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Essens-Fahrplan für Babys
1. Nur Milch: am besten
Muttermilch
Wenn die Mutter nicht stillt, brauchen
Babys im 1. Jahr Fertigmilch.
2. Weiterstillen +
B(r)eikost
Ab dem 5. bis 7. Monat bekommen
Babys Lust auf Brei.
3. Übergang
zum Familienessen
Babys möchten gegen Ende des 1. Lebensjahres
selbst essen. Der Zeitpunkt des Abstillens richtet
sich nach Mutter und Kind.
+
Zeit für die ersten Löffel Gemüsebrei
Monat Monat
www.gesund-ins-leben.de
Weitere Infos und Beratungsangebote unter:
www.in-form.de
© aid infodienst e. V. 2014
Konsensuspapiere
Monatsschr Kinderheilkd 2016 ·
[Suppl 5]: 164:S433–S457
DOI 10.1007/s00112-016-0173-0
© Der/die Autor(en) 2016
Redaktion
A. Borkhardt, Düsseldorf
S. Wirth, Wuppertal
B. Koletzko1,15 ·C.-P.Bauer
2·M.Cierpka
3·M.Cremer
4·M.Flothkötter
5·C.Graf
6·
I. Heindl7·C.Hellmers
8,16 ·M.Kersting
9·M.Krawinkel
10,17 · H. Przyrembel11 ·
K. Vetter12 · A. Weißenborn13 ·A.Wöckel
14,18
1Ludwig-Maximilians-Universität München, Kinderklinik und Kinderpoliklinik, Dr. von Haunersches
Kinderspital, Klinikum der Universität München, München, Deutschland
2Fachklinik Gaißach, Gaißach, Deutschland
3Universität Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
4Idstein, Deutschland
5aid infodienst e. V., Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie, Bonn, Deutschland
6Deutsche Sporthochschule Köln, Köln, Deutschland
7Universität Flensburg, Flensburg, Deutschland
8Hochschule Osnabrück, Osnabrück, Deutschland
9Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) e. V., Dortmund, Deutschland
10 Justus-Liebig-Universität,Gießen, Deutschland
11 Berlin, Deutschland
12 Nationale Stillkommission, Bunde sinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin, Deutschland
13 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin, Deutschland
14 UniversitätsklinikumWürzburg, Würzburg, Deutschland
15 Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde e. V. (DGKJ), Berlin, Deutschland
16 Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) e. V, Münster, Deutschland
17 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V., Bonn, Deutschland
18 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG), Berlin, Deutschland
Ernährung und Bewegung von
Säuglingen und stillenden
Frauen
Aktualisierte Handlungsempfehlungen von
„Gesund ins Leben – Netzwerk Junge
Familie“, eine Initiative von IN FORM
Einleitung
In den für den Einfluss von Umgebungs-
faktoren besonders sensiblen Lebens-
phasen Schwangerscha, Säuglings- und
Kleinkindalter werden Weichen für die
langfristige Gesundheit des Kindes ge-
stellt. Ernährung und Bewegung sind
in der Schwangerscha sowie im Säug-
Dies ist eine aktualisierte Version des 2013
erschienenen Beitrags http://dx.doi.org/10.
1007/s00112-013-2870-2.
DieserBeitragwurdebereitsunterDOI10.1007/
s00112-016-0147-2 publiziert: Monatsschrift
Kinderheilkunde Band 164, Heft 9, S. 765–789,
2016.
lings- und Kleinkindalter von großer
Bedeutung für die Gesundheit von Mut-
ter und Kind. Das rasche Wachstum
und die Entwicklung eines Kindes im
1. Lebensjahr stellen besondere Anfor-
derungen an seine Ernährung. Wichtig
sind dabei eine ausreichende Energie-
und Nährstoffversorgung, aber auch die
Lebensmittelauswahl und -zubereitung
sowieihreDarreichungsform.Aucheine
stillendeMuttersollteaufeineausgewo-
gene Ernährung achten, u. a., weil sich
ihre Nährstoffversorgung auf ihr Wohl-
befinden und auf die Zusammensetzung
der Muttermilch auswirken kann.
Die 2010 erstmals erschienenen bun-
desweiten Handlungsempfehlungen zur
Säuglingsernährung und Ernährung der
stillenden Mutter von „Gesund ins Le-
ben – Netzwerk Junge Familie“ [133]
haben das Ziel, Eltern1und Fachkräf-
ten zuverlässige Informationen und Si-
cherheit bei Fragen zu Ernährung und
BewegungvonSäuglingenundstillen-
den Frauen zu geben. Die Empfehlungen
wurden von den Mitgliedern des wissen-
schalichen Beirats – Wissenschalern
verschiedener Fachrichtungen und rele-
vanter Fachinstitutionen – gemeinsam
erarbeitet und im Konsens verabschie-
1Der Begriff „Eltern“ steht in den Handlungs-
empfehlungenfür alle wichtigen Bezugsperso-
nendes Kindes.
Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016 S433
Konsensuspapiere
det. Um sicherzustellen, dass die zuletzt
2013 erschienenen Empfehlungen [134]
weiterhin dem derzeitigen wissenscha-
lichen Kenntnisstand entsprechen, wur-
den sie überprü und liegen hier in einer
aktualisierten und erweiterten Fassung
vor.
Erweitert wurden die Empfehlungen
zu Säuglingsernährung und Ernährung
der stillenden Mutter um Handlungs-
empfehlungen zum Essenlernen und zur
Bewegungsförderung. Ausreichende Be-
wegung ist für die gesunde Entwicklung
des Säuglings förderlich, und auch die
stillende Mutter profitiert von einem
körperlich aktiven Lebensstil. Durch
die Empfehlungen zum Essenlernen
wird verdeutlicht, wie Eltern ihr Kind
unterstützen können, ein gesundheits-
förderndes Essverhalten zu entwickeln.
Dazu gehört, das Kind bei den Mahlzei-
ten zu begleiten und auf seine Signale
einzugehen. Zeiten des Stillens, Füt-
terns und des gemeinsamen Essens am
Tisch können genauso wie gemeinsa-
me Spiel- und Bewegungszeiten die
Bindung zwischen Eltern und Kind
stärken.
DieEmpfehlungensollendazubeitra-
gen,dieGesundheitvonSäuglingenkurz-
und langfristig zu fördern, das Allergieri-
siko zu reduzieren und eine ausgewogene
Ernährung sowie ausreichend Bewegung
in Familien2früh zur Gewohnheit wer-
den zu lassen. Sie können auch späte-
res Ernährungs- und Bewegungsverhal-
ten positiv beeinflussen und damit lang-
fristig Übergewicht und ernährungsab-
hängigen Krankheiten vorbeugen. Stil-
lende Mütter sollen durch die Empfeh-
lungen zu einer ausgewogenen Ernäh-
rung und ausreichenden Bewegung an-
geregt werden.
Entwicklungund Wachstumdes Säug-
lings werden im Rahmen von Vorsorge-
untersuchungen beurteilt. Kinder- und
Jugendärztinnen/Kinder- und Jugend-
ärzte, Hebammen/Entbindungspfleger,
Stillberaterinnen/Stillberater sowie An-
gehörige anderer Gesundheitsberufe
sind Ansprechpartner bei Fragen zu Ge-
2Der Begriff „Familie“ umschließt alle Lebens-
gemeinschaften, in denen Säuglinge zu Hause
sind.
sundheit, Ernährung und Entwicklung
des Kindes.
Die vorliegenden Handlungsemp-
fehlungen werden unterstützt von den
Berufsverbänden der Frauenärzte, Heb-
ammen und Kinder- und Jugendärzte
(Berufsverband der Frauenärzte e. V.
[BVF], Deutscher Hebammenverband
e. V. [DHV], Berufsverband der Kinder-
und Jugendärzte e. V. [BVKJ]) sowie den
wissenschalichen Fachgesellschaen
Deutsche Gesellscha für Kinder und
Jugendmedizin e. V. (DGKJ) und Deut-
sche Gesellscha für Gynäkologie und
Geburtshilfe e. V. (DGGG). Die Hand-
lungsempfehlungen sollen Fachkräen
inder Beratunghelfen und Eltern verläss-
liche Informationen zu Ernährung und
BewegungvonSäuglingenundstillenden
Müttern an die Hand geben. Fachkräe
sollen Eltern ihre Vorbildrolle und Ver-
antwortung bewusst machen, ohne sie
dabei unter Druck zu setzen. Vielmehr
sollten die Eltern befähigt werden, ihre
eigenen Möglichkeiten und Ressourcen
zu nutzen und praktikable Wege zur
Umsetzung der Empfehlungen zu er-
kennen, zu nutzen und eigenständige
Entscheidungen zu treffen.
Methodisches Vorgehen
Für die vorliegende Aktualisierung der
Handlungsempfehlungen wurden 2015
die Empfehlungen von relevanten Fach-
organisationen und Institutionen zu Er-
nährung, Gesundheit, Nahrungsmittel-
allergien sowie Bewegung von Stillenden
undKindern im 1.Lebensjahrdurchgese-
hen und auf ihre Aktualität geprü. Dazu
gehören Empfehlungen und Aussagen
folgender Organisationen und Institu-
tionen: American College of Obstetri-
cians and Gynecologists (ACOG, USA),
Berufsverband der Kinder- und Jugend-
ärzte e. V. (BVKJ), Bundesinstitut für
Risikobewertung (BfR), Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA),
Clinical Practice Obstetrics Committee
(Kanada), Cochrane Library, Deutsche
Gesellscha für Ernährung e. V. (DGE),
Deutsche Gesellscha für Kinder- und
Jugendmedizin e. V. (DGKJ), Europäi-
sche Behörde für Lebensmittelsicher-
heit (European Food Safety Authority,
EFSA), European Society for Paediat-
ric Gastroenterology, Hepatology and
Nutrition (ESPGHAN), Forschungsin-
stitut für Kinderernährung e. V. (FKE),
Institute of Medicine (IOM, USA), Na-
tionale Stillkommission am BfR, e
National Institute for Health and Care
Excellence (NICE, UK), National Asso-
ciation for Sport and Physical Education
(NASPE, USA), Royal College of Obst-
etricians and Gynaecologists (RCOG),
Gesellscha für pädiatrischeAllergologie
und Umweltmedizin e. V. (GPA), Welt-
gesundheitsorganisation (WHO) u. a.
Ergänzend wurden Metaanalysen, syste-
matische Übersichtsarbeiten, Leitlinien
sowieeinschlägigeanderePublikationen
recherchiert und bewertet. Dabei wur-
de keine systematische Recherche und
Evidenzbewertung durchgeführt. Die
nach intensiver Diskussion formulierten
Aussagen entsprechen deshalb dem Evi-
denzniveau einer Expertenempfehlung.
