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TITEL-THEMA
Der Lebenszyklus der Kirschessigfliege
Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii stammt ursprünglich aus Asien. Wie die seit jeher
hier heimischen Drosophila-Arten gehört sie zu den Obst-, Essig- oder Taufliegen. Im Jahre
2009 wurde ihr Auftreten erstmalig in Europa festgestellt. Seit dem Jahre 2014 ist sie auch in
den Weinbergen an der Luxemburger Mosel verstärkt anzutreffen. Das Gemäßigte Klima in
Luxemburg ist für den Lebenszyklus der Kirschessigfliege ideal; sie ist bereits bei Temperaturen
ab 5 – 10 °C aktiv. Ihr Temperaturoptimum liegt zwischen 20 – 25 °C, bei diesen
Bedingungen kann eine Generation in 8 – 14 Tagen durchlaufen sein. In unseren Breiten sind
bis zu 10 Generationen/Jahr möglich.
Die Kirschessigfliege hat rote Augen
und einen gelb-bräunlich bis braunen
Körper. Das Männchen erreicht eine
Größe von 2,6 – 2,8 mm und ist
an einem dunklen Fleck auf jeder
Flügelspitze deutlich zu erkennen. Das
schwieriger zu erkennende Weibchen
ist bis zu 3,4 mm groß und verfügt
über einen sägeartig gezahnten
Eilegeapparat.
Schadbild und Schädigung
Das Schadbild im Weinbau äußert sich durch direkte Eiablage in Beeren früh reifender,
roter Rebsorten – bevorzugt in der Nähe zu Obstbäumen, Beerenfrüchten, Heckenstrukturen
(natürliche Wirtspflanzen bzw. Habitate der Kirschessigfliege). Die Eiablage an den
reifenden Beeren erfolgt ab einem Mostgewicht von ungefähr 55° Oe. Das Weibchen
öffnet mit Hilfe seines Sägeapparates die Beerenhaut und legt seine Eier, die an zwei
Atemschläuchen zu erkennen sind, in der Beere ab. Sobald die Larve aus dem Ei geschlüpft
ist, tritt an der Einstichstelle ein kleiner Safttropfen aus. Beginnt die Larve zu fressen, wird
dieser Safttropfen grösser. Nach kurzer Zeit sacken die Beeren in sich zusammen, und es
findet ein Gärprozess innerhalb der Beere statt. In den besiedelten Beeren bildet sich in der
Folge Essigsäure, welche zum Verderb führt. Weiterhin stellt die geöffnete Beerenhaut eine
ideale Eintrittspforte für Sekundärbesiedler dar. Befallene Beeren sind für die Weinbereitung
ungeeignet und müssen bei der Ernte ausgesondert werden. Dies kann zu empfindlichen
Einbußen für die Winzer führen.
Kooperation bei der Erforschung und Überwachung des Schädlings
Um die Winzerschaft bei der Ent-
scheidungsfin dung bezüglich der
Kirschessigfliegen-Bekämpfung zu
unterstützen, führen das Weinbauinstitut
und das LIST (Luxembourg Institute of
Science and Technology) seit dem Jahr
2015 gemeinsam ein großangelegtes
Monitoring an der Luxemburger Mosel
durch.
TITEL-THEMA
Seit einiger Zeit macht die Kirschessigfliege von sich reden, ein Schadinsekt, das insbe-
sondere im Weinbau aber auch in der Beerenproduktion in Luxemburg zu finden ist. Um
unnötige Insektizidapplikationen zu vermeiden, wurde ein Warndienst etabliert. Die Auto-
ren unseres Titelthemas sind Experten im Umgang mit der Kirschessigfliege und erläutern
in ihrem Beitrag die Biologie des Schadinsekts und die Möglichkeiten des Bienenschutzes
bei der Bekämpfung des Schädlings auf der Basis von Monitoringprogrammen.
