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Empirische Evaluation von Weiterbildungs-einheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden in der beruflichen Qualifizierung

Authors:

Abstract

Within a language-across-the-curriculum approach, the aim of the joint project "Increasing Language Sensitivity in Vocational Training (SpraSiBeQ)" was to create a modular training program for vocational teachers who need to meet the challenge of teaching linguistically diverse learner groups. This paper reports on the general framework of the SpraSiBeQ project which included (a) a needs analysis with regard to language sensitivity in vocational training, (b) the development of a frame curriculum for train-the-trainer programs, (c) concept and materials development as well as (d) implementation in three regions of Germany, (e) empirical evaluation and (f) evaluation-based improvement of concept and materials. The focus of this report is particularly on the design and procedures employed for empirical evaluation and their methodological reflection.
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 27: 2, 2016, S. 201-226
201
Empirische Evaluation von Weiterbildungs-
einheiten zur Sprachsensibilisierung von
Fachlehrenden in der beruflichen Qualifizierung
Theresa Birnbaum,
1
Katja Dippold-Schenk,
2
Désirée
Hirsch,
3
Nicole Kimmelmann,
4
Juana Kupke,
5
Udo Ohm,
6
Karen Schramm,
7
Michael Seyfarth
8
und Anne Wernicke
9
Within a language-across-the-curriculum approach, the aim of the joint project "Increasing
Language Sensitivity in Vocational Training (SpraSiBeQ)" was to create a modular training
program for vocational teachers who need to meet the challenge of teaching linguistically
diverse learner groups. This paper reports on the general framework of the SpraSiBeQ project
which included (a) a needs analysis with regard to language sensitivity in vocational training,
(b) the development of a frame curriculum for train-the-trainer programs, (c) concept and
materials development as well as (d) implementation in three regions of Germany, (e)
empirical evaluation and (f) evaluation-based improvement of concept and materials. The
focus of this report is particularly on the design and procedures employed for empirical
evaluation and their methodological reflection.
1. Einleitung
Zunehmend sehen sich Fachlehrende in beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen
mit der Herausforderung konfrontiert, dass Kursteilnehmende eine große Hetero-
genität aufweisen. Diese zeigt sich hinsichtlich Herkunftssprachen, soziokulturellen
1 Korrespondenzadresse: Theresa Birnbaum, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Arbeitsstelle Deutsch
als Zweitsprache, Ernst-Abbe-Platz 8, 7743 Jena, E-Mail: theresa.birnbaum@uni-jena.de
2 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Katja Dippold-Schenk, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, E-Mail: katja.dippold-schenk@fau.de
3 Korrespondenzadresse: Désirée Hirsch, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literatur-
wissenschaft, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, E-Mail:
desiree.hirsch@uni-bielefeld.de
4 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Nicole Kimmelmann, Universität Paderborn, Lehrstuhl für Wirtschafts-
pädagogik, Warburger Straße 100, 33098 Paderborn, E-Mail: Nicole.Kimmelmann@uni-paderborn.de
5 Korrespondenzadresse: Juana Kupke, Universität Leipzig, Herder-Institut, Beethovenstraße 15, 04107
Leipzig, E-Mail: juana.kupke@uni-leipzig.de
6 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Udo Ohm, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Lite-
raturwissenschaft, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, E-Mail:
udo.ohm@uni-bielefeld.de
7 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Karen Schramm, Universität Wien, Institut für Germanistik, Uni-
versitätsring 1, A – 1010 Wien, E-Mail: karen.schramm@univie.ac.at
8 Korrespondenzadresse: Michael Seyfarth, Regionalnyj centr nemeckogo jazyka i kultury (DAAD), Poly-
technische Universität Tomsk, Leninprospekt 30, 634050 Russland, E-Mail: michael_seyfarth@msn.com
9 Korrespondenzadresse: Anne Wernicke, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literatur-
wissenschaft, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, E-Mail:
anne.wernicke@uni-bielefeld.de
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
202
Hintergründen und Deutschkenntnissen. Somit werden Fachlehrende häufig mit der
Erwartung konfrontiert, über die fachlichen Inhalte hinaus auch (bildungs-)sprach-
liche Aspekte zu vermitteln, ohne hierfür bislang ausgebildet zu sein (Ohm 2010).
Hier schließt das Verbundprojekt "Sprachsensibilisierung in der Beruflichen Quali-
fizierung (SpraSiBeQ)" im Auftrag des Netzwerkes Integration durch Qualifizierung
(IQ) an (2013-2014). Ziel dieses Projekts der Universitäten Bielefeld, Leipzig und
Erlangen-Nürnberg war es, durch die Entwicklung einer modularisierten Weiter-
bildung für Fachlehrende diese bei der Bewältigung der Herausforderungen zu
unterstützen.
Der vorliegende Artikel versteht sich als Beitrag zu einer empirischen Evalua-
tionsforschung, die sich insbesondere in der Erwachsenen- bzw. beruflichen Wei-
terbildung im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Praxis bewegt (vgl. Beywl
1999: 38). Empirische Evaluationsforschung verfolgt hier das anspruchsvolle Ziel, in
der Praxis nutzbares, empirisch abgesichertes und methodologisch kontrolliert her-
vorgebrachtes Wissen über die produktive Planung und Ausgestaltung von Curri-
cula, Lehrverfahren und Lehr- und Lernmaterialien bereitzustellen. Am Beispiel
des Projekts SpraSiBeQ soll im Folgenden gezeigt werden, wie Evaluationsfor-
schung einen substantiellen Beitrag zur wissenschaftlich fundierten Entwicklung
von Weiterbildungseinheiten leisten kann. Mittels einer empirisch-analytischen
Programm- bzw. Projektevaluation (vgl. Beywl 1999: 40; Nuissl 2013: 45-48)
wurde praxis- und entwicklungsorientierte Forschung im Kontext der Professio-
nalisierung von Lehrenden in beruflichen Qualifizierungskursen durchgeführt. Sie
bestand darin, dass im Rahmen des Projekts SpraSiBeQ drei verschiedene Wei-
terbildungsmodule zum Thema Sprachsensibilisierung in der beruflichen Qualifi-
zierung entwickelt, erprobt und evaluiert wurden. Die Ergebnisse der Evaluation
bildeten die empirische Basis sowohl für die Überarbeitung der Inhalte als auch der
eingesetzten Materialien der Weiterbildungsmodule.
Im Folgenden wird einerseits das – anhand von Beispielen veranschaulichte
Forschungsvorgehen innerhalb des Evaluationsprozesses reflektiert und der daraus
resultierende forschungsmethodologische Erkenntnisgewinn dargelegt. Anderer-
seits werden inhaltliche Ergebnisse der Evaluation und daraus resultierende Kon-
sequenzen beschrieben. Somit dient der Artikel sowohl dazu, ein derartiges
evaluationsbasiertes Vorgehen exemplarisch aufzuzeigen, als auch ausgewählte
empirische Befunde der Evaluationsforschung darzulegen.
Der Artikel gliedert sich in fünf Abschnitte. In Abschnitt 2 werden zunächst
die Ausgangslage und die allgemeinen Ziele des Projekts SpraSiBeQ erläutert.
Daran anschließend liefert Abschnitt 3 einen Überblick über die Umsetzung der
ersten drei der insgesamt fünf Arbeitspakete: einer Bedarfsanalyse, der Entwick-
lung eines Rahmencurriculums und der konzeptionellen Ausarbeitung von drei
exemplarischen Weiterbildungseinheiten. Abschnitt 4 beschreibt die empirische
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
203
Erprobung und Evaluation der Weiterbildungseinheiten. Dabei steht zunächst das
methodische Vorgehen bei der Evaluation im Fokus. Übergreifende Forschungs-
strategie der Evaluation war die Triangulation, welche sowohl in Form einer For-
schertriangulation
10
als auch als Methoden- und Datentriangulation umgesetzt
wurde. Anschließend wird das Vorgehen bei der Datenaufbereitung und -analyse
erläutert und es werden ausgewählte Ergebnisse der Evaluation skizziert. Dabei
erfolgt eine Schwerpunktsetzung der Ergebnisdarstellung mit Blick auf zentrale
didaktische Erkenntnisse, die für zukünftige ähnlich gelagerte Projekte von Rele-
vanz sein könnten. Ausgehend von diesen Erläuterungen wird in Abschnitt 5 das
forschungsmethodologische Vorgehen bei der Evaluation kritisch reflektiert. Da-
zu werden auf der Grundlage ausgewählten Datenmaterials die Chancen und Gren-
zen, die sich bei diesem konkreten Beispiel der Forschertriangulation ergaben,
diskutiert.
2. Das Projekt SpraSiBeQ: Ausgangslage und Ziele
In Kursen aller Bereiche der beruflichen Qualifizierung – seien es Ausbildungs-
kurse, Weiterbildungen, Fortbildungen, Nachqualifizierungen oder Maßnahmen
zur unterstützten Arbeitsmarktintegration stellt die Heterogenität der Teilneh-
menden hinsichtlich ihrer Bildungshintergründe, Herkunftssprachen und Deutsch-
kenntnisse für Fachlehrende eine Herausforderung dar. Für viele Teilnehmende
wiederum ist die sprachliche Komplexität der Darbietung fachlicher Inhalte schwer
zu bewältigen und Fachlehrende verfügen häufig nicht über entsprechende didak-
tische Ressourcen, um diesen Schwierigkeiten im Unterricht begegnen zu können
(vgl. Ohm 2014). Für diese Problemlage wurde im Rahmen des Projekts der An-
satz der Sprachsensibilisierung verfolgt. Mit diesem Begriff soll hier eine Quali-
fizierung der Fachlehrenden bezeichnet werden, die diese in die Lage versetzt, die
sprachlichen Herausforderungen der von ihnen zu vermittelnden Fachinhalte und
die sprachlichen Unterstützungsbedarfe ihrer Teilnehmenden zu erkennen und da-
rauf mit geeigneten fachinternen Sprachfördermaßnahmen zu reagieren (vgl. Beth-
scheider, Dimpl, Ohm & Vogt 2011; Tajmel 2013).