Ihre Formulierungsweise wurde weitge-
hend an die von Leitlinien angelehnt,
wobei „soll“ auf eine starke und „soll-
te“ auf eine mäßig starke Empfehlung
hinweist.
Neu ist, dass die Handlungsemp-
fehlungen im Rahmen dieser Aktua-
lisierung jeweils um einen Abschnitt
ergänzt wurden, in dem die Grundla-
gen für die einzelnen Empfehlungen
dargelegt werden. Damit soll ihre Her-
leitung transparent und nachvollziehbar
gemacht werden. Außerdem werden
– wie auch in den bisherigen Fas-
sungen der Handlungsempfehlungen
– relevante Hintergrundinformationen
zum besseren Verständnis der einzelnen
Empfehlungen und/oder zur prakti-
schen Umsetzung der Empfehlungen
gegeben.
Hinweise
Die hier beschriebenen Handlungs-
empfehlungen beziehen sich auf das
Säuglingsalter, also das 1. Lebensjahr
des Kindes, sowie auf die mütterliche
Ernährung und Bewegung während
der Stillperiode. Eine Übertragung der
Empfehlungen auf andere Lebenspha-
sen, z. B. auf das Kleinkindalter, oder
auf Regionen außerhalb Deutschlands
ist von den Autorinnen und Autoren
nicht beabsichtigt. Die Empfehlungen
S434 Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016
Zusammenfassung · Abstract
Monatsschr Kinderheilkd 2016· [Suppl 5]: 164:S433–S457 DOI 10.1007/s00112-016-0173-0
© Der/die Autor(en) 2016
B.Koletzko·C.-P.Bauer·M.Cierpka·M.Cremer·M.Flothkötter·C.Graf·I.Heindl·C.Hellmers·M.Kersting·M.Krawinkel·H.Przyrembel·
K. Vetter · A. Weißenborn · A. Wöckel
Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen. Aktualisierte
Handlungsempfehlungen von „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, eine Initiative von IN
FORM
Zusammenfassung
Netzwerk. „Gesund ins Leben – Netzwerk Jun-
ge Familie“ ist ein Bestandteil von „IN FORM –
Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung
und mehr Bewegung“ der Bundesregierung
und wird durch das Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
In diesem bundesweiten Netzwerk haben
sich medizinische und wissenschaftliche
Fachgesellschaften, Berufsverbände sowie
fachlich ausgerichtete Institutionen zusam-
mengeschlossen, um Eltern rund um die
Geburt mit Informationen zur Ernährung, zur
Bewegung und zur Allergieprävention zu
begleiten und zu unterstützen.
Empfehlungen. Die 2010 erstmals er-
schienenen Handlungsempfehlungen zu
Säuglingsernährung und Ernährung der
stillenden Mutter wurden auf Basis aktueller
Empfehlungen relevanter Fachorganisationen
und Institutionen sowie einschlägiger
wissenschaftlicher Publikationen von den
Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats
des Netzwerks diskutiert, überarbeitetund
im Konsens formuliert. Diese Empfehlungen
werden zum einen als anwendungsorientierte,
alltagsbezogene Botschaften an junge
Familien weitergegeben, zum anderen
in der Fortbildung der Multiplikatoren,
ergänzt durch weiterführende Informationen,
eingesetzt. Die Empfehlungen umfassen die
Themen Stillen, Säuglingsnahrung, Beikost,
Getränke (ergänzende Flüssigkeitszufuhr),
Essenlernen, Ernährung der stillenden Frau,
Nährstoffsupplemente für den Säugling
und die stillende Mutter sowie Alkohol,
Rauchen und Medikame ntein der Stil lzeit.Des
Weiteren gehören allgemeine Empfehlungen
zur Allergieprävention beim Kind sowie Emp-
fehlungen zur Bewegung im Säuglingsalter
und zur Bewegung der stillenden Frau dazu.
Schlüsselwörter
Stillen · Säuglingsnahrung · Beikost ·
Körperliche Aktivität · Allergieprävention
Nutrition and physical activity of infants and breastfeeding women. Updated recommendations by
“Healthy Start – Young Family Network” an initiative from IN FORM
Abstract
Network. “Healthy Start – Young Family
Network” is a component of “IN FORM –
Germany’s national initiative to promote
healthy diets and physical activity” of the
German government and is funded by the
Federal Ministry of Food and Agriculture.
In this nationwide network specialist
medical and scientific societies, professional
associations and specialized institutions have
joined forces in order to accompany and
support parents in all aspects surrounding
birth, with information on nutrition, physical
activity and allergy prevention.
Recommendations. The recommendations
for action on infant nutrition and nutrition of
breastfeeding mothers, which first appeared
in 2010 were discussed, revised and a
consensus was formulated based on current
recommendations of releva nt specialist organ-
izations and institutions as well as pertinent
scientific publications from members of the
scientific advisory committee of the net work.
These recommendations are to be passed
on to young families as practical, routine
daily advice and also utilized in the extended
training of propagators, supplemented by
additional information. The recommendations
encompass the topics of breastfeeding, infant
formulas, complementary food, beverages
(supplementary fluid intake), learning to eat,
diet of breastfeeding women, nutritional
supplements for infants and breastfeeding
mothers as well as alcohol, smoking and
medication during the lactation period.
Furthermore, also included are general
recommendations on allergy prevention in
children and recommendations on physical
activity in infancy and for breastfeeding
mothers.
Keywords
Breastfeeding · Infant formulas · Comple-
mentary food · Physical activity · Allergy
prevention
gelten für gesunde, reif geborene, in
Deutschland lebende Säuglinge im häus-
lichen Bereich und in vielerlei Hinsicht
auch in Gemeinschaseinrichtungen
wie Krippen und Kindertagesstätten.
Jedoch müssen in Gemeinschasein-
richtungen beim Umgang mit Lebens-
mitteln und bei der Zubereitung von
Speisen und Getränken – insbesondere
beim Umgang mit Muttermilch und
der Zubereitung von industriell herge-
stellter Säuglingsnahrung – besondere
Vorgaben zur Hygiene beachtet wer-
den.
Gesund ins Leben – Netzwerk
Junge Familie
„Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Fa-
milie“ besteht aus über 600 Institutionen,
Verbänden und Fachgesellschaen, die
junge Familien dabei unterstützen, einen
gesunden Lebensstil zu verwirklichen.
Das Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt,
harmonisierte Handlungsempfehlungen
im Konsens mit den relevanten Fach-
gesellschaen und Berufsgruppen zu
entwickeln. Die Handlungsempfehlun-
gen sind die Basis für alle Kommuni-
kationsmedien und -maßnahmen des
Netzwerks. Dazu gehören Fortbildungs-
angebote für Fachkräe, einschließlich
der begleitenden Schulungsmaterialien,
Medien, die sich direkt an Eltern wen-
den, Materialien für Multiplikatoren,
die in der Beratung eingesetzt werden
Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016 S435
Konsensuspapiere
können, Informationen für Fachkräe
und Eltern auf der Homepage des Netz-
werks, Pressemitteilungen und vieles
mehr.
„Gesund ins Leben – Netzwerk Junge
Familie“ wird – zunächst als Projekt –
seit 2009 durch das Bundesministeri-
um für Ernährung und Landwirtscha
(BMEL) im Rahmen des Nationalen
Aktionsplans der Bundesregierung „IN
FORM – Deutschlands Initiative für ge-
sunde Ernährung und mehr Bewegung“
gefördert. Mit der 2016 erfolgten Insti-
tutionalisierung ist „Gesund ins Leben
– Netzwerk Junge Familie“ erfolgreich
verstetigt worden.3
Unmissverständliche Zeitangaben
gefordert
Bei Empfehlungen zur Ernährung im
1. Lebensjahr sind unmissverständliche
Zeitangaben wichtig, damit die Emp-
fehlungen von Eltern richtig umgesetzt
werden. Deshalb fordert der wissen-
schaliche Beirat des Netzwerks Gesund
ins Leben unmissverständliche Zeitanga-
ben. So ist z. B. die Formulierung „ab/mit
Beginn des 5. (Lebens)Monats“ klar und
eindeutig, während „mit 4 Monaten“
missverständlich sein kann.
Ernährung des Säuglings
Die verschiedenen Phasen der Säug-
lingsernährung orientieren sich an
den Bedürfnissen des Säuglings, sei-
ner physiologischen und motorischen
Entwicklung, der Reifung des Verdau-
ungssystems, der Immunabwehr und der
Nierenfunktion.
3Informationen unter: http://www.gesund-
ins-leben.de.
Stillen
Bedeutung des Stillens
Empfehlungen
4Stillen: das Beste für Mutter und
Kind.
jDie Zusammensetzung der Mut-
termilch ist an die kindlichen
Bedürfnisse angepasst. Die Milch
liefert dem Baby die für Wachs-
tum und gesunde Entwicklung
wichtigen Nährstoffe.
jMuttermilch ist hygienisch ein-
wandfrei und richtig temperiert.
Sie ist praktisch, weil immer
verfügbar, und kostet nichts.
jGestillte Kinder haben im Ver-
gleich zu nichtgestillten Kindern
ein verringertes Risiko für Durch-
fall, Mittelohrentzündung und
späteres Übergewicht.
jStillende Frauen haben gegen-
über nichtstillenden Frauen
gesundheitlicheVorteile(raschere
Gebärmutterrückbildung nach
der Geburt, Risikominderung für
Brust- und Eierstockkrebs).
jStillenkannzurFörderungder
emotionalen Bindung zwischen
Mutter und Kind beitragen.
4Die beste Form der Ernährung für
Säuglinge in den ersten Lebens-
monaten ist das ausschließliche
Stillen.
4Auch Teilstillen ist wertvoll.
Grundlage der Empfehlungen. Natio-
nale und internationale Expertengrup-
pen empfehlen, das Stillen als natürliche
und bevorzugte Ernährungsform für
Säuglinge zu fördern, wobei jegliches –
auch teilweises – Stillen sinnvoll ist [69,
77, 85, 163, 232]. Viele Studien und sys-
tematische Arbeiten zeigen, dass Stillen
mit kurz- und langfristigen gesundheit-
lichen Vorteilen für Kind und Mutter
assoziiert ist [41, 53, 114, 113, 119].
Hintergrundinformationen. Die aus-
schließliche Ernährung mit Muttermilch
liefert die für eine gesunde Entwicklung
wichtigen Makro- und Mikronährstoffe
und deckt i. Allg. den Nährstoffbedarf
(Ausnahmen: Vitamin K und D) des
Säuglings in den ersten 6 Lebensmo-
naten [16, 37, 147, 215]. Muttermilch
enthält nicht nur Nährstoffe, sondern
auch eine Vielzahl von Substanzen, die
das Wachstum und die Entwicklung des
Kindes fördern, die immunologische
Abwehr und Reifung positiv beeinflus-
sen oder antientzündlich wirken [16,
106, 147].
