Content uploaded by Tom Drews
Author content
All content in this area was uploaded by Tom Drews on Aug 20, 2020
Content may be subject to copyright.
EFFEKTIVE AUSWAHL VON ANALYSE- UND
GESTALTUNGSMETHODEN ZUR KONZEP-
TIONIERUNG DER INNERBETRIEBLICHEN
LOGISTIK IN KMU
Prof. Dr.-Ing. Rolf Steinhilper, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Tom Drews, Dipl.-Ing. Oliver Oechsle M.Eng. (FH), Dr.-Ing. Ronny Fritsche
1 Ausgangssituation
1.1 Bedeutung und Trends der Logistik
Die Sichtweise auf die Logistik hat sich in den letzten Jah-
ren stark verändert. In den 60er Jahren wurden unter der
Logistik ausschließlich die reinen Transferaktivitäten
(Transportieren, Umschlagen und Lagern - TUL) verstan-
den, welche hauptsächlich unter Kostenaspekten disku-
tiert worden sind. Inzwischen umfasst die Logistik das
ganzheitliche und interdisziplinäre Management von un-
ternehmensinternen und -externen Wertschöpfungsket-
ten sowie den Aufbau und die Optimierung globaler
Netzwerke unter Einbeziehung der gesamten Kunden-
Lieferanten-Beziehungen [1].
Neben der verstärkten Vernetzung der Kunden und Liefe-
ranten sind andere veränderte Rahmenbedingungen, wie
z. B. die zunehmende Globalisierung, rasanten Weiter-
entwicklungen im Bereich der Informations- und Kom-
munikationstechnologie und verkürzten Produktlebens-
zyklen die Ursache dafür, dass viele Unternehmen massi-
ven Veränderungen und einem steigenden Wettbewerbs-
und Kostendruck ausgesetzt sind.
1.2 Effiziente Logistik
Für die Generierung von Wettbewerbs- und Kostenvortei-
len bildet eine effiziente Logistik eine wichtige Ausgangs-
basis und wird insbesondere für kleine und mittelständi-
sche Unternehmen (KMU) zunehmend zu einem ent-
scheidenden Wettbewerbsfaktor [2], [3]. Eine hohe Logis-
tikeffizienz kann als das oberste Ziel innerhalb des Lo-
gistikzielsystems aufgefasst werden (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Zielsystem der Logistik
(eigene Darstellung in Anlehnung an [4])
Eine hohe Logistikeffizienz wird erreicht, indem auf der
zweiten Ebene eine hohe Logistikleistung sowie geringe
Logistikkosten angestrebt werden [4].
Die Logistikleistung lässt sich im weitesten Sinne durch
den logistischen Servicegrad eines Unternehmens be-
schreiben [5]. Der logistische Servicegrad setzt sich aus
der Liefertermintreue, Liefermengentreue, Lieferfähigkeit,
Lieferflexibilität und Auftragsabwicklungszeit zusammen
[5]. Dies stellt ein quantitativen Indikator dar, mit dem die
zeitnahe und effektive Reaktion auf veränderte Rahmen-
bedingungen und Kundenanforderungen, wie z. B. kürze-
re Lieferzeiten, steigende Liefertermintreue, kürzere Pro-
duktlebenszyklen und kundenindividueller Pro-
duktausprägungen, ausgedrückt werden kann. Abbildung
2 zeigt die signifikanten Ausprägungen, die produzieren-
de KMU hinsichtlich der veränderten Kundenanforderun-
gen zunehmend wahrnehmen.
Abbildung 2: Bewertung der Veränderungen von Kundenan-
forderungen in produzierenden Unternehmen
(eigene Darstellung in Anlehnung an [5])
1.3 Innerbetriebliche Logistik in KMU
Insbesondere Unternehmen des produzierenden Gewer-
bes können durch die engere Verzahnung der Produktion
und Logistik von einem durchschnittlichen gesamtkos-
tenwirksamen Potential von bis zu 10 Prozent bzw. einem
Kosteneinsparpotential von mindestens 2 Prozent des
Umsatzes profitieren [5], [6].