Derartige Ansätze zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden lassen sich
bisher v.a. im schulischen Kontext finden (vgl. Becker-Mrotzek, Schramm, Thür-
mann & Vollmer 2013; Kimmelmann 2013). So wurden in den letzten Jahren z.B.
Konzepte für sprachförderlichen Fachunterricht in naturwissenschaftlichen Fä-
chern veröffentlicht (u.a. Schmölzer-Eibinger, Dorner, Langer & Helten-Pacher
10 Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung maskuliner und femininer gram-
matischer Formen verzichtet. Die ausschließliche Verwendung der männlichen Form sollte explizit als
geschlechtsneutral verstanden werden.
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
204
2013; Tajmel 2013). Darüber hinaus entwickelten Vollmer & Thürmann (2010)
ein Modell zur Beschreibung von bildungssprachlichen Anforderungen im Fach-
unterricht. Auch das Programm FörMig (Förderung von Kindern und Jugendlichen
mit Migrationshintergrund) hat mit dem Modell der durchgängigen Sprachbildung
verdeutlicht, dass es eine zentrale Aufgabe der Schule und aller Lehrkräfte ist,
Schülern im Verlauf der Schulzeit die für einen erfolgreichen Bildungsverlauf not-
wendigen sprachlichen Register zu vermitteln (u.a. Gogolin & Lange 2010). Aus dem
Programm gingen zahlreiche Materialien hervor; daneben entstand unabhängig
davon eine Handreichung zur fachsprachlichen Förderung in der beruflichen Bil-
dung und für den Fachunterricht der Sekundarstufe I an allgemeinbildenden Schu-
len (Ohm, Kuhn & Funk 2007), welche in die FörMig Reihe übernommen wurde.
Für die daran anknüpfende Qualifizierung des Lehrpersonals liegen ebenfalls
bereits erste Erfahrungen vor. So wurden verschiedene Schulungsmodule für Fach-
lehrkräfte und Ausbildende in der Weiterbildung im Auftrag des Amtes für multi-
kulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main konzipiert und erprobt
(Sommer 2011). Diese Schulungen werden seit 2011 bundesweit im Förderpro-
gramm Integration durch Qualifizierung (IQ) durchgeführt und weiterentwickelt.
Für die Qualifizierung von Studierenden und Lehrkräften wurde von den Mit-
arbeitern der Friedrich-Alexander Universität in Nürnberg
11
ein entsprechendes
sensibilisierendes und qualifizierendes Blended-Learning-Modul im Rahmen des
Projekts KOMM (Kompetenzentwicklung und modulare Übergangsbegleitung in
den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt) entwickelt.
12
Hierbei erarbeiteten die Teil-
nehmenden auf Basis des Gelernten selbstständig u.a. sprachsensible Unterrichts-
materialien und setzten diese in verschiedenen berufsbildenden Schulen ein. Ein
Weiterbildungsangebot zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrkräften in den oben
skizzierten beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, das auf Basis einer systema-
tischen Bedarfserhebung entwickelt, anschließend erprobt und wissenschaftlich
evaluiert wurde, liegt jedoch bisher nicht vor.
Das zu diesem Zweck geförderte Projekt SpraSiBeQ startete im Mai 2013 mit
dem Ziel, eine modularisierte Weiterbildung zu konzipieren, die Fachlehrenden
in beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen die Relevanz von Sprache bei der Ver-
mittlung fachlicher Inhalte bewusst macht und ihnen Werkzeuge für die Gestal-
tung eines sprachförderlichen Unterrichts an die Hand gibt. Es handelte sich hier-
bei um ein Verbundprojekt, welches mit Mitteln des Bundesministeriums für Ar-
beit und Soziales, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Bun-
desagentur für Arbeit finanziert wurde. Die Koordination übernahm die Fachstelle
11 Projektleitung durch die Juniorprofessur für Berufliche Kompetenzentwicklung (Prof. Dr. Nicole Kim-
melmann) an der FAU Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pädagogik und Schul-
psychologie der Stadt Nürnberg.
12 Hinweise hierzu vgl. www.kommpetenz.net.
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
205
Berufsbezogenes Deutsch des Förderprogramms Integration durch Qualifizierung
(IQ), während die Umsetzung an der Universität Bielefeld, der Universität Leipzig
sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg realisiert wurde.
Das Projekt wurde aufgrund der zugrunde gelegten wissenschaftlichen und
praxisbezogenen Feinziele und der Komplexität in fünf Arbeitspakete unterglie-
dert. Auf der Grundlage einer empirischen Bedarfserhebung (Arbeitspaket 1) wurde
zunächst ein Rahmencurriculum Sprachsensibilisierung in der beruflichen Quali-
fizierung
13
für eine modularisierte Weiterbildungsreihe entwickelt (Arbeitspaket
2). Drei der darin enthaltenen Einheiten wurden in einem nächsten Schritt exem-
plarisch ausgehlt und zu Weiterbildungseinheiten ausgearbeitet (Arbeitspaket 3).
Der Erprobung der drei Einheiten schloss sich eine empirisch-wissenschaftliche
Evaluation an (Arbeitspaket 4). Deren Ergebnisse bildeten in einem letzten Schritt
die Grundlage für die Überarbeitung der drei konzipierten Weiterbildungseinhei-
ten (Arbeitspaket 5).
3. Bedarfserhebung, Rahmencurriculum und Entwicklung von
drei Weiterbildungseinheiten
Das erste Arbeitspaket des Projekts hatte einerseits zum Ziel, die Bedarfe und
Bedürfnisse verschiedener Akteure im Feld der beruflichen Weiterbildung im Hin-
blick auf sprachliches Lernen und Lehren im Fachunterricht zu erfassen. Anderer-
seits sollten Erkenntnisse zu bereits vorhandenen sprachlichen Unterstützungsan-
geboten in der beruflichen Qualifizierung gewonnen werden. Um dieses Ziel zu
erreichen, wurde eine multiperspektivische Bedarfserhebung durchgeführt, die aus
drei Teilen bestand. Der erste Teil umfasste die empirische Erhebung von Be-
darfen und Bedürfnissen von Teilnehmenden und Lehrpersonen in beruflichen
Qualifizierungskursen mithilfe von Unterrichtshospitationen, Interviews mit Lehr-
kräften und Weiterbildnern sowie einer schriftlichen Befragung von Kursteilneh-
menden per Fragebogen. Zweitens wurden in der beruflichen Bildung eingesetzte
Lehr- und Lernmaterialien analysiert, um herauszufinden, mit welchen Textsorten
und Aufgabentypen Kursteilnehmende umgehen müssen. Drittens wurden durch
die Analyse von Curricula, Rahmenlehrplänen und Kurskonzepten implizite sprach-
liche Anforderungen an Lehrende und Lernende in der beruflichen Qualifizierung
herausgearbeitet.
13 Online verfügbar vgl. www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fileadmin/user_upload/PDF/Rahmencurriculum
_2014_03_13.pdf.
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
206
Die zentralen Erkenntnisse der Bedarfserhebung dienten als Basis für das zweite
Arbeitspaket, dessen Ziel es war, ein Rahmencurriculum zu erstellen, in dem Kom-
petenzen gelistet sind, über die Fachlehrende verfügen müssen, um ihren Unter-
richt in der beruflichen Qualifizierung sprachförderlich gestalten zu können. Zu-
nächst wurden dafür zehn Themenfelder identifiziert, die die ermittelten Bedarfe
und Bedürfnisse der Lehrkräfte abbilden:
1. Sprachliche Herausforderungen im Kurs erkennen und berücksichtigen;
2. Umgang mit soziokulturellen Aspekten und Mehrsprachigkeit;
3. Unterrichtliche Sprachverwendung der Lehrkraft;
4. Leseverstehen, Visualisierung und Wortschatzarbeit;
5. Schreiben in Unterricht und Beruf;
6. Lernerautonomie und Lernstrategien;
7. Unterrichtsinteraktion sprachförderlich gestalten;
8. Sprachhandlungen am Arbeitsplatz;
9. Aufgaben und Übungen sprachförderlich gestalten;
10. Unterstützung beim Aufbau von Sprechkompetenzen.
Die Themenfelder bilden dabei die Einheiten des Rahmencurriculums. Zu jeder
Einheit wurden konkrete Kompetenzen formuliert. Die Kompetenzen wurden in
Fertigkeiten, deklaratives Wissen und Einstellungen aufgegliedert (vgl. das Bei-
spiel in Tabelle 1).
Die ersten beiden Themenfelder wurden als Basis-, die übrigen acht als Auf-
baueinheiten konzipiert. Der Grundgedanke dieses Aufbaus ist zum einen die Ver-
mittlung von Grundwissen in den Basismodulen, auf welches in den weiterfüh-
renden Modulen aufgebaut werden kann. Zum anderen kann die Absolvierung der
Aufbaueinheiten individuell erfolgen, um je nach Bedarf und Bedürfnissen einzelne
Einheiten herausgreifen zu können. Eine Einheit kann umfangmäßig in einem andert-
halbtägigen Weiterbildungsangebot umgesetzt werden.
Die Kompetenzbeschreibungen und ihre thematischen Zuweisungen im Rah-
mencurriculum wurden 16 Experten aus dem Bereich berufliche Weiterbildung
und Deutsch als Zweitsprache im Rahmen einer Expertentagung zur Validierung
vorgelegt. In Workshops zu den einzelnen Einheiten wurde kritisch-konstruktives
Feedback zusammengetragen, das anschließend in das Rahmencurriculum einge-
arbeitet wurde. Seit März 2014 ist die erste vorläufige Version des Rahmencurri-
culums Sprachsensibilisierung in der beruflichen Qualifizierung online verfügbar.