Verschiedene systematische Über-
sichtsarbeiten zeigen, dass Stillen mit
einem geringeren Risiko für die Ent-
stehung von akuten und chronischen
Krankheiten assoziiert ist als eine Fla-
schenernährung [10, 77, 107, 113, 119,
216]. So ist das Risiko für infektiöse
Durchfallerkrankungen und für aku-
te Mittelohrentzündung (Otitis media)
bei gestillten gegenüber nichtgestillten
Säuglingen reduziert.
Stillenistzudemmiteinemgeringeren
Risiko für plötzlichen Kindstod („sud-
den infant death syndrome“, SIDS; [107,
119]) sowie mit einem geringeren Risiko
für spätere Adipositas assoziiert [10, 114,
119, 170, 236]. Ferner scheint Stillen mit
einem geringeren Risiko für akute lym-
phatische Leukämie verbunden zu sein
[9, 119]. Der Effekt des Stillens auf das
Risiko für Diabetes Typ 1 und kardio-
vaskuläre Erkrankungen ist derzeit noch
unklar [114, 113, 119]. Neben den ge-
sundheitlichen Effekten ist Stillen mit ei-
ner besseren kognitiven Entwicklung des
Kindes assoziiert [115, 220].
Vorteile f ü r die G e s u n d heit d e r Mut-
ter wurden ebenfalls berichtet: Stillen ist
mit einem verminderten Risiko für Ei-
erstockkrebs [41, 119, 146, 148] und für
Brustkrebs assoziiert [41, 119, 237]. Auch
gibt es Hinweise dafür, dass Frauen, die
gestillt haben und nicht von Schwanger-
schasdiabetes betroffen waren, ein ge-
ringeresRisikofürTyp-2-Diabetes haben
[11, 41, 119, 121].
Die berichteten Studienergebnisse
über Assoziationen zwischen Stillen und
der Gesundheit von Kindern und ih-
renMütternberuhenfastausschließlich
auf Beobachtungsstudien. Der Einfluss
weiterer Faktoren kann nicht ausge-
schlossen werden, denn in den meisten
untersuchten Populationen ist Stillen mit
einem höheren sozioökonomischen Sta-
tus, höherem Bildungsgrad und anderen
S436 Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016
Faktoren verbunden, die sich ebenfalls
positiv auf einige der Krankheitsrisiken
auswirken können.
Stillen wird darüber hinaus als förder-
lich für die Mutter-Kind-Bindung ange-
sehen [122]. So ist denkbar, dass die beim
Saugen an der Brust ausgelöste Oxyto-
zinausschüttung [38, 152] die Bindung
zwischen Mutter und Kind fördernkann.
AuchwurdeübereinehöhereSensibilität
für ihr Kind bei stillenden im Vergleich
zu nichtstillenden Müttern berichtet [38,
127, 175]. Dazu könnte möglicherweise
der Hautkontakt beim Stillen beitragen
[38, 157].
Stillen ist nicht nur für gesunde reif
geborene Säuglinge sinnvoll. Auch Früh-
geborene oder kranke Säuglinge profitie-
ren bis auf wenige Ausnahmen (z. B. bei
Galaktosämie) von der Ernährung mit
Muttermilch und sollten daher gestillt
oder mit abgepumpter Muttermilch er-
nährt werden. Bei Frühgeborenen mit ei-
nem sehr niedrigen Geburtsgewicht un-
ter 1500 g ist unbedingt eine zusätzliche
Anreicherung mit Protein und anderen
Nährstoffen erforderlich [57, 131, 149,
214, 219].
Die Belastung der Muttermilch mit
Umweltkontaminanten in Deutschland
ist seit über 25 Jahren rückläufig [182,
230].
Empfehlungen
4Eltern sollten sich zur Praxis des
Stillens beraten lassen.
Grundlage der Empfehlung. Maßnah-
men zur Unterstützung des Stillens
wirken sich positiv auf den Stillbeginn
und die Stilldauer aus [187, 198]. Ergeb-
nisse systematischer Übersichtsarbeiten
[58, 187, 198] stützen die Empfehlung,
sich zum Stillen beraten zu lassen.
Hintergrundinformationen. Unsicher-
heiten beim Anlegen und Stillen des
Kindes können zu Stillproblemen füh-
ren, die wiederum häufig Grund für ein
frühzeitiges Stillende sind [23, 171]. Eine
Cochrane-Übersichtsarbeit zeigte, dass
zusätzliche Unterstützung, sowohl durch
Fachkräe als auch Laien, die Stilldauer
insgesamt und die Dauer des ausschließ-
lichen Stillens erhöhen kann und dies
weitgehend unabhängig von der Art
der Unterstützung. Welche Maßnahmen
oder Kombinationen dabei zu welchem
Zeitpunkt am besten geeignet sind, ist
noch nicht eindeutig belegt [58, 187,
199]. Die Unterstützung scheint aber
effektiver zu sein, wenn sie persönlich
erfolgt und nicht nur kurzzeitig, sondern
möglichst über die gesamte Zeit von der
Schwangerscha bis in die Stillzeit hinein
und, wenn sie sowohl in der ambulanten
als auch in der stationären Versorgung
angeboten wird [105]. Die Stillabsicht
derMutteristoffenbareinwesentlicher
Faktor dafür, ob und wie sie ihr Kind
stillt [13, 183]. Die positive Haltung des
Partners wirkt sich zusätzlich positiv auf
den Stillbeginn und die Stilldauer aus
[13, 183].
Informationen und Beratung zum
Stillen sollen alle Berufsgruppen anbie-
ten, die mit der Betreuung von Schwan-
geren und Eltern befasst sind.
Stillbeginn
Empfehlungen
4Müttern sollte unmittelbar nach der
Geburt Hautkontakt mit ihrem Baby
ermöglicht werden. Zum ersten
Anlegen sollten das Kind der Mutter
auf den Bauch gelegt sowie das
spontane Finden der Brustwarze
und das erste Saugen abgewartet
werden.
Grundlage der Empfehlung. In kontrol-
lierten – wenngleich methodisch recht
heterogenen–Studienzeigtesich,dass
früherHautkontaktvon Mutter und Kind
nach der Geburt die Mutter-Kind-Inter-
aktion und das Stillen fördern kann [38,
97, 157]. Die Empfehlung steht im Ein-
klang mit Empfehlungen von Experten-
kommissionen [69, 161].
Hintergrundinformationen. Hautkon-
taktzwischenMutterund Kindmöglichst
bald nach der Geburt (auch nach einem
Kaiserschnitt) wirkt sich positiv auf den
Stillbeginn und eine positive Stillbezie-
hung aus [97, 157, 201, 232]. Am besten
wird das Kind auf den Bauch der Mutter
gelegt (oder sie legt es sich selbst auf den
Bauch) und das eigenständige Finden
der Brust abgewartet. In dieser Phase
sollen Mutter und Kind beobachtet und
begleitet werden [157].
Das erste Saugen an der Brust er-
folgt möglichst innerhalb der ersten 1
bis 2 h nach der Geburt [38, 157, 161,
201]. Die meisten Neugeborenen sind in
denersten2hnachderGeburtbeson-
ders aufmerksam und wach. Sie suchen –
wenn sie nicht gestört werden und keine
Medikamente erhalten haben – inner-
halb der ersten Stunde selbstständig die
Brustwarze, um zu saugen [157].
Stilldauer
Empfehlungen
4Im 1. Lebenshalbjahr sollen Säug-
linge gestillt werden, mindestens
bis zum Beginn des 5. Monats aus-
schließlich4.AuchnachEinführung
von Beikost – spätestens mit Beginn
des 7. Monats – sollen Säuglinge
weitergestillt werden. Wie lange
insgesamt gestillt wird, bestimmen
Mutter und Kind.
4Auch Kinder mit erhöhtem Allergie-
risiko sollten entsprechend diesen
Empfehlungen gestillt werden.
Grundlage der Empfehlungen. Die
Empfehlungen basieren auf Ergebnis-
sen systematischer Übersichtsarbeiten
zur Dauer des ausschließlichen Stillens
[141, 139, 140], auf einer Stellungnahme
der EFSA zur Einführung der Beikost
[62] sowie auf den Empfehlungen pädia-
trischer Fachgesellschaen [69, 78] und
Fachinstitutionen [96, 164]. Die Emp-
fehlungen zur Stilldauer tragen auch der
individuellen Entwicklung des Kindes
Rechnung.
Hintergrundinformationen. Die Ergeb-
nisse einer Übersichtsarbeit von Kramer
und Kakuma [141], die denen aus vor-
4Die Formulierung „bis zum Beginn des
5. Monats“ zeigt klar und unmissverständlich,
dass der Säugling minde stens 4 volle Monate alt
seinsoll.
Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016 S437
Konsensuspapiere
angegangenen systematischen Übersich-
ten [139, 140] ähnlich sind, stützen die
für Populationen weltweit ausgesproche-
ne Empfehlung der WHO [234], gesun-
de Säuglinge in den ersten 6 Monaten
ausschließlich und danach bis zum Alter
des Kindes von 2 Jahren weiterzustillen.
Diese Empfehlung ist wesentlich durch
den Schutz des Stillens vor Durchfaller-
krankungenundanderenInfektionenbe-
gründet, der in Entwicklungsländern be-
sonders wichtig ist.
Eine aktuelle Cochrane-Übersichtsar-
beit zur Einführung von Beikost und an-
deren Flüssigkeiten bei gesunden, gestill-
ten Säuglingen kommt zu dem Schluss,
dass mit der Einführung von Beikost im
Alter von 4 bis 6 Monaten (Beginn 5.
bis Beginn 7. Monat) weder ein Nutzen
noch ein Risiko für die Gesundheit und
Gewichtsentwicklung der Säuglinge ver-
bunden ist [18]. Dabei gilt es, für den
Zeitpunkt der Einführung von Beikost,
auch die individuellen Signale und die
motorische Entwicklung des Babyszu b e-
achten (s. Abschn. „Beikostfütterung“).
Vor diesem Hintergrund empfehlen
nationale und europäische Fachgesell-
schaen und Institutionen [62, 69, 78,
96, 164], Säuglinge mindestens bis zum
Beginndes5.Monatsausschließlichzu
stillen und mit der Fütterung von Bei-
kost nicht später als zu Beginn des 7. Mo-
nats zu beginnen. Darüber hinaus wird
empfohlen, auch nach der Einführung
von Beikost nach Bedarf weiterzustil-
len und den Zeitpunkt des Abstillens an
die individuellen Bedürfnisse von Mut-
ter und Kind anzupassen. Diese Emp-
fehlungen werden vom Netzwerk unter-
stützt. Die hier gegeb enen Empfehlungen
schließen auch allergiegefährdete Säug-
linge ein [192].