Log ist ike ff izi enz
Log ist ikl eis tun g Log ist ikk ost en
Verf üg-
bar ke it
Pro duk -
tiv it ät
Dur ch-
lau fze it
Lie fe r-
ser vi ce
Bes tan ds -
kos ten
Pro ze ss-
kos ten
Nut zun g
kunden spe zifi scher
Behä lt er 2,8%
Kür zere Li eferz eite n
25,6%
Kund enind iv iduel le
Pro duk ta usp rä gun g
25,2%
Kle inere
Best el lm en gen
16,0%
Änderungen
laufe nde r
Auft räge
6,0%
Aus sag en zum
Auf tr ags stand
und Li efer term in
11,6%
Spe zi el le
Ware nkennzei chn ung
12,8%
164
Für produzierende KMU ist neben der bereits erwähnten
Logistikkosten- und Logistikleistungszielebene der Trend
zu berücksichtigen, dass KMU aufgrund der schwächeren
Marktposition und der beschränkten finanziellen Mög-
lichkeiten kaum in der Position sind, direkt auf globale
Wertschöpfungsketten oder Logistikprozesse Einfluss zu
nehmen. Diese beschränkte Beeinflussbarkeit der Makro-
logistik bedeutet für KMU, dass eine vermehrte Fokussie-
rung auf die Effizienz der eigenen bzw. innerbetrieblichen
Logistikprozesse eine enorme Chance bietet, Kostenein-
sparungspotentiale zu heben [5].
Die Fokussierung auf die eigenen Prozesse spiegelt sich
auch in den zukünftigen Trends in der Logistik in
Deutschland wider (vgl. Abbildung 3). Der Trend mit der
höchsten Bedeutung betrifft die Optimierung der eigenen
Prozesse und zeigt, dass Unternehmen relevante Potentia-
le zur Generierung von Wettbewerbs- und Kostenvortei-
len vor allem in deren unmittelbaren Einflussbereich se-
hen. In diesem Zusammenhang stellen sich jedoch viele
KMU die Frage, wie sich die Aufgaben und deren Potenti-
ale auf Basis eines ganzheitlichen Logistikkonzeptes lösen
bzw. heben lassen.
Abbildung 3: Trends in der Logistik in Deutschland bis 2015
(eigene Darstellung in Anlehnung an [7])
2 Logistikkonzepte
2.1 Gegenstandsbereich und Ziele
Heutzutage liegen die Hauptaufgaben der Logistik in der
Gestaltung, Lenkung und Realisation von unternehmens-
internen und -externen Material- und Informations- und
Werteflüssen. Aufgrund der Tatsache, dass diese Aufga-
ben nahezu alle Unternehmensbereiche betreffen und
zunehmend miteinander vernetzt sind, ist es notwendig
die Aktivitäten und Systemelemente der Logistik nicht iso-
liert zu betrachten, sondern diese in einem Gesamtzu-
sammenhang - einem integrierten Logistikkonzept - zu
sehen [8], [9].
Der integrative und systemorientierte Charakter eines Lo-
gistikkonzeptes zeigt sich insbesondere dadurch, dass die
Abhängigkeiten einzelner Bereiche und Prozesse verdeut-
licht und berücksichtigt werden müssen, damit das Ziel
einer maximalen Logistikeffizienz durch eine maximale
Gesamtleistung mit minimalen Gesamtkosten erreicht
werden kann. Zur Erreichung dieses Ziels ist es zunächst
notwendig die Teilaufgaben und -bereiche festzulegen
und diese zu einer gesamten Wertschöpfungskette zu
verknüpfen [8], [10]. Ein Logistikkonzept baut somit auf
einem systemtheoretischen Ansatz auf und konkretisiert
diesen dadurch, dass die Prozesse der Logistik als Flüsse
von Objekten in Netzwerken interpretiert und zielgerich-
tet gelenkt werden. Die Erstellung eines Logistikkonzeptes
kann demzufolge als die Hauptaufgabe der Logistik auf-
gefasst werden, da das Konzept es generell ermöglicht,
die geforderten Mengen der benötigten Objekte in der
richtigen Zusammensetzung, zur richtigen Zeit und am
richtigen Ort effizient bereitzustellen [9], [11], [12].
Im Bereich der innerbetrieblichen Logistik bedeutet dies
konkret, dass niedrige Bestände und kurze Durchlaufzei-
ten angestrebt werden, damit effizient, bedarfsorientiert
und flexibel gegenüber dem Markt reagiert und unter an-
derem kurze Lieferzeiten realisiert werden können [13].
