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Umwelt – »Version 2b«: Das Programmieren ökologischer Fehlentscheidungen und Grundlagen für eine neue Umweltpolitik

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Abstract

Dominant politics desires evidence-based environmental decision-making, employing facts. Grounded in an ethnography of the production of corporate carbon footprints, environmental facts are analysed as the effect of work and data processing. In the practical reality of work, environment exists in a hybrid and tactical dataspace. Implications for environmental politics question premises of both, ecological modernisation and state control of the environment. An excursus addresses nation state regulation of pollution in the automobile industry, focusing on defeat devices by Volkswagen and other manufacturers.
Ingmar Lippert
Umwelt – „Version 2b“: Das Programmieren ökologischer Fehlentscheidungen und
Grundlagen für eine neue Umweltpolitik
Wir alle sind abhängig von der Umwelt: von Nahrung, Wasser, Luft. Umwelt ist dynamisch. Sie
verändert sich. Sie wird verändert – von Menschen, von Firmen, von Staaten. Und diese Umwelt
muss geschützt werden – je nach ideologischer Position vor den Menschen, vor Kunden, vor
Bürgern, vor Industrie, Kapital oder Staat. Das heißt auch: In die aktuelle Mensch-Umwelt-
Dynamik „muss“ eingegriffen werden. Das heißt aber ebenso: die Umwelt selbst „muss“ „anders“
werden. Zum Beispiel soll sich die Atmosphäre ändern; so registriert das Intergovernmental Panel
on Climate Change (IPCC) mittlerweile den Vorschlag, das Klimasystem mittels
„geoengineering“-Techniken wie riesigen Flächen von Sonnenspiegeln zu manipulieren.1 Was
aber, wenn gar nicht nur eine Umwelt existiert? Was, wenn wir in mehreren Umwelten leben –
Versionen 1, 2, 3, a bis n – aber nur manche davon geschützt werden? Diese Fragen stellen sich,
wenn wir am Beispiel einer Firma im Detail untersuchen, wie diese versucht, die Umwelt zu
schützen.
In den letzten Jahrzehnten wurde anerkannt, dass die Wirtschafts- und Produktionsformen unserer
Gesellschaft Umweltprobleme verursachen.2 Die herrschende westliche Umweltpolitik ist nicht
bereit, den Kapitalismus auf seine umweltzerstörerische Kraft zu hinterfragen, sondern will ihn
stattdessen „grün“ gestalten, das heißt ökologisch modernisieren. Hierzu einigen sich „Experten“
auf Grenzwerte von erträglichen oder ökonomisch effizienten Verschmutzungen sowie die
günstigsten Techniken, um diese Grenzwerte einzuhalten.3 Akteure in diesem Diskurs haben
„festgestellt“, dass es weder effizient noch praktikabel ist, die Unternehmen von staatlichen
Kontrolleuren beaufsichtigen zu lassen. Ökologische Modernisierung ist sowohl ein politisches
Programm inzwischen fast aller europäischen Länder als auch eine sozialwissenschaftliche
Theorie.4 In beiden wird anstelle direkter staatlicher Kontrolle unternehmerische Selbstkontrolle
zur Internalisierung „externer Kosten“ angestrebt.5 Das bedeutet, dass die von den Firmen
„externalisierten“ Umweltbelastungen in der herrschenden Umweltpolitik als Kosten begriffen
werden, die zwar von einem Unternehmen verursacht, aber – wenn überhaupt – von anderen
bezahlt werden.
1 IPCC 2013, S. 29.
2 Vgl. Huber 1988; Mol 2010.
3 Grenzwerte werden zum Beispiel durch toxische, biologische, ökologische oder auch soziale und politische
Kriterien legitimiert. Ökologische Modernisierung ergänzt solche Kriterien mit der ökonomischen Logik der
Effizienz. So wird ökonomisch argumentiert, dass Verschmutzungen nur insoweit eingedämmt werden sollen,
solange die Kosten der Eindämmungen den ökonomischen Nutzen nicht überschreiten. Ein totaler Verzicht auf
Emissionen ist in dieser Effizienzlogik nicht ratsam, da, vereinfacht ausgedrückt, gerade die Beseitigung der
kleinsten und letzten Verschmutzungen am teuersten ist (siehe auch Abschnitt 3). Zum Verhältnis von
Verschmutzungen, Emissionen und ökonomischer Logik vgl. Asdal 2011.
4 Hajer 1995; Mol 2010.
5 Damit fügt sich die ökologische Modernisierung ein in eine Politik der regulierten Selbstregulation der
Wirtschaft.
