewaltigen
Konsequenzen zeigt den damali-
gen US-Außenminister Colin Po-
well am 5. Februar 2003 vor dem
UN-Sicherheitsrat, in der Hand ein
pulvergefülltes Röhrchen. Es sollte
den ‚eindeutigen Beleg‘ dafür de-
monstrieren, dass Sadam Hussein
über Massenvernichtungswaffen
verfüge. Dieser ‚Nachweis‘ rich-
tete sich vor allem an die ameri-
kanische Bevölkerung und hat-
te das Ziel, deren Ängste so zu
erhöhen, dass sie die schon lan-
ge geplante US-Invasion des Irak
befürwortet. Diese Affektmani-
pulation war höchst wirkungsvoll,
mit dem Kollateraleffekt, dass in
der Folge mehr als 100.000 iraki-
sche Zivilisten ermordet wurden.
Das folgenschwerste jüngste Bei-
spiel, wie sich mit Angsterzeugung
hegemoniale Politik machen lässt,
ist die Berichterstattung der Mas-
senmedien über Russland und die
Ukraine. (8)
Insgesamt sind zur Lenkung
der Bevölkerung Techniken vor-
zuziehen, die nicht nur kurzzeitig
wirken, sondern länger anhalten-
de Effekte haben. In diesem Sinne
ist eine Steuerung von Meinungen
wichtiger als eine rein affektive
Steuerung. Denn Meinungen sind
zumeist stabiler als Affekte. Daher
kommt Techniken eine besondere
Rolle zu, durch die man Meinungen
in geeigneter Weise steuern kann.
Ich will hier nur auf ein paar recht
einfache Aspekte eingehen. Für
diese einfachen Techniken benötigt
man keine besonderen Kenntnisse
der Psychologie, sie sind das Stan-
dardgeschäft der Massenmedien:
Über diese recht einfachen
Techniken hinaus, hat die Psy-
chologie eine Fülle von sehr viel
subtileren und teilweise überra-
schenden Mechanismen unserer
Entscheidungs- und Meinungsbil-
du ng iden tiz ier t , die sic hr ei ne
sehr effektive Meinungssteuer ung
nutzen lassen. Dies gilt um so mehr,
als zentrale Prozesse unserer Ent-
scheidungs- und Meinungsbildung
unbewusst ablaufen und keiner wil-
lentlichen Kontrolle zugänglich
sind. Ich will hier nur zwei einfa-
che Beispiele anführen:
i) Eine Reihe experimenteller
Studien zeigt, dass eine Aussage,
die die Experimentatoren gemacht
haben, im eingeschätzten Wahr-
heitsgehalt der Beobachter steigt,
je häufiger sie präsentiert wird,
und zwar auch dann, wenn sie zu-
vor vom Experimentator ausdrück-
lich als falsch deklariert wurde.
Diese Prozesse laufen automatisch
und unbewusst ab. Wir können uns
also nicht dagegen wehren. Selbst
wenn man die Versuchsperson zu-
vor über dieses Phänomen aufklärt,
ändert dies nichts an dem Effekt:
Je häuger sie eine Meinung hört,
um so stärker steigt der gefühl-
te Wahrheitsgehalt. Beispiele aus
der Tagespresse gibt es auch hier
in Hülle und Fülle, seien es ‚die
reformunwilligen Griechen‘ oder,
im Zusammenhang mit der Krim,
die Bezeichnung ‚Annexion‘. Al-
lein durch dauernde Wiederho-
lung steigt tendenziell der gefühl-
te Wahrheitswert. (9)
ii) Je weniger wir uns in einem
Bereich auskennen, um so stär-
ker neigen wir dazu, die Wahrheit
gleichsam in der Mitte zu suchen.
Wir neigen also dazu, alle Meinun-
gen als gleichberechtigt anzusehen,
und meiden die als ‚extrem‘ ange-
sehenen Ränder des beobachteten
Meinungsspektrums, selbst dann,
wenn tatsächlich die ‚richtige‘ Auf-
fassung dort verortet ist.
Die öffentliche Meinungsbil-
dung lässt sich also sehr wirkungs-
voll bereits dadurch steuern, dass
man zunächst die ‚Ränder‘ dessen
festlegt, was noch als ‚vernünftig‘
anzusehen ist. Wer also die Rän-
der des in der Öffentlichkeit sicht-
baren Meinungsspektr um markie-
ren kann und damit die Ränder des
vernünftigerweise Akzeptablen‘,
der hat schon einen großen Teil des
Meinungsmanagements erreicht. In
einer neoliberalen, also ‚markkon-
formen‘ Konzeption von ‚Demo-
kratie‘ ist es naheliegenderweise
besonders wichtig, den linken Rand
des ‚Zulässigen‘ – also dessen, was
man noch ‚verantwortlich‘ vertreten
kann – zu markieren. Beispielswei-
se können die herrschenden Eliten
die Auffassungen von Jürgen Ha-
bermas als das Äußerste dekla-
rieren, was wir ‚in unserer libera-
len Demokratie‘ vernünftigerweise
zu akzeptieren bereit sind. Positi-
onen, die radikaler sind und deut-
licher auf das Zentrum der Macht
zielen, werden dann bereits durch
diese nahezu unsichtbare Markie-
rung der Grenzen des ‚Akzeptab-
len‘ für die Öffentlichkeit als ‚Un-
verantwortlich‘ gekennzeichnet.
Sie gehören damit nicht mehr zum
Bereich dessen, was ‚sinnvoll‘ dis-
kutiert werden kann.
Wie lassen sich politisch
nachteilige Fakten kog-
nitiv und moralisch un-
sichtbar machen?
Wenn wir unseren Blick etwas ge-
schärft haben für diese Techni-
ken des Meinungsmanagements,
können wir uns mit einem inte-
ressanten Paradox beschäftigen,
das durch die Geschichte leider
im Übermaß belegt wird: eine
Art Selbsteinschätzung-Verhal-
tens-Paradox. Auch auf der Ebene
von Staaten und Nationen fallen
Selbsteinschätzung und Verhalten
auseinander. Staaten können mit
Billigung und Unterstützung der
Mehrza hl ihrer Bürger schlim mste
Greueltaten – wie Folter, Massen-
morde und Völkermord – begehen
und dennoch davon überzeugt sein,
dass ihre Taten moralisch nicht
verwerich seien. Dieses Phäno-
men wirft tiefgehende Fragen zu
unserer Natur auf. Denn eigentlich
verfügen wir ja über eine natürli-
che moralische Sensitivität, über
ein natürliches Urteilsvermögen
für das, was wir als Unrecht anse-
hen – zumindest dann, wenn es die
Colin Powell präsentiert „Beweise“ für die angeblichen Massenvernich-
tungswaffen von Sadam Hussein vor dem UN-Sicherheitsrat, die sich
später als Fälschungen herausstellten. (Foto: gemeinfrei)
1. Deklariere Fakten als Mei-
nungen. In der H
altung, mit
Tatsachen so umzugehen,
als handele es sich um bloße
Meinungen, liegt, wie Han-
nah Arendt bemerkte, einer
der erschreckendsten Aspek-
te totalitärer Denksysteme.
2. Fragmentiere die Darstellung
eigentlich zusammenhängen-
der Fakten so, dass der Sinn-
zusammenhang verloren geht.
3. De-kontextualisiere Fakten,
löse sie aus ihrem eigentlichen
Zusammenhang, so daß sie als
isolierte Einzelfälle erscheinen.
4. Re-kontextualisiere Fakten,
bette sie so in einen neuen, mit
‚positiven‘ Begleitvorstellungen
versehenen Kontext ein, dass
sie ihren ursprünglichen Sinn-
zusammenhang und ein damit
möglicherweise verbundenes
moralisches Empörungspoten-
tial verlieren.
6
Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
Taten anderer betrifft. Damit es zu
dem genannten Paradox kommen
kann, muss unser natürliches mo-
ralisches Urteilsvermögen in ge-
eigneter Weise unterlaufen oder
blockiert werden. Am einfachs-
ten ist dies zu bewerkstelligen,
wenn man die von ‚unserer‘ Ge-
meinschaft begangenen Greuelta-
ten ‚moralisch unsichtbar‘ macht.