Lockstoff-Falle für die Kirschessigfliege im Weinberg © Eickermann
Die Kirschessigfliege -
eine neue Herausforderung für
den Luxemburger Weinbau
Mareike Schultz,
Institut Viti-vinicole, Remich
Dr. Daniel Molitor, LIST –
Luxembourg Institute of Science and Technology, Belvaux
Männchen der Kirschessig-
fliege mit dunklem Fleck auf
den Flügelspitzen © Schultz
Weibchen der Kirschessig-
fliege mit Eilegeapparat
© Schultz
Lockstofffalle an der Rebsorte Noir Précoce © Schultz
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TITEL-THEMATITEL-THEMA
Dabei werden in den Monaten August
und September Daten zur Flugaktivität
(Lockstofffallen) und Eiablage (Beerenbonitur)
erfasst. Die Lockstofffallen bestehen aus einer
Mischung von Apfelessig mit Rotwein. Ab
Anfang August erfolgt das Monitoring auf
15 Weinbergen der Sorten Frühburgunder,
Pinotin, Roter Elbling und Muscat bleu. Die
Fallen werden wöchentlich ausgetauscht
und ausgewertet. Parallel dazu werden
Beerenproben entnommen, die unter dem
Binokular im Weinbauinstitut auf Eiablage
überprüft werden.
Weiterführende Literatur:
Weber RWS & Wichura A (2016): Kirschessigfliege – auch im Norden auf dem Vormarsch in: Schweizer
Zeitschrift für Obst- und Weinbau (7/16), 8-11.
Zelger R (2015): Aktueller Forschungsstand zu Drosophila suzukii: Vortrag anlässlich des 41. Bundes-
steinobstseminars in Ahrweiler, 01.-03. Dezember 2015.
Vogt H (2015): Rasante und folgenschwere Ausbreitung eines für den Obst- und Weinbau neuen
invasiven Schädlings: Die Kirschessigfliege, Drosophila suzukii (Matsumara 1931). Mitt. Dtsch. Ges.
Allg. Angew. Ent. 19, 211- 221.
Vogt H & Briem F (2015): Die Kirschessigfliege – ein aktueller Überblick: 8. Beerenobstseminar:
Qualitätsproduktion durch nachhaltige Kulturverfahren; 27. - 28. Januar 2015, Tagungsband 58-61.
Interview mit Mareike Schultz vom Institut Viti-vinicole (IVV)
und Dr. Daniel Molitor Luxembourg Institute of Science and
Technology (LIST)
Frau Schultz, zunächst besten Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen unsere
Fragen zum Bienenschutz zu beantworten. Auch Ihnen, Herr Dr. Molitor,
besten Dank für Ihre Auskünfte. Wir Imker wissen natürlich, dass im Oktober
immer Saison im Weinberg ist und daher jede Minute und jede Fachkraft
zählt. Vielleicht zu Beginn die generelle Frage, wie das Schadpotential der
Kirschessigfliege in Luxemburg eigentlich einzuordnen ist?
Dr. Molitor: Befallen werden vorwiegend rötlich und rot gefärbte frühreife Sorten.
Vereinzelt wurden auch Eiablagen in weißen Sorten festgestellt; hier war der Befall allerdings
so gering, dass von ihm kein wirtschaftlicher Schaden ausging.Zu den gefährdeten Sorten
in Luxemburg gehören: Pinotin, Frühburgunder, Cabernet Dorsa, St. Laurent, Dornfelder,
Regent, Roter Elbling und auch Tafeltrauben. Glücklicherweise stellen diese nur einen
geringen Anteil der Gesamtrebfläche in Luxemburg dar. Um eine Gefährdung der Sorten
Pinot Noir, Gewürztraminer, Pinot Gris sicher ausschließen zu können, werden diese intensiv
beobachtet.
Frau Schultz: Insgesamt ist das Schadpotential aufgrund der Rebsorten-Struktur in
Luxemburg geringer als in anderen Weinbauregionen. Dies schließt jedoch wirtschaftlich
bedeutsame Schäden in den betroffenen Rebsorten nicht aus.
Wie ist denn nur die Befallssituation in 2016 einzuschätzen?
Frau Schultz: Die Ausgangspopulation im Gebiet war in den Sommermonaten 2016
höher als im heißen Vorjahr 2015. Bereits zu Beginn des Monitorings, also Anfang August,
wurde die Kirschessigfliege an allen Standorten beobachtet. Es erfolgte jedoch kein massiver
Anstieg der Population, was vermutlich auf die hohen
Temperaturen Ende August zurück zu führen ist.
Die erste Eiablage wurde am 30. August 2016 festgestellt.