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Dass nun Firmen selbstverantwortlich diese Kosten minimieren und übernehmen sollen – bei
minimaler Intervention des Staates –, ist diskursiver Konsens geworden. Kritische Gegenstimmen
sind weitestgehend verstummt. Der radikale Umweltschutz, ob feministisch, marxistisch oder
anarchistisch orientiert, ist weitgehend in die Theorie (und selbst dort an den Rand) verdrängt
worden oder zurückgewichen. Aktive Ausnahmen wie Waldbesetzungen gegen Flughafenausbau
und Kohleabbau oder „Castor Schottern“ werden vom Staat kriminalisiert. „Pragmatischer“
Umweltschutz findet nun am Runden Tisch statt – mit Staat, Konzernen und Umwelt-
Nichtregierungsorganisationen. Diese versichern sich gegenseitig, dass zwar „mehr gemacht“
werden müsse, aber „wir“ grundsätzlich die Probleme erkannt hätten und auf dem richtigen Weg
seien. Dieser herrschende Konsens von Umweltpolitik legitimiert sich durch den
Nachhaltigkeitsdiskurs, ist charakterisiert von ökologischer Modernisierung und wird als
„pragmatisch“ beurteilt, weil er gesellschaftliche Interessengruppen, die als Stakeholder gedacht
werden, am Runden Tisch eint.6 Mein Beitrag stellt den Umweltschutz dieser Runden Tische zur
Debatte – indem sein Fundament rekonstruiert wird.
Prämisse des herrschenden Umweltschutzes ist das konkrete Erkennen und Dokumentieren von
Umweltbelastungen und, dadurch ermöglicht, deren Kontrolle. Zentral für die Kontrolle der
Umwelt, für die „ökologische Modernisierung“ von Staat, der Wirtschaft und des Konsums, sind
Daten.7 So fordert die Agenda 21 unter anderem, zur Auseinandersetzung mit nicht nachhaltigen
Produktions- und Konsummustern „Datenbanken über Produktion und Konsum zu erweitern oder
zu fördern“,8 und die OECD sieht wissenschaftlichen Informationsinput als notwendig für
Nachhaltigkeitspolitik.9 Entgegen dem Alltagswissen über die fehleranfällige Erstellung sowie
die Konstruiertheit von Daten vertraut der herrschende Umweltschutz diesen Daten und stützt
seine Analysen darauf.10 Ein solcher Zugang korreliert mit einem Rahmen normativer Ansprüche:
Umweltdaten sollen standardisiert, kontrolliert und kontrollierbar sein, klar und eindeutig;11 sie
versprechen evidenzbasierte Umweltpolitik. In der Logik dieses Diskurses werden betriebliche
Umweltdaten in der Umweltbuchhaltung erfasst. Dieser Umweltbuchhaltungsdiskurs, seine
Richtigkeit und die Effektivität seines Dispositifs werden nicht nur in der Politik angenommen,
sondern werden auch für die Theoriepflege herangezogen: In dem Modell der ökologischen
Modernisierungstheorie erlauben Umweltdaten, dass die Umwelt ins Zentrum der Rationalität
moderner Gesellschaft rückt, etwa ins Zentrum von betrieblichen Entscheidungen mittels
Umweltmanagement und seiner Umweltbuchhaltung; in dieser Theorie wird die Umwelt nicht als
ignorierte Nebenbaustelle des Kapitalismus angesehen, sondern die These vertreten, dass die
Umwelt zentral geworden ist in der modernen Gesellschaft.12
Kontrolleure nutzen Zahlen, Statistiken, Modelle; damit sollen Verschmutzungen und Dynamiken
6 BUND, Miserior 1996; Dingler 2003.
7 Vgl. UBA 2015; VN 2016.
8 VN 1992, 4.10.
9 OECD 2002, S. 7.
10 Vgl. Porter 1995.
11 VN 2016, §4/13.
12 Vgl. Mol 2010, S. 23-24.
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der Verschmutzungen abgebildet werden. Mit diesen Daten wird Entscheidungsträgern „die
Umwelt“ präsentiert. Wer will schon im Supermarkt, im Bundestag oder in der Konzernzentrale
mit toxischen Müllbergen konfrontiert sein oder mit der neuesten Jahrhundertflut? Umwelt-als-
Daten soll distanzierte und rationale Umweltentscheidungen unterstützen.
Der herrschende Umweltdiskurs setzt die Norm: Für die erfolgreiche Transformation in eine
nachhaltige Gesellschaft sei unerlässlich, dass Produktion und Dienstleistung „grün“ werden.
Doch wie wird „Grünheit“ – wie wird Umwelt – im Büro der Entscheidungsträger eigentlich
gefasst? Wie kommt die Umwelt ins Büro? Die Antwort lässt sich finden, wenn wir die Umwelt
aus dem Büro heraus zurückverfolgen, den Datenspuren nachgehen. Wir finden uns dann schnell
in einem Arbeitsbereich, der in den herrschenden Umweltdiskursen als Umweltbuchhaltung
bezeichnet wird. Wer sind die Akteure der betrieblichen Umweltbuchhaltung? Grüne
Erbsenzähler?