14
14 Vgl. www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fileadmin/user_upload/PDF/Rahmencurriculum_2014_03_13.pdf.
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
207
Tabelle 1: Auszug aus Einheit 5 "Schreiben in Unterricht und Beruf" des Rahmencurri-
culums
Fertigkeiten Deklaratives Wissen Einstellungen
LP
15
erkennt textexterne und
textinterne Kriterien berufs-
relevanter Textsorten und
kann diese vermitteln.
LP kann Textsorten sprach-
lichen Handlungen zuordnen.
LP kann aus berufsrelevanten,
authentischen Texten diejeni-
gen auswählen, die sich unter
schreibdidaktischen Gesichts-
punkten als Mustervorlagen
für die schriftliche Produk-
tion der TN eignen.
LP kennt die grundlegenden Un-
terschiede zwischen mündlicher
und schriftlicher Sprache.
LP kennt das Spektrum der be-
rufsspezifischen Textsorten, die
von den TN produktiv beherrscht
werden müssen.
LP kennt textexterne (z.B. Text-
funktion, Kommunikationssitua-
tion, Verwendungsbereich) und
textinterne (z.B. sprachsystema-
tische und textstrukturelle) Merk-
male verschiedener schriftlicher,
für ihre Branche relevanter Text-
sorten.
LP sieht es als ihre Auf-
gabe an, das Spektrum
berufsspezifischer Text-
sorten im Unterricht ab-
zubilden.
Im dritten Arbeitspaket wurden die Einheit 1 (Basiseinheit) sowie die Einheiten 7
und 9 (Aufbaueinheiten) des Rahmencurriculums exemplarisch ausgearbeitet. Als
grundlegendes didaktisches Modell, auf dessen Basis an den unterschiedlichen
Standorten einzelne Weiterbildungseinheiten als Bestandteile einer in sich kon-
sistenten Reihe konzipiert werden können, wurde ein Konzept aus der Lehrerfort-
bildungspraxis für Fremdsprachenlehrkräfte ausgewählt, das als ESRIA-Modell
bezeichnet werden kann (vgl. Legutke 1995: 8-11, Ziebell 2006: 35f. sowie Ab-
bildung 1).
In diesem handlungs- und erfahrungsorientierten Modell werden die Berufspraxis
der Lehrpersonen, ihr Erfahrungswissen und der wechselseitige Austausch von
Erfahrungen und Wissen als zentrale Lernressourcen genutzt. Perspektivwechsel,
bei denen die Lehrenden sich in die Rolle ihrer Lernenden hineinversetzen, sowie
der Wechsel zwischen rezeptiven und produktiven Arbeitsphasen sind ebenfalls
zentrale Bestandteile dieses Fortbildungskonzeptes (vgl. Legutke 1995: 8f.). Da-
bei knüpft das Konzept an Ergebnisse der Unterrichtsforschung und (biografischen)
Lehrerforschung an, welche die Relevanz des beruflichen Selbstverständnisses,
der Lehrerpersönlichkeit und des Erfahrungswissens der Lehrenden für die Quali-
tät der Lehrpraxis betonen. In einem solchen Fortbildungsansatz geht es um die
Erforschung und Veränderung der eigenen Unterrichtspraxis 'von innen', um den
Handlungsspielraum zu erweitern und das professionelle Selbstbewusstsein zu stär-
ken (vgl. Ziebell 2006: 34). Dies erschien angesichts der mit Blick auf ihre beruf-
lichen und pädagogischen Vorerfahrungen höchst heterogenen Zielgruppe unserer
15 Die Abkürzung LP steht für Lehrperson. Die Abkürzung TN steht für Teilnehmer/in.
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
208
eigenen Weiterbildungsreihe als bedeutsam. Im Idealfall ermöglicht die didak-
tische Konzeption der Fortbildung den Teilnehmenden also das direkte Erleben
der Inhalte und erleichtert damit den Transfer in das eigene pädagogische Tun.
Dabei bringen die Lehrpersonen durchaus vielfältiges Erfahrungswissen in die
Weiterbildung mit ein, das für eine gemeinsame Diskussion über eine sprachsen-
sible Unterrichtsveränderung genutzt werden kann und sollte. Auf diese Weise
kann zudem dem Eindruck entgegengewirkt werden, die Teilnehmenden seien be-
züglich der zu behandelnden Weiterbildungsinhalte ausschließlich als defizitär zu
betrachten (vgl. Legutke 1995: 4; weiterführend vgl. Kimmelmann & Dippold-
Schenk 2015; Birnbaum, Kupke & Schramm 2016).
Abbildung 1: Das ESRIA-Modell
Für drei Einheiten wurden Ablaufplanungen in Form von ESRIA-Zyklen und
entsprechende Arbeitsmaterialien (Präsentationen, Aufgabenstellungen, Teilneh-
merhandreichungen) entwickelt, die in Trainerhandreichungen ausführlich erläu-
tert wurden. Auch Vorbereitungslektüre für die teilnehmenden Lehrpersonen und
für die Trainer wurde ausgewählt.
16
In der Basiseinheit "Sprachliche Herausforderungen im Kurs erkennen und
berücksichtigen" soll zunächst ein grundlegendes Verständnis für die Rolle des
sprachlichen Lernens im Fachunterricht und den Umgang mit sprachlicher Hete-
rogenität der Teilnehmenden in der beruflichen Qualifizierung erlangt werden.
16 Diese zurzeit noch nicht veröffentlichten SpraSiBeQ-Materialien sind bis zu ihrem Erscheinen erhält-
lich über die Fachstelle "Berufsbezogenes Deutsch" des Förderprogramms "Integration durch Quali-
fizierung". Kontakt: iris.beckmann-schulz@passage-hamburg.de.
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
209
Mit dieser Einheit wird somit die Schlüsselfunktion von Sprache in der beruf-
lichen Qualifizierung erarbeitet und elementare Kenntnisse und Methoden für die
sprachförderliche Gestaltung eines Fachunterrichts werden vermittelt. Die Basis-
einheit beinhaltet dabei folgende vier Themenbereiche: Sprachförderung als Auf-
gabe des Fachunterrichts, sprachliche Handlungsfelder in der beruflichen Qualifi-
zierung, Sprachebenen im Fachunterricht und Planung eines sprachförderlichen
Fachunterrichts.
In Einheit 7 "Unterrichtsinteraktion sprachförderlich gestalten" steht das Unter-
richtsgeschehen und die sprachliche Interaktion im Mittelpunkt. Die teilnehmen-
den Lehrpersonen sollen für die mündliche Interaktion sowie für ihr Kommuni-
kationsverhalten im Unterricht sensibilisiert werden. Neben einem didaktischen
Modell, das darauf abzielt, sprachliche Handlungen zu identifizieren und schritt-
weise einzuüben, werden unterschiedliche Methoden und Strategien zur Förderung
kooperativer Lernprozesse vermittelt. Die Einheit umfasst folgende Themenbe-
reiche: Sprachsensible Förderung der Kommunikationsprozesse im Unterricht am
Beispiel 'Erklären', angemessene Gesprächsführung im Unterricht und Sprachför-
derung durch kooperative Lernformen.
Die Einheit 9 "Aufgaben und Übungen sprachförderlich gestalten, Prüfungs-
anforderungen transparent machen" thematisiert sprachliche Anforderungen von
Aufgaben und Übungen und vermittelt Strategien, wie diese sprachförderlich ge-
staltet werden können. Diese Weiterbildung beinhaltet sprachliche Anforderungen
von Aufgaben und Übungen, sprachförderliche Konzeption von Aufgaben und
Übungen sowie Prüfungsstrategien.
4. Erprobung und Evaluation der Weiterbildungseinheiten
Das vierte Arbeitspaket umfasste die Erprobung der drei entwickelten Weiterbil-
dungseinheiten sowie deren Evaluation. Die primäre Evaluationsfrage (Nuissl 2013:
77) bestand darin zu überprüfen, inwieweit die Einheiten zielorientiert, umsetzbar
und adressatenadäquat waren. Ziel der Evaluation war somit die Optimierung der
Weiterbildungseinheiten (vgl. Kostolnik 2007: 54). Die drei ausgearbeiteten Ein-
heiten im Umfang von jeweils anderthalb Tagen wurden an den drei Projektstand-
orten (Bielefeld, Leipzig, Nürnberg) mit projektexternen Trainer-Teams und je
einer Lehrpersonengruppe erprobt. Zur Vorbereitung und Durchführung wurden
den Trainern ein Sequenzplan, eine Trainerhandreichung sowie die für die Einheit
notwendigen Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt. Im Zuge der Vorberei-
tung erfolgten zudem Gespräche zwischen Trainern und Entwicklern der jewei-
ligen Weiterbildungseinheit, um offene Fragen zu klären und darauf hinzuweisen,
dass der Fokus der Beobachtungen auf der Umsetzbarkeit der Konzeption und
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
210
nicht auf der persönlichen Performanz der Trainer liege (Wilbers 2014: 191). Die
Aufgabe der Trainer bestand darin, die Einheiten mithilfe der ihnen zur Verfügung
gestellten Materialien und Informationen durchzuführen. Weiterführende oder
alternative Unterrichtsideen seitens der Trainer wurden nicht bzw. nur minimal in
die laufende Erprobung integriert. Die Trainer waren an der Erprobung als Beob-
achtete und Interviewpartner beteiligt, jedoch nicht im daran anschließenden Eva-
luationsprozess (vgl. Kostolnik 2007: 55).
