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Forschungsbericht zu Technikeinstellungen und Nutzungsverhalten gegenüber einem automatisierten Verkehrszugangssystem (Check-in/Be-out)

Authors:
  • The nexus Institute for Cooperation Management and Interdisciplinary Research

Abstract

Der vorliegende Bericht präsentiert die Ergebnisse einer im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojektes VERS durchgeführten quantitativen Befragung von rund 1.200 Fahrgästen des Berliner Nahverkehrs hinsichtlich Einstellungen, Erwartungshaltungen, Bedenken und Nutzungsintentionen bei der Einführung eines RFID- bzw. NFC-basierten Verkehrszugangssystems. Befragt wurden die Fahrgäste zum konkreten Szenario eines Check-in/Be-out-Verfahrens (CiBo), bei dem sich der Fahrgast vor Fahrtantritt aktiv mit seinem Smartphone oder einer kontaktlosen Chipkarte anmeldet (Check-in) und beim Verlassen des Systems für eine korrekte Fahrpreisberechnung automatisch und ohne aktive Mitwirkung erkannt wird (Be-out). Das Ziel dieser Studie besteht darin, quantitativ aussagekräftige Anhaltspunkte dafür zu liefern, welche generellen Technikeinstellungen und Nutzungswünsche gegenüber elektronisch gestützten Verkehrszugangssystemen vorliegen und welche Hürden bei der Einführung eines solchen Systems zu überwinden wären. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Fahrgäste einem Check-in/Be-out-Verfahren insgesamt tendenziell positiv gegenüberstehen und es insbesondere als Innovation mit einer Vielzahl von Service- und Nutzungsmehrwerten betrachten. Als wichtigste Systemeigenschaften bzw. Nutzungserwartungen stellen sich dabei die Zuverlässigkeit, Bedienfreundlichkeit und Einfachheit des Systems heraus. Alter, Bildung und die Vorerfahrung im Handy-Ticketing stellen ferner die entscheidenden Nutzermerkmale im Hinblick auf variierende Technikeinstellungen und Nutzungsintentionen dar. Während ältere und bildungsferne Fahrgäste die größten Nutzungsbedenken aufweisen, stehen etwa junge Fahrgäste mit Vorerfahrungen im Handy-Ticketing der Systemumstellung besonders aufgeschlossenen gegenüber. Die insgesamt positive Technikaufgeschlossenheit trifft jedoch auf deutliche Nutzungsbedenken, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und mögliche technisch bedingte Systemausfälle. Stärkstes Hemmnis für die Nutzungsabsicht ist dabei die Wahrnehmung einer möglicherweise schwierigen Bedienbarkeit des Systems. Datenschutzbedenken werden im Zusammenhang eines Check-in/Be-out-Verfahrens zwar ebenfalls deutlich als Nutzungshemmnis artikuliert, diese werden jedoch im Zusammenhang mit der tatsächlichen Nutzungsabsicht nicht handlungsrelevant. Als größte Akzeptanzhürden im Aufbau eines solchen Zugangssystems lassen sich folglich die problembehafte Erwartung einer mangelnden System- und Datensicherheit sowie einer unzureichenden Bedienfreundlichkeit identifizieren. Insgesamt zeichnete sich in der Abwägung von Vor- und Nachteilen eine mehrheitliche Nutzungsintention ab. 61% der Befragten würden ein solches Zugangssystem nutzen, 39% würden das System eher nicht bzw. nicht nutzen wollen. Zusammenfassend lässt sich somit von einer positiv-kritischen Grundhaltung der Fahrgäste gegenüber der hypothetischen Einführung eines Check-in/Be-out-Verfahrens sprechen.
Erstellt von:
M.A. Robin Kellermann, TU Berlin
Dipl.-Geogr. Ansgar Düben, nexus Institut
M.A. Manuela Weber, nexus Institut
September 2016
Forschungsbericht zu
Technikeinstellungen und Nutzungsverhalten
gegenüber einem automatisierten Verkehrszugangssystem
(Check-in/Be-out)
Forschungsbericht:
Technikeinstellungen und Nutzungsverhalten
gegenüber einem automatisierten
Verkehrszugangssystem (Check-in/Be-out)
VERS (VERkehrszugangsSysteme):
Einfluss der Nutzerbeteiligung auf Einstellungen
zu Verkehrszugangssystemen
Technische Universität Berlin
Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre (IBBA)
Fachgebiet Arbeitslehre & Technik
Sekr. MAR 1-1, Marchstraße 23, 10587 Berlin
robin.kellermann@tu-berlin.de
www.zukunftsticket.berlin
1
Inhalt
1. Kurzzusammenfassung ............................................................................................................ 3
2. Einleitung: Problem und Forschungsfragen .............................................................................. 4
3. Theoretischer Bezugsrahmen und Forschungsstand ............................................................... 10
4. Methode ................................................................................................................................... 19
4.1 Untersuchungsdesign .................................................................................................................. 19
4.2 Erhebungsinstrument Standardisierter Fragebogen ................................................................ 19
4.3 Zielpopulation .............................................................................................................................. 22
4.4 Vorgehen in der Datenauswertung ............................................................................................. 22
5. Ergebnisse ................................................................................................................................. 23
5.1 Zusammensetzung des Samples .................................................................................................. 23
5.2 Vorteile von RFID-basierten, CiBo-Verkehrszugangssytemen .................................................... 25
5.2.1 Überblick der Fahrgastbewertungen ................................................................................... 26
5.2.2 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung .......... 29
5.2.3 Die Bedeutung der Ticketart ................................................................................................ 30
5.2.4 Vergleich zwischen Berlinern und Touristen ........................................................................ 30
5.3 Nachteile und Bedenken gegenüber CiBo-Verkehrszugangssytemen ........................................ 32
5.3.1 Nachteile von CiBo-Systemen .............................................................................................. 32
5.3.2 Bedenken gegenüber einem CiBo-Zugangssystem .............................................................. 33
5.3.3 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung .......... 34
5.3.4 Die Bedeutung der Ticketart ................................................................................................ 36
5.3.5 Vergleich zwischen Berlinern und Touristen ........................................................................ 36
5.4 Nutzungsintention der Fahrgäste ................................................................................................ 37
5.4.1 Überblick der Fahrgastbewertungen ................................................................................... 37
5.4.2 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung .......... 38
5.4.3 Der Zusammenhang von Nutzungsintention und wahrgenommenen Vorteilen eines CiBo-
Verkehrszugangssytems ................................................................................................................ 38
5.4.4 Der Zusammenhang von Nutzungsintention und Bedenken gegenüber einem CiBo-
Verkehrszugangssystem ................................................................................................................ 39
5.4.5 Vergleich zwischen Berlinern und Touristen ........................................................................ 40
5.5 Die Bedeutung der Technikerfahrung ......................................................................................... 41
5.5.1 Überblick .............................................................................................................................. 41
5.5.2 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung .......... 41
5.5.3 Der Zusammenhang der wahrgenommen Vorteile und Handyticket-Erfahrung ................. 42
5.5.4 Der Zusammenhang der wahrgenommen Bedenken und Handyticket-Erfahrung ............. 42
5.6.5 Der Zusammenhang der Nutzungsintention und Handyticket-Erfahrung ........................... 43
6. Diskussion und Ausblick ............................................................................................................ 44
2
Zusammenfassung der Befunde ........................................................................................................ 44
6.1 Generelle Technikeinstellungen .................................................................................................. 44
6.2 Wichtige Eigenschaften und Vorteile von CiBo-Systemen .......................................................... 47
6.3 Nachteile und Bedenken in der Nutzung eines RFID-basierten CiBo-Systems ........................... 50
6.4 Rolle der Vor- und Nachteile für die Nutzungsintention eines CiBo-Systems ............................. 53
6.5 Bedeutung der Technikerfahrung ............................................................................................... 56
7. Fazit .......................................................................................................................................... 59
Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 61
Tabellenverzeichnis ....................................................................................................................... 65
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................... 65
Anhänge ........................................................................................................................................ 65
Fragebogen ........................................................................................................................................ 65
Ergebnistabellen der statistischen Berechnungen ............................................................................ 65
Ergebnistabellen der statistischen Berechnungen ............................................................................ 70
3
1. Kurzzusammenfassung
Der vorliegende Bericht präsentiert die Ergebnisse einer im Rahmen des BMBF-geförderten
Forschungsprojektes VERS durchgeführten quantitativen Befragung von rund 1.200
Fahrgästen des Berliner Nahverkehrs hinsichtlich Einstellungen, Erwartungshaltungen,
Bedenken und Nutzungsintentionen bei der Einführung eines RFID- bzw. NFC-basierten
Verkehrszugangssystems. Befragt wurden die Fahrgäste zum konkreten Szenario eines
Check-in/Be-out-Verfahrens (CiBo), bei dem sich der Fahrgast vor Fahrtantritt aktiv mit
seinem Smartphone oder einer kontaktlosen Chipkarte anmeldet (Check-in) und beim
Verlassen des Systems für eine korrekte Fahrpreisberechnung automatisch und ohne aktive
Mitwirkung erkannt wird (Be-out). Das Ziel dieser Studie besteht darin, quantitativ
aussagekräftige Anhaltspunkte dafür zu liefern, welche generellen Technikeinstellungen und
Nutzungswünsche gegenüber elektronisch gestützten Verkehrszugangssystemen vorliegen
und welche Hürden bei der Einführung eines solchen Systems zu überwinden wären.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Fahrgäste einem Check-in/Be-out-Verfahren insgesamt
tendenziell positiv gegenüberstehen und es insbesondere als Innovation mit einer Vielzahl
von Service- und Nutzungsmehrwerten betrachten. Als wichtigste Systemeigenschaften bzw.
Nutzungserwartungen stellen sich dabei die Zuverlässigkeit, Bedienfreundlichkeit und
Einfachheit des Systems heraus. Alter, Bildung und die Vorerfahrung im Handy-Ticketing
stellen ferner die entscheidenden Nutzermerkmale im Hinblick auf variierende
Technikeinstellungen und Nutzungsintentionen dar. Während ältere und bildungsferne
Fahrgäste die größten Nutzungsbedenken aufweisen, stehen etwa junge Fahrgäste mit
Vorerfahrungen im Handy-Ticketing der Systemumstellung besonders aufgeschlossenen
gegenüber.
Die insgesamt positive Technikaufgeschlossenheit trifft jedoch auf deutliche
Nutzungsbedenken, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und mögliche technisch
bedingte Systemausfälle. Stärkstes Hemmnis für die Nutzungsabsicht ist dabei die
Wahrnehmung einer möglicherweise schwierigen Bedienbarkeit des Systems.
Datenschutzbedenken werden im Zusammenhang eines Check-in/Be-out-Verfahrens zwar
ebenfalls deutlich als Nutzungshemmnis artikuliert, diese werden jedoch im Zusammenhang
mit der tatsächlichen Nutzungsabsicht nicht handlungsrelevant. Als größte Akzeptanzhürden
im Aufbau eines solchen Zugangssystems lassen sich folglich die problembehafte Erwartung
einer mangelnden System- und Datensicherheit sowie einer unzureichenden
Bedienfreundlichkeit identifizieren.
Insgesamt zeichnete sich in der Abwägung von Vor- und Nachteilen eine mehrheitliche
Nutzungsintention ab. 61% der Befragten würden ein solches Zugangssystem nutzen, 39%
würden das System eher nicht bzw. nicht nutzen wollen. Zusammenfassend lässt sich somit
von einer positiv-kritischen Grundhaltung der Fahrgäste gegenüber der hypothetischen
Einführung eines Check-in/Be-out-Verfahrens sprechen.
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2. Einleitung: Problem und Forschungsfragen
Das 21. Jahrhundert steht im Zeichen einer zunehmenden Digitalisierung der Lebenswelten
(Fleisch und Mattern 2005). Nicht nur die Art wie wir lernen, arbeiten oder kommunizieren
wird durch die Digitalisierung verändert, sondern nicht zuletzt auch die Art wie wir uns
fortbewegen. Der Megatrend des Wandels hin zu immer mehr elektronisch gestützten
Prozessen mittels Informations- und Kommunikationstechnik macht demnach keineswegs
vor der Verkehrs- und Mobilitätswelt Halt, sondern durchdringt auch diesen Lebensbereich
spürbar. So steht vor diesem Hintergrund auch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)
aktuell und zukünftig vor der Herausforderung, die vielfältigen und sich dynamisch
wandelnden Technologieangebote der Digitalisierung für die Fahrgäste in neue
Serviceleistungen zu übersetzen und den ÖPNV somit komfortabler, flexibler und
kundenorientierter zu gestalten.
In den letzten 10 Jahren konnte der ÖPNV in Deutschland kontinuierlich steigende
Fahrgastzahlen verzeichnen (VDV 2016). Mit der Zunahme der Fahrgäste insbesondere in
urbanen Räumen – nehmen jedoch zugleich auch die Anforderungen an ein leistungsfähiges,
leicht zugängliches und einfach benutzbares Nahverkehrssystem zu. Digitale Technologien
erscheinen hierbei als Chance, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Insbesondere die
Minimierung von kognitiven Zugangshemmnissen – etwa der vereinfachte Ticketerwerb
mithilfe neuer Nutzermedien jenseits des Papierfahrscheins gilt in diesem Zusammenhang
als wesentlicher Aspekt für eine fortwährende Steigerung der Attraktivität und ein
nachhaltiges Wachstums des ÖPNV (Langheinrich 2007, Kossak 2005). So kann bereits heute
ein Ticket auf einer Chipkarte oder einem Handy gespeichert und darüber hinaus mit
anderen Verkehrsangeboten wie zum Beispiel Fahrrad- und PKW-Leihsystemen kombiniert
werden. Auch das An- und Abmelden im Fahrzeug bzw. an den Haltestellen und
Ausleihstationen zum Zweck einer automatisierten Fahrpreisberechnung ist technisch auf
verschiedenen Wegen möglich und wird bereits in vielen Verkehrsverbünden praktiziert.
Zusammengefasst werden so fortlaufend neue technische Komponenten entwickelt und
angeboten, die in Form intelligenter Verkehrszugangssysteme zusammenwirken und für
Fahrgäste und Verkehrsunternehmen neue Nutzungsmöglichkeiten bzw.
Effizienzsteigerungen eröffnen sollen.
Der Einsatz digitaler Technologien im ÖPNV schafft jedoch nicht nur neue Möglichkeiten zur
Attraktivitätssteigerung, er eröffnet möglicherweise seitens der Fahrgäste auch neue Fragen
und generiert Bedenken, die einer Nutzung im Wege stehen könnten. Vor diesem
Hintergrund der Annahme einer ambivalenten Nutzerwahrnehmung
informationstechnologisch gestützter Serviceangebote im ÖPNV wurde mit einer Erhebung
unter rund 1.200 Fahrgästen des Berliner Nahverkehrs den Fragestellungen nachgegangen,
welche generellen Technikeinstellungen, Vorteile und Nutzungsbedenken bei einer
hypothetischen Einführung eines RFID-gestützten Verkehrszugangssystems hervorgerufen
werden und welche Zusammenhänge zur avisierten Nutzungsintention eines solchen
5
Systems bestehen. Als konkretes Verkehrszugangs-Szenario für die Befragung fungierte
dabei ein Check-in/Be-out-Verfahren (CiBo) bei dem sich der Fahrgast mit seinem
Smartphone oder einer kontaktlosen Chipkarte („Smart Card) aktiv zur Mitfahrt an einem
Lesegerät anmeldet und beim Verlassen von Bus oder Bahn durch das Mitführen von
Smartphone oder Chipkarte selbstständig vom System über Funk erkannt und daraufhin der
Fahrpreis automatisch berechnet wird. Bei nur minimaler Mitwirkung des Fahrgastes könnte
bei einem solchen Verfahren die ÖPNV-Nutzung bspw. zusammen mit der Telefonrechnung
am Monatsende zeit-, orts- und tarifgenau abgerechnet werden.
Mit dem vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse der Fahrgastbefragung dargestellt
sowie in Hinblick auf die Bedeutung der Einbindung neuer RFID-gestützter
Technologieangebote in die Servicelandschaft des ÖPNV interpretiert und diskutiert. Er
richtet sich zum einen an ein wissenschaftliches Publikum aus der Technikakzeptanz- und
Innovationsforschung sowie zum anderen an eine anwendungsorientierte Fachöffentlichkeit
aus Verkehrswirtschaft, Verkehrspolitik oder den Verkehrsverbänden. Ziel soll es sein, auf
Grundlage der Auswertungen der Befragungsergebnisse ein instruktives Bild von
Nutzungswünschen, Akzeptanzhürden und deren Zusammenhängen zu erhalten, um
quantitativ aussagekräftige Anhaltspunkte dafür zu liefern, welche Hürden bei der
Einführung moderner Verkehrszugangssysteme zu überwinden wären. Zusammenfassend
sollen so Empfehlungen für eine möglichst nutzerfreundliche Ausgestaltung von RFID-
basierten Verkehrszugangssystemen formuliert werden.
Forschungsfragen
Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses dieser Untersuchung stand zum einen der
einstellungsorientierte Erkenntnisgewinn zu generellen Technikeinstellungen gegenüber
einer hypothetischen Einführung eines RFID-basierten CiBo-Verkehrszugangssystems; zum
anderen der handlungsorientierte Erkenntnisgewinn, ob die Fahrgäste solch ein System
letztlich nutzen würden. Daraus ergaben sich ferner die folgenden drei
Primärfragestellungen:
1) Welche Vorteile sehen Fahrgäste in der Benutzung eines CiBo-
Verkehrszugangssystems?
2) Welche Nachteile und Bedenken sehen Fahrgäste in der Nutzung eines CiBo-
Verkehrszugangssystems?
3) Welche Rolle spielen die Vorteile und Bedenken für die Nutzungsintention der
Fahrgäste?
Um darüber hinaus den Zusammenhang von Technikbewertung und Nutzungsintention
genauer zu beleuchten, wurden zudem die folgenden Sekundärfragestellungen a) bis f)
untersucht:
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a) Bestehen in der Technikbewertung und Nutzungsintention eines CiBo-
Verkehrszugangssystems geschlechtsspezifische Unterschiede?
b) Bestehen in der Technikbewertung und Nutzungsintention eines CiBo-
Verkehrszugangssystems altersspezifische Unterschiede?
c) Bestehen in der Technikbewertung und Nutzungsintention eines CiBo-
Verkehrszugangssystems bildungsspezifische Unterschiede?
d) Bestehen in der Technikbewertung und Nutzungsintention eines CiBo-
Verkehrszugangssystems Unterschiede zwischen Berliner Befragten und
Touristen?
e) Bestehen in der Technikbewertung eines CiBo-Verkehrszugangssystems
Unterschiede zwischen den aktuell genutzten Ticketarten (Tages-, Monats-,
Jahreskarte)?
f) Welche Rolle spielt die Vorerfahrung der Nutzung eines Handy-Tickets für die
Technikbewertung und Nutzungsintention eines CiBo-Verkehrszugangssystems?
Aufbau des Berichts
Zunächst wird ein theoretischer Bezugsrahmen sowie der aktuelle Forschungsstand zur
Nutzerakzeptanz RFID- bzw. NFC-basierter Verkehrszugangssysteme vorstellt. Daran
anschließend wird auf die Methodik der Datenerhebung und der Datenanalyse eingegangen.
Im Kern des Berichtes wird ein Ergebniskapitel im Zusammenspiel von deskriptivstatistischen
und analytischen Verfahren die relevanten Informationen strukturiert aufbereiten, bevor in
einem anschließenden Diskussionskapitel die wichtigsten Ergebnisse noch einmal
interpretiert und kritisch reflektiert werden. Abschließend bringt eine Zusammenfassung auf
den Punkt, welche Praxisrelevanz aus den Ergebnissen insbesondere für das öffentliche
Verkehrswesen entstehen kann.
Dieser Bericht bildet einen Teilaspekt der Forschungsarbeit des BMBF-geförderten Projektes
VERS (VERkehrszugangsSysteme). Das übergeordnete Ziel von VERS liegt in der
Beantwortung der Forschungsfrage, inwiefern die Partizipation der Nutzerinnen und Nutzer
des öffentlichen Nahverkehrs bei der Ausgestaltung von RFID-basierten
Verkehrszugangssystemen Einstellungen ändern und damit eine höhere Aufgeschlossenheit
für neue technische Lösungen gefördert werden kann. Dazu sollen in VERS einerseits
zunächst die Einstellungen gegenüber IT-basierten, insbesondere RFID-gestützten
Verkehrszugangssystemen erhoben, die Gründe für eine ablehnende Haltung gegenüber
solchen Systemen identifiziert und schließlich untersucht werden, ob und inwiefern
unterschiedliche Partizipationsverfahren (Kurzplanungszelle und Online-Dialog)
Lösungsansätze darstellen, um auf der individuellen Ebene Nutzen und Kosten abzuwägen
und Einstellungen gegenüber innovativen Verkehrszugangsangeboten zu verändern. Auf der
7
gesellschaftlichen Ebene beabsichtigt das Projekt damit, die unproduktive Konfrontation
zwischen IT-Wirtschaft und kritischer Zivilgesellschaft aufzubrechen. Dabei wird keinesfalls
eine akademische Akzeptanzbeschaffung angestrebt, sondern vielmehr intendiert, ein
besseres Bild der tatsächlichen Nutzerwahrnehmung zu erhalten bzw. Bürgerinnen und
Bürgern in einer zunehmend unübersichtlicher werdenden und diffuse Ängste auslösenden
digitalen Welt über verschiedene Beteiligungskanäle Selbstbestimmungsrechte zu geben.
Neben dem methodischen Beitrag der Bemessung des Einflusses von Partizipation auf die
Technikakzeptanz werden den Akteuren des öffentlichen Verkehrswesens zudem mit einem
Bürgergutachten und einem Strategiepapier konkrete Handlungsempfehlungen einer
nutzergerechten Technikentwicklung präsentiert, um möglichen Nutzungs- und
Akzeptanzkonflikten bei der Einführung RFID- und NFC-gestützter Verkehrszugangssysteme
im Sinne des „Privacy by Design“- Konzepts (BfDI 2014) schon im Vorfeld zu begegnen.
