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Roland Bernhard
Ästhetische und politische Sinnbildungsstrategien in der
Geschichtskultur – Historisch Denken lernen mit dem
Mythos Martin Behaim
Ohne ihn säßen wir heute noch nicht in Indien. Ohne ihn vielleicht auch kein Christoph
Kolumbus, ohne ihn bestimmt kein Kugelbild der Erde, kein Globus. Ach Behaim!
»Der Erdapfel des Martin Behaim. Eine Geschichte um einen deutschen Raum-
Eroberer«, in: SS-Leitheft-Kriegsausgabe, Jahrgang 7, Folge 3b, o. J., 1940, 11.
Hinführung
Es wird wahrscheinlich nirgendwo in der Welt behauptet worden sein, dass nicht
Christoph Kolumbus oder Leif Eriksson, sondern mit dem Nürnberger Martin
Behaim ein Deutscher der »eigentliche Entdecker Amerikas« ist – außer in
Deutschland. Der Schöpfer des angeblich ersten Erdglobus Martin Behaim ist
ein deutscher Erinnerungsort par excellence und wird nicht nur in seiner Ge-
burtsstadt Nürnberg zelebriert, wo beispielsweise ein Martin Behaim Denkmal,
eine Behaim Straße und eine Schule existiert, die seinen Namen trägt. 1992
wurde Behaim auch von der deutschen Bundespost mit einer Briefmarke geehrt
und so ist es nicht verwunderlich, dass der Nürnberger auch in zahlreichen
Schulbüchern verschiedener deutscher Bundesländer anzutreffen ist. Mit der
Behaimerzählung in der Geschichtskultur wurde »mythomotorische Sinnstif-
tung«1betrieben, wie rezent in der internationalen Schulbuchforschung gezeigt
werden konnte.2In diesem Beitrag werden Sinnbildungsmuster und Erzähl-
strukturen des Behaimmythos, wie er im Geschichtsbewusstsein in der Gesell-
schaft vorhanden ist, aufgezeigt und danach gefragt, welche Funktionen die
Behaimerzählung in der Geschichtskultur erfüllt. Dabei werden vor allem
1 Zur Mythomotorik vgl. Jan Assmann, Das Kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und
politische Identitätinfrühen Hochkulturen,München: C.H. Beck, 3. Auflage 1999, 78–83.
2 Roland Bernhard, Geschichtsmythen über Hispanoamerika. Entdeckung, Eroberung und Ko-
lonisierung in deutschen und österreichischen Schulbüchern des 21. Jahrhunderts (Eckert. Die
Schriftenreihe 134), Göttingen: V&R unipress, 2013; darauf aufbauend Hansjörg Biener,
»Käseglocke und Erdscheibe – Der lange Abschied von einem falschen Weltbild«, in: Ar-
beitshilfe (2014), 95–105.
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Schulbücher in den Blick genommen, die hier als Manifestationen von Ge-
schichtskultur verstanden werden. Darüber hinaus wird anhand des Behaim-
mythos danach gefragt, auf welche Weise das in Geschichtsmyhten in Schul-
büchern liegende Lernpotenzial im Unterricht für die Anbahnung eines reflek-
tierten Geschichtsbewusstseins genutzt werden kann.
Der »Nürnberger Martin Behaim« in der Geschichtskultur
Abb. 1: Briefmarke der Deutschen Bundespost aus dem Jahr 1992
In einer im Jahr 1992 erschienenen Briefmarke der Deutschen Bundespost
(Abb. 1) lassen sich viele der Elemente erkennen, welche die Geschichtskultur als
»praktisch wirksame Artikulation von Geschichtsbewusstsein im Leben einer
Gesellschaft«3und dem entsprechend auch den Schulbuchdiskurs im Zusam-
menhang mit Behaim bestimmen. Es handelt sich um eine Briefmarke der
Deutschen Bundespost, in der – auf Martin Behaim rekurrierend – dem
500jährigen Bestehen des Erdglobus gedacht wird. Eine Aufschrift »500 Jahre
Erdglobus« deutet an, dass Globen erst seit 500 Jahren existieren und dass damit
der abgebildete »Erdapfel« Behaims der erste gewesen sei. In diesem Sinne ist
auch in Schulbüchern des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu lesen, dass Be-
haim im Jahr 1492 in seiner Heimatstadt Nürnberg den ersten Globus gebaut
habe4und dass dieser einen »Höhepunkt« in der Entwicklung der Wissenschaft
dargestellt hätte.5Bis zu Behaim befand sich Europa im Mittelalter und »[i]m
Mittelalter waren sich die Gelehrten sicher : Die Erde ist eine Scheibe.«6Nun war
3Jörn Rüsen, »Geschichtskultur«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 (1995),
509–521, 513.
4 Anne Frey u.a., Zeit für Geschichte 2. Braunschweig: Westermann, 2004, 100.
5 Wolfgang Osiander und Jürgen Vorlaufer, Geschichte für die Wirtschaftsschule 7, Troisdorf:
Bildungsverlag Eins, 2009, 6.
6 Sven Christoffer u.a., Zeitreise 1. Differenzierende Ausgabe (Niedersachsen), Stuttgart, Leip-
zig: Klett, 2012, 172.
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Martin Behaim »von der Kugelgestalt der Erde überzeugt ; 1492 baute er in
Nürnberg den ersten Globus.«7
Ein zweites Element der Behaimerzählung in der Geschichtskultur, das sich in
der Briefmarke spiegelt, ist der implizite Bezug auf Christoph Kolumbus und die
»Entdeckung« Amerikas. Das Jahr 1992 stand ganz im Gedenken an Kolumbus
und die 500jährige Wiederkehr seiner Westfahrt, weswegen das Abdrucken der
Jahreszahl 1992 neben einem Globus im »Kolumbusjahr« potenziell Assozia-
tionen zu diesem weckt. Dieser Zusammenhang zwischen Behaim und Kolum-
bus ist in vielen Schulbüchern jedenfalls anzutreffen: »Der Nürnberger Martin
Behaim bildete die Welt in Gestalt einer Kugel ab – noch vor der Entdeckung
Amerikas«.8Im Zusammenhang mit Behaims Globus ist die Erde schon »in
Form einer Kugel abgebildet, noch vor der ersten Fahrt des Kolumbus nach
Amerika.«9Auch wird der Nürnberger als Inspirationsquelle für Kolumbus
dargestellt:
Im 15. Jahrhundert gingen der italienische Geograph Toscanelli und der Nürnberger
Behaim, wie einige ihrer Kollegen auch, von der Kugelgestalt der Erde aus. Ihr Wissen
verbreitete sich unter den Seefahrern und an Herrscherhöfen. Der später als Entdecker
Amerikas gefeierte Kolumbus hat ihre Schriften nachweislich gelesen, bevor er zu
seinen Reisen aufbrach.10
Ein drittes Element der Behaimerzählung hängt mit einem angeblichen Wandel
des Weltbildes am Beginn der Neuzeit zusammen. Gemeinhin wird angenom-
men, dass Behaim und Kolumbus irgendetwas mit der Überwindung einer
hinsichtlich der Wissenschaften »finsteren Zeit« zu tun gehabt hätten, in der die
Erde als Scheibe gedeutet worden sei. Der Globus steht dafür als ein wirk-
mächtiges Symbol. Durch das Abdrucken des Globus auf der Briefmarke kann
die in der Geschichtskultur verwurzelte Assoziation geweckt werden, dass am
Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einige Menschen als Ausnahmen ihrer Zeit
um die Kugelgestalt der Erde Bescheid gewusst hätten. In diversen Schulbüchern
wird das folgendermaßen thematisiert: »Der Nürnberger Martin Behaim war
sich vor allem nach der Fahrt mit Bartolomeu Diaz sicher, dass die Erde keine
Scheibe sondern eine Kugel sei.«11 Da Behaim sich sicher war »dass die Erde
keine Scheibe sei« baute er »einen ›Erdapfel‹.«12 Während nämlich im Mittelalter
7 Ebd.
8 Joachim Cornelissen u. a. , Mosaik. Der Geschichte auf der Spur,München, Düsseldorf,
Stuttgart: Klett, 2005, 94.
9 Ebd.
10 Frey u.a., Zeit für Geschichte 2, 116.
11 Hans Ebeling und Wolfgang Birkenfeld (Hg.), Die Reise in die Vergangenheit 7/8 (Thürin-
gen), Braunschweig: Westermann, 2013, 47.
