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Lasertagung 2016
DVS Nr. 1
UNTERSUCHUNGEN ZUM HOCHRATE-MIKRO-SLM
Streek A., Erler M., Ebert R., Löschner U.
Laserinsitut Hochschule Mittweida, Technikumplatz 17, Mittweida, D-09648, Germany
Für die Lasermikro- und makrobearbeitung sind moderne Hochleistungslaserquellen > 100 W bei bester
Strahlqualität überaus interessant, wenn es um die Erhöhung der Prozesseffizienz bzw. dem Erschließen
neuer Einsatzgebiete für die Lasertechnik geht. Im Bereich der additiven Laserfertigung bieten namhafte
Hersteller von Lasersinteranlagen für Metall bereits heute optional Strahlleistungen bis in den Kilowattbe-
reich an, um idealerweise das pulverförmige Ausgangsmaterial auch bei großen Pulverschichtdicken hin-
reichend auf- und umzuschmelzen um nach dem Erstarren ein isotropes dichtes Gefüge zu erzeugen. An
realen Bauteilen, also Freiformen mit einer Vielzahl an überhängenden und hinterschnittenen Konturen
sind im Hinblick auf die zu erzielende Maßhaltigkeit diese Leistungen kaum umzusetzen. Die bereitge-
stellte „hohe“ Laserleistung muss hierfür schnell und hochfokussiert auf große Flächen verteilt werden,
um prozessenergetisch ein Äquivalent an Detailtreue und Strukturauflösung zum etablierten selektiven
Lasersintern zu erhalten. Somit werden die leistungsstarken Laserquellen bestenfalls zur schnellen Er-
zeugung des Kernbereichs eines Bauteils eingesetzt, der detailgetreue Randbereich der Sinterstrukturen
muss stets mit verminderter Leistung bestrahlt werden.
Am Laserinstitut der Hochschule Mittweida werden Versuche im Rahmen der Hochratelaserprozesstech-
nik unternommen Prozesse der additiven Fertigung mittels Hochleistungslaser zu realisieren. Unterstützt
durch die Entwicklungen im Bereich der ultraschnellen Strahlablenkung mit Geschwindigkeiten von bis zu
1000 m/s werden versuchsweise Hochleistungslaser für die additive Mikrofertigung eingesetzt. Wie die
ersten Untersuchungen zeigen, lassen sich Maßhaltigkeiten von ~30 µm und Oberflächenqualitäten Ra ~
3 µm erzielen. Vor allem aber die erreichbaren Bauraten zeigen ein hohes Potential des Hochrate-Mikro-
SLM für den Einsatz in der zukünftigen industriellen Fertigung.
1. Stand der Technik
Mikrostrukturen mittels Hochleistungslaser >100 W zu erzeugen, wurde an einigen Forschungseinrichtun-
gen untersucht. Ab 2010 im Rahmen des Projektes µ-SLM am Fraunhofer ILT in Aachen[1]. In einer kom-
merziellen Sinteranlage wurde ein 200 W Faserlaser(cw) zusätzlich eingebracht und durch nachfolgende
Strahlformung ein Fokusdurchmesser von 30 µm auf dem Pulverbett erzielt. Die notwendige Adaption des
Pulverdosiersystems (Pulverbeschichters) erlaubte ein Handling feinster Pulverfraktionen (<10 µm).
Durch diesen Aufbau waren Strukturen von 40 µm bei 10 µm Sinterschichten und einer Streckenenergie
von 7,5 J/cm im Pulsbetrieb des cw-Lasers erzeugbar. Die Ablenkgeschwindigkeit betrug 40 mm/s bei
einer applizierbaren mittleren Leistung von 30 W. Die erzielten Bauraten sind entsprechend gering.
Im Forschungsvorhaben „Hocheffizientes Selective Laser Melting - ICD A2“ der RWTH und des ILT
Aachen sollte die Produktivität des selektiven Laser Meltings durch den Einsatz von Hochleistungslasern
deutlich gesteigert werden[2]. Mittels eines Zweistrahlkonzepts (200 W, cw + 1000 W, cw) zur Umsetzung
eines Hülle-Kern-Prinzips (Einsatz zweier Strahlquellen zur Belichtung der konturnahen und konturfernen
Bereiche des Bauteils) konnte die Prozesseffizienz um den Faktor 10 gesteigert werden. Die erzielten
Bauraten betrugen bis zu 23 mm³/s. In einer weiteren Entwicklungsphase soll die Bestrahlungszeit durch
eine Parallelisierung mehrere Laserstrahlquellen weiter verkürzt werden.
