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Digitalisierung der Fabrik – Industrie 4.0: Motivation, Herausforderungen und Lösungen

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Abstract

Kurzfassung Die Digitalisierung der Fabrik hat nach der CIM-Ära in den 1980er und 90er Jahren durch die Initiative Industrie 4.0 neuen Schwung erhalten. Es wird auf breiterer Front in Industrie und Forschung über die Errungenschaft, den aktuellen Status und die Zukunftschancen der Digitalisierung der Fabrik diskutiert. Dieser Beitrag erinnert uns an die Motivation zur Digitalisierung, zeigt aktuelle Herausforderungen auf und diskutiert Lösungen zu Software, Daten und Organisation in der Fabrik.
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SMART FACTORY
Jahrg. 111 (2016) 3 © Carl Hanser Verlag, München
Digitalisierung der Fabrik –
Industrie 4.0
Motivation, Herausforderungen und Lösungen
Die Digitalisierung der Fabrik hat nach der CIM-Ära in den 1980er
und 90er Jahren durch die Initiative Industrie 4.0 neuen Schwung er-
halten. Es wird auf breiterer Front in Industrie und Forschung über
die Errungenschaft, den aktuellen Status und die Zukunftshancen der
Digitalisierung der Fabrik diskutiert. Dieser Beitrag erinnert uns an
die Motivation zur Digitalisierung, zeigt aktuelle Herausforderungen
auf und diskutiert Lösungen zu Software, Daten und Organisation in
der Fabrik.
Bernhard Axmann, Ingolstadt
Motivation:
Wieso digitale Lösungen
Wir müssen uns in Erinnerung rufen,
wieso die Fabrik digitalisiert wird, also
welche Motivation für die Industrie zur
Digitalisierung besteht. Hierbei können
folgende zwei Gründe genannt werden,
die in der Umsetzung auch gegenseitig
voneinander profitieren können:
n Steigerung der Effizienz und
n Steigerung von Produkteigenschaften
(Mehrwert für den Kunden)
Bei der Steigerung der Effizienz werden
konventionelle (gesprochene oder ge-
schriebene) Arbeitsläufe durch digitale
Abläufe ersetzt. Dies erhöht in der Regel
die Qualität des Prozesses (bessere Wie-
derholbarkeit), reduziert die Kosten und
erhöht die Geschwindigkeit. Typische
Beispiele sind hier Produktionsplanung
und -steuerungssysteme (PPS), Compu-
ter Aided Design (CAD)- und E-Mail-Pro-
gramme, Text- und Tabellenkalkulati-
onsprogramme sowie vieles andere
mehr.
Die Steigerung der Produkteigenschaf-
ten entsteht dann, wenn ein Mehrwert
für den Kunden erzeugt werden kann,
also wenn das Produkt durch die Digitali-
sierung besser verkauft werden kann,
wie z.B. die Digitalisierung der Fotogra-
phie, der Musik & Film-Branche, des
Buchmarktes, der Taxibranche und der
Informationsmedien, um hier nur einige
zu nennen. So wird geschätzt, dass 2007
bereits 94 Prozent der weltweiten tech-
nologischen Informationskapazität digi-
tal war (nach lediglich 3 Prozent im Jahr
Beispiele für die Digitalisierung der
Produktion sind Speicher-Programmier-
bare Steuerungen (SPS), NC-Steuerun-
gen, mannigfaltige Sensoren und Aktuo-
ren, vernetzte Steuerungs- und Pla-
nungssysteme, Digitale Diagnosesyste-
me, aber auch neue Fertigungsverfah-
ren, wie z. B. das Rapid Prototyping, bei
dem aus einem digitalen 3D-Model ein
teil- oder vollfunktionsfähiger Prototyp
gefertigt wird. Aber nach einer Studie
von Capgemini zum Stand der Digitali-
sierung sind viele Unternehmen der
Maschinenbaubranche bislang noch un-
zureichend auf Digitalisierung und In-
dustrie 4.0 vorbereitet [2]. Positiv aus-
gedrückt, heißt dies, dass der Maschi-
nenbau noch ein großes Potenzial für
Effizienzsteigerungen und zusätzliche
Produkteigenschaften mit einem erhöh-
ten Mehrwert durch die Digitalisierung
erzielen und hierbei von anderen Bran-
chen lernen kann.
