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Zur Lage der professionellen Psychotherapie: Nach DSM-5, Neurohype und RCT-Dominanz

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Abstract

Meine 1999 veröffentliche Theorie „Psychotherapie als Profession“ wird Grundlage zu einer Reflexion auf den Stand von heute: Die psychotherapeutische Forschung hat die „talking cure“ in ihren Effektstärken und „Outcome“-Maßen erheblich rehabilitiert; weder die technische („Interventionen“ bei „Störungen“) noch die medizinische Metapher (Stiles und Shapiro 1989), haben halten können, was sie versprachen; „Randomized-controlled-trial“-(RCT)-Methodologie hat strenge Logik, weniger jedoch Praxisrelevanz für sich. Diese Forschungsumwelt kontrastiert mit einer politischen Umwelt, wie sie durch eine „Direktausbildung“, vom Psychotherapeutentag im Herbst 2015 beschlossen, geschaffen würde. Sie würde medizinische Orientierungen in die Ausbildung bringen, wie sie derzeit in der Forschung infrage gestellt werden.
ORIGINALARBEIT
DOI 10.1007/s00451-017-0260-4
Forum Psychoanal
Zur Lage der professionellen Psychotherapie
Nach DSM-5, Neurohype und RCT-Dominanz
Michael B. Buchholz
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017
Zusammenfassung Meine 1999 veröffentliche Theorie „Psychotherapie als Profes-
sion“ wird Grundlage zu einer Reflexion auf den Stand von heute: Die psychothera-
peutische Forschung hat die „talking cure“ in ihren Effektstärken und „Outcome“-
Maßen erheblich rehabilitiert; weder die technische („Interventionen“ bei „Störun-
gen“) noch die medizinische Metapher (Stiles und Shapiro 1989), haben halten
können, was sie versprachen; „Randomized-controlled-trial“-(RCT)-Methodologie
hat strenge Logik, weniger jedoch Praxisrelevanz für sich. Diese Forschungsumwelt
kontrastiert mit einer politischen Umwelt, wie sie durch eine „Direktausbildung“,
vom Psychotherapeutentag im Herbst 2015 beschlossen, geschaffen würde. Sie wür-
de medizinische Orientierungen in die Ausbildung bringen, wie sie derzeit in der
Forschung infrage gestellt werden.
Andere scharfe Konfliktlagen sind: Zwar gibt es Frontlinien zwischen verschie-
denen therapeutischen Schulen, vor allem Verhaltenstherapie (VT) bzw. Cognitive
Behavior Therapy (CBT) und psychodynamischen Richtungen. Doch verläuft die
wichtigere Frontlinie der „psychotherapy wars“ (Woolfolk 2015, S. 34 spricht so-
gar von „civil wars“) zwischen einer humanwissenschaftlichen und einer technisch-
pharmakologischen Auffassung der Psychotherapie. Die Erfolge der Letzteren sind
fragiler als ihre Propaganda. Was bleibt und wirkt, ist eine humanwissenschaftli-
che, durchaus auch humanistische Rehabilitierung therapeutischer Orientierungen,
die in professioneller Konversation vermittelt werden. Die Profession könnte in
diesem günstigen historischen Augenblick die Freiheit zurückgewinnen, humanwis-
senschaftliche Orientierung und therapeutische Gesprächskunst selbst ins Gespräch
zu bringen. Die alte Frontstellung zwischen „Hermeneutikern“ und „Empirikern“
kann durch eine dritte Position überwunden werden. Es gibt eine neue, eine „andere
Empirie“: die des Gesprächs.
Prof. Dr. M. B. Buchholz ()
International Psychoanalytic University (IPU), Berlin, Deutschland
E-Mail: Buchholz.mbb@t-online.de
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M. B. Buchholz
On the status of professional psychotherapy
After DSM-5, neurohype and RCT dominance
Abstract My theory of “Psychotherapy as profession” published in 1999 forms the
foundations of reflections on the current status: psychotherapy research has consid-
erably rehabilitated the talking cure in its effect strengths and outcome measures.
Neither the technical (interventions for disorders) nor medical metaphors (Stiles
and Shapiro 1989) could uphold what they promised: randomized controlled trial
(RCT) methodology involves strict logic but has less practical relevance. This re-
search environment contrasts with a political environment as achieved by a direct
training, as decided by the psychotherapist convention in autumn 2015. This would
bring medical orientation into the training, as is currently being questioned in re-
search.
Other sharp conflict situations are: front lines do exist between various schools of
therapy, especially behavior therapy (BT) or cognitive behavior therapy (CBT) and
psychodynamic schools of thought; however, the more important front line of “psy-
chotherapy wars” (Woolfolk 2015, p.34, even talks of “civil wars”) runs between
a human scientific and a technical pharmacological perception of psychotherapy.
The successes of the latter are more fragile than its propaganda. What persists and
functions is a human scientific, indeed even humanistic rehabilitation of therapeutic
orientations, which are imparted in professional conversation. In this favorable his-
toric moment the profession could reclaim the freedom of bringing human scientific
orientation and the therapeutic art of conversation into discussion. The old front
position between “hermeneutics” and “empiricists” can be overcome through a third
position. There is a new and “other empiricism”: that of conversation.
Das Fachgebiet der professionellen Psychologie erlebt zurzeit seismische Ver-
schiebungen in seinem Fundament, mit Beben, die aus allen Richtungen kom-
men. Erneute Forderungen nach professioneller Verantwortung haben einen
Anstoß erfahren, sowie auch der Bedarf an evidenzbasierter Praxis, der An-
stieg interprofessioneller Fortbildung und gemeinschaftlicher Versorgung, die
zunehmende Spezialisierung sowie die große Fülle an neuen Kenntnissen und
Technologien, ganz zu schweigen von einer umfassenderen Gesundheitsre-
form. Jeder dieser und zahlreiche andere Einflüsse haben zu einer sich ständig
verändernden Landschaft geführt, die durch starke Antriebskräfte innerhalb
und außerhalb des Berufsstands gestaltet wird. Während die Nachbeben kei-
nem einzelnen Epizentrum zugeordnet werden können, konvergiert ein signi-
fikanter Teil auf der erneuerten Verpflichtung zu professioneller Kompetenz in
diesem Fachbereich. (Neimeyer und Taylor 2014, S. 214)
Die Bedeutung der „psychotherapy wars“ für die deutsche Diskussion
Ein Erdbeben erschüttert die psychotherapeutische Profession – diese Metapher der
amerikanischen Autoren (Neimeyer und Taylor 2014) beschreibt die Situation ange-
messen. Die gegenwärtige Situation mit ihren Zeitströmen weist weit längere Wellen
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Zur Lage der professionellen Psychotherapie
auf, als man erkennt, wenn man den Blick nur auf die deutsche Auseinandersetzung
um „Direktausbildung“ und „Novellierung des Psychotherapeutengesetzes“ richtet.
Die einflussreiche Stellung der Psychoanalyse in der Universität (Stepansky 2009)
wurde ab Mitte der 1980er-Jahre abgeräumt; das war auch Folge der ausschließlichen
Durchsetzung eines Forschungsparadigmas, das mit dem Kürzel RCT („randomized
controlled trial“) bezeichnet wird, aber weit mehr umfasst. Ein prominenter Vertreter
(Fahrenberg 2012) einer stark an empirischer Forschung ausgerichteten Psychologie
sah den Verlust anderer Qualitäten psychologischer Gelehrsamkeit, wie vor allem
der Interpretationslehre. Sie wurde nicht nur als „Deutung“ im psychoanalytischen
Gespräch gebraucht, sondern in weit mehr Bereichen der akademischen Psychologie,
jedoch nicht mehr gelehrt und von Studierenden nicht mehr verstanden, denen die
Ursprünge der Psychologie aus einer interpretativ verfahrenden Philosophie nicht
mehr gezeigt wurden. Selbst in literaturwissenschaftlichen Fakultäten von Yale und
Harvard, wo einflussreiche Gelehrte wie Stanley Cavell die Psychoanalyse vertra-
ten, verschwand deren Einfluss. In der deutschen Literatur- und Geisteswissenschaft
hat die Psychoanalyse eher noch eine Stellung halten können als in der klinischen
Psychologie.
Zugleich erarbeitete sich die biologisch ausgerichtete Psychiatrie eine Machtstel-
lung mit der Erneuerung des 150 Jahre alten Versprechens, psychische Störungsbil-
der als neurochemisches Ungleichgewicht im Gehirn ausweisen zu können. Darauf
richtete sich die amerikanische Psychiatrie diagnostisch mit den neuen Auflagen des
DSM („Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“), schlechthin der Bi-
bel der weltweiten Psychiatrie, aus, weil man genaue Diagnosen definieren wollte,
zu denen dann die entsprechenden Pharmaka produziert werden könnten (Huprich
et al. 2015). Die Diagnosen verdoppelten sich mit jeder Neufassung des DSM; die
„neue Generation“ von Medikamenten schuf sich einen gewaltigen Einfluss und
vereinseitigte die Auffassungen davon, worum es sich bei „Störungen“ handele.
Es entstanden folgerichtig Streitigkeiten darüber, ob wir „mehr Krankheiten“ oder
„mehr Krankheitsdiagnosen“1(Dornes 2016) haben. Die Biologisierung der Psychi-
atrie, deren negative Folgen schon früh (Lidz 1991) vorhergesagt wurde, wurde von
einer internationalen Gruppe kritischer Psychiater fulminant kritisiert (Bracken et al.
2012). Ein der Verhaltenstherapie nahestehender Autor sieht Hoffnung:
Die Fronten des gegenwärtigen Krieges sind abgesteckt – zumindest für eine
Seite – und deutlich zu erkennen für jenen Beobachter, der imstande ist, weit
genug von diversen störenden interdisziplinären Auseinandersetzungen Ab-
stand zu nehmen. Das Risiko ist hoch, nicht nur für den Fachbereich und die
Menschen, die von der Psychotherapie profitieren, sondern auch für das öffent-
liche Interesse an der Aufrechterhaltung eines angemessenen Gleichgewichts
zwischen den verschiedenen Ebenen, durch die das menschliche Verhalten
konzeptualisiert wird. Die gute Nachricht ist, dass die biomedizinische Psy-
1Der Chef der Techniker Krankenkasse gesteht die Relevanz dieses Themas sogar für den Bereich der or-
ganischen Medizin zu; Abrechnungssysteme erzeugen Systemzwänge, die dann zum Eindruck von „mehr
Krankheiten“ führten (FAZ vom 14.10.2016, S. 15).