Um Teilnehmende für die Weiterbildung zu gewinnen, wurden regionale Wei-
terbildungsinstitutionen (z.B. Handwerkskammer) angesprochen und dort Flyer
ausgelegt. Auch den Projektpartnern aus der Bedarfs- und Bedürfnisanalyse in
Arbeitspaket 1 wurde die Weiterbildung angeboten. Allen interessierten Personen
konnte die Teilnahme an den Einheiten ermöglicht werden. Die Teilnehmerzahlen
während der Erprobung beliefen sich je nach Standort auf 10 bis 18 Lehrpersonen,
die u.a. aus den Bereichen Pflege, Metallverarbeitung, Jura und Lagerlogistik kamen.
4.1 Methodisches Vorgehen und Datenerhebung
Von der primären Evaluationsfrage, inwieweit die Konzeption der Weiterbildungs-
einheiten und ihrer Materialien umsetzbar, zielorientiert und adressatenadäquat ist,
leiteten sich Untersuchungsfragen ab, die sich im Rahmen des Projekts auf eine
Mikro-, Makro- und Metaebene der Weiterbildungseinheiten bezogen (vgl. Nuissl
2013) und einer Überarbeitung der Einheiten für zukünftige Erprobungen dienten.
Die Mikroebene der Evaluation bezog sich auf die einzelnen ESRIA-Phasen
(Erfahrung, Simulation bzw. Selbsterfahrung, Reflexion, Input und Anwendung)
der Weiterbildungseinheit (vgl. Tabelle 2). Hier galt es in erster Linie zu klären,
ob die jeweils vermittelten Inhalte und eingesetzten Methoden für die Adressaten
der Weiterbildung und deren berufliche Praxis angemessen waren. Auf dieser Ebene
wurden also Daten analysiert, die die Angemessenheit der Feinplanung betrafen.
Die Makroebene nahm Bezug auf die adäquate Abstimmung der inhaltlichen und
zeitlichen Struktur, die Erreichung der Lernziele der Einheit und die zielgruppen-
gerechte Gestaltung der Materialien. Auf der Metaebene wurde u.a. danach ge-
fragt, wie sich Trainer und teilnehmende Lehrpersonen auf die Weiterbildungsein-
heiten vorbereitet hatten und wie die Organisation der einzelnen Weiterbildungen
verlaufen war.
Übergreifende Forschungsstrategie der Evaluation war die Triangulation. Aguado
(2014: 51) beschreibt Triangulation als die "systematische und begründete Kom-
bination verschiedener Perspektiven", wobei sich die unterschiedlichen Perspek-
tiven auf "exakt den gleichen Gegenstand beziehen" müssen, um Verzerrungen
zu vermeiden bzw. zu reduzieren.
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
211
Im Kontext des Projekts SpraSiBeQ wurden im Sinne der Methodentriangu-
lation während der Erprobung der Weiterbildungseinheiten an allen drei Projekt-
standorten systematische teilnehmende Beobachtungen der Weiterbildungen (Flick
2009) sowie problemzentrierte Interviews (Witzel 1985) mit den seit vielen Jah-
ren in der Weiterbildung zur Sprachsensibilisierung in universitären und berufs-
bildenden Kontexten tätigen Trainern und eine schriftliche Erhebung mittels Fra-
gebögen (vgl. Porst 2011; Kirchhoff, Kuhnt, Lipp & Schlawin 2008) mit den
teilnehmenden Lehrpersonen durchgeführt.
17
Die Erhebungsinstrumente wurden
von vornherein auf Basis gemeinsamer Themenbereiche konzipiert, so dass die
mit ihrer Hilfe gewonnenen Daten gut miteinander trianguliert werden konnten.
In einem ersten Schritt wurden relevante Untersuchungsfragen nach Themen-
bereichen geordnet, den Erhebungsinstrumenten zugeordnet und in einer Tabelle
gegenübergestellt (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2: Ausschnitt aus der Sammlung von Fragen und deren Gliederung nach The-
menbereichen)
Erhebungsinstrumente
Beobachtungsbogen Trainer-Interview Lehrpersonen-Fragebogen
Themenbereich: Methoden
Wie reagieren die Lehrper-
sonen auf die einzelnen Me-
thoden?
Wie schätzen die Trainer die
eingesetzten Methoden ein?
Wie bewerten die Lehrperso-
nen die eingesetzten Metho-
den?
Themenbereich: Gesamtkonzept – Heterogenität der Gruppe
Wie gehen Lehrpersonen da-
mit um, dass die Gruppe im
Hinblick auf Branchen hete-
rogen ist?
Was denken die Trainer, in-
wieweit die Inhalte der Wei-
terbildung der Heterogenität
der teilnehmenden Lehrper-
sonen gerecht werden konn-
ten?
Inwieweit ist es nach Ansicht
der Trainer gelungen, eine
branchenübergreifende Wei-
terbildung zu konzipieren?
Wird aus Sicht der Lehrperso-
nen an ihre unterschiedlichen
Vorerfahrungen und Tätig-
keitskontexte angeknüpft?
Nachfolgend wurde die derart geordnete Fragensammlung als Basis genutzt, um
Fragen und Items für die Erhebungsinstrumente auszuformulieren und tabellarisch
darzustellen. Ziel war hierbei, eine Grundlage für die Erstellung eines methoden-
übergreifenden Kodierleitfadens zu schaffen (vgl. Tabelle 3).
17 Die Erhebungsinstrumente sind bei der Fachstelle "Berufsbezogenes Deutsch" des Förderprogramms
"Integration durch Qualifizierung" in Hamburg erhältlich. Kontakt über: iris.beckmann-schulz@passage-
hamburg.de.
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
212
Tabelle 3: Ausschnitt aus den Überschneidungen von Beobachtungsaspekten, Fragen
und Items in den Erhebungsinstrumenten
Erhebungsinstrument
Beobachtungsbogen
(Beobachtungsaspekt) Trainer-Interview (Frage) Lehrpersonen-
Fragebogen (Item)
Vgl. die Spalte "Beob-
achtungen" im Themen-
bereich "Methoden" in
Tabelle 2 (z.B. Reaktio-
nen der Lehrpersonen)
Wie schätzen Sie die gewählten Methoden
im Hinblick auf das Erreichen der Lern-
ziele und die Vermittlung der Inhalte ein?
Welche Methoden fanden Sie nicht teil-
nehmeradäquat?
Waren die Methoden ausreichend teilneh-
meraktivierend? Wenn nein, welche nicht? /
welche besonders?
Welche Methoden sind Ihrer Meinung nach
für die LP besonders ansprechend/moti-
vierend gewesen?
Welche Methoden emp-
fanden Sie als besonders
lernförderlich?
Wird die fachliche Hete-
rogenität der Lehrperso-
nen durch die Arbeitsma-
terialien aufgefangen?
Inwieweit ist es gelungen, eine branchen-
übergreifende Weiterbildung zu konzipie-
ren?
Inwieweit konnten die gewählten Inhalte
der fachlichen Heterogenität der LP ge-
recht werden?
Fanden Sie die Inhalte für die Adressaten
angemessen? (Welche ja/welche nein?)
Die Weiterbildungsein-
heit knüpfte gut an die
unterschiedlichen Vor-
erfahrungen und Tätig-
keitskontexte der teil-
nehmenden LP an.
4.1.1 Entwickler-Perspektive: Beobachtungen
Bei den Erprobungen wurden detaillierte Beobachtungen vorgenommen, deren
Fokus auf der Konzeption und den zum Einsatz gekommenen Materialien lag. Der
dabei eingesetzte Beobachtungsbogen bestand aus zwei Teilen: einem ersten Teil
zur Beschreibung der Meta- und Makroebene der Weiterbildung und einem zwei-
ten Teil zur Erfassung der Mikroebene.
Der erste Teil fokussierte zunächst Aspekte, die sich auf die Metaebene der
Evaluation bezogen, z.B. auf die Zusammenarbeit des Projektteams mit den Trai-
nern im Vorfeld der Weiterbildung und auf organisatorische Details (z.B. Raum,
Vorbereitung, Catering). Zugunsten der "Vermeidung bzw. zur Reduzierung von
möglichen Verzerrungen, die im Falle von nur einer einzigen Forschungsperson
denkbar sind" (Aguado 2014: 50) wurde jede Erprobung von zwei Projektmit-
arbeitern beobachtet. Diese Art der Forschertriangulation wird bei Beobachtun-
gen empfohlen, "[u]m die Aussagekraft der auf diesem Wege erhaltenen Daten
insgesamt zu erhöhen" (Flick 2009: 285). Im Projekt SpraSiBeQ wurden jeweils
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
213
zwei Projektmitarbeitern zu diesem Zwecke die Rollen Entwickler-Beobachter
18
bzw. Standort-Beobachter zugewiesen, die in der Beobachtung verschiedene Ak-
teure fokussierten. Durch ihre Vertrautheit mit dem der jeweiligen Einheit zugrunde
liegenden Konzept konnten die Entwickler-Beobachter eventuelle Schwachstel-
len der Materialien präzise identifizieren. Sie konzentrierten ihre Beobachtungen
auf die Trainer und deren Umgang mit den zur Verfügung gestellten Materialien,
indem sie z.B. folgende Aspekte der Makroebene der jeweiligen Weiterbildungs-
einheit fokussierten:
Wie setzen die Trainer die in den Trainerhandreichungen und den Sequenz-
plänen beschriebenen Inhalte um?
Wo gibt es Abweichungen vom intendierten Ablauf?
Wie setzen die Trainer die in den Sequenzplänen vorgesehenen Aufgaben für
die teilnehmenden Lehrpersonen um?
Wie integrieren die Trainer die bereitgestellten Arbeitsmaterialien in den Ab-
lauf der Weiterbildung?