1993). Es wird angenommen, dass es der
Menschheit im Jahr 2002 zum ersten Mal
möglich war, mehr Information digital als
analog zu speichern (der Beginn des „Di-
gitalen Zeitalters“) [1].
Die Gefahr für die Unternehmen be-
steht im Wesentlichen dadurch, dass
Änderungen durch die Digitalisierung
disruptiv sind. Disruptive Innovationen
entstehen unerwartet und weisen hohe
Wachstumsraten auf und verdrängen
dadurch bestehende Produkte und Un-
ternehmen vom Markt. Daraus folgt,
dass ein reaktives, abwartendes unter-
nehmerisches Verhalten bei der Digita-
lisierung zwangsläufig in eine Sackgas-
se führt, weil Veränderungen am Markt
zu spät erkannt werden und die Zeit
zum Reagieren zu gering ist. Unterneh-
men müssen daher die Digitalisierung
proaktiv in ihren Visionen, ihrer Strate-
gie und ihrem operativen Geschäft inte-
grieren.
Bild 1. Zuordnen von Software zu Produkt- und Produktions-Lebenszyklus [3]
SMART FACTORY
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Herausforderungen: Weshalb
scheitern so viele Digitalisie-
rungs-(Software)-Projekte
In der Fabrik wird die Erfahrung ge-
macht, dass die erwarteten Effizienzstei-
gerungen nach der Einführung von digi-
talen Lösungen nicht erreicht werden.
Laut einer Untersuchung von über 600
IT-Vorhaben durch Cambridge Technolo-
gy Partners funktionieren 95 Prozent der
IT-Projekte nicht zufriedenstellend. Bei
einer Befragung von Trovarit hatten
13 Prozent der Befragten Verzögerungen
von mehr als 50 Prozent und über 50 Pro-
zent der Befragten kommen auf Verzöge-
rungen zwischen 25 und 50 Prozent [5].
Es zeigt sich also, dass die Fabrik in
der betrieblichen Praxis größte Schwie-
rigkeiten hat, Digitalisierungs-Projekte
erfolgreich durchzuführen. Bei einer Um-
frage von LNS wurden folgende Haupt-
gründe genannt [6]:
n mangelnde Zusammenarbeit zwi-
schen Abteilungen,
n heterogene Softwaresysteme und Da-
tenquellen,
n Notwendigkeit von wirtschaftlichen
Rechtfertigungen für Verbesserungs-
projekte.
Die Ursache für die mangelnde automati-
sche Vernetzung kann in der mangelnden
Zusammenarbeit zwischen den Abteilun-
gen liegen, die dann auch zu einer hetero-
genen Softwarelandschaft und zu hetero-
genen Daten mit schlechter Qualität füh-
ren. Wenn Software nicht zentral gema-
nagt wird, sondern dezentral für eine Ab-
teilung beschafft wird, fällt auch eine
wirtschaftliche Rechtfertigung schwer.
Wenn wir uns die Frage stellen, ob
Software über Abteilungsgrenzen opti-
mal genutzt wird, dann ist die Antwort in
der Regel nein.
Die Komplexität der großen Anzahl un-
terschiedlicher Softwaresysteme in einer
Fabrik wird noch durch den rasanten An-
stieg der Datenmenge verstärkt. So ist
die Anzahl der weltweiten Daten von
2010 auf 2015 von 2 auf 12 Zettabyte um
100 Prozent pro Jahr gestiegen. In 2019
wird ein Datenvolumen von 40 Zettabyte
erwartet. Dies entspricht einem Anstieg
von ca. 60 Prozent pro Jahr [7].
Wenn der enorme Anstieg der Daten
nicht in geordnete Bahnen gelenkt wird
oder neue Softwarelösungen uns helfen,
die riesigen Datenmengen sinnvoll zu
verarbeiten, wird die große Anzahl von
Daten eher zu Ineffizienzen führen als zu
den erhofften Effizienzsteigerungen.
dukt Lifecycle Management (PLM) darge-
stellt.