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chiatrie begonnen hat, einige Schlachten zu verlieren, und vielleicht verliert
sie sogar den Krieg. (Woolfolk 2015, S. 149)
An manchen Universitäten wurden psychologische durch neurowissenschaftli-
che Lehrstühle ersetzt. Der Glaube, die Psychoanalyse sei es, die bekämpft werde,
erweist sich als zu enge Sicht. Es war die Psychologie, die zu ersetzen versucht
wurde, durch Remedizinalisierung der psychotherapeutischen Profession. Die For-
schung kreierte und evaluierte manualisierte Behandlungstechniken. Die technische
Metapher, auf DSM-definierte „Störungen“ mit manualdefinierten „Interventionen“
reagieren zu wollen, baute das Selbstverständnis der Profession im Verbund mit der
Medizin-Metapher radikal um. Die implizite, medizintechnische Lebenskunstlehre
war aller Reflexion bar und dominierte das Denken mit dem Totschlag-Argument,
dass alles andere „keine Wissenschaft“ sei. Die medizinische Metapher wurde von
angesehenen Forschern früh kritisiert (Stiles und Shapiro 1989), doch die technische
Dominanz der Medizin-Metapher schaltete fast alle anderen Register professioneller
Psychotherapie aus.
Andere suchten nach einer Rehabilitierung anderer Register im Selbstverständnis
der Profession. Diese Auseinandersetzung wird im amerikanischen Schrifttum als
„psychotherapy wars“ bezeichnet. Derzeit zeichnet sich ab, dass sich die „Medi-
zinalisierer“ auf dem Rückzug befinden. Dazu gleich Belege. Die Frage, die sich
damit in der deutschen Diskussion stellt, aber noch sehr wenig artikuliert wurde, ist
die, wie das Thema der „Direktausbildung“ in diese konflikthafte Landschaft passt.
Manche wollen die Ausbildung von Psychologen an die der Mediziner anpassen,
und so würde in einem historischen Augenblick, in dem das medizinische Denken
für die psychotherapeutische Profession wissenschaftlich auf den Rückzug gezwun-
gen wird, der medizinischen Metapher ein Rückzugsort geschaffen, der die nächste
Generation erheblich beeinflussen müsste. Wie könnte man rechtfertigen, dass das,
was in der Forschung als fraglich ausgewiesen wird, in der Organisation von Lehre
und Ausbildung für die nächsten Jahre gesetzlich installiert würde?
Die Rehabilitierung der „talking cure“
Psychotherapie wurde ab der Mitte der 1980er-Jahre zu einem quasitechnischen
Unternehmen, bei dem man Wirkungen einzelner Techniken bei bestimmten Krank-
heiten in ihren Effekten gegeneinander abzuwägen begann; so, wie man in der
pharmazeutischen Forschung Effekte einzelner Medikamente bei definierten Krank-
heiten maß und sie gegen unbehandelte Verläufe ebenso abzugrenzen versuchte wie
gegen die Wirkungen von Placebos. An die Stelle von Qualität – die freilich oft
unbestimmt blieb – trat die ganz anders gestaltete Effizienz (Buchholz 2000). Effizi-
enz setzte voraus, dass man a) psychische Krankheiten überhaupt ebenso einheitlich
definieren könnte wie b) die zu ihrer Behandlung eingeleiteten Maßnahmen. Dem
ersteren Ziel widmete sich der erklärtermaßen „a-theoretische“ Umbau des „Diag-
nostic and Statistical Manual“ (DSM-IV) seit spätestens 1994, als das Heil in einer
rein symptomatischen bzw. syndromalen Ordnung gesehen wurde. Dem zweiten
Ziel widmete sich die in vielen therapeutischen Schulen grassierende Idee, dass
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Zur Lage der professionellen Psychotherapie
man Interventionen in Manualen formulieren könne, sodass angehende Therapeuten
genau wissen könnten, was sie wann zu tun hätten. Sie wüssten es, aber sie würden
nicht gebraucht, weil sie als ersetzbar, austauschbar, gedacht wurden. Orlinsky und
Rønnestad kritisierten die Entwicklung zur Manualisierung mit folgenden Worten:
In der Regel wird die Untersuchung von Psychotherapien gegenüber der Un-
tersuchung von Psychotherapeuten favorisiert – als ob Therapeuten, sofern sie
gut ausgebildet sind, mehr oder weniger austauschbar wären ... Wir denken,
dass ein Grund für diesen relativen Forschungsmangel zu Psychotherapeuten
ein implizites Bias ist, das dem Denken über die Therapie innewohnt und das
zu der Annahme führt, dass es sich grundsätzlich um eine Zusammensetzung
von Methoden, Techniken oder Verfahren handelt, die in oder durch sich selbst
wirksam sind, zur Heilung oder Verbesserung psychologischer oder psychia-
trischer Störungen ... Dieses Bias wird von einer wissenschaftlichen Kultur der
Modernität gestützt, die Rationalität, Objektivität und Mechanismen, die als
unpersönliche Prozesse begriffen werden, hochschätzt und hervorhebt ... und
die das persönliche Element oder das subjektive Gleichgewicht menschlicher
Erfahrungen und Beziehungen als eine Fehlerquelle in der Forschung sieht,
die es zu minimieren oder zu kontrollieren gilt ... (Orlinsky und Rønnestad
2005,S.5)
Obwohl diese, der erfolgreichen Medizin entlehnte Programmatik von „manua-
lisierter Intervention + diagnostizierter Störung + Outcome-Evaluation“ schon früh
(Kiesler 1966) kritisiert wurde, indem auf den Mythos der „Einheitlichkeit“ von
„Diagnose“ und „Intervention“ hingewiesen wurde, setzte sich diese Programmatik
durch. Kiesler (1995) sah sich genötigt, seine Kritik dreißig Jahre später, auf dem
Höhepunkt der biologischen Psychiatrie, zu erneuern.
In einem Beitrag im angesehenen Psychological Bulletin fragten renommierte
Psychotherapieforscher (Westen et al. 2004) 10 Jahre später, wie man denn die De-
pression einer farbigen Mutter von mehreren Kindern in der New Yorker Bronx, die
auf einer gefährlichen Flucht ihren Mann verloren hat und von kärglicher Sozial-
hilfe lebt, mit der Depression eines jungen Mannes vergleichen könnte, der keine
Freundin finde, weil er seine latenten homosexuellen Neigungen verdränge – auch
wenn beide symptomatisch an chronischer Müdigkeit, Schlafstörungen, Störungen
des Magen-Darm-Traktes, Unwerterleben, geringer Leistungsmotivation und Ent-
mutigung in gleicher Weise litten? Die syndromale Vergleichbarkeit übersähe das
Wesentliche. Eine an „Diagnose“ und „Intervention“ ausgerichtete Behandlung wür-
de auf jedes einzelne Symptom als Ausdruck einer bestehenden „Komorbidität“ für
sich allein zielen, aber diese Autoren wandten ein, es sei, als ob man bei Menin-
gitis, Kopfschmerzen und Fieber getrennt behandle, aber die eigentliche Krankheit
übersähe. Wie könne man glauben, die „Depression“, an der beide litten, in der glei-
chen Weise manualgesteuert behandeln zu können? Das sei hier nur als Illustration
genannt.
Erst als Thomas Insel (2012, S. 1), der neue Direktor des mächtigen amerikani-
schen National Institute of Mental Health (NIMH) im Rückblick auf fünf Jahrzehnte
psychopharmakologischer Forschung in der Psychiatrie feststellte, dass diese lan-
ge Zeit keine „reductions in morbidity or mortality for people with serious mental
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illness, including relatively common disorders such as depression, bipolar disorder,
and schizophrenia“ ergeben habe, begann sich das Blatt zu wenden. In England hat
das „National Institute of Clinical Excellence“ (NICE) die Verschreibung antide-
pressiver Medikation bei milden und mittelschweren Depressionen untersagt und
die Ausweitung psychosozialer Hilfen gefordert (Woolfolk 2015, S. 10). Das Irish
Medical Board zeigte sich ebenfalls wenig von neurochemischen Erklärungen psy-
chischer Störungen überzeugt und untersagte dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline
die Schaltung von Anzeigen, wonach Paroxetin ein biochemisches „Ungleichge-
wicht im Gehirn“ bei depressiven Zuständen beseitige2. Eine mit Preisen versehene
großartige Übersichtsarbeit über den Stand der Forschung (Bentall 2004) konnte
im Gegensatz zur neurochemischen Theorie vom „Ungleichgewicht im Gehirn“ zei-
gen, wie sehr man beim Lob des „biopsychosozialen Krankheitsmodells“ die soziale
Komponente vernachlässigt hatte, obwohl sie sich als die wichtigste empirisch nach-
weisen ließ. Die Orientierung an der Medizin und ihren Forschungsparadigmen ließ
die „Bio“-Komponente als „neuro“ buchstabieren, „psycho“ wurde als „behavior“
übersetzt und „sozial“ blieb außen vor. Viele empirische Befunde haben, angestoßen
durch eine fulminante Übersichtsarbeit, mittlerweile gezeigt, dass die medizinische
Metaphorik der Psychotherapie schadet. Wampold, exzellenter Empiriker, fasste so
zusammen:
In diesem Buch wird die wissenschaftliche Evidenz erbracht, die zeigt, dass
Psychotherapie nicht mit dem medizinischen Modell kompatibel ist und dass
eine derartige Konzeptualisierung der Psychotherapie den Charakter dieser
Bemühungen verfälscht. Nachdrücklicher formuliert: Die Medikalisierung der
Psychotherapie könnte sogar die Gesprächstherapie als heilsame Behandlung
für psychologische und soziale Probleme zerstören. (Wampold 2001,S.2)
„Talk therapy“, „Redekur“ – ein solches Wort passt in eine allmähliche einsetzen-
de Hochstufung der Relevanz des Sozialen. Man muss „sozial“ nicht mit „Fürsorge“
oder „Kapitalismuskritik“ übersetzen, sondern mit „Kommunikation“ und „Konver-
sation“ – Sprechen ist schlechthin die soziale Dimension des Menschlichen, das,
was „Intersubjektivität“ verfehlen oder gelingen lässt, was Nähe und Distanz regu-
liert, was Entwicklung fördert oder hemmt, das Mittel, mit dem restriktive Grenzen
gezogen oder kreative Freiräume geöffnet werden.