Auch die marktführenden Anlagenbauer für selektives Lasersintern von Metall: EOS GmbH, Concept La-
ser GmbH und die SLM-Solution Group AG setzen auf den Einsatz mehrerer Laserquellen bzw. Galvano-
meterscanner, um eine deutliche Steigerung der Baugeschwindigkeit vor allem bei den wachsenden
Bauräumen von > 0,1 m³ zu erzielen. SLM-Solution nutzt bereit das Hülle-Kern-Prinzip mit maximallen
Bauraten von 29 mm³/s bei Sinterschichtdicken zwischen 30-150 µm [3]. Bei der Concept Laser GmbH
wurden sogar 33 mm³/s bei Schichtdicken von ebenfalls 30-150 µm [4] erzielt.
Am Wuhan National Laboratory for Optoelectronics wurde Untersuchungen zum Hochrate-SLM durch Ein-
satz eines 6 kW multimode Lasers in einem eigenen Aufbau durchgeführt [5]. Den dargestellten Ergeb-
nissen nach ließen sich dichte Strukturen bis zu eine Scangeschwindigkeit von 4 ms-1 bei
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Sinterschichtdicken bis zu 150 µm erzeugen.
In [6] sind die Baugeschwindigkeiten bekannter HP-SLM-Verfahren (High-Power-SLM) dem EBM (Elect-
ron Beam Melting) und dem 5-Achs-Fräsen zur Erzeugung von Bauteilen durch Materialabtrag gegen-
übergestellt. Die HP-SLM-Verfahren erzielen hierbei vergleichbare Bauraten wie das
Elektronenstrahlschmelzen gleicher Leistungsklasse. Hingegen konnte die Qualität der erzeugten Geo-
metrien nicht mit dem Fräsen konkurrieren. Am leicht spanbaren Aluminium wurde durch Fräsen verglei-
chend eine doppelt so große Bauteilgenerierungsrate von 40 mm³/s erzielt. An Warmarbeitsstähle
hingegen überstiegen die Bauraten der betrachteten HP-SLM-Verfahren, die „Bauraten“ des Fräsens bis
um den Faktor 4.
Bezüglich der erzielbaren Auflösungen sind die nach [2-5] vorgestellten Anlagen und Konzepte aufgrund
der momentan erzielbaren minimalen Fokusdurchmesser >100 µm zumeist nicht für die nachbearbei-
tungsfreie Erzeugung von Bauteilen geeignet. Ein je nach Anwendungsfall nachbearbeitungsarmes bzw.
-freies Ergebnis lässt sich bislang mit der kommerziell verfügbaren Sinteranlagentechnik nur mit moder-
raten Laserleistungen erzielen. Typische Bauraten liegen bei 1-7 mm³/s mit Sinterschichtdicken zwischen
20-40 µm und lateralen Auflösungen von 140 µm [6, 7].
Wie aus [1] erkenntlich ließen sich bislang die hohen Laserleistungen nicht für die Erzeugung hohe Auflö-
sungen einsetzen. Lediglich die am Laserinstitut der Hochschule Mittweida durchgeführten Grundlagen-
untersuchungen zeigten in diese Richtung [16].
2. Konzept und Analyse zum Hochrate-Mikro-SLM
Die durch den Hochleistungslaser zur Verfügung gestellte hohe Menge an Energie muss durch ein schnel-
les Scansystem so schnell verteilbar sein, um ein Äquivalent an übertragener Energiemenge pro Zeit und
Wechselwirkungsfläche vergleichend den bekannter Prozessparametern der Lasermikrosinterprozesse
[8] zu erzielen. Wie z.B. in [9] richtig erkannt, ist jedoch eine lineare Skalierung der Scangeschwindigkeit
zur Laserleistung nicht ohne weiteres möglich. Grund hierfür ist die zeitliche Abhängigkeit des maximalen
Energiespeichervermögens eines Materials von der Wechselwirkungsdauer mit dem Laser. Tabelle 1 soll
diesen Fakt anhand der Lösungen der linearen Wärmedissipation (eindimensionale Wärmeleitung mit La-
serstrahlung als Oberflächenwärmequelle) in einem Stab durch die sich nach begrenzter Wechselwir-
kungszeit (τH) bildenden Schmelzfront im Material verdeutlichen. Randbedingung ist jeweils das Erreichen
der maximalen Energiespeicherfähigkeit des Materials (beginnendes Sieden an der Oberfläche) am Ende
der Wechselwirkungszeit.