Hintergrund: RFID und NFC
Unter RFID (Radio Frequency Identification) wird eine Technologie verstanden, die eine
automatische Identifizierung von Objekten über Funk und somit eine weltweit einmalige und
somit eindeutige Kennzeichnung des Trägermediums bewirkt (BfDI 2006). RFID ist keine
Anwendung für sich, sondern stellt vielmehr eine „Integrationstechnologie“ des „Ubiquitous
Computing“ bzw. „Pervasive Computing“ dar, die im Verbund mit Servern, Diensten und
anderen Systemen eine eindeutige elektronische Identifikation eines Objektes sowie die
kontaktlose Datenübertragung ermöglicht und somit die Funktionalitäten und
Einsatzmöglichkeiten traditioneller Auto-ID-Systeme revolutionär erweitert (Fleisch und
Mattern 2005). Die Vorteile des RFID-Einsatzes im ÖPNV-Kontext werden auf Seiten der
Betreiber in Effizienzsteigerungen durch tagesaktuelles Wissen über Fahrgastströme oder in
Einsparpotentialen im Vertrieb sowie in der Erhöhung der Fälschungssicherheit von
Fahrscheinen gesehen (Ackermann 2007, Fischer 2007), wobei für die Nutzerseite eine
Reduzierung von Wartezeiten (bspw. an Fahrkartenautomaten), eine Erhöhung der
Reiseflexibilität oder etwa eine höhere Fälschungssicherheit propagiert werden.
NFC (Near Field Communication) bezeichnet eine kontaktlose Technologie zum Austausch
von Nachrichten über kurze Distanzen, die auf den bestehenden Standards von RFID basiert
und parallel zum Aufstieg der RFID-Technologie im Jahr 2002 als deren spezifische
Weiterentwicklung des kontaktlosen Datenaustauschs entwickelt wurde. „Das Revolutionäre
an NFC ist“, so Langer und Roland (2010), „dass die strikte Trennung in Lesegerät und
Transponder aufgehoben wird“ (ebd., 6). Das klassische Frage-Antwort-Prinzip zwischen
„Tag“ und Lesegerät wird dadurch aufgelöst, indem das NFC-Gerät nunmehr beide
Funktionen integriert. So kann ein NFC-Gerät abwechselnd passiver Transponder und aktives
Lesegerät sein. Damit ist ein NFC-Gerät in der Lage, „einerseits andere kontaktlose
Chipkarten mit Energie zu versorgen und über bestehende Standard-Protokolle
kommunizieren und andererseits auch eine kontaktlose Chipkarte zu emulieren. Die NFC-
Chips integrieren beide FunktionalitätenLesegerät und Chipkarte“ (ebd.).
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Die NFC-Technologie profitierte in den letzten Jahren entscheidend von der wachsenden
Rolle der Mobiltelefone. Mithilfe der Implementierung von NFC-Chips in (z.B. SIM-Karten)
oder auf der Hardware des Mobiltelefons „wird das Telefon zum elektronischen Fahrschein,
zur Kreditkarte oder zum elektronischen Schlüssel, um Türen zu öffnen“ (ebd., 5), weshalb
von allen NFC-Geräten heute Mobiltelefone die häufigsten und populärsten sind.
Die Einsatzmöglichkeiten eines NFC-fähigen Telefons als Zahlungsmittel und elektronischer
Fahrschein bescheren dem ÖPNV das derzeit größte Einsatzgebiet der NFC-Technik. Als
Vorteile gegenüber einer kontaktlosen Chipkarte („Smart Card“) gelten aus Kundensicht,
„dass zusätzliche Informationen am Display des Mobiltelefons angezeigt werden und
Fahrscheine über das Mobiltelefon gekauft werden können“ bzw., dass „das Mobiltelefon
seltener vergessen wird als die herkömmliche Karte“ (ebd., 213). Im Vergleich zu anderen
Technologien verkörpert NFC zusammengenommen „the advantage of having fast and
automated connections, good user experiences and it very fast set up times“ (STOA 2014,
17).
Ferner ergeben sich mit Bezug auf die Studie von Mezghani (2008) Nutzermehrwerte vor
allem im Bereich des Bedienungskomforts und der Sicherheit: „Because the user does not
need to configure the setup, this technology is said to be intuitive, while the short
transmission ranges provide security, which makes it appropriate for payment and financial
applications“ (STOA 2014, 17). Zudem gilt die NFC-Technologie als Schlüsselvoraussetzung
einer langersehnten automatischen Fahrtgasterfassung im Be-In/Be-Out-Verfahren, das den
Fahrgast mittels seines aktiven NFC-Gerätes erkennt und den Verkehrsunternehmen laut
Stroh et al. (2007) eine Investitionsersparnis von 75-80% im E-Ticketing-Bereich einbringen
könnte. Trotz dieser aussichtsreichen Zukunftsprognosen bestehen bislang neben einer
Reihe von Pilotprojekten (z.B. Touch & Travel der Deutschen Bahn) noch keine absolut
marktreifen und flächendeckenden Verkehrszugangssysteme auf NFC-Basis.
Implementierungsbarrieren für ein vollends integriertes Ticketing auf NFC-Basis bestehen
dabei nicht nur in rechtlicher, wirtschaftlicher und technischer Hinsicht, sondern liegen nicht
zuletzt in der Akteursdichte innerhalb des öffentlichen Verkehrs selbst begründet (Huomo
2009). So bildet erst ein NFC-fähiges Mobiltelefon mit einem Secure Element, das
kompatibel zum System des Verkehrsunternehmens ist, die technische Voraussetzung dafür,
dass ein Mobiltelefon eine Chipkarte emulieren kann. Aufgrund dieser gesamtheitlichen
Komplexität wird der RFID-basierte Zugang in der Praxis voraussichtlich nach wie vor
mehrheitlich durch „Smartcards“ oder mobiles Ticketing (Ticketversand per SMS) geregelt
werden. So resümiert auch das jüngst im Auftrag des Europaparlaments durchgeführte
STOA-Projekt:
However, while technologies are already available and ready to meet multi-
functional requirements, such integrated schemes often do not reach implementation
in spite of positive expectations regarding the positive effects of integrated ticketing
on sustainable transport.(STOA 2014, 2).
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Das für die vorliegende Erhebung genutzte Eingangsszenario eines Check-in/Be-out-
Verfahrens (CiBo) kann als Hybridlösung verstanden werden bei der einerseits ein
Smartphone mit NFC-Schnittstelle oder aber eine kontaktlose „Smart Card“ auf RFID-Basis
zum Einsatz kommen kann. Aus Gründen der Vereinfachung wird im Folgenden lediglich die
Bezeichnung eines RFID-basierten Verkehrszugangs gewählt.
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3. Theoretischer Bezugsrahmen und Forschungsstand
Der vorliegende Bericht ist disziplinär im Bereich der Technikakzeptanzforschung zu
verorten. Übergeordnetes Ziel dieses sozialwissenschaftlichen Forschungsstrangs ist es in
konzeptioneller Verwandtschaft zur Innovationsforschung ein besseres Verständnis von
Akzeptanzphänomenen in Bezug auf Einflussfaktoren und Mechanismen zur Beförderung
oder Hemmung von Akzeptanz gegenüber einer konkreten Technologie zu entwickeln sowie
mithilfe der Ergebnisse eine möglichst akzeptanzfähige Gestaltung von Technik zu initiieren.
Akzeptanz wird hierbei als aktive Bereitschaft einer Techniknutzung verstanden, die sich
nicht punktuell, sondern erst prozesshaft im Rahmen von sozialen und technischen
Konstruktionsprozessen und abhängig von Personen, deren Normen, Erwartungen und
Handlungen ausprägt. Der prozesshafte und wandelbare Charakter der Akzeptanz erzeugt
somit ein „instabiles Konstrukt“ (Schäfer und Keppler 2013, 25), das abhängig vom
Akzeptanzsubjekt, -objekt, -kontext und zeitlichen Veränderungszyklen ist. Akzeptanz
entfaltet sich demnach immer erst in einem Spannungsfeld von Subjekt, Objekt und Kontext
(Lucke 1995, 88ff.). Ferner bedeutet es für die Akzeptanz gegenüber einer konkreten
Technologie, dass individuell als auch gesellschaftlich „neben technischen Optionen
verschiedene Nutzungsoptionen oder auch Risikobefürchtungen gegeneinander abgewogen
werden“ (Fraedrich und Lenz 2015, 641). Für die Akzeptanzforschung bedeutet dies
zusammenfassend, dass Akzeptanz „ein komplexes, vielschichtiges Konstrukt ist, das nicht
direkt und unmittelbar messbar ist, und für das es keine ‚geeichten‘ Messinstrumente zur
Verfügung stehen“ (Hüsing, et al. 2002, 21).
Im Spektrum theoretischer Ansätze technikbezogener Akzeptanzforschung werden nach
Petermann und Scherz (2005) einstellungsorientierte Ansätze, Ansätze der Begleit-, Projekt-,
und Wirkungsforschung, (sozial-)psychologische Ansätze, soziologische Deutungsversuche
und normative Ansätze unterschieden. Für jeden dieser Ansätze wird ferner argumentiert,
dass Akzeptanz auf der Ebene der Einstellungs-, Handlungs- oder Wertdimension sichtbar
und erfassbar gemacht werden kann.
Dieser Systematisierung folgend, wurde für die hier durchgeführte Erhebung ein dezidiert
einstellungsorientierter Ansatz verfolgt, der insbesondere die Einstellungsdimension der
Akzeptanz (geäußerte Meinungen, Assoziationen und Bewertungen) als auch die (erwartete)
Handlungsdimension (Absicht, Technologie zu nutzen) in Bezug auf eine spezielle
Zugangstechnik des ÖPNV in den Mittelpunkt des Analyseinteresses stellte. Dabei wurden
Wahrnehmungsparameter gegenüber der Technik erfasst, nicht jedoch spezifische Risiko-
und Nutzenpotenzialen von differenzierten Techniken in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen
Kontext (ebd. 46).
Zur Konzeption eines einstellungsorientierten Fragebogens mussten dabei auf Grundlage der
aktuellen Akzeptanzforschung Indikatoren benannt werden, die möglichst zielführende
Aufschlüsse über die Technikeinstellungen eines RFID-basierten Verkehrszugangssystems
ermöglichen.
11
Als typische auf das Akzeptanzobjekt (bspw. eine konkrete Technologie) bezogene
Einflussfaktoren wurden dazu nach Schäfer und Keppler (2013) in der
Technikakzeptanzforschung zumeist folgende Indikatoren identifiziert:
Kosten und Nutzen des Technikeinsatzes bzw. der Techniknutzung, individuell,
gesellschaftlich, finanziell, sozial und/oder ökologisch
Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit
Bedienfreundlichkeit oder Benutzbarkeit
Eignung der Technik zur Bewältigung der zu erfüllenden Aufgabe
Ästhetische Aspekte der Technikgestaltung.
Insbesondere für den Kontext der Technologieakzeptanz im Bereich von
Informationstechnologien wurden zudem mit dem Technology Acceptance Model (TAM)
dezidiert der wahrgenommene Nutzen (perceived usefulness) sowie die wahrgenommene
Benutzerfreundlichkeit einer Technologie (perceived ease of use) als die wesentlichsten
Einflussfaktoren für ein positives Nutzungsverhalten und eine hohe
Technikaufgeschlossenheit extrahiert (Davis, Bagozzi und Warshaw 1989).
In Ergänzung der primären Einflussfaktoren von Nutzen und Bedienfreundlichkeit gelten als
weitere wichtige Einflussfaktoren insbesondere im Bereich des Einsatzes von
Informationstechnologie auch das wahrgenommene Risiko einer Technologie (Cazier,
Jensen und Dave 2008, Cazier, Wilson und Dawn 2006). In diesem Zusammenhang verwiesen
Jäger und Schnieder (2015) jüngst darauf, dass sich der Nutzen einer
Informationstechnologie aus Wahrnehmungen der Nutzerinnen und Nutzer nur mehr durch
die Einhaltung einer Informationsethik (Bendel 2012) einstellen würde. Dies bedeutet, dass
im Bereich informationstechnologischer Innovationen die Erhebung wahrgenommener
Risiken als ebenso zentral gelten muss wie die Erhebung des wahrgenommenen Nutzens
bzw. der Bedienfreundlichkeit.
Zudem wiesen Venkatesh und Davis (2000) in einer Erweiterung des
Technologieakzeptanzmodells darauf hin, dass Vorerfahrungen und Erfahrungswissen
Einfluss auf die Variablen des wahrgenommenen Nutzens und der wahrgenommenen
Bedienfreundlichkeit haben würde, weswegen übersetzt in den konkreten Kontext der
vorliegenden Studie es als sinnvoll erschien, zusätzlich die Variable einer Vorerfahrung mit
dem Kauf eines Handy-Tickets abzufragen und in den Zusammenhang zur Nutzungsintention
zu stellen.
Diese theoretischen Vorüberlegungen bildeten die Grundlage der Fragebogenkonstruktion
im Hinblick auf Art und Umfang der abzufragenden Einflussvariablen und ermöglichten
zudem eine spätere Überprüfung der Ergebnisse im Kontext des aktuellen
Forschungsstandes.
Als zentral für die Fragebogenkonstruktion galt somit die Wahl eines einstellungsorientierten
Ansatzes sowie die theoretische Bezugnahme auf die Ausprägung der Akzeptanz im
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Wechselspiel der Abwägung von Nutzungsoptionen und möglichen Risikobefürchtungen.
Dieser Punkt bedingte im Hinblick auf die Erhebung der Einstellungsebene die Übersetzung
in die Abfrage wahrgenommener Vor- und Nachteile bei der hypothetischen Nutzung eines
RFID-gestützten Check-in/Be-out-Zugangsverfahrens (CiBo) sowie auf der potentiellen
Handlungsebene (Kollmann 1998) die Befragung zur Wechselwirkung mit der tatsächlichen
Nutzungsintention, ein solches System bei Einführung zu benutzen.
Mit der Wahl eines einstellungsorientierten Ansatzes wurde wissend in Kauf genommen,
dass zeitabhängige Betrachtungen (Technikgenese), spezifische Nutzungsformen oder die
damit verbundenen Herausforderungen im Umgang mit einer neuen Technologie in jeweils
spezifischen Kontexten mit dem Fokus der Einstellungsorientierung nicht erfasst werden
können (Petermann und Scherz 2005, 46). Trotz dieser Limitationen wird dennoch mit Bezug
auf Lucke angenommen, dass die Erfassung der Einstellungsdimension für die
Akzeptanzforschung von großer Bedeutung sein dürfte, da diese als Absicht oder
Bereitschaft zu konkreten Handlungen gelesen werden kann (Lucke 1995, 82f.). Des
Weiteren wurde dem möglichen Vorwurf einer rein „deskriptiven Bestandsaufnahme von
Einstellungen und Haltungen“ (O. Renn 2005, 36) insofern begegnet, als dass neben der
deskriptivstatistischen Analyseebene, die Daten mithilfe interferenzstatistischer Methoden
zudem auch einer schließenden Analyse unterzogen wurden.
Forschungsstand: RFID und NFC im ÖPNV-Kontext
Konkrete Befragungen und Meinungsforschungen zur Nutzerakzeptanz von RFID-gestützten
Zugangssystemen und E-Tickets diagnostizierten mehrheitlich positive Nutzereinstellungen.
Körber (1999) etwa zeigte mit einer Akzeptanzstudie zum weltweit ersten kontaktlosen
Bezahlsystem im Busverkehr der finnischen Stadt Turku, dass 88% Zeitersparnisse,
Preisvorteile und einen Komfortgewinn sahen. Auf der anderen Seite sahen nur lediglich 6%
der Befragten keinen Vorteil in E-Tickets, wobei jedoch keineswegs homogene Meinungen
herrschten, sondern sich vielmehr unterschiedliche Ansprüche an die Chipkarten je nach
Alter und Mobilitätsverhalten herausstellten. Auch wenn in dieser Studie mögliche
Risikowahrnehmungen im Rahmen der Nutzung nicht abgefragt wurden, so zeigte sich für
die erste Generation von RFID-basierten Chipbezahlsystemen im ÖPNV-Bereich eine
insgesamt sehr positive Einstellung.
Lubbe und Larsen (2007) bestätigten die aus Nutzersicht positiven Grunderfahrungen bei der
Einführung von kontaktlosen Zugangssystemen. Mit ihrer Studie im Auftrag des
niederländischen Verkehrsministeriums zur Akzeptanz und Bewertung neu eingeführter
Mobilitätschipkarten in den Niederlanden bewerteten 78% der Anwender den Einsatz als
positiv und nur 22% sahen die neue „OV-Card“ als nicht zufriedenstellend an. Dabei
beurteilten ehemalige Nutzer von Streifenkarten (Mehrfahrtenkarten) die Chipkarte besser
als ehemalige Inhaber von Zeitkarten. Zudem zeigte sich, dass insbesondere auch Senioren
ein positives Verhältnis zur Chipkarte entwickelten (J. A. Janssen 2008). Grundlegende
Zustimmung zu neuen E-Ticketing-Systemen zeigte sich auch bereits in der einführenden
13
Marktforschung zum Handy-Ticket-Piloten des VDV (2008), einem Pilotprojekt zur
testweisen Einführung von Handy-Tickets in 14 deutschen Verkehrsverbünden. Nach 10
Monaten Testlaufzeit nutzten 16.000 Kunden das Handy-Ticket, wobei 120.000 Tickets
verkauft wurden. 76% der Befragten zeigten absolute oder sehr große Zufriedenheit mit
diesem neuen Vertriebskanal, was mehrheitlich auf größere Bequemlichkeit,
Komfortgewinn, zeitliche Flexibilität beim Ticketkauf und auf Zuverlässigkeit beim Kauf
zurückgeführt wurde. 86% der Nutzerinnen und Nutzer wollten das Handy-Ticket
weiterempfehlen, wobei 60% der Nutzerinnen und Nutzer bestätigten, dass ihnen die
überregionale Nutzung solcher neuen Vertriebselemente sehr wichtig sei. Auch
Meinungsforschungen im Vorfeld der Einführung der „PlusCard“ in Münster diagnostizierten
ebenfalls positive Nutzungsabsichten bei nur sehr geringen Datenschutz-Bedenken, wobei
diese lediglich bei Abonnement-Kunden und nicht bei Spontanfahrern festgestellt werden
konnten (Hartwig, et al. 2014). Auch eine Studie von Bretschneider et al. (2011) zur
Akzeptanz von Papierfahrscheinen mit bedruckten RFID-Chips wies nach, dass 73,4% den
RFID-Tag auf dem Fahrschein als Vorteil ansehen wenn dadurch die Fälschungssicherheit und
der allgemeine Fahrkartenmissbrauch bekämpft werden würde.
Die Akzeptanz elektronischer Zugangsregelungen ist jedoch offenbar in vielen Fällen an die
Beibehaltung eines offenen Systems ohne physische Barrieren geknüpft. So zeigte etwa
jüngst eine Befragung unter 150 Fahrgästen des Berliner ÖPNV (Taham, Willer und Cetin
2014), dass die Einführung eines geschlossenen Systems auf Basis von RFID-gestützten
Chipkarten zwar ebenfalls unter dem Aspekt der erhöhten Sicherheit und der Reduzierung
der Schwarzfahrerquote begrüßt wurde, sich jedoch schließlich 60% der Befragten gegen die
Einführung eines geschlossenen Systems aussprachen, weil dadurch zu hohe
Investitionskosten und eine zu geringere Barrierefreiheit befürchtet wurden. Nur ca. 37%
befürworteten ein geschlossenes System, wobei kein signifikanter Unterschied zwischen
Männern und Frauen festzustellen war. Die Akzeptanz für die Einführung elektronisch
kontrollierter Verkehrszugänge, so ließe sich interpretieren, wurde aus Nutzersicht demnach
mehrheitlich an einen offenen Zugang geknüpft. Dieser müsste zudem nicht um den Preis
eines gegenüber geschlossenen Systemen geringeren Sicherheitsgefühls erzielt werden.
Vielmehr könnte als sicherheitstechnische Kompromisslösung aus Sicht der Befragten
zusätzliches Personal die erhöhte subjektive Sicherheitswahrnehmung gewährleisten. Solche
Studien geben Einblick in den engen Zusammenhang von kontrollierenden Zugangssystemen
und den eigentlichen Fahrberechtigungen in Form von E-Tickets und erweitern die
Akzeptanzdimension auf die beiden unterschiedlich bewertbaren Bereiche des
elektronischen Tickets und dessen Kontrolle. Zugangssystem und Vertriebsmedium sind
somit untrennbar verbunden und können völlig unterschiedliche materielle Ausgestaltungen
bewirken. Die an das eigentliche Ticket geknüpften Systeme gelten demnach als Schlüssel
bzw. sind „zwingende Voraussetzung für die Erschließung wesentlicher Potenziale, die mit
eTicketing in Verbindung stehen. Erst dadurch können die angestrebten differenzierten
Daten für Planung, Angebotsgestaltung, Einnahmenaufteilung, Marketing et cetera
gewonnen werden.“ (Kossak 2005, 16).
14
Der Einsatz von RFID- und NFC-Anwendungen im öffentlichen Verkehr wird insgesamt
positiver bewertet als in anderen Anwendungskontexten. Dies kann insbesondere darauf
zurückzuführen sein, dass der aus Nutzersicht wesentlich kritischer wahrgenommene Einsatz
von RFID-Technologie im Einzelhandel oftmals passiv bzw. aus Kundensicht unfreiwillig und
unsichtbar erfolgt (z.B. getaggte Kleidungsstücke), während die RFID- und NFC-Anwendung
im Verkehrskontext überwiegend durch aktive und steuerbare Teilnahme erfolgt (z.B. bei
einem Check-In im Smart Card-basierten Verkehrszugang). Während der Einsatz im Handel
aufgrund befürchteter Verletzungen der Privatsphäre und des Datenschutzes auf
nachweislich hohe Widerstände stieß und dadurch überwiegend auf geringe Akzeptanz traf,
stellen sich die Privatheits-Vorbehalte im verkehrlichen Kontext ähnlich wie auch beim
RFID-Einsatz in Messen (Bretschneider, Leimeister und Krcmar 2009) oder bei
Sportveranstaltungen (Karaiskos, Kourouthanassis und Giaglis 2007)keineswegs unkritisch,
aber zumindest doch weniger scharf dar. So lässt sich resümieren, dass der RFID-Einsatz bei
Waren andere Wahrnehmungen von Privatheit zu generieren scheint als der RFID-Einsatz in
der Zurücklegung von Transportwegen.