Stillpraxis
Empfehlungen
4Häufigkeit und Dauer des Stillens
sollten vom kindlichen Bedarf
bestimmt werden.
4In besonderen Situationen kann es
notwendig sein, das Kind zu einer
Stillmahlzeit zu wecken.
Grundlage der Empfehlungen. Das Stil-
len nach Bedarf wird von Fachkommis-
sionen und -institutionenempfohlen [69,
96, 162]. Es bildet die Basis für eine posi-
tive Stillbeziehung und damit für erfolg-
reiches Stillen [234, 235].
Der Hinweis auf besondere Situatio-
nen,z. B. starkeSchläfrigkeitin der ersten
Lebenswoche, geringe Gewichtszunah-
me, Trinkschwäche oder Gelbsucht (Hy-
perbilirubinämie, Ikterus), in denen das
Kind geweckt werden sollte, entspricht
den Empfehlungen von Fachkommissio-
nen und -institutionen [69, 235].
Hintergrundinformationen. Randomi-
sierte Studien, die den Nutzen von
bedarfsangepasstem Stillverhalten im
Hinblick auf den Stillerfolg belegen, lie-
gen nicht vor. Ihre Durchführung wäre
aus ethischen Gründen zudem proble-
matisch. Dennoch plädieren auch die
Autoren einer Cochrane-Übersichtsar-
beit dafür, die aktuellen Empfehlungen
zum Stillen nach Bedarf nicht zu verän-
dern [89].
Das Stillen unterliegt individuellen
Bedingungen, sodass jedes Mutter-Kind-
Paar seinen eigenen bedarfsgerechten
Rhythmus finden und verfolgen sollte.
Dabei kann die aufgenommene Milch-
menge pro Mahlzeit über den Tag sehr
unterschiedlich sein [124] und auch in
Abhängigkeit vom Körpergewicht des
Kindes variieren [90].
Beim Stillen nach Bedarf werden so-
wohl die Frequenz als auch die Dauer
der einzelnen Stillmahlzeiten durch das
Baby bestimmt. Zu Beginn ist häufige-
res Anlegen bzw. Stillen notwendig, um
die Milchbildung anzuregen. In den ers-
ten 7 Tagen ist es nicht ungewöhnlich,
dass der Säugling alle 1 bis 3 h gestillt
werden möchte. Mehr als 4 h Abstand
sollten in der ersten Woche nicht zwi-
schen 2 Stillmahlzeiten liegen, bis die
MilchproduktioninGanggekommenist
bzw. sich stabilisiert hat. Der Säugling
sollte nach diesem Zeitabstand ggf. san
geweckt werden, was nach Absprache
mit der Kinder- und Jugendärztin/dem
Kinder- und Jugendarzt oder der Heb-
amme/Entbindungspfleger auch bei ge-
ringer Gewichtszunahme, Trinkschwä-
cheoderGelbsucht(Hyperbilirubinämie,
Ikterus) notwendig sein kann [69]. Spä-
ter ergeben sich meist 8 bis 12 Stillmahl-
zeiten in 24 h. Auch längere Intervalle
zwischen den Mahlzeiten können sich
einstellen [235].
Umgang mit abgepumpter
Muttermilch
Wenn das Kind nicht an der Brust ge-
stillt werden kann, kann es mit abge-
pumpter Milch der eigenen Mutter (aus
der Flasche, aus dem Becher oder vom
Löffel) ernährt werden. Dabei sind hy-
gienische Vorsichtsmaßnahmen sowohl
beim Abpumpen, Aufbewahren und Er-
wärmen der Milch als auch bei der Reini-
gung von Pumpe und Flaschen zu beach-
ten. Das BfR hat zusammen mit der Na-
tionalen Stillkommission entsprechende
Merkblätter für Eltern sowie für Kinder-
tageseinrichtungen und Tagespflege er-
stellt [30, 31].
Säuglings(milch)nahrung
Auswahl von Säug-
lings(milch)nahrungen
Empfehlungen
4Wenn nicht oder nicht ausschließ-
lich gestillt wird, soll das Baby eine
nach den gesetzlichen Regelungen
hergestellte Säuglingsanfangsnah-
rung erhalten.
4Säuglingsanfangsnahrungen (Pre-
oder 1-Nahrungen) sind zur Füt-
terungvonGeburtanundfürdas
gesamte 1. Lebensjahr geeignet.
4Folgenahrung (2-Nahrung) kann
frühestens mit Beginn der Beikost-
fütterung gegeben werden.
Grundlage der Empfehlungen. Die Zu-
sammensetzung von Säuglingsanfangs-
und Folgenahrung ist europaweit gesetz-
lich geregelt [80, 79]. Die gesetzlichen
Vorgabenberuhen auf Empfehlungender
wissenschalichen Institutionen, insbe-
sondere der EFSA [60].
Hintergrundinformationen. Wen n e i n
Säugling nicht oder nicht ausschließlich
gestillt wird, soll als Muttermilchersatz
eine den gesetzlichen Standards ent-
sprechende Säuglingsnahrung gegeben
S438 Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016
werden. Diese Produkte können auf Ba-
sis von Kuhmilcheiweiß, Ziegenmilchei-
weiß oder Sojaeiweißisolaten bzw.d araus
gewonnenen Hydrolysaten (s. Abschn.
„Auswahl von Säuglingsnahrung bei er-
höhtem Allergierisiko“) hergestellt sein.
Nur Säuglingsnahrungen, die intaktes
Kuh- oder Ziegenmilcheiweiß enthalten,
gelten laut EG-Richtlinie 2006/141/EG
als Säuglingsmilchnahrung (Anfangs-
bzw. Folgemilch).
Säuglingsnahrungen auf Sojaprotein-
basis, die in Deutschland frei von Laktose
sind, werden als veganer Muttermilcher-
satz und bei Patienten mit Galaktosämie
verwendet.Siesolltenu. a.aufgrund ihres
hohen Gehalts an Phytoöstrogenen (na-
türlichen Inhaltsstoffen mit hormoneller
[östrogener] Aktivität) nur nach begrün-
deter Indikation und Rücksprache mit
der Kinder- und Jugendärztin/dem Kin-
der- und Jugendarzt verwendet werden
[71, 76].
Es gibt 2 unterschiedliche Typen von
Flaschennahrungen für Säuglinge: Säug-
lingsanfangsnahrung, die als alleinige
Nahrung in den ersten Lebensmonaten
die Muttermilch ersetzen soll, und Fol-
genahrung, die zusammen mit Beikost
den Ernährungsbedürfnissen des älteren
Säuglings entsprechen kann [79, 81]. Sie
haben eine geringfügig unterschiedli-
che Zusammensetzung und müssen auf
dem Etikett die Altersindikation deut-
lich machen [79]. In Deutschland sind
Säuglingsanfangsnahrungen zusätzlich
unterteilt in „Pre-“ und „1“-Nahrungen.
Sie können im gesamten 1. Lebens-
jahr gegeben werden, anfangs allein,
später zusammen mit Beikost [60, 69].
Pre-Nahrung enthält (wie Muttermilch)
als einziges verdauliches Kohlenhydrat
Milchzucker (Laktose); 1-Nahrung kann
auch andere Kohlenhydrate enthalten, in
der Regel geringe Mengen Stärke. Säug-
lingsanfangsnahrungen können mit der
Einführung der Beikost durch Folge-
nahrung ersetzt werden, die in der Regel
mit „2“ gekennzeichnet ist. Ein Wechsel
auf Folgenahrung ist nicht notwen-
dig [60, 69]. Folgenahrungen sind in
ihrer Zusammensetzung der Säuglings-
anfangsnahrung ähnlich, weisen aber
einen höheren Eisengehalt auf, der im
2. Lebenshalbjahr sinnvoll ist [180].
Neben der Nährstoffzusammenset-
zung ist geregelt, welche Reinheitskri-
terien die Zutaten erfüllen und welche
mikrobiologischen Kriterien und Ober-
grenzen für Reste von Pflanzenschutz-
mitteln eingehalten werden müssen, bzw.
welche Pflanzenschutzmittel bei der Er-
zeugung von Lebensmittelzutaten gar
nicht verwendet werden dürfen. Eben-
falls ist geregelt, welche Mineralstoff-
und Vitaminverbindungen und welche
technologischen Zusatzstoffe verwendet
werden dürfen [81, 181].
Muttermilch enthält mehr als 100 un-
terschiedliche komplexe Kohlenhydra-
te (Humanmilch-Oligosaccharide), die
vom Kind nicht verdaut werden. Sie för-
dern das Wachstum von Darmbakterien
wie Bifidobakterien und können darüber
hinaus weitere biologische Wirkungen
entfalten [189]. Einigen Säuglingsnah-
rungen werden einfache Oligosaccharide
zugesetzt, die nicht denen aus Mutter-
milch gleichen und denen „präbiotische“
Wirkungen zugeschrieben werden. Zum
Teil wurde beim Verzehr von damit an-
gereicherten Nahrungen eine weichere
Stuhlbeschaffenheit beobachtet [21, 72,
159]. Auch werden Säuglingsnahrungen
mit Zusatz lebensfähiger Laktobazillen
und/oder Bifidobakterien („Probiotika“)
vertrieben, denen gesundheitsfördernde
Eigenschaen zugeschrieben werden. Zu
gesundheitlichen Wirkungen von „Pro-“
und „Präbiotika“ auf das Kind liegen
widersprüchliche Studienergebnisse vor.
Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen,
die mit „Pro- oder Präbiotika“ ange-
reichert sind, haben nach derzeitigem
Kenntnisstand für gesunde Säuglinge
keinen sicher nachgewiesenen Vorteil
[21, 33, 72, 159].
Unter der Vorgabe, dass Säuglings-
anfangsnahrung als Ersatz für Mutter-
milch verwendet werden soll, ist esnicht
ausreichend, nur die Zusammensetzung
von Frauenmilch – soweit das möglich
ist – zu kopieren. Der Muttermilchersatz
muss auch daran gemessen werden, ob
er Wachstum und Entwicklung ermög-
licht, die mit denen von gestillten Säug-
lingen vergleichbar sind. Dieser Beweis
muss durch geeignete klinische Studien
erbracht werden, die aber meist eine zu
kurze Nachuntersuchungsdauer aufwei-
sen, um die inzwischen bekannten lang-
fristigen Vorteile des Stillens in Bezug auf
chronische Krankheiten des späteren Er-
wachsenenalters zu untersuchen [3, 60,
69,83]. Die Zusammensetzung von Säug-
lingsanfangsnahrung und Folgenahrung
wird– mit einigerVerzögerung,diedurch
die notwendige Auswertung von neuen
Daten durch wissenschaliche Gremien
sowie durch die Umsetzung in Verord-
nungen durch den Gesetzgeber entsteht,
– immer wieder angepasst [60, 82, 83,
136, 181].