Die Standort-Beobachter waren jeweils Mitarbeiter am Projektstandort, an dem
die Erprobung stattfand. Sie konzentrierten sich auf die teilnehmenden Lehrper-
sonen und deren Reaktionen auf folgende Aspekte der Makroebene jeder Weiter-
bildungseinheit:
Wie reagieren die teilnehmenden Lehrpersonen auf die Inhalte der Einheit?
Wie reagieren die teilnehmenden Lehrpersonen auf Struktur und Ablauf der
Einheit (ESRIA-Modell)?
Wie reagieren die teilnehmenden Lehrpersonen auf die eingesetzten Methoden
und Sozialformen?
Wie gehen die teilnehmenden Lehrpersonen mit den Arbeitsmaterialien um?
Wie läuft die Bearbeitung der Aufgaben ab?
Im zweiten Teil des Beobachtungsbogens wurde die Mikroebene der Weiterbil-
dungseinheiten erfasst. In dieses tabellarische Beobachtungsraster konnten die Beob-
achter auch Elemente der Makroebene übertragen, die phasenspezifisch auftraten.
Die Grundlage dieses Rasters bildete der Sequenzplan der jeweiligen Einheit. So
hatten die Beobachter stets vor Augen, inwiefern sich Planung und tatsächlicher
Verlauf der Weiterbildungseinheit deckten bzw. wo Abweichungen welcher Art
auftauchten. Je nach Beobachtungsfokus wurden hier Reaktionen von Trainern
oder teilnehmenden Lehrpersonen auf Inhalte und Materialien der jeweiligen Weiter-
18 Dabei war der Entwickler-Beobachter jeweils in Arbeitspaket 3 maßgeblich an der Ausarbeitung der
jeweiligen Einheit beteiligt.
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
214
bildungseinheit im Beobachtungsraster festgehalten. Beobachtungen, die über die
ESRIA-Phasen hinausgingen oder die Pausen betrafen, wurden unter Bemer-
kungen außerhalb der Tabellen festgehalten (vgl. Tabelle 4).
Tabelle 4: Ausschnitt aus dem Beobachtungsbogen zu Einheit 7 Unterrichtsaktion sprach-
förderlich gestalten
Phase Zeit
Aktivität Trainer Aktivität teilnehmende
Lehrpersonen
Sozial-
form
Beobach-
tungen
Input 5‘ fasst mithilfe der Pow-
er-Point-Präsentation
das didaktische Modell
zur Förderung literaler
Handlungskompetenz
zusammen
Vortrag
Anwen-
dung
25‘
begleitet die Gruppen-
arbeit
erstellen in Vierergruppen Pla-
kate / methodische Fahrpläne
zur Förderung literaler Hand-
lungskompetenz anhand eines
Beispiels aus ihrem Unterricht
Gruppen-
arbeit
moderiert Präsentation Ergebnissicherung: präsentie-
ren ihre Plakate
Poster-
rundgang
4.1.2 Trainer-Perspektive: Problemzentrierte Interviews
Das Trainer-Interview wurde in Anlehnung an das problemzentrierte Interview
nach Witzel (1985) konzipiert, das auf die Erfassung der subjektiven Problemsicht
der Befragten auf die von ihnen durchgeführte Weiterbildung zielt. Witzel be-
schreibt das problemzentrierte Interview als ein "theoriegenerierendes Verfahren,
das den vermeintlichen Gegensatz zwischen Theoriegeleitetheit und Offenheit da-
durch aufzuheben versucht, dass der Anwender seinen Erkenntnisgewinn als in-
duktiv-deduktives Wechselspiel organisiert" (ebd.: Zusammenfassung). Im Sinne
eines deduktiven Vorgehens war es das Ziel des Interviews zu überprüfen, inwie-
weit die didaktischen Lehr- und Lernmodelle und theoretischen Konzepte, auf denen
die Konzeption der Weiterbildungseinheiten fußt, in der Praxis umgesetzt werden
konnten. Gleichzeitig waren die Forschenden gemäß dem Prinzip der Offenheit
(vgl. Lamnek 2010: 318) aufgeschlossen gegenüber den Relevanzsystemen (ebd.:
355) der Befragten und anderen neuen Aspekten (induktives Vorgehen). Der In-
terviewleitfaden war nach Themenblöcken strukturiert, die eine Fragestruktur vor-
gaben (vgl. Tabelle 5):
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
215
Tabelle 5: Ausschnitt aus dem Leitfaden für das Trainer-Interview
Gesamtkonzeption der Weiterbildungseinheiten:
1. Inwieweit fanden Sie die Abfolge der Inhalte schlüssig?
2. Wie schätzen Sie das ESRIA-Modell in Bezug auf das Erreichen der Lernziele und die
Vermittlung der Inhalte ein?
3. Wie schätzen Sie das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Weiterbildung ein?
4. Inwieweit konnten die gewählten Inhalte der Heterogenität der LP gerecht werden?
auf einzelne ESRIA-Phasen eingehen
Die starke Strukturierung des Interviews ergab sich daraus, dass die Interviews an
drei verschiedenen Standorten von unterschiedlichen Projektmitarbeitern durch-
geführt, analysiert und ausgewertet wurden und dennoch eine Vergleichbarkeit ge-
währleistet werden sollte. Aus diesem Grund wurde für das Projektteam auch ein
"Manual zur Interviewführung" (Mey & Mruck 2010: 431) erarbeitet, das die Re-
geln der Interviewführung sowie die Logik des Leitfadens erklärte.
Auf der Metaebene wurden die Trainer u.a. dazu befragt, wie sie ihre Rolle in
der Durchführung der Weiterbildung wahrgenommen und wie sie sich auf die Wei-
terbildung vorbereitet hatten. Auf der Makroebene wurden sie u.a. zu ihren Meinun-
gen zur Gesamtkonzeption jeder Weiterbildungseinheit interviewt sowie dazu,
inwiefern sie die vom Projekt zur Verfügung gestellten Materialien bei Vorberei-
tung und Durchführung der Weiterbildung als unterstützend wahrgenommen hatten.
Auf der Mikroebene wurden u.a. die Ansichten der Trainer bezüglich der Auswahl
von Methoden und Sozialformen in den einzelnen Phasen erfasst. Neben dem In-
terviewleitfaden fanden auch andere beim problemzentrierten Interview einge-
setzte Instrumente Berücksichtigung: Anhand eines Kurzfragebogens wurden Er-
fahrungen und Qualifikationen der Trainer erhoben, in einem Postskriptum wurden
Informationen zur jeweiligen Interviewsituation (non-verbales Verhalten, Auffäl-
ligkeiten, Gespräche vor und nach dem Einschalten des Diktiergeräts) festgehalten.
Die Interviews mit den Trainern wurden jeweils direkt im Anschluss an die
erprobte Weiterbildungseinheit durchgeführt. Dies begründete sich in der Annah-
me, dass zu diesem Zeitpunkt die Erinnerungen der Trainer noch aktiv und nicht
verblasst seien. Das Trainer-Team wurde in Form eines Tandeminterviews (vgl.
Hoff 1985) von den beiden Projektmitarbeitern, die die Einheit beobachtet hatten,
befragt. Dabei agierte der Entwickler-Beobachter als Hauptinterviewer und wurde
durch den Standort-Beobachter unterstützt.
Vorzüge von Tandeminterviews sind insbesondere – vorausgesetzt beide Interviewende
harmonieren –, dass mit erhöhter Aufmerksamkeit gearbeitet wird, dass mögliche Auslas-
sungen eher auffallen können oder dass bei 'Krisen' im Gespräch der/die Fragende wechseln
kann (Mey & Mruck 2010: 429).
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
216
4.1.3 Teilnehmer-Perspektive: Fragebögen
Um die Perspektive der teilnehmenden Lehrpersonen auf die Weiterbildungsein-
heiten abzubilden, wurden auch diese nach jeder Weiterbildungseinheit befragt.
Aufgrund der Anzahl der Lehrpersonen und begrenzter zeitlicher und personeller
Ressourcen wurde dafür die schriftliche Befragungsform Fragebogen gewählt.
Bei der Konzeption der Fragebögen fand die Orientierung an Evaluationskon-
zepten aus dem Bereich der betrieblichen Weiterbildung statt (vgl. Kauffeld 2010)
und es wurde an Erfahrungen aus der Lehrevaluation angeknüpft (vgl. Rindermann
2009). Für die teilnehmerzentrierte Evaluation von Lehr-/Lernerfolg im Kontext
der betrieblichen Weiterbildung hat Kirkpatrick mit seinem Vier-Ebenen-Modell
eine häufig referierte Grundlage geschaffen (vgl. Kauffeld 2010). Die Reaktions-
ebene bezieht sich dabei v.a. auf die Zufriedenheit der Teilnehmenden mit einer
Weiterbildung. Die Lernebene bezieht sich auf den Wissenszuwachs und auf Ein-
stellungsveränderungen. Der Transfererfolg umfasst durch die Weiterbildung be-
dingte Veränderungen im Arbeitsverhalten, während die Ebene Resultate sich auf
die Frage bezieht, inwieweit sich unternehmerische Kennzahlen und Organisa-
tionsziele durch die Weiterbildung verändern. Im Rahmen des Projekts SpraSiBeQ
wurden aufgrund der zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen lediglich
die Reaktionsebene und die Lernebene berücksichtigt. Im Rahmen des Projekts
SpraSiBeQ wurden aufgrund der zur Verfügung stehenden zeitlichen und perso-
nellen Ressourcen lediglich die Redaktions- und die Lernebene berücksichtigt,
nicht aber der Transfererfolg und die Resultate.