Zusätzlich zu den schon eher traditio-
nellen Digitalisierungslösungen wird
auch die Vernetzung von neueren Soft-
ware Begriffen, die zeitgleich zur Initiati-
ve Industrie 4.0 populär geworden sind,
eingeführt. Dies sind Cyber-Physical-
Systems, die den Verbund informati-
scher und softwaretechnischer Kompo-
nenten mit mechanischen und elektroni-
schen Teilen über eine Dateninfrastruk-
tur bezeichnen. Ein Digital Twin verwen-
det 3D-Modellierung, um einen digitalen
Begleiter für physische Objekte zu er-
stellen. Big Data bezeichnet Datenmen-
gen, die zu groß oder zu komplex sind
oder sich zu schnell ändern oder zu
schwach strukturiert sind, um sie mit
manuellen und klassischen Methoden
der Datenver
arbeitung auswerten zu
können.
So ist zum Beispiel das ERP mit PLM,
CAD, CAM, Digital Twin, Production Pl-
anning, Layout Planning, Materialfluss-
Simulation und MES verbunden. Es ist
keine Seltenheit, dass in einer Fabrik
zum Beispiel die Daten von CAD ins ERP
manuell übertragen werden. Das heißt,
dass aus 3D-Modellen 2D-Zeichnungen
abgeleitet, zusammen mit Stücklisten
ausgedruckt und dann die Daten manuell
ins ERP-System übertragen werden. Teil-
weise wird das Übertragen der Daten
durch deren Exportieren in die Tabellen-
kalkulationsprogramme und dann deren
erneute Importieren von den Tabellen-
programmen in das ERP-System unter-
stützt. Eine programmierte, automati-
sche Schnittstelle zwischen CAD und
ERP kommt also nicht immer zum Ein-
satz.
Wenn wir uns die Frage stellen, ob un-
sere Softwarelösungen gut zusammen-
arbeiten, ist die Antwort in der Regel
nein.
Können neue
Softwarelösungen helfen?
Eine Möglichkeit, die Herausforderungen
des Digitalisierungs-Prozesses für die Fa-
brik zu lösen, könnte das Entwickeln
neuer Software für die Fabrik sein. Be-
trachten wir aber den Produktlebenszyk-
lus von der Konstruktion & Entwicklung
über die Produktion und den Service so-
wie dem Produktionszyklus von der Pro-
duktionsplanung, der Arbeitsvorberei-
tung, der Produktion sowie der Ersatz-
teilproduktion für den Service, stellen
wir fest, dass wir für alle Prozessschritte
eine Vielzahl von Software Lösungen ha-
ben (Bild 1) [3].
Dies sind zum Beispiel Computer
Aided Software (CAx) mit Computer
Aided Design (CAD), Computer Aided
Process Planning (CAPP), Computer
Aided Manufacturing CAM, aber auch
Simulations-Software zum Layout pla-
nen, Prozess-Simulation, Materialfluss-
Simulation, Ergonomische Simulation
oder FEM-Analysen, aber auch Pla-
nungs- und Dokumenten-Software, wie
z. B. Enterprise Ressource Planning
(ERP), Manufacturing Execution Sys-
tem (MES) und Produktdatenmanage-
ment (PDM).
Wenn wir uns also die Frage stellen, ob
wir einen Mangel an Sofwareprogram-
men und -lösungen haben, müssen wir
diese Frage deutlich verneinen.
Wir fangen an, die Herausforderungen
der Digitalisierungen für die Fabrik bes-
ser zu verstehen, wenn wir uns die hohe
Komplexität der Vernetzung der einzel-
nen Softwarelösungen untereinander
verdeutlichen. Diese sind in Bild 2 ange-
deutet [4]. Neben den Software-Lösun-
gen, die In Bild 1 bereits erwähnt wur-
den, wird in Bild 2 die Vernetzung der
Software Computer Aided Quality (CAQ),
Computer Aided Engineering (CAE), Pro-
Bild 2. Vernetzung von Software [4]
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ment“ kann als beträchtlich angenom-
men werden. Außerdem besteht das Risi-
ko, dass durch eine Änderung an einer
Software der „Datenfluss“ zwischen den
Softwares unterbrochen wird und damit
der Digital Thread unterbrochen wird.
Dies kann dann zu einer nachhaltigen
Störung der Fabrikabläufe führen. Der
scheinbare Vorteil besteht darin, dass die
Konverterlösung in eine bestehende Soft-
ware-Landschaft umsetzbar ist. Dies ist
aber nur kurzfristig gedacht, da langfris-
tig der Aufwand beim Einsatz von Kon-
vertern als höher einzuschätzen ist.