Ebenso wie beim Stillen sollte Säug-
lingsnahrung dem jungen Säugling nach
Bedarf angeboten werden, d. h., wenn
er Zeichen von Hunger und Bereitscha
zumEssenerkennenlässt.Gesunde Säug-
linge sind in gewissen Grenzen in der
Lage, ihre Energieaufnahme dem Ener-
giebedarf anzupassen [91, 92, 190]. Eine
Überfütterung istmöglich und sollte ver-
mieden werden, denn eine zu schnelle
Gewichtszunahme ist mit einem erhöh-
ten Risiko für späteres Übergewicht as-
soziiert [22].
Kritisch wird die in Deutschland
übliche Direktwerbung von Folgenah-
rung an Verbraucher beurteilt [129].
Sie unterliegt weniger strikten Regeln
als die Bewerbung von Säuglingsan-
fangsnahrung. Durch Ähnlichkeiten der
Zusammensetzung und der Packungsge-
staltung der beiden Säuglingsnahrungen
bewirkt die Werbung für Folgenahrung
auch eine Bewerbung von Säuglingsan-
fangsnahrung. Das kann sich nachteilig
auf die Entscheidung für das Stillen
und die Stilldauer auswirken. Deshalb
spricht sich die DGKJ dafür aus, die
für Säuglingsanfangsnahrung geltenden
Werbebeschränkungen auch auf Folge-
nahrung anzuwenden [24].
Empfehlungen
4Flaschennahrung für Säuglinge
soll nicht aus Milch oder anderen
Rohstoffen selbst hergestellt werden.
Grundlage der Empfehlung. Vers c h i e-
dene Fachgesellschaen und -institutio-
nen [47, 69, 96] raten von der Selbst-
herstellung von Flaschennahrung für
Säuglinge ab, da dies zu einem unaus-
Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016 S439
Konsensuspapiere
gewogenen Nährstoffgehalt führen kann
und ernste gesundheitliche Risiken birgt.
Hintergrundinformationen. Keine Tier-
milch entspricht in ihrer Zusammen-
setzung der Frauenmilch [200]. Kuh-
milch z. B. enthält etwa 3-mal so viel
Eiweiß und mehr als 3-mal so viele
Mineralstoffe wie Frauenmilch [200].
Der Überschuss dieser Stoffe bzw. ihre
Abbauprodukte müssen mit dem Urin
ausgeschieden werden. Dies bewirkt
eine hohe renale Molenlast, d.h., es geht
mehr Wasser mit dem Urin verloren,
als wenn das Kind Frauenmilch oder
eine Säuglings(milch)nahrung erhalten
würde. Bei Fieber oder Durchfall kann
dies zu einem kritischen Wassermangel
(Dehydratation) des Säuglings führen.
Auch die vom FKE in Dortmund vor
mehr als 20 Jahren für die Selbstherstel-
lung von Säuglingsnahrung entwickelte
Rezeptur [125] kann nicht alle Nährstoff-
bedürfnisse des Säuglings befriedigen.
Bei Selbstherstellung kann die Nahrung
zu niedrige Mengen einzelner lebens-
wichtiger Nährstoffe (z. B. Vitamine)
enthalten oder auch zu hohe Mengen
von Nährstoffen, die bei einem erhöhten
Protein- oder Energiegehalt der Nah-
rung mit dem Risiko einer übermäßigen
Gewichtszunahme einhergehen.
Empfehlungen
4Spezialnahrungen für Säuglinge
sollen nur nach Rücksprache mit
der Kinder- und Jugendärztin/dem
Kinder- und Jugendarzt gefüttert
werden.
Grundlage der Empfehlung. Spezial-
nahrungen, die als „diätetische Lebens-
mittel für besondere medizinische Zwe-
cke“ angeboten werden, sind nur nach
ärztlicher Empfehlung und unter ärztli-
cher Aufsicht zu verwenden [74, 138].
Hintergrundinformationen. Spezial-
nahrungen im Sinne „diätetischer Le-
bensmittel für besondere medizinische
Zwecke“ werden z. B. bei Spuckneigung,
Blähungen oder Koliken angeboten.
„Spucken“ von Nahrung nach der Mahl-
zeit ist bei Säuglingen häufig harmlos
und benötigt in der Regel keine Nah-
rungsumstellung [75]. Aber Spucken,
Blähungen oder Koliken können auch
Symptome schwerwiegender Krankhei-
ten (wie Nahrungsmittelintoleranzen,
Stoffwechselstörungen, Speiseröhrenre-
fluxkrankheit, gastrointestinale Fehlbil-
dungen) sein, die der gezielten ärztlichen
Behandlung bedürfen [2]. Wichtig ist,
dass Hebammen/Entbindungspfleger
und Kinder- und Jugendärztinnen und
-ärzte zu dieser Fragestellung einheitlich
beraten.
Auswahl von Säuglingsnahrung
bei erhöhtem Allergierisiko
Empfehlungen
4Nicht oder nicht ausschließlich
gestillte Säuglinge, deren Eltern
oder Geschwister von einer Allergie
betroffen sind, sollten im 1. Le-
benshalbjahr eine hydrolysierte
Säuglingsnahrung (HA-Nahrung)
erhalten (mindestens bis zum Be-
ginn des 5. Monats).
4Säuglingsnahrungen auf der Basis
von Sojaeiweiß oder Ziegenmilch
sind nicht zur Allergievorbeugung
geeignet; ebenso wenig Stuten- oder
andere Tiermilchen.
Grundlage der Empfehlungen. Die
Empfehlungen basieren auf der Leitlinie
„Allergieprävention – Update 2014“ der
Deutschen Gesellscha für Allergologie
und klinische Immunologie (DGAKI)
und der Deutschen Gesellscha für Kin-
der- und Jugendmedizin (DGKJ) [192],
Empfehlungen und Stellungnahmen der
DGKJ [69] sowie auf Aussagen von
Fachgremien und -institutionen [63,
96].
Hintergrundinformationen. Die Leit-
linie Allergieprävention und die oben
genannten Fachgesellschaen und -in-
stitutionen empfehlen für nicht oder
nicht ausschließlich gestillte Säuglinge,
bei deren Eltern oder Geschwistern Al-
lergien vorliegen, bis zur Einführung der
Beikost die Verwendung einer geprüen
HA-Nahrung [69, 192]. Die Evidenz gilt
für die im Rahmen der multizentrischen
German Infant Nutritional Intervention
(GINI) Study getesteten Säuglingsnah-
rungen. Die Studie zeigte, dass Kin-
der mit familiärer Allergiebelastung
bei Fütterung bestimmter in der Stu-
die untersuchter Säuglingsnahrungen
mit hydrolysiertem Eiweiß (sog. HA-
Nahrung) im Vergleich zu einer her-
kömmlichen Säuglingsnahrung seltener
ein Ekzem entwickelten [222, 221, 223].
Zu beachten ist, dass die in der GINI-
Studie getesteten HA-Nahrungen in die-
ser Form auf dem deutschen Markt nicht
mehr erhältlich sind [222].
In einer kürzlich veröffentlichten sys-
tematischen Übersichtsarbeit wurde kein
Vorteil der Verwendung von HA-Nah-
rungen im Vergleich zu herkömmlicher
Säuglingsanfangsnahrung berichtet [20].
Diese Arbeit lässt aber wegen methodi-
scher Schwächen, u. a. bei der Auswahl
der Studien und der Zusammenfassung
von Ergebnissen verschiedener Protein-
hydrolysate, keine belastbaren Schluss-
folgerungenzu [137, 223]. Unter Berück-
sichtigung der vorliegenden Daten aus
der GINI-Studie empfiehlt der wissen-
schaliche Beirat weiterhin die Verwen-
dung einer geprüen Säuglingsnahrung
mit hydrolysiertem Eiweiß bei nichtge-
stillten Säuglingen mit familiärer Aller-
giebelastung.
Säuglingsnahrungen auf der Basis von
SojaeiweißsindnichtzurAllergievorbeu-
gung geeignet [172].
Vorteile von Säuglings(milch)nah-
rungen mit Zusatz von „Probiotika“
und/oder „Präbiotika“ zum Zweck der
Allergievorbeugung sind nicht ausrei-
chend belegt [69, 173, 192].
Um das Risiko für die Manifestation
einer Allergie zu senken, sollten Eltern
auch weitere vorbeugende Maßnahmen
treffen (s. Abschn. „Weitere Empfehlun-
gen zur Allergieprävention“).
S440 Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016
Zubereitung der Säug-
lings(milch)nahrung
Empfehlungen
4Säuglings(milch)nahrung soll im-
mer frisch vor der Mahlzeit zuberei-
tet werden.
4Zubereitete, aber nichtgetrunkene
Säuglings(milch)nahrung soll ver-
worfen und nicht für die nächste
Mahlzeit aufbewahrt und aufge-
wärmt werden.
4Zur Zubereitung von Säug-
lings(milch)nahrung aus Pulver soll
frisches Trinkwasser (Leitungswas-
ser) verwendet werden; dazu das
Wasser vorher ablaufen lassen, bis
kaltes Wasser aus der Leitung fließt.
4Um Verbrühungen zu vermeiden,
soll das Wasser beim Anschüt-
teln der Säuglings(milch)nahrung
lauwarm (maximal 40 °C) sein.
4Trinkwasser aus Bleileitungen soll
nicht verwendet werden. Trinkwas-
ser aus Hausbrunnen sollte nur nach
Bestätigung einer einwandfreien
Wasserqualität verwendet werden.
Bei ungeklärter Wasserqualität soll
abgepacktes, stilles Wasser verwen-
det werden, das mit der Aufschri
„geeignet für die Zubereitung von
Säuglingsnahrung“ gekennzeichnet
ist.
Grundlage der Empfehlungen. Die
Handlungsempfehlungen für die Zu-
bereitung der Säuglings(milch)nahrung
basieren auf Stellungnahmen internatio-
naler Expertengruppen [87, 93] sowie
auf Stellungnahmen nationaler Fachge-
sellschaen [69] und -institutionen [28,
96].