Der funktionelle Zusammenhäng der resultierenden Schmelztiefe zur Wechselwirkungszeit lasst sich ne-
ben der Lösung der Wärmeleitgleichungen (wie in Tab. 1 dargestellt) aber auch aus den Abschätzungen
der thermischen Diffusionslänge ableiten. Hieraus folgt, dass das Wärmeeindringvermögen durch eine
Oberflächenwärmequelle bzw. durch Umstellung der Gleichungen auch die maximal applizierbare Inten-
sität nur mit der Wurzel der Wechselwirkungszeit bzw. der Geschwindigkeit steigt [Gl. 1].
~
[.1]
Abgesehen der gering erzielbaren Schmelztiefen verdeutlicht dies den überproportional notwendigen An-
stieg der Scangeschwindigkeit bei Einsatz von Hochleistungslasern für das Mikrolasersintern. Es muss
Tabelle 1: Tiefe der Schmelzfront in µm in massivem Material bei verschiedenen Wechselwirkungszeiten
τH in ns beim Erreichen der Siedetemperatur an der Materialoberfläche, ausgehend einer Raumtempera-
tur von 300 K nach [10].
ΤH [ns] / Metall W Mo Fe Cu Ti Al
50000 30,80 33,72 23,87 89,05 16,74 106,27
1000 4,36 4,77 3,38 12,59 2,37 15,03
500 3,08 3,37 2,39 8,91 1,67 10,63
200 1,95 2,13 1,51 5,63 1,06 6,72
100 1,38 1,51 1,07 3,98 0,75 4,75
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dementsprechend ein Scansystem zum Einsatz kommen, welches weitaus höhere Strahlablenkungen als
kommerziell verfügbaren Scanlösungen mit erzielbaren Geschwindigkeiten bis max. einige 10 m/s bietet.
Der zweite Bedarf lässt sich weiterhin direkt aus Tab. 1 ableiten. Die entsprechenden Pulverschichten
müssen einen erfolgreichen Aufbau von Sinterstrukturen durch Benetzung der sich stetig verringernden
Schmelzen mit dem Untergrund bzw. der unterliegenden Sinterschicht auch bei wesentlicher Erhöhung
der Scangeschwindigkeit zulassen. Hieraus folgt, dass die aufgezogenen Pulverschichten hinreichend
dünn(impliziert gleichwohl den Einsatz kleinster Korngrößen) und die Partikel durch ihre räumliche Anord-
nungen(hinreichend dicht) in einen benetzungsfähigen Zustand vorliegen.
Mittels numerischer Lösung der instationären mehrdimensionalen Wärmleitgleichung unter Annahme ei-
ner bewegten Wärmequelle(schnell gescannter fokussierter Laserstrahl) lässt sich das thermische Ver-
halten und die Ausbildung der Schmelzphasen im Pulverbett visualisieren [Abb. 1].
Abb. 1: numerische Simulation einer bestrahlten Molybdänpulverschicht der Dicke von 10 µm bei unter-
schiedlichen Scangeschwindigkeiten (je Reihe 50, 100, 200 m/s mit den, durch den Fokusdurchmesser be-
stimmten mittleren Wechselwirkungszeiten). Temperaturverteilung im Material (linke Spalte)
Temperaturverteilung im Umgebungsgas Luft (mittlere Spalte) und den sich bildenden Phasen (rechte
Spalte) mit blau-fest, grün-Schmelze.
Es wurde jeweils die optimale Intensität der Laserstrahlung [Abb. 1(Datenspalte: I0)] gewählt, bei welcher
lediglich ein beginnendes Sieden des Materials und somit ein maximales Energiespeichervermögen er-
reicht ist. Vergleichend wurden Untersuchungen an realen Pulverbetten durchgeführt um die Ergebnisse
der Simulation zu verifizieren.