2.2 Gestaltungsdimensionen und Praktische
Umsetzung in KMU
Die Gestaltung von Logistikkonzepten lässt sich unter an-
derem aufgrund des systemtheoretischen Charakters in
einem unterschiedlichen Konkretisierungsgrad formulie-
ren. Diese Betrachtungsweise spezifiziert die Gestaltung
in verschiedenen Dimensionen. Zum einen gibt es die all-
gemeingültige Gestaltungsdimension, die abstrakte Prin-
zipien der Gestaltung, wie z. B. Kunden-Lieferanten-
Beziehungen oder logistische Integration, beinhaltet. Die
Prinzipien dieser Dimension sind für alle Einflussbereiche
der Logistik gleichermaßen von Bedeutung und im Allge-
meinen gültig. Zum anderen gibt es die objektbezogene
sowie funktionsbezogene Gestaltungsdimensionen. Die
objektbezogene Gestaltungsdimension fokussiert Einzel-
aspekte der Gestaltung und Lenkung von logistischen
Prozessen und umfasst hauptsächlich die traditionellen
logistischen Transferaktivitäten wie Transport, Umschlag
und Lagerung. Zu dieser Gestaltungsdimension zählen
beispielsweise Ansätze wie das Push-, Pull- oder Just-in-
Time-Prinzip. Die funktionsbezogene Gestaltungsdimensi-
on stellt die Effekte der Logistik auf andere Funktionsbe-
reiche entlang der Wertschöpfungskette in den Vorder-
grund. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise die
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Eig ene Pr ozess optim ier ung
Kos ten trans pare nz i. d . Suppl y Cha in
Sich erhei t i. d. L ogist ikk ette
Qua lität u. Pün ktlichk eit
Fle xibi lität i. d. L ogi sti kke tte
Bes chleuni gung d. Auf trags abwick lung
Opt imieru ng d. Bescha ffung slogis tik
Bün delun g d . Transp orte
Red uzier ung d . Lage rbest ände
Ein kauf "ab We rk"
Ele ktron ische Aussch reibun gen
Ein bindun g d. L ogisti k i. d . PE
Umw eltz ertif izi erung
Nut zung v . Ex pres sdiens ten
Gre en Lo gistics
Seh r hohe Bede utung
Hoh e Bede utung
165
verstärkte Logistikorientierung andere Unternehmensbe-
reiche wie z. B. der Produktion hervorgehoben [11].
Die Praktische Umsetzung von Logistikkonzepten erfolgt
zumeist nur in gewissen Teilbereichen eines Unterneh-
mens bzw. der Wertschöpfungskette. Dies ist damit zu
begründen, dass Unternehmen arbeitsteilig agieren und
sich auf ausgewählte Tätigkeits- und Funktionsbereiche
spezialisieren [14].
Im Zusammenhang mit KMU und dem Teilbereich der in-
nerbetrieblichen Logistik ist ein weiterer Grund für die
geringere Umsetzungsquote, dass die Bedeutung der Lo-
gistik sowie die Möglichkeiten, die sich durch eine effizi-
ente Gestaltung der Logistikprozesse durch geeignete
Methoden ergeben, noch nicht umfassend genug be-
kannt sind [5]. Zusätzlich wird die Produktionslogistik in
KMU aufgrund des schwach ausgeprägten Systemden-
kens kaum als eine Managementaufgabe wahrgenom-
men und die damit einhergehenden Teilbereiche der Lo-
gistik, wie z. B. Produkt, Prozess, Technik oder Organisa-
tion weder ausgewogen und noch ganzheitlich betrachtet
[10], [15]. Diese Sichtweise führt außerdem dazu, dass die
komplexen Wirkungszusammenhänge zwischen den Ein-
fluss- und Zielgrößen (vgl. Abbildung 4) in der innerbe-
trieblichen Logistik nicht effektiv analysiert und folglich
Logistikkonzepte in KMU nicht systematisch umgesetzt
sind [5], [16].