12 Ralf Tieke u.a., Durchblick 1 (Rheinland-Pfalz), Braunschweig: Westermann, 2010, 204.
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in Europa »der christliche Glaube das gesamte Leben«13 bestimmte und nach
»dem mittelalterlichen Weltbild der Kirche […] die Erde eine auf dem Ozean
schwimmende Scheibe«14 gewesen sei, weswegen auch die Seeleute »die Meere in
der Angst, zu weit aufs offene Meer hinauszufahren und vom Rand der Scheibe
hinabzustürzen«15 befuhren, hätte sich am Beginn der Neuzeit eine auf die
Wissenschaft gegründete »neue Denkweise«16 durchgesetzt, »als immer mehr
Forscher die Ansicht vertraten, dass die Erde keine Scheibe sondern eine Kugel
sei«.17 »Verdeutlicht wurde diese Entdeckung mit einem Globus, den der Kauf-
mann Martin Behaim 1492 in Nürnberg anfertigen ließ.«18 Alle diese Aussagen
aus diversen deutschsprachigen Schulbüchern entbehren vollständig jeglicher
Triftigkeit, wie weiter unten noch gezeigt werden wird.19
Damit sind die wichtigsten Elemente angeführt, die den Behaimmythos in der
aktuellen deutschen Geschichtskultur charakterisieren. Hinsichtlich der Be-
schäftigung mit der Darstellung historischer Ereignisse unterscheidet Jan Ass-
man zwei Zugänge. So kann ein Text als Geschichte gelesen werden, was die
Frage aufwirft: »Was steht historisch dahinter?«20 Darüber hinaus ist es aber
auch möglich, einen Text als Mythos zu lesen. Dann stellt sich nicht nur die Frage
nach dem Wahrheitsgehalt der Darstellung. Eine Geschichte als Mythos zu lesen
hieße, danach zu fragen, wer eine spezifische Geschichte erzählt und »in welcher
geschichtlichen Situation, aus den Sinnbedürfnissen welcher Gegenwart her-
aus«21 sie erzählt wird. Es geht also darum, die Frage nach der Funktion einer
spezifischen Erzählung in der Geschichtskultur zu stellen und zu analysieren,
aus welchen Gründen diese Erzählung eine breite gesellschaftliche Zustimmung
findet.
Da es sich bei der Behaimerzählung wie sie in Schulbüchern anzutreffen ist,
13 Thomas Berger-v.d. Heide und Gert Oomen (Hg.) Entdecken und Verstehen 1, Berlin:
Cornelsen, 2000, 202.
14 Walter Funken und Bernd Koltrowitz (Hg.), Geschichte plus (Brandenburg), Berlin: Volk und
Wissen/ Cornelsen, 2008, 13. Behaims Globus wird auf Seite 16 thematisiert.
15 Ebd.
16 Berger v.d. Heide und Oomen, Entdecken und Verstehen 1, 202.
17 Ebd. 206.
18 Ebd.; Laut anderen Versionen dieser Geschichte wäre Kolumbus »um 1480« zur Erkenntnis
gekommen, »[d]ie Erde hat die Gestalt einer Kugel. […]«; Werner Loch u.a. , Geschichte
erkunden 2, Kobern-Gondorf: Eigenverlag, 2011, 89; oder sogar erst im sechzehnten Jahr-
hundert hätten Astronomen wie Kopernikus erkannt »dass die Erde eine Kugel ist und um
die Sonne kreist«, was »in der damaligen Zeit eine ungeheuerliche Behauptung« gewesen sei
(Christoffer u. a., Zeitreise 1, 172).
19 Zum Thema Kolonialgeschichtein Schulbüchern vgl. auch Anne Kerber, »Kolonialgeschichte
in deutschen Schulbüchern – kritisch oder kritikwürdig?«, in: Helma Lutz und Kathrin
Gawarecki (Hg.), Kolonialismus und Erinnerungskultur,Münster : Waxmann, 2005, 81ff.
20 Jan Assmann, »Mythos und Geschichte«, in: Helmut Altrichter u. a.(Hg.), Mythen in der
Geschichte, Freiburg i.B.: Rombach, 2004, 13–28, 25.
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um einen Geschichtsmythos handelt, wird sie in der Folge auch als solcher
analysiert werden. Die Relevanz des Gesagten wird im Laufe der Ausführungen
für die Praxis des Geschichtsunterrichts mitreflektiert. Dadurch soll das Thema
Mythos in den Zusammenhang mit historischem Lernen gebracht und ein für
den Geschichtsunterricht eigentlich hochrelevantes Thema aus geschichtsdi-
daktischer Perspektive beleuchtet werden. Das ist ein Unterfangen, das bisher
vernachlässigt wurde, wie die fast vollständige Abwesenheit des Themas Mythos
in der geschichtsdidaktischen Literatur belegt.22
Dimensionen der Behaimerzählung – ästhetische, politische und
kognitive Sinnbildungsstrategien
Jörn Rüsen erkannte traditionell drei Dimensionen, innerhalb derer sich die
Sinnbildungsleistung des Geschichtsbewusstseins23 thematisieren lässt. In der
Folge wird die Behaimerzählung daran anknüpfend hinsichtlich ästhetischer,
politischer und kognitiver Sinnbildungsstrategien untersucht, was ein vertieftes
Verständnis des Mythos hinsichtlich seiner Struktur und seinen Funktionen
möglich machen soll.
Ästhetische Sinnbildungsstrategien der Behaimerzählung oder die
Behaimgeschichte als »schöner« Monomythos
»Schöne« historische Erzählungen sprechen Gefühle an und können als Erlebnis
oder Kunstwerk wahrgenommen werden. Die Schönheit ist in diesem Sinne das
maßgebliche Sinnkriterium der ästhetischen Dimension der Geschichtskultur :
»Gemeint ist eine Fähigkeit dieser Repräsentationen, Geist und Gemüt ihrer
Adressaten wirkungsvoll ansprechen zu können, so dass sie über ihre Form die
22 Nur einige wenige fachdidaktische Beiträge beschäftigten sich bisher mit den Mythos und
erkannten in ihm Lernpotenziale: Hans-Jürgen Pandel, »Legenden – Mythen – Lügen.
Wieviel Fiktion verträgt unser Geschichtsbewusstsein?«, in: Geschichte lernen 52 (1996),
15–19, 16; Eugen Kotte, »Geschichtswissenschaftliche und geschichtsdidaktische Mythos-
forschung«, in: Jürgen Joachimsthaler und Eugen Kotte (Hg.), Kulturwissenschaften. Kon-
zepte verschiedener Disziplinen,München: Meidenbauer, 2010, 103–125; Hans Jürgen
Pandel, Historisches Erzählen. Narrativität im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts: Wo-
chenschau Verlag, 2010, 72.
23 Rüsen, Geschichtskultur, 514. Seit 2013 differenziert Rüsen fünf Dimensionen der Ge-
schichtskultur und führt zusätzlich zu den bestehenden eine moralische und eine religiöse
Dimension ein. Dabei stellt er fest, dass für die Verortung der Institution Geschichtswis-
senschaft in der Geschichtskultur die ersten drei »maßgebend« sind; Jörn Rüsen, Historik.
Theorie der Geschichtswissenschaft,K
öln/Weimar/Wien: Böhlau, 2013, 235.
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Darstellung in sich aufnehmen und in den Orientierungsrahmen der Lebens-
praxis hinein verarbeiten können.«24 Für diese Qualität der Form ist die Stim-
migkeit einer Erzählung ausschlaggebend. Rezipienten historischer Darstel-
lungen nehmen die narrative Kohärenz in der Form der Repräsentation als schön
wahr und diese Schönheit bewirkt Lebendigkeit und ermöglicht, dass eine Er-
zählung Wirkung entfalten kann.25 Es liegt auf der Hand, dass solche Erzäh-
lungen öfter erzählt werden und sich damit stärker in der Geschichtskultur
durchsetzen als weniger »schöne« Geschichten, die nicht in der Lage sind, eine
solche Wirkung zu entfalten.
Die Erzählung über Behaim im Zusammenhang mit Kolumbus erfüllt zahl-
reiche Kriterien einer schönen Geschichte. Sie ist einfach und einprägsam, es
existiert ein normativ eindeutig zuordenbares Vorher und Nachher (Mittelalter
und Neuzeit), Gute und Böse sind klar unterscheidbar (Vertreter der sphäri-
schen und der flachen Erde) und die Protagonisten bewirken als Helden eine
revolutionäre Veränderung. Auch Elemente einer »Ästhetik des Grauens« lassen
sich erkennen: Die Angst vor dem Sturz in ein schwarzes Nichts (Herunterfallen
von der Erdscheibe) gehört ins Repertoire kindlicher bzw. jugendlicher Ängste
und besitzt schon als solche Faszinationskraft.
