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Faunistik
10 | 2015 Gefi ederte Welt
Allen voran ist es der Halsbandsittich
(Psittacula krameri), der in Europa
zum Alltagsbild der städtischen Parks
oder Futterhäuser gehört. Seltener sind
in Europa andere Papageien wie der Gro-
ße Alexandersittich (Psittacula eupatria),
Mönchssittich (Myiopsitta monachus),
Pfirsichköpfchen (Agapornis fischeri)
oder Nandaysittich (Aratinga nenday) als
Brutvögel zu finden. Einen Sonderplatz
nehmen die bedrohten Gelbkopfamazo-
nen (Amazona oratrix) in Stuttgart ein.
In Stuttgart befindet sich die einzige Po-
pulation außerhalb Amerikas.
Papageien sind in Europa fast aus-
schließlich Stadtbewohner und profitie-
ren von den vielen Bruthöhlen (v. a. in
Platanen, aber auch in Wärmedämmfas-
saden), dem vielfältigen Nahrungsange-
bot durch die exotischen Baumarten und
der zusätzlichen Winterfütterung. Dabei
erweisen sie sich als erstaunlich winter-
hart und haben mehrfach Temperaturen
von –20 °C überstanden. Den frostemp-
findlichen Füßen mancher Papageienar-
ten schaden aber die extremen Kältegra-
de in Mitteleuropa jedoch sehr.
Situation des Halsbandsittichs in der
Rhein-Neckar-Region
Der Halsbandsittich hat sich als Brutvo-
gel in der Rhein-Neckar-Region (Rhein-
land-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen)
seit den 1970er Jahren etabliert (Braun
2009). Die ersten Bruten von Gefangen-
schaftsflüchtlingen fanden 1974 in
Worms und ebenfalls 1974 im Schloss-
park von Neckarhausen (Edingen-Ne-
ckarhausen) statt (Braun 2009). Als Be-
sonderheit wurden um die Jahrtausend-
wende die ersten Bruten von Halsband-
sittichen in Wärmedämmfassaden in
Heidelberg beobachtet (Braun 2004,
Braun 2007).
Die Tiere versammeln sich abends auf
Baumgruppen zum Übernachten, den so
genannten Schlafplätzen. Die Schlafplät-
ze liegen im Rhein-Neckar-Gebiet meis-
tens an von Straßenlaternen beleuchte-
ten Orten. Meistens übernachten die
Halsbandsittiche auf Platanen, einer
häufigen Stadtbaumart in der wintermil-
den Rhein-Neckar-Region. Die Schlaf-
bäume werden auch im Winter genutzt,
wenn sie die Blätter verlieren. Eine Tar-
nung wie im Sommer – das Grün der
Halsbandsittiche ähnelt sehr stark dem
Grün der Platanenblätter – ist dann nicht
mehr gegeben. Häufig handelt es sich bei
den Schlafbäumen um jüngere Platanen,
die als Brutbäume nicht in Frage kom-
men. Warum eine strikte räumliche Tren-
nung zwischen Schlafplatz und Brutplatz
existiert, ist bislang nicht geklärt.
Es gab von 2003 bis 2008 vier bekann-
te Schlafplätze der Halsbandsittiche in
der Rhein-Neckar-Region: Heidelberg,
Neckarhausen, Mannheim und Ludwigs-
hafen. Der Schlosspark von Neckarhau-
sen wurde nach 2003 allerdings kaum
noch als Schlafplatz genutzt, die Sittiche
fliegen von hier abends Richtung Heidel-
Neue Halsbandsit-
tich-Schlafplätze
in der Rhein-Neckar-Region entdeckt
1 Halsbandsittiche bei der Kopulation. Nur
das mind. 3-jährige Männchen (oben)
zeigt das namengebene Halsband. Die
Paarung kann mehrere Minuten dauern
und wird von einem Ritual eingeleitet. Die
Papageien sind bei der Fortpflanzung sehr
erfolgreich. Der Bestand im Rhein-Neckar-
Gebiet stieg von wenigen Gründertieren
in den 1970er Jahren auf heute fast 4.000
Individuen.
2 Halsbandsittiche am Schlafplatz.
Papageien gehören klassi-
scherweise nicht zu den
heimischen europäischen
Brutvögeln. Seit den 1970er
Jahren hat sich das Bild
deutlich gewandelt. Im
Zuge des Importes von
Wildvögeln haben sich in
vielen europäischen Städ-
ten mittlerweile wilde
Papageien-Populationen
etabliert und kopfstarke
Bestände ausgebildet.