2So berichtete die Irish Times am 5. Oktober 2003. Ein spezielles Heft von PLoS medicine (April 2006)
beschäftigt sich gar mit der „Erfindung von Krankheiten“ unter dem Einfluss der Pharma-Industrie (Lex-
chin 2006; Phillips 2006). Es geht darum, wie eine gewöhnliche gelegentliche Störung, etwa erektile Dys-
funktion zu einer „Krankheit“ umdefiniert und damit dem medizinischen Regime unterworfen wird. Ähnli-
ches bei „attention deficit hyperactivity disorder“ (ADHD) oder auch bei „selling bipolar disorder“ (Healy
2006). Dass solche provokanten Titel in einer der angesehensten Zeitschriften der medizinischen Welt
publiziert werden, zeigt, wie brisant das Thema empfunden wird. Andere Autoren hatten darauf hingewie-
sen, wie in Psychotherapie und Psychiatrie Trauer beim Verlust eines Partners als behandlungsnotwendige
„Krankheit“ definiert wird (Horvitz und Wakefield 2007) oder das, was früher einfach „Schüchternheit“
hieß, in behandlungsbedürftige „Soziophobie“ umdefiniert wurde (Lane 2007). So wurden mit der Zahl
der Krankheiten die Zahl der Patienten vermehrt und der Verkauf von Medikamenten gefördert.
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Zur Lage der professionellen Psychotherapie
„Talking cure“ auch in der Verhaltenstherapie
Die Entdeckung, dass Konversation und Sprechen das sind, was hilft oder sogar
heilt, brauchte in der Psychotherapie Zeit, obwohl Freud schon früh geschrieben
hatte:
In der psychoanalytischen Behandlung geht nichts anderes vor als ein Aus-
tausch von Worten zwischen dem Analysierten und dem Arzt. (Freud 1916,
S. 9 f.)
Der „Austausch von Worten“ war keineswegs auf Ausklammerung der „non-
verbalen“ Kommunikation gerichtet; Freud wollte die Analyse gegen Hypnose und
Mesmerismus verteidigen. „Austausch“ schließt ein, wie der Beobachter so vieler
körperlicher Reaktionen wusste, dass der Körper mitspricht. Wie viel das ist, hatten
Forscher, die über The first five minutes schrieben (Pittenger et al. 1960), präzise
beschrieben; spätere klinische Beobachtungen über das Erstinterview (Argelander
1970) schlossen sich dem nur an – ein seltener Fall, bei dem die Forschung der pro-
fessionellen Bearbeitung um Jahre vorausging. Eine bald folgende weitere Studie
(Labov und Fanshel 1977) dehnte sich auf 15min des Erstinterviews mit der 19-
jährigen, anorektischen Studentin Rhoda aus und zeigte eine Fülle von Phänome-
nen. In der Sprachwissenschaft hatte die sog. pragmatische Wende (Lepper 2009)
gezeigt, dass wir mit Worten etwas tun – How to do things with words hieß die bis
heute einflussreiche Arbeit (Austin 1962; Ferrara 1994).
In der Zwischenzeit hatte die medizinische Vorstellung seelische Krankheiten als
neurochemische Ungleichgewichte aufgefasst; überall, wo teure „Functional-mag-
netic-resonance-imaging“(fMRI)-Scanner angeschafft worden waren, mussten diese
sich amortisieren (Slaby und Choudhury 2012). Die Zahl entsprechender Veröffent-
lichungen stieg; mithilfe der fMRI-Scanner konnten die alte Idee, das Gehirn als
„Ort“ der Erkrankung aufzufassen, realisiert und Medikamente für beobachtete Im-
balancen auf den Markt gebracht werden. Jedoch zeigten andere Forscher (Eklund
et al. 2015), dass übliche statistische Prozeduren nur an simulierten Daten validiert
worden waren; an 396 echten Versuchspersonen ergaben sich hingegen inflationär
falsch-positive Zusammenhänge. Solche Einwände und andere Autoren mahnten,
dass man über die enorme Komplexität des Gehirns viel zu wenig wusste. Dass „das
Gehirn als Beziehungsorgan“ zu denken sei (Fuchs 2012), formulierte die Wende
zum Sozialen (Hüther 2005).
Angelehnt an einen der Verhaltenstherapie nahestehenden Autor (Woolfolk 2015)
skizziere ich, wie diese Entwicklung sich vollzogen hat. Aron Beck etwa gilt als einer
der Gründerväter der „kognitiven Wende“ und entwickelte neue Behandlungstechni-
ken durchaus in Anlehnung an Vorgänger wie Albert Ellis oder George Kelly. Seine
intellektuelle Statur war beeindruckend, er förderte die wissenschaftliche Evaluati-
on seiner Verfahren. Der Name Aron Beck wurde gleichbedeutend mit Cognitive
Behavior Therapy (CBT). Freilich – obwohl er ähnliche Techniken einsetzte wie
Albert Ellis, etwa in der Behandlung von Alkoholikern, überraschten unterschiedli-
che Evaluationen. Beide hatten verschiedene kommunikative Stile. Woolfolk (2015,
S. 49) spricht davon, dass die Nachfolger die neue „talking cognitive cure“ schätz-
ten, gegenüber den älteren Techniken des Konditionierens, wie sie Wolpe etwa noch
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benutzt habe. Doch die am NIMH angefertigte empirische Vergleichung (Elkin et al.
1989) zeigte, dass die Effekte der Depressionsbehandlung nicht dadurch zustande
kamen, dass die Kognitionen der Patienten „technisch“ modifiziert worden waren.
Auch Medikamenteneinnahme (Paroxetin) affiziert in der gleichen Weise die ange-
wandten Messskalen; Veränderungen können dann nicht auf die eingesetzten CBT-
Techniken zurückgeführt werden, wenn man sie auch mit anderen Mitteln – wenn
auch insgesamt nur schwach – erreichen kann.
War es also eher das rhetorische Geschick von Persönlichkeiten wie Aron Beck?
Die Einbettung von harten „Techniken“ in eine softe, kommunikative Umwelt? Für
diese Vermutung sprach, dass es bei manchen Therapeuten zu solchen erwünschten
Effekten kam; sogar schon in wenigen Sitzungen, bevor die eigentlichen „Techni-
ken“ überhaupt angewandt worden waren. Das wurde überrascht als „rapid change
phenomenon“ (Ilardi und Craighead 1994) beschrieben. Andere Untersuchungen
(Jacobson et al. 1996) bestätigten diese Zweifel, dass es nicht „Techniken“ waren,
die auf Veränderungen der depressiven Kognitionen zielten; es musste etwas anderes
sein. Was das war, zeigte sich im Titel einer weiteren Untersuchung der Gruppe von
Neil Jacobson: „Returning to contextual roots“ (Jacobson et al. 2001).
Dass zum „Kontext“ tatsächlich kommunikative Umwelt gehört, zeigten weitere
Studien (Castonguay et al. 1996). Diese Autoren beobachteten, dass einige Thera-
peuten unter Stress gerieten, wenn ihre Patienten die vorgeschlagenen Techniken
nicht anwenden wollten, sich zurückzogen und so die therapeutische Allianz in
Gefahr geriet. Manche Therapeuten fassten dies als Ausdruck der gestörten Ge-
dankenwelt ihrer Patienten auf, die dann mit den gleichen Techniken angegangen
wurden. So entstanden kommunikative „repeated cycles“ (Castonguay et al. 1996,
S. 502). Gemeint ist, was Psychoanalytiker als kollusive Verstrickung des Thera-
peuten mit dem Widerstand kennen. Kontext und „repeated cycles“ sind Phänomene
der therapeutischen Konversation, in Begriffen von „Störung“ und „Intervention“
jedoch nicht zu beschreiben.
Konversation, Kontext und „repeated cycles“ stellten sich als Komponenten her-
aus, deren Handhabung über den Erfolg entschied. Die Wirkung einzelner Techniken
war von Konversation abhängig. Wampold (2001) erwies das „kontextuelle“ Modell
als dem „technischen“ bzw. medizinischen Modell auf der Basis sämtlicher ver-
fügbaren Metaanalysen als empirisch klar überlegen aus. Er formulierte, dass die
medizinanaloge Auffassung professioneller Psychotherapie sogar schade. Kontextu-
elles Modell bedeutete, die Hoffnung des Patienten zu erkennen und sie wenigstens
nicht zu zerstören, etwa durch Herabsetzung, Verächtlichmachung oder Kritik; und
es bedeutete weiter, dem Patienten den Zusammenhang zwischen Beschwerden und
vorgeschlagener Behandlung so zu plausibilisieren, dass er zu einer erwartungsvol-
len Zusammenarbeit bereit sein konnte. Dies alles geschieht durch – Konversation.
Deren Handhabung ist demnach eine alles entscheidende Komponente professionel-
ler Kompetenz.