Abbildung 4: Beispielhafte Wirkungszusammenhänge von Ein-
fluss- und Zielgrößen in der innerbetrieblichen Logistik
(eigene Darstellung)
3 Vorgehensweise zur Konzeptionierung der
innerbetrieblichen Logistik
3.1 Beschreibung der Vorgehensweise
Zur systematischen Umsetzung von Logistikkonzepten in
KMU wurde eine spezifische Vorgehensweise entwickelt,
die zur effektiven Auswahl von Analyse- und Gestal-
tungsmethoden eingesetzt werden kann. Diese nachvoll-
ziehbare und transparente Vorgehensweise setzt sich aus
fünf Modulen zusammen (vgl. Abbildung 5). Während
der Entwicklung der Vorgehensweise wurde der praxisna-
he und komplexitätsreduzierende Charakter in den Mit-
telpunkt gestellt, um das Systemverständnis zu steigern.
Abbildung 5: Modularer Aufbau der Vorgehensweise
(eigene Darstellung)
Das erste Modul dient als Einstieg in die Konzeptionie-
rung und startet mit der Erhebung von logistikrelevanten
Unternehmensdaten. Hierfür wurde eine KMU-gerechte
und standardisierte Erhebungssystematik entwickelt, um
frühzeitig das Wissen der Experten zu berücksichtigen.
Mit dieser Systematik lassen sich in Gesprächen mit den
Entscheidern in KMU, zum einen globale Unternehmens-
daten, wie z. B. Umsatz, Personal- oder Produktstruktur-
daten, ermitteln. Zum anderen werden logistikrelevante
Unternehmensdaten, wie z. B. Bestände in den Lagerstu-
fen, Prozessabläufe, Variantenanzahl oder Materialfluss-
strukturen erhoben. Es hat sich gezeigt, dass bei der Be-
fragung die Mehrzahl der Schätzungen der Entscheider in
KMU im ersten Schritt völlig ausreichend sind [5]. Unter-
stützt wird diese Herangehensweise dadurch, dass die
eingesetzten Softwaresysteme in produzierenden KMU
nur unzureichend logistikrelevante Daten, wie z. B.
Durchlaufzeiten, Umschlagshäufigkeiten etc., erfassen
und abbilden. Meist liegt der Fokus der eingesetzten Sys-
teme auf der Abbildung von Produktions-, Beschaffungs-
und Verwaltungsprozessen und lässt daher kaum eine
systembezogene detaillierte logistische Betrachtung zu.
Im zweiten Modul werden die aus der vorhandenen IT-
Systemlandschaft generierbaren Unternehmensdaten im
Hinblick auf elementare Zusammenhänge in und zwi-
schen den Gestaltungsfeldern (Produkt, Prozess, Technik
und Organisation) analysiert. Hierbei gilt es die Erkennt-
DB
MODU L 1
Erhe bung
MODU L 3
Bench mar king
MODU L 2
Date nanal ys e
MODU L 4
Anal ys emet hod en
Prod ukt Proz es s O rga nis ati on Tec hni k
FMEA
ABC-Analy se
Port folioa nalys e
REFA-und
Multi moment-
aufna hmen
XYZ-Anal yse
Wertanalyse
Stoffstromanalyse
Vari ante nbaum
…
Wertstromanalyse
FMEA
REFA-und
Multim oment-
aufna hmen
Tra nsport -und
Materialflussanalyse
Rüsta nalys e
Tak tzei tdiagr amm
Simulation
Stoffstromanalyse
Sel bsta ufschrei bung
…
Wertstromanalyse
Ishikawa
Inform ations -
fluss anal yse
Busines s Pr oces s
Reengi neer ing
Lie ferant enbewe rtung
Kundenana lys e
IuK-Anal yse
Sel bsta ufschrei bung
…
Ishikawa
Rüsta nalys e
Tak tzei tdiagr amme
Simulation
OEE
IuK-Anal yse
Ener giebeda rf und –
mess ung
…
MODU L 5
Gest alt ung sme tho den
Prod ukt Proz es s O rga nis at ion Te chni k
Materialeffizienz
Kaizen
…
PokaYok e
Wertstromdesign
…
5S
LeanAdm inist rat ion
…
SMED
Jidoka
…
Organ is atio n
Techn ikProd ukt
Proz ess
166
nisse aus Modul eins durch weiterführende Detailanalysen
zu verifizieren und zu validieren. Dies berücksichtigt unter
anderem die Konsistenz und Qualität der Unternehmens-
daten und liefert auch bei der nur teilweisen Verfügbar-
keit von relevanten Daten, wie z. B. Stamm- und Bewe-
gungsdaten, verwertbare Analyseergebnisse (Absatzzah-
len, saisonale Schwankungen, Umsatzverteilungen etc.).