Abb. 2: linienhafte Bestrahlung eines polydispersen Molybdänpulvers (mittlere Korngröße 3,7 µm) bei nähe-
rungsweiser optimaler Intensität für den mittleren Korndurchmesser unter unterschiedlichen Scangeschwin-
digkeiten. Zugehörige Versuche zu den Simulationen [Abb. 1].
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Wie in der Simulation, den jeweiligen Bestrahlungen zu erkennen und nach Tab. 1 proklamiert nehmen
die Anteile an Schmelzen mit Erhöhung der Scangeschwindigkeit deutlich ab. Bei Geschwindigkeiten von
200 ms-1 können nur noch die kleinsten durchschmelzbaren Bestandteile des polydispersen Molybdänpul-
vers zur Gefügebildung beitragen. Es bilden sich vermehrt nur partiell oberflächlich verbundene Sin-
terstrukturen aus.
Resümierend dieser Betrachtungen wäre ein Mikrosintern bei hohen bis sehr hohen Ablenkgeschwindig-
keiten unmöglich, wie auch die Untersuchungen nach [1,9] diagnostizieren.
Speziell für das Mikrosintern wurde jedoch ein wesentlicher Aspekt außer Acht gelassen. Werden Pulver-
partikel in merklich kleinerer Dimension als der verwendete Fokusdurchmesser bestrahlt ergeben sich nur
noch mikroskopisch die an den Partikeln wirksame Oberflächenwärmequellen wohingegen das Pulver-
bettgefüge in Abhängigkeit der Partikelgrößen einen mehr oder minderstarken Übergang zur Volumen-
wärmequelle infolge der Mie-Streuung aufweist. Das Pulverbett aus Partikeln kleiner des verwendeten
Fokusdurchmessers muss folglich als Quasisemistransparent betrachtet werden.
Mittels der Mie-Theorie lassen die resultierenden Streukegel und Intensitäten für vereinzelte Partikeln sehr
gut beschreiben. Hingegen ist das Pulverbett ein Vielteilchenproblem, bei welchem sich die einzelnen
Streufunktionen zu einem Streuvolumen überlagern.
Um die je nach Pulverbett resultierenden Energie- bzw. momentanen Leistungsverteilungen abschätzen
zu können, kann man sich der numerischen Methode des Raytracings[Abb. 3] bedienen indem ein einfal-
lender Laserstrahl in eine sehr große Anzahl an Teilstrahlen zerlegt, der Weg durch das Pulverbett verfolgt
und die anliegende Leistung an jedem Partikel berechnet und gespeichert wird.
Abb. 3: Raytracing eines Gaußverteilten Laserstrahls in einem geringgepackten Pulverbett (relative Dichte
15%) einer Tiefe von 50 µm. (a) Seiten- (b) Unteransicht. (c) Durchtrittverhalten der Laserstrahlung beste-
hend aus Transmission(d) und Streuanteilen(e).
Um die Energieverteilung im Pulverbett explizit zu beschreiben sind neben der Korngröße weitere Ein-
flussfaktoren wie die Korngrößenverteilung, die Packungsdichte (Pd) und der Absorptionsindex des Ma-
terials (AMat) für die eingesetzte Wellenlänge zu beachten [10,11] .
Nach [10] lässt sich die absorbierte Intensität (IA) über die Pulverschichttiefe (z) für ein monodisperses
Pulver mit Partikelradien(rP) in sehr guter Näherung analytisch nach Gleichung 2 beschreiben.
Iz≈∙
∙1−
∙
∙
[. 2]
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Wobei
≈lim
→[∑
] den Grenzabsoprtionsindex (das maximales Absorptionsvermögen) des
Pulvers über alle Teilabsorptionen(An) an den Partikeln darstellt.
Zusammenfassend lässt sich die Semitransparenz eines Pulverbetts bei bekannten Pulver und Pulver-
bettparametern wie in Abbildung 4 gezeigt als Absorptionskoeffizient gemäß des Lambert-Beerschen Ge-
setzes überführen.