Die Fragebögen, die die Lehrpersonen nach jeder der drei Weiterbildungs-
einheiten ausfüllten, bestanden jeweils aus vier Teilen. Die Teile 1 bis 3, die für
jede Einheit identisch waren, bezogen sich auf die Reaktionsebene, d.h. die Zu-
friedenheit der teilnehmenden Lehrpersonen mit der Weiterbildungseinheit. Die
Operationalisierung erfolgte, indem Aussagen formuliert wurden, zu denen die
Lehrpersonen auf fünfstufigen Skalen ("stimme überhaupt nicht zu" = 1, "stimme
vollständig zu" = 5) ihre Zustimmung bzw. Ablehnung markierten. Die Teile 1
bis 3 enthielten insgesamt 31 geschlossene sowie zwei offene Items in Teil 3. Teil
1 des Lehrpersonen-Fragebogens bestand aus neun Items, die sich auf Ein-
schätzungen der Lehrpersonen zur Metaebene der Weiterbildung, wie Zufrieden-
heit mit den Trainern, mit den administrativen Prozessen und der Arbeitsatmo-
sphäre bezogen. Die 17 Items von Teil 2 bezogen sich teils auf die Makro-, teils
auf die Mikroebene der Weiterbildung. Hier wurden u.a. die Zufriedenheit der
Lehrpersonen mit der Gestaltung der Arbeitsmaterialien, mit der inhaltlichen und
zeitlichen Struktur sowie mit dem didaktischen Modell ESRIA und seiner metho-
dischen Umsetzung thematisiert (vgl. Tabelle 6).
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
217
Tabelle 6: Ausschnitt aus Teil 2 des Fragebogens für die Lehrpersonen
Bitte positionieren Sie sich zu jeder Aussage mit einem
Kreuz!
stimme
überhaupt
nicht zu
stimme
vollständig
zu
TU-01
Die Arbeitsmaterialien, mit denen wir in der
Weiterbildungseinheit gearbeitet haben,
waren verständlich.
TU-03
Den Umfang der Arbeitsmaterialien, die
während der Weiterbildungseinheit bereit-
gestellt wurden, fand ich angemessen.
TM-08
Die didaktische Konzeption der Weiter-
bildungseinheit in Erfahrungs-, Simulations-,
Reflexions-, Input- und Anwendungsphase
fand ich gut.
In Teil 3 des Fragebogens wurde die empfundene Relevanz der Weiterbildung für
die eigene Berufspraxis erfragt. In diesem Teil befanden sich neben fünf geschlos-
senen zwei offene Items (z.B. "Die Berücksichtigung folgender Inhalte bzw. die
Beantwortung der folgenden Fragen hätte ich mir zusätzlich gewünscht:") sowie
die Frage danach, welche der in der Weiterbildungseinheit eingesetzten Unter-
richtsmethoden als besonders lernförderlich empfunden wurden. Die Items dieses
Teils bezogen sich größtenteils auf die Makroebene der Weiterbildungseinheit,
die Frage nach den Methoden auf die Mikroebene.
Für den vierten Teil des Fragebogens wurden aus den Kann-Beschreibungen
der jeweiligen Einheiten des Rahmencurriculums zur Sprachsensibilisierung in
der beruflichen Qualifizierung Items konstruiert, die den subjektiv empfundenen
Lernerfolg der teilnehmenden Lehrpersonen erfassen sollten. Damit bezog sich
Teil 4 des Lehrpersonen-Fragebogens auf die Makroebene der Weiterbildung. Zu
jedem Item waren zwei fünfstufige Skalen vorgegeben. Auf der ersten Skala sollten
die Lehrpersonen eintragen, wie sie ihre Kompetenz retrospektiv für die Zeit vor
der Teilnahme an der Weiterbildungseinheit einschätzen, auf der zweiten, wie nach
der Teilnahme an der Weiterbildung. Aus der Differenz beider Werte ergibt sich
der subjektiv empfundene Lernerfolg. Die anfängliche Überlegung, die subjektiv
empfundenen Kompetenzen zu zwei Zeitpunkten zu erheben (einmal vor und ein-
mal nach der Teilnahme an der Weiterbildung), wurde zugunsten der umgesetzten
Lösung verworfen. Dies lag neben zeitlichen Gründen auch in der Erwartung der
Entwickler begründet, dass sich das Verständnis der Items und die Qualität der
eigenen Einschätzung durch die Teilnahme an der Weiterbildungseinheit verän-
dern würden. Abgeschlossen wurde der Fragebogen durch eine Seite, auf der die
Befragten die Möglichkeit hatten, frei formuliertes Feedback zu den Weiterbil-
dungseinheiten zu geben.
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
218
4.2 Datenaufbereitung
Um sämtliche Daten mithilfe von Software zur qualitativen Datenanalyse auswer-
ten zu können, mussten zunächst alle Daten transkribiert bzw. digitalisiert werden.
Aus diesem Grund wurden die Beobachtungbögen, die handschriftlich ausgefüllt
worden waren, in Word-Dokumente digitalisiert. Insgesamt handelte es sich um
19 Beobachtungsbögen, von denen neun von Entwickler- und zehn von Standort-
Beobachtern ausgefüllt worden waren.
19
Da an allen drei Standorten jeweils nach jeder Erprobung ein Interview durch-
geführt wurde, handelte es sich insgesamt um neun Interviews. Diese wurden voll-
ständig transkribiert, wobei das einfache Transkriptionssystem nach Kuckartz (2008)
verwendet werden konnte, weil der Gegenstand der Analyse der Inhalt der Aussa-
gen war und nicht der Darstellungsprozess oder die Formulierungsarbeit der Infor-
manten. Insofern konnte auf die Transkription para- und nonverbaler Merkmale ver-
zichtet werden.
Insgesamt wurden 81 Fragebögen von den Teilnehmenden ausgefüllt. Für die
Aufbereitung der Daten aus den Fragebögen wurde zunächst mithilfe eines Tabel-
lenkalkulationsprogramms für jede Weiterbildungseinheit eine Arbeitsmappe er-
stellt, in die die Werte zu den geschlossenen Items eingetragen wurden. Die Ar-
beitsmappe war so vorbereitet, dass für jedes Item die Anzahl der Antworten, das
arithmetische Mittel und die Standardabweichung berechnet wurden. Auf diese
Weise wurden interpretierbare Zahlenwerte generiert, sowohl für jeden einzelnen
Erprobungsstandort als auch standortübergreifend. Um die Triangulation mit dem
Datenmaterial aus den Interviews und den Beobachtungen zu ermöglichen, wur-
den diese Zahlenwerte anschließend in Aussagen umformuliert. Ein intern erarbeiteter
Leitfaden gab hierzu Standardformulierungen vor, die eine standortübergreifend
einheitliche Aufbereitung der Daten ermöglichten. Die Antworten der teilneh-
menden Lehrpersonen zu den beiden offenen Items des Fragebogens wurden für
jede Weiterbildungseinheit in je einem Text-Dokument zusammengefasst. Alle
auf diese Weise aufbereiteten Daten konnten somit in die Analyseprogramme im-
portiert werden, um sie anschließend mit Hilfe der qualitativen Analysesoftware
auszuwerten.
19 Diese Abweichung liegt darin begründet, dass bei einer der Erprobungen zwei Standort-Beobachter
anwesend waren.
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
219
4.3 Datenanalyse
Die Datenanalyse wurde in Anlehnung an das thematische Kodieren vollzogen,
das Kuckartz (2010: 84) folgendermaßen charakterisiert:
Das Auswertungsverfahren basiert also wesentlich stärker als das in der Grounded Theory
der Fall ist auf Vorwissen, vor allem theoretischem Vorwissen. Folglich geht es in der em-
pirischen Studie auch nicht um Theoriegenerierung, wie in der Grounded Theory üblich,
sondern um die Überprüfung und Weiterentwicklung einer als aussichtsreich eingeschätzten
Theorie, dies allerdings nicht in generalisierender Weise, sondern als fallbezogene Über-
prüfung der Gültigkeit einer Theorie (Kuckartz 2010: 84).
Als Basis der Datenanalyse wurde die Tabelle, in der die Items, Fragen und Beob-
achtungsaspekte der Erhebungsinstrumente miteinander in Beziehung gesetzt wur-
den, herangezogen und auf dieser Grundlage wurden deduktiv Kategorien und
Kodes entwickelt. Der Kodebaum wurde nach zwei übergeordneten Aspekten ge-
gliedert: den Kategorien außerhalb des didaktischen Konzepts ESRIA (d.h. den
Lernzielen, den Inhalten, der Vorbereitung, der Gruppe, dem Trainer, den Mate-
rialien, der Organisation sowie der Zeit) und den Kategorien innerhalb der ESRIA-
Phasen. Zu allen Kodes wurde die Tabelle mit Ankerbeispielen ergänzt (vgl.
Tabelle 7).
Die Erprobung der Kodes erfolgte durch einen ersten ausschnittsweisen Mate-
rialdurchgang an allen Standorten. So sollte festgestellt werden, ob die bisher fest-
gelegten Ankerbeispiele und die Kodierregeln eine eindeutige Zuweisung des vor-
liegenden Forschungsmaterials ermöglichen (vgl. Mayring 2003: 83). Ergaben
sich dabei an den drei Standorten Differenzen, wurden die Kodierregeln präzisiert
und neue Ankerbeispiele eingefügt. Auf diese Weise wurde ein präzises standort-
und instrumentenübergreifendes thematisches Kodieren sichergestellt, sodass die
nach Einheiten oder Standorten gebündelten Ergebnisse der Datenanalyse zusam-
mengeführt werden konnten. Auf der Basis der kodierten Textstellen und vorge-
fertigten Aussagen der quantitativen Items konnten Ergebnisse zu jeder Kategorie
jeweils aus Trainer-, Lehrpersonen und Beobachterperspektive gewonnen und mit
entsprechenden Beispielen aus den Daten in einem Dokument dargestellt werden.