Das dritte Modul liefert, basierend auf den Erhebungsda-
ten des Moduls eins und der weiterführenden Analyse im
Modul zwei, eine objektive Darstellung des aktuellen Zu-
stands der innerbetrieblichen Logistik. Der Zustand wird
durch ein branchenspezifisches Benchmarking und die
Gegenüberstellung von Kennzahlen abgebildet. Für das
weitere Vorgehen ist insbesondere das Benchmarking von
Interesse, da diese aggregierte Darstellung von logisti-
schen Einflussgrößen (Durchlaufzeit, Materialflussstruktur,
Bestände, etc.) es dem Entscheider in KMU ermöglicht,
aktuelle Defizite und mögliche Handlungsalternativen zu
identifizieren. Das Ergebnis dieses Moduls ist die Zusam-
menfassung der logistischen Einflussgrößen zu aggregier-
ten Gestaltungsfeldern mit überdurchschnittlichem Opti-
mierungspotential. Diese ermittelten Gestaltungsfelder
sind Ausgangspunkt für die Anwendung der nachfolgen-
den Analysemethoden.
Das vierte Modul liefert anschließend einen Beitrag zur
detaillierten Analyse auf Basis einer ausgewählten Zuord-
nung von KMU-gerechten Analysemethoden. Durch diese
Auswahl und Zuordnung von Analysemethoden wird dem
Entscheider in KMU ein konkreter Vorschlag unterbreitet,
wie, d. h. durch welche Methoden, die Potentiale in dem
betreffenden Gestaltungsfeld analysiert bzw. aufgedeckt
werden können. Basierend auf den Datenanalysen in den
Modulen eins und zwei sowie dem Benchmarking im
Modul drei ist es möglich, dem Entscheider eine Metho-
denauswahl zu Verfügung zu stellen, welche für seinen
Anwendungsfall die effektivsten Alternativen darstellt.
Abgeschlossen wird das Vorgehen durch das fünfte Mo-
dul, welches analyse- und situationsabhängig auf eine
Menge an möglichen Gestaltungsmethoden zurückgreift.
3.2 Reflexion der Vorgehensweise
Mit der hier vorgestellten und in Fallstudien validierten
Vorgehensweise ist es für KMU erstmals möglich eigen-
ständig oder mit externer Unterstützung über die Module
eins bis drei die Potentiale in der innerbetrieblichen Logis-
tik zu identifizieren. Anschließend erfolgt ein Vorschlag
für geeignete Analysemethoden, die für das Unterneh-
men und dessen Gestaltungsfelder die effektivsten Analy-
semethoden darstellen.
Die Effektivität der Vorgehensweise zeichnet sich dadurch
aus, dass die Analysephase stufenweise aufgebaut ist und
die detaillierte methodisch strukturierte Analyse erst er-
folgt, wenn die Gestaltungsfelder mit den größten Poten-
tialen ermittelt sind. Dieser Ansatz begrenzt die Vielfalt an
Analysemethoden für den Entscheider und führt diesen
kontinuierlich in den Problemlösungsprozesses ein und
verhindert damit die aufwendige Analyse von Gestal-
tungsfeldern ohne nennenswertes Optimierungspotential.
4 Praxisbeispiel
Im nachfolgenden Praxisbeispiel wird die Vorgehensweise
und deren Vorteile zur effektiven Auswahl an Analyse-
und Gestaltungsmethoden bei der Konzeptionierung der
innerbetrieblichen Logistik anhand eines Unternehmens
vorgestellt. Das Unternehmen ist im Bereich Werkzeug-
bau tätig und wird aufgrund veränderter Kundenanforde-
rungen und Marktbedingungen mit immer höheren An-
forderungen im Bereich der innerbetrieblichen Logistik
konfrontiert. Dies äußerte sich bei dem Unternehmen in
Form von kleineren Bestellmengen, kürzeren Lieferzeiten
und neuen bzw. veränderten Distributionskanälen.
