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Virtuelle Instrumente in der Praxis VIP 2016
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Forschung und Lehre
Steuerung eines Detektors durch LabVIEW für
Zellexpositionsstudien
Pierre Madl, Benjamin Lehner, Philipp Meyer, Paolo Sereni
Universität Salzburg, Institut für Physik & Biophysik, Salzburg, Österreich
Kurzfassung
Die hier beschriebene Arbeit befasst sich mit dem in Fertigstellung befindlichen „Kohärenz-
monitor“ für die schnelle Erfassung von ultra-schwachen elektromagnetischen Emissionen
aus biologischen Proben. Dafür wurde sowohl für Kern- als auch für Peripherie-Komponen-
ten eine spezifische Steuerung programmiert, welche in der Lage ist, Photonenverfielfacher,
Temperaturregelung, elektromechanische Blenden, LED-Kaskade und Stroboskop anzusteu-
ern. Durch die Steuerung sind zwei elementare Messmodi (spontaner und induzierter) reali-
sierbar, welche die Emissionen der Lebendproben charakterisieren. Die gesamte Programm-
struktur wurde in LabVIEW 2013 entwickelt.
Abstract
The article describes a finalized “coherence monitor” which is able to detect ultra-weak
electromagnetic emissions originating from biological samples in almost real-time. Due to
specific hardware requirements, a tailor-made software-solution was developed, which
controls a photo multiplier, temperature and relative humidity sensors, electro-mechanical
shutters, and an illumination source consisting of four-color LEDs as well as a strobe-light.
The software is designed to enable two fundamental but distinct modes of operation (spon-
taneous and induced) in order to characterize living samples. The whole software is written
in LabVIEW 2013.
Photonenemissionen von Lebendproben
Im Unterschied zur Chemo- oder Biolumeneszenz, kennt man in der Biologie auch noch
elektromagnetische Emissionen, welche um zwei bis vier Größenordnungen schwächer sind
als erstgenannte. Das Phänomen liegt fast allen Lebensformen zugrunde und betrifft einen
Emissionsbereich von λ = 200 nm bis 800 nm, wobei die Flussrate (bei Zellkulturen im
spontanen Emissionsmodus) typischerweise bei ~1 Photon × cm-2 × s-1 liegt. Dieser Photo-
nenfluss nimmt zu, je komplexer die Probe strukturiert ist und kann ~100e Photo-
nen × cm-2 × s-1 erreichen. Im induzierten Messmodus erzielt man sogar ein Vielfaches
davon. Aufgrund des biogenen Ursprungs, werden diese ultra-schwachen Emissionen auch
Biophotonen genannt. [1]
Einsatzbereiche dieser Technologie
Lebendproben emittieren „schwache“ Photonenströme aus zwei unterschiedlichen Gründen.
Neben den reaktiven Sauerstoff-Spezies (ROS-spezifisch) [2], stellt die Emission durch De-
kohärenz [3] die zweite große Emissionsgruppe dar. Für den hier in Fertigstellung befindli-
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chen Detektor, soll nicht auf die Unterschiede der zugrunde liegenden Mechanismen einge-
gangen, sondern der Fokus auf das Messprinzip bzw. die Ansteuerung selbst gelegt werden.
Die nicht-invasive und innert Minuten durchführbare Detektion dieser zellspezifischen Sig-
nale ermöglicht die Untersuchung: i) physiko-chemischer Stresseinwirkung auf biologische
Proben (Vitalität); ii) der intra-zellulären Biokommunikation während der Ontogenese; iii)
der Korrelation von Metabolismus und neg-/Entropie; iv) der interzellulären Biokommuni-
kation bei mehrzelligen Proben sowie v) in der Systemtheorie; und vi) des Einflusses toxis-
cher Stoffe in Vielzellern zudem kann sie vii) dazu benutzt werden zwischen konventionell
und biologisch gezogenen Lebensmitteln zu unterscheiden.
Das hier vorgestellte System erfüllt eine Vielzahl von verschiedenen Anforderungen, denn
es erlaubt nicht nur die Erfassung biogener Photonen, sondern auch, Stressoren gezielt auf
die Proben zu bringen und die daraus resultierende Reaktionsdynamik anhand des Emissi-
onsspektrums zu studieren. Bild 1 veranschaulicht das Konzept. [3] Dabei wurden die
Emissionen von Flechten im induzierten Emissionsmodus erfasst; d. h. die Probe wurde im
Vorfeld einer jeden Messung für 60 s einem weißen, roten sowie UV-Licht ausgesetzt bzw.
mit einer 5 %-Essig-Aerosol-Lösung benebelt – Letzteres führte zu einem klaren Abfall der
Signalintensität (Vitalitätsverlust).