Um mich diesen Fragen zu nähern, rekonstruierte ich im ethnografischen Detail und hinterfragte,
wie die Umwelt des betrieblichen Umweltschutzes zustande kommt. Dazu habe ich, verteilt über
20 Monate, in der Nachhaltigkeitsabteilung der Konzernzentrale eines der 50 weltgrößten
transnationalen Unternehmen Feldforschung betrieben. Ich habe minutiös Arbeitsbesprechungen
der betrieblichen Umwelt-Change Agents und -buchhalter beobachtet, deren Erarbeitung von
Umweltberichten protokolliert und ihre Umweltdaten analysiert. Gegenstand dieser Forschung
sind damit die alltäglichen Datenerschaffungs- und -verarbeitungspraxen in der Realität eines
ganz normalen Konzerns. Vorwegnehmend distanziere ich diesen Forschungsgegenstand von der
Kategorie der Manipulation. Letztere Kategorie impliziert die Norm, nichtmanipulierte Daten
anzustreben. Kern der vorliegenden Analyse sind demgegenüber die Praxen, in denen Menschen
mit ihren Körpern – etwa ihren Augen und Händen (Manus) –, verschränkt mit soziotechnischen
Infrastrukturen – wie Team-Meetings, Microsoft Excel, SAP-Datenbanken –, Daten herstellen,
be- und verarbeiten. Bewusst habe ich die Analyse nicht in einem grünen Nischenunternehmen
vorgenommen, sondern im wirtschaftlichen Herzen unserer Gesellschaft: in einem der
erfolgreichsten Finanzkonzerne der Welt.13 Damit schließt mein analytischer und
methodologischer Zugang an den zugleich konstruktivistischen und post-relativistischen Kern der
Post-Akteur-Netzwerk-Theorie an14 und experimentiert mit einer Kritik, die sich an den
normativen Ansprüchen der Umweltbuchhaltung orientiert. Diesem Kern entsprechend
fokussiert(e) sich meine Forschung nicht auf die Darstellung einer dem Konzern äußerlichen
Umwelt, sondern darauf wie Umwelt im und für das Konzernhandeln performativ geschaffen,
produziert oder „erhandelt“ (enacted15) wird.
13 Die Untersuchung (Lippert 2013) wurde von dem Konzern genehmigt. Die beobachteten Akteure im Konzern
wussten über die Anfertigung dieser Studie über die Kultur des Umweltmanagements Bescheid. Die Namen des
Konzerns und seiner Mitarbeiter sind anonymisiert, um die konkreten Menschen zu schützen sowie um der
Leseweise zu begegnen, dass es sich bei den in dieser Studie beschriebenen Phänomenen um einen Einzelfall
handele (vgl. Lippert 2014).
14 Zur Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) siehe Latour 1987; zur Post-ANT siehe Law, Hassard 1999; Gad, Jensen
2010.
15 Zum Begriff des enactment, enacting siehe Mol 2002.
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In diesem Artikel wird das Beispiel des CO2-Fußabdrucks dieses Konzerns genutzt, um die
gesellschaftlichen Implikationen von betrieblichen Umwelt-Daten-Praxen herauszuarbeiten. CO2-
Fußabdrücke beziffern den Klimaerwärmungsbeitrag einer Handlung oder einer Organisation.
Bedeutend ist diese Untersuchung der tatsächlichen buchhaltungsorientierten Kontrollpraxis nicht
nur für die wissenschaftlichen Felder der Organisationsforschung, der Umwelt- und der
Wissenschaftssoziologie sowie der Gesellschaftstheorie, sondern vor allem auch für die verteilten
Akteure der Umwelt-Governance: für die staatliche Umweltschutzaufsicht, betriebliche
Umweltmanager, zivilgesellschaftliche Akteure und strategische Investoren wie auch für die
politische Strategieentwicklung über die Parteienlandschaft hinweg. In einem Exkurs gehe ich auf
den Fall Volkswagen und seine Abschalteinrichtungen ein. In diesem Fall wurden amerikanischen
Umweltnormen nicht entsprechende Umwelt-Daten-Praxen vom Staat registriert. Die
Betrachtung dieses Falls in einem politischen und ökonomischen Kontext schließt an die Analyse
der CO2-Datenpraxen an, hinterfragt werden die Möglichkeiten von staatlicher Kontrolle der von
Konzernen geschaffenen Umweltrealität.