Zunächst mag es schwierig er-
scheinen, offenkundige Fakten un-
sichtbar zu machen, doch die Zau-
berkunst illustriert uns, dass es
gar nicht so schwer ist, dies durch
ein geeignetes Aufmerksamkeits-
management zu bewerkstelligen.
Ein Gemälde „Der Gaukler“
von Hieronymus Bosch (1450 –
1516) illustriert kunstvoll und ge-
dankenreich, worum es geht:
Um einen Tisch sind verschie-
dene Personen versammelt, offen-
sichtlich alles Vertreter der besser
situierten Gesellschaft, die der
Verführung erlegen sind, die ein
Gaukler, natürlich zu seinem Vor-
teil, mit recht banalen Hilfsmitteln
auszulösen vermag. Einige verkör-
pern Gaffer und Voyeure, andere
eher unbeteiligt wirkende zufälli-
ge Zuschauer. Auffallend ist eine
in der Laientracht eines Ordens
gekleidete Person, die offensicht-
lich, wie der Zwicker auf der Nase
anzeigt, des Lesens mächtig ist,
also ein Intellektueller. Er erfasst
die Situation und nutzt sie rasch
zu seinen Gunsten: Er stiehlt den
Geldbeutel der durch den Gaukler
hypnotisierten Person vor ihm – er
ist also das, was man im Mittelal-
ter einen Beutelschneider nannte.
Ich werde auf dieses Bild später in
einem unerwarteten Zusammen-
hang zurückkommen.
Es gehört – wie das Bild von
Bosch illustriert – nicht viel dazu,
die Aufmerksamkeit von Men-
schen so zu manipulieren, dass
sie das Offenkundige nicht mehr
bemerken können und eigentlich
augenfällige Fakten für sie un-
sichtbar sind. Dass dies auch im
politischen Bereich mit bemer-
kenswerter und beunruhigender
Wirksamkeit möglich ist, will ich
anhand einiger Fakten aufzeigen,
die unmittelbar mit dem genann-
ten Selbsteinschätzungs-Verhal-
tens-Paradox zusammenhängen,
also mit schweren Verletzungen
moralischer Normen durch poli-
tische Gemeinschaften, denen wir
angehören. Dabei möchte ich aber
die übliche politische Perspektive
gleichsam umkehren: Statt danach
zu fragen, aus welchen vorgebli-
chen oder tatsächlichen Motiven
Regierungen diese Verbrechen
begangen haben, möchte ich den
Blick auf die Bevölkerung, also
auf uns selbst richten und nach
den Gründen fragen, warum wir
auf diese Verbrechen nicht mit
einer angemessenen moralischen
Empörung reagieren.
Da also die Fakten hier nur als
Grundlage zur Behandlung dieser
Fragen dienen, kann ich mich auf
ein kurzes Konstatieren weniger
Beispiele beschränken. Diese Bei-
spiele sind so gewä hlt, dass sie die
folgenden drei Kriterien erfüllen.
i) Sie beziehen sich auf Taten, für
die ‚wir‘ verantwortlich si nd, also
die politische Gemeinschaft, der
wir angehören. ii) Sie beziehen
sich auf eindeutige Verletzungen
moralischer Normen und Verbre-
chen, also auf Taten, auf die wir
ohne Zögern, wenn unsere ‚Geg-
ner‘ sie begehen würden, mit Em-
pörung und moralischer Verur-
teilung reagieren würden. iii) Sie
sind unstreitig und gut dokumen-
tiert, und auch die Massenmedien
berichteten über sie (wenn auch
fragmentiert und zumeist ‚geeig-
net‘ re-kontextualisiert).
Unsichtbarmachen
‚kleiner Fakten‘
Am einfachsten ist das moralische
Unsichtbarmachen von Fakten in
solchen Fällen, die wegen ihres
Umfanges, wegen ihres geringen
politischen Gewichts oder weil
sie recht abstrakte Sachverhalte
betreffen nur eine geringe ‚mo-
ralische Sichtbarkeit‘ haben. Über
derartige ‚kleine‘ Fakten können
die Massenmedien risikolos be-
richten; solche Fakten können im
Wortsinne sichtbar und dennoch
‚moralisch unsichtbar‘ sein.
Recht mühelos gelingt das mo-
ralische Unsichtbarma chen im Fal-
le schwerer Verletzungen morali-
scher Normen, die durch abstrakte
Strukturen verursacht sind. An-
ders als konkret sichtbare Ge-
walt unterläuft strukturelle Ge-
walt gleichsam unsere natürlichen
moralischen Sensitivitäten. Hier-
zu gehören beispielsweise Wirkun-
gen, die aus demokratisch nicht
mehr kontrollierbaren Oligarch ien
des globalisierten Finanzkapitals
resultieren. Für die Wahrnehmung
von Ursachen, die abstrakter Na-
tur sind, ist der menschliche Geist
nicht gut ausgestattet; wir erken-
nen sie zumeist selbst dann nicht,
wenn sie gewaltige Folgen haben.
Jean Ziegler, der ehem. UN-Son-
derberichterstatter für das Recht
auf Nahrung, bemerkte 2012 in der
Zeitung junge Welt: „Der deutsche
Faschismus brauchte sechs K riegs-
jahre, um 56 Millionen Menschen
umzubringen – die neoliberale
Wirtschaftsordnung schafft das
locker in gut einem Jahr.“ Selbst
dann, wenn sich die Ursache be-
nennen lässt, fällt es uns bei ab-
strakten Strukturen schwer, auf
Verbrechen mit moralischer Em-
pörung zu reagieren. Beispiel: Die
Welt ba nk, deren Aufgabe darin
besteht, Fina nzierungsinstrumen-
te für langfristige Entwicklungs-
und Aufbauprojekte im Bereich
der Realwirtschaft bereitzustellen.
Menschenrechtsorganisationen
verurteilen seit Jahren die Men-
schenrechtsverletzungen durch
die Weltbank. Gelegentlich n-
det dieses Thema auch den Weg
in die Massenmedien. So schrieb
die Süddeutsche Zeitung am 16.
April 2015: „Bei von der Weltbank
nanzierten Infrastrukturprojek-
ten in Afrika werden Armutsvier-
tel zum Teil ohne Vorwarnung
niedergewalzt. Bewohner werden
zwangsweise umgesiedelt oder ob-
dachlos.“ Entsprechend die ZEIT
vom gleichen Tag, unter dem Ti-
tel Weltbank verletzt Menschen-
rechte weltweit“: Allein im ver-
gangenen Jahrzehnt hätten „3,4
Millionen Menschen in mehr als
900 Weltbank-Projekten ihr Land
oder einen Teil ihrer Lebensgrund-
lage verloren.“ Über diese folgen-
schweren Fakten kann man die Be-
völkerung risikofrei unter richten;
solange der für ihr Verständnis
notwendige Kontext weitgehend
unsichtbar bleibt, werden derar-
tige Verbrechen die Bevölkerung
nicht sonderlich interessieren oder
beunruhigen.
Anders verhält es sich bei kon-
kreten Dingen, wie beispielsweise
Folter. Bei Folter gibt es einen -
ter. Wenn die Ursache eines Ver-
brechens nicht abstrakt ist, son-
dern konkrete Täter auszumachen
sind, wird unser natürliches mora-
lisches Empörungsvermögen, un-
sere moralische Sensitivität eher
Hieronymus Bosch „Der Gaukler“ (gemeinfrei)
Screenshot des Artikels zur Welt-
bank vom 16.4.2015 auf der Website
www.zeit.de (4.8.2015, 23.04 Uhr)
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Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
angesprochen. Doch mit Fragmen-
tierung und einer geeigneten De-
Kontextualisierung gelingt auch
hier ein moralisches Unsichtbar-
machen mühelos.
Beispiel Usbekistan: Usbekis-
tan gilt als eine der schlimmsten
Diktaturen der Welt, und das dor-
tige Regime begeht systematisch
schwerste Menschenrechtsverlet-
zungen, wie Massenmorde, Folter
oder Kinderarbeit. Da Deutschland
dort jedoch einen Luf twaffenstütz-
punkt betreibt und somit strategi-
sche Interessen verfolgt, gehört die
Duldung von Folter in Usbekistan
zur deutschen Staatsraison. (10)
Weitere Beispiele für Fakten,
die sich mühelos moralisch un-
sichtbar machen lassen, lassen sich
leicht nden.