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Zur Lage der professionellen Psychotherapie
Relevante Unterscheidungen
Expertise
Mit der Rehabilitierung der „talking cure“ begann eine langsame Veränderung der
Wahrnehmung psychoanalytischer Behandlungserfolge. War die Psychoanalyse als
nicht „empirically supported“ seit Mitte der 1980er-Jahre aus dem akademischen
Feld verdrängt worden, so zeigten immer mehr Arbeiten, dass ihre Ergebnisse lang-
fristig stabil waren und hohe Effektstärken aufwiesen (Leichsenring et al. 2013,
2015; Shedler 2011). Unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten konnte ge-
zeigt werden, dass diese Behandlungen Kosten sparen (Altmann et al. 2016;Berg-
hout et al. 2010;Beuteletal.2004; Lazar 2010; Maat et al. 2007). Die Frontli-
nie verlief nicht so sehr zwischen Psychoanalyse und Verhaltenstherapie, sondern
zwischen medizinanaloger, „technischer“ und psychologisch-kommunikativer, auch
humanistischer Auffassung von Psychotherapie. Denn auch in der Verhaltensthera-
pie hatten sich Entwicklungen ergeben, die sich von der einstigen Idealisierung des
lerntheoretisch-technischen Behandlungsinstrumentariums weg bewegen und Anlei-
hen machten bei ganz anderen Traditionen („awareness“ und „mindfulness“), etwa
dem Buddhismus. Warum dann noch von „Verhaltens“-Therapie gesprochen wurde,
erschließt sich nicht mehr so recht; es wäre nur fair gewesen zuzugestehen, dass Kon-
ditionierung durch Therapeuten als psychotherapeutische Konzeption von Anfang an
ein Irrweg war. Die Anleihen in VT-Lehrbüchern bei anderen therapeutischen Schu-
len und deren umstandslose Übernahme, oft ohne Ursprünge und Zitatnachweise
zu nennen (für Konzepte wie Übertragung, Widerstand oder „zirkuläres Fragen“),
bestätigen den hohen Bedarf an anders gelagerter Kompetenz, der im behaviora-
len Lager unter dem Druck klinischer Probleme entstanden war. Die Ausgrenzung
der im engeren Sinn als humanistisch bezeichneten psychotherapeutischen Schulen
ist ein in der Zukunft zu korrigierendes Ergebnis dieses machtvoll beschrittenen
Irrwegs. Die vielen Anleihen der VT dokumentieren deren Lernfähigkeit, rehabili-
tieren zugleich aber die kritischen Einwände gegen deren Grundkonzeptionen, die
seit den 1960er-Jahren immer wieder erhoben worden waren.
Die älteren Untersuchungsstrategien hatten die therapeutische „Konversation“ als
die schlechthinnige Empirie beachtet, weil Konversation das Potenzial zu schaden
und zu heilen hat und eine tiefe Dimension des Menschlichen ist (Buchholz und
Kächele 2013,2016; Ferrara 1994;Flader1978; Goodwin 1987; Jefferson und
Lee 1981; Labov und Fanshel 1977; Peräkylä 1989,2004; Pittenger et al. 1960;
Rycroft 1956; Scarvaglieri 2013). Alles, was Therapeuten als wertvolle Arbeitsmittel
schätzen – Empowerment, Deutung, Empathie, Arbeitsbündnis, Remoralisierung,
Konfrontation, Reflexion, Ruhe, Bildhaftigkeit (Korner 2015) usw. – spielt sich
in der kommunikativen Dimension ab und wird durch sie angeregt oder verfehlt.
Lässt sich psychotherapeutische Kompetenz in der konversationellen Dimension
bestimmen?
Die Antwort ist ein entschiedenes „Ja“, weil (Bergmann 2000) Konversation das
Nadelöhr ist, durch das seelische Befindlichkeiten hindurch müssen, sollen sie von
einem anderen gehört, verstanden und behandelt werden.
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Freilich ist Expertise von Profession zu unterscheiden. Es gibt zunächst ein paar
irritierende Befunde. Forscher (Ericsson 2006) ermittelten einen linearen Zusam-
menhang zwischen Expertise und langjähriger Übung. Das ist ebenso bei Schach-
spielern der Fall wie bei Musikern oder Sportlern, in einem gewissen Umfang auch
bei Medizinern (Norman et al. 2006) oder Versicherungsmathematikern. Exzeptio-
nelle Solisten haben bis zu ihrem 20. Lebensjahr ca. 10.000h (ca. 6 h/Tag) an ihrem
Instrument verbracht, während ein guter Hausmusiker nur etwa 2000h geübt hat. Bei
Experten gibt es lineare Zusammenhänge zwischen Übung/Erfahrung und Können.
Gibt es einen solchen Zusammenhang auch bei Psychotherapeuten? Hier ist irri-
tierend, dass bei einer repräsentativen Befragung von Sozialarbeitern, Psychiatern,
Psychotherapeuten und Eheberatern in den USA (Walfish et al. 2012) die allermeis-
ten ihre eigene Kompetenz als über dem Durchschnitt anderer stehend beurteilten.
Nur knapp 4 % der Befragten glaubten, ihr Können sei durchschnittlich, 80 % schätz-
ten sich besser ein als ihre Berufskollegen. Dies ist natürlich statistisch unmöglich,
nicht alle Mitglieder einer Gruppe könnten tatsächlich „überdurchschnittlich“ sein.
Ein solches „self-assessment bias“ findet sich allerdings auch bei anderen Berufs-
gruppen, Rechtsanwälten, Ärzten, Professoren und CIA-Agenten; sie alle schätzen
sich selbst als weit über dem Durchschnitt ihrer Kollegen ein. Der Zusammenhang
mit Erfahrungsdauer stellt sich bei diesen Professionen anders her.
In der Psychotherapieforschung ausgewiesene Autoren haben zusammen mit Pro-
fessionsforschern (Tracey et al. 2014) über „Expertise in psychotherapy“ geschrieben
und die schockierende Frage in den Untertitel gesetzt: „an elusive goal?“ Ist unsere
Kompetenz flüchtig? Spielt sie wenig bis keine Rolle? Bei Professionen ist ein Zu-
sammenhang zwischen langjähriger Erfahrung und wachsendem Können schwerer
nachzuweisen; dazu gehören Professionen wie ...
Psychiater, Sachbearbeiter für Hochschulzulassungen, Richter, Verantwortliche
für die Personalauswahl sowie klinische Psychologen.
Das ist die schockierende Ausgangslage einer langjährigen und verzweigten Pro-
fessionsforschung; wie passt es dazu, dass ihre Autoren, unter ihnen Bruce Wampold,
in einflussreichen Übersichtsstudien die generelle Wirksamkeit von Psychotherapie
nachwiesen? Ihr Text betont Wirksamkeit der Psychotherapie und Effektstärken.
Die Person des Therapeuten jedoch erkläre einen größeren Teil der Varianz als die
Methode. Macht man Therapeut-Therapeut-Vergleiche, finden sich in allen Schulen
Therapeuten, die beständig bei ihren Patienten ein positives „outcome“ hervorbrin-
gen, während andere schwankende oder mindere Besserungen erzielen (Buchholz
und Gödde 2012).
Das dient hier nur als Ausgangslage weiterer Absichten. Tracey et al. analysie-
ren, woran der Mangel an Mut, an offener Diskussion seine Ursache haben könnte!
Einen Grund sehen sie darin, dass professionelles Können nach „Jahren im Feld“
bemessen wird. Jemand, der „lange dabei“ ist, hat einfach eine größere Chance, für
„erfahren“ und „kompetent“ zu gelten, als ein „newcomer“. Zu gelten! Auch hier
wird nach Jahren beurteilt, aber das ist ein sozialpsychologischer Befund der Repu-
tation; andere halten jemanden für einen „sehr erfahrenen Kollegen“. Man glaubt
das halt. Ist Reputation Gewähr für professionelles Können? Wird sie je geprüft und,
wenn ja, wie? Prüfen könnte man das, indem man das klinische Können oder aber
K
Zur Lage der professionellen Psychotherapie
das (patientenseitige) „Outcome“ einsetzt. Eine Prüffrage ist auch, ob wir den Kor-
rekturbedarf solcher Entscheidungen in unserem Feld überhaupt bemerken würden?
Wie würden wir erkennen, wenn wir selbst oder jemand anders eine schlechte oder
falsche Strategie verfolgen? Wie die Kompetenzen von jemandem einschätzen? Die
Frage zielt darauf, wie wir als Profession sichern können, dass wir lernen und lern-
fähig bleiben! Dass wir Fehler3korrigieren – sowohl im klinischen Können wie auch
in Theoriebildung und Auswahl von Kandidaten ebenso wie bei der Beurteilung von
Kolleginnen und Kollegen? Hieraus lässt sich ein klares Kriterium gewinnen: Pro-
fessionelle, immer an die Person gebundene Kompetenz, liegt darin, sich und seine
Profession beständig solchen Lernprozessen auszusetzen. Das ist mehr und anderes
als Supervision. Es ist ein intellektueller Prozess der Überprüfung, ob angewandte
Konzepte der Selbstdeutung und -reflexion zu einer Lösung geeignet sind oder nicht.
Profession
Das hat Folgen: Professionen dürfen sich nicht allein an der persönlichen Ausbildung
ihrer Mitglieder ausrichten; sie müssen auch für die Weiterentwicklung des eigenen
Fach s organisatorische Voraussetzungen schaffen. Derzeit gibt es in der psychothe-
rapeutischen Welt ein ausgedehntes System verschiedenster Aus- und Fortbildungen,
Trainings und Kurse, die auf Entwicklung der Kompetenzen von Individuen ausge-
richtet sind. Wenig Aufmerksamkeit gilt der Entwicklung der Profession, viel der
Bewahrung.
Dieser Unterschied ist relevant. Persönliche Entwicklungsinteressen steuern emo-
tionale Wahrnehmung und die Art der Verfeinerung therapeutischer Sensibilität. Der
dabei entstehende Diskurs eines „Emotionalismus“ riskiert freilich, dass alles, was
nicht „gefühlt“ werden kann, als entweder falsch oder als nicht-wirklich ausgewiesen
wird. „Ich fühle das eben so“, wird ein „Argument“, dem kaum etwas entgegenzuset-
zen ist; es schließt die Diskussion, wo sie geöffnet werden müsste. Zur Entwicklung
von Professionen gehört jedoch, ihre eigenen Diskurse zu analysieren, um solche
Diskurs-„Pathologien“ in den Blick zu bekommen. Mitte der 1980er-Jahre gab es
Impulse zu einer „Analyse der Analyse“ (Carveth 1993;Plaut1993; Stein 2005),
aber sie sind versandet.