(1) Zunächst sind die Praktiken der Datenerhebung und der Datenverwaltung nachzuzeichnen;
dies erschüttert die institutionalisierten Hoffnungen in die Kontrollierbarkeit unternehmerischer
Umweltpraxis. (2) Darauf aufbauend, rekonstruiere ich, wie Umwelt existiert – am Beispiel, wie
betriebliche CO2-Emissionen durch Datenpraxis Wirklichkeit werden. (3) Der Exkurs
problematisiert die Hoffnung auf staatliche Regulation betrieblicher Umweltrealität. (4) Auf
dieser Analyse aufbauend, skizziere ich die umweltpolitischen Bedeutungen der Studie.
Über die Umweltpolitik hinausweisend, nutzt die vorliegende Analyse eine Metapher für jene
Daten, durch die Gesellschaft äußere Realitäten zu (be)greifen versucht: die Datenlandschaft, die
keiner globalen Kontrolle unterliegen kann. Eine realistische Entscheidungsfindung, so die
normative Konklusion, soll(te) ein realistisches Verständnis der Datenrealitäten haben, auf denen
„evidenzbasierte“ Politik sich ausruht.
1. Programmierte Enttäuschungen: die Unkontrollierbarkeit der
Umweltbuchhaltung
Die Praktiken im Konzern lassen sich nur konkret erfassen. Daher muss das Nachzeichnen der
Datenerhebung und der Datenverwaltung in einer Geschichte erfolgen. Doch die Geschichte über
die Umwelt selbst ist vorwiegend abstrakt, weil für den Konzern die Umwelt abstrakt existiert.16
Konkret sind seine Datenpraxen – wie das Lesen, Schreiben, Kopieren von Daten, beispielsweise
mittels Papier oder am Bildschirm.
16 Eine vermeintlich konkrete Umwelt des Konzerns zeigt sich im Landschaftsbild eines Nachhaltigkeitsberichts
(siehe unten). In der Umweltdatenpraxis wird Umwelt aber selten als Landschaft praktiziert. Zentral sind
konkrete Datenpraxen, die Umwelten abstrahieren.
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Idealbilder in der Konzernzentrale
Wenn wir uns in den Konzern begeben und erst einmal seine PR-Abteilung umschifft haben, dann
können wir mit Glück die obersten Umweltschützer des Konzerns antreffen. Sie tragen Titel wie
„Nachhaltigkeitsmanager“ oder „Umweltmanager“. Gefragt nach der Herkunft ihrer
Umweltdaten, zeigen sie beeindruckend klar geordnete Organisationsdiagramme und bald darauf
genaue Standards, Pläne und Protokolle für das Verwalten und Konsolidieren von Umweltdaten.
Diese Dokumente bilden klare Hierarchien ab: „Oben“ finden wir eben jene Manager und ihre
Vorgesetzten; „unten“ finden wir die global verteilten Standorte des Konzerns, die vermeintlich
Ressourcen verbrauchen und die Umwelt verschmutzen. Laut Plan sollen diese Standorte die
Umweltfakten, beispielsweise Energieverbrauchsdaten, an die Zentrale liefern, damit diese
strategischen Umweltschutz betreiben kann.
Datenpraxis in der Filiale
Anstatt nun auf die Dokumente der Manager zu vertrauen, verlassen wir die Konzernzentrale und
begeben uns in eine Filiale. Eine kleine, ganz normale Filiale im westlichen Asien. Empfangen
werden wir von einem der lokalen Manager. Doch der versteht schnell: Was uns wirklich
interessiert, ist, wo seine Daten, die in seinem Namen an die Zentrale gehen, herkommen. Wir
müssen uns weiterbewegen – zum Fahrstuhl, und dann noch ein paar Treppen runter – in einen
fensterlosen Raum der Gebäudeingenieure im tiefsten Keller, umgeben von den Wasserrohren
und der Infrastruktur der Klimaanlage dieses Standorts.17
Dort treffen wir einen freundlichen Arbeiter; auf seinem Schreibtisch liegen einige ausgedruckte
PowerPoint-Exemplare der Definitionen und Diagramme, die wir auch schon „oben“ bei den
höchsten Umweltmanagern gezeigt wurden. Nur dass dieser Arbeiter die Dokumente, die seine
Umweltbestandsaufnahme definieren und leiten – also vorschreiben – sollten, mit schriftlichen
Kommentaren versehen hat. Isoliert haben die Vorschriften wenig Sinn ergeben. In der konkreten
Datenpraxis vor Ort musste der Arbeiter Kontext hinzufügen: Die klaren, abstrakten,
Anweisungen müssen interpretiert und in neue Zusammenhänge gesetzt werden. So verlangt die
Konzernvorschrift zum Beispiel, Angaben über Abfallmengen abzuspeichern. In dieser Region
der Erde wird der Abfall aber meist außerhalb messbarer Wirtschaftsbeziehungen entsorgt. Es
entstehen keine Kosten. Für die Betriebspraxis an diesem Ort waren Abfallquantitäten nicht von
Interesse. Mengen wurden nicht aufgezeichnet. Bei der Erfassung der Umweltdaten wurden
dementsprechend auch keine Abfallmengen angegeben. In der Datenrealität nimmt dieser Fakt
17 Vgl. Lippert 2012 a.
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aber eine minimal andere Form an – und dieser minimale Unterschied hat große Konsequenzen.