Die relativ hohe Zufriedenheit und positive Nutzungsabsicht elektronischer Fahrscheine
verschleiert in den meisten Studien jedoch nur allzu leicht, welche nutzungsbegleitende
Bedenken und Vorbehalte der Technikaufgeschlossenheit gegenüberstehen bzw. worin die
ablehnenden Haltungen begründet sind. Im Gegenteil zur Identifikation positiver
Nutzungsevaluationen RFID-gestützter Zugangssysteme sind explizite Studien, die sich
potentiellen Nutzungsvorbehalten solcher Systeme widmen, trotz ihrer großflächigen
Anwendung relativ rar. Hervorzuheben sind hier Bretschneider et al. (2011), die sich in ihrer
Studie nicht nur auf die Akzeptanz fokussierten, sondern ebenfalls die Negativimplikationen
bei der Einführung RFID-Tag bedruckter Papierfahrscheine erhoben. Sie fanden heraus, dass
70% der Befragten die potentielle Möglichkeit des RFID-induzierten Mobilitätstrackings als
inakzeptablen Eingriff in die Privatsphäre ansahen. In dieser im Vergleich zu den meisten
Studien ganzheitlicheren Betrachtung von Akzeptanz und Vorbehalten sahen mehr als 55% in
der Abspeicherung persönlicher Daten (Name, Geburtsdatum etc.) auf dem „Tag“ bereits
einen klaren Eingriff in die Privatsphäre. Trotz der überwiegend positiven Haltung gegenüber
dem Nutzen des elektronischen Fahrscheins verdeutlichte diese Studie somit die potentiell
wahrgenommene Gefahr und Bedeutungstiefe des Eingriffs in die Privatsphäre bei der
Einführung RFID-gestützter Verkehrszugangssysteme.
Die latenten Nutzungsvorbehalte könnten dabei durch den Befund gestärkt werden, dass der
Datenschutz aus Sicht der Verkehrsunternehmen lange Zeit kein zentrales Thema bildete
und hinter dem Fokus der ökonomischen Betrachtung neuer Zugangssysteme oder
technischen Sachverhalten zurück trat. Investitionen in den Datenschutz und
Sicherheitsmodule erlangten darin bei der Einführung des elektronischen
Fahrgeldmanagements einen eher marginalen Stellenwert. Trotz dieser
Anfangsschwierigkeiten, lässt sich aus der Fachliteratur feststellen, dass seit 2008 der
Datenschutz endgültig auch in die Diskussion des elektronischen Fahrgeldmanagements
eingeflossen zu sein scheint. So ermahnte etwa Adolf Müller-Hellmann als
15
Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bezüglich der
historischen Chancen des E-Tickets:
Beim Datenaustausch sowie deren Gewinnung muss natürlich nicht nur auf
den Schutz der privaten und geschäftlichen Daten der Fahrgäste, sondern auch
auf den der internen Daten der Verkehrsunternehmen geachtet werden
(Müller-Hellmann 2008, 6).
Auch wenn in diesem Zuge verstärkt die Ausgabe von datenschutzfreundlicheren pre-paid-
Karten thematisiert wurde, besteht dennoch aus Sicht der Verkehrsunternehmen ein bis
heute grundlegendes datenschutzrelevantes Dilemma hinsichtlich der Auswertung mithilfe
RFID-basierter Zugangssysteme genierter Daten. Die Auswertung der Fahrdaten bei
registrierten und personalisierten Karten erfolgt dazu noch wesentlich leichter und
verbesserter, weshalb Verkehrsunternehmen aus ihrem natürlichen organisationalen
Interesse (tagesaktuelles Wissen über Verkehrsflüsse, Kundenbindung etc.) heraus zu
datenschutzkritischeren elektronischen Vertriebskanälen tendieren, die in der Folge eine
potentielle Zuordnung von Bewegungsdaten zu eindeutig personenbezogenen Daten
ermöglichen. „Grundsätzlich führen die Techniken, die eine umfassende Registrierung von
Fahrtdaten gewährleisten“, so resümieren Keppeler et al., „zu einer deutlich verbesserten
Datenbasis für die Gewinnung von Verkehrsnachfragedaten“ (Keppeler, et al. 2005, 61).
Demnach würden im Idealfall besonders Systeme mit automatischer Fahrpreiserkennung per
Funk (Be In/Be Out) für die Auswertung bevorzugt, da Nachfragedaten bei diesen besonders
leicht gewonnen werden könnten. Auch wenn die Zustimmung für RFID-basierte
Zugangssysteme derzeit also generell gegeben zu sein scheint, besteht somit angesichts
dieses Grunddilemmas ein weites Potential für innovationshemmende Nutzungsbedenken.
So zeigte erst jüngst das Beispiel angeblich diagnostizierter Unstimmigkeiten im Rahmen der
Speicherung von Fahrten auf der fahrCard des VBB auf, wie stark mittlerweile die
datenschutzrechtliche Sensibilität im Verkehrsbereich seitens der Nutzerinnen und Nutzer
gewachsen ist (IGEB 2014). Zweifelsohne können demnach auch E-Tickets die
informationsbezogene Privatsphäre verletzen, wenn die Kontrolle darüber verloren geht,
wer welche und wie viel Informationen an andere Personen weiter gibt. Zudem fabrizieren
die informationstechnologischen Technikangebote nicht zuletzt neue Abhängigkeiten, die IT-
Entscheidungsträgern erhöhte Einflusstiefe auf individueller und gesellschaftlicher Ebene
verleihen (Sochor 2013, 19). Auf der anderen Seite wird relativierend beobachtet, dass die
Fülle an generierten Daten aus dem E-Ticketing angesichts der hohen Fahrgastsensibilität
mitunter zum negativen Boomerang-Effekt führen könnte, weshalb aus Sicht der
Verkehrsanbieter selbst ein Umdenken in Richtung eines ausgewogeneren Verhältnisses von
Datensammlung und Datennutzung angestrebt wird. So bemerkten allen voran Heyt-
Benjamin et al.:
We feel that at a certain point organizations such as transit authorities may
wish to scale back on the amount of consumer data they collect. They may
come to view such information as a greater liability than an asset since they
16
stand to loose both money and reputation if the data leaks to adversarial
parties.“ (...) „Ultimately a new equilibrium may be achieved in which systems
may be designed to permit gathering of useful business data while reassuring
the consumer by providing scientific guarantees that such data will be
appropriately anonymized“ (Heydt-Benjamin et al. 2006, 2).
Insgesamt erscheint demnach der (Daten-)sicherheitsaspekt im ÖPNV-Kontext noch
vergleichsweise weniger vordergründig zu sein bzw. wird der Datenmissbrauch aus
Nutzersicht als vergleichsweise unwahrscheinlich eingeschätzt. Im Gegenteil zum RFID-
Einsatz in der Arbeitsorganisation bei der „service provider trust“ und „security trust“ als die
beiden wichtigsten Einflussfaktoren für die Technikakzeptanz erhoben wurden (Lee 2009),
kann so für den ÖPNV-Kontext wohl zusammenfassend mit Sochors Studie (2013) zur
Einstellung gegenüber intelligenten Transportsystemen von einer vorsichtig optimistischen
bzw. positiv-kritischen Grundhaltung der Nutzer und Nutzerinnen gegenüber RFID-
Anwendungen im öffentlichen Verkehr gesprochen werden:
Privacy concerns are generally not a major barrier for acceptance in the
scenarios presented, although respondents do not necessarily express high
levels of trust for the data collectors or low levels of risk for data misuse.
(Sochor 2013, i).
Chancen, diese positiv kritische Grundhaltung weiter aufzubrechen, sehen Madlmayr und
Scharinger (2010) insbesondere in der RFID-Spezialisierung der Near Field Communication
(NFC). Durch die NFC-inhärente Optimierung von Prozessen und die Erweiterung der
Interaktionsmöglichkeiten würden ihrer Ansicht nach die Benutzerakzeptanz als auch die
generelle Nutzungsfrequenz erhöht werden. Novotny et al. (2015) ergänzen diese Sichtweise
und sehen das Potential der sich langsam durchsetzenden NFC-Technologie auf
Smartphones vor allem in der Kompromisslösung, das psychologische Defizit der zuvor
verlorengegangenen Kontrolle wiederzugewinnen: If RFID technology were integrated with
NFC-enabled mobile phones that included a user interface”, so betonen sie, “consumers
would be able to gain control over radio frequency communication.” Der Kontrollrückgewinn
durch die NFC-Charakteristik würde es den Nutzerinnen und Nutzern demnach erlauben,
eine eigenhändige Überprüfung, Aktivierung, Deaktivierung und Kommunikation mit RFID-
Tags in von ihnen gekauften Produkten durchzuführen. Wie bereits Eckfeldt (2005) gaben sie
zu bedenken, dass die Fahrgäste ihre Nutzungsintention auf Grundlage der Abwägung von
Nutzen und Kosten berechnen würden:
The overall effect of RFID solutions on sales will depend on how buyers
evaluate the costs of being tracked and profiled in or outside of the shop as
compared to the benefits gained” (Novotny et al. 2015, 622).
NFC-Technologie als Zahlungs- und Zugangsfunktion auf dem eigenen Mobiltelefon wird
heute somit vielerorts als ein möglicher Schlüssel zu erhöhter Akzeptanz eines IT-gestützten,
integrierten Ticketings betrachtet, um nicht zuletzt die Ambivalenzen der RFID-Technologie
17
positiver zu konnotieren. Auch wenn mit der Durchsetzung von NFC zukünftig neuartige
Abhängigkeiten und Gefahrenpotentiale ins Bewusstsein rücken werden, belegten erste
Feldversuche bereits eine deutlich positive und im Vergleich mit Smart Card-basierten
Zugängen sogar positivere Nutzerakzeptanz. So zeigte eine im Auftrag von o2 und der
London Transit Card durchgeführte Studie, dass 90% der Nutzer und Nutzerinnen, die ihre
Oyster Card per Mobiltelefon an einem Lesegerät erwerben konnten, sehr zufrieden mit der
Technologie waren und sogar 22% den ÖPNV in London dadurch öfter nutzten (Turner und
Wilson 2010). Eine weitere Studie aus Österreich zeigte zudem, dass die multifunktionale
Nutzung von NFC im Zugangswesen oder für Bezahlzwecke für 83% als sehr
zufriedenstellend empfunden wurde. Verglichen mit kartenbasierten Zugangssystemen
wurde die NFC-Technologie als „cooler“ (97%), einfacher (92%) und benutzerfreundlicher
(89%) empfunden (Madlmayr und Scharinger, 2010). Zukünftig könnte somit der NFC-
Technologie dank ihrer benutzerfreundlichen Charakteristik als multifunktionale Zugangs-
und Zahlungstechnologie die Zukunft des (stärker akzeptierten) Verkehrszugangs gehören.
So prognostizierte etwa der Verkehrsexperte Andreas Kossak angesichts der auch für die
Verkehrsunternehmen mit NFC ermöglichten Nutzungserweiterungen:
„Weltweit ist die Zielsetzung aller bereits eingeführten oder in der
Vorbereitung befindlichen modernen elektronischen Ticketing-Systeme für den
ÖPV mehr oder minder explizit darauf ausgerichtet, schrittweise eine
möglichst intensive Verknüpfung mit Systemen des e-commerce und des m-
commerce in anderen Märkten zu realisieren“ (Kossak 2010, 11).
Trotz dieser Verheißungen wurden auch Berichte bekannt, welche die propagierten
Nutzervorteile der NFC-Technologie stark relativieren. So berichtete etwa Veolia von einem
Fahrgastrückgang von 10% nach Einführung eines NFC-basierten Zugangs und auch das NFC-
Projekt des Verkehrsverbunds Rhein-Main (RMV) in Hanau ist aufgrund zu geringer Erfolge
bei gleichzeitig zu hohen Erwartungen eingestellt worden, obwohl Nutzerevaluationen den
NFC-basierten Zugang als eindeutig komfortabler und attraktiver bezeichneten (Reuss 2007).
Insbesondere die deutsche ÖPNV-Nutzermehrheit der Fahrgäste mit Zeitfahrkarten würden
solche Systeme demnach bislang nicht vollends akzeptieren (ProBahn 2013).
Eine diesem Bericht vorgelagerte Literaturstudie (Kellermann 2016) zu Nutzungsvorbehalten
im Einsatz der RFID-Technologie zeigte zudem, dass die primären Vorbehalte und
Nutzungshemmnisse in der befürchteten Einbußen der Privatsphäre und im unbemerkten
Tracking bzw. der Anfertigung von Verhaltens,- Kaufmustern- und Bewegungsmustern liegen.
Neben diesen primären Vorbehalten wurden potentielle Gesundheitsbeeinträchtigungen
und Arbeitsplatzimplikationentrotz regional unterschiedlicher Gewichtung als sekundäre
Vorbehaltskategorien identifiziert.
Darin zeigte sich zudem, dass insbesondere im Hinblick auf die Akzeptanz von RFID-
Anwendungen Konsens in der Auffassung besteht, Technikakzeptanz innerhalb von RFID-
Anwendungen ausnahmslos kontextabhängig zu betrachten. So wurde in unterschiedlichen
18
Studien gezeigt, dass Nutzungshistorie, Adressat der Technologie, nationaler/regionaler
Bezug oder etwa die technische Komplexität des RFID-Systems jeweils anwendungsspezifisch
zusammen spielen wie etwa im Beispiel des RFID-Einsatzes bei Mautstraßensystemen
(Storm-Mathisen 2014) und pauschale Betrachtungen der Technikakzeptanz einer
Technologie, die in diversen Kontexten Einsatz findet, unmöglich machen. So unterscheiden
sich etwa Wahrnehmungen und Vorbehalte von RFID-Anwendungen im Handel deutlich von
denen im verkehrlichen Kontext. Trotz der Etablierung von Datenschutz und Privatheit als
signifikante Innovationshemmnisse der RFID-Anwendung besteht zudem weiterhin eine
eklatante Forschungslücke im tieferen Verständnis solcher Nutzungsvorbehalte. Stattdessen
wird die Mehrheit der Forschung im disziplinären Spektrum der Wirtschaftsinformatik und
Unternehmensforschung durchgeführt, was ein Übergewicht an technisch orientierten
Analysen gegenüber techniksoziologischen oder technikethischen Ansätzen nach sich zieht.
19
4. Methode
4.1 Untersuchungsdesign
Die Daten wurden mittels einer mündlichen Befragung von Fahrgästen des Berliner ÖPNV im
Zeitraum Anfang März bis Ende April 2016 an fünf Berliner Kreuzungsbahnhöfen
(Hermannplatz, Osloer Straße, Alexanderplatz, Zoologischer Garten, Mehringdamm)
gewonnen. Die mündliche Befragung erfolgte auf Basis eines standardisierten Fragenbogens
im face-to-face-Design. Da die Befragten meist nur in Wartesituationen während ihres
kurzen Aufenthalts auf den Bahnsteigen befragt werden konnten, musste sich das
Erhebungsverfahren der besonderen Befragungssituation im Hinblick auf eine schnelle
Durchführung sowie auf kurze und präzise Fragestellungen anpassen. Angesichts dieser
Kriterien wurde ein Erhebungsverfahren mittels standardisiertem Fragebogen als adäquate
Lösung eingeschätzt. Weiteres Auswahlkriterium für die Wahl des Verfahrens bot die
forschungsökonomische Maßgabe, innerhalb kurzer Zeit und mit begrenzten finanziellen
Ressourcen eine relativ große Stichprobe von über 1.000 Befragungen zu erzielen, um eine
Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit anderen Befragungen zu ermöglichen.
Die Befragung wurde durch extern beauftragte Interviewer der WISAG GmbH durchgeführt.
Dabei wurden die mündlich geäußerten Antworten der Befragten durch die Interviewer
während der Befragung schriftlich aufgenommen und anschließend manuell in eine digitale
Datenbank eingepflegt. Um während der Befragung das Problem der gegenseitigen
Beeinflussung zu minimieren und die Objektivität zu gewährleisten, wurden für die
Datenerhebung ein möglichst direkter und neutraler Interviewstil gewählt.
Das Erhebungsverfahren der standardisierten Fragebogen-Befragung erschien am besten
geeignet, die Forschungsfragen zu beantworten, da dieses Verfahren innerhalb der
einstellungsorientierten Technikakzeptanzforschung als etablierte Methode gilt, um
konnotative Assoziationen, ein Ranking von Indikatoren der Technikakzeptanz sowie
erklärende Wirkfaktoren für die Nutzungseinstellung einer technischen Innovation
herauszuarbeiten.
4.2 ErhebungsinstrumentStandardisierter Fragebogen
Der Fragebogen als zentrales Erhebungsinstrument dieser Untersuchung umfasste elf Fragen
mit insgesamt 25 Items (vgl. Anhang). Der Fragebogen wurde vollständig standardisiert und
beinhaltete fast ausschließlich geschlossene Fragen. Eine einzige Frage ermöglichte eine
vollständig offene Antwort. Darüber hinaus waren offene Angaben lediglich im Rahmen
ergänzender Angaben unter „Sonstiges“ (auch „andere Eigenschaften“) möglich.
Die Kürze des Fragebogens war eine wesentliche Voraussetzung für eine zeitlich möglichst
schnelle Durchführung pro Interview.
Der Feldphase ging die Konstruktion einer Vorab-Version des Fragebogens voraus, welche im
Rahmen eines Pretests auf Funktionalität und praktische Anwendbarkeit hin geprüft wurde.
20
Auf Basis der Resultate und Erkenntnisse des Pretest wurde der Fragebogen überarbeitet,
wesentlich verkürzt sowie bezüglich der genutzten Begrifflichkeiten und Formulierungen
geschärft und präzisiert. Zudem wurde der Begrüßungstext in seiner Formulierung
überarbeitet.
Aufbau
Zu Beginn jeder Befragung stellte der/die Interviewerin anhand eines Szenarios1 zunächst
die Funktionsweise eines elektronischen Verkehrszugangssystems mit einem Check-in/Be-
out-Verfahren (CiBo) kurz mithilfe einer Beispielfotografie vor. In dem dargestellten Szenario
mussten sich die Fahrgäste mit ihrem Smartphone aktiv zur Mitfahrt anmelden (Check-In),
und wurden beim Ausstieg aus dem Fahrzeug automatisch vom System registriert; der
Check-Out erfolgte somit ohne die aktive Mitwirkung des Fahrgastes. Auf Grundlage dieser
Erfassung kann der Fahrpreis automatisch berechnet und bspw. zusammen mit der
Mobiltelefonrechnung am Monatsende eingezogen werden.
Die Gliederung des Fragebogens umfasste vier Themenbereiche:
I. generelle Technikeinstellungen
II. wichtige Eigenschaften („Nutzen“)
III. Nachteile und Nutzungsbedenken
IV. Nutzungsintention.
Die Bestimmung und Auswahl der Themenbereiche und Inhalte der Befragung folgte den im
Rahmen der Literaturrecherche sowie im Zuge von Gesprächen und Abstimmungen mit
Experten und Kooperationspartnern (insb. Verkehrsbetriebe Berlin-Brandenburg VBB)
gesammelten Erfahrungen und Erkenntnissen. Zudem ist die Auswahl des CiBo-
Zugangsverfahrens als eine Zwischenstufe des vom VDV (Verband Deutscher
Verkehrsunternehmen) formulierten Ziels hin zu einem deutschlandweiten E-Ticketing-
Standard (Zeuner 2000) auf Grundlage eines vollautomatischen Erfassungssystems (Be-
In/Be-Out) zu verstehen. Das Check-in/Be-out-Verfahren könnte somit vor der finalen dritten
Ausbaustufe (Be-In/Be-Out) als eine denkbare Zwischenlösung zu erwarten sein.
Inhalt
Der erste Themenbereich erfragte die generelle Technikeinstellung gegenüber dem
skizzierten Zugangssystem. Dazu wurde der Zustimmungsgrad zu acht vordefinierten
Systemeigenschaften mit einer vierstufigen Skala2 abgefragt. Die Kategorie „weiß
1Stellen Sie sich bitte vor, dass Sie in Berlin beim Einsteigen in Bus und Bahn Ihr Smartphone oder eine Chipkarte zum
Einchecken an ein Lesegerät halten. Sie melden sich damit aktiv zur Mitfahrt an. Beim Aussteigen werden Sie automatisch
ohne Ihre Mithilfe wieder ausgescheckt, also abgemeldet. Anschließend wird der Fahrpreis für diese Fahrt ermittelt. So
könnten Sie dann beispielsweise jeden Monat eine Rechnung mit einer Übersicht Ihrer Fahrten erhalten, ähnlich wie bei
Ihrer Mobilfunkrechnung mit den Verbindungsnachweisen. Uns interessiert nun, ob Sie sich so ein elektronisches
Zugangssystem vorstellen könnten.“
2 1 = „trifft voll und ganz zu“, 2 = „trifft eher zu“, 3 = „trifft eher nicht zu“, 4 = „trifft überhaupt nicht zu, 5 = „weiß nicht/keine Angabe“.
21
nicht/keine Angabe“ wurde von den Interviewer/innen dabei nicht proaktiv als
Antwortkategorie vorgestellt, sondern nur auf Wunsch bzw. Nachfrage der/des Interviewten
angeboten.
Die Abfolge der vordefinierten Systemeigenschaften setzte sich für jeden einzelnen
Fragebogen zufällig und somit jeweils unterschiedlich zusammen. Damit sollte verhindert
werden, dass die Reihenfolge der vorgestellten Eigenschaften ggf. Einfluss auf das
Antwortverhalten haben könnte.
Der zweite thematische Block erhob unter der Überschrift „Nutzen“ die als „am wichtigsten“
wahrgenommenen Eigenschaften des vorgestellten CiBo-Systems. Dazu wurden alle acht
zuvor bereits vorgestellten Systemeigenschaften aus der ersten Frage nochmals gezeigt. Die
Befragten nannten aus dieser Liste schließlich die drei aus ihrer Sicht wichtigsten
Systemeigenschaften.
Der dritte Themenbereich fokussierte die Identifizierung wahrgenommener Nachteile sowie
mögliche Nutzungsbedenken. Dazu wurde in einer ersten Frage nach dem als größten
Nachteil gesehenen Argument gefragt, das bei der Nutzung des vorgestellten Systems aus
Sicht der Fahrgäste zu erwarten wäre. Die Befragten konnten diese Frage in offener Form
beantworten. In einer zweiten Frage dieses Abschnitts wurde im Detail nach konkreten
Bedenken gegenüber dem im Szenario skizzierten Zugangssystem gefragt. Dazu wurden acht
mögliche Problembezüge mit einer vierstufigen Skala zur Bewertung gestellt (s.o.). Die
Kategorie „weiß nicht/keine Angabe“ wurde dabei wiederum nicht aktiv als
Antwortkategorie angeboten. Wieder wurde die Abfolge der vordefinierten
Nutzungsaspekte für jeden einzelnen Fragbogen alternierend und zufällig zusammengestellt.
Der vierte Fragekomplex zielte schließlich auf die Erhebung der tatsächlichen Bereitschaft,
das eingangs vorgestellte CiBo-System zu nutzen. Auf Basis einer vierstufigen Skalierung (ja,
eher ja, eher nein, nein) konnten die Befragten Ihre Nutzungsintention angeben.