In der Behaimerzählung in Schulbüchern sind archetypische Erzählstruk-
turen anzutreffen, wie sie beispielsweise auch in der Jugendliteratur oder in
zahlreichen Spielfilmen zu finden sind. Der Begriff Archetypus »deutet das
Vorhandensein bestimmter Formen in der Psyche, die allgegenwärtig oder
überall verbreitet sind«26 an. Gewisse Ideen sind fast überall und zu allen Zeiten
anzutreffen und drängen sich dem individuellen Bewusstsein geradezu auf. Sie
seien den Menschen angeborene Vorstellungen und treten typischerweise unter
anderem in Mythen und Märchen auf.27 In der mythologischen Forschung
werden solche Archetypen »Motive«28 genannt. Archetypische Erzählmuster
werden ob ihrer Eingängigkeit innerhalb der wissenschaftlichen Disziplin der
Filmdramaturgie aufbauend auf literaturwissenschaftlichen und anthropologi-
schen Grundlagenwerken thematisiert und als ideale Strukturen für das Publi-
kum unterhaltende und anregende Filme vorgeschlagen. So ist beispielsweise
auch in einem jüngst publizierten Handbuch der Filmdramaturgie29 vom My-
thenforscher Josef Campbell die Rede, der zeigt, wie die Strukturen von Mythen
24 Rüsen, Historik, 236.
25 Rüsen, Geschichtskultur, 515.
26 Carl Gustav Jung, Archetypen,München: dtv, 14. Auflage 2008, 45.
27 Ebd., 109.
28 Ebd., 45.
29 Kerstin Stutterheim und Silke Kaiser, Handbuch der Filmdramaturgie: das Bauchgefühl und
seine Ursachen, Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag, 2009.
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in allen Kulturen und zu allen Zeiten verblüffende Ähnlichkeiten aufweisen.30
Campbell geht davon aus, dass alle Menschen von den gleichen Bildern ange-
sprochen werden und sich bestimmte archetypische narrative Muster ständig
wiederholen. Dieses Muster nennt Campbell »Monomythos«.31 Für filmdrama-
turgische Inszenierungen bietet der Monomythos eine ideale Struktur und so
werden auf dessen Basis schon seit den 1980er Jahren Screenwriting-Kurse
unterrichtet. Im Handbuch der Filmdramaturgie wird die Struktur eines Mo-
nomythos mit Zitaten von Campbell beschrieben :
Der Heros verlässt die Welt des gemeinen Tages und sucht einen Bereich übernatür-
licher Wunder auf, besteht dort fabelartige Mächte und erringt einen entscheidenden
Sieg, dann kehrt er mit der Kraft, seine Mitmenschen mit Segnungen zu versehen, von
seiner geheimniserfüllten Fahrt zurück.32
Im Monomythos reist der Held fort, überwindet »finstere Widerstände«, belebt
»lang verlorene und vergessene Kräfte« wieder, damit sie der Verwandlung der
Welt dienen können.33 Die Heldenreise endet mit der Rückkehr und Segnungen
für die Zurückgebliebenen zuhause:
Die Fahrt des mythischen Heros mag sich auf der Erde abgespielt haben : Im Grund
geschah sie drinnen und führte in Tiefen, wo finstere Widerstände überwunden und
lang verlorene und vergessene Kräfte wieder belebt werden, damit sie der Verwandlung
der Welt dienen können.34
Der Protagonist muss also einen Kampf gewinnen, dann »gelangt er verändert in
die alltägliche Welt zurück: er hat eine nächste Bewusstseinsstufe erreicht.«35
Dieses Modell der Heldenreise funktioniere am besten in Fantasy- und Science
Fiction-Filmen, »da diese den Mythen am nächsten stehen«36 aber auch in Ac-
tionfilmen. Im Sinne von Jörn Rüsen müssen solche archetypischen Erzähl-
strukturen insofern als »schön« bezeichnet werden, als sie ein kaum zu über-
bietendes Maßan Eingängigkeit aufweisen. Solche Geschichten bewegen die
Sinne, bestehen aus gehirngerecht aufbereiteter Information und sind sozusagen
»in uns«.
Die Kolumbus/Behaimerzählung stellt einen solchen Monomythos dar. Die
Fahrt des Kolumbus ist die Fahrt des mythischen Heros, der die finsteren Wi-
derstände (das Festhalten von dunklen Mächten an der Vorstellung der Schei-
bengestalt der Erde) überwindet. Hierbei kommt ihm Martin Behaim zu Hilfe,
30 Joseph Campbell, Die Kraft der Mythen,Düsseldorf: Patmos, 2007, 114.
31 Ebd., 161.
32 Joseph Campbell, zitiert nach Stutterheim und Kaiser, Filmdramaturgie, 128.
33 Ebd.
34 Ebd.
35 Ebd., 128.
36 Stutterheim und Kaiser, Filmdramaturgie, 130.
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indem er Kolumbus mit seinem Globus inspiriert. Mit seiner Westfahrt tritt
Kolumbus in diese andere Welt ein, wo er Herausforderung bestehen muss (u.a.
die Überwindung der Angst vor dem Herunterfallen von der Erdscheibe) und
mit der »Entdeckung Amerikas« einen großen Sieg gegen die »finsteren Mächte
des Mittelalters« erringt. Mit einem neuen Bewusstsein kehrt Kolumbus zurück,
bringt seine Segnungen und trägt gemeinsam mit Behaim und einigen anderen
Protagonisten mit einer wissenschaftlichen Revolution zu einer umfassenden
Verwandlung der Welt bei.
Diese eingängige Geschichte hat jene Erzählstruktur, die nicht nur in Mythen
zu allen Zeiten und an allen Orten der Welt anzutreffen sind. Auch in der Un-
terhaltungsindustrie werden, wie gezeigt, spannende Spielfilme nach dieser
Struktur konzipiert. Eine solche Geschichte lässt sich dem entsprechend auch
ideal im Unterricht inszenieren. Die Schönheit der Erzählung soll hier als ein
Grund dafür vorgeschlagen werden, warum sich der Mythos in der Ge-
schichtskultur durchgesetzt hat und nun das kulturelle Gedächtnis derart stark
dominiert. Diese Erkenntnis kann im Unterricht nutzbar gemacht werden,
indem historische Narrationen hinsichtlich ihrer »Schönheit« im Sinne von
Eingängigkeit untersucht werden. So stellt sich die Frage, inwiefern eine Er-
zählung den gängigen Dramaturgien von populären Filmen ähnelt. Die Folie des
Monomythos bietet sich als ein Analyseinstrument an.
Politische Sinnbildungsstrategien der Erzählung oder die Behaimgeschichte als
»deutscher« Mythos
Historisch-politische Mythen bestehen immer aus Faktizität und Fiktionalität.37
So werden Geschichten bisweilen mit einem spezifischen Ziel zu Mythen ge-
macht, und dieses Ziel besteht in der »Gewinnung einer mobilisierenden, mo-
tivierenden und orientierenden Schubkraft«38 – von Jan Assman »Mythomoto-
rik« genannt. Für die Analyse einer Erzählung hinsichtlich ihr zugrundelie-
gender politischer Sinnbildungsstrategien ist die damit verbundene Dynamik
interessant. In diesem Sinne bietet es sich an, nach jenen Diskursen zu fragen, in
die eine Geschichte (zielgerichtet) eingebettet ist. Diskurse werden hier ver-
standen als »Aussagen, die sich hinsichtlich eines bestimmten Themas syste-
matisch organisieren und durch eine gleichförmige (nicht identische) Wieder-
holung auszeichnen«39. So stellt sich die Frage, wie das spezifische »Wissen«
37 Vgl. Kotte, Mythosforschung, 124.
38 Assmann, Mythos, 23.
39 Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse, Frankfurt am Main/New York : Campus, 2008,
92–93.
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über Behaim (im vorliegenden Fall jenes in den Schulbüchern) im historischen
Prozess zustande kam, und innerhalb welcher Diskurse dieses Wissen fürbe-
stimmte Kollektive politisch Sinn bildete.
Innerhalb der politischen Dimension der Geschichtskultur, ist nach Jörn
Rüsen die Rolle, die das historische Denken in den Machtkämpfen spielt, in
denen die Menschen im Verhältnis zueinander und zu sich selbst leben müssen,
zentral. Es geht um die Legitimität von Macht- und Herrschaftsverhältnissen, in
denen die Menschen leben müssen und in welchen dem historischen Denken
eine wesentliche Rolle zukommt.40 So stellt sich in diesem Zusammenhang die
Frage, innerhalb welcher Diskurse die Erzählung über Behaim auftaucht und
damit zusammenhängend für welche Kollektive der Behaimmythos Orientie-
rungsbedürfnisse befriedigte und damit jenes oftmalige Erzählen bewirkte, das
dem Mythos die »Macht« verlieh, sich in der Geschichtskultur durchzusetzen.