Unsichtbarmachen
‚großer’ Fakten
Wie sieht nun die Möglichkeit
des Unsichtbarmachens in Fällen
aus, die sich eigentlich schon ihrer
Größenordnung wegen nicht zum
Verschwinden bringen lassen. Das
erfordert einen beträchtlichen Auf-
wand, im politischen Bereich eben-
so wie in der Zauberkunst. Doch
bekanntlich hat David Coppereld
1983 vorgeführt, dass er sogar die
Freiheitsstatue vor den Augen sei-
ner Zuschauer verschwinden las-
sen kann. In der Zauberkunst er-
fordert dies einen aufwendigen und
rafnierten technischen Apparat.
Beim Meinungsmanagement ist
der Apparat, durch den sich Fak-
ten unsichtbar machen lassen, in
gewissem Sinne zwar auch auf-
wendig – nämlich die Verfügbarkeit
von Massenmedien -, doch die be-
nötigten psychologischen Techni-
ken sind nicht sonderlich rafniert.
Nur ein Beispiel für derartige
Fakten will ich anführen, nämlich
die Anzah l der von Zivilisten, die in
den von den USA seit dem 2. Welt-
krieg durchgeführten ‚Interventio-
nen‘ getötet wurden. Da die USA
als „engster Verbündeter Deutsch-
lands“ gelten und da nach Einschät-
zung des Auswärtigen Amtes die-
se „transatlantischen Beziehungen
auf gemeinsamen Werten beruhen“
fallen die entsprechenden Fakten
in einen politischen Bereich, für
den ‚wir‘ mitverantwortlich sind.
Zählt man nun die zivilen Opfer
von US-Interventionen zusammen,
so kommt man allein im Vietnam/
Korea-Krieg auf 10 bis 15 Millio-
nen sowie auf weitere 9 bis 14 Mil-
lionen durch kriegerische Akte der
USA und ihrer Erfüllungsgehil-
fen (z.B. in Afghanistan, Angola,
Kongo, Ost-Timor, Guatemala, In-
donesien, Pakistan, Sudan). Insge-
sa mt si nd na ch ofz iel len Anga ben
oder Schätzungen von Menschen-
rechtsorganisationen die USA seit
dem 2. Weltkrieg durch Angriffe
auf andere Länder für den Tod von
20 bis 30 Millionen Menschen ver-
antwortlich.
Begleitet wurden und werden
diese Verbrechen durch einen Chor
der Selbstbeglückwünschung und
Selbstbeweihräucherungen westli-
cher Politiker, bereitwilliger Jour-
nalisten und Intellektueller, für
die diese Taten nur Ausdruck sind
für das wohltätige Bemühen der
„world‘s greatest force for peace
and freedom, for democracy and
security and prosperity“, so der
ehemalige US-Präsident Clinton
(am 28. April 1996).
Allein in den letzten 15 Jahren
wurden vier Millionen Muslime
durch un s‘, also durch die ‚west-
liche Wertegemeinschaft‘, getö-
tet, um so den Terrorismus in der
Welt auszurotten. Dies steht in ei-
ner langen geschichtlichen Kon-
tinuität der ‚westlichen Wertege-
meinschaft‘ – vom europäischen
Kolonialismus und seiner „zivi-
lisatorischen Mission“, über den
Vietnamkrieg, in dem 1 bis 2 Mil-
lionen Zivilisten durch ih re Ermor-
dung vom Kommunismus, also von
den Zumutungen einer falschen Le-
bensform, befreit wurden, bis hin
zu ‚humanitären Interventionen‘
und ‚zivilisatorischen Missionen
für Demokratie und Menschen-
rechte‘ der Gegenwart.
Es bedarf in der medialen Dar-
stellung dieser Verbrechen einer be-
trächtlichen Fragmentierung und
einer radikalen Re-Kontextualisie-
rung als ‚Kampf für Demokratie
und Menschenrechte‘, damit Ver-
brechen dieser Größenordnung so-
wie ihre geschichtliche Kontinui-
tät für die Öffentlichkeit nahezu
unsichtbar werden.
Obwohl all dies ausführlich do-
kumentiert ist, ist es im öffentli-
chen Bewusstsein so gut wie nicht
präsent.
Wie viele Menschen muss man
töten, bis man sich die Bezeichnung
verdient hat, ein Massenmörder
und Kriegsverbrecher zu sein?“,
fragte Harold Pinter 2005 in sei-
ner Rede zur Verleihung des Li-
teraturnobelpreises. Er erinnerte
an das „weitverzweigtes Lügen-
gespinst, von dem wir uns näh-
ren“ („a vast tapestry of lies, upon
which we feed“). Damit die Macht
der herrschenden Eliten „erhalten
bleibt, ist es unabdingbar, dass die
Menschen unwissend bleiben, dass
sie in Unkenntnis der Wahrheit le-
ben, sogar der Wahrheit ihres eige-
nen Lebens.“ Zu diesem Lügenge-
spinst gehört es, dass die genannten
Verbrechen im Bewusstsein der
Bevölkerung unsichtbar sind; sie
sind schlicht nicht passiert.
„Es ist nie passiert. Nichts ist je-
mals passiert. Sogar als es passierte,
passierte es nicht. Es spielte keine
Rolle. Es interessierte niemand.“
Womit sich die beängstigende Fra-
ge stellt, wie sich eine moralische
Apathie solchen Ausmaßes errei-
chen lässt. What has happened to
our moral sensibility? Did we ever
have any? What do these words
mea n?“ Die Antwort führt uns
wieder zur Zauberkunst, denn eine
solche moralische Apathie zu er-
zeugen ist ein „glänzender, sogar
geistreicher, äußerst erfolgreicher
Hypn oseak t“.
Das wichtigste Medium für eine
solche kollektive Hypnose ist na-
türlich die Sprache. Wer die Spra-
che beherrscht, also die Begriff-
lichkeiten und Kategorien, in denen
wir über gesellschaftlich-politi-
sche Phänomene nachdenken und
sprechen, hat wenig Mühe, auch
uns zu beherrschen. „Mit Hilfe der
Sprache hält man das Denken in
Schach.“ (11)
Auch ‚große‘ Fakten lassen sich
also durch einfache psychologi-
sche Techniken, wie sie in der Gra-
phik noch ein mal zusam mengefasst
sind, moralisch unsichtbar machen.
Diese Techniken sind kaum noch
als bewusst eingesetzte Techn i-
ken erkennbar, sondern sind tief in
der ‚normalen‘ Funktionsweise der
Massenmedien verankert und stel-
B-52-Bomber (Foto: US Airforce, gemeinfrei)
Opfer des Massakers von My Lai
(Foto: US-Army, public domain)
„Es ist nie passiert.
Nichts ist jemals passiert.
Sogar als es passierte,
passierte es nicht.
Es spielte keine Rolle. Es
interessierte niemand.
Harold Pinter
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Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
len geradezu deren Charakteristi-
kum dar. Diese Manipulationstech-
niken müssen also nicht erst durch
eine Art zentraler Lenkung imple-
mentiert werden, sondern sind im
wesentlich lediglich Ausdruck der
Volksweisheit „Wes Brot ich ess,
des Lied ich sing“. Kennt man das
für die ‚Unterrichtung‘ der Bevöl-
kerung gewünschte Lied, so erge-
ben sich diese Techniken nahezu
von selbst.
Notwendigkeit eines
‚Empörungsmanagments‘
Nun kann es aus Sicht der herr-
schenden Eliten Situationen geben,
die für die Stabilität eines Systems
besonders gefährlich sind, weil sie
das Potential einer Kettenreakti-
on bergen. Typischerweise wer-
den derartige Situationen durch
Vorkommnisse ausgelöst, die das
moralische Empnden der Bevöl-
kerung so heftig ansprechen, dass
diese mit Empörung reagiert. Der-
artige Situationen gilt es rasch und
wirksam zu entschärfen. Die auf
eine längerfristige Steuerung von
Meinungen zielenden Techniken
reichen hierfür oftmals nicht aus,
so dass besondere Techniken erfor-
derlich sind, die ausgelöste Empö-
rung zu kontrollieren und zu steu-
ern. Ein typisches Beispiel für eine
Situation, in der ‚durch ein unglück-
liches Missgeschick‘ das morali-
sche Empnden der Bevölkerung
so heftig angesprochen wurde, dass
diese mit Empörung reagierte, war
die Veröffentlichung von Folter-
bildern aus dem von den USA be-
triebenen irakischen Gefängnis in
Abu Ghraib. (12)
‚Stabilitätsgefährdende‘ Em-
pörungsreaktionen der eigenen
Bevölkerung – wie im Falle von
Folter oder Massenüberwachung
–, sind aus Sicht der Eliten rasch
einzudämmen oder auf geeignete
Scheinziele umzulenken.