Eine andere Möglichkeit ist es, eine
zentrale Datenablage zu schaffen. Die
einzelnen Softwares greifen hierbei auf
die zentralen Daten zu. Die zentrale Da-
tenstruktur kann durch einen soft-
wareunabhängigen Datenstandard oder
durch eine Integrierte Software-Lösung
erzielt werden. Der Vorteil ist die deutli-
che Reduzierung der Anzahl der Konver-
ter (Bild 4 rechts). Nachteilig ist, dass in
den meisten Fabriken eine heterogene
Software-Landschaft vorliegt und die Ein-
führung einer zentralen Datenablage mit
der Einführung einer neuen oder überar-
beiteten Software-Landschaft einhergeht.
Die Einführung eines solchen Systems
bedeutet daher immer eher eine Revoluti-
on als Evolution der Software-Landschaft.
Die Umstellung erfordert daher eine
gründliche Planung und eine langfristig
angelegte Software- und Daten-Strategie.
Wenn sich eine Fabrik für den zentra-
len Datenaustausch entscheidet, dann
gibt es erneut zwei konkurrierende Sys-
teme: Integrierte Lösung von einem An-
bieter versus Open Source. Die wesentli-
che Voraussetzung bei einem zentralen
Datenaustausch sind Datenstandards.
Bei einer Integrierten Lösung werden alle
notwendigen Software-Funktionalitäten
von einem Anbieter geliefert. Diese Soft-
ware muss also vom Vertrieb, Konstrukti-
on, Planung, Einkauf, Produktion, Logis-
tik, Qualität, Personal, Controlling & Fi-
nanzen sowie dem Service alle notwendi-
gen Funktionen liefern. Der Vorteil liegt
Lösung: Software-Schnittstelle
Es wäre ideal, wenn Daten von der jewei-
ligen benötigten Software genutzt wer-
den können. Es gibt hierbei zwei grund-
sätzlich unterschiedliche Vorgehenswei-
sen: Entweder werden die Software-Lö-
sungen mit Konvertern oder mit einem
zentralen Datenaustausch verbunden
(Bild 4) [8].
Konverter wandeln die Datenformate
von einer Software in das Datenformat
der anderen Software um. Für eine Soft-
ware, die einen großen Marktanteil hat
und daher auch meist „Standard“-Soft-
ware genannt wird, werden Konverter
angeboten. Falls Konverter nicht verfüg-
bar sind, müssen Konverter individuell
programmiert werden. In beiden Fällen
sind eine Adaption und eine Prüfung des
Konverters an fabrikspezifische Anforde-
rungen notwendig. Herausfordernd wird
der Einsatz von Konvertern bei einer Re-
visionierung oder eines Updates einer
der Softwares. Hier muss geprüft wer-
den, ob auch der Konverter angepasst
werden muss. Bei einer heterogenen
Software-Landschaft, die nicht selten ist,
wird so der Einsatz von vielen Konver-
tern notwendig, die bei Änderungen ei-
ner einzigen Software auf ihre Gültigkeit
und Funktionsweise geprüft werden
müssen (Bild 4 links). Der Aufwand für
das so entstehende „Konverter Manage-
Lösungen: Es gibt keine
Alternative zur ganzheitlichen
Herangehensweise
Der Wunsch, dass abteilungsinterne Soft-
ware eine schnelle Lösung der Herausfor-
derungen hervorruft, führt in eine Sack-
gasse. Beim Arbeiten mit Software in ei-
ner Fabrik gibt es keine Alternative zu
der ganzheitlichen Herangehensweise.
Dafür ist das Arbeiten zu stark vernetzt
und der Grad der Vernetzung wird zu-
künftig eher steigen, als verringert wer-
den, um den Anforderungen des Marktes
nach kurzen Bestellzeiten (Durchlaufzei-
ten) gerecht zu werden. Es wäre ideal,
wenn es der Fabrik gelingen würde, dass
es vom Vertrieb, der Konstruktion, der
Arbeitsvorbereitung, dem Einkauf, der
Produktion, der Qualität, der Logistik
und dem Service eine durchgängige Da-
tenkette gibt. Diese Datenkette wird ver-
mehrt „Digital Thread“ genannt (Bild 3)
[6]. Die Daten sollten eine hohe Qualität
und keine Redundanzen aufweisen.