Entwicklung der Profession könnte die intellektuelle Diskussion nicht meiden;
Forschungsergebnisse wären zur Kenntnis zu nehmen und kommunikative Strategi-
en zu schulen, Theoriebestände von Zeit zu Zeit ebenso zu sichten wie relevante
Diskurse von professionellen und akademischen Nachbarn. Ziel wäre die Entrüm-
pelung von altbackenen Auffassungen. Dieser Diskurs ist eher intellektuell, doch
Teil der Profession – nicht etwa allein der akademischen Wissenschaft, wenn auch
mit ihr verbunden. Profession hat Wissenschaft in ihrer Umwelt, so hatte ich (1999)
formuliert; sie ist nicht mit ihr identisch.
3Horst Kächele hat deshalb begonnen, nachdrücklich Fehlerkultur“ zu untersuchen – die Schaffung von
Gesprächsatmosphären in Supervisionen vor allem, aber auch von Studien, die Fehler überhaupt einzu-
gestehen erlauben (Kächele und Grundmann 2011; Kächele und Caspar 2012). Das wurde von anderen
übernommen (Zwiebel 2014).
K
M. B. Buchholz
Wissenschaft kann sich an klar definierten Wissensgebieten orientieren oder diese
Definition zumindest anstreben. Soweit es definierte Objektbereiche gibt, kann die
Expertise eines Wissenschaftlers evaluiert werden. Vieles in der Psychotherapie je-
doch lässt sich so nur schwer oder gar nicht realisieren, weil der Objektbereich durch
Kompetenz und Konversation des Psychotherapeuten mitdefiniert wird; er findet ihn
nicht einfach vor.
Individuelle Schulung, Verantwortung für die Profession, theoretisches und empi-
risches Wissen ebenso wie Persönlichkeitsbildung gehören deshalb zusammen. Die
Zukunft unserer Profession wird sich daran entscheiden, ob sie einen Weg findet
zwischen der Abwehr des Emotionalismus (gegen manche innovativen oder verstö-
renden Ideen und Befunde gerichtet) und der Abwehr einer technischen Rationalität
(gegen die Tiefe der gelebten Erfahrung gerichtet).
Wenn wir „Lernen durch Erfahrung“ (Bion 1992;Werbart1995) reklamieren,
müssen auch theoretische Konzepte überprüft werden. Diese bestimmen erheblich,
wofür professionelle Therapeuten ihre Wahrnehmungsraster ausbilden, welche Sen-
sibilitäten sie entwickeln, was sie ansprechen – oder auslassen. In Supervisions-
und Intervisionsgruppen kann man manchmal den Eindruck haben, dass Teilnehmer
sich auf bestimmte Konzepte einigen, die selbst jedoch nicht infrage gestellt werden
dürfen – an solchen Stellen würde eine professionelle Haltung relevant, die die kon-
zeptuell bedingten Grenzen der eigenen Wahrnehmungen thematisieren und damit
die Profession insgesamt entwickeln könnte. Immerhin gab es Therapeuten wie Lud-
wig Binswanger, der im Fall der Ellen West glaubte, deren Suizid als ein akzeptables
„Outcome“ ansehen zu können (Buchholz 2003) – Beispiel für die Notwendigkeit
einer professionsbezogenen Reflexion.
Schaut man in Handbücher, die sich mit Professionen auch in der Psychologie
(Johnson und Kaslow 2014) befassen, kann man sich Anregungen holen, die für
die Lage in der Bundesrepublik eine Rolle spielen könnten. Eine Definition soll als
Ausgangspunkt genommen werden. Profession umfasse ...
Fachkenntnisse, die eine intensive Ausbildung erfordern, hohe Praxisstandards,
die in der Regel von einem Verhaltenskodex gestützt werden, Fort- und Wei-
terbildungen, sodass die Praktizierenden immer auf dem neuesten Stand der
Entwicklung dieses Fachgebiets sind, sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung
gestellte Dienstleistungen. (Benjamin 2007, S. 155)
Weitere Definitionen kann man bei Johnson und Kaslow (2014) finden. Gemein-
sam ist ihnen allen, dass professionelle Kompetenz sich aus drei Komponenten
zusammensetzt:
Wissen – im Sinne einer „scientific mindedness“: Fähigkeiten zu kognitiver Kom-
plexität, Treffen von Entscheidungen unter Unsicherheitsbedingungen, Kenntnis-
se relevanter Forschungen, die mit individuellen Erfahrungen vergleichbarer „Fäl-
le“ verknüpft werden; Fähigkeit, mehrere „Modelle“ einer Situation zugleich zu
erwägen, um zu einer Beurteilung zu gelangen;
Haltung – im Sinne einer „psychological mindedness“: Respektierung unver-
zichtbarer ethischer Verpflichtungen; die Besonderheit jedes individuellen Falls
K
Zur Lage der professionellen Psychotherapie
eher wahrnehmend als das Gemeinsame mit anderen Fällen (während Expertise
umgekehrt operiert);
Können – im Sinne einer „interpersonal mindedness“: Gesprächsführung als Per-
formanz gelebter Intersubjektivität, vor allem bei den zahllosen Varianten von
Zuhören und Sprechen; Auswahl und Formulierung einer Äußerung, die auf hö-
herstufige, individualisierte Zusammenarbeit gerichtet ist, theoriebasiert, doch
zugleich individualisiert (Wampold 2010).
In meiner Professionstheorie (1999) hatte ich die drei Komponenten der Indi-
vidualisierung, der Intimisierung und der Interaktion genannt – professionelle In-
teraktion in der Psychotherapie ist gerichtet nicht auf das Allgemeine an einem
„Fall“, sondern auf das Individuelle einer Person, und sie sucht die Intimisierung
der Themen bei gleichzeitiger professioneller Distanz.
Wissen meint nicht nur das theoretisch ausformulierte Wissen der akademischen
Theorie, sondern auch jenes implizite Wissen, das von Polanyi (1966) beschrieben
und als „stock of interactional knowledge“ (Peräkylä und Vehviläinen 2003) unter-
sucht wurde. Wir haben vielfach verzweigte Kenntnisse von Zusammenhängen, auf
die wir meist in sozialer Unbewusstheit umstandslos zurückgreifen.
Haltung umfasst professionsethische Verpflichtungen wie auch die eigene Ent-
wicklung, deren Reflexion und beständige Verbesserung (Buchholz 2015). Vor allem
ist damit die Fähigkeit gemeint, sich sowohl an Theorie als auch an den Reaktionen
des Patienten auf die eigenen Äußerungen lernend zu orientieren, die gewonnenen
Einblicke zugunsten des „Outcome“ einer Behandlung und entsprechende Überle-
gungen wiederum für die Entwicklung der Profession zu verwenden.
Manchmal können Äußerungen anders aufgefasst werden, als sie gemeint wa-
ren; manchmal wird die „agency“ von Äußerungen (Ahumada und Ahumada 2005)
verdeckt, indem das Subjekt der Handlung neutral dargestellt wird („es ist so ge-
kommen, dass ...“ statt: „Ich habe dafür gesorgt, dass es so kam ...“). Manchmal
sind Meinungen und ihre Positionierungen – wem sie zugeschrieben werden – ten-
denziös verunklart. Manchmal haben wir es mit überhörten Fehlleistungen zu tun.
Können zu können ist die Form persönlicher Befriedigung, die Therapeuten aus ihrer
Arbeit zu ziehen gestattet sein darf (Orlinsky und Rønnestad 2005). Es sollte nicht
als „narzisstische“ Befriedigung diffamiert werden.
Wissen, Haltung und Können freilich können sich nirgends anders als in Konver-
sationen bewähren. Das ist nicht dasselbe wie „Schulung therapeutischer Gesprächs-
führung“. Solche Kurstitel kündigen Sprechen als „Technik“ an, mit der man be-
stimmte „Ziele“ erreichen könne, und unterschlagen Gadamers Einsicht, dass man,
um ein gutes Gespräch zu führen, sich von ihm führen lassen können muss (Gadamer
1960). Professionelle Therapeuten sprechen nicht, um „kausale Effekte“ zu erzielen,
sondern um teilzuhaben an etwas, das sie kennen und das ihnen zugleich fremd ist.
Sie üben nicht Empathie, um technisch im Anderen etwas zu verändern, sondern
setzen darauf, selbst „verandert“ zu werden, weil Empathie nicht einseitig-technisch
ausgerichtet operiert, sondern es ihnen auf eine stille Weise wesentlich ist, zu verste-
hen und verstanden zu werden. Sie stehen zur Verfügung und sind doch ganz eigen,
auch durchaus eigensinnig. Nur so und nur auf eine Weise, die solche Paradoxa zu
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M. B. Buchholz
integrieren vermag, können sie die „salient elements of professionalism“ realisieren,
die Johnson et al. (2014, S. 6) nennt:
Integrität und Aufrichtigkeit, persönliche Verpflichtung gegenüber professionellen
Werten,
gutes Betragen,
Verantwortlichkeit,
Sorge für das Wohlergehen des Anderen.
Dies alles eingebunden in personale Professionalität; Therapeuten sind professio-
nell als Personen. Deshalb (!) arbeiten sie (Rønnestad und Orlinsky 2006)einLeben
lang an sich selbst.
Zur Ausbildung
Wenn diese besonderen Aspekte der „talking cure“ heute erneut nach der Um-
wandlung durch das medizinische Modell zur Geltung kommen, dann lohnt es, sich
Gedanken zur Ausbildung der nächsten Generation zu machen. Diese sollten davon
inspiriert sein, was wir in der Zukunft erwarten, welchen neuen Lagen professionelle
Psychotherapeuten ausgesetzt sein werden.
