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l(urz gefasst: In letzter Zeit wird häufig behauPtet, dass die
Wertevorstellungen von muslimischen Migranten und vor al-
Iem ihr Frauenbild nicht in Einklang mit den Vorstellungen in
Westeuropa stehen. Verschiedene rechtspopulistische Parteien
stelien Migranten daher als sexuelle Bedrohung dar' Wie solche
Darstellungen wirken, wurde in Online-Experimenten in der
Schweiz und in Deuts chland untersucht. Nicht bei allen ver-
fangen solche Argumente. Entscheidend sind das Frauenbild
und teilweise das Geschlecht einer Person.
,,lvan S., der Vergewa
rechtspopulistische
granten als sexuelle
Marc Helbling, Oriane Sarrasin, Eva G' T' Green und Nicole Fosel
che Deutsche.
men schwer vereinbar sind'
kat präsentierte einen,,lvan S'" als Vergewaltlger'
Migrationwirdoffensichtlichnichtnuralsö]<onomischeoderkulturelleGefahr
geíenen. verschiedene sozialwissenschaftliche Studien zeigen, dass ausländi-
i
28 wzB Mjlleilun8en Hett 151 März 2016
Y
sche Männer als gefährlicher und gewalttätiger wahrgenommen werden als
ausländische Frauen und einheimische Männer. Auch verschlechtern sich Ein-
stellungen gegenüber Migranten, wenn Menschen zum Beispiel Angst um die
eigene nationale Identität haben oder wenn eine Gesellschaft mit erhöhter Ar-
beitslosigkeit zu kämpfen hat. Inwiefern männliche Migranten als sexuelle Be-
drohung wahrgenommen werden, wurde bisher jedoch kaum untersucht.
In unserer Studie haben wir das Hauptaugenmerl< auf die Darstellung von
Migranten als Sexualstraftätern gelegt. Uns hat interessiert, ob das Geschlecht
einer Person und ihr Frauenbild dazu führen, dass Plakate wie die der SVP in der
Schweiz Einstellungen gegenüber Migranten negativ beeinflussen. Das Frauen-
bild der Befragten wurde mit dem Konzept des wohlwollenden Sexismus erfasst,
das misst, inwiefern jemand der Meinung ist, dass Männer das starke und Frau-
en das schwache, zu beschützende Geschlecht darstellen. Während der feindseli-
ge Sexismus für negative Einstellungen gegenüber Frauen steht, drücl<t der
wohlwollende Sexismus positive, aber nicht weniger stereotypisierende Ein-
stellungen gegenüber Frauen aus. In beiden Fällen werden patriarchale Sozial-
strukturen gerechtfertigt.
Werden in einer Abstimmungskampagne die angebliche Schwäche von Frauen
und der Ruf nach deren Schutz stark gemacht, sollte dies vor allem bei jenen zu
negativen Real<tionen gegen Migranten führen, die ein subjektiv positives, aber
patriarchales Bild von Frauen haben, Es wurde auch davon ausgegangen, dass
sich vor allem Frauen von der Darstellung von Sexualstraftätern betroffen fúh-
Ien - und zwar im Gegensatz zu anderen Straftätern, die eine direkte Bedrohung
für alle Bürger (Mörder) oder ein allgemeines Problem für die Gesellschaft dar-
stellen (Sozialbetrüger).
Um diese Hypothesen zu testen, wurden Online-Umfrageexperimente in der
Schweiz und Deutschland durchgeführt. Dabei wurden den Teilnehmern der
Studie unterschiedliche Darstellungen von l<riminellen Migranten präsentiert
und ihre Reaktionen daraufverglichen. Es zeigte sich, dass es tatsächlich einen
Unterschied macht, ob Migranten als Sexualstraftäter dargestellt werden oder
mit anderen Straftaten in Verbindung gebracht werden - jedoch nur bei be-
stimmten Personengruppen.
Wenn Migranten ais gewalttätige ltuiminelle oder als Drogendealer dargestellt
werden, löst dies in erster Linie bei jenen negative Gefühle aus, die generell ihr
Umfeld als unsicher wahrnehmen und zunehmende gesellschaftliche Gewalt
mit Sorge beobachten. Bei der Darstellung von Sexualstraftätern spielen solche
Angste keine verstärkende Rolle. Allgemeine Angst vor zunehmender lftimina-
Iität wird also nur durch solche Darstellungen aktiviert, die Straftaten zeigen,
die potenziell alle betreffen können.