Folgende grundsätzliche Themen müs-
sen dabei Berücksichtigung finden:
n Software-Schnittstellen
Konverter (Wandler) Zentraler Da-
tenaustausch
Zentraler Datenaustausch:
Integrierte Lösung von einem Anbie-
ter Open Source
n Daten
Daten-Qualität: Verantwortlichkeiten
und Datenprüfung
Daten- & Software-Speicherung:
Lokal Cloud
Datenverarbeitung:
Konventionell Big Data-Analyse
n Organisation
Ablauf (Vorgehensweise):
Evolution Revolution
Chief Digital Officer (CDO) Quality
Data Manager (QDM)
Bild 3. Verbinden aller Abteilungen mit einem Digital Thread [6]
Bild 4. Verbinden
von Software mit
Konvertern (linke
Seite) und zentrales
Datenaustauschfor-
mat (rechts) [8]
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oder in relativ kurzer Zeit erfolgt. Die Ver-
änderung ist groß und damit auch die
Möglichkeit, eine kurzfristige sehr große
Verbesserung herbeizuführen. Es besteht
aber auch das Risiko des Versagens.
Empfehlenswert ist eine Kombination
von Evolution und Revolution. Wir soll-
ten bei jeder kleinen Verbesserung prü-
fen, ob die Werkzeuge der Digitalisierung
zum Einsatz kommen können, um so die
Effizienzsteigerung zu optimieren. Die
Möglichkeiten der Digitalisierung sollten
somit ein fester Bestandteil des kontinu-
ierlichen Verbesserungsprozesses in der
Fabrik sein. Es sollte aber auch der Mut
nicht fehlen, sprunghafte Verbesserun-
gen also digitale Revolutionen anzuge-
hen. Dabei sollte nicht außer Acht gelas-
sen werden, dass nicht zu viele revolutio-
näre Verbesserungen angegangen wer-
den, da in der Regel crossfunktional über
die ganze Fabrik die wesentlichen Wis-
sensträger für diese Veränderungspro-
jekte benötigt werden.
Da das Verbesserungspotenzial für den
Maschinenbau als groß eingeschätzt
wird, stellt sich die Frage, ob die beste-
hende Organisation der Fabrik geeignet
ist, die Veränderungen der Digitalisie-
rung zu meistern. Weil der digitale Ver-
änderungsprozess ganzheitlich durchge-
führt werden muss, ist eine enge Einbin-
dung der Geschäftsführung notwendig.
In der letzten Zeit werden die Stimmen
lauter, die behaupten, dass eine bloße
Einbindung der Geschäftsführung nicht
ausreichend ist, sondern dass der Verän-
derungsprozess aktiv aus der Geschäfts-
führung gestaltet werden muss. In die-
sem Zusammenhang wird gefordert, ei-
nen Chief Digital Officer (CDO) einzuset-
zen. Mittelständischen Unternehmen mit
zwei oder drei Geschäftsführern müssen
sich also die Frage stellen, wo das größte
Potenzial zur Verbesserung liegt oder ein
neues Geschäftsfeld durch Digitalisie-
rung erschlossen werden kann. Dies be-
deutet nicht zwangsläufig, dass die Ge-
schäftsführung vergrößert wird. Aufga-
ben mit stabilen Abläufen können auf
Abteilungsleiterebene delegiert werden.
Durch diese Vorgehensweise wird der
notwendige unternehmerische Focus auf
die Digitalisierung gesetzt.
Neben der Installation eines CDO ist es
notwendig, im Qualitätsbereich das The-
ma Datenqualität und damit Datenprü-
fung zu organisieren. Auch hier kann
nachgedacht werden, einen Quality Data
Manager (QDM) zu installieren. Auch das
kann durch Priorisieren von Aufgaben
Fall doppelt erzeugt werden. Die Quali-
tätsprüfung von Produkten hat sich über
Jahrzehnte in der Fabrik etabliert und
weiterentwickelt. Das Prüfen von Daten
wird teilweise gar nicht oder nur im ge-
ringen Umfang durchgeführt. Eine einfa-
che Möglichkeit wäre die Einführung ei-
nes Vieraugenprinzips. Auch systemi-
sche Prüfungen sind möglich, bei denen
die Software die Richtigkeit überprüft.