Die Vorstellung, Behaim habe etwas mit Kolumbus zu tun, geht auf den Po-
lyhistor Johann Christoph Wagenseil zurück. Der Professor an der Universität
Altdorf veröffentlichte im Jahr 1682 eine Rede, welche die Rezeption Behaims im
deutschsprachigen Raum für Jahrhunderte beeinflussen sollte und begründet
einen spezifischen Behaimdiskurs. In Wagenseils Totenrede für einen Nach-
fahren des Martin Behaim weist er darauf hin, dass die Taten Martin Behaims
»obwohl bislang unbeachtet, zur Ehre nicht nur seiner Geburtsstadt gereichen,
sondern zum Ruhme des gesamten Deutschlands.«41 Wagenseil positioniert
Behaim im Zusammenhang mit Kolumbus auf folgende eigensinnige Weise:
»Martinus [Behaim] fand dabei vor Christoph Columbus die Inseln Amerikas
und vor Fernan Magellan die Meerenge, die dessen Namen trägt.« Laut Wa-
genseil sei Behaim der eigentliche »Entdecker« Amerikas. In diesem Zusam-
menhang erkennt der Redner eine Ungerechtigkeit: »Aber die Namen des Co-
lumbus und Magellan hat ein ungeheurer Ruhm durch alle Zonen der Welt mit
vollen Backen verbreitet, unseren Landsmann hingegen nicht, obwohl er den
Gottheiten des Meeres zumindest gleichgestellt werden müsste.«42
Dies ist der Beginn des Mythos, nach dem Behaim in irgendeinem Zusam-
menhang mit der Entdeckung Amerikas steht. Die Behauptung Wagenseils ging
in der Folge in mehrere Lexika der Zeit ein43 und der Zusammenhang zwischen
Kolumbus und Behaim bildet seitdem ein unwiderrufliches Element der Er-
zählung. Innerhalb dieses Diskurses ging es darum, einen »deutschen Helden«
40 Ebd., 238.
41 Johann Christian Wagenseil, Sacra parentalia D. Georgii Fredericii Behaimi de Schwarzbach
Altdorf 1682, 8. Übersetzung in Richard Henning, »Martin Behaim’s angebliche Vorentde-
ckung Amerikas und der Magellanstraße um (1487)«, in: Richard Henning, Te r ra e I nc o -
gnitae Iv, Leiden 1956, 391–418, 394 zitiert nach Bräunlein, Martin Behaim, 10.
42 Ebd.
43 Bräunlein, Martin Behaim, 62.
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zu schaffen, was in einem von Lorenz Westenrieder verfassten Schulbuch aus
dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts besonders deutlich wird :
Was die deutsche Handlung und Kunst betrifft, so war sie noch im 15ten Jahrhundert
im groeßten Flor, so, daßdie Deutschen in diesem, und noch im folgenden Jahrhundert
fuer die ersten Erfinder aller schaezbaren, und nuezlichen Ding e gehalten wurden. […]
Es war auch in der That keine ruehmliche und betraechtliche Erfindung, welche nicht
urspruenglich von den Deutschen hergeruehrt war, wovon wir hier nur einige Beweise
anfueren wollen.44
Als ein Beispiel dafürführt Westenrieder »[…] die Erfindung von Amerika […]
oder Westindien, dessen eigentlicher erster Entdecker der (1430 zu Nürnberg
geborne) Patricier Martin Behaim war«45 ins Treffen. So wurde folgerichtig von
Deutschen auch gefordert, man möge Amerika doch nach Behaim in »Occi-
dentalem Bohemiam« und die Magellanstrasse in »Fretum Bohemicum«46 um-
benennen. Behaim habe ja
das jetzige America und Fretum Magellanicum wirklich zu erst gefunden […] ohn-
geachtet hernach die mehrere Ehre der Erfindung und Benennung dem Magellano und
Americo Vesputio zugeeignet wurde, wowider schon viele geeifert […] haben.47
Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert wurden aufbauend auf die in den
Jahrhunderten zuvor entstandene Behaiminterpretation politische Ansprüche
angemeldet. Als einige wenige Nationen im Zuge des Imperialismus die Welt
unter sich aufteilten, wurde mit der Gestalt Martin Behaims daran erinnert, dass
auch ein Deutscher Anteil an der europäischen Erschließung der Welt hatte.
Behaim und durch ihn die deutsche Wissenschaft hätten die Grundlage für den
entdeckerischen Erfolg am Beginn der Neuzeit gelegt und so beschrieb der
Nürnberger Stadtbibliothekar Friedrich Wilhelm Ghillany die seiner Behaim-
biographie zugrundeligende Absicht in folgender Weise:
Daneben sollte meine Schrift in einer Zeit, wo ein rühmlicher Wetteifer die Verdienste
ängstlich wärt, welche die heimische Nation an dieser oder jener gemeinnützigen
Entdeckung gehabt habe, auch dann beitragen, der Welt ins Gedächtniss (sic! ) zu
rufen, dass die Deutsche Wissenschaft es gewesen, welche es jenen berühmten See-
fahrern am Schlusse des Mittelalters möglich gemacht, sich weiter in den Ocean hinaus
zu wagen.48
44 Lorenz Westenrieder, Abrißder deutschen Geschichte. Ein Lese- und Lehrbuch, München:
Lindauer, 1798, 186–187.
45 Ebd., 186.
46 Georg Andreas Will, Nürnberger Gelehrtenlexikon,Nürnberg: Lorenz Schüpfel, 1755, 85.
47 Ebd.
48 Friedrich Wilhelm Ghillany, Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim nach den äl-
testen vorhandenen Urkunden bearbeitet,N
ürnberg: Bauer und Raspe, 1853, III.
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In den Ausführungen Ghillanys zeigt sich der nationalistische Einschlag mit
dem die Behaimerzählung nun vorgetragen wurde. Die Gestalt des Nürnbergers
wurde in diesem Sinne dafür verwendet, deutsche Kolonialpolitik ideologisch
vorzubereiten. Dabei war insbesondere die Vorstellung wichtig, Behaim habe an
der Fahrt des portugiesischen Kapitäns Diogo Cao im Jahr 1484/85 teilgenom-
men und wäre damit ein Entdecker der Kongomündung.49 In diesem Zusam-
menhang entstand in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ein wis-
senschaftlicher Streit zwischen Portugiesen und Deutschen in Bezug auf Beha-
ims »Verdienste« im Zusammenhang mit den Entdeckungsfahrten. Während der
Einfluss Behaims in der portugiesischen Literatur relativiert wurde, bauten
Deutsche die Heroisierungsbemühungen aus. Am 11. Juli 1935 veröffentlichte
die deutsche Historikerin Hedwig Fitzler schließlich einen Artikel im Fränki-
schen Kurier zur »Ehrenrettung Martin Behaims«. Behaim habe sehr wohl an der
Fahrt des Portugiesen Diogo Cao teilgenommen :
Dort errichteten sie eine Säule, um das Land für Portugal in Besitz zu nehmen, und
Behaim betrat so als erster Deutscher jene Stätte, auf der vierhundert Jahre später die
deutsche Flagge über das unvergessliche Deutsch-Südwest wehen sollte.50
Es ging dabei, so Peter Bräunlein, der Behaims Leben und Werk wie kaum
jemand anders erforscht hat, nicht nur um eine Ehrenrettung Behaims. Es
drückt sich vielmehr das Bemühen aus, alte koloniale Ansprüche auf die zwi-
schen 1884 und 1915 bestanden habende Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika zu
revitalisieren.51
Auch Hitler selbst war sich der Inszenierungsmöglichkeiten im Zusammen-
hang mit Behaims Erdapfel bewusst und kaufte diesen im Zuge der Vorbereitung
für den Reichsparteitag der Arbeit 1937 mit privaten Geldern (!) für das Ger-
manische Nationalmuseum, wo der Globus heute noch steht. Beim Paradezug
positionierte sich Hitler genau gegenüber dem Behaim-Haus.52 Im 84. Jahres-
bericht des Germanischen Nationalmuseums vom Januar 1938 liest man in
diesem Sinne von der »geradezu weltgeschichtliche[n] Bedeutung unseres
Globus« der ein »einzigartiges Denkmal jener versinkenden alten Welt« sei und
»all die geistigen Kräfte« enthalten würde, »die dieses Alte überwand«.53 Behaim
wird auch hier in die Erzählung von einer wissenschaftlichen Revolution am
Beginn der Neuzeit eingeordnet: »[…] denn nicht zuletzt sind die wissen-
49 Bräunlein, Martin Behaim,54f.
50 M.A.H. Fitzler, »Eine Ehrenrettung Martin Behaims. Die Fahrt mit Diogo Cao zur Wal-
fischbucht 1485«, in: Fränkischer Kurier vom 11. 07.1935, Nr. 190, 8 zitiert nach Bräunlein,
Martin Behaim, 30.