Abb. 4: (links) resultierender Absorptionskoeffizient eine monodispersen Pulverschicht mit rP = 5 µm in Ab-
hängigkeit der Packungsdichte. (rechts) Ausgewählte Leistungsverteilungen im simulierten Pulverbett zu-
gehörig zu den Absorptionsgraden bei Pd = 0,4 und Pd = 0,15. (Jeweils rechts) Querschnitt durch das
simulierte Pulverbett mit farbcodierter Leistungsaufnahme. (jeweils links) Aus dem virtuellen Pulverbett
extrahierte Partikel mit einer Leistungsaufnahme Prel > 5∙10-3.
Durch die Bedingung zur Benetzbarkeit der Schmelzen zwischen den Partikeln kann die Packungsdichte
beliebig klein gewählt werden, obwohl dies nach Absorptionskoeffizient die größtmögliche Verteilung der
Energie in einem Volumen zulassen würde. Die aus den Experimenten bestimmten Packungsdichten in-
nerhalb eines stabilen Prozessfensters betragen 30 – 40 % relative Dichte. Ableitend aus den primären
Leistungsverteilungen [Abb. 4 (rechts oben)] ergeben sich somit resultierende Pulverschichtdicken im Be-
reich von 10 µm.
In erster Näherung lässt sich die reduzierte und effektiv auf den Pulverkörnern wirksame Intensität (Ieff)
bedingt durch die starke Oberflächenvergrößerung (konstante Packungsdichte) bei kleiner werdenden
Partikelradien der lineare Zusammenhang zum Verhältnis zwischen Fokus- (w) zum Partikelradius(rp) fin-
den (Gl. 3).
I =∙
| < [. 3]
Es zeigt sich somit, dass durch den entsprechenden Einsatz kleinerer Partikelgrößen der überproportio-
nale Anstieg der Scangeschwindigkeit nach Gl. 1 kompensiert und die übertragbare, speicherfähige
Menge an Energie in das Pulvervolumen gesteuert werden kann.
Zusammenfassend erfordert lässt sich definieren, dass das Verfahren des Hochrate-Mikro-SLM
- ein sehr schnelles Strahlablenkungssystem,
- Korngrößen rP deutlich kleiner der Fokustaille w und
- hinreichend dünn und dicht gepackte homogene Pulverschichten
benötigt.
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3. Apparative Umsetzung
Die Korngrößenverteilung mikroskaliger Pulver sind aufgrund, der schwierigeren Fraktionstrennung und
Agglomeratbildung stark polydispers. Hierdurch sind die Packungslücken der größeren Kornfraktionen mit
kleineren Partikeln gefüllt und verhindern das leichte Abgleiten der größeren Kornfraktionen zueinander.
Dies bedingt die schlechtere Rieselfähigkeit mikroskaliger Pulver.
Um die geforderte Beschichtungsqualität und -homogenität auch für kleinste Pulverkorngrößen zu errei-
chen kann nicht mit der Schwerkraft allein beschichtet werden. Vielmehr muss eine zusätzliche Kraft auf
das Pulver aufgebracht werden, um eine Zwangsbeschichtung, das Verbringen des Pulvers in den Hohl-
raum zwischen Rakelebene und abgesenkter Bauplattform zu erzielen. Um dies zu erreichen sind Bau-
und Pulverplattform miteinander verbunden. Nach dem notwendigen Absenken der Bauplattform wird Pul-
verreservoir und Bauplattform verschlossen und durch Verkleinern des Volumens des Pulverreservoirs
eine Zwangsbeschichtung durchgeführt. Unterstützend wirkt hierbei, dass der verschließende Deckel eine
Bewegung in Richtung des Hohlraums vollführt, um durch Haftreibung an der Deckelwand den Transport
des Pulvers zu unterstützen [Abb. 5].
Abb. 5: schematische Darstellung zum Aufbau und zur Funktionsweise des Zwangsbeschichters nach [12]
für Mikropulver. (1) Verschließen von Bauplattform und Pulverreservoir. (2) Zwangsbeschichtung unterstützt
durch die vertikale Bewegung des Deckels. (3) Öffnen des Deckels und Sinterschritt.
Zur Definition der wirksamen Kräfte auf das Pulverbett erfolgten Hübe der Kolben von Bauplattform und
Pulverreservoir sowie der Vorschub des Deckels rein pneumatisch unter variablen Drücken. Dieser Ansatz
wurde in einem ersten Aufbau auf seine Funktionsfähigkeit getestet und ermöglichte eine sehr homogene
und dichte Beschichtung der Bauplattform mit mikroskaligem Pulver [Abb. 6 (links)]. Besonderes Augen-
merk muss auf die hohe Steifigkeit des Systems gelegt werden, um Schwankungen der deponierten Pul-
verschichtdicken zu vermeiden.