Doch auch Empörungsreakti-
onen der Bevölkerung eines ‚be-
freundeten‘ Landes können für die
‚Stabilität‘ – womit in der Regel
die eigenen hegemonialen Interes-
sen gemeint sind – gefährlich sein
und müssen folglich in geeigneter
Weise kontrolliert werden. Dies gilt
besonders dann, wenn sie sich in
kollektiv organisierter Weise ma-
nifestieren. In diesem Fall spricht
man bei den nötigen Kontrolltech-
niken von ‚Aufstandsbekämpfung‘.
Handelt es sich hingegen um Em-
pörungsreaktionen der Bevölke-
rung von nicht pro-westlich ein-
gestellten Staaten, in denen ‚wir‘
einen Systemwechsel anstreben, so
sind Aufstände natürlich nicht zu
bekämpfen, sondern durch Techni-
ken eines Empörungsmanagements
anzufachen und auf geeignete Ziel-
objekte zu richten. In diesen Fäl-
len sprechen wir von ‚Farbrevolu-
tionen‘, die es dann in geeigneter
Weise zur ‚Förderung von Demo-
kratie und Menschenrechten‘ zu
lenken gilt.
Aufstandsbekämpfung
Methoden der Aufstandsbekämp-
fung („counterinsurgency“), als
militärische Einsätze unterhalb
der Kriegsschwelle („low inten-
sity warfare“), bilden heute den
bedeutendsten und umfassendsten
Bereich von Interventionsmetho-
den und übertreffen die klassische
Kriegführung weit an Bedeutung.
Sie umfassen all die Methoden,
die auch nach ofzieller Deniti-
on von Terrorismus als Terroris-
mus anzusehen sind: nämlich un-
rechtmäßige Gewaltakte, um durch
Angsterzeugung politische oder
ideologische Ziele zu erreichen.
(13) Im Falle der ‚Aufstandsbe-
kämpfung‘ nennt sich diese Form
des Terrorismus jedoch Anti-Ter-
rorismus („counterterrorismus“).
Anti-Terrorismus und Terrorismus
unterscheiden sich also nur da-
durch, ob entsprechende Gewalt-
akte von ‚uns‘ oder durch unsere
Feinde begangen werden. Der Be-
griff ‚Terrorismus‘ ist also ein zu-
tiefst ideologisch getränkter Be-
griff. Dies gilt gleichermaßen für
den Begriff Aufstandsbekämp-
fun g‘. Auch hier ist es wichtig, seine
stillschweigenden Prämissen auf-
zudecken: Das Wort ‚Aufständi-
sche‘ impliziert stets die Perspek-
tive der jeweiligen herrschenden
Ordnung. ‚Aufständische‘ werden
diejenigen genannt, die die Stabi-
lität einer von ‚uns‘ gewünschten
Ordnung bedrohen, als ‚Freiheits-
kämpfer‘ hingegen werden dieje-
nigen bezeichnet, die die Stabilität
einer von ‚unsnicht gewünschten
Ordnung bedrohen.
Die Methoden der Aufstands-
bekämpfung umfassen ein breites
Spektrum von Methoden, zu deren
Verfeinerung auch der universitä-
re Bereich beizutragen sucht. Sie
reichen von „information opera-
ti ons“, d.h. Methoden zur Kontrol-
le der öffentliche Meinung, über
„population-control measuresbis
hin zu „shock and awe“-Takt i k en.
Die blutigen Formen der Auf-
standsbekämpfu ng werden von spe-
ziellen Einheiten übernommen,
etwa CIA oder den zah lreichen Ein-
heiten des Joint Special Operation
Command. In der New York Times
erschien am 7. Juni 2015 unter der
Überschrift „A Secret History of
Quiet Killings and Blurred Lines“
ein ausführlicher Bericht über diese
Einheiten der ‚Aufstandsbekämp-
fung‘, die als „global manhunting
ma chi ne“ bezeichnet werden. Be-
reits das wenige, was über sie ans
Licht gekommen ist, zeigt eine lan-
ge Bilanz von „killing fests“, von
‚Schlachtfesten‘ an Zivi listen. Die-
se Einheiten verfügen, laut Jeremy
Scahill, über einen Jahresetat von
8 Milliarden Dollar.
Der Bericht der NYT hat zwar
einige kurzzeitige Empörungs-
reaktionen hervorgerufen, doch
zugleich die Bürger in der Über-
zeugung bestärkt, dass in ‚unse-
rer Demokratie‘ letztlich alles ans
Licht komme und somit kein Grund
zu einer ernstha ften Beunruhigung
bestehe. Zudem bettet der Bericht
die Darstellung dieser Verbrechen
wieder in den üblichen Kontex ‚be-
dauerlicher Einzelfälle‘ ein und
verdeckt durch eine geschichtliche
Fragmentierung die lange Traditi-
on derartiger Einheiten.
Die blutigen Methoden der Auf-
standsbekämpfung wurden vor al-
lem im Vietnam-Krieg erprobt,
etwa durch die Tiger Force. Den-
noch ist die Kontinuität dieser Me-
thoden für das öffentliche Bewusst-
sein praktisch unsichtbar. (14)
Aufstandsentfachung
Eine gänzlich andere Strategie wird
hingegen verfolgt, wenn sich Auf-
stände gegen eine der ‚westlichen
Wertegemeinschaft‘ missliebige
Regierung richten. Dann sprechen
wir bei Aufständen, die verspre-
chen, einen geeigneten System-
wechsel herbeizuführen, davon,
dass diese den Freiheitswillen der
Bevölkerung widerspiegeln und
daher im Sinne einer „democra-
cy p ro m oti o n“ nach Kräften zu
fördern sind.
Meinungsmanagement und Empörungsmanagement
Die United States Naval Special
Warfare Development Group
(NSWDG) oder DEVGRU, ist eine
US-Marine-Komponente von Joint
Special Operations Command. Sie
wird oft als SEAL Team Six, den
Namen seines Vorgängers, der offi-
ziell im Jahr 1987 aufgelöst wurde,
bezeichnet. (gemeinfrei)
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Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
Ein Systemwechsel auf einem
Wege zu erreichen, der keiner mil i-
tärischen Gewalt beda rf und zudem
aus der Mitte des Volkes zu kom-
men scheint – man spricht oft von
‚Farbrevolutionen‘ – hat für die
USA gegenüber den in den vorher-
gehenden Jahrzeh nten dutzendfach
von der CIA durchgeführten Mi-
litärputschen und Staatsstreichen
eine Reihe von Vor teilen. Verdeckt
inszenierte Systemwechsel sind
nicht nur kostengünstiger, sondern
haben auch in der westlichen Öf-
fentlichkeit und im internationalen
Staatenverbund eine vielfach hö-
here Akzeptanz als Putsche. Ein
Regime, das vordergründig auf
gewaltfreiem Wege und als vor-
geblicher Ausdruck des Volkswil-
lens an die Macht gekommen ist,
gilt damit bereits als demokratisch
legitimiert.
Für die Unterstützung verdeckt
inszenierter Systemwechsel gibt
es nanzstarke Netzwerke priva-
ter ‚gemeinnütziger‘ Organisati-
onen, die sich der Förderung von
‚Demokratie und Menschenrech-
ten‘ in Ländern widmen, die sich
dem westlichen Werteverständnis
gegenüber nicht hinreichend auf-
geschlossen zeigen. Eine der ein-
ussreichsten dieser Organisatio-
nen ist das National Endowment
for Democracy (NED) sowie die
durch das NED geförderten pri-
vaten NGOs wie Freedom House
und das Open Societ y Institute von
George Soros. Dan kenswer terwei-
se machte NEDs Expräsident Allen
Weinstein im Jahr 1991 die Kon-
tinuität in den Aktivitäten dieser
Organisationen und den durch die
CIA organisierten Putschen deut-
lich: „A lot of what we do today
was done covertly 25 years ago by
the CIA .“ Und in der Tat kann das
NED auf eine lange Liste gewalt-
frei etablierter autoritärer, doch
US-freundlich gesinnter Regime,
vor allem in Mittel- und Südame-
rika, verweisen. Gegenwärtig liegt
sein Schwerpunkt auf einer entspre-
chenden „democracy promotion
in Osteuropa.