51 Bräunlein, Martin Behaim, 31.
52 Ebd., 156.
53 Ebd.
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schaftlichen Voraussetzungen für die Entdeckung Amerikas Nürnberg zu dan-
ken, das somit seine geistigen Energien dem Auslande zur Verfügung stellte.«54
Behaim wurde darüber hinaus in der Zeit des Nationalsozialismus auch als
deutscher Raum-Eroberer propagandistisch für die Rechtfertigung des Zweiten
Weltkrieges, der als berechtigte Ausweitung des Lebensraumes interpretiert
wurde, inszeniert. Kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges ist in der
nationalsozialistischen Propagandazeitschrift SS-Leitheft zu lesen:
Allzulange haben wir Deutschen uns von der Welt zurückgezogen […]. Wenn wir aber
wissen wollen, was deutscher Weitblick einst bedeutete, so mag uns Martin B ehaim ein
Muster sein.55
Die Welt werde »nicht in Augsburg verhökert und nicht in Nürnberg […] son-
dern draußen über den Ozeanen verteilt. Und da haben die Deutschen das
Nachsehen.«56 Aus diesem Grund dürfe nie vergessen werden: »das erste Abbild
unserer Mutter Erde hat ein Deutscher für die Deutschen gefertigt, in deutscher
Schrift.«57 An dem Titel des SS-Leitheftes, in dem von Behaim als »deutschen
Raumeroberer« die Rede ist, wird deutlich, dass der Nürnberger hier als Leitbild
für deutsche Soldaten fungieren soll.
An dieser Stelle könnte die These aufgestellt werden, dass die nationalso-
zialistische Instrumentalisierung der Behaimerzählung zu Propagandazwecken
dazu beigetragen hat, dass sich der Mythos der flachen Erde im Zusammenhang
mit der wissenschaftlichen Revolution über die Rezeption des Behaimmythos in
deutschen Geschichtskulturen durchgesetzt hat. Untersuchungen zeigten, dass
sich zumindest der Mythos der flachen Erde erst in der Mitte des zwanzigsten
Jahrhunderts flächendeckend in deutschen Schulbüchern etablieren konnte.58 In
jeden Fall war Behaim in Schulbüchern des achtzehnten und neunzehnten
Jahrhundert noch nicht annähernd so stark vertreten, wie im gegenwärtigen
Schulbüchern. Eine für den vorliegenden Beitrag durchgeführte Analyse von 414
Geschichtsschulbüchern59 aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert
54 Germanisches Nationalmuseum, 84. Jahresbericht,Nürnberg, Januar 1938, 20–24, 23 zitiert
nach Bräunlein, Martin Behaim,156.
55 »Der Erdapfel des Martin Behaim. Eine Geschichte um einen deutschen Raum-Eroberer«, in :
SS-Leitheft-Kriegsausgabe, 7, 3b(1940), 11 zitiert nach Bräunlein, Martin Behaim, 168.
56 Ebd., 10.
57 Ebd., 11.
58 Vgl. Roland Bernhard, »Der Eingang des Mythos der flachen Erde in deutsche und öster-
reichische Geschichtsschulbücher im 20. Jahrhundert«, in: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht 64 (2013), 687–701.
59 Es handelt sich dabei um eine Analyse, die mit der Datenbank GEI Dig ital (Stand 25.Februar
2015) in deutschen Geschichtsschulbüchern durchgeführt wurde. Es wurden alle Lehrwerke,
die aus der Zeit vor 1871 zum Zeitpunkt der Abfrage in der Datenbank vorhanden waren,
danach untersucht, ob der Begriff »Behaim« in ihnen vorkommt.
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(bis 1871) zeigte, dass Behaim nur in 26 dieser Lehrwerke erwähnt wird,60
während der Nürnberger heute in den meisten deutschen Schulbüchern eine
Rolle spielt.61 Interessante Ergebnisse würde eine Untersuchung versprechen, in
der die Rezeption Behaims in Schulbüchern des zwanzigsten und einund-
zwanzigsten Jahrhunderts qualitativ und quantitativ herausgearbeitet und die
Hypothese geprüft wird, ob das vermehrte Interesse an Behaim im zwanzigsten
Jahrhundert dadurch zustande kam, dass er über nationalsozialistische Propa-
ganda der Nürnberger verstärkt in die Aufmerksamkeit gerückt ist, oder ob
60 Die Lehrwerke, in denen Behaim erwähnt wird sind : Johann Matthias Schröckh, Allgemeine
Weltgeschichte für Kinder, Leipzig: Weidmann und Reich, 1779, 370; Johann Matthias Sch-
röckh, Johann Matthias Schröckhs öffentlichen Lehrers der Geschichte zu Wittenberg Lehr-
buch der allgemeinen Weltgeschichte, Berlin: Nicolai, 1795, 379 ; LorenzWestenrieder, Abriß
der deutschen Geschichte. Ein Lese- und Lehrbuch,München : Lindauer, 1798, 186; Johann
Gottfried Woltmann, Die Weltgeschichte für die Jugend, Berlin: Duncker und Humblot, 2.,
verb. Auflage 1807, 50; Traugott Gotthilf Voigtel, Julius August Remer’s Lehrbuch der allge-
meinen Geschichte für Akademieen und Gymnasien, Halle: Hemmerde und Schwetschke,
1811, 344; Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die Weltgeschichte für gebildete Leser und Studie-
rende, Leipzig: Hinrichs, 1813, 22; Ernst Hold, Die Weltgeschichte für die Jugend bis auf die
neuesten Zeiten, Leipzig: Hinrichs, 1818, 251; Johann Kaspar Müller, Dr. Johann Kaspar
Müller’s Lehrbuch der Weltgeschichte, Bamberg und Würzburg: Goebhardtsche Buch-
handlungen, 1818, 348; Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die Weltgeschichte für gebildete Leser
und Studierend, Leipzig: Hinrichs, 1824, 17; Carl Wilhelm Böttiger, Die allgemeine Ge-
schichte für Schule und Haus, dritte, vermehrte Auflage, Erlangen: Heyder, 1827, 166;
Friedrich Nösselt, Lehrbuch der Weltgeschichte fürTöchterschulen und zum Privatunterricht
heranwachsender Mädchen, Breslau: Max, 1827, 212 ; Johann Heinrich Meynier, Erzählungen
aus der Geschichte der europäischen Völker, Leipzig: Brockhaus, 1827, 219; Heinrich Rock-
stroh, Erzählungen aus der älteren und mittleren Geschichte zum ersten gründlichen Un-
terricht in der Weltgeschichte, Leipzig: Brockhaus, 1829, 857; Friedrich Nösselt, Kleine
Weltgeschichte fürTöchterschulen und zum Privat-Unterrichte heranwachsender Mädchen,
Breslau: Max, 1830, 55; Ludwig Wachler, Ludwig Wachler’s Lehrbuch der Geschichte zum
Gebrauche in höheren Unterrichts-Anstalten, Breslau: Graß, Barth, 1838, 26 ; August Wilhelm
Grube, Charakterbilder aus der Geschichte und Sage, Leipzig: Brandstetter, 1852, 253; Carl
Winderlich, Lehrbuch der Weltgeschichte, Leipzig: Wigand, 2., bis auf d. neueste Zeit fortges. ,
verm. u. berichtigte Auflage 1852, 465; Peter Friedrich Kirchmann, Geschichte der Arbeit und
Kultur, Leipzig : Meyer, 1858, 172; Carl Winderlich, Uebersicht der Weltgeschichte in syn-
chronistischen Tabellen, Breslau: Kern, 1859, 45; Moritz Spiess, Für einen einjährigen Un-
terricht in einer mittleren Klassen berechnet, Hildburghausen: Nonne, 1861, 170; Wilhelm
Pütz, Historische Darstellungen und Charakteristiken,Köln : DuMont Schauberg, 1862, 625;
Wilhelm Pütz, Die Geschichte der neuern Zeit,Köln : DuMont Schauberg, 1864; August
Wilhelm Grube, Wiederholungsbuch zu den Charakterbildern aus der Geschichte und Sage,
Leipzig: Brandstetter, 1865, 40; Bernd Diedrich Wilms, Mnemonische Bearbeitung der Welt-
und Cultur-Geschichte, Flensburg: Herzbruch, 1867, 103; Friedrich Nösselt, Lehrbuch der
Weltgeschichte fürTöchterschulen und zum Privatunterricht heranwachsender Mädchen,
Breslau: Max, 14., verb. und stark verm. Auflage 1867, 302; Arnold Schaefer, Geschichtsta-
bellen zum Auswendiglernen, Leipzig: Arnoldi, 1870, 58.