Abb. 6: neue Rakelmaschine zum Hochrate-Mikro-SLM. Das Pulver wird durch die wirksamen Kräfte zwangs-
weise auf die Bauplattform aufgetragen.
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Zur Verifizierung des Beschichtersystems nach Vorgaben des Hochrate-Mikro-SLM [Kap. 2] wurde das
Pulveraufzugsverhalten mittels flächiger Höhenmessung während der ersten Sinterversuche aufgezeich-
net. Nach jedem Beschichtungsvorgang und jeder Bestrahlung des Pulverbettes wurden jeweils die Höhe
der Pulverschichtoberfläche und die Höhe der resultierenden Sinterschicht aufgezeichnet [Abb. 7].
Abb. 7 :Mittlere Höhe der Pulver- und Sinterschichten nach jedem Beschichtungs- und Sinterschritt bei einer
Pulverschichtdicke von 10 µm. Während dieses Vorganges wurden zwangsweise Störungen in die Pulver-
beschichtung durch Varianz der Absenkung eingebracht (Schichtnummer 300, 400).
Die hohe Qualität und Homogenität der Pulverbeschichtung selbst bei sehr dünnen Schichten mikroska-
liger Pulver konnte erfolgreich verifiziert werden.
Die erzielbaren Ablenkgeschwindigkeiten kommerziell verfügbaren Scanlösungen, die eine Mikrobearbei-
tung (~ 50µm) zulassen liegen im Bereich von 10-20m/s [13]. Ein anderes aber bislang weitaus unflexib-
leres Konzept zur Erzeugung hoher Ablenkgeschwindigkeiten sind Polygonscanner. Für einige wenige
spezielle Aufgaben in nur einer Raumrichtung wurden Polygonspiegelscanner schon eingesetzt [14]. Die
Auslenkung des Laserstrahls in die zweite Raumrichtung erfolgt durch eine Vorschub- bzw. Drehbewe-
gung des Materials. Flexible und in sich geschlossene Scannerlösungen für eine zweidimensionale Bear-
beitung existierten bislang nicht.
Aus diesem Grund wurde am Laserinstitut der Hochschule Mittweida ein zweidimensional arbeitendes
Polygonscannsystem entwickelt, dass hinreichend hohe Ablenkgeschwindigkeiten (bis 1000 m/s) bei
höchster Genauigkeit (Abweichungsfehler max. +-10 µm @ f= 420mm) erzielt[12].
Abb 8: (a) Strahlaustrittbereich des Polygonscanners mit angebrachter F-Theta-Optik. (b) Seiten-
ansicht der vollintegrierten Nullserie. (c) Schnittproblemdarstellung des internen Echtzeitslicers.
Der Polygonscanner verarbeitet bis zu 1 GByte große Bitmap- und Vektordaten. Die interne arbeitende
Vectorengine ermöglicht es neben flächig angeordneten 2D Vektoren auch aus einem, in den Polygo-
nscanner geladenen STL-File (surface tesselation language) Schnitt-vektoren entlang der aktuell auszu-
gebenden „fast axis“ (Polygonablenkrichtung) zu generieren[Abb. 8(c)]. Die Ausgabe nach Vollendung
eines kompletierten 2D-Scans (n∙“fast axis“ Durchläufe) entspricht somit dem Slice des geladenen 3D-
Modells in der gewählten z-Ebene.
Die Berechnungsgeschwindigkeit dieses Slicers beträgt 100∙106 Schnitte/s in der gewünschten z-Ebene.
Dies entspricht momentan einem Datendurchsatz von 1,6 Gbyte/s und kann bei Bedarf noch erhöht wer-
den.
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4. Erzeugung von Bauteilen mittels Hochrate-Mikro-SLM
Die Demonstratoren wurden mit dem Werkstoffen Edelstahl (316L) und Molybdän bei mittleren Korngrö-
ßen von rp = 2,4 µm generiert. Hierfür wurden zum einen hochaufgelöste Demonstratoren mit Ablenkge-
schwindigkeiten von bis zu 250 ms-1 bei verschiedenen Sinterschichtdicken und hieraus resultierenden
Pulverschichtdicken generiert. Einige Beispiele sin in Abb. 9 zusammengefasst.