In einem abschließenden Abschnitt wurden schließlich folgende Personendaten erhoben:
Art der gegenwärtigen Ticketnutzung (Dauer: 1 Tag, 1 Monat, länger als 1 Monat)
Vorerfahrung mit dem Kauf eines Handy-Tickets
Soziodemographische Daten (Alter, höchster Bildungsabschluss, Geschlecht)
Aufenthalt in Berlin als Tourist (ja/nein)
Dieser abschließende Fragekomplex wurde deshalb gewählt, weil davon ausgegangen
werden musste, dass die Einstellungen gegenüber Verkehrszugangssystemen und der
Nutzungsintention auch davon beeinflusst sein würden, welche Gültigkeitsdauer
üblicherweise die von den Befragten erworbenen Tickets aufweisen und insbesondere
welche Vorerfahrungen bereits mit Alternativen im Ticketerwerb jenseits des
Papierfahrschein bestanden.
22
4.3 Zielpopulation
Als Zielpopulation der Untersuchung wurden alle Fahrgäste des öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV) im Berliner Stadtgebiet definiert.
Die Befragung wurde bewusst an mehreren, stark frequentierten Kreuzungspunkten der U-
Bahnlinien U2, U5, U6, U7, U8 und U9 mit anderen Verkehrsmitteln (S-Bahn,
Regionalbahnen bzw. ortsspezifisch auch Bus- und Tramlinien) durchgeführt. Zudem erfolgte
die Befragung jeweils zu unterschiedlichen Tageszeiten und Wochentagen. Hierüber sollten
verschiedene Nutzergruppen (Kurzstrecken, Einzelfahrten, Dauerkartenbesitzer, Berufs-
pendler, Freizeitreisende etc.) für die Befragung erreicht werden, die das Spektrum
verschiedener Fahrgasttypen aus der gesamten Nahverkehrslandschaft weitestgehend
repräsentieren.
Der Erhebungszeitraum lag zwischen dem 15.03.16 und 15.04.16 und reichte täglich von
9.00 bis 18.00 Uhr. Befragt wurde jeweils in zwei Befragungsteams zu je zwei Personen an
Wochentagen wie auch an Wochenenden.
Vor Beginn der Erhebung wurden die externen Interviewerinnen und Interviewer des
Unterauftragnehmers (WISAG GmbH) über das Erhebungsverfahren umfassend instruiert.
Ziel war es, die Interviews unter exakt gleichen Bedingungen durchzuführen und die
Vorgaben des Fragebogens (Inhalt, Reihenfolge, Vollständigkeit etc.) strikt einzuhalten. Die
Interviewerinnen und Interviewer wurden zur Neutralität gegenüber den Befragten
angehalten und instruiert, ihre eigene Meinung zu den Befragungsinhalten zurückzuhalten.
Für die Stichprobe wurden Personen angesprochen, die 18 Jahre oder älter waren und sich
zum Befragungszeitpunkt auf den Bahnsteigen der U-Bahnlinien U2, U5, U6, U7, U8 und U9
befanden. Die Teilnahme war freiwillig und generierte sich durch zufällige Selektion und
Ansprache auf den Bahnsteigen.
4.4 Vorgehen in der Datenauswertung
Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte mit Hilfe der IBM Statistiksoftware SPSS
Version 24. Da die eingesetzten Fragen nominales oder ordinales Skalenniveau besitzen,
wurden für die statistischen Auswertungen nicht-parametrische Testverfahren eingesetzt
(Field 2009, Janssen und Laatz 2007). Um die in Kapitel 1 aufgeführten Fragestellungen zu
untersuchen, wurden Korrelationsanalysen (Rangkorrelation nach Kendall) und
Unterschiedsanalysen (Mann-Whitney U-Test) durchgeführt.
Da das untersuchte Szenario eines CiBo-Verkehrszugangssystems für alle Nutzerinnen und
Nutzer des ÖPNV verfügbar sein soll, wurden zunächst die detaillierten Datenanalysen für
alle Befragten (inkl. der Touristen) durchgeführt. Hinzukommend konnten allgemein
gehaltene Vergleiche zwischen Berlinern und Touristen zum Ende eines jeden Analyseblocks
erste Hinweise dafür geben, ob sich beide Gruppen signifikant in ihrem Antwortverhalten
voneinander unterschieden.
23
5. Ergebnisse
5.1 Zusammensetzung des Samples
Alter und Geschlecht
In das Sample gingen Befragungen von insgesamt 1.204 Fahrgästen ein. Unter diesen waren
200 Personen vertreten, die nach eigener Angabe als „Touristen“3 in Berlin zu Besuch waren.
Zusammen 1.004 Personen konnten demgegenüber im Sinne der Vereinfachung als
„Berliner“4 bezeichnet werden. Die Geschlechter waren insgesamt nahezu gleichteilig
vertreten: 52% waren Frauen und 48% Männer. In der Gruppe der Touristen herrschte ein
leichter Frauenüberschuss von 59,5% (n=119) gegenüber 40,5% (n=81) Männern. Innerhalb
der Altersgruppen variierte das Geschlechterverhältnis leicht, sowohl unter den Berlinern,
als auch unter den Touristen. Dabei war der Altersdurchschnitt der Touristen leicht jünger
als unter den Berlinern (Vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Alter und Geschlecht der Befragten nach Herkunft
Ungefähr ein Fünftel (21%) der befragten Fahrgäste waren zwischen 18-29 Jahre alt.
Zwischen 30-49 Jahre alt waren rund 36% der Befragten. Ungefähr 22% der Fahrgäste war
zwischen 50-65 Jahre alt und weitere etwa 20% älter als 65 Jahre. Die weiblichen Fahrgäste
waren in den Altersklassen der 50-65-Jährigen sowie der >65-Jährigen etwas stärker
vertreten, in der Gruppe der 30-49-Jährigen waren dagegen etwas mehr Männer unter den
Befragten. Damit waren die im Sample vertretenen Frauen etwas älter als die männlichen
3 Da Fahrgäste insgesamt nur auf Deutsch befragt wurden, ist anzumerken, dass sich das Sample der Touristen nur aus deutschsprachigen
bzw. deutschsprechenden Touristen speiste.
4 Es wurde in Kauf genommen, dass das „Berliner“ Sample durchaus Personen umfassen könnte, die weder als Touristen in Berlin noch in
Berlin wohnhaft waren, bspw. Geschäftsleute. Im Sinne der primären Entscheidung zur gesonderten Betrachtung touristischer Reisezwecke
und aus Zwecken der Vereinfachung wird im Folgenden dennoch die Bezeichnung „Berliner“ gewählt.
95 188
101 107 491
24
37 13
7
81
94 163
134 120 511
41
47 18
13
119
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
18-29 Jahre 30-49 Jahre 50-65 Jahre >65 Jahre Gesam t 18-29 Jahre 30-49 Jahre 50-65 Jahre >65 Jahre Gesamt
männlich weiblich
Berliner Touristen
24
Befragten. Im Vergleich zwischen den Touristen und Berlinern waren die Touristen
durchschnittlich etwas jünger als die Berliner Befragten (r = .16, p < .001; N=1202).
Die Zusammensetzung des Samples folgte einem zuvor festgelegten Quotenplan, der eine
für die Berliner Bevölkerung repräsentative Geschlechts- und Altersverteilung sicherstellte5.
Bildungsabschluss
Von den befragten Fahrgästen gaben 35% an, über das Abitur oder die Fachhochschulreife
als höchsten Bildungsabschluss zu verfügen. Einen Realschulabschluss oder einen Abschluss
einer Polytechnischen Oberschule hatten 30% der Befragten, weitere 17% den Hauptschul-
oder Volksschulabschluss. Darüber hinaus wiesen 16% der Befragten einen
Hochschulabschluss oder eine Promotion aus. Immerhin 2% der befragten Fahrgäste gaben
an, über keinen (Bildungs-)Abschluss zu verfügen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Höchster Bildungsabschluss der Fahrgäste
Das Sample repräsentiert somit eine breite Bildungsstruktur und ähnelt dabei grob der in der
Berliner Bevölkerung vorherrschenden Struktur der Bildungsabschlüsse (Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg6). Beim Geschlechtervergleich (hier nicht grafisch dargestellt) bezogen
auf das Merkmal „höchster Bildungsabschluss“ waren die im Sample vertretenen Frauen
insgesamt leicht höher qualifiziert (mit höheren Anteilen unter den Hochschulabschlüssen
und Promotionen, Abitur sowie Realschulabschluss) als die Männer (deutlich höherer Anteil
bzgl. der Hauptschulabschlüsse).
5 Grundlage zur Entwicklung des Quotenplans waren die Basisdaten des Statistischen Landesamtes Berlin-Brandenburg 2014:
https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/publikationen/stat_berichte/2015/SB_A01-05-00_2014h02_BE.pdf (letzter Zugriff 15.03.16).
6www.statistik-berlin-brandenburg.de/basiszeitreihegrafik/bas-zensus-bevoelkerung.asp?Ptyp=300&Sageb=10011&creg=BBB&anzwer=5
(letzter Zugriff: 12.09.2016).
ohne Absc hluss
2% Hauptschulabschluss/
Volksschulabschluss
17%
Realschulabschluss/
Polytechnische
Oberschule
30%
Abitur/Fachhoch-oder
Hochschulreife
35%
Fachhochschul-,
Hochschulabschluss
oder Promot ion
16%
25
Ticketart
Die Befragung unterschied bezüglich der genutzten Ticketart in eine kurze Gültigkeitsdauer
von „Fahrkarten, die maximal einen Tag gelten“, eine mittlere Dauer von „Fahrkarten, die
länger als einen Tag bis zu einem Monat gelten“ sowie „Fahrkarten, die länger als einen
Monat gelten“ mit langer Gültigkeitsdauer.
Unter allen Befragten kann diesbezüglich insgesamt von einer nahezu gleichmäßigen
Verteilung auf die drei Ticketarten gesprochen werden: 386 Personen (32,1%) gaben eine
kurze, 375 Personen (21,2%) eine mittlere und 441 (36,7%) eine langfristige Gültigkeitsdauer
an (siehe Abbildung 3). Differenziert nach Touristen und Berlinern wurde klar ersichtlich,
dass die Touristen zu einem deutlich höheren Anteil (49%) Fahrscheine mit kurzer
Gültigkeitsdauer nutzten und sichtbar seltener Tickets mit mittlerer (24%) oder langer (27%)
Gültigkeit erwarben7. Insgesamt lagen also alle denkbaren ticketbasierten Nutzertypologien
ähnlich verteilt vor. Insbesondere das Vorhandensein der Gruppe der Gelegenheitsfahrer ist
hier deshalb von starkem Interesse für die Verkehrsunternehmen, da sie aus Sicht der
Verkehrswirtschaft als diejenige Gruppe vermutet wird, die durch eine Vereinfachung des
Ticketerwerbs und des Verkehrszugang den ÖPNV häufiger benutzen würde (Langheinrich
2007, Kossak 2005).
Abbildung 3: Gültigkeitsdauer der überwiegend genutzten Tickets
5.2 Vorteile von RFID-basierten, CiBo-Verkehrszugangssytemen
Der erste Themenkomplex des Fragebogens fokussierte die generelle Technikeinstellung der
Fahrgäste in Bezug auf RFID-basierte Check-in/Be-out-Systeme. Die hierbei herangezogenen
Eigenschaften hatten tendenziell einen positiven Charakter und werden dementsprechend
auch im Sinne von „Vorteilen“ bzw. Nutzenvorteilen interpretiert.
7 Mutmaßlich bezogen die Touristen die Frage nach der Ticketart auf ihren Berlin-Aufenthalt. Daraus würden sich in erster Linie Fahrkarten
mit kurzer Gültigkeitsdauer (inkl. Tagesticket) ableiten sowie ggf. darüber hinaus z.B. Wochenendtickets, bzw. Mehrtagestickets mit einer
Gültigkeitsdauer deutlich unter einem Monat.
98
288
386
48
327
375
54
387
441
0% 25% 50% 75% 100%
To ur i s t
Berliner
Gesamt
Welche T icketart nutze n Sie übe rwiegend?
Fahrkarten, die max. einen Tag gelten Fahrkarten, die länger als einen Tag bis zu einem Monat gelten Fahrkarten, die länger als einen Monat gelten
26
5.2.1 Überblick der Fahrgastbewertungen
Die Fahrgäste wurden in der ersten Frage bezüglich allgemeiner Eigenschaften von Check-
in/Be-out-Systemen (CiBo) gefragt. Die vorgegebenen Eigenschaften konnten anhand einer
vierstufigen Skala als zutreffend bzw. nicht zutreffend deklariert werden.
Es zeigte sich hierbei (siehe Abbildung 4), dass fast alle zur Abstimmung gestellten
Eigenschaften mehrheitlich als zutreffend („trifft eher zu“ oder „trifft voll und ganz zu“)
befunden wurden. Einzig der Begriff „vertrauenswürdig“ verzeichnete eine leicht
überwiegende Ablehnung („trifft eher nicht zu“ oder „trifft überhaupt nicht zu“).
Abbildung 4: Fahrgastbewertungen von Verkehrszugangssystemen (CiBo)
Die persönliche Bewertung des vorgestellten CiBo-Systems lässt für das Sample eine
insgesamt positive Einstellung gegenüber moderner Verkehrszugangstechnik erkennen. So
erreichte die hypothetische Einführung eines solchen Systems bezüglich aller
Systemeigenschaften (mit Ausnahme der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit)
durchweg einen hohen Zustimmungsgrad von mehr als 60% (Antworten „trifft eher zu“ plus
„trifft voll und ganz zu“). Das im Vergleich höchste Zustimmungsniveau erfuhr mit über 84%
der Begriff „innovativ“. Es folgten die Eigenschaften „komfortabel“ (70,0%), „nützlich“
(67,4%), „zeitsparend“ (67,2%) und „einfach“ (67,0%). Auch die Bezeichnung
„bedienfreundlich“ wurde dem System mit einem Anteil von 63,5% noch von einer
erkennbaren Mehrheit der Befragten zugeschrieben.
Zusammengenommen charakterisierten die Befragten das vorgestellte Zugangssystem
demnach mehrheitlich als „zeitsparend“, „bedienfreundlich“, „einfach“, „nützlich“,
„komfortabel“ und insbesondere „innovativ“. Hinsichtlich der Charakteristika „zuverlässig“
und „vertrauenswürdig“ kann die Verteilung als ausgeglichen bezeichnet werden: Mit einem
Anteil von ca. 53% erachtete quasi die Hälfte der Interviewten derartige Systeme als
576
390
376
399
328
389
231
221
414
417
405
349
370
363
293
339
114
224
211
209
247
232
343
323
72
119
167
159
154
135
229
169
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
innovativ
komfortabel
nützlich
einfach
bedienfreundlich
zeitsparend
vertrauenswürdig
zuverlässig
So ein Zugangssystem wäre mich persönlich…
trifft voll und ganz zu trifft e her zu trifft e her nicht zu trifft überhaupt nicht zu
27
zuverlässig, entsprechend 47% nicht. Ebenso erachtete mit ca. 48% knapp die Hälfte der
Befragten diese als vertrauenswürdig, folglich schrieb eine knappe Mehrheit von 52% dem
CiBo-System diese Eigenschaft jedoch nicht zu.
Wichtigkeit und Nutzungsrelevanz von CiBo-Eigenschaften
Gefragt wurde nicht nur danach, inwieweit die vorgestellten Eigenschaften zutreffen. Die
Befragten sollten zudem die ihrer Meinung nach drei wichtigsten Eigenschaften benennen,
die bei der Nutzung des vorgestellten CiBo-Systems relevant sein würden. Aus der
Auszählung der jeweils genannten Eigenschaften ließ sich entsprechend eine Rangfolge8
gemäß ihrer Wichtigkeit erstellen (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: Rangfolge von Systemeigenschaften nach Wichtigkeit
Das Ranking der als am wichtigsten wahrgenommenen Systemeigenschaften wies ein Votum
für ein insbesondere einfaches (33,6%), bedienfreundliches (32,4%), zuverlässiges (31,1%)
und vertrauenswürdiges (29,0%) CiBo-System aus. Folgend war vielen Befragten zudem
wichtig, dass das System „zeitsparend“ (25,8%) ist.
Weitere Eigenschaften
Neben den acht durch Frage 1 vorgegebenen Systemeigenschaften konnten die Interviewten
auch frei wählbare Eigenschaften benennen, die in Bezug auf ihre Nutzungsintension eine
wichtige Rolle einnehmen. Für die Auswertung wurden die offenen Antworten in insgesamt
elf Eigenschaftskategorien zusammengefasst (siehe Abbildung 6).
8 Bei dieser Frage war eine Mehrfachantwort möglich. Die angegebenen Prozentwerte bezeichnen den Anteil der Nennungen bezogen auf
die Anzahl der bei dieser Frage antwortenden Befragten.
33,6%
32,4%
31,1%
29,0%
25,8%
18,4%
14,5%
8,2%
einfach
bedienfr eundlich
zuverlässig
vertrauenswürdig
zeit sparend
komfortabel
nützlich
innovativ
Welche Eigenschaften wären für Sie besonders wichtig, um ein s olches Zugangssystem zu nutzen ?
Die angegebenen Prozentwerte bezeichnen den Anteil der Nennungen
bezogen auf die Anzahl der bei dieser Frage antwortenden Befragten.
Bei dieser Frage war eine Mehrfachnennung möglich. Die Summe der
Anteilwerte ist daher größer als 100%.
Anzahl der antwortenden Befragten: 1.067
28
Abbildung 6: Wichtige Eigenschaften eines CiBo-Systems - offene Antworten
Unter den freien Antworten wurden die ticketbezogenen Erleichterungen des „nicht mehr
über Ticketkauf nachdenken müssen“ (12,8%) sowie „kein Ticket mehr verlieren/vergessen“
(10,6%) als die mit Abstand am häufigsten genannten Aspekte geäußert. Die Anteilswerte
lagen überdies höher als der Wert für die Eigenschaft „innovativ“, die innerhalb der
vorgegebenen Antwortmöglichkeiten aufgeführt war.
Neben der häufigen Nennung von „einfach“ und „zeitsparend“ (vgl. Abbildung 5) wurden
damit zwei weitere Aspekte vergleichsweise häufig genannt, die den Nutzungsfokus in
Richtung einer Komplexitätsreduktion setzten. Die Eigenschaft „kein Münzgeld mehr nutzen
zu müssen“ (5,7%) war zwar mit einem deutlich geringeren Anteil aufgeführt, zeichnete aber
ebenfalls den bei vielen Fahrgästen bestehenden Wunsch nach weniger Komplexität im
Verkehrszugang nach.
Andere Eigenschaften fokussierten demgegenüber begleitende Rahmenbedingungen wie die
Preisersparnis (8,0%), Alternativoptionen9 (6,3%), das Vorhandensein eines guten Designs
bzw. einer adäquaten Benutzeroberfläche des Systems (3,0%), die Mitgestaltungs-
möglichkeiten (1,8%) oder auch mehr (Sicherheits-)Personal (0,7%).
Als dritte Kategorisierung offen genannter Nutzungseigenschaften ließ sich das
Vorhandensein von Servicefunktionen und Nutzungsmehrwerten identifizieren. Dazu
wurden die Nachvollziehbarkeit der eigenen Fahrten (5,5%) und die Minimierung von
Zugangshemmnissen zum ÖPNV (4,3%) als wichtigste Systemeigenschaften genannt.
9 Bezüglich Verkehrszugang bzw. Ticketerwerb jenseits des Check In mit dem Smartphone.
12,8%
10,6%
8,0%
6,3%
5,7%
5,5%
4,3%
3,0%
1,8%
0,9%
0,7%
Nicht über Ticketkauf nachdenken müssen
kein Ticket mehr verlier en/verg essen können
Preisersparnis
wenn Alternativoptionen verfügbar sind
kein Münzgeld mehr nutzen müssen
Nachv ollziehb arkeit der eig enen Fa hrten
Weniger Zugangshemmnisse zum ÖPNV
Design /Benutzer oberflä che des Sys tems
Mitgestaltungsmöglichkeiten
Nutzung ist cool/trendy/angesagt
Mehr ( Sicherh eits-)Personal
Welche Eigenschaften wären für Sie besonders wichtig, um ein s olches Zugangssystem zu nutzen?
("andere Eigenschaften")
Die angegebenen Prozentwerte bezeichnen den Anteil der Nennungen
bezogen auf die Anzahl der bei dieser Frage antwortenden Befragten.
Bei dieser Frage war eine Mehrfachnennung möglich. Die Summe der
Anteilwerte ist daher größer als 100%.
Anzahl der antwortenden Befragten: 1.067
29
5.2.2 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung
Die befragten Fahrgäste unterschieden sich in den Merkmalen Geschlecht, Alter und Bildung
voneinander (vgl. Kapitel 5.1 Zusammensetzung des Samples). Um zu untersuchen, ob diese
Unterschiede in Zusammenhang mit ihrem Antwortverhalten bzw. mit der Bewertung der
Vorteile eines CiBo-Verkehrszugangssystems stehen, wurden Korrelations- und
Unterschiedsanalysen durchgeführt.
Die Analysen haben ergeben, dass sich die befragten Männer und Frauen bezogen auf die
Vorteile des vorgestellten Systems nicht signifikant voneinander in ihrem Antwortverhalten
unterscheiden (vgl. Anhang).
Bezüglich des Alters zeigte sich, dass mit zunehmendem Alter des Fahrgastes ein CiBo-
System umso weniger komfortabel (r10 = -.30, p < .001), nützlich (r = -.23, p < .001), einfach
(r = -.35, p < .001), bedienfreundlich (r = -.27, p < .001), zeitsparend (r = -.25, p < .001),
vertrauenswürdig (r = -.11, p < .001) oder zuverlässig (r = -.10, p < .001) eingeschätzt wurde
(vgl. Tabelle 1).
Der negative Zusammenhang zwischen dem Alter des Fahrgastes und der eingeschätzten
Einfachheit eines CiBo-Verkehrszugangssystems war gegenüber allen anderen
eingeschätzten Vorteilen am stärksten. Scheinbar betrachten demnach gerade ältere
Fahrgäste das CiBo-Verkehrszugangssystem als wenig einfach. Die negativen
Zusammenhänge zwischen dem Alter des Fahrgastes und der eingeschätzten Vorteile
Komfortabilität, Nützlichkeit, Bedienfreundlichkeit, Zeitersparnis eines CiBo-
Verkehrszugangssystems waren wenig stark ausgeprägt. Lediglich schwache
Zusammenhänge gab es zwischen dem Alter des Fahrgastes und der eingeschätzten Vorteile
Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit. Das vorgestellte Verkehrszugangssystem als
innovativ zu bewerten, erschien darüber hinaus vom Alter unabhängig (vgl. Tabelle 1).