Zudem werden all diese Aktivi-
täten zur Förderung hegemonialer
Interessen durch global agierende
und hochgradig spezialisierte Pro-
pagandarmen begleitet, die sich
selbst PR-Agenturen nennen. Alle
US-Intervention der vergangenen
Jahrzehnte sind durch derartige
Firmen propagandistisch vorbe-
reitet und begleitet worden. Die-
se Firmen sind trotz ihres großen
Einusses auf die Massenmedi-
en, für die Öffentlichkeit weitge-
hend unsichtbar – beispielsweise
Hill & Knowlton Strategies – die
eine gewisse Berühmtheit durch
die ‚Brutkastenlüge‘ von 1990 er-
langten – , Burson-Marsteller oder
Rendon Group. Sie haben global
mit beträchtlichem Erfolg gezeigt,
dass sie der Öffentlichkeit nicht nur
‚Kriege verkaufen‘ können, son-
dern auch die politisch gewünsch-
te ‚Realität‘.
Dieser politische Kontext einer
Kontinuität über viele Jahrzehnte
ist für die Öffentlichkeit weitge-
hend unsichtbar, da die Massenme-
dien diese Kontinuität so in Ein-
zelfälle fragmentieren, dass jeder
einzelne Fall so erscheint, als ginge
es bei einer militärischen Interven-
tion vor allem und die Förderung
von Demokratie und Menschen-
rechten und als sei es bei Aufstän-
den in Osteuropa oder in überwie-
gend islamischen Ländern einzig
und allein das Volk, das sich hier
Ausdruck verschafft, um genau
den von ‚uns‘ erstrebten System-
wechsel zu erreichen.
Die Kunst der
Täuschung
Nicht nur die öffentliche Meinung,
auch das Empörungspotential der
Öffentlichkeit ist ein viel zu kost-
bares Gut, als das man es der Be-
völkerung oder dem Zufall überlas-
sen könnte. Da wir aber von Natur
aus über moralische Sensitivitäten
verfügen, hat die Kontrolle unse-
res moralischen Empörungspoten-
tials zur Voraussetzung, dass man
in der Bevölkerung ein hinreichen-
des Maß an politischer Apathie er-
zeugt. Zudem müssen Techniken
verfügbar sein, mit denen sich alle
Fakten moralisch unsichtbar ma-
chen lassen, die diese Apathie ge-
fährden könnten. Hierzu gehören
insbesondere schwerwiegende und
systematische Menschenrechts-
verletzungen, weil diese geeignet
sind, unsere natürlichen morali-
schen Sensitivitäten anzusprechen.
Realpolitik bedeutet gerade,
Verweise auf Demokratie, Men-
schenrechte oder moralische Nor-
men allgemein nur als rhetorische
Hülsen anzusehen, mit denen sich
die Bevölkerung wirksam steu-
ern lässt; dazu bedarf es geeigne-
ter Techniken, durch die man die
Bevölkerung über die Diskrepanz
von politischer Rhetorik und der
Realität täuschen kann und so die
Stabilität der jeweiligen politischen
Ordnung gewährleisten kann. Eine
solche Täuschung wiederum gelingt
um so wirkungsvoller, je besser man
dabei den Gesetzmäßigkeiten unse-
res Geistes Rechnung trägt.
Die Psychologie hat in den ver-
gangenen Jahrzehnten eine Fülle
neuer und vertiefter Einsichten in
Gesetzmäßigkeiten der Funktions-
weise unseres Geistes gewonnen.
Viele dieser Einsichten lassen sich
für eine Verfeinerung von Techni-
ken der Propaganda und Täuschung
nutzbar machen.
Dabei ist es, angesichts histori-
scher Erfahrungen, wenig überra-
schend, dass sich genügend Psycho-
logen nden, die sich bereitwillig
in den Dienst eines solchen Unter-
fangens stellen, was ihnen natür-
lich die Wertschät zung ‚relevanter‘
Kreise einträgt. Nur ein Beispiel:
Die American Psychological As-
sociation (APA), die größte Stan-
desorganisation von Psychologen
der Welt, organisierte 2003 zusam-
men mit der CIA einen Science of
Deception-Workshop. Ziel dieses
Workshops war es, neueste psycho-
SEALs mit AN-PEQ-1-Laserdesignator (re.) und M-14 (li.) (Foto: gemeinfrei)
Allan Weinstein (public domain)
George Soros (Foto: World
Economic Forum, Sebastian
Derungs, CC BY-SA 2.0)
10
Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
logische Befunde zu diskutieren
und für die Praxis aufzubereiten,
auf deren Basis man „zum Zwe-
cke der nationalen Sicherheit“ die
Bevölkerung am besten täuschen
nne. (15)
Auch andere Geheimdiens-
te sind an solchen Befunden der
Psychologie interessiert, die Mög-
lichkeiten eröffnen, verfeinerte
Techniken der Täuschung und Mei-
nungsmanipulation zu entwickeln.
Durch die Snowden-Dokumente
wurde ein Manual des britischen
Nachrichtendienstes Government
Communications Headquarters
(GCHQ) bekannt (The Intercept,
25.2.2014), das sich genau den
Möglichkeiten widmet, wie sich
auf der Basis dessen, was wir ge-
genwärtig über Prinzipien unseres
Geistes wissen, die Bevölkerung
täuschen lässt und Fakten unsicht-
bar machen lassen. Es trägt den Ti-
tel The Art of Deception und zeigt
als Titelbild passenderweise genau
das eingangs abgebildete Gaukler-
Bild von Hieronymus Bosch.
In diesem Manual sind akri-
bisch die Funktionsbereiche unse-
res Geistes sowie spezische Eigen-
schaften dieser Funktionsbereiche
aufgeführt, die sich für Zwecke der
Täuschung nutzen lassen.
Können wir uns gegen
eine systematische
Manipulation unserer
Einstellungen,
Überzeugungen und
Meinungen schützen?
Bei der Entwicklung verfeinerter
Manipulationstechniken wird ge-
zielt nach solchen Designaspek-
ten und funktionalen Gesetzmä-
ßigkeiten unseres Geistes gesucht,
die sich gleichsam als ‚psychische
Schwachstellen‘ für Man ipulations-
zwecke nutzen lassen. Der wich-
tigste Aspekt dabei ist, dass uns die
für solche Zwecke genutzten Funk-
tionen unseres Geistes – aus prinzi-
piellen Gründen unseres mentalen
Designs – nicht bewusst zugänglich
sind. Nutzt man sie für Manipula-
tionszwecke, so erliegen wir nahe-
zu automatisch, unwillentlich und
unbewusst solchen Manipulationen,
ohne auch nur zu bemerken, dass
wir ihnen erliegen. Selbst wenn wir
wissen, wie diese Manipulations-
techniken funktionieren und wel-
che Eigenschaften unseres Geistes
sie sich zunutze machen, sind wir
nicht gegen sie gefeit. Die dabei
aktivierten internen Prozesse lau-
fen unbewusst ab und unterliegen
nicht unserer willentlichen Kont-
rolle. Wenn sie erst einmal akti-
viert sind, ist es aussichtlos, ihnen
entgehen zu wollen.
In dieser Hinsicht verhalten sie
sich im Prinzip nicht anders als die
Prozesse, die beispielsweise der
Wahrnehmung zugrunde liegen.
Auch bei der Wahrnehmung kön-
nen wir in der Regel sog. Wahr-
nehmungstäuschungen nicht wil-
lentlich korrigieren. Ein Beispiel
ist die Bewegungstäuschung, der
man erliegt, wenn man im Bahn-
hof aus dem Fenster eines stehen-
den Zuges auf den gerade abfah-
renden Zug des Nachbargleises
blickt und dabei den Eindruck hat,
dass sich der eigene Zug in Bewe-
gung setzt. Derartige Effekte lau-
fen unbewusst und automatisch ab
und verschwinden auch dann nicht,
wenn man sie gut kennt. Wenn wir
ihnen also entgehen wollen, müs-
sen wir diejenigen Situationen mei-
den, durch die sie ausgelöst werden.