Michael Braun | Ladenburg
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berg ab. In Worms wurde trotz mehrfa-
cher Aufrufe in der Lokalpresse kein ei-
genständiger Schlafplatz in den Jahren
2003 bis 2013 bekannt (Braun 2009).
Die höchsten Dichten der Halsbandsit-
tiche werden in den größeren Städten
gefunden, allen voran in Ludwigshafen,
gefolgt von Heidelberg und Mannheim.
Von Mannheim aus fliegt ein Teil der
Population über den Rhein nach Lud-
wigshafen (Braun 2009).
Gesamtbestand im Rhein-Neckar-
Gebiet
Der Gesamtbestand lag 2003 bei ca.
1.300 Halsbandsittichen (Schlafplätze
im Raum Heidelberg-Mannheim-Lud-
wigshafen), im Jahr 2008 bei ca. 3.000
Tieren (Braun 2009) und liegt mittler-
weile bei ca. 4.000 Tieren (Braun, unver-
öffentl. Daten). Trotz dieser hohen An-
zahl gibt es bislang keine Hinweise, dass
sich die Papageien negativ auf die heimi-
sche Vogelwelt auswirken (Czajka, Braun
et al. 2011). Die Entdeckung von neuen
Schlafplätzen bei dieser gut untersuch-
ten Population ist ein sehr seltenes Ereig-
nis. Gleich zwei neue Schafplatzfunde
werden in diesem Artikel dokumentiert.
Situation in Worms
Worms besitzt eine der ältesten Hals-
bandsittich-Populationen in der Rhein-
Neckar-Region, wo Bruten spätestens
1974, möglicherweise auch schon Ende
der 1960er Jahre stattfanden (Braun
2009). Schlafplätze werden über viele
Jahre hinweg sehr konstant von den
Halsbandsittichen benutzt, dennoch gab
es in Worms keine konkreten Hinweise
auf einen eigenen Schlafplatz. Im
Schlosspark Worms-Herrnsheim haben
zwar einzelne Tiere übernachtet, Hals-
bandsittiche flogen aber in größerer An-
zahl von Worms über Bobenheim/Rox-
heim und Frankenthal zu den Schlafbäu-
men nach Ludwigshafen (Braun 2009).
Ein Hinweis von R. Aumüller führte
letztendlich zum Erfolg. Er beobachtete
im Dezember 2013 größere Schwärme
von Halsbandsittichen im Bereich der Al-
zeyer Straße. Eine Nachsuche ergab tat-
sächlich einen Schlafplatz in der Nähe in
einem beleuchteten Platanenbestand.
Am 18. 8. 2014 konnte in Worms eine
Bestandserfassung im Rahmen der jähr-
lichen Halsbandsittich-Zählung für das
Rhein-Neckar-Gebiet vorgenommen wer-
den. Die Anzahl der Halsbandsittiche
belief sich auf ca. 700 Tiere inklusive
Jungtiere. Damit besitzt Worms zwar
nicht die größten Ansammlungen, aber
immerhin einen beachtlichen Bestand an
Papageien. Wird der Anteil adulter
Männchen von 20 % der Population an-
genommen (s. Braun 2004), ergibt dies
einen Bestand von ca. 140 Brutpaaren
für den Raum Worms.
Situation in Speyer
Nachdem bei systematischen Erhebun-
gen im Jahr 2008 keine Halsbandsittiche
in Speyer gefunden wurden (Czajka
2008), siedelten sich im gleichen Jahr
die ersten fünf Individuen im Domgarten
an (Bruck-Willberg schriftl.). Ein eigener
Schlafplatz in der Nähe des Hafens wur-
de im Jahr 2009 gemeldet (Baumgärtner
schriftl.). Aktuell sind es über 60 Tiere,
die sehr wahrscheinlich auf eine Zuwan-
derung über die Linie Heidelberg-
Schwetzingen-Ketsch zurückgehen. Hier
hat sich also aufgrund der offenbar zu
großen Entfernung von fast 20 km zum
Heidelberger Schlafplatz eine noch rela-
tiv kleine Satellitenpopulation etabliert.
Licht ins Dunkel: Wechsel von
Schlafplätzen
Das Rhein-Neckar-Gebiet besitzt nun ak-
tuell fünf verschiedene Schlafplätze für
Halsbandsittiche. Im Gegenzug zum
Fund des Wormser Schlafplatzes wurden
in Ludwigshafen 2014 deutlich weniger
3 Schlafplatz der Halsbandsittiche in
einem Platanenbestand im Zentrum
von Worms.
4 Schlafplatz der Halsbandsittiche in
einem jungen Platanenbestand in der
Nähe des Hafens in Speyer.