Bezogen auf den Bildungsgrad der Befragten zeigte sich, dass mit zunehmendem
Bildungsgrad, die Fahrgäste ein CiBo-Verkehrszugangssystem umso innovativer (r = .08,
p < .05), komfortabler (r = .19, p < .001), nützlicher (r = .17, p < .001), einfacher (r = .16,
p < .001), bedienfreundlicher (r = .21, p < .001), zeitsparender (r = .18, p < .001),
vertrauenswürdiger (r = .08, p < .01) oder zuverlässiger (r = .08, p < .01) einschätzten (vgl.
Tabelle 1). Diese positiven Zusammenhänge reichten von sehr schwach
(Vertrauenswürdigkeit x Bildungsgrad; r = .08, p < .01) bis schwach (Bedienfreundlich x
Bildungsgrad; r = .22, p < .001).
10 Zur Größe von Korrelationskoeffizienten und deren Interpretation vgl. Bühner (2006).
30
Tabelle 1: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=900)
Variable
Altersklasse
Bildungsabschluss
Innovativ
-0,03
,08*
Komfortabel
-,30
***
,19
***
Nützlich
-,23
***
,17
***
Einfach
-,35***
,16***
Bedienfreundlich
-,27
***
,21
***
Zeitsparend
-,25***
,18***
Vertrauenswürdig
-,11
***
,08
**
Zuverlässig
-,10
***
,08
**
Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.
5.2.3 Die Bedeutung der Ticketart
Die Analysen haben ergeben, dass sich die Befragten (N=900) bezogen auf die Art des
verwendeten Tickets und der Einschätzung der Vorteile eines CiBo-Verkehrszugangssystems
nicht signifikant voneinander in ihrem Antwortverhalten unterschieden. Die Einschätzung
der Vorteile des vorgestellten Zugangssystems hängen demnach nicht davon ab, welche
Ticketart ein Fahrgast benutzt (vgl. Anhang).
5.2.4 Vergleich zwischen Berlinern und Touristen
Die Frage nach wichtigen Eigenschaften des CiBo-Zugangssystems wurde von den Berlinern
und den Touristen mit ähnlichen Präferenzen beantwortet. Eine Liste der wichtigsten „TOP-
5“ umfasste bei beiden Gruppen die gleichen Eigenschaften. Grundsätzlich auffällig war, dass
die Touristen wesentlich stärker von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten, über die
vorgegebenen Antworten hinaus offen weitere Aspekte zu benennen (siehe Abbildung 8).
Abbildung 7: Rangfolge von Systemeigenschaften nach Wichtigkeit Berliner und Touristen
34,6%
33,1%
32,0%
30,1%
25,1%
18,8%
14,1%
8,7%
28,7%
29,2%
26,9%
23,4%
29,8%
16,4%
17,0%
5,8%
einfach
bedienfreundlich
zuverlässig
vertrauenswürdig
zeit sparend
komfortabel
nützlich
innovativ
Welche Eigenschaften wären für Sie besonders wichtig, um ein s olches Zugangssystem zu nutzen ?
Berliner
Tou rist en
Die angegebenen Prozentwerte bezeichnen den Anteil
der Nennungen bezogen auf die Anzahl der bei dieser
Frage antwortenden Befragten.
Bei dieser Frage war eine Mehrfachnennung möglich.
Die Summe der Anteilwerte ist daher größer als 100%.
Anzahl der antwortenden Berliner: 894
Anzahl der antwortenden Touristen: 171
31
Eine wichtige Besonderheit nimmt allerdings die Eigenschaft „zeitsparend“ ein. Unter den
Touristen wurde dieser Aspekt am häufigsten genannt. Dies scheint insgesamt sehr
nachvollziehbar, da Touristen aufgrund ihres zeitlich meist eng begrenzten Aufenthalts
möglichst schnell einen Fahrschein erhalten möchten. Ähnlich lässt sich begründen, dass
auch die Nützlichkeit von den Touristen etwas häufiger angeführt wurde als von den
Berlinern, wenngleich dieser Aspekt im Rang bei beiden Gruppen eine relativ
untergeordnete Rolle einnahm. Demgegenüber fielen die Anteilswerte für die Eigenschaften
„einfach“, „bedienfreundlich“, „zuverlässig“ und „vertrauenswürdig“ unter den Berlinern
höher aus als bei den Touristen.
Während sich die Antworten der Berliner stark auf die vorgegebenen Antworten richteten,
entfielen bei den Touristen auch viele Nennungen auf die offene Antwortkategorie (siehe
Abbildung 8). Dabei wurden die Aspekte „nicht über Ticketkauf nachdenken müssen“ (17%)
sowie „kein Ticket mehr verlieren/vergessen können“ (18,7%) sogar häufiger genannt als die
vorgegebenen Eigenschaften „komfortabel“, „nützlich“ und „innovativ“. Hinzu trat mit
ebenfalls vergleichsweise vielen Nennungen die Preisersparnis (12,3%).
Abbildung 8: Wichtige Eigenschaften eines CiBo-Systems - offene Antworten
Bis auf Ausnahme der Vorteile Innovation und Zuverlässigkeit unterschieden sich
Berliner von den Touristen in der Einschätzung weiterer Vorteile. Touristen fanden demnach
eher, dass ein CiBo-Verkehrszugangssystem komfortabel (r = -.09, p < .01), nützlich (r = -.08,
p < .05), einfach (r = -.08, p < .01), bedienfreundlich (r = -.08, p < .05), zeitsparend (r = -.12,
p < .001) oder vertrauenswürdig (r = -.11, p < .001) wäre (vgl. Tabelle 2).
12,1%
9,1%
7,2%
7,0%
5,6%
5,3%
4,7%
3,1%
1,9%
0,8%
0,8%
17,0%
18,7%
12,3%
2,3%
6,4%
5,8%
2,3%
1,8%
1,2%
1,8%
0,6%
Nicht über Ticketkauf nachdenken müssen
Kein Tic ket mehr ver lieren/ver gessen können
Preisersparnis
wenn Alternativoptionen verfügbar sind
Kein Münzgeld mehr nutzen müssen
Nachv ollziehb arkeit der eig enen Fa hrten
Weniger Zugangshemmnisse zum ÖPNV
Design /Benutzer oberfläc he des Sys tems
Mitgestaltungsmöglichkeiten
Nutzung ist cool/trendy/angesagt
Mehr ( Sicherh eits-)Personal
Welche Eigenschaften wären für Sie besonders wichtig, um ein s olches Zugangssystem zu nutzen ?
Berliner
Touris ten
Die angegebenen Prozentwerte bezeichnen den Anteil
der Nennungen bezogen auf die Anzahl der bei dieser
Frage antwortenden Befragten.
Bei dieser Frage war eine Mehrfachnennung möglich.
Die Summe der Anteilwerte ist daher größer als 100%.
Anzahl der antwortenden Berliner: 894
Anzahl der antwortenden Touristen: 171
32
Tabelle 2: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=838)
Variable
Tourist
Innovativ
-0,04
Komfortabel
-,09
**
Nützlich
-,08
*
Einfach
-,08**
Bedienfreundlich
-,08
*
Zeitsparend
-,12
***
Vertrauenswürdig
-,11
***
Zuverlässig
-0,05
Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; *** p < .001
5.3 Nachteile und Bedenken gegenüber CiBo-Verkehrszugangssytemen
Analog zu der Frage welche Eigenschaften für die Nutzung eines CiBo-Zugangssystems
sprechen bzw. dabei wichtig sind, richtete die Befragung die Perspektive auch auf Nachteile
sowie auf die im Detail vorliegenden Bedenken gegenüber einem solchen Verkehrszugang.
5.3.1 Nachteile von CiBo-Systemen
Die Fahrgäste wurden offen nach den von Ihnen empfundenen Nachteilen eines CiBo-
Zugangssystems gefragt. Die Antworten konnten später weitestgehend zu
Antwortkategorien zusammengefasst werden (siehe Abbildung 9).
Abbildung 9: Nachteile von CiBo-Systemen
Die ausgewiesenen Nachteile bei der Nutzung des vorgestellten Systems lassen im Rahmen
der Analyse eine Gruppierung in drei Kategorien zu: Die zentrale Kategorie mit den
häufigsten Nennungen bildeten technische Nachteile. Es sind dies einerseits das Vergessen
0,3%
2,6%
3,1%
4,5%
6,2%
7,9%
17,9%
18,0%
18,6%
20,8%
Gesundheitsschäden
Vorteil nur für Betreiber, nicht für Kunden
Personalabbau
eine Wahloption/erzwungene Nutzung
falsche Fahrpreisberechnung
zu teuer
Datenschutz/Datenmissbrauch
zu komplizierte Bedienung
Technische Systemausfälle
Akku leer bzw. Handy/Chipkarte vergessen
Was wäre für Si e persönlich der größ te Nachteil bei der Nutz ung eines solchen Zugangssystems?
Anzahl der antwortenden Befragten: 646
33
des zur Anmeldung benötigten (eigenen) Smartphones bzw. der Chipkarte oder der
Möglichkeit eines leeren Akkus (20,8%) und andererseits ein möglicher technischer
Systemausfall (18,6%). Somit wurden Nachteile zum einen bezüglich durch den Anbieter
verursachte technische Unsicherheiten und zum anderen hinsichtlich selbstverschuldeter
Unzulänglichkeiten gesehen. Dabei fiel die gegenüber dem Anbieter formulierte Skepsis
sogar leicht geringer aus, als gegenüber der in der eigenen Verantwortung liegenden
technischen Funktionalität der eingesetzten Nutzermedien. Daran angeknüpft bestanden
seitens der Nutzerinnen und Nutzer ebenfalls starke wahrgenommene Nachteile im Bereich
einer möglicherweise zu komplizierten technischen Bedienung (18%).
Als zweitgrößte Nachteil-Kategorie ließ sich das Misstrauen in die korrekte
Datenverarbeitung in Bezug auf Wahrung des Datenschutzes als auch der korrekten
Fahrpreisberechnung identifizieren. So wurde der Datenschutz/Datenmissbrauch als
insgesamt vierthäufigster Nutzungsnachteil (14,9%) des CiBo-Systems genannt, gefolgt von
einer möglichen Verteuerung des Ticketpreises (7,9%) durch die Einführung eines solchen
Zugangssystems und eine möglicherweise falsche Fahrpreisberechnung (6,2%), z.B. aufgrund
einer fehlerhaften Registrierung des Systems beim Abmelden aus dem Verkehrsmittel.
Als dritter Komplex ließen sich organisatorische Nachteile identifizieren. So wurden wenn
auch in vergleichsweise schwacher Ausprägung der Zwang zur Nutzung des neuen System
ohne verfügbare Wahloption (4,5%) oder der Nachteil eines möglichen Personalabbaus
(3,1%) und die Vermutung des einseitigen Vorteils für den Betreiber (2,6%) geäußert.
Eine marginale Bedeutung erfuhren mögliche Gesundheitsschäden durch die eingesetzte
Funktechnologie (0,3%). Dieser Umstand ist erstaunlich, wurde doch in einer der ersten
großen Studien zur Risikowahrnehmung von RFID in Deutschland die Befürchtung
potentieller Gesundheitsschäden durch Funkwellen noch als akute Bedrohung
wahrgenommen (Capgemini 2005, Thiesse 2005).
5.3.2 Bedenken gegenüber einem CiBo-Zugangssystem
In einer differenzierteren Betrachtung der Nachteile und Bedenken gegenüber CiBo-
Systemen sollten die Befragten anschließend ihre Bedenken in Bezug auf einzelne Aspekte
anhand einer vierstufigen Skala als zutreffend bzw. nicht zutreffend einordnen (siehe
Abbildung 10). Bei der Auszählung der Antworten fiel auf den ersten Blick auf, dass
Bedenken vordringlich in Bezug auf das Thema „Datenschutz“ geäußert wurden: Über 64%
der Antwortenden sahen Bedenken in puncto Datenschutz als für sich „eher“ oder sogar
„voll und ganz“ zutreffend, wodurch sich für diesen Aspekt ein recht deutliches
Mehrheitsvotum ableitet.
34
Abbildung 10: Bedenken gegenüber einem CiBo-System
Die meisten anderen zur Abstimmung gestellten Kategorien zeichneten hingegen ein eher
ausgewogenes Bild: Die Bedienung, die eigene Kontrollmöglichkeit, die
Fahrpreisberechnung, die technischen Anlagen und die eigene Technik (Smartphone oder
Chipkarte) wurde von fast der Hälfte der Befragten als ggf. problematisch angesehen, lösten
aber entsprechend bei der jeweils anderen Hälfte überhaupt keine bzw. eher keine
Bedenken aus. Werden alle vier Ausprägungskategorien der Skala berücksichtig, lässt sich
der erste Eindruck der Ausgewogenheit präzisieren und damit tendenziell klarer ausrichten:
Die Antwort „trifft überhaupt nicht zu“ wurde hinsichtlich der genannten Punkte jeweils von
einem größeren Anteil der Befragten genannt, als die Kategorie „trifft voll und ganz zu“. In
der Tendenz erfahren damit die Bedienung, die Kontrollmöglichkeit, die
Fahrpreisberechnung, die technischen Anlagen sowie die eigene Technik etwas weniger
Bedeutung, wenn es um Bedenken im Umfeld von CiBo-Systemen geht.
Deutlicher hingegen stellten sich die Meinungen der Befragten in Bezug auf eine mögliche
gesundheitliche Gefährdung durch die Nutzung von Funktechnologie (16% „trifft voll und
ganz zu“ & „trifft eher zu“) wie auch allgemeine Bedenken bezogen auf den Anbieter des
Systems (∑30%) dar. Hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung entfallen allein 57% auf die
Antwortkategorie „trifft überhaupt nicht zu“; offensichtlich fiel es vielen Befragten hier
leicht, ein eindeutiges Votum abzugeben.
5.3.3 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung
Die Analysen haben ergeben, dass sich die befragten Männer und Frauen bezogen auf die
Bedenken gegenüber einem CiBo-Verkehrszugangssystem nicht statistisch signifikant
voneinander in ihrem Antwortverhalten unterscheiden (vgl. Anhang).
365
252
217
215
219
241
124
61
391
315
349
345
330
279
205
121
193
280
294
276
303
347
367
313
225
330
292
315
299
299
410
652
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
…des Datensch utzes?
…der Bedienung?
…der eigenen Kontrollmöglichkeit?
…der Fahrpreisberechnung?
…der technischen Anlagen
…der eigenen T echnik
(Handy oder Chipkart e)
…des Anbiet ers?
…der gesundh. Gefährdung
(Funktechnologie)
Hätten Sie persönlich Bedenken bezüglich...
trif ft voll und ganz zu trif ft eher zu triff t eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu
35
Die Zusammenhänge zwischen dem Fahrgastalter und den verschiedenen Bedenken
gegenüber einem CiBo-Verkehrszugangssystem fielen jedoch sehr unterschiedlich aus (vgl.
Tabelle 3). Ein deutlich mittelstarker positiver Zusammenhang besteht zwischen dem Alter
der Fahrgäste und deren Bedenken hinsichtlich der Bedienung (r = .41, p < .001). Je älter die
Befragten waren, desto größer waren ihre Bedenken bezüglich der Bedienung. Weniger
stark, aber höchstsignifikant waren die Zusammenhänge zwischen Fahrgastalter und den
Bedenken bezogen auf die eigene Technik (r = .20, p < .001) und den technischen Anlagen
(r = .15, p < .001). Sehr schwache Zusammenhänge bestanden zwischen dem Alter der
Befragten und den Bedenken bezüglich der eigenen Kontrollmöglichkeit (r = .08, p < .01) und
der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund eingesetzter Funktechnologie (r = .09, p < .01).
Ein schwach negativer Zusammenhang zeigte sich zwischen dem Alter der Fahrgäste und den
Bedenken bezüglich des Datenschutzes (r = -.13, p < .001). Mit zunehmendem Alter hatten
die Befragten weniger Bedenken wegen des Datenschutzes. Scheinbar waren insbesondere
die jüngeren Fahrgäste skeptisch, was den Datenschutz eines CiBo-Verkehrszugangssystems
betrifft. Die Bedenken bezüglich der Fahrpreisberechnung bei einem solchen System waren
vom Alter der Fahrgäste unabhängig.
Zwischen dem höchsten Bildungsabschluss der Befragten und den Bedenken hinsichtlich der
Bedienung eines CiBo-Verkehrszugangssystems zeigte sich ein leicht negativer
Zusammenhang (r = -.18, p < .001). Je gebildeter die Befragten waren, umso weniger hatten
sie Bedenken bezüglich der Bedienung des vorgestellten Zugangssystems (vgl. Tabelle 3).
Zwischen dem Bildungsabschluss der Befragten und den Bedenken hinsichtlich der
technischen Anlagen (r = -.08, p < .01), der eigenen Technik (r = -.09, p < .01), der
Fahrpreisberechnung (r = -.09, p < .01), der eigenen Kontrollmöglichkeit (r = -.05, p < .05)
oder des Anbieters (r = -.08, p < .01) bestanden sehr schwache negative Zusammenhänge
(ebd.). Unabhängig war der Bildungsgrad der Befragten von den Bedenken hinsichtlich des
Datenschutzes und der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund eingesetzter
Funktechnologie.
Tabelle 3: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=999)
Bedenken bezüglich
Altersklasse
Bildungsabschluss
…der technischen Anlagen
,15
***
-,08
**
…der eigenen Technik (Handy oder Chipkarte)
,20
***
-,09
**
…der Bedienung?
,41
***
-,18
***
…des Datenschutzes?
-,13
***
0,03
…der Fahrpreisberechnung?
0,05
-,09
**
…der eigenen Kontrollmöglichkeit?
,08
**
-,05
*
…des Anbieters?
0,003
-,08
**
…der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund
eingesetzter Funktechnologie
,09** -0,05
Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; *** p < .001
36
5.3.4 Die Bedeutung der Ticketart
Zusammenhänge zwischen der verwendeten Ticketart (Tagesticket, Monatskarte usw.) und
den unterschiedlichen Bedenken gegenüber einem CiBo-Verkehrszugangssystem waren,
sofern vorhanden, dann lediglich schwach bis sehr schwach ausgeprägt (Tabelle 4). Demnach
spielt die jeweilige verwendete Ticketart eine untergeordnete Rolle im Zusammenhang mit
skeptischen Einstellungen gegenüber einem CiBo-Verkehrszugangssystem, wenngleich
jedoch eine vergleichsweise größere Rolle als im Zusammenhang mit der Einschätzung der
Vorteile (vgl. Kap. 5.2.3). Zwischen der genutzten Ticketart (Tagesticket, Monatskarte usw.)
und den Bedenken hinsichtlich der Fahrpreisberechnung (r = -.11, p < .001) oder der
gesundheitlichen Gefährdung aufgrund eingesetzter Funktechnologie (r = -.13, p < .001)
zeigte sich ein schwach negativer Zusammenhang. Fahrgäste, die Tickets nutzten, die länger
als ein Tag gültig waren, hatten weniger Bedenken bezüglich der Fahrpreisberechnung oder
der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund eingesetzter Funktechnologie. Zwischen der
genutzten Ticketart und den Bedenken wegen der technischen Anlagen (r = -.08, p < .01), der
Bedienung (r = -.09, p < .01), der eigenen Kontrollmöglichkeit (r = -.07, p < .05) oder des
Anbieters (r = -.07, p < .05) bestanden sehr schwache negative Zusammenhänge. Bedenken
hinsichtlich der eigenen Technik (Handy oder Chipkarte) und des Datenschutzes waren von
der genutzten Ticketart (Tagesticket, Monatskarte usw.) unabhängig.
Tabelle 4: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=999)
Bedenken bezüglich
Ticketart
…der technischen Anlagen
-,08
**
…der eigenen Technik (Handy oder Chipkarte)
-0,01
…der Bedienung?
-,09
**
…des Datenschutzes?
-0,00
…der Fahrpreisberechnung?
-,11
***
…der eigenen Kontrollmöglichkeit?
-,07
*
…des Anbieters?
-,07
*
…der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund
eingesetzter Funktechnologie
-,13***
Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; *** p < .001
5.3.5 Vergleich zwischen Berlinern und Touristen
Wenn überhaupt, dann unterschieden sich die befragten Touristen von den befragten
Berliner Fahrgästen bezüglich der Bedenken gegenüber dem System nur marginal (vgl.
Tabelle 5). In den drei von acht Merkmalen, den Bedenken bezüglich technischer Anlagen
(r = .09, p < .01), der Bedienung (r = .10, p < .001) und des Anbieters (r = .07, p < .05) waren
Berliner skeptischer als Touristen. In allen anderen untersuchten Merkmalen zeigte sich kein
statistisch signifikanter Unterschied zwischen Berlinern und Touristen.
37
Tabelle 5: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=998)
Bedenken bezüglich
Tourist
…der technischen Anlagen
,09
**
…der eigenen Technik (Handy oder Chipkarte)
-0,01
…der Bedienung?
,10
***
…des Datenschutzes?
0,00
…der Fahrpreisberechnung?
0,02
…der eigenen Kontrollmöglichkeit?
0,03
…des Anbieters?
,07
*
…der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund
eingesetzter Funktechnologie
0,04
Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; *** p < .001
Was wäre für Sie persönlich der größte Nachteil bei der Nutzung eines solchen Zugangssystems?
Abbildung 11: Nachteile eines CiBo-Systems
5.4 Nutzungsintention der Fahrgäste
5.4.1 Überblick der Fahrgastbewertungen
Als abschließende Frage wurden die Fahrgäste bezüglich ihrer Bereitschaft gefragt, ein
System, wie es im Szenario vorgestellt wurde, tatsächlich zu nutzen. Dabei war insgesamt
eine Mehrheit von ca. 61% grundsätzlich bereit, sich ggf. in Zukunft beim Fahrantritt
selbstständig einzuchecken und dann beim Verlassen der Zielstation von einem System
automatisch registriert bzw. „ausgecheckt“ zu werden. Ein klares „nein“ äußerten unter allen
Befragten lediglich etwa 16%, weitere ca. 23% tendierten mit einem „eher nein“ gegen eine
entsprechende Nutzung.