Traditionelle Modelle
Es gab drei Typen von Ausbildungsmodellen für professionelle Psychotherapeuten.
Das „Scientist-practitioner“-Modell suchte, Forschungsausrichtung und ange-
wandte Trainings miteinander zu verbinden, wählte sorgfältig Kandidaten aus und
suchte die Fähigkeiten, Forschung und Praxis zu verbinden, zu optimieren. Praxis
wurde als dynamisches Korrektiv für manche Theorien verstanden; beide Bereiche
stehen in einem dynamischen Gleichgewicht.
Das „Practitioner-scholar“-Modell, 1973 auf einer Konferenz in Colorado als
Alternative zum ersten Modell ins Leben gerufen, zielt auf professionelle Praxis,
fördert reichhaltige klinische Erfahrung mit einem frühen Anfang in der Ausbil-
dung und bildet erst dann in wissenschaftlichen Verfahren aus. Forschung soll in die
Praxis hineingetragen werden, Kandidaten sollen Untersuchungsmethoden lokal an-
wenden; etwa die Identifizierung von lokalen Problemen im Gesundheitsdienst, die
Verbesserung von Versorgungsstrukturen oder die Evaluation von Praxis-Initiativen
wurden als Anwendungs- bzw. Optimierungsfelder verstanden.
Das „Clinical-scientist“-Modell, seit 1991 in der Diskussion, legt den Akzent auf
die wissenschaftliche Ausbildung; Kandidaten werden für eine akademische Karriere
ausgebildet. Schwächen anderer Ausbildungen werden dadurch zu kompensieren
versucht, indem von Anfang an stark auf wissenschaftliche Befunde und deren
Anwendung gesetzt wird. Die ethische Verpflichtung von Kandidaten bindet diese
stärker an wissenschaftliche als an professionsethische Formeln. Praxis wurde als
minderer Status gegenüber dem wissenschaftlichen Forschungsfeld verstanden.
An diesen Modellen ist, wie sich allmählich herausschälte, etwas problematisch.
Sie setzen „Praxis“ als Objektbereich an, über den man etwas wissen konnte, der
K
Zur Lage der professionellen Psychotherapie
sich durch eine von außen kommende „Intervention“ verändern, im besten Fall
optimieren ließ, und ignorierten weitgehend das Anregungs- und Lernpotenzial von
Praxis – so schon die ersten Analysen (Schön und Rein 1994), auf die Woolfolk
(2015) seinerseits erneut verweist; man findet sie in meiner Professionstheorie (1999)
beschrieben.
Man kann leicht sehen, dass das „Clinical-scientist“-Modell für die breite Ausbil-
dung wenig infrage kommen wird, in einer Situation, in der wissenschaftliche Aus-
richtungen selbst an Stabilität verlieren, gerade, weil in manchen Bereichen eine nur-
wissenschaftliche Ausrichtung durchaus auch Schädlichkeiten erwiesen hat (etwa in
der übermäßigen Verbreitung von Psychopharmaka). Die beiden ersten Modelle
könnten in ihren spezifisch bundesdeutschen Ausformulierungen diskutiert werden.
Entscheidend wird sein, ob man über die Verengungen des Schemas von „Theorie-
Praxis“ hinauskommt. Es gibt mehr.
Das FLIP-Modell (Forschung, Lehre, Integration, Praxis)
Schon in der akademischen Lehre im Allgemeinen gab es seit den 1990er-Jahren eine
Diskussion (Boyer 1990), die deutlich machte, dass die Ausrichtung von Ausbildung
allein an szientifischen Vorgaben der weit größeren Breite von wissenschaftlichem
Wissen nicht gerecht wird. Es ist keineswegs nur deutscher Idealismus, wenn an
amerikanischen Universitäten mit „higher education“ auch die Idee ethisch-morali-
scher Integrität verknüpft wurde und zugleich das Wissen darum, dass es einzelne
Persönlichkeiten waren, die herausragende Leistungen erbrachten, etwa in Astro-
nomie, Botanik oder Physik. Das volle akademische „Mandat“ umfasst wenigstens
vier Komponenten:
Forschung – im besten Sinne umfasst Gelehrsamkeit nicht nur Entdeckung neu-
er wissenschaftlicher Tatsachen, sondern auch einen Beitrag zur Entwicklung des
intellektuellen Klimas einer Zeit. Hier ließen sich gerade nicht nur Figuren der szien-
tifischen Naturwissenschaft (prominent Max Planck, Albert Einstein oder Stephen
Hawking), sondern auch die der Anthropologie (von Franz Boas bis zu Michael
Tomasello), der politischen Philosophie (von Hannah Arendt über Martha Nuss-
baum bis zu George Steiner), der Linguistik (von Noam Chomsky bis hin zu seinen
theoretischen Gegnern) nennen.
Lehre – in einer akademischen Welt, die Forschungsausrichtung und Exzellenz
als das Höchste ansieht, wird Lehre weniger wichtig genommen, von ihrem sozia-
len Status her. Es gibt aber akademische Lehrer, die enormen Einfluss auf ganze
Generationen ihrer Schüler hatten, weil sie ihnen das Wichtigste in frühen Jahren
beizubringen verstanden: Begeisterung und Kants „sapere aude“.Ich übersetze es
hier mit Selbst denken. Gute akademische Lehre entfaltet Dynamik in der Schaffung
von Analogien, Metaphern, Bildern, die die Differenz zwischen dem Verständnis
der Lernenden und dem der Lehrenden überbrücken. Gute Lehre vermittelt nicht
nur Wissen, sondern transformiert es und baut es aus. Boyer zitiert Robert Oppen-
heimer:
Die Spezialisierung der Wissenschaft ist eine unvermeidliche Begleiterschei-
nung des Fortschritts; trotzdem birgt sie viele Gefahren und ist auf grausame
K
M. B. Buchholz
Weise verschwenderisch, da so viel Schönes und Erleuchtendes dem größ-
ten Teil der Welt vorenthalten bleibt. Folglich gehört es zu der Aufgabe des
Wissenschaftlers, dass er nicht nur die Wahrheit finde und seinen Kollegen
übermittle, sondern dass er diejenigen, die versuchen zu lernen, lehre und ver-
suche, die ehrlichste und verständlichste Darstellung allen neuen Wissens zu
vermitteln. (Boyer 1990, S. 24)
Integration – wir vermitteln weder in Lehre noch Ausbildung nur empirische Fak-
ten, sie sind das Wichtigste im Kontext eines Bezugsrahmens. Der kann Forschung
oder Praxis sein. Empirische Fakten bedürfen nicht nur einer Interpretation im Licht
einer Theorie, sie bedürfen auch einer Integration mit verwandten Themen oder der
Tradition des Faches; sie stellen Bezüge zu anderen Bereichen her und resümieren
von Zeit zu Zeit den Stand der Diskussion in einem bestimmten Ausschnitt. So
schwebte Freud es vor, dass eine psychoanalytische Hochschule nicht nur psycholo-
gisches Wissen, sondern auch das Wissen von Mythen und Märchen zu vermitteln
habe; hinzufügen kann man für ihn, der seine Schriften stets mit schönen Zitaten
zierte, die schöne Literatur. Denn deren Autoren entdeckten und entdecken vieles
von dem, was in der Psychoanalyse zentral gestellt ist, etwa in der Abwehrlehre
bis zur Sublimierung (Matt 1998), im Wissen um familiäre Dynamiken (Matt 1995)
oder um Realitätsaspekte wie die Intrige (Matt 2007). Wichtige akademische Leis-
tungen entstanden so durch die Begabung von jenen, die solche Zusammenhänge
zu sehen vermochten, sie darstellen konnten und damit die Entwicklung in ihren
Fächern vorantrieben. Eine ausschließlich szientifische Orientierung auf Forschung
würde die integrative Leistung ungerechtfertigt abwerten.
Praxis – eine besondere Art des Wissens ist in der Praxis, und nur dort, zu erwer-
ben. Der Praxis begegnen nicht nur Universitätsabsolventen mit einem Praxisschock,
sondern auch die, die Ausbildungsinstitute approbiert verlassen. Das trifft auf die
Medizin ebenso wie auf die Psychotherapie zu, bei Übernahme von politischen oder
juristischen Aufgaben oder, wenn man die ersten Male vor einer Schulklasse steht.
Schocks können bewältigt werden, solange ein dynamischer Prozess zwischen vor-
handenem Wissen und neuer Erfahrung in Gang gesetzt wird, so, dass beide sich
gegenseitig bereichern – das geht durch die Person hindurch. Deshalb geht es nicht
um objektivierbares Wissen („knowledge“),sondern um personengebundene Erfah-
rung („knowing“). Spätestens hier wird deutlich, dass akademische Vorbereitung
auf den Beruf des Psychotherapeuten, die das Ziel darin sähe, gelernte Theorie im
Modus der „Anwendung“ zu übernehmen, in der Praxis versagen müsste. Theo-
rie kann nicht instruieren, sie kann nur informieren. Theorien sind nicht definitive
Konzepte, sondern haben eine Sensibilisierungsfunktion (Blumer 1969, S. 169 f.).
Dieser Unterschied könnte leitend für die Psychotherapie-Ausbildung sein. Wir ha-
ben sensitive Konzepte, aber keine „benchmarks“; wir haben empirische Beispiele,
aber sie operieren in den meisten Fällen als Illustratoren; Praktiker nutzen Theorie
als Orientierungshilfen beim Navigieren.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit der FLIP-Komponenten in der Psycho-
therapie vorstellen? Wie unterscheiden sich gute Therapeuten von den weniger gu-
ten? Dazu könnte die empirische Forschung etwas sagen, etwa in den Befunden der
Mount-Zion-Arbeitsgruppe (Curtis und Silberschatz 1994; Silberschatz et al. 1986).