Gleiches gilt auch für spezi-
sche Eigenschaften mentaler Pro-
zesse, die man für Manipulations-
zwecke auszunutzen sucht. Auch
sie laufen, wenn sie erst einmal
durch bestimmte Situationen aus-
gelöst worden sind, weitestgehend
unbewusst und nicht kognitiv kon-
trollierbar ab. Wir können also den
psychologischen Effekten, die sich
Manipu lationstechn iken gezielt zu-
nutze machen, nur dadurch entge-
hen, dass wir die auslösende Situa-
tion so gut es geht vermeiden. Nur
wenn wir erkennen, dass wir uns
in einem Manipulationskontext be-
n den, und dann di e Med ien, üb er
die die gewünschten Manipulatio-
nen vermittelt werden, aktiv ver-
meiden, haben wir in derartigen Si-
tuationen eine Chance, uns einen
Rest von Autonomie zu bewahren.
Wenn wir uns jedoch dem Ma-
nipulationskontext freiwillig aus-
setzen und zudem der Überzeu-
gung sind, dass wir im Großen und
Ganzen schon in der Lage seien, in
den ‚Nachrichten‘ der privaten oder
öffentlich-rechtlichen Massenme-
dien Wahrheit von Täuschung zu
unterscheiden, erfüllen wir in op-
timaler Weise alle Voraussetzun-
gen für den Erfolg entsprechender
Manipulationstechniken.
Zwar ist der menschliche Geist
so beschaffen, dass es viele Mög-
lichkeiten zu seiner Manipulation
und somit für eine „Verzwec k u ng
von Menschen für die Machtbe-
dürfnisse anderer gibt. Jedoch ver-
fügen wir von Natur aus über ein
reiches Repertoire an Möglichkei-
ten unseres Verstandes, um Mani-
pulationskontexte erkennen und
somit aktiv vermeiden zu können.
Wir verfügen gleichsam über ein
natürliches Immunsystem gegen
Manipulation. Wir müssen uns nur
entschließen, es zu nutzen.
Das Motto der Aufklärung
war ja sapere aude, wage
es zu erkennen, wage es
zu bemerken – oder in
Kants Worten, wage es,
dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen.
Nur wenn wir uns ent-
schließen, uns unseres
Verstandes zu bedienen,
nur wenn wir unsere
induzierte moralische
Apathie überwinden, nur
wenn wir nicht mehr
bereit sind, uns mit der
Illusion der Informiert-
heit, der Illusion der
Demokratie, der Illusion
der Freiheit zufrieden zu
geben, nur dann haben
wir eine Chance, diesen
Manipulationstechniken
zu entgehen. Das ist
keine leichte Aufgabe,
aber eine andere Wahl
haben wir nicht. Die Ent-
scheidung liegt bei uns.
„Training for a new generation of online covert operations“
Autor:
Rainer Mausfeld
Geb. 1949, stu-
dierte Psycho-
logie, Mathe-
matik und
Philosophie.
Arbeitet im
Bereich der
Kognitionsforschung und
untersucht die Natur der
angeborenen Bedeutungskate-
gorien unseres Geistes, auf de-
nen alle psychischen Prozesse
beruhen. Derzeit Professor für
Allgemeine Psychologie an der
Universität Kiel.
<http://
free21.org/de/
node/312>
Dieser Vortrag wurde zuerst von
Reiner Heyse als Videomitschnitt auf
Youtube.com unter der URL <https://
youtu.be/Rx5SZrOsb6M> veröffentlicht.
11
Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
Anmerkungen
(1) Die Demokratie im antiken Athen
war eine sehr weitgehende Herr-
schaft des Volkes; schon deswegen
hat diese Form der Demokratie für
die gegenwärtigen Eliten keineswegs
den Vorbildcharakter, der ihr in der
politischen Rhetorik oft zugeschrie-
ben wird. „In Athens demokratia übte
das Volk die volle Gesetzgebungs-,
Regierungs-, Kontroll- und Gerichtsge-
walt aus. Damit war die Demokratie
in Athen ein Regime direkter, unmit-
telbarer Herrschaft des Volkes, das
auf umfassender Beteiligung aller Bür-
ger beruhte und keine Unterschiede
zwischen Arm und Reich kannte. …
Der athenische Demos besaß also
eine beispiellose Machtkonzentration.
Gesetzgebende, richtende und aus-
führende Gewalt gingen vom Volk aus
und verblieben auch bei ihm. Regie-
ren und Regiertwerden waren eins –
oder gingen, wie Aristoteles formu-
lierte, „wechselweise“ vonstatten.“
(Vorländer, 2004, S.10-11)
(2) Martin Gilens und Benjamin Page
(2014) stellen fest: „The preferences
of the average American appear to
have only a miniscule, near-zero, sta-
tistically non-significant impact upon
public policy.“ Wenn die Mehrheit
der Bürger nicht mit den ökonomi-
schen Eliten oder mit organisierten
Interessengruppen einverstanden
ist, erweist sie sich in der Regel als
Verlierer („When a majority of citi-
zens disagrees with economic elites
and/or with organized interests, they
generally lose.“). Selbst wenn eine
ziemlich große Mehrheit amerikani-
scher Bürger eine Politikänderung
wünscht, bekommt sie sie im allge-
meinen nicht („[…] even when fairly
large majorities of Americans favor
policy change, they generally do not
get it.“). Gilens und Page schließen
aus ihren Befunden: „It is no longer
possible … to believe in the original
dogma of democracy.“ Soviel zur
Diskrepanz von politischer Rhetorik
und Realität.
(3) Wallstreet Journal vom 28. Februar
2013: „That is democracy in today’s
euro zone. The French, Spanish, Irish,
Dutch, Portuguese, Greeks, Sloveni-
ans, Slovakians and Cypriots have to
varying degrees voted against the cur-
rency bloc’s economic model since
the crisis began three years ago. Yet
economic policies have changed little
in response to one electoral defeat
after another.
(4) Die Ef fektivität dieser Propaganda-
Techniken wies Bernays selbst in zahl-
reichen Kampagnen im wirtschaftli-
chen und politischen Bereich nach. So
unterstützte er 1954 propagandistisch
sehr erfolgreich eine CIA-Operation
(in deren Folge über 250.000 Zivilis-
ten umkamen), mit der Washington
den Sturz der ersten demokratischen
Regierung in Guatemala betrieb (da
Guatemala durch seine Agarreform
und sein weitgefächertes Sozialpro-
gramm „eine zunehmende Bedro-
hung“ für die „Stabilität“ Mittelame-
rikas geworden sei).
Bernays Buch Propaganda ist bis
heute ein Klassiker im politischen
Geschäft und im Marketing. Es wurde
auch von Goebbels geschätzt, wes-
halb Bernays nach dem Krieg den
Begriff ‚Propaganda‘ als belastet
ansah und nun dafür den Begriff
‚Public Relations‘ verwendete.
(5) Versuche, diese „wahre Herrscher-
macht unseres Landes“ sichtbarer zu
machen, werden dann durch eines
der erfolgreichsten Instrumente poli-
tischer Propaganda diffamiert, dem
von der CIA zur Blüte gebrachten
Konzept der ‚Verschwörungstheo-
rie‘: „The CIA’s campaign to popu-
larize the term ‘conspiracy theory’
and make conspiracy belief a target
of ridicule and hostility must be cre-
dited, unfortunately, with being one
of the most successful propaganda
initiatives of all time.“ deHaven-Smith
(2014, S. 25). Der Vorwurf der ‚Ver-
schwörungstheorie‘ stellt ein aus-
gezeichnetes Mittel dar, durch das
sich das Wirken von Verschwörungs-
praktikern im Dunkeln halten lässt.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Pro-
paganda darf, um wirksam zu sein,
nicht als Propaganda erkennbar sein.
Auch dies wurde vielfach explizit zum
Ausdruck gebracht, so von Bernays,
von Goebbels oder von US-Präsident
Eisenhower. Das ist mittlerweile in
einer so umfassenden und nahezu
vollkommenen Weise gelungen, dass
Alex Carey – in seinem Buch Taking
the Risk out of Democracy – feststel-
len kann: „[…] that we are free from
propaganda is one of the most sig-
nificant propaganda achievements
of the twentieth century.“
(6) „Exposure to this flood of infor-
mation may serve to narcotize rather
than to energize the average rea-
der … His social conscience remains
spotlessly clean. He is concerned.