0,4%
0,5%
2,7%
2,9%
4,9%
6,5%
7,6%
17,5%
19,1%
18,2%
19,8%
0,0%
0,0%
2,2%
4,4%
2,2%
4,4%
9,9%
19,8%
9,9%
20,9%
26,4%
Gesundheitsschäden
Einschränkung Verkehrsangebot
Vorteil nur für Betreiber, nicht für Kunden
Personalabbau
eine Wahloption/erzwungene Nutzung
falsche Fahrpreisberechnung
zu teuer
Datenschutz/Datenmissbrauch
zu komplizierte Bedienung
Technische Systemausfälle
Akku leer bzw. Handy/Chipkarte vergessen
Die angegebenen Prozentwerte bezeichnen den Anteil
der Nennungen bezogen auf die Anzahl der bei dieser
Frage antwortenden Befragten.
Bei dieser Frage war eine Mehrfachnennung möglich.
Die Summe der Anteilwerte ist daher größer als 100%.
Anzahl der antwortenden Berliner: 555
Anzahl der antwortenden Touristen: 91
38
Abbildung 12: Nutzungsintentionen
5.4.2 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung
Die Analysen haben ergeben, dass sich die befragten Männer und Frauen in ihrem
Antwortverhalten bezüglich der Nutzungsintention eines CiBo-Verkehrszugangssystem nicht
statistisch signifikant voneinander unterschieden (vgl. Tabelle 6).
Das Alter der Fahrgäste stand dabei in einem mittleren negativen Zusammenhang zur
Nutzungsintention (r = -.29, p < .001). Je älter die Fahrgäste waren, umso weniger
wahrscheinlich war es, dass sie ein CiBo-Verkehrszugangssystem nutzen würden (vgl. ebd.).
Zwischen dem höchsten Bildungsabschluss der Befragten und ihrer Nutzungsintention
bestand ein schwach positiver Zusammenhang (r = .17, p < .001). Je gebildeter die Befragten
waren, umso eher würden sie ein CiBo-Verkehrszugangssystem nutzen (vgl. ebd.).
Tabelle 6: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=1095)
Variable
Nutzungsintention
Geschlecht
,04
Altersklasse
-,29***
Höchster Bildungsabschluss
,17***
Anmerkungen: *** p < .001
5.4.3 Der Zusammenhang von Nutzungsintention und wahrgenommenen Vorteilen eines
CiBo-Verkehrszugangssytems
Alle untersuchten Vorteile eines CiBo-Verkehrszugangssystems standen in statistisch
höchstsignifikant positivem Zusammenhang zur Nutzungsintention der Fahrgäste (vgl.
Tabelle 7). Je stärker die Vorteile (innovativ, komfortabel, nützlich etc.) eines CiBo-
Verkehrszugangssystems wahrgenommen wurden, umso eher würden die Befragten solch
16%
23%
34%
27%
Nutzungsintention eines CiBo-Systems
nein eher nein eher j a ja
39
ein Verkehrszugangssystem nutzen. Umgekehrt können diese Zusammenhänge auch
dahingehend interpretiert werden, dass Befragte, die ein CiBo-Verkehrszugangssystem
nutzen würden, es auch als innovativ, komfortabel, nützlich etc. erachten. Mittelstarke
Zusammenhänge zur Nutzungsintention bestanden bei den Vorteilen: Komfortabilität
(r = .43, p < .001), Nützlichkeit (r = .42, p < .001), Bedienfreundlichkeit (r = .40, p < .001) und
Zeitersparnis (r = .39, p < .001). Mittlere Zusammenhänge zur Nutzungsintention bestanden
bei den Vorteilen: Einfachheit (r = .36, p < .001), Vertrauenswürdigkeit (r = .31, p < .001) und
Zuverlässigkeit (r = .29, p < .001). Ein schwacher Zusammenhang zeigte sich zudem zwischen
der Nutzungsintention und der Bewertung, dass das CiBo-Verkehrszugangssystem innovativ
sei (r = .19, p < .001).
Tabelle 7: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=841)
Variable
Nutzungsintention
Innovativ
,19***
Komfortabel
,43***
Nützlich
,42***
Einfach
,36***
Bedienfreundlich
,40***
Zeitsparend
,39***
Vertrauenswürdig
,31***
Zuverlässig
,29***
Anmerkungen: *** p < .001
5.4.4 Der Zusammenhang von Nutzungsintention und Bedenken gegenüber einem CiBo-
Verkehrszugangssystem
Alle untersuchten Bedenken bezüglich eines CiBo-Verkehrszugangssystems standen in
statistisch höchstsignifikant negativem Zusammenhang zur Nutzungsintention der Fahrgäste
(vgl. Tabelle 8). Je größer die Bedenken gegenüber dem vorgestellten Zugangssystem waren,
umso eher würden die Befragten solch ein Verkehrszugangssystem nicht nutzen. Ein
mittelstarker negativer Zusammenhang bestand zwischen der Nutzungsintention und den
Bedenken bezogen auf die Bedienung (r = -.40, p < .001). Je größer die Bedenken wegen der
Bedienung waren, umso eher würden die Befragten das Check-in/Be-out-Verfahren nicht
nutzen. Die signifikanten negativen Zusammenhänge zwischen der Nutzungsintention und
den Bedenken bezüglich der technischen Anlagen (r = -.26, p < .001), der eigenen
Kontrollmöglichkeit (r = -.24, p < .001) sowie des Anbieters (r = -.21, p < .001) waren schwach
ausgeprägt. Sehr schwach aber immer noch höchstsignifikant waren die negativen
Zusammenhänge zwischen der Nutzungsintention und den Bedenken bezüglich der eigenen
Technik (r = -.16, p < .001), des Datenschutzes (r = -.11, p < .001), der Fahrpreisberechnung
(r = -.16, p < .001) sowie der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund eingesetzter
Funktechnologie (r = -.15, p < .001).
40
Tabelle 8: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=916)
Bedenken bezüglich…
Nutzungsintention
…der technischen Anlagen
-,26
***
…der eigenen Technik (Handy oder Chipkarte)
-,16
***
…der Bedienung?
-,40
***
…des Datenschutzes?
-,11
***
…der Fahrpreisberechnung?
-,16
***
…der eigenen Kontrollmöglichkeit?
-,24
***
…des Anbieters?
-,21
***
…der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund
eingesetzter Funktechnologie
-,15***
Anmerkungen: *** p < .001
5.4.5 Vergleich zwischen Berlinern und Touristen
Berliner und Touristen unterschieden sich leicht in der Frage nach der Nutzungsintention.
Allgemein lag die Nutzungsbereitschaft unter den Touristen mit 69% („ja“ & „eher ja“)
immerhin 10 Prozentpunkte höher als bei den Berlinern (59% Nennung von „ja“ und „eher
ja“). Auch der Anteil derjenigen, die sich mit einem eindeutigen „nein“ gegen die Nutzung
von CiBo-Systemen aussprachen, war unter den Touristen mit einem Wert von etwa 11%
sichtbar kleiner als bei den Hauptstadtbürgern, unter denen 17% eine Nutzung ablehnten.
Die Ergebnisse der deskriptiven Auswertung liegen somit im Einklang mit den statistischen
Analysen, wonach eher Touristen als Berliner ein CiBo-Zugangssystem nutzen würden. Der
Unterschied war jedoch sehr gering (r = -.09, p < .01; N=1094).
Abbildung 13: Nutzungsintention
21
158
179
37
211
248
64
311
375
66
226
292
0% 25% 50% 75% 100%
To ur i s t
Berliner
Gesamt
Nutzungsintention eines CiBo-Systems
nein eher nein eher ja ja
41
5.5 Die Bedeutung der Technikerfahrung
5.5.1 Überblick
Die Fahrgäste wurden danach gefragt, ob sie schon einmal ein Ticket per Handy gekauft
hatten. Unter allen Befragten gaben 21,7% an, bereits einmal ein Ticket per Handy erworben
zu haben. Im Vergleich der Berliner mit den Touristen fiel auf, dass mit 36,4% unter den
Touristen ein deutlich höherer Anteil von Vorerfahrungen im Handy-Ticketing auftrat als
unter den Berliner Fahrgästen (nur 18,7%).
Abbildung 14: Erfahrung mit Handy-Tickets
5.5.2 Mögliche Unterschiede in den Fahrgastmerkmalen: Geschlecht, Alter und Bildung
Ob ein befragter Fahrgast bereits Erfahrung mit einem Handyticket gemacht hatte, ist davon
unabhängig, welchem Geschlecht der Fahrgast angehörte. Die befragten Frauen und Männer
unterschieden sich nicht in Bezug auf das Merkmal Handyticket-Erfahrung (vgl. Anhang).
Ob ein Fahrgast bereits Erfahrung mit der Benutzung eines Handytickets gemacht hatte,
stand jedoch in Zusammenhang mit dem Alter des befragten Fahrgastes (r = .36, p < .001). Je
älter die Befragten waren, umso eher wahrscheinlich war es, dass sie noch nie ein Ticket
über das Handy erworben hatten (vgl. Tabelle 9).
Zwischen dem höchsten Bildungsabschluss der Befragten und ihrer Handyticket-Erfahrung
bestand ein statistisch signifikanter Zusammenhang (vgl. ebd.). Je gebildeter die Befragten
waren, umso eher hatten sie Handyticket-Erfahrung (r = -.16, p < .001). Der Zusammenhang
war allerdings sehr schwach.
72
186
258
126
806
932
0% 25% 50% 75% 100%
To ur i s t
Berliner
Gesamt
Haben Sie schon einmal ein Ticket pe r Handy gekauft?
ja nein
42
Tabelle 9: Kendall -Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=1192)
Variable
Erfahrung Handyticket
Geschlecht
-,01
Altersklasse
,36
***
Höchster Bildungsabschluss
-,16
***
Anmerkungen: *** p < .001
5.5.3 Der Zusammenhang der wahrgenommen Vorteile und Handyticket-Erfahrung
Bis auf die Vorteilsauffassung der „Innovation“ des Systems gab es durchweg schwache, aber
höchst-signifikante Zusammenhänge zwischen der Handyticket-Erfahrung und der
Zustimmung, dass ein CiBo-Verkehrszugangssystem bezogen auf die Aspekte Komfortabilität,
Nützlichkeit, Bedienfreundlichkeit, Zeitersparnis, Einfachheit, Vertrauenswürdigkeit oder
Zuverlässigkeit vorteilhaft war (vgl. Tabelle 10). Fahrgäste, die noch keine Handyticket-
Erfahrung besaßen, schätzten das System in Hinblick auf die Aspekte Komfortabilität (r =
-.23, p < .001), Nützlichkeit (r = -.24, p < .001), Einfachheit (r = -.24, p < .001),
Bedienfreundlichkeit (r = -.22, p < .001), Zeitersparnis (r = -.18, p < .001),
Vertrauenswürdigkeit (r = -.15, p < .001) oder Zuverlässigkeit (r = -.14, p < .001) weniger
positiv ein. Fahrgäste, die bereits über Erfahrungen mit Handytickets verfügten, bewerteten
das vorgestellte Zugangssystem im Hinblick auf diese Aspekte deutlich positiver (vgl. ebd.).
Tabelle 10: Kendall-Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=897)
Variable
Erfahrung Handyticket
Innovativ
-,06
Komfortabel
-,23
***
Nützlich
-,24
***
Einfach
-,24
***
Bedienfreundlich
-,22
***
Zeitsparend
-,18
***
Vertrauenswürdig
-,15
***
Zuverlässig
-,14
***
Anmerkungen: *** p < .001
5.5.4 Der Zusammenhang der wahrgenommen Bedenken und Handyticket-Erfahrung
Bis auf die Bedenken bezüglich der eigenen Technik und des Datenschutzes standen alle
anderen untersuchten Bedenken bezüglich eines CiBo-Verkehrszugangssystems in statistisch
signifikanten Zusammenhang zur Handyticket-Erfahrung der Fahrgäste (vgl. Tabelle 11).
Hatten die Befragten noch nie ein Fahrschein über das Handy erworben, so war es umso
wahrscheinlicher, dass sie skeptisch gegenüber Zugangssystem waren. Gegenüber allen
anderen untersuchten Aspekten war der Zusammenhang zwischen der Handyticket-
Erfahrung und den Bedenken bezogen auf die Bedienung besonders deutlich (r = .27,
p < .001). Die Zusammenhänge zwischen der Handyticket-Erfahrung und den Bedenken
bezüglich der technischen Anlagen (r = .15, p < .001), der Fahrpreisberechnung (r = .10,
43
p < .001), der eigenen Kontrollmöglichkeit (r = .10, p < .001), des Anbieters (r = .08, p < .01)
und der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund eingesetzter Funktechnologie (r = .06,
p < .05) waren dagegen sehr schwach. Bedenken bezüglich des Funktionierens der eigenen
Technik und des Datenschutzes waren davon unabhängig, ob der Fahrgast bereits ein
Handyticket erworben hatte oder nicht.
Tabelle 11 Kendall -Tau-b Korrelationskoeffizienten (N=991)
Bedenken bezüglich…
Handyticket-Erfahrung
…der technischen Anlagen
,15
***
…der eigenen Technik (Handy oder Chipkarte)
,05
…der Bedienung?
,27
***
…des Datenschutzes?
,04
…der Fahrpreisberechnung?
,10
***
…der eigenen Kontrollmöglichkeit?
,10
***
…des Anbieters?
,08
**
…der gesundheitlichen Gefährdung aufgrund
eingesetzter Funktechnologie
,06*
Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; *** p < .001
5.6.5 Der Zusammenhang der Nutzungsintention und Handyticket-Erfahrung
Zwischen der Nutzungsintention und dem Fehlen einer Handyticket-Erfahrung bestand ein
signifikant negativer Zusammenhang (r = -.31, p < .001; N=1085). Fahrgäste, die noch nie ein
Handyticket erworben hatten, würden ein solches Zugangssystem eher nicht nutzen.
Fahrgäste, die bereits über Erfahrungen mit Handytickets verfügten, würden eher ein
solches Zugangssystem nutzen.
44
6. Diskussion und Ausblick
Ziel der Fahrgastbefragung war es, die folgenden primären Fragestellungen zu beantworten.
1) Welche sind die wichtigsten Eigenschaften bzw. Vorteile, die Fahrgäste in der
Benutzung eines CiBo-Verkehrszugangssystems sehen?
2) Welche Nachteile und Bedenken sehen Fahrgäste in der Nutzung eines CiBo-
Verkehrszugangssystems?
3) Welche Rolle spielen die Vorteile und Bedenken im Bezug auf die
Nutzungsintention der Fahrgäste?
Diese Fragestellungen sollten durch sekundäre Fragestellungen flankiert nach ihren
möglichen Zusammenhängen mit spezifischen Fahrgastmerkmalen (Alter, Geschlecht,
Bildung, aktuelle Ticketnutzung, Vorerfahrung Handy-Ticketing und Herkunft) untersucht
werden.
Für die Datenerhebung wurde eine standardisierte Befragung gewählt, um aufgrund
vorhandener Theorie festzustellen, welche Motive, Bedenken etc. für die
Technikeinstellungen und Nutzungsintentionen eines CiBo-Systems relevant werden. Die
Erhebung zielte somit nicht darauf ab, die ausschlaggebenden psychischen Dispositionen,
kognitiven Muster und rationalen Motive der Nutzungsentscheidung zu ermitteln, sondern
vielmehr statistische Zusammenhänge zwischen wahrgenommenen Vor- und Nachteilen in
Bezug auf die Nutzungsintention zu ermitteln.
Im Folgenden werden nun einleitend mit einer Zusammenfassung der Befunde zur
generellen Technikeinstellung gegenüber dem vorgestellten CiBo-Zugangssystem die aus
unserer Sicht wichtigsten Ergebnisse im Hinblick auf die Fragestellungen sowie auf die
Bedeutung für die Verkehrspraxis diskutiert und interpretiert. Zudem werden die Ergebnisse
kritisch reflektiert und mit vorhandenen Studien verglichen.
Zusammenfassung der Befunde
6.1 Generelle Technikeinstellungen
Befunde
Die befragten Fahrgäste zeigten gegenüber dem vorgestellten Verkehrszugangssystem
insgesamt überwiegend positive Technikeinstellungen. So wurden fast alle zur Abstimmung
gestellten Eigenschaften eines hypothetisch eingeführten CiBo-Zugangssystems mehrheitlich
als zutreffend („trifft eher zu“ oder „trifft voll und ganz zu“) befunden. Deutliche Ausnahme
der positiven Tendenz bildete nur die Eigenschaft „vertrauenswürdig“, bei der als einzige
45
Eigenschaft eine überwiegende Ablehnung bzw. ein Nicht-Zutreffen der Eigenschaft
attestiert wurde. Hier steht zu vermuten, dass der offensichtlich „datenintensivere“
Verkehrszugang als auch die fehlende Erfahrung und Nutzungspraxis im Umgang mit einem
solchen System aus Sicht der Fahrgäste (diffuse) Verunsicherungen auslöste.
Auffällig innerhalb der positiven Technikeinstellungen war, dass die Gesamtheit der kunden-
bzw. serviceorientierten Aspekte in den Attributen „zeitsparend“, „bedienfreundlich“,
„einfach“, „nützlich“ und „komfortabel“ eine vergleichsweise ähnliche Zustimmung erfuhr.
Diese starke Ähnlichkeit könnte mutmaßlich darauf zurückzuführen sein, dass die
Trennschärfe der Begrifflichkeiten zwischen den Items nicht vollständig anzunehmen ist.
Weniger homogen verhielt sich die Verteilung des Zustimmungsgrads bei der Einschätzung
charakterisierender Aspekte, die etwa mit dem Begriff „Technikvertrauen subsumiert
werden können und Bezeichnungen wie „vertrauenswürdig“ und „zuverlässig“ beinhalteten.
Hier zeichnete sich ein deutlich differenzierteres Antwortmuster ab. So hielten sich in puncto
„Technikvertrauen“ Zustimmung und Ablehnung mit etwa jeweils 50% die Waage, zudem
ähnelten sich hier die Anteile der beiden extremen Kategorien („trifft voll und ganz zu“ und
„trifft überhaupt nicht zu“), wie auch bei den tendenziellen Kategorien („trifft eher zu“ und
„trifft eher nicht zu“). Hiermit wird abermals die offensichtliche Unsicherheit im Umgang mit
dem noch nicht existierenden Zugangssystem deutlich.
Deutlich hervorzuheben ist die Bezeichnung des CiBo-Zugangssystems mit der Eigenschaft
„innovativ“. Der über alle Altersklassen hinweg, überdurchschnittlich hohe Zustimmungsgrad
dieses Attributs bleibt möglicherweise darauf zurückzuführen, dass „innovativ“ als ein eher
neutraler Begriff in der Item-Batterie anzusehen war. Es kann hierbei vermutet werden, dass
den Befragten aufgrund des neutralen Charakters eine Zustimmung zu diesem Begriff nicht
schwer fiel. Dennoch unterstrich das Antwortverhalten, dass der Großteil der Interviewten
das skizzierte CiBo-Verfahren mit einem innovativen Verkehrszugang verband, was
angesichts bislang noch nicht voll funktionsfähiger Implementierungsbeispiele in der
deutschen ÖPNV-Landschaft ein wegweisendes Urteil darstellt. Während etwa nur ein
Sechstel der Befragten der Auffassung war, dass ein derartiger Verkehrszugang nicht (mehr)
als innovativ bezeichnet werden kann, bedeutet dies, dass die Einführung eines CiBo-
Systems von der Mehrheit als innovativer Schritt in der Modernisierung des ÖPNV
angesehen werden kann. Auch wenn die innovative Wahrnehmung noch keine klaren
Rückschlüsse auf die tatsächliche Handlungsdimension zulässt, lässt diese insgesamt positive
Einstellungsdimension bereits einen tendenziellen Hinweis auf die zukünftige
Nutzungsakzeptanz eines solchen Zugangssystems zu (Lucke 1995, 82f.).
In Bezug auf den Zusammenhang der allgemeinen Technikbewertung mit
Fahrgastmerkmalen stellen die Kategorien Alter und Bildungsgrad
Differenzierungsfaktoren dar. Mit zunehmenden Alter sinkt die Wahrnehmung der
Einfachheit des Systems. Mit höherem Bildungsgrad steigt dagegen die positive
Technikbewertung in allen Bereichen, insbesondere in Bezug auf die Bedienfreundlichkeit.
46
Implikationen
Die überwiegend positiven Technikeinstellungen gegenüber einem CiBo-Zugangssystem
können als positives Signal für die Verkehrswirtschaft interpretiert werden. So besteht im
Einsatzfeld ÖPNV, anders als in anderen gesellschaftlichen Bereichen, gegenwärtig
offensichtlich keine strikte Ablehnung oder Opposition gegenüber dem Einsatz von
Informations- und Kommunikationstechnologien. Die hier im Handlungsfeld des ÖPNV
getroffenen Ergebnisse widersprechen somit der Auffassung eines „deutschen Sonderwegs“
besonderer Technikskepsis (Noelle-Neumann und Hansen 1991). Zumindest in diesem Feld
kann von einer häufig propagierten Technikfeindlichkeit der Deutschen keine Rede sein, was
sich mit den grundlegenden Auffassungen einer Reihe von Studien innerhalb der
Technikakzeptanzforschung deckt (Hennen, Schmitt und Petermann 1994, O. Renn 1995).
Technischen Innovationen wird demnach durchaus Offenheit entgegengebracht. Die starke
Wahrnehmung des innovativen Charakters eines CiBo-Zugangssystems lässt sogar vermuten,
dass eine Modernisierung des ÖPNV mithilfe neuer Technologieangebote von Seiten der
Fahrgäste vielmehr stark nachgefragt bzw. erhofft wird. Angesichts der seit Ende der 1990er
Jahren zunehmenden Bestrebungen, den ÖPNV mittels eTicketing-Systemen grundlegend zu
modernisieren, stellt die mit dieser Studie erhobene generell positive Technikeinstellung
gegenüber dem an das eigentliche eTicket geknüpfte Zugangssystem, eine wesentliche
Voraussetzung zur Erschließung der mit dem eTicketing verbundenen Potenziale dar. Erst
mit dem passenden Zugangssystem, so Kossak, „können die angestrebten differenzierten
Daten für Planung, Angebotsgestaltung, Einnahmenaufteilung, Marketing et cetera
gewonnen werden(Kossak 2005, 16).
Dennoch sind die Technikeinstellungen keineswegs einheitlich verteilt, sondern zeigen sich
insbesondere abhängig von Alter und Bildungsgrad. Dabei scheinen speziell ältere Fahrgäste
zum wesentlichsten Prüfstein für eine Modernisierung des ÖPNV mithilfe digitaler
Technologien zu werden. Ihnen gilt es daher im Zuge des Einsatzes digitaler Technologien im
ÖPNV besondere Aufmerksamkeit zu schenken, um sie für die akzeptanzfähige Umwandlung
des Systems auf einen elektronisch geregelten Zugang zu gewinnen.