In den Daten heißt es nun: Diese Filiale produziert keinen Abfall. Das heißt auch: Der Abfall
dieser Filiale fließt nicht in den CO2-Fußabdruck des Konzerns ein.
Andere Fälle von Umweltdaten sind komplizierter. Der Mitarbeiter registriert, dass so manche
Fakten nicht klar sind. So sieht er mehrere Möglichkeiten, wie der Wasserverbrauch des Standorts
oder die Anzahl der geflogenen Kilometer der Filialmitarbeiter berechnet werden können.18 Er
muss nun entscheiden, wie er die Daten so errechnet, dass sie passen – in die Eingabemaske für
die Umweltdaten und zu seinem Verständnis der Umweltrealität am Standort. Die von der
Konzernzentrale vorgegebenen Vorschriften sind nur sehr begrenzt hilfreich für die Arbeitspraxis
im Keller dieser Filiale. Der Mitarbeiter macht nun einige Notizen in die Umweltdatenbank des
Konzerns, in die er die Zahlen eingibt. Es gibt dort ein Kommentarfeld. Er beschreibt manche der
Konstruktionslogiken, -algorithmen und -annahmen, mit denen er die Umweltdaten geschaffen
hat. Die Darstellung der Datenkontingenz entspricht dem normativen Rahmen, dem Anspruch auf
Transparenz.
Schon wenn wir uns nur diesem Filialstandort ethnografisch nähern, kristallisiert sich eine
Grundlage für die These der vorliegenden Analyse heraus: Umweltdaten sind nicht gegeben, sie
gehen nicht direkt aus der Umwelt hervor, sie sind nicht der Buchhaltungspraxis vorgängig; sie
müssen geschaffen werden. Umweltdaten werden durch Arbeiter hergestellt im konkreten
Zusammenhang mit ihren Erfahrungen und Handlungsbedingungen. Vorschriften sind ein Teil
davon. Aber Vorschriften erzwingen keinesfalls, wie die Daten tatsächlich in die Datenbank
eingegeben werden.19
Später trifft der Mitarbeiter seinen Vorgesetzten in der Filialleitung. Formal hat letzterer die
Verantwortung für die Umweltdaten. Sie besprechen die Daten, ihre Unsicherheiten über die
spezifischen Fakten und wie genau diese Fakten gemacht werden sollen. So erfährt der
Ingenieursmitarbeiter nun von seinem Vorgesetzten, dass Unsicherheiten nicht akzeptabel seien
und die Daten so nicht an die Konzernzentrale übergeben werden dürften. Der Vorgesetzte
positioniert den Mitarbeiter damit in einem Dilemma: Er kennt die Unsicherheiten der Daten
genau, aber er soll nur sichere Daten übermitteln. Das geht aber nicht. Die höchste Sicherheit ist,
den Konstruktionsprozess zu beschreiben, der die Unsicherheiten und den Umgang mit ihnen
transparent macht. Die pragmatische Lösung für den Umgang mit Unsicherheiten ist, ebenfalls
pragmatisch zu denken und die Unsicherheit zu beseitigen. Die Unsicherheit wird gleichgesetzt
mit dem Kommentar zur Datenkonstruktion, und der Kommentar wird gelöscht. Die Fakten, die
gemacht wurden, verlieren so ihre Konstruktionsgeschichte. Sie erscheinen damit als gegeben, als
Daten.20 Für die soziale, ökonomische und politische Realität im Konzern handelt es sich nun um
sichere Daten.
18 Weitergehende Analysen dieser Berechnungen finden sich in ebd.
19 Vgl. Bowker, Star 2000; Suchman 2007.
20 Datum, Daten, lateinisch von dare = geben, also „das von jemand Gegebene/Ab-/Hergegebene/Angegebene“.
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Was wir aus diesem Besuch gelernt haben, ist, dass Daten nicht Daten im etymologischen Sinne
sind; Daten sind nicht gegeben. Sondern wir müssen sie nun als Fakten begreifen. Daten in dieser
Analyse sind Fakten: Sie werden, wie wir gesehen haben, gemacht.21 Sie haben eine Geschichte.
Im Konzern stört diese Geschichte aber. Die Geschichte stört die Ordnung des Konzerns; Fakten
mit Geschichte sind unordentlich. Der Konzern braucht den Schein des eindeutig Gegebenen.