5 Lage der 6 bekannten Halsbandsittich-
Schlafplätze (Sterne) im Rhein-Neckar-
Gebiet von 2003 bis 2014: (1) Worms,
(2) Ludwigshafen, (3) Mannheim, (4)
Neckarhausen, (5) Heidelberg, (6)
Speyer. Der Schlafplatz in Speyer wurde
2009 entdeckt, der in Worms im Jahr
2014. Topografische Karte mit freund-
licher Genehmigung des Landesvermes-
sungsamtes Baden-Württemberg.
6 Fünf junge Halsbandsittiche in einem
Nistkasten. Durchschnittlich werden
vier Eier gelegt und durchschnittlich
fliegen zwei Jungen aus. Bruten mit fünf
Jungtieren sind eine Seltenheit. Papa-
geien, dazu zählen auch die Halsband-
sittiche, reinigen ihr Nest in aller Regel
nicht von Kot. Die Sterblichkeit der
Jungtiere im Nest ist sehr gering, die
Schlupfrate aus den Eiern ist in man-
chen Nestern hingegen sehr niedrig.
Fotos: M. Braun
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Tiere gezählt als in den Vorjahren. Diese
Tatsache deutet womöglich auf eine re-
lativ junge Gründung des aktuellen
Schlafplatzes im Wormser Zentrum hin.
Zumindest scheint ein bedeutender Teil
der Wormser Halsbandsittiche aktuell
nicht mehr nach Ludwigshafen zu flie-
gen, sondern vor Ort zu bleiben. In gro-
ßen Populationen tritt ein Wechsel von
Tieren zwischen verschiedenen Schlaf-
plätzen häufiger auf, z. B. im Raum Hei-
delberg (Braun 2004, Wegener 2007)
oder im Großraum London, wo es mitt-
lerweile an die 30.000 Halsbandsittiche
gibt (A. Lord mündl.). Die Entfernung
von 20 km ist offenbar ein Schwellen-
wert, der bei Speyer die Gründung eines
separaten Schlafplatzes zur Folge hatte.
Die Halsbandsittiche von Worms hinge-
gen fliegen regelmäßig diese Distanz
nach Ludwigshafen zum Schlafplatz
(Braun 2009).
Danksagung
Vielen Dank an alle Helfer bei den Zäh-
lungen und an alle Melder von Hals-
bandsittich-Beobachtungen. Besonderer
Dank im Rahmen dieses Artikels geht an
Martin Baumgärtner und Ralf Aumüller
für die entscheidenden Hinweise zu den
neuen Schlafplätzen.
2110 | 2015 Gefi ederte Welt
[ Literatur ]
Braun, M. (2004): Neozoen in urbanen Habi-
taten: Ökologie und Nischenexpansion des
Halsbandsittichs (Psittacula krameri Scopoli,
1769) in Heidelberg. Diplomarbeit, Philipps-
Universität Marburg.
Braun, M. (2007): „Welchen Einfluss hat die
Gebäudedämmung im Rahmen des EU-Kli-
maschutzes auf die Brutbiologie tropischer
K
ontakt:
Dr.
Michael Braun, E-Mail: psit-
taciden@yahoo.de, Tel. (0176) 22859333
Halsbandsittiche (Psittacula krameri) im ge-
mäßigten Mitteleuropa?“ Ornithologische
Jahreshefte Baden-Württemberg 23 (Heft 2):
39–56.
Braun, M. (2009): „Die Bestandssituation
des Halsbandsittichs (Psittacula krameri) in
Europa, Deutschland und der Rhein-Neckar-
Region (Baden-Württemberg, Rheinland-
Pfalz, Hessen), 1962–2008.“ Vogelwelt 130:
77–89.
Czajka, C. (2008): Haben Neozoen Einfluss
auf die heimische Vogelwelt? Eine Untersu-
chung am Beispiel von Psittacula krameri
(SCOPOLI, 1769) & Sturnus vulgaris (LINNAE-
US, 1758). Zulassungsarbeit, Ruprecht-Karls-
Universität Heidelberg.
Czajka, C., M. Braun and M. Wink (2011): „Re-
source use of non-native ring-necked para-
keets (Psittacula krameri) and native star-
lings (Sturnus vulgaris) in Central Europe.“
The Open Ornithology Journal 4: 17–22.
Wegener, S. (2007): „Verbreitung und Areal-
nutzung der Halsbandsittiche (Psittacula
krameri) in Heidelberg.“ Ornithologische
Jahreshefte Baden-Württemberg 23: 39–55.
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