Hintergrundinformationen. Säuglings-
nahrungen in Pulverform unterliegen
strengen mikrobiellen Herstellungsvor-
schrien, sind aber nicht steril und kön-
nen eine geringe Zahl von pathogenen
Bakterien enthalten, die sich im aufge-
lösten Pulver vermehren können [28, 87,
93, 212]. Das hygienische Hauptrisiko
liegt in der Vermehrung gesundheitsge-
fährdender Bakterien wie Cronobacter-
Spezies, Escherichia coli und Salmonel-
len, durch deren Vorkommen in der
zubereiteten Nahrung Infektionen aus-
gelöst werden können. Die Vermehrung
von Bakterien wird entscheidend von
der Nahrungstemperatur und der Zeit
zwischen Zubereitung und Fütterung
der Nahrung beeinflusst. Deshalb soll
Säuglings(milch)nahrung immer frisch
zubereitet, schnell verzehrt und Nah-
rungsreste sollen verworfen werden.
Wichtig ist aber auch das gründliche
Reinigen aller Gerätschaen [28, 87,
93].
Bei der Zubereitung der Säuglings-
(milch)nahrung sollen Eltern und Be-
treuungspersonen immer grundlegende
Hygieneregeln beachten. Dazu gehört,
sich vor der Zubereitung die Hände
gründlich mit Seife unter fließend war-
mem Wasser zu waschen und rohe
Lebensmittel nicht gleichzeitig in der
Nähe zuzubereiten. Damit wird das Ri-
siko mikrobieller Verunreinigungen von
außen vermindert.
Trinkwasser in Deutschland ist i. Allg.
zur Zubereitung von Säuglingsnahrung
geeignet. Ausnahmen stellt z. B. Trink-
wasserausBleileitungen,ausNeuinstalla-
tionen von ungeschützten, blanken Kup-
ferrohren oder Trinkwasser mit Uran-
werten über 10 μg/l dar [27, 67, 69, 213].
Trinkwasser aus Hausbrunnen sollte nur
nach Bestätigung einer einwandfreien
Wasserqualität durch Untersuchung in
einem akkreditierten Labor verwendet
werden. Von Wasserfiltern wird abgera-
ten, da sie das Verkeimungsrisiko und die
Kontaminantenkonzentration erhöhen
können [67, 69].
Das Trinkwasser sollte nichtwarm aus
einer Leitung, sondern immer frisch aus
der Kaltwasserleitung entnommen und
dann erwärmt werden. Vor allem Boi-
ler sind hygienisch problematisch [67].
Grundsätzlich ist eine bakterielle Verun-
reinigung des Wassers, z. B. durch Ver-
schmutzung am Wasserhahn, denkbar.
Wer dem begegnen möchte, kocht in
den ersten Lebenswochen oder -mona-
ten des Säuglings Leitungswasser für die
Zubereitung von pulverförmiger Säug-
lingsnahrung ab und lässt es danach auf
30–40 °C abkühlen. Das Abkühlen ist
wichtig, um Verbrühungenvorzubeugen.
Eltern und Betreuungspersonen sollen
konsequent darauf achten, nuraußerhalb
der Reichweite von Kindern mit heißem
Wasser,heißen Speisen oder auch heißen
Küchengeräten zu hantieren, um Ver-
brennungen und Verbrühungen zu ver-
meiden [28].
Reinigung von Flaschen und
Saugern
Empfehlungen
4Flaschen und Sauger sollten direkt
nach jeder Mahlzeit gründlich
gespült, sorgfältig gereinigt und
anschließend trocken aufbewahrt
werden.
Grundlage der Empfehlung. Die Emp-
fehlung basiert auf Empfehlungen des
BfR und der DGKJ [28, 69].
Hintergrundinformationen. Promptes
Reinigen nach Gebrauch mit heißem
Wasser und Spülmittel verhindert, dass
sich Nahrungsreste in schwer zugängli-
chen Ecken festsetzen und zum Nähr-
boden für Mikroorganismen werden.
Die vollständige Entfernung kann dann
schwierig werden. Ein Auskochen bzw.
Sterilisieren von Flaschen und von Si-
likonsaugern bringt im häuslichen Be-
reich keinen weiteren Vorteil [69]. Die
Oberfläche von Gummisaugern ist im
Gegensatz zu der von Silikonsaugern po-
röser; deshalb sollten sie hin und wieder
ausgekocht oder häufiger ausgetauscht
werden [44].
Beikost
Beikosteinführung
Empfehlungen
4Beikost sollte frühestens mit Beginn
des 5., spätestens mit Beginn des
7. Monats eingeführt werden.
4Auch nach der Einführung der
Beikost soll weitergestillt werden.
Grundlage der Empfehlungen. Die
Empfehlung zum Zeitpunkt der Bei-
kosteinführung steht im Einklang mit
den Empfehlungen internationaler und
Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016 S441
Konsensuspapiere
nationaler Fachgesellschaen [69, 70,
78] und -institutionen [62, 96, 164]. Sie
gilt für reif geborene Säuglinge, die ge-
stillt oder mit Säuglingsanfangsnahrung
gefüttert werden.
Das empfohlene Zeitfenster für die
Beikosteinführung – zwischen Beginn
des 5. Lebensmonats und Beginn des
7. Lebensmonats (nicht vor dem Alter
von 17 Wochen und nicht später als
mit 26 Wochen) – berücksichtigt den
Nährstoffbedarf des Säuglings, indivi-
duelle Unterschiede in der motorischen
Entwicklung, Aspekte der sensorischen
Akzeptanz und der Allergieprävention
(s.auchAbschn.„Stilldauer“).DasWei-
terstillen nach der Beikosteinführung
wird von Fachgesellschaen und -insti-
tutionen ausdrücklich empfohlen [69,
77, 78, 96].
Hintergrundinformationen. Im 2. Le-
benshalbjahr kann ausschließliches Stil-
len den steigenden Bedarf an Eisen, Vita-
min B6,Zink,Phosphor,Magnesiumund
Kalzium nicht mehr sicher decken [52,
69, 111]. Säuglinge benötigen dann zu-
sätzlich zur Muttermilch Beikost (s. auch
Abschn. „Stilldauer“).
Auch bei Kindern mit erhöhtem All-
ergierisiko soll Beikost je nach individu-
eller Bereitscha frühestens mit Beginn
des 5. Monats und spätestens mit Be-
ginn des 7. Monats eingeführt werden
(s. Abschn. „Abfolge und Auswahl der
Beikost“).
Das genannte Zeitfenster zur Beikost-
einführung trägt der großen Variabili-
tät in der motorischen Entwicklung und
damit der Entwicklung der Essfertigkeit
Rechnung. Der nachlassende Zungen-
stoßreflex (die Zunge des Babys schiebt
die feste Nahrung nicht sofort wieder aus
dem Mund heraus) ist ein Hinweis auf
die Bereitscha und Fähigkeit des Kin-
des, feste Nahrung aufnehmen zu kön-
nen. Darüber hinaus sollte der Säugling
den Kopf halten und unter Hilfestellung
aufrecht sitzen können, und er sollte In-
teresse für neue Lebensmittel zeigen. Die
meisten Kinder können mit 5 bis 6 Mo-
naten Brei mit der Zunge transportieren
[111] und sich im Alter von etwa 9 bis
12 Monaten selbst füttern und einen Be-
cher beim Trinken mit beiden Händen
halten [78]. Bei manchen Kindern ent-
wickeln sich diese Fähigkeiten und Fer-
tigkeiten auch früher, bei manchen erst
später.
Abfolge und Auswahl der Beikost
Empfehlungen
4Als Erstes sollte ein Brei mit Gemüse,
Kartoffeln und Fleisch oder Fisch
gegeben werden. Jeweils etwa einen
Monat später werden zusätzlich
ein Milch-Getreide-Brei und ein
Getreide-Obst-Brei empfohlen.
4Es sollte eine Variation der ver-
wendeten Beikostzutaten erfolgen
(z. B. verschiedene Gemüse- und
Obstarten, ein- bis 2-mal/Woche
[auch fettreicher] Fisch anstelle von
Fleisch).
4Diese Empfehlungen gelten auch für
Kinder mit erhöhtem Allergierisiko.
Das Vermeiden oder eine spätere
Einführung von Lebensmitteln, die
besonders häufig Allergien auslösen,
bietet keinen Schutz vor Allergien.
4Beikost für den Säugling kann selbst
gekocht oder fertig gekau werden.
4Bei der Auswahl der Fertigprodukte
sind folgende Kriterien hilfreich:
jProdukte mit Lebensmittelzuta-
ten, die den Empfehlungen für die
Selbstzubereitung entsprechen,
sollten bevorzugt werden.
jEin Zusatz von Salz und ein
starker Süßgeschmack sollten
vermieden werden.
Grundlagen der Empfehlungen. Die
vom FKE entwickelten, von der DGKJ
[69, 96] unterstützten und gemeinsam
weiterentwickelten lebensmittelbasier-
ten Ernährungsempfehlungen für Säug-
linge in Deutschland (sog. Ernährungs-
plan für das 1. Lebensjahr) stehen im Ein-
klang mit Empfehlungen europäischer
Fachgesellschaen und -institutionen
[62, 78].
Hintergrundinformationen. Im „Er-
nährungsplan für das 1. Lebensjahr“
ist die Beikostabfolge so gewählt, dass
zusammen mit Muttermilch bzw. Säug-
lings(milch)nahrung die Referenzwerte
für die Energie- und Nährstoffzufuhr mit
Ausnahme von Jod und Eisen weitge-
hend erreicht werden, wobei besonders
die Zufuhr an Jod und bioverfügbarem
Eisen beachtet werden sollte [4, 110].
Da die Eisenvorräte des Kindes nach
4- bis 6-monatiger Muttermilchernäh-
rung weitgehend erschöp sind und der
Eisenbedarf im 2. Lebenshalbjahr stark
steigt, wird als Erstes ein Gemüse-Kar-
toffel-Fleisch-Brei empfohlen. Er enthält
einen hohen Anteil an Hämeisen mit
guter Bioverfügbarkeit [4, 69].
Fisch, auch fettreicher Fisch, sollte
Bestandteil der Beikost sein und ein-
bis 2-mal in der Woche anstelle von
Fleisch mit einem Gemüse-Kartoffel-
Brei gegeben werden [69, 192]. Fett-
reiche Fische, wie Lachs oder Makrele,
liefern die langkettigen ω3-Fettsäuren
Eicosapentaensäure (EPA) und Do-
cosahexaensäure (DHA). Fischverzehr
fördert auch die Versorgung mit essenzi-
ellen Mineralstoffen wie Eisen, Zink und
Jod (Meeresfisch). Aufgrund einer hö-
heren Schadstoffbelastung sollten aber
große Raubfische, wie unfisch oder
Schwertfisch, gemieden werden [86].