K
Zur Lage der professionellen Psychotherapie
Gute Therapeuten richten sich an bewussten sowie unbewussten Behandlungsplä-
nen ihrer Patienten aus und setzen einen Verhandlungsprozess mit ihnen in Gang,
wenn Pläne oder Ziele zu unrealistisch, kontraproduktiv oder unethisch sind. Das
entspricht einer alten psychoanalytischen Erfahrung, wie sie aus der Praxis heraus
(Argelander 1979; Bollas 1979; Plassmann 1986) von sehr verschiedenen Autoren
formuliert worden ist. Es ließen sich auch andere Befunde (Werbart 2005) heran-
ziehen. Es geht jedoch weniger um akademische Kontrolle; die Profession kann die
Evaluation nicht an andere delegieren, sie ist ihre eigene Ur-Sache.
Therapeutische Konservation
Patienten, die innerhalb des beschränkenden Rahmens ihrer ungelösten Konflikte
Lösungen erwarten – ein zwanghafter Mensch etwa die Kontrolle kontrollieren will,
ein ängstlicher Mensch sein Heil in der Vermeidung sucht, ein depressiver Mensch
überzeugt von seiner Wertlosigkeit zu sein scheint, ein Psychosomatiker wieder „fit“
werden will – suchen die Hilfe eines Anderen, soweit ihnen dieser Andere einen
anderen Bezugsrahmen anbieten und diesen überzeugend verbindlich machen kann.
Dazu braucht es das Gespräch, das nur gelingt, wenn und soweit beide aneinan-
der „andocken“. Der Säuglingsforscher Ed Tronick (2007) verwendete dafür das
Konzept des „dyadic state of consciousness“:
Die Hypothese des dyadischen Bewusstseins besagt, dass jedes Individuum –
in diesem Fall das Kleinkind und die Mutter oder der Patient und der Therapeut
– ein selbstorganisierendes System ist, das seine eigenen Bewusstseinszustän-
de (Zustände der Hirnorganisation) erschafft, die in Verbindung mit einem
anderen selbstorganisierenden System auf kohärentere und komplexere Be-
wusstseinszustände erweitert werden können. (Tronick 2007, S. 404)
Therapeuten bieten eine Art der Zusammenarbeit an, die das Erreichen eines ko-
härenteren Selbstzustandes ermöglicht, der zugleich mit Komplexität angereichert
wird. Kohärenz ist die Erfahrung, „der-/dieselbe“ zu bleiben, während Komplexi-
tät die Förderung der Fähigkeit ist, wie im Kaleidoskop mit jeder Drehung einen
anderen Blickwinkel einzunehmen – auf jedes Mal dasselbe, das zugleich als et-
was anderes und Neues bereichernd erfahren wird. Schließlich wird, in einer letzten
Drehung des Kaleidoskops, das eigene, beobachtende Selbst Teil der vielfältig ver-
netzten Perspektivierungen, und es erfährt sich in einer neuen, unerwarteten und
immer überraschenden Weise. Bis zu diesem Punkt konnte manches von der Theo-
rie des Therapeuten gerahmt werden. Wird die letzte Drehung vollzogen, entsteht
etwas, das die Theorie des Therapeuten nicht kennen kann. Balint hatte das den
Neubeginn genannt (Balint 1968), andere haben in anderen Konzeptualisierungen
den „now moment“ und „moment of meeting“ (Stern 2005) beschrieben. „Dasselbe“
wird in anderen Rahmungen anders empfindsam gemacht. Zu Kompetenz innerhalb
der Profession wird es, solche „Drehungen des Kaleidoskops“ nicht nur mit Patien-
ten zu erreichen, sondern auch mit eigenen Konzeptualisierungen so zu verfahren,
dass Raum für Komplexitätsanreicherung entstehen kann.
K
M. B. Buchholz
Diese Metaphern sind schön – doch wie sie praktisch realisiert werden, ist in
weiten Beständen unklar. Sie haben den Status von „ungesättigten Konzepten“, sie
regen an, sie inspirieren therapeutische Kreativität. Professionelle Kompetenz kann
sich nur in der therapeutischen Konversation realisieren – oder aber sie bleibt un-
wirklich und unwirksam. Ich kann hier keine Darstellung meiner Lieblingstheorien
von Konversation geben, weil ich damit auf die Lieblingstheorien anderer konfron-
tativ stoßen müsste. Ich möchte vielmehr die zentrale, vor uns liegende Aufgabe
für die Entwicklung der Profession formulieren, die von vielen Kräften angepackt
werden muss: Was geschieht in unseren Behandlungsräumen? Wie sprechen wir mit
unseren Patienten? (vgl. Buchholz 2016)
Mit dem medizinischen Modell ging die Vorstellung einher, dass man psychothe-
rapeutische Prozesse global steuern könne, wenn nur alle Therapeuten empirisch be-
stätigte Theorie gleich „anwenden“. Mittlerweile hat sich die Medizin-Metapher für
die Psychotherapie auch deshalb als wenig brauchbar erwiesen, weil wir entdecken,
dass in Behandlungszimmern sehr verschiedene Dinge passieren, auch wenn auf
Praxisschildern dasselbe steht. Konversation bzw. Gespräch könnten nicht normiert
werden. Was wir in der Zukunft brauchen, ist eine Ausrichtung an sensibilisieren-
den Konzepten, an weitgehender Öffnung dafür, wie der „Austausch von Worten“
(Freud) tatsächlich realisiert wird – aber nicht, um das unter Fremd-Kontrolle zu
bringen. Das szientifische Modell hat Therapeuten die Illusion vermittelt, es käme
darauf an, mit der richtigen Theorie, realisiert in Manualen, über dem Geschehen
zu stehen. Nur mit der impliziten Annahme einer solchen „externen“ Positionierung
könnte ja ein Begriff wie „Intervention“ gerechtfertigt werden. Es ist unvermeidlich
anzuerkennen, dass wir immer im Geschehen sind. Zu diesem Geschehen können
wir von einer exzentrischen Position aus (Plessner 1928) Stellung zum Geschehen
beziehen. Sie muss immer neu erarbeitet und vom Gesprächspartner akzeptiert oder
wenigstens toleriert werden. Auch das muss durch Konversation vorbereitet werden.
Was also schlage ich vor? In der Erweiterung des zu eng gewordenen szientifi-
schen Wissenschaftsverständnisses, wie ich es im FLIP-Modell skizziert habe, in der
Vermeidung der Versuchung, allein auf die hermeneutische Position zurückkehren
zu wollen, und in der Anstrengung, die eigenen Gesprächsbeteiligungen zu erkennen
und zu untersuchen, sehe ich die Chancen, die sich in der gegenwärtigen Situation
ergeben könnten.
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Prof. Dr. Michael B. Buchholz Dipl.-Psych., Dr. phil., Dr. disc. pol., apl. Prof. am Fachbereich Sozial-
wissenschaft, zugleich ordentlicher Professor an der International Psychoanalytic University (IPU), Berlin.
Lehranalytiker (DPG, DGPT). Zahlreiche Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift, u. a. Hefte 4, 1988, 1,
1989, 2, 1990, 1, 1991, 3, 1992, 1, 1997, 3, 1999, 3, 2001, 3, 2006, 4, 2008, 1 und 3, 2014. Zuletzt erschie-
nen Der Besen, mit dem die Hexe fliegt (2012, 2 Bde, hrsg. zus. mit Günter Gödde).
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... Students could understand the prestige of this type of activity and their future social status, as well as they could change their initial value orientations of the profession, bringing it closer to what they needed only by understanding the true content of the doctor's (biologist's) work, its importance for preserving health of a human. It was important to show to the students that the only one true way to their self-assertion and selfimprovement was mastering this type of professional activity [4,21,26]. Thus, it was important to direct motivation of students in the right direction from the very beginning of their learning activity. ...
Article
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The article is devoted to the formation of professional orientation of students to medical profession by using ICT tools. The article deals with the problem of professional orientation and formation of interest to the medical profession at schools with biological and medical classes. The use of ICT tools contributes to the integration of school subjects into current knowledge which are necessary for the future effective work of medical specialists. Application of ICT increases the effectiveness of professional orientational classes, improves students' awareness of their future profession, implements to the professional choice based on the awareness and understanding of students of their professional preferences and aptitudes. This technique makes it possible to form not only an adequate motivation to the medical profession, but also interest in disciplines connected with future profession.
Article
Dargestellt wird die psychodynamisch orientierte Behandlung einer damals 75-jährigen Patientin, die nach vielfältigen Therapien den Wunsch hatte, sich mit den Folgen von Kriegs-und Nachkriegszeit sowie mit den Erfahrungen »schwarzer Pädagogik« auseinanderzusetzen. Das Beispiel zeigt, dass die Arbeit mit einer Patientin – die präzise bestimmte, wie viel sie bearbeiten möchte und sich wohlwollend dabei begleitet fühlte – als hilfreich erlebt wurde und der alten Frau mehr Lebensfreude ermöglichen konnte.
Chapter
Psychosomatische Medizin ist in Deutschland eine Facharztdisziplin und als Querschnittsfach integraler Bestandteil vieler anderer klinischer Fächer. Durch die Akzentuierung der Erste-Person-Perspektive der Patienten ist Psychosomatische Medizin stets Beziehungsmedizin. Typische Krankheits- und Störungsbilder der Psychosomatischen Medizin sind affektive, Belastungs- und Essstörungen, funktionelle Körperbeschwerden und psychische Störungen in Verbindung mit oder infolge körperlicher Erkrankungen sowie Persönlichkeitsstörungen. Vielfach besteht ein ausreichendes Zeitfenster, um noch vor den ersten Symptomen entgegenzuwirken, was die Bedeutung der Prävention verdeutlicht. Die Psychosomatische Medizin hält ambulante, (teil-)stationäre und rehabilitationsorientierte Behandlungskontexte vor. Insgesamt wird sich zur Adressierung der in einer alternden Gesellschaft virulenten psychosomatischen Fragestellungen die Vielfalt der Betätigungsfelder für Gesundheitswissenschaftler in diesem Fach weiter erhöhen.