He is informed. And he has all sorts
of ideas as to what should be done.
But, after he has gotten through his
dinner and after he has listened to
his favored radio programs and after
he has read his second newspaper
of the day, it is really time for bed.“
Paul F. Lazarsfeld & Robert K. Mer-
ton (1948). Mass communication,
popular taste, and organized social
action. In: L. Bryson (ed.), The Com-
munication of Ideas. New York: Har-
per, S. 95-118.
(7) Ein beliebig ausgewähltes Beispiel
für Sedierungseffekte: Ein Bild, das
von Reuters am 8. Juni 2015 zum „pic-
ture of the day“ gekürt wurde und
groß in deutschen Massenmedien,
etwa auf der ersten Seite der Süddeut-
schen plaziert war, zeigt anläßlich des
G7-Gipfels auf Schloß Elmau Angela
Merkel mit US-Präsident Obama vor
der romantischen Bergkulisse von
Schloß Elmau – beide in wohldrapier-
ter Entspanntheit – Obama lässig mit
dem Rücken zur Kamera, den idylli-
schen Alpenblick genießend, Angela
Merkel mit ausladender Gestik sug-
gerierend, dass sie das große Ganze
fest im Griff hat. Der politische Infor-
mationswert des Bildes ist Null, der
affektive, sedierende Effekt jedoch
könnte besser nicht sein. Das Bild
soll uns beruhigen und uns sugge-
rieren: Alles ist in besten Händen,
„it’s really time for bed“.
(8) Die systematische Angsterzeugung
durch die Massenmedien stellt dabei
keine journalistische Entgleisung oder
ein bloßes Mittel zur Erhöhung von
Auflagenzahlen dar, sondern ist viel-
mehr ein wesentliches Element der
affektiven Steuerung der Bevölke-
rung durch die jeweils herrschenden
Eliten. Lasswell hat dies in seinem
Standardwerk von 1927, Propaganda
Technique in the World War, auf den
Punkt gebracht: Es darf keine Zwei-
fel darüber geben, auf wen sich der
Haß der Öffentlichkeit zu richten hat.
(„There must be no ambiguity about
who the public is to hate.“) Sollte
sich der Haß nicht leicht entfachen
lassen, so sei es hilfreich, ihn durch
Betonung von Greueltaten zu schü-
ren. Besonders wirksam läßt sich
Haß erzeugen, wenn man Personen
als Ziel deklariert. Dabei sind vor
allem Hitlervergleiche ein beliebtes
und flexibel einsetzbares Mittel. Den
Haß der Bevölkerung auf abstrak-
tere Zielobjekte, wie Kommunismus
oder ‚Islamismus‘, zu richten, erfor-
dert hingegen höhere und kontinu-
ierlichere Propagandaanstrengungen
– und kann daher kaum ohne Ein-
bezug des Erziehungs- und Ausbil-
dungswesens erfolgen. Dafür hat dies
jedoch den Vorteil, dass die dadurch
erreichte Angsterzeugung zeitlich sehr
viel stabiler ist.
(9) Eine entsprechende Disposition
in der menschlichen Urteilsbildung
läßt sich auch ohne wissenschaftli-
che Untermauerung aus Alltagsbeob-
achtungen erkennen. So stellte auch
der Leiter der für Pressearbeit, Film,
Rundfunk und „Volksbildung“ zustän-
digen Reichspropagandastelle der
NSDAP, Joseph Goebbels, fest, dass
sich jede Lüge durch bloße Wieder-
holung zur Wahrheit machen lasse.
(10) Usbekistan gilt – wie auch der
Tagesspiegel vom 15.1.15 berichtet –
als „eine der schlimmsten Diktatu-
ren der Welt“. Folter ist im usbeki-
schen Rechtswesen fest verankert,
wie Jahr für Jahr Menschenrechtsor-
ganisationen feststellen. Zudem gibt
es hier in großem Ausmaß staatlich
organisierte Zwangs- und Kinderar-
beit bei der Baumwollernte (Usbe-
kistan ist einer der größten Baum-
wollexporteure weltweit). Im Jahr
2005 verübte das Regime Karimov
ein Massaker an protestierenden Bür-
gern. Wie Amnesty International im
Juni 2015 schrieb: „Vor zehn Jahren
kam es in der usbekischen Großstadt
Andischan zu einem spontanen Auf-
stand gegen das autoritäre Regime
des Landes. Das Militär erschoss Hun-
derte überwiegend unbewaffneter
Demonstranten: Kinder, Frauen, Män-
ner. Bis heute gab es keine unabhän-
gige Untersuchung des Massakers.“
Eigentlich ein klarer Fall für Sanktio-
nen. Und tatsächlich hat die Europä-
ische Union im Oktober 2005 Sank-
tionen gegen Usbekistan verhängt
und zudem gegen den damaligen
Innenminister Sokir Almatow, einen
derHauptverantwortlichen für das
Massaker von Andischan, ein Einrei-
severbot in die EU und somit auch
nach Deutschland verhängt. Dennoch
ließ Deutschland Almatov unbehel-
ligt zu einer medizinischen Behand-
lung in Hannover einreisen. Usbeki-
stan ist für Deutschland militärisch
wichtig, weil die Bundeswehr einen
für den Krieg in Afghanistan wichti-
gen Luftwaffenstützpunkt in Usbe-
kistan betreibt. Daher bemühte sich
Deutschland um eine Aufhebung der
EU-Sanktionen. Der damalige Außen-
minister Frank-Walter Steinmeier, der
den Diktator als erster westlicher
Außenminister nach dem Massaker
besuchte, hielt – zumindest in die-
sem Fall – nichts von Sanktionen.
Sanktionen seien kein Selbstzweck
und würden „nichts weiter bewirk-
ten, als Taschkent vor den Kopf zu
stoßen“ (ZEIT, 13.5.15). Steinmeier hat
ja wiederholt gezeigt, dass er über
die für einen ‚Realpolitiker‘ nötige
moralische Elastizität in der Beur-
teilung von Menschenrechtsverlet-
zungen verfügt – sofern diese von
der ‚richtigen‘ Seite verübt werden.
Über all dies wurde in den deut-
schen Medien berichtet, trotzdem
bleiben diese Fakten kognitiv und
moralisch unsichtbar: kognitiv, weil
keine Beziehung zu Fällen hergestellt
wird, in denen wegen schwerer Men-
12
Publiziert: 4.08.2015 (19:27), aktualisiert: 4.08.2015 (19:27), von Prof. Dr. Rainer Mausfeld, Original: https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M
Vortrag
schenrechtsverletzungen Sanktionen
für unabdingbar gehalten werden;
moralisch, weil die Berichte über
systematische Folter und Massaker
an Zivilisten in den Medien so ein-
gebettet waren, dass sie als etwas
angesehen wurden, das politisch kein
besonderes Gewicht hat und zudem
nicht in unserem Verantwortungs-
bereich liegt. Kurz: Da Deutschland
in diesem Fall strategische Interes-
sen verfolgt, gehört die Duldung von
Folter in Usbekistan zur deutschen
Staatsraison.
(11) Offenkundig war es nicht son-
derlich schwierig, auch Pinters Nobel-
preisrede für die Öffentlichkeit mora-
lisch unsichtbar zu machen. Über
ihren Inhalt wurde, wenig überra-
schend, in den Massenmedien so
gut wie nicht berichtet, und wenn,
dann in abfälliger Weise. Die FAZ
(8.12.2005), um nur ein Beispiel zu
nennen, warf Pinter „größte Einsei-
tigkeit“ vor. Obgleich es nichts Ein-
seitigeres gibt als die Folterung und
Ermordung eines Menschen, wird
von den Massenmedien und bereit-
willigen Intellektuellen gerne vorge-
geben, die Einseitigkeit läge in der
Benennung, nicht jedoch in der Ver-
übung solcher Verbrechen.
(12) Dieses Beispiel ist auch lehrreich
für die Rolle der Massenmedien in
einer solchen Situation.