Ähnlich wie bei der Produktprüfung kön-
nen die Prüfvorgänge dynamisiert wer-
den, also bei geringer Fehlerquote kann
die Prüfhäufigkeit reduziert werden, um
so den Aufwand für die Prüfung verträg-
lich zu gestalten. Das Ziel für die Daten-
qualität kann aber nur Null-Fehler sein.
Bei der Datenspeicherung muss ent-
schieden werden, ob die Daten lokal oder
in einer Cloud zentral gespeichert wer-
den. Die Speicherung in einer Cloud un-
terstützt eher die Forderung eines Digital
Threads. Gerade wenn Fabriken in einem
Unternehmensverbund miteinander ver-
netzt sind, haben Cloud-Lösungen ihre
Vorteile, wobei die Datensicherheit als
Focus-Thema mit Zugriffsrechten und
Backup-Lösungen gemanagt werden
muss.
Bei der Datenverarbeitung wird zwi-
schen konventionelle und Big Data-Da-
tenverarbeitung unterschieden. Bei der
konventionellen Datenverarbeitung ist
eine hohe Datenqualität erforderlich. De-
ren typische Anwendungen sind CAD-
und ERP-Software. Big Data-Datenverar-
beitung kann in der Fabrik bei der Analy-
se von Sensordaten von Werkzeugma-
schinen zum Einsatz kommen, da hier in
den letzten Jahren das Datenvolumen
deutlich zugenommen hat und meist
auch die Datenqualität über die Vielzahl
der Sensoren geringer ist.
Lösung: Organisation
Bei der Einführung einer neuen Software
oder bei der Weiterentwicklung der beste-
henden Software-Landschaft stellt sich
die Frage, ob als Vorgehensweise eher
eine Evolution oder Revolution zu wählen
ist. Bei einer Evolution erfolgt die Verän-
derung in kleinen Schritten. Die Erfolge
sind also die Summe vieler kleiner Bemü-
hungen mit dem Vorteil, dass das Risiko
gering und gut steuerbar ist, da ein klei-
ner Schritt in die falsche Richtung in der
Regel keine große Auswirkung hat. Eine
Revolution ist ein grundlegender und
nachhaltiger struktureller Wandel eines
oder mehrerer Systeme, der meist abrupt
darin, dass die Funktionalität und die
Möglichkeit des Digitalen Threads vom
Software-Unternehmen geliefert werden.
Nachteil dieser Lösung ist die Abhängig-
keit der Fabrik von dem Software-Unter-
nehmen, eine geringe Flexibilität und
meistens auch bei einigen Funktionen
eine suboptimale Lösung, da kein Soft-
ware-Anbieter bei allen Funktionen der
Beste am Markt ist.
Bei einem Open Source-Datenstandard
erfolgt die Festlegung der Datenformate
nach Standards, die allgemein zugäng-
lich sind. Als Beispiele können hier Auto-
mation ML und OPC UA genannt werden.
AutomationML (Automation Markup
Language) dient zur Speicherung und
zum Austausch von Anlagenplanungsda-
ten. OPC Unified Architecture (OPC UA)
ist ein industrielles M2M-Kommunikati-
onsprotokoll. Vorteile von Open Source
Standards bestehen in der Möglichkeit,
softwareunabhängig für eine Fabrik den
Digital Thread zu realisieren und für die
jeweilige Unternehmens-Funktionalität
die bestgeeignete Software auszuwählen.
Nachteil von Open Source-Datenstan-
dards ist die eher geringe Bereitschaft
von Softwareanbietern, sich an diesen Lö-
sungen zu beteiligen, da bei ihrer Soft-
ware interne Datenstandards Teil ihrer
Kernkompetenz sind.
Lösung:
Datenfokussiertes Arbeiten
Eine Software kann noch so gute Funktio-
nalitäten haben, wenn die Datenqualität
nicht stimmt, hat das Arbeitsergebnis
eine schlechte Qualität und der Arbeits-
prozess ist ineffizient. Um eine hohe Da-
tenqualität zu erzielen, müssen für alle
Daten klare Verantwortlichkeiten be-
nannt werden, und es muss eine Daten-
prüfung organisiert werden. So wird zum
Beispiel in der Konstruktion eine Viel-
zahl von Daten erzeugt, die in der Materi-
alwirtschaft also im Einkauf und in der
Arbeitsvorbereitung benötigt werden.