Article
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Zusammenfassung Mit dem neuen Psychotherapeutengesetz ist eine ernste Lage für die Psychoanalyse entstanden. Auf die eine Gefahr, die technologische Medizinalisierung (Buchholz 2017b, c; Buchholz und Kächele 2019), wurde häufig verwiesen. Eine wachsende Abhängigkeit von der klinischen Psychologie (Slunecko 2021) ist noch wenig gesehen. Wie kann sich die Psychoanalyse behaupten? Vorgeschlagen wird, sich verstärkt Fragen nach a) Ausbildung therapeutischer Persönlichkeiten, b) stärkerer lebensweltlicher Kontextualisierung und c) weit größerer Aufmerksamkeit der originalen Stimme der Patienten in Theorie und Kasuistik zu widmen. Loyalität gegenüber Theorie-Traditionen löst keine Probleme. Sie blockiert Umweltsensitivität und erzeugt Rückzug in Selbstbeschäftigung und beunruhigenden Mangel an Irritierbarkeit. Die viel zu loyale Bindung an Theorietraditionen, an lehranalytische Aus- und Vorbilder, supervisorische Praktiken und an fragliche Behandlungsregeln wehrt die Irritation ab, deren Bewältigung zentrale Aufgabe wäre, und entmutigt die nächste Generation. Dazu am Schluss Vorschläge.
Thesis
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Die vorliegende Arbeit erschließt zwei Psychotherapien mit dem Ziel, darin enthaltene Orientierungen am Modell (OaM) (Dausendschön-Gay et al., 2007) über den Therapieverlauf zu untersuchen. OaM stellen individuelle Formulierungsroutinen dar, die von PatientInnen und TherapeutInnen eingesetzt werden können, um rekurrente Formulierungsaufgaben zu lösen. Die longitudinale konversationsanalytische Aufarbeitung der OaM zweier Psychotherapien zeigt, wie eine als hilfreich erkannte Formulierung bzw. multimodale Gestalt von den Teilnehmern wiederholt flexibel verwendet wird, um gleich- oder neuartige Formulierungsprobleme zu lösen. Im Rahmen dieser Arbeit wird dargestellt, wie individueller Sprachwandel in therapeutischer Interaktion über mehrere Jahre hinweg stattfindet. Dabei wird eine OaM durch wahrnehmbare Ähnlichkeiten (Palacios & Pfänder, 2014) zu einem bekannten Idiom bei gleichzeitiger kreativer Ausformung durch die TeilnehmerInnen und expliziter Markierung salient. Die Ähnlichkeit der rekurrenten OaM zeigt sich auf formaler (morphosyntaktischer), funktionaler (semantischer) und phonetischer (rhythmischer) Ebene. Das longitudinale Design der Untersuchung ermöglicht es, die Einführung, die Veränderung und die therapeutische Relevanz mentaler Modelle aus Teilnehmerperspektive darzustellen. Die Arbeit zeichnet nach, wie PatientInnen und TherapeutInnen gemeinsam nach einem adäquaten Modell suchen, es in Interaktion und damit in Beziehung weiterentwickeln und eine mental repräsentierte Interaktionserfahrung schaffen, die auch Jahre nach der Therapie noch als hilfreich beschrieben wird.
Chapter
Klappentext des Buchs in dem der Beitrag zu finden ist (Online-first-Publikation bereits im Oktober 2018): Dieses Referenzwerk bietet einen umfangreichen Überblick zu den zentralen Themen der Gesundheitswissenschaften. Die einzelnen Sektionen behandeln sowohl Grundlagen und Methoden der Gesundheitswissenschaften, Elemente der Gesundheitssoziologie und Psychologie (Diversität, Kommunikation, Resilienz), den aktuelle Stand in der Gesundheitssystem- und Versorgungsforschung, als auch die wichtigsten Anwendungsbereiche in Prävention, Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik. Berücksichtigt werden dabei die Mikroebene der handelnden Akteure, die Mesoebene von Unternehmen und Organisationen, sowie die Makroebene von Gesundheitssystemen, Gesundheitspolitik und Global Health. Das Standardwerk richtet sich an Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen im Gesundheitsbereich sowie an Expertinnen und Experten aus der Praxis. Dieses Werk gibt den Auftakt zu der neuen Reihe „Springer Reference Pflege – Therapie - Gesundheit“ und setzt neue Maßstäbe in der Fachliteratur der Gesundheitsberufe.
Article
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Due to imprecise methods of evaluating therapist behaviors, little progress has been made in demonstrating how the therapist contributes to the success of psychotherapy. More important, the suitability of the therapist’s behavior to the particular needs of a given patient has not been adequately assessed. In this article, we describe a new approach for assessing the suitability of therapist interventions. We hypothesized that the suitability of interpretations would be more predictive of patient progress than the category of interpretation: transference versus nontransference. The transcripts of three brief psychodynamic psychotherapies were studied. Interpretations in the three therapies were identified and categorized as transference or nontransference and were then rated for suitability. Patient productivity was rated using the Experiencing Scale. As predicted, in each case suitability of interpretations correlated significantly and positively with patient productivity, whereas type of interpretation did not correlate with patient progress.
Article
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Background The project “Quality Assurance in Ambulatory Psychotherapy in Bavaria” (QS-PSY-BAY) focuses on the quality assurance of outpatient psychotherapy (OPT) in Germany in terms of symptom reduction and cost reduction under naturalistic conditions. In this study, we examined the effectiveness of psychotherapy in terms of pre–post cost reduction. Method The health-care costs of N = 22,294 insurants over a 5-year period were examined in a naturalistic longitudinal design. Six participating health insurance funds provided data on costs related to inpatient treatment, outpatient treatment, drugs, and hospitalization and work disability days. Results We found that the average annual total costs for inpatient and outpatient treatments as well as drug costs and work disability days increased from the second to the first year before OPT. Besides a large and significant reduction of work disability days (41.8%), hospitalization days (27.4%), and inpatient costs (21.5%) from the first year before versus the first year following OPT, we found evidence for long-term effects: the number of work disability days in the second year after OPT was lower (23.8%), and drug costs were higher than in the second year before OPT (41.5%). Conclusion We conclude that OPT as a part of the health insurance system is an investment which can pay off in the future especially in terms of lower inpatient costs and work disability.
Chapter
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The editor's idea was to write twin-chapters. One by a psychoanalyst, the other by a scientist working in scientific neighborhood. This is my chapter as psychoanalyst, my "twin" is Prof. Dr. Uli Reich, linguist at Freie Universität, Berlin. We orient our contributions to the idea that methodological individualism is a serious problem in psychoanalysis and linguistic theorizing. Both deal with Conversation, talk-in-interaction, intersubjectivity. Here "communicative data" of every kind - including gesture, voice and prosody etc. - are produced and can be studied. This comes close to what emerged as a "relational" point of view in psychoanalysis. My chapter shows a historical review how such orientation evolved in psychoanalysis and social sciences. A new cooperation becomes possible.
Chapter
Themenschwerpunkt: Gerhard Schneider: Es gibt nicht das Wahre im Unwahren, wohl aber das Richtige im Falschen. Über Fehler, Probleme, die sie machen, und Fehler-Leistungen in der Psychoanalyse – Ralf Zwiebel: Behandlungsfehler, Fehlerkultur und Verantwortung in der psychoanalytischen Praxis: Ansatz für eine psychoanalytische Irrtumstheorie – Johannes Picht: Zur ethischen Grundlegung der Abstinenz – Victor Sedlak:Betrachtungen über analytisches Scheitern – Sylvia Zwettler-Otte: Fehl-Leistungen als Phänomene in psychoanalytischen Institutionen – ›Das Unbehagen in der Kultur‹ wiedergelesen – Isolde Böhme / Claudia Frank: Supervision der Supervision – Überlegungen zu einem analytischen Instrument zur Wahrnehmung und Beeinflussung von Fehlentwicklungen in der analytischen Ausbildung – Wolfgang-Loch-Vorlesung: Martin Teising: Überlegungen zur Krankheitslehre der Psychoanalyse – heute.
Article
Empirische Daten belegen die Wirksamkeit psychodynamischer Psychotherapie. Effektgrößen für psychodynamische Psychotherapie sind so groß wie die für andere Therapien berichteten Effektgrößen, für die aktiv als „empirisch gestützt“ und „evidenzbasiert“ geworben worden ist. Außerdem erzielen Patienten, die eine psychodynamische Therapie machen, einen andauernden therapeutischen Gewinn und scheinen sich nach Behandlungsende weiterhin zu bessern. Schließlich sind nichtpsychodynamische Therapien vielleicht zum Teil wirksam, weil sachkundigere Therapeuten Techniken anwenden, die für die psychodynamische Theorie und Praxis seit Langem von zentraler Bedeutung sind. Die Auffassung, psychodynamische Ansätze seien nicht ausreichend empirisch gestützt, stimmt nicht mit den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten überein und reflektiert vielleicht eine selektive Verbreitung von Forschungsergebnissen.
Article
Posted 06/02/2000. This reprinted article originally appeared in (Journal of Consulting and Clinical Psychology, 1996, Vol 64[2], 295–304). (The following abstract of the original article appeared in record 1996-00433-008.) The purpose of this study was to provide an experimental test of the theory of change put forth by A. T. Beck, A. J. Rush, B. E Shaw, and G. Emery ( 1979 ) to explain the efficacy of cognitive–behavioral therapy (CT) for depression. The comparison involved randomly assigning 150 outpatients with major depression to a treatment focused exclusively on the behavioral activation (BA) component of CT, a treatment that included both BA and the teaching of skills to modify automatic thoughts (AT), but excluding the components of CT focused on core schema, or the full CT treatment. Four experienced cognitive therapists conducted all treatments. Despite excellent adherence to treatment protocols by the therapists, a clear bias favoring CT, and the competent performance of CT, there was no evidence that the complete treatment produced better outcomes, at either the termination of acute treatment or the 6-month follow-up, than either component treatment. Furthermore, both BA and AT treatments were just as effective as CT at altering negative thinking as well as dysfunctional attributional styles. Finally, attributional style was highly predictive of both short- and long-term outcomes in the BA condition, but not in the CT condition.