Bei Drogendealern und gewalttätigen Kriminellen spielt wohlwollender Sexis-
mus dagegen keine Rolle. Beim PlaÌ<at mit einem Sexualstraftäter beeinflusst
dieses Frauenbild aber die Wahrnehmung sehr wohl: Bei Personen, die der Mei-
nung sind, dass Frauen von Männern geschützt werden müssen, führt ein sol-
ches Plakat zu deutlich negativeren Einstellungen gegenüber Migranten, als
wenn ihnen l<eine kriminellen Migranten präsentiert werden. Wir beobachten
allerdings nicht nur eine Aktivierung negativer Einstellungen. Umgekehrt kann
die Beschäftigung mit einem solchen Plalcat zu positiveren Einstellungen Segen-
über Migranten führen - dann nämlich, wenn die befragte Person die Darstel-
Iung von Frauen als schwaches Geschlecht nicht teilt. Die Ablehnung des gezeig-
ten Frauenbilds ruft dann gleichsam eine Gegenreaktion zur politischen
Aussage des Plakats hervor. Frühere Studien bestätigen diese Ergebnisse. Sie
haben gezeigt, dass politische Argumente zu unbeabsichtigten gegenteiligen Ef-
fekten führen können. Einstellungen gegenüber Migranten können durch solche
lGmpagnen auch positiver werden, wenn deren Darstellung als völlig absurd
empfunden wird.
Was die Rolle des Geschlechts der Befragten betrifft, kamen die Umfragen zu
unterschiedlichen Ergebnissen für die beiden beteiligten Länder. In Deutschland
spielt der wohlwollende Sexismus bei Frauen und Männern eine ähnliche Rolle
Marc Helbling ist Professor für Politische Soziologie
an der Universität Bamberg und leitet am WZB die
Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe Einwanderungs-
poìitik im Ver6leich. Der Politikwissenschaftler
forscht zu Immigrations- und Staatsbürgerschaftspo-
litik, zu Islamophobie und Nationalismus.
I
F oto : Dov id Au sser hofer)
marc.helbling@wzb.eu
0riane Sarrasin ist Senior Researcher am Institut für
Psychologie und am Institut für Sozialwissenschaften
der Universität Lausanne, Schweiz. Sie forscht in den
Bereichen Migration und Umweltschutz. 2012 bis
2013 war sie Gastforscherin im Forschun6sschwer-
punkt MigratÍon und Diversität am WZB. [Foto: privat]
o ri ane.s ar r as i n@un iI.ch
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I\IZB Mitteilungen Heft 151 März 2016 29
University Institute of Lisbon, Portugal' [Foto: pr¡vot]
nicolefo sel1 1 @ gmail.co m
(Männer sind jedoch ganz aligemein gegenüber Migranten ltSttii::îlgestellt)'
ln der Schweiz hingegen veistärkt õer"wohlwolieide Sexismut nu:.!1i Frauen
ihre negative Einsteltung, wenn sie mit der Darstellung von Migranten als Sexu-
alstraftätern lconfrontieît werden' Das kann vielieichi dadurch erkiärt werden'
dass die Befragten in der Schweiz mit soichen Plal<aten aus der real stattgefun-
rstellungen
also schon
sie deshalb
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ben-en e
nen. Al<t n
ökonomischen Gefahren gewarnt' In de
eines Themas angenommen, das bisher
de:derGleichberechtigungvonFrauenundMännern.Vorallemiml(ontextmus-
ü
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Wie bei anderen Umfrageexperimenten stellt sich auch hier die Frage' wie lange
solche Effekte anhaiten' Erste spontan
beschriebenen Effekte weiterhin eine Rolle in der politischen Auseinanderset-
zung spielen werden'
Eva G. T. Green ist cholo-
pie an der Univers Ein-
o-- uralis-
stelìungen gegenu
*t,, .oii. ãrl-d.n für
Migranten und ethnische Minderheiten'
tFoto: F. Imhof/IJ niversitôt LauscnneÌ
eva.green@unil.ch
Literatur
Eckes,Thomas/Six-Materna,Iris:"HostilitötundBenevolenz:EineskalazurErfas-
sung des ambivalentenSt"itt";' In:Zeitschrififür Sozialpsychologie'1999'Jg'30'
Nr.4,5.211-228.
Sarrasin, /Helbling' Marc: "llflnen.Sexual Threat
Cues Sha Role oflnsecurity andBenevolent
Sexism". I' 6' 1033'
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