Dieses Spannungsverhältnis zwischen Störung und dem gewünschten Schein wird uns bis zur
Konklusion begleiten.
Zurück in die Konzernzentrale: Daten und Taktik
Wir folgen der Datenübermittlung in die Konzernzentrale, in eine Metropole der G7-Staaten.
Wenn wir hier den Kontext der Daten und ihrer Vorschriften genau studieren, stellen wir fest,
dass wir uns mitten im herrschenden Umweltdiskurs befinden. So sagt der Konzern in seinem
Code of Conduct, dass er natürliche Ressourcen schützen wolle; er bezieht sich in seiner
Nachhaltigkeitsverpflichtung auf das UN Global Compact Programm und die OECD-Richtlinien
für multinationale Konzerne. Die Übersetzung und Operationalisierung von Nachhaltigkeit in die
Betriebspraxis geschieht im Wesentlichen in der Umweltbuchhaltung, die die Umweltfakten
produziert. Diese Fakten sollen Grundlage für Entscheidungen im Umweltmanagement werden.
Dabei formieren die Fakten die Entscheidung zum Beispiel durch Formulare oder PowerPoint-
Präsentationen, und gleichzeitig werden diese Formen durch die Fakten gefüllt. Diese zweifache
Qualität von Fakten drückt sich in dem Begriff der Information aus.22 Dass die Entscheidungen
schon durch solche Fakten vor-formiert werden, wird meist als Unterstützung verstanden. Den
Nachhaltigkeits- und Umweltmanagern stehen aber fundamentale Schwierigkeiten im Weg.
Manche der Filialen liefern gar keine Daten, viele nur partiell. Laufend suchen
Standortumweltmanager in der Konzernzentrale Rat. So haben die zentralen Umweltakteure oft
qualitative (nicht aber quantitative) Kenntnis der Probleme in der Umweltdatenschaffung. In den
USA beispielsweise sind Büromietverträge oft Pauschalverträge, sodass keine spezifischen
Verbrauchsdaten etwa für die Elektrizitätsnutzung erstellt werden.
Untersucht habe ich Datenpraxen von über einem Dutzend Filialen, verteilt über fünf Kontinente.
Oft stehen im Rahmen dieser Praxis alternative Datensätze zur Verfügung. Es lässt sich nun
anhand der ethnografischen Beobachtungen zeigen: Im Raum dieser vielfältigen Möglichkeiten,
wie Umwelt-als-Daten existieren kann, treffen die Konzernzentralenmitarbeiter taktische
Entscheidungen. Im Folgenden wird dieser entstehende „taktische Spielraum“ illustriert.23 In
21 Fakt, lateinisch Partizip Perfekt Passiv des Verbs facere = „machen, tun“; also factum = „das Geschehene“.
22 Vgl. Robson 1992.
23 Alternativ zu der Illustration des Möglichkeitsraums von Daten lässt sich das semiotische und materielle
Performieren von Umwelt-als-Datenraum analysieren (Lippert 2015). Die zur Illustration genutzte Empirie
wurde komplementär in Bezug auf Kontrollierbarkeit von Emissionen analysiert und veröffentlicht;
Beschreibung (A): Lippert 2013; Lippert 2015; (B): Lippert 2011; Lippert 2013; (C): Lippert 2013.
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diesem wird etwa berücksichtigt, welche Umwelt dem Konzern, verkörpert durch die von ihm
angestellten Nachhaltigkeitsarbeiter, am besten „passt“, wie Umweltberichte von Öffentlichkeiten
interpretiert werden könnten. Mitarbeiter füllen Datenlücken zudem mit vorteilhaften Annahmen.
Beliebigkeit ist hier selten anzutreffen. Drei Beobachtungen von Interaktionen zwischen der
Nachhaltigkeitsstrategin des Konzerns und dem obersten Umweltbuchhalter sollen dies
untermauern.
(A) Während einer Besprechung des Stands der Datenlieferungen der Filialen kamen die beiden
auf „verdächtige“ Datenlieferungen zu sprechen. Damit bezogen sie sich auf Daten, die sie nicht
für plausibel hielten. Objekt der Diskussion waren die Verbrauchsdaten der mexikanischen und
der französischen Filiale. Sie stellten fest, es könne nicht sein, dass ein Verbrauch innerhalb eines
Jahres um 26 Prozent reduziert wird; „die haben getrickst“, hieß es. Der Umweltbuchhalter
überlegte dann aber laut weiter: Für das Gebäude der Konzernzentrale selbst wurde berichtet,
dass sich der Papierverbrauch um 600 Prozent verringerte. Das Treffen steht still. Was tun bei
solch grandiosen Verbrauchsreduktionsbehauptungen? Mit einer einfachen Formulierung konnte
er die Schwierigkeit im Nu auflösen: „andere Erfasser, andere Betrachtungsweise“. Diese
relativistische Lösung hatte mehrere relevante Effekte für den Konzern. Die Verbrauchs- und
damit die Emissionsrealität konnten ohne tieferes Hinterfragen weiterexistieren. Die spezifische,
nun akzeptierte Realität beinhaltete weniger Emissionen als alternative Emissionsrealitäten, auf
die man sich auf dem Meeting bereits vorbereitete. Die Emissionsreduktion war natürlich für den
Konzern attraktiv. Und möglicherweise am entscheidendsten: Das Treffen konnte reibungslos mit
dem nächsten Tagesordnungspunkt fortgesetzt werden, ohne dass man sich mit der Unsicherheit
zwischen den Realitäten substantiell auseinandersetzen musste.