Das sind zum Beispiel die Stückliste mit
Bezeichnungen und Struktur, Stückzah-
len, Material, Gewichte, Anzahl, notwen-
dige Spezifikationen und vieles mehr.
Wenn die Daten aber nicht in der ausrei-
chenden Qualität vorliegen, können die
Daten entweder nicht verwendet werden
oder müssen aufwendig bearbeitet wer-
den. Es darf also nicht sein, dass durch
eine nicht eindeutig geklärte Verantwort-
lichkeit eine geringe Datenqualität ent-
steht und so die Daten im schlechtesten
SMART FACTORY
Jahrg. 111 (2016) 3 5
Der Autor dieses Beitrags
Prof. Dr. Bernhard Axmann, geb. 1970, studier-
te Maschinenbau. Seine beruflichen Stationen
waren: MTU Aero Engines (Diverse Leitungs-
und Projektaufgaben), Stemme AG (Vorstand
Technik), Steinmeyer (Produktionsleiter),
SELL (Programm Direktor). Heute ist er Pro-
fessor für Konstruktion, Produktion und Quali-
tät an der Technischen Hochschule in Ingol-
stadt.
Summary
Digital Factory – Industry 4.0 (Motivation,
Challenges and Solutions). The digital factory
is after the CIM era in the 1980ies and 90ies
gaining momentum with the initiative internet
of things (in Germany industry 4.0). The
achievements, actual status and the future op-
tions are broadly discussed in the industry and
research labs. The article reminds us of the mo-
tivation for digitization, shows current chal-
lenges and discusses solutions to software, data
and organization in the factory.
4. David, A.; Bhagwat, C.; Isaac, G.;
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tion von CAEX, PLCopen XML und COLLA-
DA (VDI-Buch). 1. Aufl., Springer-Verlag,
Berlin Heidelberg 2009
und der Reduktion von Prüfaufwendun-
gen in anderen Bereichen ohne zusätzli-
chen Aufwand geschehen. In vielen Un-
ternehmen ist der Qualitätsbereich für
die Prozessbeschreibungen verantwort-
lich, in denen neben den Abläufen auch
die Verantwortlichkeiten festgelegt wer-
den. In den Prozessbeschreibungen soll-
te das Thema Datenverantworlichkeiten
ganzheitlich beschrieben werden und ein
Fokusthema bilden.
Literatur
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Den Beitrag als PDF finden Sie unter:
www.zwf-online.de
Dokumentennummer: ZW 111487
... The application of Industry 4.0 has three main goals: shortening time to market, increasing flexibility, and boost efficiency [7], [8]. With achievement those goals, the benefits of I4.0 can be felt by company as well as national economy. ...
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This research aims to establish an assessment tool for assessing the readiness of small and medium enterprises (SME) in industry 4.0. The assessment of the current and future status is crucial for companies to decide on the right strategy and actions on the road to a digital company. First will be compared existing tools such as: IMPULS (VDMA), PwC and Uni-Warwick. On that basis, a tool for SME will be introduce. The tool has 12 categories: data sharing, data storage, data quality, data processing, product design and development, smart material planning, smart production, smart maintenance, smart logistic, IT security, machines readiness and communication between machines. Those categories are grouped into three: data, software and hardware. Each category has five levels of readiness (from 1 to 5), with particular criteria that refer to literature studies and expert’s opinion.
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FULL TEXT: http://ijoc.org/ojs/index.php/ijoc/article/view/1562/742 This is Part I of a two-part article that reviews methodological and statistical challenges involved in the estimation of humanity’s technological capacity to communicate, store, and compute information. It is written from the perspective of the results of our recent inventory of 60 technological categories between 1986 and 2007 (measured in bits and MIPS [million-instructions-per-second]). In Part I, we summarize the results of our inventory, and explore a series of basic choices that must be made in the course of measuring information and communication capacities. The most basic underlying assumptions behind our estimates include—among others—decisions about what is counted as (1) communication, (2) storage, and (3) computation; if technological capacities or consumption of information is measured; and if unique information is distinguished from duplicate information. We compare our methodological choices with different approaches taken in similar studies. The article shows how the particular question on the researcher’s mind, as well as the availability of source data has and will influence most of the methodological choices in different exercises.
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