Die Ergebnisse der Evaluation dienten im fünften Arbeitspaket des Projekts
als Grundlage für die Überarbeitung der drei Weiterbildungseinheiten. Für jede
der Analyseebenen (Meta-, Mikro- und Makroebene) wurden dazu für die drei
Einheiten Ergebnisberichte verfasst. Gegliedert nach dem zeitlichen Ablauf der
Weiterbildungseinheiten wurden in diesen Berichten zuerst die Ergebnisse der Da-
tenanalyse zusammengefasst. Anschließend wurden Empfehlungen für die Über-
arbeitung ausgesprochen, die sich wiederum auf die Daten stützten. Im Zuge der
Überarbeitung wurden v.a. Anpassungen hinsichtlich inhaltlicher Schwerpunkte,
des Material- und Methodeneinsatzes und der Zeitplanung vorgenommen.
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
220
Tabelle 7: Ankerbeispiele für das thematische Kodieren
Kategorien
und Kodes Methoden Zielgruppe
Konzeption
Definition Textstellen, die sich auf die in der
Konzeption vorgesehen Metho-
den beziehen. Textstellen, die
Vorschläge für alternative oder
ergänzende Methoden enthalten.
Textstellen, die das Verhältnis Gesamt-
konzeption – Zielgruppe der Weiter-
bildung abbilden. Dazu gehören auch
Vorkenntnisse der teilnehmenden Lehr-
personen bezüglich sprachlicher As-
pekte und/oder deren berufliche und
fachliche Hintergründe.
Beobachtungs-
bogen
Reaktion einer Lehrperson auf
Methode zum gegenseitigen Ken-
nenlernen: "Aber wir haben uns
doch gerade erst vorgestellt".
Trainer 1 bittet die Lehrperson
darüber hinweg zu sehen, da ja
Trainer 2 neu dabei sei und des-
halb die Gruppe noch nicht ken-
ne. (SO3_BB_S1_AE2)
Eine Lehrperson sagt, Auswertungs-
zeiten und Feedbackrunden würden
"einem die eigene Betriebsblindheit
nehmen"; es sei schön zu hören, "wie
andere das machen". Das gebe viel
neuen Input, sonst sei man "so ein-
gefahren". (SO3_BB_S2_AE2)
Trainer-
Interview
"Was wir oft gedacht haben ist,
also dieses an Vorwissen und
Erfahrungen anknüpfen ist gut,
aber das passiert zu viel im Ple-
num. Man kann ja auch an Er-
fahrungen sagen: 'Setzen Sie
sich in Murmelgruppen zusam-
men und sprechen sie über ihre
[unverständlich]. Oder drehen Sie
sich, machen Sie Kugellager.'
Also da methodisch: Wie knüpfe
ich an Vorerfahrungen / oder wie
können Teilnehmer sich austau-
schen? Da mehr zu variieren."
(SO1_TI_BE1)
"Und ich glaube halt, das ist mir heute
aufgefallen, was man nicht unter-
schätzen darf, dass es eben gerade bei
den branchenübergreifenden eigent-
lich gar nicht so sehr darum geht, dass
in den einzelnen Branchen vielleicht
unterschiedliche berufssprachliche In-
halte vorkommen, sondern dass die
einfach auch für jede Branche in ihrer
Weiterbildung, Ausbildung komplett,
ja wie du sagtest, Rahmenbedingun-
gen komplett anders sind und auch die
Methodik-Didaktik eine komplett an-
dere ist." (SO3_TI_BE1)
Lehrpersonen-
Fragebogen
Antwort zum Item "Welche Me-
thoden empfanden Sie als beson-
ders lernförderlich?": Fallbeispie-
le mit Videoanalyse, Rollenspiel
und Beobachter, Puzzle (SO3_LP
03_AE1)
Mit einem Mittelwert von 3,84 auf der
5-stufigen Skala lässt sich eine
schwache Zustimmung der Befragten
zu der Aussage konstatieren, dass die
Weiterbildungseinheit gut an ihre
unterschiedlichen Vorerfahrungen und
Tätigkeitskontexte anknüpfte. Die Stan-
dardabweichung von 0,90 deutet da-
rauf hin, dass hier eine Uneinigkeit
der Befragten besteht, die das Ergeb-
nis des arithmetischen Mittels hinter-
fragbar machen. (FB_AE1)
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
221
5. Ausgewählte Ergebnisse der Datenanalyse
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der Datenanalyse vorgestellt, die
sich auf Implikationen für zukünftige Weiterbildungsreihen beziehen. Hierbei werden
insbesondere auch direkte Bezüge zum vorgestellten didaktischen ESRIA-Modell
hergestellt und es wird reflektiert, inwiefern es als adressatengerecht betrachtet
werden kann. Im Projekt wurden aufgrund dieser Ergebnisse Veränderungen an
den Phasen, Blöcken und Inhalten der Weiterbildungsreihen vorgenommen.
Notwendigkeit einer größeren Flexibilität des didaktischen Konzeptes
Sowohl Trainer als auch Lehrpersonen empfanden die mit dem ESRIA-Modell
verbundenen zeitlichen Vorgaben für Themenblöcke als sehr einschränkend und
wünschten sich deshalb zukünftig eine größere Flexibilität sowie einen eher of-
fenen Umgang mit den Phasen. Dies betrifft insbesondere auch die Thema-Zeit-
Relation. Nicht die Themen sollten an die Zeit bzw. einen ESRIA-Zyklus, sondern
die Zeit an die Themenblöcke angepasst werden.
Perspektivwechsel als entscheidendes Element des Lernerfolgs
Der angestrebte Perspektivwechsel durch die Simulationsphasen konnte aus Sicht
beider befragten Gruppen (Trainer und Lehrpersonen) erreicht werden und führte
zudem zu einer guten Basis für die Sensibilisierung der Lehrpersonen hinsichtlich
der Bedarfe und Bedürfnisse ihrer Teilnehmenden. Allerdings zeigten sich auch
Herausforderungen mit Blick auf die Gestaltung der Simulation. Positivbeispiele
konnten hier leichter als Lernimpuls genutzt werden als Negativbeispiele. Letztere
bedürfen nach Auswertung der Daten einer zeitlich umfangreicheren und modera-
tionstechnisch intensiveren Reflexionsphase.
Praxisbezug als zentrales Element des Lerntransfers
Die Daten zeigen, dass die Lehrpersonen das Modell als sehr lernförderlich und
praxisbezogen bewerten, was die Motivation steigerte, die gelernten Inhalte in die
eigene Berufspraxis zu überführen. Realistische Praxismaterialien können hier also
als Gradmesser für den Weiterbildungserfolg gesehen werden. Gerade mit Blick
auf heterogene Zielgruppen in der beruflichen Weiterbildung, wie in dem vorge-
stellten Projekt, birgt dies jedoch große Herausforderungen, da Weiterbildungsträger
oder Trainer nicht immer Zugriff auf Originaldokumente (wie z.B. Prüfungsma-
terialien) haben. Zugleich muss eine ausgewogene Auswahl der Materialien mit
Blick auf die verschiedenen Berufs- und Tätigkeitsfelder der Lehrpersonen getroffen
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
222
werden. Da Lehrpersonen in der beruflichen Qualifizierung meist verschiedene Quali-
fizierungsmnahmen betreuen, muss hier im Rahmen der Weiterbildung der Trans-
fer auch durch Einbezug eigener Materialien der Teilnehmenden unterstützt werden.
Pädagogische Basiskompetenz als Einflussfaktor der Sprachsensibilisierung
Als problematisch empfanden die Trainer die hohe Heterogenität der Teilnehmen-
den mit Blick auf ihre pädagogischen Grundkompetenzen. Dies verlangte gerade
bei einem geplanten Einsatz verschiedener sprachsensibler Methoden in der Wei-
terbildung häufig einen Spagat der Trainer zwischen "einfach Unterrichtsinter-
aktion befördern und sie aber sprachförderlich gestalten" (NBG_TI_AE1: 19).
Hier mussten in der Überarbeitung der Einheiten an mehreren Stellen grundle-
gende Zusatzmaterialien zu Methoden der Erwachsenenbildung sowie didaktische
Hilfestellungen für die Trainer entwickelt bzw. bereitgestellt werden, um diese
Doppelherausforderung zu meistern. Für zukünftige Konzeptentwicklungen erge-
ben sich damit trotz der starken Teilnehmerorientierung, die das ESRIA-Modell
bereits vorsieht, weitere Herausforderungen bezüglich der Binnendifferenzierung,
die von Seiten der Trainer ggfs. sogar ad hoc umgesetzt werden muss.
Weiterbildung als Plattform für Erfahrungsaustausch
Als größter Vorteil der Weiterbildung wurde die Schaffung einer Plattform für den
gegenseitigen Erfahrungstausch genannt, da im Arbeitsalltag hierfür wenig Zeit
besteht bzw. entsprechende Netzwerke fehlen. Das ESRIA-Modell bietet hier ins-
besondere in der Erfahrungs-, Reflexions- und Anwendungsphase gute Möglich-
keiten, sollte jedoch bei Bedarf um weitere Diskussionsphasen ergänzt werden.
Hier zeigten sich aber auch Diskrepanzen zwischen den Einschätzungen von
Trainern und Lehrpersonen. So wurde z.B. die Häufigkeit der Phasen des Aus-
tauschs im Plenum von Trainer wiederholt als zu hoch erachtet, während die Pha-
sen von vielen Lehrpersonen als besonders wertvoll bewertet und von einigen da-
her sogar noch häufiger gewünscht wurden.