61 Vgl. Roland Bernhard, Geschichtsmythen über Hispanoamerika. Entdeckung, Eroberung und
Kolonisierung in deutschen und österreichischen Schulbüchern des 21. Jahrhunderts (Eckert.
Die Schriftenreihe 134), Göttingen: V&R unipress, 2013, 105–110.
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dieses gesteigerte Interesse an Behaim schon in Schulbüchern vor 1933 oder erst
nach 1945 erkennbar wird.
Es lässt sich auch denken, dass der Mythos erst nach dem Zweiten Weltkrieg
im Zusammenhang mit der Entnazifizierung seine heutige Bedeutung in
Schulbüchern bekam und/oder im Zusammenhang mit der Neuinszenierung
der Stadt Nürnberg zu sehen ist. Die Stadt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg
international auch als »Nazi-Shrine« bezeichnet.62 Die laut dem Nürnberger
Oberbürgermeister Willy Liebel »deutscheste aller deutschen Städte«63, war ab
dem Jahr 1927 Schauplatz der Reichsparteitage der NSDAP64 und stand auch in
unrühmlicher Verbindung mit den Nürnberger Gesetzen von 1935. In der
Nachkriegszeit versuchten Stadtväter, Wirtschaft und Bürgerkreise das Image
Nürnbergs als »Nazistadt« zu überwinden und, sich ein neues Profil gebend, die
frühere Anziehungskraft der Stadt wieder zu beleben.65 In diesem Zusammen-
hang galt es, nicht belastete Symbole zu finden und möglicherweise bot sich eine
Neuinterpretation Behaims als »westlich orientiertem« progressiven Wissen-
schaftler für eine Imagepolitur an.
Die Deutungsmuster in Bezug auf Behaim bleiben auch nach dem Zweiten
Weltkrieg zum Teil ähnlich. Wie schon in deutschnationalen Kreisen, im Zuge
von Kolonialrhetorik oder bei den Nationalsozialisten Behaim als Wissen-
schaftler konstruiert wurde, bleibt diese Leseart Behaims auch in der Nach-
kriegszeit bestehen. Allerdings änderten sich insofern die Vorzeichen, als die
angestrebte Sinnbildung nicht mehr dieselbe war. So zeigt sich, dass mit dem
Mythos von Behaim als einer der Protagonisten der Wissenschaftlichen Revo-
lution völlig unterschiedliche Sinnbildungen angeboten werden können und
dieser damit in verschiedener Weise »mythomotorisch« verwendet werden
kann. Möglicherweise ist dies mit ein Grund dafür, dass sich der Behaimmythos
so ungebrochen in der Geschichtskultur hält.
Für den Unterricht ist die Analyse von Geschichtserzählungen hinsichtlich
jener Funktionen, die sie in politischen Zusammenhängen erfüllen, von großem
Wert. »Mythen gewinnen ihre Form, Bedeutung und Strahlkraft […] aus den
Sinnbedürfnissen der Gegenwart; sie leben so lange, wie diese Sinnbedürfnisse
bestehen.«66 Dies im Unterricht zu reflektierten und beispielsweise die Be-
haimrezeption im Laufe der Geschichte herauszuarbeiten und die verschiedenen
62 Werner K. Blessing, »Nürnberg ein deutscher Mythos«, in : Helmut Altrichter u. a. (Hg.),
Mythen in der Geschichte, Freiburg im Breisgau: Rombach 2004, 371–396, 392.
63 Ebd., 390.
64 Vgl. auch Dieter Wuttke, Nürnberg als Symbol deutscher Kultur und Geschichte. Ein Vortrag,
Bamberg: Kaiser, 1987.
65 Blessing, Nürnberg, 392.
66 Assmann, Mythos, 15–16.
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Sinnbildungen mit jenen, die in heutigen Schulbüchern anzutreffen sind, zu
vergleichen, würde sich in diesem Zusammenhang anbieten.
Die kognitive Dimension oder die Frage nach intersubjektiver
Nachvollziehbarkeit der Behaimerzählung
Das entscheidende Sinnkriterium innerhalb der kognitiven Dimension ist nach
Jörn Rüsen die »Wahrheit« im Sinne von »Begründungsfähigkeit aller Aussagen
über die menschliche Vergangenheit.«67 Innerhalb der kognitiven Dimension
geht es um die Frage nach »Plausibilität«, »Triftigkeit« oder »Begründungsfä-
higkeit«68, intersubjektive Nachvollziehbarkeit69 und »Zustimmungsfähigkeit«70
von historischen Erzählungen. Ist eine solche nicht gegeben und wird die Nar-
ration in der Gesellschaft dennoch als »wahr« angesehen und aufgrund ver-
schiedener Orientierungsbedürfnisse in der Geschichtskultur wiederholt, han-
delt es sich um einen Geschichtsmythos (vg l. dazu die Einleitung dieses Bandes).
Die intersubjektive Nachvollziehbarkeit einer Erzählung lässt sich nach Rüsen
auf mehreren Ebenen beschreiben. Traditionell unterschied er in diesem Zu-
sammenhang empirische, normative und narrative Triftigkeit als Kriterien, die
einer Narration wissenschaftsspezifische Eigenschaften verleihen.71 In der Folge
wird die Behaimerzählung hinsichtlich dieser drei Triftigkeiten analysiert.
Auf der Ebene der empirischen Triftigkeit stellt sich die Frage nach der
»Tatsächlichkeit der erzählten Geschehnisse«.72 Zustimmungsfähig ist eine
Narration, wenn sie einen »überprüfbaren Tataschenbezug«73 aufweisen kann,
der methodisch durch Quellenkritik hergestellt werden kann. Erzählungen, die
historischen Quellen widersprechen, können demnach keine empirische Trif-
tigkeit aufweisen. Um die Frage zu behandeln, ob sich die Schulbucherzählungen
um Behaim auf dieser empirischen Ebene begründen lassen, werden in der Folge
die eingangs herausgearbeiteten Elemente der Behaimerzählung in der Ge-
schichtskultur jeweils einzeln untersucht.
67 Jörn Rüsen, Historik, 236.
68 Ebd., 55.
69 Ebd., 60 ff.
70 Ebd.
71 Jörn Rüsen, Zeit und Sinn. Strategien historischen Denkens, Frankfurt am Main: Fischer
Taschenbuch Verlag, 1990, 92ff. ; 2013 führte Rüsen auch eine theoretische Triftigkeit ein:
Rüsen, Historik, 61.
72 Rüsen, Historik , 59.
73 Ebd., 60.
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Behaims Erdapfel als erster Globus der Geschichte
Behaims Globus war nicht der erste, wie dies in Schulbüchern behauptet wird.
Abgesehen davon, dass in der Antike bereits Globen existierten, sind auch im
Spätmittelalter vor Behaim mehrere Exemplare bekannt. Als Beispiele dafür
werden in der Literatur ein Globus von Jean Fusoris aus dem Jahr 1432 und einer
von Guillaume Hobit aus den 1440er Jahren genannt. Auch ist bekannt, dass
Nicolaus Germanus im Jahr 1477 Papst Sixtus IV. einen Globus für die neue
vatikanische Bibliothek schenkte.74 Behaims Erdapfel ist der älteste bisher be-
kannte erhaltene Globus, kann aber insofern keinesfalls als der erste Globus
gelten, wie entsprechende Quellen die Existenz älterer Globen belegen.
Behaim als Inspirationsquelle für Kolumbus
In Schulbüchern ist die Rede davon, dass Behaim Kolumbus gekannt habe, sein
Berater gewesen sei oder den Genuesen zumindest in irgendeiner Weise inspi-
riert habe. In der wissenschaftlichen Literatur zu Behaim wird allerdings darauf
hingewiesen, dass der frühestmögliche Termin eines Zusammentreffens zwi-
schen Kolumbus und Behaim das Jahr 1484 darstellt. Zu diesem Zeitpunkt war
Kolumbus’ Plan allerdings schon vollständig ausgereift und er bedurfte keiner
irgendwie gearteten Bestärkung.75 Darüber hinaus ist in den Aufzeichnungen
von Kolumbus nie von Behaim die Rede – übrigens wird auch die Frage nach der
Gestalt der Erde (sphärisch oder flach) nie thematisiert.76 Die Idee nach Westen
zu segeln, um Indien zu erreichen, lag Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
vielmehr in der Luft. Zwischen 1431 und 1492 lassen sich zahlreiche Versuche
nachweisen, Indien oder China über den Westweg zu erreichen.77 Kolumbus hat
einfach einen weiteren Schritt in der sich im Gange befindlichen Expansion in
den Atlantik gesetzt78 und ist zufällig aufgrund eines Rechenfehlers in Amerika
angekommen. Der Zusammenhang zwischen Behaim und Kolumbus lässt sich
demnach nicht nachvollziehen. Kolumbus und die anderen Erkunder des At-
lantiks hatten Behaim nicht nötig.