Limitationen
Die auffällige Häufung der geäußerten Skepsis in Bezug auf die Eigenschaft der
Vertrauenswürdigkeit des vorgestellten CiBo-Zugangssystems lässt Fragen offen. Aufgrund
des unterschiedlichen begrifflichen Verständnisses der Eigenschaft „vertrauenswürdig“
bleibt für eine detailliertere Interpretation unklar, in welchem Kontext bzw. gegenüber
welchem Bezugsobjekt die Vertrauenswürdigkeit als gefährdet wahrgenommen wurde; ob
etwa a) im Umgang mit anfallenden Nutzer- und Bewegungsdaten oder b) im Kontext der
technisch reibungslosen Funktionalität des Systems im Falle von Störungen oder Ausfällen.
47
6.2 Wichtige Eigenschaften und Vorteile von CiBo-Systemen
Befunde
Das Antwortverhalten bezüglich der Wahl der wichtigsten Systemeigenschaften lässt mit den
Spitzenwerten für Einfachheit, Bedienfreundlichkeit und Zuverlässigkeit die praktische
Funktionalität des Systems im alltäglichen Einsatz als ein Kernanliegen der Befragten
vermuten. Die Zentralität der pragmatischen Nutzungserwartung wird dabei offensichtlich
von der eher emotionalen Kategorie der Vertrauenswürdigkeit abgerundet bzw. fungiert
möglicherweise als übergeordnete Kategorie für eine fehlerlose Funktionserwartung an die
Infrastruktur. Allgemeinere Vorteilsaspekte wie „komfortabel“ (18,4%), „nützlich“ (14,5%)
und „innovativ“ (8,2%) erhielten dagegen eine erstaunlicherweise deutlich geringere
Antworthäufung.
Gegenüber den als zentral zu erachtenden praktisch-funktionalen Systemeigenschaften fiel
insbesondere die Eigenschaft „innovativ“ deutlich ab. So attestierten die Befragten dem
vorgestellten Zugangssystem in ihrem Antwortverhalten bei der ersten Frage des
Fragebogens zwar noch weitestgehend „Innovativität“, diese schien als wichtige und
vorteilhafte Systemeigenschaft selbst jedoch kaum von Relevanz zu sein. Die Eigenschaft der
Innovativität scheint als relative und abstrakte Größe vielmehr eine qualitative Aussage
darzustellen, die nicht explizit nachgefragt wird, da sie keine unmittelbar praktische Relevanz
beinhaltet. Demnach genießt – wie leicht nachzuvollziehen sein dürfte die praktische
Funktionsfähigkeit im Bereich des Verkehrszugangs einen weit höheren Stellenwert als die
qualitative Zuschreibung des innovativen Charakters.
So wird etwa auch der konkrete Nutzengewinn eines „zeitsparenden“ Systems durch einen
(im Vergleich aller Aspekte) nennenswert großen Teil von ca. 34% als „wichtig“ angesehen,
die Bedeutung eines „komfortablen“ Zugangs wiederum wesentlich seltener (18,4%)
genannt. Auch hier wird deutlich, dass bezüglich der Implementierung eines CiBo-
Zugangssystems offenbar nicht primär die Komfortanforderung, sondern vielmehr die
Erwartung einer reibungslosen Funktionalität im Mittelpunkt steht.
Zusammenfassend wurde beim Ranking der wichtigsten Systemeigenschaften deutlich, dass
ein CiBo-Zugangssystem vornehmlich einfach, zuverlässig, bedienfreundlich,
vertrauenswürdig, zeitsparend und möglichst wenig komplex sein sollte.
Die Auswertung der offenen Antwortmöglichkeiten zeichnete ein etwas differenzierteres
Bild; einerseits ist hier die Zentralität der gewünschten Komplexitätsreduktion seitens der
Fahrgäste zu bemerken insbesondere was das Vergessen oder Verlieren von Fahrscheinen
anbelangt – andererseits die Zentralität zusätzlicher Servicefunktionen (Überprüfbarkeit der
eigenen Fahrten etc.) sowie gesamtgesellschaftlicher Nutzungsmehrwerte (Verringerung der
Zugangshürden zum ÖPNV).
Auffällig war bei den frei geäußerten Antworten die nur sehr geringe Häufung der Forderung
nach mehr Sicherheitspersonal. Zwar lag es möglicherweise angesichts der Frage nach den
wichtigsten Nutzungseigenschaften des Systems nicht nahe, mit personellen Aspekten zu
48
antworten, dennoch fiel die Zahl von deutlich unter 1% der Nennungen erstaunlich gering
aus.
Auffällig war weiterhin, dass die Nützlichkeit relativ selten als wichtigste Systemeigenschaft
genannt wurde. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund bemerkenswert, als dass in der
Technikakzeptanzforschung überwiegend der Nutzen und die Bedienfreundlichkeit einer
Innovation als die wichtigsten Kriterien für die Ausbildung der Technikakzeptanz und die
tatsächliche Nutzung ausgewiesen werden (Davis, Bagozzi und Warshaw 1989). Eventuell ist
diese geringe Antworthäufung jedoch auf die aktuell bereits relativ einfache Handhabung
des Verkehrszugangs im Berliner ÖPNV zurückzuführen, sodass ggf. nur ein geringer
zusätzlicher Mehrnutzen erwartet wurde bzw. der Nutzenzugewinn etwa durch die
automatische Erkennung bei Ausstieg als eher marginal empfunden wurde.
Die Art des aktuell verwendeten Tickets und die Einschätzung der Vorteile eines RFID-
basierten Verkehrszugangssystems stehen dabei in keinem signifikanten Zusammenhang.
Die Einschätzung der Vorteile eines CiBo-Zugangssystems hängt somit nicht davon ab,
welche Ticketart der Fahrgast benutzt.
Vergleich Berliner und Touristen
Gegenüber den befragten Berlinern sehen die Touristen deutlich mehr Vorteile in einem
CiBo-Zugangssystem. Hinsichtlich der Frage nach den wichtigen Eigenschaften eines solchen
Systems zeigten sich jedoch ähnliche Präferenzen, wenngleich mit abweichenden
Schwerpunkten. Während Berliner Befragte den größten Vorteil in der Einfachheit des
Systems sahen, betonten Touristen insbesondere den Vorteil der möglichen Zeitersparnis.
Auch wenn die Systemvorteile insgesamt recht ähnlich verteilt lagen, zeigt dieses Ergebnis
doch, dass die erhofften Systemvorteile „einfach“, „bedienfreundlich“, zuverlässig,
„vertrauenswürdig“ und „zeitsparend“ unabhängig von der Ortskenntnis der Nutzergruppen
wirksam werden. Relativierend sei an dieser Stelle jedoch noch einmal erwähnt, dass die
befragten Touristen deutschsprachige Touristen waren, deren Nutzungserfahrungen in den
Heimatregionen wohl kaum allzu stark vom Berliner Kontext abwichen. Dieser Umstand
könnte erklären, weshalb die Nutzungspräferenzen überwiegend ähnlich gelagert waren.
Implikationen
Es wurde deutlich, dass für die Fahrgäste die praktische Funktionalität sowie die erhoffte
Komplexitätsreduktion die wichtigsten Vorteilserwartungen einer Systemumstellung auf
Check-in/Be-out darstellen. Gleichwohl verbanden jedoch etwa die Hälfte der Befragten die
Eigenschaften „vertrauenswürdig“ und „zuverlässig“ nicht mit dem im Szenario vorgestellten
Zugangssystem (vgl. Kapitel 5.2.1). Nutzungsanspruch auf der einen und die skeptische
Einschätzung der Fahrgäste auf der anderen Seite weisen hier somit offensichtlich auf eine
alarmierende Diskrepanz hin. Zwar werden die Nutzungsvorteile deutlich erkannt, dem
System bezüglich der fehlerfreien und datenschutzrechtlich einwandfreien Funktionalität
49
jedoch in der Mehrheit nicht (vertrauenswürdig) oder nur wenig (zuverlässig) vertraut. Diese
Diskrepanz gilt es aus Sicht der Verkehrsunternehmen im Falle einer Systemumstellung aktiv
zu adressieren und schließlich mittels der Gewährleistung eines technisch reibungslosen
Betriebs unter strikter Einhaltung der Grundsätze des Datenschutzes (Zweckbindung,
Erforderlichkeit, Datensparsamkeit etc.) zu überwinden.
Darüber hinaus ist der Befund einer vom aktuellen Mobilitätsverhalten (Ticketnutzung)
unabhängigen Einschätzung der Systemvorteile insofern als relevant zu interpretieren, als
dass er sich 1) nicht mit bisherigen Studien deckt (vgl. etwa Körber 1999) und 2)
Verkehrsunternehmen, die eine Implementierung des CiBo-Systems ins Auge gefasst haben,
keine differenzierte Zustimmungs- bzw. Ablehnungshaltung im Spektrum von Viel- und
Gelegenheitsfahrern zu erwarten haben. Vielmehr sehen Gelegenheitsfahrer in einer
möglichen Einführung eines solchen Zugangssystems ähnlich positive (oder kritische)
Vorteile (oder Nachteile) wie Fahrgäste mit Zeitkarten. Gerade weil aber Fahrgästen mit
Zeitkarten im Falle einer Systemumstellung eine größere Mitwirkung als bisher abverlangt
werden würde (aktiver Check-In anstelle des gegenwärtig freien Betretens), ist die
gleichwertige Wahrnehmung von Systemvorteilen als ein relevantes und positives Signal für
eine mögliche Systemeinführung zu deuten. Die ökonomisch wichtige Gruppe der Fahrgäste
mit Zeitkarten würde demnach bezüglich der wahrgenommenen Vorteile keine Hürde bei
einer Systemumstellung auf ein elektronisches Zugangsverfahren darstellen. Die auf Seiten
von Verkehrsunternehmen häufig begegnete Skepsis bezüglich der Unklarheit darüber, wie
sich bestimmte Kundengruppen nach einer Systemumstellung verhalten könnten (Umstieg
auf Fahrrad, Auto etc.), lässt sich somit auf Grundlage dieser Studie eindeutig abmildern.
Limitationen
Relativierend für das Ergebnis der von der aktuellen Ticketnutzung unabhängigen Bewertung
vorteilhafter Systemeigenschaften könnte der Umstand sein, dass den befragten Fahrgästen
mit Zeitkarten das Eingangsszenario des verbindlichen Check-In-Vorgangs mit dem eigenen
Smartphone bzw. einer Chipkarte nicht genügend bewusst geworden war oder diese Gruppe
das Zugangsszenario eher als zusätzliche Serviceerweiterung für andere Kundengruppen
interpretiert haben könnte. Die befragten Fahrgäste mit Zeitkarten könnten demnach davon
ausgegangen sein, dass ihre mitwirkungsfreie Zugangsweise beibehalten werden würde und
stattdessen eher andere Kundengruppen von einer Umstellung betroffen sein würden, nicht
jedoch sie selbst.
Darüber hinaus könnte die gegenüber den praktisch-funktionalen Systemeigenschaften
deutlich geringere Antworthäufung allgemeinerer Vorteilsaspekte „komfortabel“ (18,4%),
„nützlich“ (14,5%) und „innovativ“ (8,2%) möglicherweise darin begründet liegen, dass die
inhaltliche Trennschärfe der Aspekte untereinander als auch die begriffliche Eindeutigkeit
nicht für alle angefragten Eigenschaften gleichermaßen gegeben war. Eigenschaften wie
50
„komfortabel“, „nützlich“ oder „innovativ“ wirkten so mutmaßlich unpräziser als ggf.
pragmatischere Eigenschaften wie z.B. „zuverlässig“ oder „zeitsparend“.
6.3 Nachteile und Bedenken in der Nutzung eines RFID-basierten CiBo-Systems
Befunde
Die Ergebnisse der offenen Frage zu wahrgenommenen Nutzungsnachteilen des
vorgestellten Zugangssystems lassen sich in vier Kategorien abgestufter Rangordnung
gruppieren. Diese Kategorien stellen die aus Sicht der Fahrgäste wesentlichsten assoziierten
Problemfelder dar und sind der insgesamt positiven Technikaufgeschlossenheit kritisch
gegenüberzustellen.
1. Technische Nachteile
2. Misstrauen in die korrekte Datenverarbeitung
3. Organisatorische Nachteile
4. Gesundheitliche Nachteile
Die eindeutig häufigsten wahrgenommenen Nutzungsnachteile beziehen sich auf technische
Nachteile und das Misstrauen in die korrekte Datenverarbeitung. Demnach dominieren
zusammenfassend betrachtet technische vor datenschutzrechtlichen Nachteilen. In diesem
Zusammenhang ist bemerkenswert festzuhalten, dass im Spektrum möglicher extern
verschuldeter und selbstverschuldeter Technikausfälle technische Nachteile häufiger seitens
der Fahrgäste als auf Seiten des Anbieters (bspw. nicht funktionierende Check-In-Terminals)
vermutet wurden. Als marginal zu betrachten sind dagegen die Erwartung organisatorischer
Nachteile sowie die Befürchtung gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die eingesetzte
Funktechnologie.
Wurden die Fahrgäste direkt nach ihrer Einschätzung konkreter Bedenken befragt, zeigte
sich zusammenfassend in den meisten potentiellen Bedenkenkategorien ein sehr
ausgewogenes Verhältnis von Skepsis und Vertrauen. Während auch hier gesundheitliche
Aspekte als mögliche Bedenken die geringsten Zustimmungswerte erhielten und als
geringster Nutzungsnachteil empfunden wurden, waren am anderen Ende des Spektrums
Bedenken bezüglich des Datenschutzes von fast 2/3 der Befragten als zutreffend bezeichnet
worden. Im Gegensatz zur offenen Abfrage wahrgenommener Nachteile zeigte die Abfrage
des Zustimmungsgrads für die Kategorie des Datenschutzes eine deutlich stärkere
Bedeutung von Datenschutzbedenken.
Herauszustellen sind hier nochmals die Bedeutung des Alters und des Bildungsgrades im
Zusammenhang mit der Beurteilung potentieller Nutzungsbedenken. Je älter die Befragten
waren, umso deutlich größer waren ihre Bedenken bezüglich der Bedienung, der
51
Verlässlichkeit der eigenen technischen Infrastruktur (Smartphone oder Chipkarte) und der
Verlässlichkeit der technischen Anlagen seitens des Anbieters. Auf der anderen Seite sanken
die Nutzungsbedenken insbesondere bezüglich der Bedienung bei steigendem
Bildungsgrad. Umgekehrt ist bemerkenswert festzuhalten, dass die Technikskepsis
gegenüber dem CiBo-System bei Fahrgästen mit einem eher niedrigerem Bildungsgrad
deutlich stärker ausgeprägt zu sein scheint.
Implikationen
Ältere und bildungsferne Fahrgäste erscheinen unter den Fahrgastgruppen abermals als die
größten Bedenkenträger und bilden wesentliche Prüfsteine einer erfolgreichen und
akzeptanzfähigen Implementierung eines CiBo-Systems. Ältere Fahrgäste hegen dabei
insgesamt gesehen die größte Skepsis, was für die Verkehrsunternehmen bedeutet,
verstärkt altersgerechte Informations- und Hilfsprogramme für neuartige Zugangssysteme
oder aber Angebote zur Nutzung von Alternativoptionen aufzusetzen.
Die erhobene Ausgeglichenheit von Skepsis und Vertrauen gegenüber den abgefragten
Systemattributen hat für die Verkehrspraxis zur Folge, dass keine der Systemkategorien bei
der Umstellung auf ein CiBo-System als „frei von Bedenken“ zu erwarten wäre. Im
Umkehrschluss heißt dies, dass es außer der Kategorie gesundheitlicher Bedenken keine
Kategorie gibt, die aus Sicht eines Verkehrsunternehmens nicht als potentielle Hürde einer
akzeptanzfähigen Technologieeinführung fungieren könnte. Vielmehr waren fast alle
Kategorien zumindest für die Hälfte der befragten Fahrgäste Gegenstand von leichten oder
starken Bedenken bzw. erwarteten Nutzungsnachteilen. Die Herausforderung für
Verkehrsunternehmen besteht somit darin, dem gesamten Spektrum möglicher
Bedenkenfelder zu begegnen, insbesondere aber der strengen Einhaltung der technischen
Sicherheit und des Datenschutzes.
Die Zentralität wahrgenommener technisch bedingter Nutzungsnachteile bedeutet in der
Konsequenz für die Verkehrsunternehmen, dass sie im Falle von Systemumstellungen die
stärksten organisatorischen, betrieblichen und nicht zuletzt kommunikativen Bestrebungen
in den fehlerfreien und reibungslosen Betrieb der technischen Anlagen zur Gewährleistung
des Verkehrszugangs (Zugangsterminals, automatische Funkerfassungssysteme) setzen
sollten, um den Fahrgästen die dominierende Skepsis an der technischen Funktionsfähigkeit
des Systems zu nehmen. Neben der klassischen Ansprache der zu erwartenden Vorteile,
(Zeit-, Komfort- und Nutzensteigerungen) bedeutet dies, in gleichem Maße auch die
betrieblichen Vorkehrungen zur Wahrung der Funktionssicherheit zu kommunizieren (z.B.
was passiert wenn das Check-In-Terminal nicht funktioniert) bzw. konkret aufzuzeigen, wie
der Fahrgast trotz eines vergessenen Smartphones oder eines leeren Akkus die Fahrt
dennoch antreten könnte.
52
Relativierend lässt sich in Bezug auf die Erkenntnis der Zentralität technischer Nachteile
jedoch festhalten, dass das Mitführen neuer Nutzermedien im Falle des CiBo-Systems
lediglich von einem bestehenden Medium auf ein neues Medium verlagert werden würde.
So ist etwa die Mitnahme von Kleingeld für den Ticketerwerb am Fahrkartenautomaten
ähnlich anfällig dafür, vergessen oder verloren zu werden, wie die Mitnahme von
Smartphone oder Chipkarte. Das Kleingeld würde somit lediglich durch ein anderes
Zugangsmedium substituiert werden. Womöglich wird das Smartphone als persönliches
Artefakt heutzutage jedoch gar seltener vergessen als der Hausschlüssel (Langer und Roland
2010, 213). Nicht zuletzt aus diesem Grund zählt das Mobiltelefon in Fachkreisen bereits seit
längerem als aussichtsreichster elektronischer Vertriebskanal bzw. als Fahrschein der
Zukunft. Das Massenkommunikationsmittel Mobiltelefon würde demnach ausgesprochen
symbiotisch zum Massentransportmittel ÖPNV passen (Krauledat und Ackermann 2008, 10).
Limitierender Faktor dieses Zugangsmediums ist dabei allerdings der Umstand, dass
keineswegs alle Fahrgäste ein Smartphone bzw. ein daran angeschlossenes
Vertragsverhältnis mit Girokontobindung zur automatisierten Abrechnung besitzen. Zwar ist
die Verbreitung des Smartphones einerseits sehr weit fortgeschritten, dennoch besteht
keineswegs eine vollständige Verfügbarkeit.
Ein Lösungsweg wird daher in der jeweiligen Bereitstellung alternativer Vertriebsangebote
als Rückfallebene für Fahrgäste ohne Smartphone oder im Falle selbst- bzw.
fremdverschuldeter technischer Systemausfälle gesehen. Nicht die alleinige Entscheidung für
eine Vertriebsform, sondern vielmehr das Nebeneinander konventioneller und
elektronischer Medien wird demnach auf absehbare Zeit die kompromisshafte Lösung
bleiben müssen, um allen Nutzungswünschen der Fahrgäste zu entsprechen. Die im Zuge der
Umstellung auf elektronische Vertriebswege seitens der Verkehrsunternehmen formulierte
ökonomische Zielstellung von Einsparpotentialen in der Minimierung kostspieliger
Vertriebsstrukturen (z.B. Fahrkartenautomaten) würde somit jedoch sicherlich nur bedingt
umsetzbar werden. Das Nebeneinander konventioneller und elektronischer Medien muss
somit als doppelte Belastung und als eine Verschlechterung der ökonomischen
Rahmenbedingung zur flächendeckenden Einführung von eTicketing-Systemen gewertet
werden.
Kritisch lässt sich zudem auch die Problematik interpretieren, dass Technikausfälle mehr
selbstverschuldet auf Seiten der Fahrgäste als fremdverschuldet auf Seiten des
Verkehrsunternehmens vermutet werden. Diese Erkenntnis weist auf einen schmalen Grat
zwischen Komfortgewinn und Komplexitätssteigerung hin, der bei Systemumstellung auf ein
CiBo-Zugangssystem aus Sicht der Fahrgäste zu erwarten wäre. So würde mit dem neuen
Zugangssystem zwar insbesondere für Gelegenheitsfahrer dank automatisierter
Fahrpreisberechnung keine tarifliche Vorkenntnis mehr benötigt, gleichzeitig würden
Komfort- und Nutzengewinne aber an neue materielle Verbindlichkeiten (Smartphone,
Nutzerkonto etc.) geknüpft werden, die anders als zuvor nunmehr in der Verantwortung des
Fahrgastes liegen.
53
Die latente Gefahr besteht daher möglicherweise darin, dass Nahverkehrskunden verstärkt
eine Verlagerung der Verantwortlichkeit auf sich selbst sehen könnten und diese
Entwicklung möglicherweise an die kritische Betrachtung knüpfen könnten, wer
tatsächlicher Nutznießer einer Systemumstellung wäre (Stajano 2005). So zeigte etwa eine
Studie zur Einführung einer RFID-basierten Mobilitätskarte in Oslo (Ruter Card), dass die
Fahrgäste statt der propagierten Komplexitätsreduktion tatsächlich vielmehr den Eindruck
einer schleichenden Komplexitätssteigerung wahrnahmen, was schließlich stark sinkende
Akzeptanzwerte der neuen Mobilitätskarte bewirkte (Storm-Mathisen 2014). Zeitersparnis
und Komfortgewinn blieben tatsächlich weit hinter den Erwartungen der Fahrgäste zurück.
Vor diesem Hintergrund sollte die Verkehrspraxis eine tatsächlich spürbare
Komplexitätsreduktion anstreben und diese glaubhaft und aktiv kommunizieren.