Das primär produzierende Unternehmen sieht seine Kern-
kompetenzen im Bereich des Werkzeugbaus für Kunst-
stoffspritzgussanlagen. Logistische Problemstellungen
stellten in der Vergangenheit keine komplexen Problem-
stellungen dar und wurden daher nicht systematisch,
sondern eher operativ gelöst. Ein typisches Beispiel hierfür
ist die Anschaffung eines zusätzlichen Flurförderfahrzeu-
ges, um ein steigendes internes Transportaufkommen zu
bewältigen.
Die zuvor beschriebenen Veränderungen betreffen primär
den Lager- und Kommissionierbereich. Die von dem Un-
ternehmen selbst ermittelte und favorisierte Lösung zur
Gestaltung war sehr technikorientiert und lag somit im
Kontext der hier vorgestellten Vorgehensweise im Gestal-
tungsfeld Technik. Dies hätte eine Investition in teilauto-
matisierte Lösungen auf dem neuesten Stand der Technik
bedeutet, wie z. B. Lagerlifte oder Lagerpaternoster. Die
Integration dieser favorisierten Techniklösung stellte das
Unternehmen vor Probleme, da die Analyse- und Gestal-
tungsphase nicht ganzheitlich betrachtet wurde. Dabei
wurden elementare Zusammenhänge nicht berücksichtigt
und die Analysephase beschränkte sich auf rudimentäre
Schätzungen und Intuitionen der Entscheider.
Eine neue Betrachtung der Aufgabenstellung mit der hier
vorgestellten Vorgehensweise führt den Entscheider dazu
indirekt bzw. unterbewusst in logistischen Dimensionen
und Zusammenhängen zu denken. Das Denken in syste-
mischen Zusammenhängen beginnt mit der Erhebung,
Datenanalyse und Benchmarking. Die erhobenen Daten
umfassen z. B. Anzahl Logistik Mitarbeiter im Lager- und
Kommissionierbereich, Pickeinheiten, Anzahl Warensen-
167
dungen, etc. Die Ergebnisse dieser Datenauswertung und
Erhebung wurden aggregiert und lieferten eine andere
Einschätzung der Ist-Situation und möglicher Potentiale
(vgl. Abbildung 6).
Abbildung 6: Potentialdarstellung der Gestaltungsfelder im
Vergleich zur Ist-Situation auf Basis des Benchmarking
(eigene Darstellung)
Daraus resultiert, dass gegenüber der Annahme des Un-
ternehmens das Gestaltungsfeld Technik weniger als
Ausgangspunkt für eine detaillierte Analyse geeignet ist,
da hier eine geringere Lücke zwischen der Ist-Situation
und dem möglichen Potential besteht. Aufgrund der er-
mittelten Potentiale, bedeutet dies für das weitere Vorge-
hen zur effektiven Auswahl von Analyse- und Gestal-
tungsmethoden, dass die Gestaltungsfelder Prozess und
Organisation zu fokussieren sind (vgl. Abbildung 7).
Abbildung 7: Anwendung der Vorgehensweise im
Kommissionierbereich eines Unternehmens des Werkzeugbaus
Durch diese Fokussierung wird dem Entscheider eine de-
finierte Auswahl von Analysemethoden zur Verfügung
gestellt, mit denen eine effektive Auswahl, d. h. die rich-
tige Methode zur Ermittlung der vorhandenen Potentiale,
erfolgen kann.
Für den hier dargestellten Anwendungsfall wurden die
Methoden der Wertstrom-, Informationsfluss- sowie
Transport- und Materialflussanalyse eingesetzt. Die Wahl
der Analysemethode ist situations- und unternehmensab-
hängig. Die Vorgehensweise gibt jedoch einen definierten
Rahmen innerhalb des komplexen Umfeldes der Analyse-
methoden vor und reduziert die Wahrscheinlichkeit einer
falschen Auswahl einer Analysemethode.