74 Vgl. Denis E. Cosgrove, Apollo’s Eye: A Cartographic Genealogy of the Earth in the Western
Imagination, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2001, 113.
75 Bräunlein, Martin Behaim, 83.
76 Bernhard, Hispanoamerika, 72.
77 Vgl. Bräunlein, Martin Behaim, 84.
78 Matthew Restall, Seven Myths of the Spanish Conquest, Oxford: Oxford University Press,
2004, 8–9.
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Behaim als Überwinder der Erdscheibe
Auch das dritte Element der Behaimerzählung, die so populäre Vorstellung der
Überwindung der mittelalterlichen Konzeption einer flachen Erde im Zuge einer
wissenschaftlichen Revolution am Beginn der Neuzeit entbehrt jeder empiri-
schen Triftigkeit, da weder zur Zeit Behaims noch während des gesamten Mit-
telalters die Erde als »Scheibe« gedeutet wurde. In der internationalen und
deutschsprachigen Fachliteratur gibt es zu diesem Thema schon seit vielen
Jahrzehnten Konsens.79 Im deutschsprachigen Raum setzte in diesem Zusam-
menhang der Stuttgarter Romanist Reinhard Krüger Akzente und zeigte anhand
der Analyse einer großen Anzahl von mittelalterlichen Quellen, dass alle ein-
flussreichen Denkerdes Mittelalters (Kirchenväter, Päpste, Naturphilosophen,
Mystiker, etc.), von denen Quellen auf uns gekommen sind, die Erde in ihren
Schriften ganz selbstverständlich als sphärisch bezeichnen oder darstellen.80 Die
in der Geschichtskultur so populäre Vorstellung einer von der Kirche propa-
gierten Flacherde entbehrt jeglicher Quellengrundlage. Die Kirche interpretierte
die Erde nie als flach.81
Bei der narrativen Triftigkeit als Kriterium von Intersubjektivität geht es um
die Explikation eines zustimmungsfähigen Sinngehaltes.82 Auf dieser Ebene
stellt sich die Frage, wie eine spezifische Erzählung kontextualisiert wird, bzw.
welche historische Frage mit einer Narration beantwortet werden soll. Mit der
Behaimerzählung wird in Schulbüchern die Frage »was ist neu an der Neuzeit?«
beantwortet. Während nun im Mittelalter, was die Wissenschaften betrifft,
finstere Zustände geherrscht hätten, seien am Beginn der Neuzeit einige große
79 Hier seien nur einige wenige der diesbezüglich veröffentlichten Beiträge angeführt: Jeffrey
Burton Russell, Inventing the Flat Earth. Columbus and Modern Historians, New York :
Praeger, 1991; Louise M. Bishop, »The Myth of the Flat Earth«, in: Stephen J. Harris und
Bryon Lee Grigsby (Hg.), Misconceptions about the Middle Ages, New York, London: Rou-
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Mittelalter: 30. Kölner Mediaevistentagung vom 10. bis 13. September 1996 in der Universität
zu Köln (Miscellanea Medievalia, 25), Berlin: DeGruyter, 1998; Rudolf Simek, Erde und
Kosmos im Mittelalter. Das Weltbild vor Kolumbus,München: C.H. Beck 1992; Anna-Do-
rothee von den Brincken, »Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie des Mittelalters«,
in: Archiv für Kulturgeschichte 58 (1976), 77–95; Brigitte Englisch, Ordo orbis terrae: die
Weltsicht in den Mappae mundi des frühen und hohen Mittelalters (Orbis Mediaevalis 3),
Berlin: Akademie Verlag, 2002; Peter Aufgebauer, »Die Erde ist eine Scheibe. Das mittelal-
terliche Weltbild in der Wahrnehmung der Neuzeit«, in: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht 57, 7/8 (2006), 427–441.
80 Reinhard Krüger, moles globosa, globus terrae und arenosus globus in Spätantike und Mit-
telalter. Eine Kritik des Mythos von der Erdscheibe, Berlin: Weidler, 2012, 68.
81 Vgl. dazu schon sehr früh das Werkdes b erühmten Wissenschaftshistorikers: Thomas Kuhn,
The Copernican Revolution: Planetary Astronomy in the Development of of Western Thought,
Cambridge: Harvard University Press, 1957, 108.
82 Rüsen, Historik, 62.
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Männer aufgestanden, die diese »alte barbarische Zeit« endlich überwunden
hätten. Behaim habe in diesem Zusammenhang ein neues und exklusives Wissen
um die Kugelgestalt geliefert und damit zur wissenschaftlichen Revolution we-
sentlich beigetragen. Die Geschichte ist eingebettet in ein darüber liegendes
Narrativ, in dem der Bogen von der philosophischen Strömung des Humansiums
über die Entdeckungen, Erfindungen und Reformation bis hin zu Kopernikus
und Galilei gespannt wird. In dieser Meistererzählung, die eine »fundierende
Erzählung[en]«83 der Neuzeit darstellt, sind der Globus Behaims und die
Überwindung der mittelalterlichen Erdscheibentheorie neben der Entdeckung
Amerikas und dem kopernikanischen heliozentrischen Weltbild konstitutive
Elemente.
Dabei handelt es sich um ein Konglomerat von mehreren empirisch nicht
triftigen Erzählungen, die sich gegenseitig stützen. Die Kontextualisierung Be-
haims in diesem Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar und nicht be-
gründbar. Wenn das Mittelalter tatsächlich von einer sphärischen Erde ausge-
gangen ist und Globen vor Behaim existierten, so stellt sich darüber hinaus die
entscheidende Frage, aus welchem Grund einem Deutschen, der einen von vielen
Globen der damaligen Zeit zufälligerweise im Jahr 1492 herstellte, ein so pro-
minenter Platz in Schulbüchern eingeräumt wird. Die retrospektive Bedeu-
tungszuweisung ist nicht plausibel, insofern sie entweder selbst nicht nach-
vollziehbar oder aber auf empirisch nicht begründbare Erzählungen gründet
– es bedarf des Mythos der flachen Erde, damit der Behaimmythos überhaupt
erzählt werden kann.
Auf der Ebene der normativen Triftigkeit ist danach zu fragen, welche Sinn-
und Identitätsangebote in einer Geschichte vorhanden sind und welche Orien-
tierung aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit im Sinne einer Botschaft
oder Handlungsanweisung für die Zukunft gewonnen wird.84 Mit der Behaim-
erzählung ist die Selbstinzenierung einer wissenschaftlichen Moderne in Ab-
grenzung zum Mittelalter verbunden. »Das ›Mittelalter‹ gilt fast als synonym für
alles Dunkle und Reaktionäre.«85 Die Behaimgeschichte trägt in Schulbüchern
dazu bei, für eine angebliche Überlegenheit »unserer Zeit« zu argumentieren:
»Es gehört zu den Grundüberzeugungen der modernen Welt, dass wir Europäer
uns im Zuge der Renaissance mit dem Licht der Antike aus dem Stumpfsinn und
83 Assmann, Mythos, 19.
84 Zur normativen Triftigkeit vgl. auch Christoph Kühberger, »Normative Triftigkeit«, in:
Christoph Kühberger und Dirk Mellies ( Hg.), Inventing the EU. Zur De-Konstruktion von
»fertigen Geschichten« über die EU in deutschen, polnischen und österreichischen Schulge-
schichtsbüchern, Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag, 2009, 154–196.
85 Aaron Gurewitsch, Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen, Dresden: Verlag der Kunst,
1978, 6.