Die vergleichsweise geringere aber dennoch ausgeprägte Zentralität des Misstrauens in die
korrekte Datenverarbeitung reflektiert eine gesellschaftliche Grundproblematik der
Lebensrealität in der Informationsgesellschaft. Die intensive und vernetzte Nutzung von
Daten erzeugt einerseits neue Effizienz-, Sicherheits- und Komfortpotentiale, andererseits
neue und zum Teil stark emotionalisierte Verunsicherungen im Bereich von Einbußen der
Privatsphäre. Da der ÖPNV zukünftig mit elektronisch geregelten Verkehrszugängen
ebenfalls zu einem der datenintensivsten Handlungsfelder gehören könnte, bedeutet dies in
der Konsequenz für die Verkehrspraxis, dass zukünftig anfallende Nutzer- und
Bewegungsdaten noch strenger unter absoluter Wahrung des Datenschutzes und nur im
Rahmen der Zweckbindung, Datensparsamkeit etc. verarbeitet werden dürfen. Eine
entsprechend transparent gestaltete Kommunikation der Datenschutzstrategie im Prozess
einer Systemumstellung auf CiBo muss somit oberste Priorität erhalten und klar zu den
zentralen Aufgaben der Unternehmens- und Kundenkommunikation gehören (bspw. durch
Zertifikate). Dies bedeutet ebenfalls, die korrekte Fahrpreisberechnung permanent zu
überprüfen und reibungslos zu gewährleisten. Die Überprüfbarkeit der eigenen absolvierten
Fahrten könnte dazu für die Fahrgäste ein attraktives Angebot darstellen, wobei diese
Servicemaßnahme aus kritischer Sichtweise auch einer sensiblen Explikation der Dimension
anfallender personenbezogener (Bewegungs-)Daten im ÖPNV-Kontext darstellen könnte.
Zusammenfassend ist der vorhandenen Skepsis in die korrekte Datenverarbeitung am besten
im Sinne des Konzepts „Privacy by Design“ (BfDI 2014) zu begegnen, wonach bereits zum
frühesten Zeitpunkt des Systemaufbaus alle Grundsätze des Datenschutzes berücksichtigt
werden.
6.4 Rolle der Vor- und Nachteile für die Nutzungsintention eines CiBo-Systems
Befunde
Die Wahrnehmung von Vorteilen des CiBo-Verkehrszugangssystems ist entscheidend für die
Intention, das vorgestellte Zugangssystem zu nutzen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie
54
decken sich in diesem Punkt mit bisherigen Ergebnissen der Technikakzeptanzforschung
(Davis, Bagozzi & Warshaw, 1989; Schäfer & Keppler, 2013). So stehen auch in der
vorliegenden Studie die wahrgenommenen Vorteile in engem Zusammenhang mit der
Nutzungsintention. Wird das vorgestellte Verkehrszugangssystem als komfortabel, nützlich,
bedienfreundlich etc. betrachtet, so würden Fahrgäste dieses auch eindeutig vermehrt
nutzen. Umgekehrt sehen Fahrgäste, die das vorgestellte Verkehrszugangssystem nutzen
würden, es auch als komfortabel, nützlich, bedienfreundlich etc. an. Besonders deutlich ist
der Zusammenhang zwischen der Nutzungsintention und der Einschätzung, das System sei
komfortabel, nützlich, bedienfreundlich oder zeitsparend. Dies deckt sich allerdings auf den
ersten Blick nur teilweise mit den Ergebnissen in Kap. 4.2, wonach Einfachheit,
Bedienfreundlichkeit, Zuverlässigkeit oder Vertrauenswürdigkeit diejenigen Eigenschaften
sind, die als wichtigste Eigenschaften angesehen werden, ein solches System zu nutzen. Die
Ursache für die Uneindeutigkeit der Ergebnisse könnte in der Konfundierung der
Begrifflichkeiten untereinander liegen. Eine Sache, die zeitsparend ist, muss auch einfach
und zuverlässig sein. Eine Sache, die zuverlässig und einfach ist, kann auch im Falle des CiBo-
Verkehrszugangssystems zeitsparend sein. Auf den zweiten Blick sind die Ergebnisse somit
kohärent.
Überraschend bleibt festzustellen, dass die eingeschätzte Innovation des Systems den
geringsten Zusammenhang zur Nutzungsintention aufweist. Scheinbar ist der innovative
Charakter des CiBo-Verkehrszugangssystems (über 84% der Befragten gaben an, dass das
System innovativ sei) am wenigsten ausschlaggebend für die intendierte Nutzung. Vielmehr,
wie bereits in Kap. 5.2 angedeutet, entspricht die qualitative Zuschreibung des Systems als
„innovativ“ nicht dem pragmatischen Nutzungsanspruch der Fahrgäste.
Die Auswertungen haben ferner ergeben, dass alle untersuchten Bedenken bezüglich eines
CiBo-Verkehrszugangssystems in statistisch höchstsignifikant negativem Zusammenhang zur
Nutzungsintention der Fahrgäste stehen. Somit sind neben den wahrgenommenen Vorteilen
ebenfalls die wahrgenommenen Bedenken gegenüber einem solchen System entscheidend
für die Nutzungsintention. Dieser Befund deckt sich somit grundlegend mit einer Reihe von
prominenten Studien, welche die signifikanten Einflussgrößen auf die Technikakzeptanz
nicht nur in den etablierten positiv besetzten Einflussfaktoren des Technikakzeptanzmodells
(Nutzen und Bedienfreundlichkeit) sehen, sondern ebenso in den Bedenken gegenüber der
eingesetzten Technologie (Cazier, Wilson und Dawn 2006, Cazier, Jensen und Dave 2008,
Jäger und Schnieder 2015).
Der engste Zusammenhang zwischen der Nutzungsintention und den Bedenken besteht
dabei in Bezug auf die Bedienung der eingesetzten Technologie. Überraschend dagegen war
der nur schwache Zusammenhang zwischen Nutzungsintention und den Bedenken bezüglich
des Datenschutzes. So wurde dem Zugangssystem zwar mehrheitlich misstraut bzw.
umgekehrt ihm starke Skepsis bezüglich der Sicherheit des Datenschutzes attestiert (2/3 der
Befragten äußerten demnach Bedenken in dieser Kategorie), dennoch wiesen
Datenschutzbedenken neben der Einschätzung der Innovativität nur den zweitgeringsten
Zusammenhang zur Nutzungsintention auf. Dieser Befund steht somit überraschenderweise
55
im Widerspruch mit einer Vielzahl von Studien, die in den Privatheits-Bedenken eine zentrale
Einflussgröße für die Technikakzeptanz bzw. Nutzungsintention von
Informationstechnologien sehen. Vielmehr zeigte sich im Ergebnis unserer Studie, dass der
Datenschutz zwar prominent genannt und als wichtig erachtet wird (Cazier, Wilson und
Dawn 2006, Cazier, Jensen und Dave 2008, Jäger und Schnieder 2015), in Bezug auf die
Handlungsintention dieser Faktor analog zu ähnlichen Studien (Hossain und Prybutok
2008, Bretschneider, Leimeister und Krcmar 2009) jedoch nur wenig Einfluss auf die
intendierte Nutzungsabsicht ausübt. Datenschutzbedenken „schweben“ demnach als diffuse
Unsicherheiten über der eigentlichen Nutzungsfrage und werden im Entscheidungsfall
möglicherweise eher dem rational-choice-Argument untergeordnet oder hinter der
Omnipräsenz des Technologieeinsatzes in anderen Lebensbereichen schlichtweg
zurückgestellt (vgl. Hossain und Prybutok 2008).
Vergleich Berliner und Touristen
Im Gegensatz zu den befragten Berlinern waren Touristen gegenüber einem CiBo-
Verkehrszugangssystem positiver eingestellt. Touristen sahen deutlich mehr Vorteile (in
sechs von acht Aspekten) und hatten etwas weniger Bedenken (in drei von acht Aspekten)
gegenüber einem CiBo-Verkehrszugangssystem. Zudem hatten die befragten Touristen
weitaus häufiger Erfahrungen im Handy-Ticketing. Nach Venkatesh und Davis (2000) haben
Vorerfahrungen und Erfahrungswissen Einfluss auf die Variablen des wahrgenommenen
Nutzens und der wahrgenommenen Bedienfreundlichkeit. Ein Grund für den Unterschied
zwischen Berlinern und Touristen könnte daher darin liegen, dass die Gruppe der Touristen
mehr Technikerfahrung in Bezug auf ÖPNV-Zugangsverfahren haben und daher einem CiBo-
Verkehrszugangssystem positiver gegenüber stehen.
Da es sich bei den Touristen ausschließlich um deutschsprachige Personen handelte und in
den meisten Fällen auf einem Wohnsitz innerhalb der Bundesrepublik geschlossen werden
konnte, dürfte die leicht positivere Einstellung gegenüber CiBo-Systemen jedoch kaum auf
die tägliche Erfahrung mit entsprechenden Zugangssystemen Verkehrsbetriebe außerhalb
Deutschlands (z.B. die Check-In/Check-Out-Systeme Londons oder Amsterdams)
zurückzuführen sein. Vielmehr nnte unter den Touristen durch eine generell
andersgelagerte Raum-Zeit-Wahrnehmung (Urry 1996) und eine dadurch ggf. positive
Stimmung im Zuge des Freizeitaufenthaltes in Berlin eine positivere Gemütslage und eine
damit einhergehende größere Offenheit bedingt sein.
Implikationen
Der starke Erklärungszusammenhang zwischen der Bedienung der neuen Technologie und
der Nutzungsintention zeigt auf, wie wichtig der Faktor der Bedienfreundlichkeit bei
Systemumstellung auf ein CiBo-Zugangssystem zu bewerten ist. Insbesondere ältere
Befragte (>65+) zeigten starke Bedenken im Hinblick auf die eingesetzte Technik, sowohl die
56
eigene als auch die des Anbieters. Jene älteren Fahrgäste dürften somit die
betreuungsintensivste Fahrgastgruppe bilden, für die im Falle einer Systemumstellung
besondere Informationsangebote, Hilfsprogramme und Rückfallebenen angeboten werden
sollten.
Der geringe Erklärungszusammenhang zwischen Datenschutzbedenken und tatsächlicher
Nutzungsintention kann zwar einerseits als beruhigende Erkenntnis interpretiert werden,
dass die Nutzungsvorteile des elektronischen Verkehrszugangs gegenüber den Bedenken
überwiegen. Dennoch darf dieser geringe Erklärungszusammenhang für die
Verkehrsunternehmen keinesfalls zu einem Freibrief werden, die Datenschutzrelevanz
zukünftig außer Acht zu lassen. Im Gegenteil, die Verunsicherungen sind nachweislich hoch
und sind auch trotz der überwiegenden Nutzungsintention keineswegs zu vernachlässigen.
Zwar könnte die tatsächliche Nutzungserfahrung des Zugangssystems die Bedenken weiter
in den Hintergrund treten lassen, doch das diffus wahrgenommene Risiko des Potentials im
Anfertigen von Bewegungsprofilen oder der unsichtbaren und unkontrollierbaren
Datenverarbeitung in den Hintergrundsystemen kann auch noch während der Nutzung
Verunsicherungen und möglicherweise auch Nutzungshemmnisse verursachen. Gerade weil
nach Boslau und Liedtke (2006) der Einsatz der RFID-Technologie mehr von Emotionen als
von Kognitionen bestimmt werden kann und somit die Nutzungspraxis innerhalb kürzester
Zeit umschlagen könnte, ist es entscheidend, dass die Verkehrsunternehmen stets die
latente Verunsicherung der Fahrgäste im datenintensiven Einsatz solcher System bedenken.
Vor diesem Hintergrund sollten Verkehrsunternehmen keinesfalls den allzu häufig
beobachteten Fehler begehen, das Risikobewusstsein zu vernachlässigen (Grover und Hal
2011) oder ein Interessendefizit für den datenschutzkonformen Aufbau elektronischer
Zugangssysteme anzuzeigen (Sadeghi, Visconti und Wachsmann 2008).
6.5 Bedeutung der Technikerfahrung
Befunde
Die Technikerfahrung in Bezug auf alternative ÖPNV-Zugangsverfahren (Handy-Ticketing)
war unter allen Fahrgästen eher als gering einzuschätzen. Die Befragungsdaten verwiesen
demnach auf die mehrheitliche Unerfahrenheit mit elektronischen Vertriebswegen im
ÖPNV-Kontext.
Dabei deuteten die Befragungsdaten darauf hin, dass insbesondere das Alter des Fahrgastes
eine entscheidende Rolle für das Vorhandensein oder das Fehlen von Technikerfahrung im
ÖPNV-Zugangsverfahren spielt. Die Auswertungen haben ergeben, dass insbesondere
jüngere Fahrgäste gegenüber älteren deutlich öfter bereits ein Ticket über das Handy
erworben hatten. Für ältere Fahrgäste scheint demnach die Hürde deutlich größer zu sein,
ein Ticket über das Handy zu erwerben.
57
Wenig überraschend waren die Befunde, dass Fahrgäste mit Handyticket-Erfahrung ein CiBo-
Verkehrszugangssystem deutlich positiver bewerteten und dass Fahrgäste ohne Handyticket-
Erfahrung weitaus größere Bedenken gegenüber einem solchen Verkehrszugangssystem
hatten. Sofern ein Fahrgast bereits Erfahrungen mit dem Handy-Ticketing gemacht hatte,
wurden auch mehr Vorteile in einer Systemumstellung auf CiBo gesehen. Fahrgäste, die
allerdings noch gar keine Erfahrung mit dem Handyticket gesammelt hatten, sahen in der
Nutzung eines CiBo-Zugangssystems bisher keine Vorteile und hatten zudem gleichzeitig
größere Bedenken (insbesondere bezogen auf die Bedienung), was wiederum eine Hürde
dafür sein könnte, sich generell diesem Verkehrszugangssystem zuzuwenden. Dieser Befund
spiegelte sich auch in den Ergebnissen der Analyse des Zusammenhangs von
Nutzungsintention und Handyticket-Erfahrung wider. Fahrgäste, die noch nie ein Handyticket
erworben hatten, wollten eher kein CiBo-Verkehrszugangssystem nutzen. Wohingegen
Fahrgäste, die bereits über Erfahrungen mit Handytickets verfügten, ein solches System eher
nutzen wollten.
Bezüglich der Bedeutung der Technikerfahrung decken sich die Befragungsergebnisse mit
Studien nach denen die RFID-Akzeptanz nicht nur vom eigentlichen Nutzen der Technologie
abhängt, sondern zudem von der generellen Aufgeschlossenheit gegenüber
Informationstechnologieangeboten (Novotny, Lóránt und Hajnalka 2015) beeinflusst wird.
Ferner entsprechen die Befragungsergebnisse den Erkenntnissen des erweiterten
Technologieakzeptanzmodells von Venkatesh und Davis (2000), wonach Vorerfahrungen und
Erfahrungswissen Einfluss auf die Variablen des wahrgenommenen Nutzens und der
wahrgenommenen Bedienfreundlichkeit haben.
Vergleich Berliner und Touristen
Im Vergleich zwischen Berlinern und Touristen wurde deutlich, dass Touristen weitaus
häufiger angaben, schon einmal ein Fahrschein über das Handy erworben zu haben. Somit ist
in der Gruppe der Touristen die Technikerfahrung in Bezug auf ÖPNV-Zugangsverfahren
deutlich höher ausgeprägt. Scheinbar ist es für Touristen deutlich attraktiver, einen
Fahrschein über das Handy zu erwerben als für die Berliner.
Implikationen
Der Befund der starken Abhängigkeit der Technikerfahrung vom Alter macht für die
Verkehrsunternehmen die Zukunftsaufgabe deutlich, wie man den Handyticketgebrauch
insbesondere auch für ältere Fahrgäste attraktiv gestalten könnte. Da zudem die Bereitschaft
zur Nutzung eines CiBo-Zugangssystems stark von der technischen Vorerfahrung abhängig
ist, könnte die Attraktivierung der Handyticket-Nutzung (bspw. über Tarif-Rabattierungen)
als Schlüssel zur Akzeptanzbildung gegenüber weiteren Ausbaustufen und somit quasi als
Übergangstechnologie fungieren.
58
Demnach wird die Zukunftsaufgabe der Verkehrsunternehmen zusammenfassend
insbesondere darin liegen, ein elektronisch gestütztes Zugangssystem für technisch eher
unerfahrene ÖPNV-Nutzerinnen und Nutzer attraktiv zu gestalten, die den RFID- bzw. NFC-
basierten Zugang zum ÖPNV als weniger graduell zu ihrem ohnehin gewohnten
Technikeinsatz erfahren. Dazu zählen insbesondere ältere und bildungsferne Fahrgäste
deren technische Nutzungserfahrung bei Einführung eines CiBo-Zugangssystems am
stärksten verändert werden würde. Ziel müsste es daher sein, den Systemübergang
insbesondere für technische Erstnutzer attraktiv zu machen, die zuvor noch nicht oder kaum
in Berührung mit alternativen Ticketing- und Vertriebsprodukten jenseits des klassischen
Papierfahrscheins in Berührung gekommen sind.
59
7. Fazit
Der Megatrend der Digitalisierung durchdringt heute weite Bereiche unseres Lebens. Nicht
nur die Art wie wir kommunizieren, arbeiten oder uns bilden wird tiefgreifend verändert,
sondern nicht zuletzt auch die Art wie wir uns fortbewegen. Die Digitalisierung spart somit
die Verkehrs- und Mobilitätswelt nicht aus, sondern verändert sie etwa mit Hinblick auf
das Autonome Fahren zukünftig womöglich sogar noch alltäglich spürbarer als andere
Bereiche. So dürfte auch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) zukünftig unter dem
verstärkten Einsatz digitaler Technologien im Verkehrszugang bedeutende Veränderungen
erfahren, die auf Seiten der Verkehrsunternehmen mit der Hoffnung auf
Effizienzsteigerungen und auf Seiten der Fahrgäste mit Komfort- und Servicemehrwerten
verknüpft werden.
Vor diesem Hintergrund lag die Aufgabe dieser Studie darin, ein instruktives Bild von
wahrgenommenen Vor- und Nachteilen, Nutzungswünschen, Nutzungsintentionen und
deren Zusammenhängen für den Fall einer hypothetischen Einführung eines Check-in/Be-
out-Verfahrens (CiBo) zu erhalten, bei dem sich der Fahrgast vor Fahrtantritt aktiv mit
seinem Smartphone oder einer kontaktlosen Chipkarte anmeldet (Check-In) und beim
Verlassen des Systems für eine korrekte Fahrpreisberechnung automatisch ohne aktive
Mitwirkung erkannt wird (Be-Out). Ziel sollte es dabei sein, quantitativ aussagekräftige
Anhaltspunkte dafür zu liefern, welche Erwartungshaltungen vorliegen und welche Hürden
bei der Einführung eines solchen Verkehrszugangssystems zu überwinden wären.
Zusammenfassend sollten so Empfehlungen für eine möglichst nutzerfreundliche
Ausgestaltung von RFID- bzw. NFC-basierten Verkehrszugangssystemen formuliert werden.
Die Auswertungen der Befragungsdaten von ca. 1.200 Fahrgästen des Berliner ÖPNV
ergaben, dass die Fahrgäste dem vorgestellten Zugangssystem generell positiv
gegenüberstehen und es insbesondere als Innovation mit einer Vielzahl von Service- und
Nutzungsmehrwerten betrachten. Als Kernanliegen der Befragten erscheinen dabei die
Nutzungseigenschaften eines zuverlässig, bedienfreundlich und einfach funktionierenden
Systems. Diese pragmatischen Nutzungserwartungen treffen jedoch zugleich auf verstärkte
Sicherheitszweifel bei Datenschutz und im Bereich möglicher technischer Systemausfälle.
Im Rahmen wahrgenommener Nutzungsnachteile treten Datenschutzbedenken zwar
deutlich hervor, diese sind jedoch nicht handlungsrelevant wenn es um die tatsächliche
Nutzungsabsicht geht. Hemmender als die Datenschutzbedenken wirkt dagegen vielmehr die
Wahrnehmung einer möglicherweise schwierigen Bedienbarkeit. Technisch bedingte
Nutzungsnachteile werden dabei interessanterweise weniger auf Seiten des anbietenden
Verkehrsunternehmens als vielmehr beim Nutzer oder der Nutzerin selbst vermutet
(fehlerhafte eigene Technik, Fehlbedienung, Vergessen des Nutzermediums). So ist
offensichtlich nicht nur ein deutliches Bewusstsein der eigenen Rolle als Nutzer vorhanden,
sondern auch ein Bewusstsein möglicher selbstverschuldeter Fehlerquellen.
60
Für eine positive Technikbewertung als auch für die tatsächliche Nutzungsintention
kristallisieren sich Alter, Bildung und Vorerfahrung im Handy-Ticketing als entscheidende
Nutzermerkmale heraus. Die größte Akzeptanzwerte für ein CiBo-Zugangsverfahren würden
so vermutlich aktuell bei einem jüngeren Fahrgast mit technischer Vorerfahrung im Handy-
Ticketing zu erwarten sein, wohingegen vermutlich ein älterer Fahrgast ohne technische
Vorerfahrung die größten Bedenken gegenüber einer Systemumstellung äußern würde.
Das aktuelle Mobilitätsverhalten in Form der überwiegenden Art der Ticketnutzung spielt
indes kaum eine Rolle in der Wahrnehmung von Vor- oder Nachteilen eines solchen Systems.
Vielmehr lässt sich eine von Gelegenheits- bis hin zu Zeitfahrern gleichwertige
Wahrnehmung von Systemvorteilen erkennen, was bedeutet, dass die ökonomisch
hochrelevante Fahrgastgruppe der Vielfahrer mit Zeitkarten wohl im Falle einer
Systemumstellung keine kritische Kundengruppe darstellen würde.
Insgesamt wird in der Abwägung von Vor- und Nachteilen mehrheitlich eine
Nutzungsintention des CiBo-Zugangssystems deklariert (61%), dennoch würden immerhin
39% der Fahrgäste das System eher nicht bzw. nicht nutzen wollen. So lässt sich
zusammenfassend von einer positiv-kritischen Grundhaltung der Fahrgäste gegenüber
einem CiBo-Zugangssystem sprechen.
Es scheint demnach, als würde die mögliche Umstellung auf ein RFID- bzw. NFC-gestütztes
elektronisches Zugangsverfahren kein akutes Akzeptanzproblem (wie etwa Gentechnik oder
Kernenergie) aufweisen. Vielmehr zeigt die Studie, dass der Einsatz von RFID- und NFC-
Anwendungen im öffentlichen Verkehr insgesamt positiver bewertet wird als in anderen
Anwendungskontexten, was darauf zurückzuführen sein kann, dass der aus Nutzersicht
wesentlich kritischer wahrgenommene Einsatz von RFID-Technologie im Einzelhandel
oftmals passiv bzw. aus Kundensicht unfreiwillig und unsichtbar erfolgt (z.B. getaggte
Kleidungsstücke), während die R