Bild 1: Flechtenemissionen (Peltigera sp.) unter variierenden Anregungs-Wellenlängen im induzierten
Messmodus. Weißlicht-Datenreihe mit hyperbolischer und exponentieller Funktion unterlegt. Markanter
Photonenfluss-Rückgang der mit Weißlicht angeregten Flechte nach Behandlung mit verdünntem
Essigaerosol. [4]
Detektorsystem
Das Detektionssystem ist schematisch in Bild 2 dargestellt. Das System lässt sich in zwei
verschiedenen Messmodi betreiben, i. e. a) spontanem Emissions-Modus (Messung der dun-
kel-angepassten Probe ohne vorausgehende elektromagnetische Anregung) und b) indu-
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zierter Modus (der Messung geht eine mono- oder polychromatische elektromagnetische
Stimulation der Probe über eine klar definierte Zeitdauer voran). Im letzteren Fall erfolgt
die Anregung durch eine Vier-Farben-LED-Kaskade oder einen Breitband-Emittenten (Stro-
boskop).
Anforderungen
Die Kernkomponente bildet der Photonenvervielfacher (PMT), der separat über eine USB-
Schnittstelle mit dem Rechner kommuniziert. Aufgrund der hohen Empfindlichkeit, darf der
Detektor nur unter photonenarmen Bedingungen betrieben werden. Daher muss die Mess-
kammer mit Abschottungselementen, in Form von elektromechanischen Blenden bestückt
sein. Um den Detektor möglichst versatil einsetzen zu können, bedient sich die Steuerung
zweier myDAQ-Schnittstellen, die mit der Peripherie interagieren; z. B. müssen bei Exposi-
tionsversuchen mit Gasen/Aerosolen die Zuleitungsblenden invers zur PMT-Blende
geschaltet sein. Wird das System im induzierten Modus betrieben, so sprechen die Schnitt-
stellen die Lichtquellen (RBG-UV-LED oder Stroboskop) nur dann an, wenn die PMT-
Blende ebenso geschlossen ist. Weiters benötigen gewisse biologische Proben konstante
Bedingungen, damit keine durch die Apparatur induzierten abiotischen Messartefakte
generiert werden (Temperatur-Schwankungen während der Messung führen zu Fluktuatio-
nen im Zellmetabolismus). Daher ist die Messkammer über ein Peltier-Element und einen
PT-1000-Sensor in ihrer Temperatur stabilisiert. Nebenbei erfasst das System laufend die
Luftfeuchte der Messkammer. All diese Funktionen werden durch die myDAQs bedient.
Bild 2: Schematischer Überblick des Detektorsystems [5]
Steuerung
Wie in Bild 3 angeführt, werden einige parallel laufende Regel-, Mess- und Kontrol-VIs be-
trieben. Diese lassen sich grob in die Kategorien „Shutter-, LED, „Strobe-“, „Detector-“ und
„Temp-rH“ untergliedern.
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Bild 3: Prozessdiagramm der LabVIEW-Detektorsteuerung.
Blenden (Shutter)
Die Steuerung ermöglicht dem Benutzer, die Blenden über einen manuellen Modus indivi-
duell zu öffnen/schließen, oder selbige in einem automatischen Modus mit klar definierten
Zyklen zu betreiben. In manchen Experimenten ist außerdem die manuelle Kontrolle der
Blenden unerlässlich. Sowohl im automatischen als auch im manuellen Modus ist die Steu-
erung darauf ausgerichtet, die PMT-Blende über die myDAQ-I nur dann zu öffnen, wenn
die seitlichen Blenden (für Gas-Aerosol-Expositionen) geschlossenen sowie die Anregungs-
elemente für den induzierten Messmodus (LED-Kaskade oder Stroboskop) deaktiviert sind.
Die PMT-Blende stellt die wichtigste (Sicherheits-)-Barriere zwischen dem PMT und der
umgebenden Lichtintensität dar.
Temperatur und relative Feuchte (Temp-rH)
Über zwei analoge, an der myDAQ I angeschlossene PT-100-Sensoren sowie ein Feuchte-
modul am myDAQ II, werden sowohl relative Feuchte und Temperatur in der Messkammer
als auch die Temperatur direkt am Peltier-Element erfasst. In weiterer Folge dient ein „sim-
ple_PID.vi” zur Regulation des Peltier-basierten Kühl-Heizmoduls. Der Wert der Konstanten
(Proportional-, Integral- und Differential-Regler) wird über die Ziegler-Nichols-Methode
bestimmt. Die Zieltemperatur der Kammer wird am Beginn der Experimente festgelegt. Der
aktuelle Wert für den Erwärmungs- bzw. Abkühlzyklus am Peltier-Element wird dem
Benutzer in Echtzeit angezeigt.