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der Dummheit des Mittelalters befreit hätten.«86 In dieser Weise werden Dis-
kurse reproduziert, die den »Bedarf nach Inszenierung von Überlegenheit und
modernitas gegnüber der aetas media«87 ausdrücken und mit der schon in der
Zeit der Renaissance die »ältere« Geschichte und Kultur entsorgt wurden. »Die
Guten« in dieser Geschichte (»wir« in der wissenschaftlichen Neuzeit) konnten
sich durch die Leistungen von Behaim, Kolumbus, Kopernikus und Galilei gegen
die Rückständigkeit und Borniertheit der mittelalterlichen »Anderen« durch-
setzen. Ohne historische »Perspektivenreflexion und -begründung«,88 mit der
die mit einer spezifischen Narration zusammenhängenden »maßgeblichen
Orientierungsprobleme im Kontext der Gegenwart hin durchsichtig gemacht«89
werden, Bilder eines »finsteren Mittelalters« zu vermitteln mit dem Ziel, die
eigene Zeit als überlegen erscheinen zu lassen, entspricht in diesem Sinne nicht
den Kriterien der normativen Triftigkeit.90
Fazit: Das Lernpotenzial des Behaimmythos oder die
Ästhetisierung und Politisierung historischer Erinnerung
Der Befund ist eindeutig. Die Erzählung über Martin Behaim, wie sie sich in
Schulbüchern als Manifestationen von Geschichtskultur präsentiert, hält einer
Triftigkeitsüberprüfung nicht stand. Da darüber hinaus die Erzählung erstens in
der Gesellschaft als »wahr« betrachtet und zweitens häufig reproduziert wird,
handelt es sich um einen Geschichtsmythos. Dessen Durchsetzung innerhalb
und Verbleib in der Geschichtskultur ist durch politische und ästhetische Fak-
toren bedingt und zwar insofern, als ästhetische und politische Sinnbildungs-
strategien zur Zeit der Entstehung und Durchsetzung des Mythos die kognitiven
Sinnbildungsstrategien dominierten. Die Dominanz von ästhetischen oder po-
litischen Sinnbildungsstrategien gegenüber kognitiven wird von Rüsen als
»Ästhetisierung« bzw. »Politisierung« bezeichnet.91 In diesem Sinne lassen sich
86 Krüger moles Glabosa, 58.
87 Ebd.
88 Rüsen, Historik, 61.
89 Ebd.
90 Zu diesem Thema im Zusammenhang mit der normativen Triftigkeit vgl. auch Waltraud
Schreiber, »Schulgeschichtsbücher als Grundlage für die Methodenentwicklung«, in: Wal-
traud Schreiber u.a. (Hg.): Analyse von Schulbüchern als Grundlage empirischer Ge-
schichtsdidaktik, Stuttgart: Kohlhammer, 2013, 38–65, 44; Michael Sauer, Geschichte un-
terrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze-Velber: Kallmeyer,
2. Auflage 2003, 64f.; Zum Mittelalter im Geschichtsunterricht vgl. Wolfgang Hasberg und
Uwe Uffelmann, Mittelalter und Geschichtsdidaktik. Zum Stand einer Didaktik des Mittel-
alters, Neuried: ars una, 2002.
91 Rüsen, Geschichtskultur, 517f.
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in der Behaimerzählung in Schulbüchern »problematische Äußerungen der
historischen Erinnerung«92 erkennen. Die Erzählung stellt einen »deutschen«
Mythos dar, der insofern »schön« ist, als ihm eine archetypische Erzählstruktur
zugrunde liegt, nach denen auch Mythen verschiedenster Länder, Märchen und
moderne Spielfilme konstruiert sind. Der Behaimmythos in Schulbüchern zeigt
sich in diesem Sinne als Monomythos.
In diesem Beitrag wurde die Masternarration um Behaim von vielen Seiten
betrachtet und als Mythos de-konstruiert. Nun stellt sich noch einmal die Frage,
welchen Nutzen für historisches Lernen die Beschäftigung mit diesem und
ähnlichen Mythen im Unterricht haben kann. In der Geschichtsdidaktik setzte
sich im einundzwanzigsten Jahrhundert die Überzeugung durch, dass für das
Erreichen des Globalziels von Geschichtsunterricht, das in der Anbahnung eines
reflektierten Geschichtsbewusstseins besteht, die Orientierung an historischem
Denken von herausragender Bedeutung ist.93 Schülerinnen und Schüler leben in
einer zunehmend interkulturellen, pluralen und umfassend vernetzten Welt.
Dies hat zur Folge, dass sie sich lebenslang neu orientieren werden müssen und
ihr ganzes Leben lang »lernen« werden. Deshalb ist aus geschichtsdidaktischer
Perspektive nicht das »Zur-Verfügung-Stellen von Wissen« die wichtigste Auf-
gabe des Geschichtsunterrichts. Es geht vielmehr um die Förderung der Fä-
higkeit mit historischer Information umzugehen und dementsprechend um
aktives, strukturierendes Verfügen-können über historisches Wissen und das
begründete Auswählen und Beurteilen.94 Die eigentliche Herausforderung in
einer Zeit, in der Geschichte allgegenwärtig ist und ein Großteil des historischen
Wissens unstrukturiert und ungeprüft im Internet abrufbar ist, besteht darin zu
lernen, mit Geschichtskultur umzugehen.
Der Beitrag, der durch die Beschäftigung mit Mythen geleistet werden kann,
ist es, domänenspezifische Methodenkompetenzen aufzubauen, die in der Fä-
higkeit besteht, Antworten auf historische Fragen durch De- und Rekonstruk-
tion zu erarbeiten,. Auch das Schulbuch als Manifestation von Geschichtskultur
und die dort vorgelegten Interpretationen und Deutungen sollten in diesem
Zusammenhang von Schülern und Schülerinnen geprüft werden können95.
Anhand von Geschichtsmyhten können, wie oben angedeutet, die Funktion und
92 Ebd.
93 Vgl. dazu Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen.
Methodische und didaktische Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische
Bildung, Innsbruck: Studienverlag, 2. korrigierte Auflage 2009.
94 Schreiber, Analyse, 52.
95 Sylvia Mebus, »Wie wahr ist Geschichte im Lehrbuch ? Zur De-Konstruktion von Darstel-
lungen in Geschichtslehrbüchern als Aufgabe des Geschichtsunterrichts«, in: Waltraud
Schreiber und Sylvia Mebus (Hg.), Durchblicken. Dekonstruktion von Schulbüchern, Neu-
ried: ars una, 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2006, 36–43, 37.
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Entstehung von Geschichte in der Gesellschaft zum Gegenstand des Unterrichts
gemacht werden. Warum wird Geschichte heute in dieser oder jener spezifisch en
Art und Weise dargestellt? Von welchen Faktoren (ästhetischen, politischen etc.)
ist eine spezifische Darstellung beeinflusst?
So bietet sich im Zusammenhang mit Behaim zum Beispiel eine De-Kon-
struktion der eingangs behandelten Briefmarke der deutschen Bundespost aus
dem Jahr 1992 an, um von ihr ausgehend über Behaim, Kolumbus und den
Mythos der flachen Erde nachzudenken. Man könnte Schülerinnen und Schü-
lern zusätzlich zur Briefmarke eine Darstellung über Globen vor Behaim zur
Ver fügung stellen, dazu Bildquellen aus dem Mittelalter anbieten, in denen eine
sphärische Erde dargestellt wird und Schulbuchtexte über Behaim, in denen
erzählt wird, der Nürnberger habe den ersten Globus gebaut. Als Arbeitsan-
weisung könnte gegeben werden: »Erkläre, worin die Bedeutung des Globus von
Behaim liegt, so dass er 500 Jahre nach seiner Konstruktion sogar auf Brief-
marken der Deutschen Bundespost und in deinem Schulbuch abgedruckt wird!«
Damit würde den Schülern und Schülerinnen im Sinne von Rolf Schörken eine
völlig »aufgeraute«96 Gesamtdarstellung vorliegen, in der offensichtliche Wi-
dersprüche vorhanden sind. Mit der Einsicht, dass hier ein Geschichtsmythos im
Schulbuch und auf Briefmarken der Deutschen Bundespost reproduziert wird,
kann in den Schülern und Schülerinnen – so darf erwartet werden – auf jeden
Fall ein reflektierterer Umgang mit Schulbüchern als Teil der Geschichtskultur
angebahnt werden.
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3., vermehrte Auflage 1827.
Christoffer, Sven u.a. Zeitreise 1. Differenzierende Ausgabe: [Niedersachsen], Stuttgart,
Leipzig: Klett, 2012.
Cornelissen, Joachim u.a. Mosaik. Der Geschichte auf der Spur, München: Oldenbourg
Schulbuchverlag, 2005.
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Frey, Anne u.a. (Hg.). Zeit für Geschichte 2. Braunschweig: Schroedel, 2004.
Funken, Walter und Bernd Koltrowitz (Hg.). Geschichte plus: [Brandenburg], Berlin:
Cornelsen/Volk und Wissen, 2008.
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96 Rolf Schörken, »Das Aufbrechen narrativer Harmonie. Für eine Erneuerung des Erzählens
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Historisch Denken lernen mit dem Mythos Martin Behaim 115
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