Abb. 9: (a-c) Strukturen zur Ermittlung der Detailtreue des Hochrate-Mikro-SLM aus Molybdän bei Sinter-
schichtdicken von 1 µm bei erzeugt bei einer Scangeschwindigkeit von 150 m/s. (d-e) Ermittlung der Para-
meterfenster(316L): (d) Sinterschichtdicke 20 µm bei langsamer Scangeschwindigkeit von 50m/s (e)
Sinterschichtdicke von 3 µm bei 200 m/s (e). Scanrichtung jeweils: „fast axis“- von oben nach unten; „slow-
axis“ – von links nach rechts.
Mit der Verwendung von 400 W Laserleistung für einen Mikrosinterprozess in Kombination mit der schnel-
len Strahlablenkung >200 ms-1 unter Einsatz des neuen Beschichters konnte die Baurate von <0,1 mm³/s
(konventionelles Lasermikrosintern mit Ringrakel [8]) auf 0,86 mm³/s (inklusive Rakelzeit) gesteigert wer-
den. Limitierende Faktoren sind die geschwindigkeitsabhängige Zeilenfrequenz sowie der resultierende
Facettennutzungsgrad, welcher sich aus der gewählte Brennweite und der nutzbaren Linienlänge, die
durch die die Größe des Bauraums (momentan 40 mm optimal wären >200 mm) gegeben ist.
Der effektive Nutzungsgrad des Polygonscanners (Facettennutzungsgrad) beträgt hierdurch nur 10% und
die effektive Bearbeitungsgeschwindigkeit nur 20 m/s bei einer Scangeschwindigkeit von 200 m/s. Durch
eine Vergrößerung der Bearbeitungsfläche von 40x40 mm² auf 100x100 mm² und Reduzierung der Brenn-
weite auf 255 mm ergäben sich sofort Bauraten von mehr als 4 mm³/s (Facettennutzungsgrad >50%).
Diese Versuche sind in Vorbereitung.
Die laterale Auflösung quer der schnellen Ablenkrichtung („slow axis“) beträgt 35 µm und wird durch den
Fokusdurchmesser bestimmt. In der schnellen Ablenkrichtung muss hingegen die Anstiegszeit des Strahl-
schalters von 50 ns pro Flanke berücksichtigt werden. Hierdurch ergibt sich eine zusätzliche Unschärfe in
vertikaler(fast-axis) Richtung von jeweils 10 µm (bei 200 m/s) und ist in Abb. 9(b) teilweise zu erkennen.
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5. Zusammenfassung
- Die theoretischen Zusammenhänge zum Hochrate-Mikro-SLM sind gut verstanden und ermöglichen
eine wahrheitsgetreue Abschätzung der Prozessparameter.
- Zur schnellen Energieverteilung müssen Pulverfraktionen deutlich kleiner des Fokusdurchmessers ein-
gesetzt werden (Vergrößerung der Volumenwärmequelle).
- Ein verdichtend und hochpräzise arbeitender Beschichter für Mikropulver bei dünnem Schichtaufzug
wurde aufgebaut, vermessen und im Einsatz getestet
- Ein zweidimensional arbeitender Polygonscanner wurde entwickelt. Die speziellen Features ermögli-
chen den Einsatz zum Hochrate-Mikro-SLM.
- Die momentane Baurate beträgt 0,86 mm³/s. Eine Vergrößerung der Bauplattform und ein angepassten
optischen Setup ermöglichen Bauraten von 4 mm³/s. Vergleich: Kommerzielle „Makro“-Sinteranlagen
erreichen Bauraten zwischen 1-7 mm³/s.
- Die erzielten strukturellen Auflösungen sind mit den bisherigen Ergebnissen des Lasermikrosinterns
durchaus vergleichbar. X-Richtung („slow axis“): 35 µm, Y-Richtung („fast axis“): max. 50 µm, bei einer
min. Sinterschichtdicke von 1 µm.
6. Ausblick
Neben den bereits genannten Adaptionen des Bauraums und des optischen Setups, ist eine weitere Mo-
difikation des Beschichters nötig, da die Pulververluste (das Ausschieben von Pulver während des Be-
schichtungsganges) noch zu hoch erscheinen.