Durch diese schrittweise und transparente Analyse in den
Modulen ein bis vier hat das Unternehmen Gestaltungs-
methoden aus dem Gestaltungsfeld Prozess und Organi-
sation (Modul fünf) als zweckmäßiger empfunden als die
Investition in neue Logistik-Technik. Zur Gestaltung wur-
den Elemente aus dem Wertstromdesign und des Lean
Administration genutzt, um die nicht effizienten Abläufe
in den Gestaltungsfeldern Prozess und Organisation zu
eliminieren sowie die Transport- und Informationsflüsse
an die neuen Kundenanforderungen anzupassen. Bezo-
gen auf die anfängliche Beschreibung der Ist-Situation
erfolgte somit eine prozess- und organisationsgeprägte
Konzeptionierung der innerbetrieblichen Logistik. Dies
bedeutet, dass entgegen des zunächst favorisierten High-
tech-Logistikkonzeptes eine Lowtech-Variante realisiert
wurde, die sich durch die Veränderungen und Standardi-
sierungen der bestehenden Prozesse sowie der Umvertei-
lung und Transparenz der Aufgaben innerhalb der Orga-
nisation auszeichnet.
5 Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag liefert einen Ansatz für eine vali-
dierte Vorgehensweise zur effektiven Auswahl von Analy-
se- und Gestaltungsmethoden zur Konzeptionierung der
innerbetrieblichen Logistik in KMU.
Die Effektivität des Vorgehens zeigt sich dadurch, dass die
Analysephase, Modul eins bis drei, zunächst näher be-
trachtet wird und somit eine detaillierte Analyse erst er-
folgt, wenn der Betrachtungsgegenstand (Gestaltungs-
feld) hinreichend genau bestimmt ist. Hierdurch wird das
Richtige Gestaltungsfeld lokalisiert und analysiert, was
nachfolgend die Gestaltung eines Logistikkonzeptes ver-
einfacht und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen
Umsetzung in KMU erhöht.
Die Anwendung dieser Vorgehensweise in der Praxis
zeigt, dass über die Module eins bis drei die Entscheider
von Beginn an in die Erarbeitung einer Lösung eingebun-
den sind. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass die
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
11
77
44
1010
TechnikProdukt
Proze ss Organisati on
An al y si ert e
Ist-S it uation
Ermitt el te
Pote nt iale
DB
MODU L 1
Erhe bung
MODU L 3
Bench mar king
MODU L 2
Date nanal ys e
MODU L 4
Anal ys emet hod en
Prod ukt Proz es s O rga nis ati on Tec hni k
FMEA
ABC-Analy se
Port folioa nalys e
REFA-und
Multi moment-
aufna hmen
XYZ-Anal yse
Wertanalyse
Stoffstromanalyse
Vari ante nbaum
…
Wer ts tr oman aly se
FMEA
REFA-und
Multim oment-
aufna hmen
Tran sport -un d
Mat eri alf lu ss anal yse
Rüsta nalys e
Tak tzei tdiagr amm
Simulation
Stoffstromanalyse
Sel bsta ufschrei bung
…
Wer ts tr oman aly se
Ishikawa
Inf orm ati ons -
fl uss anal ys e
Busines s Pr oces s
Reengi neer ing
Lie ferant enbewe rtung
Kundenana lys e
IuK-Anal yse
Sel bsta ufschrei bung
…
Ishikawa
Rüsta nalys e
Tak tzei tdiagr amme
Simulation
OEE
IuK-Anal yse
Ener giebeda rf und –
mess ung
…
MODU L 5
Gest alt ung sme tho den
Prod ukt Pro zes s O rga nis at ion Te chni k
Materialeffizienz
Kaizen
…
PokaYok e
Wer ts tr omde si gn
…
5S
Lean A dmini st rati on
…
SMED
Jidoka
…
Organ is atio n
Techn ikProdu kt
Proz ess
P
r
o
d
u
k
t
FMEA
ABC
-
Analy se
Port folioa nalys e
REFA
-
und
Multi moment
-
aufna hmen
XYZ
-
Analy se
Wertanalyse
Stoffstromanalyse
Vari ante nbaum
…
T
e
c
h
n
i
k
Ishikawa
Rüsta nalys e
Tak tzei tdiagr amme
Simulation
OEE
IuK
-
Analy se
Ener giebeda rf und
–
mess ung
…
P
r
o
d
u
k
t
Materialeffizienz
Kaizen
…
T
e
c
h
n
i
k
SMED
Jidoka
…
168
Lücke zwischen der Problemwahrnehmung und dem
Problemlösungsansatz verringert wird sowie eine Sensibi-
lisierung hinsichtlich logistischer Fragestellung im Kontext
eines systematischen Ansatzes erfolgt. Weiterhin wird das
Verständnis der Methoden und das Wissen über deren
Einsatzgebiete gefördert.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Effektivi-
tät in der Konzeptionierung der innerbetrieblichen Logis-
tik von KMU entscheidend durch die aufwandsarme Ana-
lyse, die einer der Ist-Situation entsprechenden Ermittlung
von Potentialen und die Identifikation von Gestaltungsfel-
dern geprägt ist.