In der Folgewoche wurde eine verstärkte Eiablage an
mehreren Standorten beobachtet. Besonders betroffen
war, wie bereits im Vorjahr, die Rebsorte Pinotin. Aufgrund
der fortgeschrittenen Reife wurde jedoch von Insektizid-
Behandlungen abgeraten.
Dr. Molitor: Vielleicht kann man das so festhalten: die
Kirschessigfliege ist im gesamten Gebiet vorhanden.
Zu massiven Schäden ist es jedoch 2016 bisher,
vermutlich auch aufgrund der der insgesamt günstigen
Witterungsbedingungen, nicht gekommen. In den wenigen
stärker betroffenen Parzellen erfolgte zumeist eine
vorgezogene Lese. Vermutlich wurden im Luxemburger
Weinbaugebiet in diesem Jahr keine Insektizide gegen die
Kirschessigfliege eingesetzt.
Wenn wir Imker etwas von Insektiziden hören, dann werden wir natürlich
hellhörig. Frau Schultz, wie kann der Warndienst zum Schutz der Honigbiene
und anderer Bestäuber im Weinberg beitragen?
Frau Schultz: Seit mehreren Jahrzehnten ist der Weinbau in Luxemburg durch den
flächendeckenden Einsatz der Pheromon-Konfusionsmethode gegen den Traubenwickler
sowie aufgrund Raubmilden-schonender Spritzfolgen gegen pilzliche Schaderreger
weitestgehend insektizidfrei. Um einen überstürzten, panikartigen Einsatz von Insektiziden
gegen die Kirschessigfliege zu verhindern, wird seit dem Jahr 2015 ein Monitoring im
gesamten Gebiet durchgeführt. Das im Weinbau gegen die Kirschessigfliege zugelassene
Insektizid BOOMERANG mit dem Wirkstoff Spinosad ist als bienengefährlich (B1) eingestuft.
Sein Einsatz kann sich daher negativ auf Bienen und andere Nützlinge auswirken. Um die
Anzahl der Anwendungen und die möglichen Folgen zu minimieren, wird im wöchentlichen
Warnhinweis jeweils darauf hingewiesen, dass
1) vor einem geplanten Insektizid-Einsatz in jedem Falle Rücksprache mit dem
Weinbauinstitut zu halten ist, um unbegründete Behandlungen auszuschließen;
2) kein Einsatz in Weinbergen mit blühenden Pflanzen, welche von Bienen angeflogen
werden, erfolgen darf;
3) alle blühenden Pflanzen daher vor einem Einsatz abgemulcht werden müssen;
4) das Ausbringen erst in Abendstunden erfolgen darf, wenn Bienenflug beendet ist;
5) kein Einsatz erfolgen darf, wenn bereits Saft aus den befallenen Beeren auftritt;
6) vor einem Einsatz die lokalen Imker zu informieren sind.
Untersuchungen zur Eiablage
am Institut Viti-vinicole © Molitor
Privatdozent
Dr. habil Daniel Molitor
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Durch das wöchentliche Monitoring konnte
in den Jahren 2015 und 2016 der Einsatz
von Insektiziden gegen die Kirschessigfliegen
in Luxemburg vermutlich nahezu vollständig
verhindert werden. In beiden Jahren wurde eine
verstärkte Eiablage an den empfindlichen Sorten
erst relativ spät in der Reifephase festgestellt. Zu
diesem Zeitpunkt war aufgrund der Wartezeiten
und der fortgeschritten Reife kein Insektizid-Einsatz
mehr möglich bzw. notwendig. Entsprechend
wurde in den wöchentlichen Warnaufrufen zur
Kirschessigfliege in beiden Jahren während der
gesamten Monitoring-Periode von einem generellen
Insektizid-Einsatz abgeraten.
Aber Insektizide sind doch nicht der Königsweg. Gibt es denn keine Ansätze
zur alternativen Bekämpfung?
Dr. Molitor: Die Frage wird uns oft gestellt. Sehr oft! Wie bei anderen Schaderregern
(z.B. Botrytis-Graufäule) im Weinbau lässt die Kombination gezielter Kulturmaßnahmen
bessere Wirkungsgrade gegenüber der Kirschessigfliege erwarten, als der Einsatz
chemischer Pflanzenschutzmittel, wie eben hier die Insektizide. Mit einer ganzen Reihe von
Maßnahmen kann einem potentiellen Befall im Vorfeld entgegen gewirkt werden, z.B. kann
durch die Entblätterung der Traubenzone eine gute durchlüftete Laubwand erzielt werden.