Abwechslung der Breizutaten, v. a.
bei Gemüse und Obst, und damit eine
frühe Erfahrung mit einer Vielfalt von
Geschmacksrichtungen waren in Studi-
en mit besserer Akzeptanz von anderen
neuen Lebensmitteln assoziiert [19, 150,
151].
Es gibt keine Belege für einen all-
ergiepräventiven Effekt einer restrikti-
ven Lebensmittelauswahl, weshalb po-
tente Nahrungsmittelallergene nicht ge-
mieden werden sollten [70, 192]. Der
Verzehr von Meeresfisch mit der Beikost
war in großen Kohortenstudien mit ei-
ner Risikominderung späterer Allergien
assoziiert [6, 144].
KartoffelnkönnendurchNudeln,Reis
oder andere Getreidearten ersetzt wer-
den. Der jetzige Kenntnisstand spricht
dafür, dass der Zeitpunkt der Glutenein-
führung das Risiko für eine Zöliakie nicht
beeinflusst, ebenso wenig wie das Stillen
zum Zeitpunkt der Einführung [70, 204,
225]. Eine spätere Einführung von glu-
tenhaltigen Getreiden ist mit einer späte-
ren Manifestation der Erkrankung, aber
nicht mit einer verminderten Erkran-
kungshäufigkeit assoziiert [70]. In Beob-
achtungsstudien war eine frühe Einfüh-
S442 Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016
rung hoher Glutenmengen mit einer Ri-
sikoerhöhung für die Manifestation einer
Zöliakie assoziiert [120, 179, 204], aber
es fehlen dazu Daten aus kontrollierten
Studien. Dennoch erscheint es angemes-
sen, Gluten zunächst in kleinen Mengen
(z. B. eine Nudel, ein Löffel Getreidebrei)
einzuführen und dann die zugeführte
Mengeschrittweisezusteigern[70].
Entscheiden sich Eltern, ihr Kind
vegetarisch zu ernähren, sollte der Ge-
müse-Kartoffel-Fleisch-Brei durch einen
Gemüse-Kartoffel-Getreide-Brei ersetzt
werden. Von ausschließlich veganer
Säuglingsernährung (stillende Mutter
ernährt sich vegan [s. Abschn. „Er-
nährung der stillenden Mutter“] und
ohne tierische Lebensmittel wie Milch,
Ei, Fleisch und Fisch in der Beikost)
wird abgeraten, da das Risiko für einen
Nährstoffmangel groß und damit die
Gesundheit des Kindes gefährdet ist
[48, 69, 78, 188]. Wenn Eltern dennoch
einen Säugling vegan ernähren möchten,
sollte das Kind dauerha angereicherte
Lebensmittel bzw. ein Nährstoffsupple-
ment mit Vitamin B12 und ggf. weitere
kritische Nährstoffe (z. B. Jod, Eisen)
erhalten. Zusätzlich sollten eine gezielte
ärztliche Betreuung und eine Beratung
durch eine qualifizierte Ernährungsfach-
kra erfolgen [188]. Erhält ein vegan er-
nährter Säugling eine Säuglingsnahrung
auf Sojaeiweißbasis (die mit essenziel-
len Nährstoffen angereichert ist), ist es
vorteilha, wenn diese auch für den
Getreidebrei verwendet wird.
FürKindermiterhöhtemAllergieri-
siko gelten die gleichen Empfehlungen
zu den Zeitpunkten und der Auswahl
der angebotenen Beikost wie für Kinder
ohne erhöhtes Allergierisiko. Das Ver-
meiden oder eine spätere Einführung
von Lebensmitteln wird nicht angeraten,
da es keine belastbaren Anhaltspunkte
für einen hierdurch erzielbaren Schutz
vor Allergien gibt [70, 192]. In Beobach-
tungsstudien zeigten sich Assoziationen
zwischen Zeitpunkt der Beikosteinfüh-
rung und häufigeren Allergien [211]. Be-
obachtungsstudien können jedoch eine
ursächliche Beziehung nicht beweisen,
denn sie bergen das Risiko einer „in-
versen Kausalität“. Beschwerden durch
frühe Allergiemanifestation können das
mütterliche Verhalten beeinflussen und
zu längerem ausschließlichen Stillen bzw.
einer späteren Beikosteinführung führen
[109, 194, 238]. Dagegen wirkten sich
Stilldauer und Zeitpunkt der Beikostein-
führung in der randomisierten Promo-
tion of Breastfeeding Intervention Trial
(PROBIT) nicht auf allergische Sensibili-
sierung, Ekzem und Asthma im Schulal-
teraus[142].IneinerrandomisiertenStu-
die hatte der Einführungszeitpunkt von
6 allergenen Lebensmitteln (zwischen 3
und 6 Monaten oder ab ca. 6 Monaten)
keine signifikante Auswirkung auf die
Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien
bei allen Kindern [178]. Berichtete Ef-
fekte bei einer Teilgruppe, die bei früher
Einführung das Studienprotokoll erhiel-
ten, sind aufgrund einer offenbar einge-
tretenen Selektion mit hoher Ausschei-
dungsquotevonKindernmitfrühenUn-
verträglichkeitszeichen nicht zweifelsfrei
interpretierbar [70]. Insgesamt erschei-
nen Vorteile einer Be ikosteinführungvor
dem Beginn des 7. Lebensmonats für die
Allergieprävention möglich, sie sind aber
nicht nachgewiesen.
Sowohl mit selbst zubereiteten als
auch mit fertig zu kaufenden Brei-
en kann man Säuglinge gut ernähren.
Wenn die Beikost selbst zubereitet und
das Kind gestillt wird, kann jedoch die
Jodzufuhr problematisch sein. Stillen-
de Mütter sollten Jod supplementieren
(s. Abschn. „Medikamente und Nähr-
stoffsupplemente in der Stillzeit“), um
den Jodgehalt ihrer Milch zu erhöhen
[4, 5]. Darüber hinaus sollten Säuglin-
ge, die ausschließlich selbst zubereitete
Breie erhalten, etwa 50 μg Jod/Tag als
Supplement erhalten [185]. Im Handel
angebotene Getreidebreie für Säuglinge
können den gesetzlichen Bestimmun-
gen entsprechend mit Jod angereichert
sein, was auf der Packung angegeben
ist.
Die Variabilität der Zutaten und der
Geschmackserfahrungen ist in kommer-
ziellen Menüs, aber auch bei selbst ge-
kochten Breien meist gering [111]. Da-
her sollten Eltern und Hersteller ermu-
tigt werden, die Lebensmittel- und Ge-
schmacksvielfalt der Beikost zu erhöhen.
Ein Vorteil der Selbstzubereitung ist, dass
Eltern über die Auswahl und die Zahl der
Zutatenselbst entscheiden und sofür eine
größere geschmackliche Vielfalt sorgen
können. Dabei sollte auf die Zugabe von
Salz und Zucker verzichtet werden, um
eine entsprechende Geschmacksprägung
zu vermeiden. Frühe Geschmackserfah-
rungen können die Ausprägung von spä-
teren Vorlieben, zu denen auch süß oder
salzig gehören, beeinflussen und fördern
[154]. Die Mahlzeiten sollten am bes-
ten frisch zubereitet werden; das Einfrie-
ren des Gemüse-Kartoffel-Fleisch/Fisch-
Breis ist möglich.
Beikostfertigprodukte erfüllen hohe
gesetzliche Anforderungen, z. B. die Mi-
nimierung von Pestizidrückständen. Sie
sparen Zeit und Arbeit. Bei der Auswahl
sollten Produkte mit nur wenigen Le-
bensmittelzutaten (ähnlich wie in den
empfohlenen Rezepten für die Selbst-
zubereitung) bevorzugt werden; ebenso
Produkte ohne Zugabevon Zucker, ande-
renSüßungsmittelnoder Salz.VonTrink-
breienund Trinkmahlzeitenwirdabgera-
ten, u. a., weil sie eine hohe Energiedichte
aufweisen können und die Flaschenfüt-
terung von Nahrungen mit einer hohen
Energiedichte das Risiko der Überfütte-
rung erhöht [50]. Breie sollten vom Löffel
gegessen werden.
Beim „baby-led weaning“ handelt es
sichum eine Ernährungsform,bei der der
Säugling den Übergang von der Mutter-
milch zur Familienernährung selbst steu-
ert, indem er eigenständig mundgerech-
te Lebensmittelstückchen auswählt. Auf
dieGabevonBreiwirdi.Allg.verzichtet.
Eineeinheitliche Definitionfür„baby-led
weaning“ gibt es nicht. Auch fehlen bis-
lang ein durchkalkuliertes Konzept und
der Nachweis der Sicherheit[69, 111]. Da
diealsFingerfoodinfragekommenden
Lebensmittel meist eine geringe Ener-
giedichte haben, wird vermutet, dass die
Energie- und Nährstoffaufnahme über
die verzehrten Mengen an fester Kost
eher gering ist. Muttermilch (oder Säug-
lings[milch]nahrung) bleibt so bis weit
ins 2. Lebenshalbjahr hinein die haupt-
sächliche Nährstoffquelle. Eine ausrei-
chende Nährstoffversorgung ist nichtim-
mer gegeben. Es gibt bisher keine Studi-
en, die belegen, dass „baby-led weaning“
im Vergleich zur Breifütterung ein lang-
fristig gesünderes Ernährungsverhalten
fördern kann [111]. Daher wird vom
Netzwerk Gesund ins Leben weiterhin
eine Säuglingsernährung mit schrittwei-
Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016 S443
Konsensuspapiere
ser, altersgerechter Einführung von Brei-
en empfohlen, wobei Säuglinge natür-
lich auch geeignete Lebensmittel mit der
Hand zu sich nehmen können. Beachtet
werden muss, dass harte Gemüsestücke
(z. B. Wurzelgemüse)und Nüsse aspiriert
werden können, was zum Ersticken füh-
ren kann. Sie sollten deshalb unbedingt
gemieden werden.
Milch und Milchprodukte in der
Beikostzeit
Empfehlungen
4Kleine Mengen Trinkmilch (bis zu
etwa 200 ml/Tag) können zur Zube-
reitung eines Milch-Getreide-Breis
verwendet werden. Wenn gegen
Ende des 1. Lebensjahres die Brei-
mahlzeit durch eine Brotmahlzeit
ersetzt wird, kann dieselbe Menge
Trinkmilch zum Trinken aus Becher
oder Tasse gegeben werden.
4Wenn Trinkmilch verwendet wird,
soll pasteurisierte oder ultrahoch-
erhitzte Milch verwendet werden.
Roh- oder Vorzugsmilch birgt er-
hebliche gesundheitliche Risiken für
Säuglinge.