6 Literatur
[1] Baumgarten, H. (Hrsg.) (2008): Das Beste der Logistik -
Innovationen, Strategien, Umsetzungen. Springer-Verlag.
Berlin, Heidelberg. 2008.
[2] Arnold, D./Isermann, H./Kuhn, A./Tempelmeier,
H./Furmans, K. (Hrsg.) (2008): Handbuch der Logistik. Ber-
lin, Heidelberg: Springer-Verlag. 2008.
[3] Baumgarten, H./Walter, S. (2000): Trends und Strate-
gien in der Logistik 2000+ - Eine Untersuchung der Logis-
tik in Industrie, Handel, Logistik-Dienstleistung und ande-
ren Dienstleistungsunternehmen. Berlin. 2000.
[4] Sesterhenn, J./Röder, A./Strigl, T./Colsman, R. (2003):
Das LogiBEST-Konzept. In: Luczak, H./Weber, J./Wiendahl,
H.-P. (Hrsg.): Logistik-Benchmarking - Praxisleitfaden mit
LogiBEST. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. 2003.
S. 29-130.
[5] Steinhilper, R./Köhler, D./Oechsle, O. (2011): Wert-
schöpfende Produktionslogistik - Status Quo, Trends und
Handlungsansätze zur Gestaltung der Produktionslogistik
in KMU. Leinfelden: Fraunhofer Verlag. 2011.
[6] Rinza, T./Schenk, A./Mandelartz, J./Dombrowski,
U./Schürer, S./da Silva Matos, I./Schulze, S. (2010): Stand-
ortvorteil Deutschland - Erfolgsfaktor integrierte Produkti-
on & Logistik. Neu Isenburg, Berlin, Düsseldorf, Braun-
schweig. 2010.
[7] BME e.V./DHBW Lörrach (2010): Bedeutung von Lo-
gistiktrends in Deutschland bis zum Jahr 2015. Frankfurt,
Lörrach, Hamburg. Deutsche Logistik-Zeitung. 2010.
[8] Ehrmann, H. (2008): Logistik. Ludwigshafen. Friedrich
Kiehl Verlag. 2008.
[9] Gudehus, T. (2010): Logistik. Grundlagen - Strategien
- Anwendungen. Berlin, Heidelberg. Springer-Verlag.
2010.
[10] Pfohl, H.-C. (2010): Logistiksysteme. Betriebswirt-
schaftliche Grundlagen. Berlin, Heidelberg. Springer-
Verlag. 2010.
[11] Klaus, P./Krieger, W. (2008): Gabler Lexikon Logistik.
Management logistischer Netzwerke und Flüsse. Wiesba-
den. Gabler. 2008.
[12] Straube, F. (2004): e-Logistik. Ganzheitliches Lo-
gistikmanagement. Berlin, Heidelberg. Springer-Verlag.
2004.
[13] Pawellek, G. (2007): Produktionslogistik. Planung -
Steuerung - Controlling. München. Carl Hanser-Verlag.
2007.
[14] Witte, H. (2007): Allgemeine Betriebswirtschaftsleh-
re. Lebensphasen des Unternehmens und betriebliche
Funktionen. München. Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
2007.
[15] ten Hompel, M./Schmidt, T./Nagel, L. (2007): Materi-
alflusssysteme. Förder- und Lagertechnik. Berlin, Heidel-
berg. Springer-Verlag. 2007.
[16] Dombrowski, U./Herrmann, C./Lacker, T./Sonnentag,
S. (2009): Modernisierung kleiner und mittlerer Unter-
nehmen. Ein ganzheitliches Konzept. Berlin, Heidelberg.
Springer-Verlag. 2009.
169