Induzierter Messmodus (via LEDs oder Stroboskop)
Vier unterschiedliche Hochleistungs-LED-Kaskaden (je 12 x R: 625 nm, G: 520 nm,
B: 462 nm und UV 365 nm mit jeweils 1 W/LED) kommen beim induzierten Messmodus
zum Einsatz. Neben dieser Vier-Farben- steht auch eine Breitband-Anregung per Strobos-
kop zur Verfügung. Die Lichtquellen müssen daher, noch bevor die PMT-Blende geöffnet
wird, dunkelgeschaltet sein, da sonst der PMT irreversibel geschädigt wird. Um das zu ver-
meiden, sind mehrere Sicherheitsbarrieren im Programm realisiert. Die Stärke der LED-
Intensität lässt sich per Pulsweitenmodulation kontinuierlich über das myDAQ II einstellen.
Die entsprechende Farbe/Farbmischung der LED-Kaskade wird über vier Digital-IOs ange-
wählt bzw. die Blitzfrequenz des Stroboskops (in vier Stufen über einen Dekoder) mit zwei
Digital-IOs vorgegeben. Zur sicheren Ansteuerung der beiden Lichtquellen, steuert selbiges
myDAQ mit jeweils einer separaten Freigabe-IO diese Peripherie an.
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Erfassung der Photonenemissionen (Detector)
Das „Detector.vi“ ist ein vom Hersteller bereitgestelltes Programmelement, welches zusam-
men mit dem PMT, dem dazugehörigem Kühlaggregat sowie dem Hochspannungsnetzteil
und den passenden signalverarbeitenden Komponenten (Verstärker, Zähleinheit kombiniert
mit Diskriminator, TTL-Konverter) geliefert und in die Gesamtlösung bereits integriert
wurde. [6] Dieses Gesamtpaket (inklusive obiger Peripherie) ist so konzipiert, dass aus-
schließlich das Zählen der Lichtpulse während eines vom Benutzer vorgegeben Zeitfensters
mit einer entsprechenden Abtastrate möglich ist (ms, s, min, h). Die Systemlogik besteht
aus einer normalen „State Machine“, die eine grafische Darstellung erstellt und mittels glo-
baler Variable diese an das „Main.vi“ überträgt. Die Datenerfassung startet sofort, nachdem
Temperatur und Zielpfad (Speicherverzeichnis der generierten Daten) festgelegt wurden und
läuft bis zum Abschalten des „Measurement.vi“. Bei der Aktivierung des „Global Stop“ wer-
den auch alle aktiven Sub-VIs deaktiviert.
Da die Datenflussstruktur von LabVIEW eine sehr einfache Umsetzung derlei parallel lau-
fender Schleifen ermöglicht, arbeiten das „Detector.vi“ und die verschiedenen Kontroll-VIs
gleichzeitig. Dies war mit ein Grund dafür, LabVIEW als Entwicklungsumgebung zu nutzen.
Zusammenfassung
Ähnliche Grafen wie in Bild 2 gezeigt lassen sich bereits mit diesem System routinemäßig
generieren. Derzeit befindet sich das System im Prototyp-Status und erste Testmessungen
mit biologischen Proben sind bereits erfolgreich durchgeführt worden.
Literatur
[1] A. G. Gurwitsch, L. D. Gurwitsch: 1943. Twenty Years of Mitogenetic Radiation: Emer-
gence, Development, and Perspectives. Uspekhi Sovremennoi Biologii 16. S. 305–
334. (English translation: 21st Century Science & Technology. 1999, Vol. 12 (3): S. 41
–53)
[2] M. Cifra, P. Posposil: Ultra-Weak Photon Emission from Biological Samples: Defini-
tion, Mechanisms, Properties, Detection and Applications. In: J Photochem Photobiol
B. Vol. 139. 2014. S. 2– 10
[3] M. Bischof, E. DelGiudice: Communication and Emergence of Collective Behavior in
Living Organisms: A Quantum Approach. In: Mol. Biol. Int. 2013
[4] P. Madl, P. Kolarž, E. Del Giudice, A. Tedeschi, A. Hartl, M. Gaisberger, W. Hofmann:
Formation of Coherence Domains for Aerosolized Water Molecules at Alpine Water-
falls – Part 1. Sixth Annual Conference on the Physics, Chemistry and Biology of Wa-
ter, Vermont (USA), 2011. http://biophysics.sbg.ac.at/poster/wc-madl-2011-a.pdf (Zu-
griff: Juni’16)
[5] P. Madl: Detection and Measurement of Biogenic Ultra-Weak Photon Emission. In:
D. Fels, M. Cifra, F. Scholkmann (Hrsg): Fields of the Cell. 2015. S. 55–69
[6] System Configuration According to Electron Tubes Inc.: PC-Software for Photon
Counting with CT2 Counter Timer, Supplemented with the Corresponding LabVIEW-
Driver. Uxbridge, England: ET-Enterprises Ltd