Grundlagen der Empfehlungen. Beob-
achtungsstudien und kontrollierte Stu-
dien deuten darauf hin, dass eine hohe
Eiweißzufuhr im Säuglings- und auch im
Kleinkindalter, v. a. ausMilch, mit einem
höheren Risiko für späteres Übergewicht
verbunden sein könnte [103, 132, 177,
228]. Die im Rahmen des Ernährungs-
plans für das 1. Lebensjahr [96] zur Zu-
bereitung des Milch-Getreide-Breis vor-
gesehenen 200 ml Kuhmilch werden vom
wissenschalichen Beirat des Netzwerks
Gesund ins Leben als tolerierbare Tages-
verzehrsmenge angesehen. Kuhmilch als
Getränk soll erst gegen Ende des 1. Le-
bensjahres in kleinen Mengen gegeben
werden, um nachteilige Wirkungen, u. a.
auf die Eisenversorgung, zu vermeiden
[69].
Hintergrundinformationen. Auch wäh-
rend der Beikostzeit sollen Säuglinge
Muttermilch bzw. Säuglings(milch)nah-
rung als Milchmahlzeiten erhalten.
Trinkmilch (Kuhmilch) kann jedoch
zur Zubereitung des Milch-Getreide-
Breis verwendet werden. Sie kann auch
durch die entsprechende Menge Joghurt
ersetzt werden. Quark enthält weniger
Kalzium, aber deutlich mehr Eiweiß
als Kuhmilch und soll daher nicht als
Milchersatz dienen. Die Zubereitung
des Milch-Getreide-Breis ist auch mit
Muttermilch oder Säuglingsanfangsnah-
rung möglich. Roh- oder Vorzugsmilch
kann mit krank machenden Bakterien,
wie Salmonellen, Campylobacter oder
Escherichia coli kontaminiert sein, die
bei Säuglingen und auch Kleinkindern
schwere Erkrankungen auslösen kön-
nen. Deshalb sollte für die Ernährung
vonSäuglingenundKleinkindernaus-
schließlich wärmebehandelte (pasteu-
risierte oder ultrahocherhitzte) Milch
verwendet werden [34].
Getränke (ergänzende
Flüssigkeitszufuhr)
Empfehlungen
4Mit der Einführung des 3. Bei-
kostbreis sollte dem Säugling
zusätzlich zu Muttermilch oder
Säuglings(milch)nahrung Wasser
zur Flüssigkeitszufuhr angeboten
werden.
4Trinkwasser (Leitungswasser) ist
dafür am besten geeignet. Es muss
nicht abgekocht werden, aber so
lange ablaufen, bis kaltes Wasser aus
der Leitung fließt.
4Es soll kein Trinkwasser aus Bleilei-
tungen verwendet werden. Trink-
wasser aus Hausbrunnen sollte nur
bei vorliegender Bestätigung ei-
ner einwandfreien Wasserqualität
verwendet werden.
4Süße Getränke sollten vermieden
werden.
4Wasser bzw. andere Getränke sollten
aus Becher oder Tasse angeboten
werden.
4Dauernuckeln und die „Flasche
zum Einschlafen“ sollen unbedingt
vermieden werden, da ein hohes
Risiko für Zahnschäden besteht.
Grundlagen der Empfehlungen. Die
Empfehlungen der DGKJ, des FKE und
der Deutschen Akademie für Kinder-
und Jugendmedizin [46, 69, 96] sind
die Grundlage für die hier gegebenen
Empfehlungen.
Hintergrundinformationen. Solange
ein Säugling noch ausschließlich ge-
stillt oder mit Säuglingsanfangsnah-
rung ernährt wird, braucht er keine
zusätzlichen Getränke. Muttermilch
und Säuglings(milch)nahrung enthal-
ten genügend freies Wasser, sodass ein
gesunder Säugling auch bei sommer-
lichen Umgebungstemperaturen alle
harnpflichtigen Stoffe ausscheiden kann.
Mit steigendem Anteil an Beikost sinkt
die Gesamtwasserzufuhr, bezogen auf
die Energieaufnahme. Gleichzeitig steigt
die renale Molenlast. Zudem erhöht sich
mit zunehmendem Alter des Säuglings
dieWasserabgabeüberHautundLungen
sowie durch den Stuhl [69].
In der Beikostzeit kann zusätzlich zur
Muttermilch oder Säuglings(milch)nah-
rung Flüssigkeitwie Wasser zum Trinken
angeboten werden. Spätestens nach Ein-
führung des 3. Breis sollten zusätzlich
Getränke angeboten werden. Perioden
mit Fieber, Durchfall usw. können eine
frühereGabevonFlüssigkeiterforderlich
machen [69, 96]. Das beste Getränk für
Säuglinge ist Wasser. Für Säuglinge geeig-
nete ungesüßte Kräuter- und andere Tees
können eine Alternative sein. Da einige
(Kräuter-)Tees, wie Pfefferminz-, Kamil-
len- oder Melissentee, hohe Gehalte an
Pyrrolizidinalkaloiden aufweisen, sollten
sieSäuglingenundälterenKindernnicht
alseinzigesGetränkangebotenwerden
[29].
Ein ständiges Umspülen der Zäh-
ne mit zuckerhaltigen Getränken, ein-
schließlich Muttermilch und Säug-
lings(milch)nahrung, erhöht das Risiko
für Zahnkaries (insbesondere Front-
zahnkaries, [42]). Vom Dauergebrauch
der Flasche und der Flasche zum Ein-
schlafen sowie von zuckerhaltigen Ge-
tränken (gesüßte Tees, Fruchtsäe) wird
daher dringend abgeraten [42, 96]. Der
regelmäßige Verzehr von zuckerhaltigen
GetränkenimSäuglingsalterwarinBe-
obachtungsstudien mit einem erhöhten
S444 Monatsschrift Kinderheilkunde Suppl 5 · 2016
Risiko für Übergewicht und Adipositas
im Schulalter assoziiert [174, 229].
Nährstoffsupplemente im
1. Lebensjahr
Empfehlungen
4Jeder Säugling soll zusätzlich
zur Muttermilch oder Säug-
lings(milch)nahrung Vitamin K,
Vitamin D und Fluorid erhalten.
4Es sollen 3-mal 2 mg Vitamin K als
Tropfen bei den Vorsorgeuntersu-
chungen U1, U2 und U3 gegeben
werden. Alternativ kann das Vi-
tamin in besonderen Situationen
einmalig durch eine Vitamin-K-In-
jektion ärztlich verabreicht werden.
4Es sollen täglich 400–500 IE
(10–12,5 μg) Vitamin D als Ta-
blette oder Tropfen bis zum erlebten
2. Frühsommer, d. h. je nach Ge-
burtszeitpunkt für etwa 12 bis
18 Monate, gegeben werden, bis
eine stärkere Vitamin-D-Eigensyn-
these bei Sonnenlichtexposition er-
folgt.
4Kombiniert mit der Vitamin-D-
Gabe sollen täglich 0,25 mg Fluorid
zur Kariesprophylaxe gegeben wer-
den. Bei einer in Deutschland selten
vorliegenden erhöhten Fluoridkon-
zentration im Trinkwasser über
0,3 mg/l soll eine Dosisanpassung
erfolgen. Wenn das Trinkwasser
mehr als 0,7 mg Fluorid/l enthält,
sollen keine Fluoridsupplemente
gegeben werden. Die Fluoridgabe
soll so lange fortgesetzt werden, bis
im Kleinkindalter die altersgerechte
Anwendung einer fluoridhaltigen
Zahnpasta erfolgen kann.
Grundlagen der Empfehlungen. Um ei-
nem Mangel an Vitamin K und Vita-
min D vorzubeugen, empfehlen nationa-
le Fachgesellschaen und -institutionen
die Supplementierung dieser Vitamine
im 1. Lebensjahr [99]. Von pädiatrischen
und Ernährungsfachgesellschaen wird
zudem eine systemische Fluoridgabe zur
Kariesprophylaxe empfohlen [49, 68, 69,
73, 99].
Hintergrundinformationen. Da Neuge-
borene keine ausreichenden Vitamin-
K-Speicher besitzen und der Vitamin-
K-Gehalt der Muttermilch niedrig ist
[49], sind sie auf eine schnelle Vitamin-
K-Zufuhr nach der Geburt angewiesen.
Von der D G K J w i rd di e 3 - m a l ige orale
Gabe von 2 mg Vitamin K empfohlen
[68]. Diese Form der Prophylaxe konnte
das Risiko von Vitamin-K-Mangel-Blu-
tungen bei Säuglingen in Deutschland
deutlich reduzieren, wie Erhebungen in
den Jahren 1997 bis 2002 zeigten. Bei
reifgeborenenSäuglingeninschlech-
tem Allgemeinzustand, Verdacht auf
Resorptionsstörungen oder bei Zweifeln
an der Durchführbarkeit der 3-maligen
oralen Vitamin-K-Gabe sowie bei Früh-
geborenen mit einem Geburtsgewicht
unter 1500 g kann Vitamin K einmalig
durch eine Injektion ärztlich verabreicht
werden [68].
Der Großteil des Vitamin-D-Bedarfs
wird normalerweise über die endogene
Vitamin-D-Synthese in der Haut unter
dem Einfluss von Sonnenlicht abgedeckt.
Säuglinge sollten jedoch aufgrund ihrer
empfindlichen Haut nicht der direkten
Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden
[145]. Die Vitamin-D-Gehalte in Mut-
termilch und Säuglings(milch)nahrung
sind meist gering [49].
Fluoride wirken sowohl in Form
von fluoridhaltiger Zahnpasta als auch
in Supplementform [51] kariesprotek-
tiv. Die Höhe der Supplementierung
richtet sich nach dem Fluoridgehalt
im Trinkwasser, der in Deutschland
meist unter 0,3 mg/l beträgt [49]. Der
Grenzwert für die maximale Zufuhr
aus allen Quellen (Wasser, Zahnpasta,
Nahrung) beträgt 0,1 mg/kgKG [49].
Die topische Fluoridanwendung mit
fluoridierter Kinderzahnpasta ab dem
Durchbruch des 1. Milchzahns, wie sie
die Deutsche Gesellscha für Zahn-,
Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK,
[51]) empfiehlt, wird von Kinder- und
Jugendärzten in Deutschland nicht un-
terstützt, da Kinder in diesem Alter die
Präparate noch nicht zuverlässig ausspu-
cken können. Diese Fähigkeit ist im Alter
von 4 Jahren erreicht [130]. Kinderzahn-
pasten haben einen Fluoridgehalt von
500 ppm (0,5 mg/kg) oder weniger. Eine
kariesprotektive Wirkung wurde jedoch
erst bei einer Fluoridkonzentration über
1000 ppm nachgewiesen [130, 227].