Das ist wichtig, da an besonnten Trauben eine stark verminderte Eiablage festgestellt
werden konnte. Die Trauben gefährdeter Sorten sollten daher möglichst frei hängen. Auch
sollte eine Beschädigung der Beeren vermieden werden. Beschädigte Beeren locken die
Kirschessigfliege in den Bestand und erleichtern die Eiablage. Durch konsequente Kultur- und
Pflanzenschutzmaßnahmen (z.B. gegen Traubenwickler oder Echten Mehltau) sind jegliche
Beschädigungen zu vermeiden.
Frau Schultz: Das schliesst eigentlich alle Hygienemaßnahmen ein. Bei aufgetretenem
Befall müssen die befallenen Trauben entfernt und vernichtet werden. Die Entsorgung darf
nicht im Weinberg oder in Weinbergsnähe erfolgen. Wenn möglich sollten befallene Trauben
unter Folienabdeckung dem Sonnenlicht ausgesetzt werden (Solarisationsverfahren). Erst
danach können die Trauben kompostiert werden. Traubentrester aus bereits abgeernteten
Weinbergen dürfen in keinem Fall in oder in die Nähe noch nicht beernteter Weinberge
abgelagert bzw. eingebracht werden, da dieser die Kirschessigfliege anlockt. Gefährdete
Anlagen sollten ab ca. 20% verfärbter Beeren/Traube auf Eiablagen überprüft werden.
Die Eiablage erkennt man mit Hilfe einer Lupe (10-fache Vergrößerung) an den weißen
Atemschläuchen, die aus dem Ei herausragen. Für ein aussagekräftiges Ergebnis sollten
mindestens 50 Beeren aus der gefährdeten Anlage überprüft werden. Wird bei bereits
ausreichender Reife eine verstärkte Eiablage festgestellt, ist eine zeitnahe Ernte einem
Insektizid-Einsatz vorzuziehen.
Weinbauexpertin Mareike Schultz vom IVV
Mit dem IVV und dem LIST kümmern sich ja zwei Hauptakteure im
Luxemburger Weinbau um die Kirschessigfliege. Können Sie uns abschliessend
noch ein paar Worte zu der Zusammenarbeit sagen?
Dr. Molitor: Aktuell führen das Weinbauinstitut und das LIST gemeinsam einen
wissenschaftlichen Freiland-Versuch zur Bekämpfung der Kirschessigfliege durch. Hier
werden neben einem Insektizid-Einsatz kulturtechnische Maßnahmen sowie alternative
Behandlungsmittel aus dem biologischen Weinbau auf ihre Effizienz gegen die
Kirschessigfliege geprüft.
Frau Schultz: Wenn ich das noch ergänzen darf: wir testen zusätzlich in einer weiteren
Anlage Spezial-Netze mit einer sehr engen Maschenweite auf ihre Schutzwirkung gegenüber
der Kirschessigfliege. Die bisherigen Erfahrungen deuten an, dass die Netze eine sehr gute
Schutzmöglichkeit darstellen. Allerdings sind die Anschaffungskosten solcher Spezialnetze
momentan noch sehr hoch; ihre Anwendung beschränkt sich daher vermutlich auf Einzelfälle.
Frau Schultz, Herr Dr. Molitor, wir Imker danken Ihnen für das Interview. Es ist gut zu wissen,
dass sehr wachsame Augen auf den Schädling in unseren Weinbergen achten.
Spezial-Netze gegen die
Kirschessigfliege © Schultz
Weitere Hintergrundinformationen zur Kirschessigfliege finden sich auf der Internetseite
des IVV unter:
http://www.ivv.public.lu/beratung/weinbau/integrierter_rebschutz/kirschessigfliege/
index.html
Hier finden sich die Daten zum Zuflug des Schädlings in die Weinberge auf der Basis
des Monitorings:
http://www.ivv.public.lu/aktuelles/index.html
Damit haben IVV und LIST einen Warndienst etabliert, der die Winzer bei der
nachhaltigen Bekämpfung der Kirschessigfliege unterstützt.