(B) Eine andere Beobachtung zog sich über mehrere Monate hin. Eine wichtige Aufgabe der
strategischen Datenverwaltung war die Erweiterung der Datenbasis durch die Inklusion weiterer
Filialen. Diese Filialen mussten nun aber nicht nur die jüngsten Umweltdaten bereitstellen,
sondern ebenfalls die, im Emissionshandeljargon als „historisch“ bezeichneten, Daten des
Basisjahres (2006), relativ zu dem der CO2-Fußabdruck zu verringern war. Im Zuge der Eingabe
von historischen Daten waren alle anderen am Umweltmanagementsystem beteiligten Filialen
aufgefordert, die Emissionsberichte der Vorjahre zu überprüfen. In einem der Treffen, in denen
der Stand der Datenlieferungen besprochen wurde, lamentierte der Umweltbuchhalter, dass die
amerikanischen Filialen scheinbar nicht ganz gesehen hätten, dass 2006 das Basisjahr ist. Die
amerikanischen Filialen hatten anscheinend nur die Daten für 2007 nachgebessert. So, erklärte er,
stünden sie zwar gut da im Vergleich 2008/2007, aber nicht im Vergleich 2008/2006. Er schloss
diese Beobachtung mit „Die Frage ist, welche Zahlen man da einträgt“. Dass es sich bei den
Umweltdaten für den Konzern um einen taktischen Datenraum handelt, zeigt sich nicht nur daran,
dass Daten rückwirkend korrigierbar waren, sondern auch dadurch, dass die Frage, „welche“
Daten eingeschrieben werden, einen großen Möglichkeitsraum eröffnet. Dieser Raum wurde aber
nicht von allen Filialen adäquat genutzt. Manche Filialen verpassten die Datenanpassungen oder
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wollten diese erst spät initiieren. Dass dieser Möglichkeitsraum taktisch relevant war, wird durch
eine Schwierigkeit deutlich, die der Umweltbuchhalter wenige Monate später bei einem
Umweltmanagementteamtreffen vortrug. Er wies darauf hin, dass noch Anfragen von Filialen
dazu existieren, alte Daten „upzudaten“. Die Nachhaltigkeitsstrategin reagierte deutlich: Es sei
nicht vorgesehen, in der Zukunft alte Zahlen „upzudaten“. Dann fragte sie: „Sind das
Korrekturen, wo die Emissionen besser werden?“ Der Buchhalter: Sie werden „plausibler“. Sie
erwiderte dies mit der Frage danach, ob das Nachbessern zwingend sei. Dieser Dialog lässt sich
auf zwei Ebenen interpretieren. Zum einem unterscheidet die Interaktion zwei Qualitäten.
„Plausibel“ grenzt der Buchhalter von „besser“ ab beziehungsweise bietet „plausibel“ als legitime
Qualifikation des „Besseren“ an. Damit positioniert er die Qualität „besser“ als nicht eindeutig
legitim. „Besser“, so wie es die Nachhaltigkeitsstrategin des Konzerns nachfragte, konnte einfach
verstanden werden als zu Daten führend, die taktisch vorteilhafte Umweltrealitäten aufzeigen
würden. Mit „plausibel“ hat der Umweltbuchhalter ihre Frage nicht einfach bejaht, sondern eine
Formulierung gefunden, die einen neuen sprachlichen Spielraum eröffnete – die dieselbe
Änderung der Daten in dieser Handlungs- und Gesprächssituation legitimieren konnte. Sie
wusste, dass die Nachbesserung nicht notwendig war, und hat mit ihrer Frage nach der
Notwendigkeit des Nachbesserns die Möglichkeit geschaffen, die nicht eindeutig vorteilhaften
Nachbesserungen nicht vorzunehmen. Zum anderen teilen sowohl „besser“ als auch „plausibler“
die Orientierung daran, wie die Zahlen potenziell von Dritten wahrgenommen werden – ob
substantiell (sind die Emissionen gesunken?) oder prozedural (sind Daten methodologisch
ordentlich produziert und gepflegt worden?).