Nachdem Amnesty International aus-
führlich in Berichten vom 23. Juli 2003
und 18. März 2004 über US-Folterun-
gen von Gefangenen durch Elektro-
schocks, Schlafentzug, Schläge oder
Fesselungen der Geschlechtsteile,
u.ä. hingewiesen hatte, entschie-
den sich die deutschen Leitmedien
dafür, über diese Verbrechen erst gar
nicht zu berichten und sie somit für
die Bevölkerung unsichtbar zu las-
sen. Obwohl ARD und ZDF im eigenen
Internetangebot darüber informier-
ten, verschwieg man diese Verbre-
chen in „Tagesschau“, „Tagesthemen“
und „heute“. Nachdem dann am 28.
April die ersten Fotos der Folterun-
gen an die Öffentlichkeit gelangten,
ließ sich das mediale Verschweigen
nicht länger aufrechterhalten. Am 30.
April 2004 berichtete die FAZ unter
dem Titel „Ohne Bilder kein Skan-
dal“ darüber, wie systematisch diese
Verbrechen in deutschen Leitmedien
verschwiegen wurden und welche
Gründe prominente Leitmedien im
nachhinein für die Nichtberichter-
stattung vor dem 28. April 2004 gel-
tend machten: So nannte der SPIEGEL
– trotz der ausführlichen Beweise in
den Amnesty-Berichten – „fehlende
Beweise“ als Grund, die Süddeutsche
Zeitung war der Überzeugung, dass
die Amnesty-Berichte über Elektro-
schocks, Schläge oder Fesselungen
der Geschlechtsteile „wenig konkrete
Informationen“ seien, und für den
STERN hatten sich die Inhalte der
Amnesty-Berichte durch „Dementis
von US-Stellen“ als irrelevant erle-
digt. Da nun aber durch die Veröf-
fentlichung der Bilder die Fakten nicht
mehr zu leugnen waren, trat man
die Flucht nach vorne an und beeilte
sich gegenüber der Öffentlichkeit, die
systematische Nichtberichterstattung
als einen bedauerlichen journalisti-
schen Ausnahmefall darzustellen.
So sprach die
FAZ von einer „Chronik eines kollek-
tiven Versagens“ und erklärt damit
die tatsächliche Regel der Funktions-
weise der Massenmedien zur schein-
baren Ausnahme.
(13) Beispielsweise im U.S. Army
Field Manual von 2001: „calculated
use of unlawful violence or threat of
unlawful violence to inculcate fear.
It is intended to coerce or intimi-
date governments or societies ... [to
attain] political, religious, or ideolo-
gical goals.“
(14) Im Rahmen der Operation
Phoenix der CIA wurden in Viet-
nam zwischen 1965 und 1972 mehr
als 40.000 Zivilisten – überwiegend
Frauen und Kinder – ermordet. Dar-
über wurde auch in deutschen Leit-
medien, etwa im SPIEGEL vom 16.
April 2004, berichtet. Bernd Greiner
schreibt in seinem Buch Krieg ohne
Fronten. Die USA in Vietnam: „Sie-
ben Monate lang zog die Tiger Force
eine Blutspur durch Qang Tin und
das Song Ve-Tal. Sie erschossen ohne
jeden Anlaß Bauern im Feld und mor-
deten Menschen, die ihnen zufällig
über den Weg liefen, folter ten Gefan-
gene und führten sie einzeln oder in
Gruppen zur Exekution, fielen spät-
abends oder am frühen Morgen in
Dörfer ein und streckten mit Maschi-
nengewehren alle nieder, derer sie
habhaft werden konnten – Bauern, die
sich zum Essen versammelt hatten
oder schliefen, Kinder, die im Freien
spielten, Alte beim Spaziergang. […]
Sie stahlen und brandschatzten, prü-
gelten ihre Opfer zu Tode oder ver-
gewaltigten sie bis zur Bewußtlosig-
keit, sie erschossen Bewohner, die
kurz zuvor abgeworfene Flugblätter
in Händen hielten und der Aufforde-
rung zur Evakuierung nachkommen
wollten, sie veranstalteten ‚Zielschie-
ßen‘ auf Personen, die sich zur fal-
schen Zeit am falschen Ort aufhielten.
Sie verschonten weder Verwundete
noch Kranke, schossen aus der Dis-
tanz mit der M-16 wie aus nächster
Nähe mit Handfeuerwaffen.“ Eine
Bekämpfung von Menschen, die sich
unseren Idealen nicht beugen wol-
len, hat eben ihren Preis.
Niemand von diesen Einheiten ist
für diese Verbrechen juristisch zur
Rechenschaft gezogen worden.
Die geschichtliche Kontinuität der
damaligen und der heutigen Formen
der ‚Aufstandsbekämpfung‘ bleibt bei
Darstellungen in den Massenmedien,
wie bei dem NYT-Bericht, infolge der
Fragmentierung und historischen De-
Kontextualisierung für die Öffentlich-
keit unsichtbar.
(15) Mitglieder der APA waren auch
an der Entwicklung und Durchfüh-
rung der in Guantánamo praktizier-
ten Foltertechniken beteiligt, und
die APA bemühte sich öffentlich um
eine Rechtfertigung dieser Techniken.
Überhaupt hat die Zusammenarbeit
von APA und CIA eine lange Tradition.
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Chapter
Der Text trägt mit fünf Gesichtspunkten zum Thema „Pflege der öffentlichen Diskursmoral“ bei. Erstens warum die Pflege einer öffentlichen Diskursmoral überhaupt wichtig ist. Zweitens wird die These vertreten, dass die klassischen Informationsmedien ihren Informationsauftrag oft unzulänglich erfüllen und auch deshalb in die Kritik alternativer Medien geraten. Drittens wird die Frage gestellt, ob die Jedermanns-Medien im Internet zur Meinungsvielfalt beitragen oder möglicherweise die öffentliche Meinungsbildung verroht und polarisiert? Viertens werden soziale Praktiken aufzählen, die zur Pflege einer öffentlichen Diskursmoral gehörten. Schließlich werden fünftens einige intervenierende private und staatliche Praktiken aufgezählt und die Frage aufgeworfen, ob es nicht öffentlich-rechtliche (gebührenfinanzierte) Internetangebote auf einer eigenen Plattform oder auf relevanten Drittportalen zur Institutionalisierung von Meinungsvielfalt geben sollte.
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Die Demokratie steht weltweit derzeit unter Druck. Es lässt sich eine Tendenz zur Entdemokratisierung auf der internationalen und der nationalstaatlichen Ebene feststellen. Aber ist es tatsächlich so, wie z.B. der Psychologe Rainer Mausfeld suggeriert, dass das westliche Demokratiesystem im Zuge des Siegeszugs der Neoliberalisierung zu einem manipulativen und getarnten System nicht legitimierter Herrschaft degeneriert ist? Wird sich tatsächlich der „Hülse der repräsentativen Demokratie nur noch bedient, um die eigentlichen Zentren politischer Macht für die Öffentlichkeit unsichtbar zu machen.“? Werden die Bürger_innen mit Hilfe gezielter Falschinformation (‚Fake News‘) im Interesse der Machthabenden manipuliert?
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Each of four theoretical traditions in the study of American politics—which can be characterized as theories of Majoritarian Electoral Democracy, Economic-Elite Domination, and two types of interest-group pluralism, Majoritarian Pluralism and Biased Pluralism—offers different predictions about which sets of actors have how much influence over public policy: average citizens; economic elites; and organized interest groups, mass-based or business-oriented. A great deal of empirical research speaks to the policy influence of one or another set of actors, but until recently it has not been possible to test these contrasting theoretical predictions against each other within a single statistical model. We report on an effort to do so, using a unique data set that includes measures of the key variables for 1,779 policy issues. Multivariate analysis indicates that economic elites and organized groups representing business interests have substantial independent impacts on U.S. government policy, while average citizens and mass-based interest groups have little or no independent influence. The results provide substantial support for theories of Economic-Elite Domination and for theories of Biased Pluralism, but not for theories of Majoritarian Electoral Democracy or Majoritarian Pluralism.
Grundzüge der athenischen Demokratie; Prinzipien republikanischen Denkens; Wege zur modernen Demokratie
  • H Vorländer
Vorländer, H. (2004). Grundzüge der athenischen Demokratie; Prinzipien republikanischen Denkens; Wege zur modernen Demokratie; in: Informationen zur Politischen Bildung, Heft Nr. 284.
Propaganda: Die Kunst der Public Relations. orange-press
  • E Bernays
Bernays, E. (1928/2011). Propaganda: Die Kunst der Public Relations. orange-press.