6. Kritische Bewertung der Forschertriangulation im Projekt-
verbund
Da das im vorliegenden Beitrag dargestellte Evaluationsvorhaben im Forschungs-
verbund erfolgte, sahen sich die beteiligten Standorte sowohl bei der Datenerhebung
als auch bei der Datenanalyse hinsichtlich der Gewährleistung wissenschaftlicher
Qualität vor große Herausforderungen gestellt. Wie in Abschnitt 4.1. dargelegt,
sollte die übergreifende Forschungsstrategie der systematischen und begründeten
Empirische Evaluation von Weiterbildungseinheiten zur Sprachsensibilisierung von Fachlehrenden
223
Kombination der unterschiedlichen Perspektiven der Entwickler der Weiterbildungs-
einheiten und der für die Durchführung am jeweiligen Standort verantwortlichen
Mitarbeiter Einseitigkeiten und Schieflagen bei der Beobachtung der Erprobun-
gen vermeiden bzw. reduzieren. Diese im Abschnitt 4.1.1 erläuterte Forschertrian-
gulation in Form einer Doppelbesetzung aus einem Standort- und einem Ent-
wickler-Beobachter erwies sich als sehr produktiv, da auf diese Weise bei der
Beobachtung unterschiedliche Foki gesetzt werden konnten. Z.B. konnte sowohl
das Handeln der Trainer als auch das der Lehrkräfte kontinuierlich beobachtet
werden, weshalb beide Perspektiven auf den Unterricht in der Datenauswertung
systematisch aufeinander bezogen werden konnten. Dieses Vorgehen erhöhte die
Aussagekraft der gewonnen Daten im Hinblick auf die Bedingungsgefüge der
Weiterbildung (vgl. Flick 2009: 285).
Auch die Datenauswertung erfolgte im Sinne einer Forschertriangulation. Zum
einen, da die Analyseinstrumente standortübergreifend entwickelt und im Sinne
einer Interkoderreliabilität (vgl. Mayring 2003) erprobt wurden. Zum anderen
wurde jede Weiterbildungseinheit an einem Standort analysiert, an dem sie nicht
konzipiert worden war. Dieses Vorgehen gewährleistet bei der Interpretation so-
wie der Darstellung der Analyseergebnisse die intersubjektive Nachvollziehbarkeit.
Trotz des hohen Aufwandes hat sich der Einsatz der Forschertriangulation in
höchstem Maße rentiert. Denn im Zusammenhang mit der Bandbreite der Daten-
erhebungen und der daran anschließenden Daten- und Methodentriangulation konnte
nicht nur umfassendes Datenmaterial gesammelt, sondern dieses auch aus ver-
schiedenen Perspektiven ausgewertet werden. Dies ermöglichte es letztlich, die
Weiterbildungseinheiten so neutral zu überarbeiten, dass Veränderungen in der
Meta-, Makro- oder Mikroebene nur auf empirischer Basis und unter Berücksichti-
gung aller beteiligten Akteure vollzogen wurden. Damit ist davon auszugehen,
dass die überarbeiteten Einheiten weitgehend den Bedarfen und Bedürfnissen aller
Akteure entsprechen.
7. Zusammenfassung und Ausblick
Die Forschungsstrategie der Triangulation erwies sich als äußerst konstruktiv, um
im Zuge der Evaluation "ein umfassendes, die verschiedenen Facetten des unter-
suchten Gegenstandes berücksichtigendes und damit angemessenes Bild" (Aguado
2014: 52) der Weiterbildungseinheiten zu erstellen. Durch die Methodentriangu-
lation konnten die Perspektiven und Relevanzen der verschiedenen Akteure der
Weiterbildung herausgearbeitet und transparent gemacht werden. Diskrepanzen
zwischen den Perspektiven wurden offengelegt und das weitere Vorgehen in diesen
Birnbaum, Dippold-Schenk, Hirsch, Kimmelmann, Kupke, Ohm, Schramm, Seyfarth und Wernicke
224
Fällen von allen Beteiligten diskutiert. Dabei gewährleistete die kontinuierliche For-
schertriangulation bei der Anwendung der Erhebungs- und Analyseinstrumente die
Reliabilität der empirischen Evaluation.
Bei der empirisch basierten Verbesserung der Weiterbildungseinheiten war
produktiv, dass die Weiterbildungseinheiten jeweils von Projektmitarbeitern über-
arbeitet wurden, die diese nicht konzipiert hatten. Methoden- und Forschertrian-
gulation stellten somit bei der empirischen Evaluation und Überarbeitung der
Weiterbildungseinheiten einen gewinnbringenden "Weg der Erweiterung der Er-
kenntnis über den untersuchten Gegenstand" (Flick 2008: 318) dar.
Durch das empirisch-wissenschaftliche Vorgehen im Rahmen des Projekts
SpraSiBeQ – sowohl in der Bedarfserhebung in Arbeitspaket 1 als auch in der in
diesem Artikel beschriebenen Evaluation der Weiterbildungseinheiten in Arbeits-
paket 4 – wurden bisher kaum realisierte wissenschaftliche Ansprüche an die Ent-
wicklung von Weiterbildungen umgesetzt. Dabei wurde für den Bereich der
Sprachsensibilisierung von Fachlehrkräften Neuland betreten, indem auf Basis
einer empirisch-wissenschaftlichen Bedarfserhebung sowohl ein Rahmencurri-
culum zur Sprachsensibilisierung in der beruflichen Qualifizierung entwickelt, als
auch begonnen wurde, dieses in Form von konkreten Weiterbildungen auszu-
arbeiten und diese wiederum zu evaluieren.
Die Erfahrungen aus dem Projekt SpraSiBeQ illustrieren, wie ein empirisches
Vorgehen aussehen kann, damit die Evaluation eines Weiterbildungskonzeptes
auf einer intersubjektiv nachvollziehbaren Ebene erfolgt. Dabei dient das Regel-
system, dem man bei solch einer empirischen Forschung folgt, "dazu, dass auch
andere als diejenigen, die evaluieren, nachvollziehen können, wie es zu dem be-
wertenden Urteil kam" (Nuissl 2013: 9). Indem der vorliegende Beitrag das metho-
dische Vorgehen im Projekt SpraSiBeQ detailliert erläutert, werden nicht nur die
inhaltlichen Ergebnisse dokumentiert, sondern zugleich methodische Anregungen
für zukünftige empirisch-wissenschaftliche Evaluierungen von Weiterbildungs-
konzepten geliefert.
Eingang des revidierten Manuskripts 13.05.2016
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Article
Full-text available
Das problemzentrierte Interview (PZI) ist ein theoriegenerierendes Verfahren, das den vermeintlichen Gegensatz zwischen Theoriegeleitetheit und Offenheit dadurch aufzuheben versucht, dass der Anwender seinen Erkenntnisgewinn als induktiv-deduktives Wechselspiel organisiert. Entsprechende Kommunikationsstrategien zielen zum einen auf die Darstellung der subjektiven Problemsicht. Zum anderen werden die angeregten Narrationen durch Dialoge ergänzt, die Resultat ideenreicher und leitfadengestützter Nachfragen sind. Theoretisches Wissen entsteht im Auswertungsprozess durch Nutzen elastischer Konzepte, die in der empirischen Analyse fortentwickelt und mit empirisch begründeten "Hypothesen" am Datenmaterial erhärtet werden. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0001228
Book
Am Beispiel eines von den Autoren realisierten Evaluationsprojektes führt dieses Buch in die Planung und praktische Durchführung von qualitativer Evaluation ein. Anhand einer detaillierten Schritt-für-Schritt-Anleitung werden die Bestandteile eines Evaluationsprozesses von der Gegenstandsbestimmung, Erhebung und Codierung der Daten bis hin zur kategorienbasierten Auswertung und zur Verfassung des Berichts nachvollziehbar dargestellt. Die im Buch beschriebene computergestützte Vorgehensweise lässt sich auch bei knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen umsetzen. Eine Checkliste und weitere Arbeitshilfen unterstützen die Gestaltung eigener qualitativer Evaluationsprojekte.
Article
Die sozialwissenschaftliche Analyse von qualitativen Daten, die Text- und Inhaltsanalyse lassen sich heute sehr effektiv mit Unterstützung von Computerprogrammen durchführen. Der Einsatz von QDA-Software verspricht mehr Effizienz und Transparenz der Analyse. Dieses Buch gibt einen Überblick über diese neuen Arbeitstechniken, diskutiert die zugrunde liegenden methodischen Konzepte (u.a. die Grounded Theory und die Qualitative Inhaltsanalyse) und gibt praktische Hinweise zur Umsetzung.
Eine Einführung (vollständig überarbeitete, erweiterte Neuausgabe)
  • Uwe Flick
Flick, Uwe (2009), Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung (vollständig überarbeitete, erweiterte Neuausgabe). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Evaluation des Projekts PROFiL-TT am
  • Manfred Kostolnik
  • Paul
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  • Michael K Legutke
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Fachliche Schwierigkeiten sind sprachliche Schwierigkeiten. Müssen Fachlehrer und Ausbilder auch Sprachlehrer sein?
  • Udo Ohm
Ohm, Udo (2010), Fachliche Schwierigkeiten sind sprachliche Schwierigkeiten. Müssen Fachlehrer und Ausbilder auch Sprachlehrer sein? In: Chlosta, Christoph & Jung, Matthias (Hrsg.) (2010), DaF integriert. Literatur -Medien -Ausbildung. Göttingen: Universitätsverlag, 271-284.
Lehrevaluation. Einführung und Überblick zu Forschung und Praxis der Lehrveranstaltungsevaluation an Hochschulen mit einem Beitrag zur Evaluation computerbasierten Unterrichts (2. leicht korrigierte Aufl
  • Rolf Porst
Porst, Rolf (2011), Fragebogen. Ein Arbeitsbuch. Opladen: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Rindermann, Heiner (2009), Lehrevaluation. Einführung und Überblick zu Forschung und Praxis der Lehrveranstaltungsevaluation an Hochschulen mit einem Beitrag zur Evaluation computerbasierten Unterrichts (2. leicht korrigierte Aufl.). Landau: Empirische Pädagogik.