Aufgrund der guten bis sehr guten Resultate und den hohen Baugeschwindigkeiten wird eine Kommerzi-
alisierung des Hochrate-Mikro-SLM (parallel zum Polygonscanner) vorbereitet.
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7. Quellenangaben
[1] Rui Joao Santos Batista, Mathias Belting: Abschlussbericht MikroGen zum Verbundprojekt: „Entwick-
lung, Erprobung und Systemintegration hochpräsziser, generativer Laserverfahren in der in-
dustriellen Fertigung – MikroGen“, Förderkennzeichen: 13N10064, Laufzeit des Vorhabens:
01.09.2010 - 31.12.2013
[2] POPRAWE, Reinhart, et al. SLM Production Systems: Recent Developments in Process Develop-
ment, Machine Concepts and Component Design. In: Advances in Production Technology.
Springer International Publishing, 2015. S. 49-65.
[3] http://www.stage.slm-solutions.com/index.php?slm-500_de (geprüft am: 20.07.2016).
[4] http://3dprintingindustry.com/2015/07/27/concept-laser-beats-record-largest-laser-metal-3d-printer/
(geprüft am: 26.01.2016).
[5] MA, Mingming, et al. Layer thickness dependence of performance in high-power selective laser
melting of 1Cr18Ni9Ti stainless steel. Journal of Materials Processing Technology, 2015,
215. Jg., S. 142-150.
[6] KLOCKE, Fritz. Fertigungsverfahren 5: Gießen, Pulvermetallurgie, Additive Manufacturing. Springer-
Verlag, 2015. S. 166
[7] http://stage.slm-solutions.com/index.php?slm-125_de (geprüft am: 26.01.2016).
[8] Streek, A., Regenfuss, P., Exner, H., “High Resolution Laser Melting with Brilliant Radiation”, Pro-
ceedings of the Solid Freeform Fabrication Symposium 2014, Austin, Texas; 08/2014
[9] Schleifenbaum, H., Meiners, W., Wissenbach, K., Hinke, C. High Power Selective Laser Melting: A
new approach for individualized series production 28th International Congress on Applications of La-
sers & Electro-Optics (ICALEO), 2009, Orlando 2009
[10] Streek, A. Dissertationsschrift „Beiträge zum Lasermikrosintern“, 2014, Verteidigung ausstehend
[11] Streek, A., Regenfuss, P., Exner, H., „Fundamentals of Energy Conversion and Dissipation in Powder
Layers during Laser Micro Sintering“, Proceedings LIM 2013, C. Emmelmann, M. Schmidt, M. Zäh
and T. Graf Eds., Physics Procedia Elsevier B.V., Amsterdam, Netherlands.
[12] Streek, A., Regenfuss, P., Exner, H., German patent: DE102011014610, “Device for applying powder
for additive fabrication process”, 03.05.2012
[13] Eidelloth, S.; Neubert, T.; Brendemuhl, T.; Hermann, S.; Giesel, P.; Brendel, R.: High speed laser
structuring of crystalline silicon solar cells, Photovoltaic Specialists Conference (PVSC), 2009 34th
IEEE, 7-12 June 2009, Philadelphia, PA, USA, pp. 2389-2394
[14] Kim, D.-H.; Kim, Y.-J.; Seong, K.-S.; Song, J.-K.; Kim, B.-C..; Hwang, C.-H.; Lee, C.-H.: Evaluation
for UV Laser Dicing Process and its Reliability for Vari-ous Designs of Stack Chip Scale Package,
Electronic Components and Technology Conference, 2009. ECTC 2009. 59th
[15] Streek, A., Klötzer, S., “Polygonscantechnik für die Lasermikrobearbeitung” Tagungsband Lasertech-
nik (Nr. 4, 2015, ISSN 1437-7624), 9. Lasertagung Mittweida 2015
[16] Ebert R., Löschner U., Streek A., Schille J., Hartwig L., Klötzer S., Ullmann F., Süß T., Exner H.: Rapid
Microtooling mit laserbasierten Verfahren, Abschlussbericht des gleichnamigen vom BMBF geförder-
ten Verbundprojektes, Mittweida, 2011, S. 73-74