Die beteiligten Akteure haben gute Gründe für ihre Handlungen im Datenschaffungs- und
Datenverarbeitungsraum. Die Handlungen sind hier nicht als manipulierend zu begreifen, sondern
als Effekt der unumgänglichen menschlich-gesellschaftlichen Ko-Konstitution von Datenpraxen.
Gute Gründe finden sich, wie Beschreibungen weiter unten zeigen, auch für das Löschen,
Überschreiben und Neuinterpretieren von Daten und ihren Definitionen. Gut sind die Gründe aus
allen praktischen Erwägungen der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter entscheiden situativ; und das
beinhaltet, dass sie auch aus der Position als Büroangestellte des Konzerns entscheiden.
(C) Stolz erklärte mir der oberste Umweltbuchhalter bei unserem Kennenlernen, wie ihn der
externe Qualitätskontrolleur (von einer der vier weltgrößten Wirtschaftsprüfungsfirmen24 als „out
of control“ charakterisierte. Denn für die Prüfer galt er als out of control, weil er bei den
Umweltbilanzen die Daten von Organisationen zu Häusern so hin- und herrechnete, dass nachher
in den Umweltbilanzen beispielsweise halbe Gebäude auftauchen. Ihm blieb keine Wahl, als dies
per Hand in der Excel-Datei einzugeben. Für ihn war das Problem, dass die Umweltbuchhalter
aus den Filialen nur auf Gebäudeebene Daten erfassen konnten. So waren wir während dieses
Gesprächs in einem Gebäude, welches von einer Filiale, die den lokalen Markt bediente, geteilt
wurde mit einer Betriebseinheit, die nur für die Finanzdaten zuständig war. Die zentrale
24 Die sogenannten „Big Four“.
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Umweltbuchhaltungsdatenbank konnte dies jedoch nicht differenziert darstellen. Bei dieser
Beobachtung wurde deutlich, dass ein Mitarbeiter Datenpraxen auch mit sich selbst (etwa seinem
Gewissen) vereinbar gestalten muss. Die Gestaltungsmacht ist aber begrenzt. Sie ist verteilt
zwischen von anderen programmierten Datenbanken und den eigenen Möglichkeiten, Daten zu
reproduzieren, zu löschen oder umzuschreiben. Der Datenraum ist leiblich, elektronisch wie auch
institutionell: Er erstreckt sich über die je konkreten Hände, die die Daten eintippen, aber auch
auf das konkrete Gehirn, das den Daten Sinn verleiht, bezieht aber ebenso digital generative
Technologien ein (was macht die Datenbank mit den Daten, wie werden sie dargestellt und
verarbeitet?). Die Hände sind jedoch nicht kontrollierbar, die resultierend Daten gelten für die
Prüfer als unordentlich. Für diese Kontrolleure wurden diese gleichzeitig beschränkenden wie
auch ermöglichenden Bedingungen, und damit die Unkontrollierbarkeit von Datenflüssen in und
um Umweltdatenarbeiter offensichtlich. Diese „unabhängigen“ Prüfer konstituieren einen
wesentlichen weiteren, aber in keiner Weise deterministischen Teil dieser Handlungskette.
Daten und ihre Öffentlichkeiten
Sich auf seine Daten berufend, aber, so zeige ich im folgenden, ohne Herausstellung der oben
vorgestellten Komplexität seiner verteilten Datenpraxis, veröffentlicht der Konzern dann
Hochglanzbroschüren, in denen der Naturschutz die Aktieninhaber und die interessierte
Öffentlichkeit anlacht. Tauchen Sie ein in die Natur mit unserem Konzern, suggeriert ein Bild:
azurblauer Himmel oben, eine gewaltige Bergkette, grüner Wald an den Hängen. Himmel, Gipfel
und das Grün spiegeln sich in einem tiefblauen See, der am Bildende von einem Textkasten
überlagert ist. Sein Text bietet dem Betrachter klare Fakten, à la „2014 betrug der CO2-
Fußabdruck jedes Mitarbeiters 4,28 t“.25 Der Konzern signalisiert damit an seine Öffentlichkeiten,
seine Umweltverschmutzungen seien eindeutig und er habe sie unter Kontrolle. Meine Analyse
der Datenpraxis indiziert, dass dem aber nicht so ist. Das Signal weist uns nicht gut durch die
Datenlandschaft, es ist irreführend.
Die Verdichtung der bisherigen Ergebnisse nuanciert das weit verbreitete Verständnis „Traue
keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“. Über die ganze Handlungskette der Schaffung
von Umweltdaten wird der Schein gepflegt, die Daten seien klar, einfach und transparent.
Verloren gehen dabei die konkret situierten Entscheidungskriterien, mit denen die Umwelt erst in
Büros entstanden ist. Umweltschäden oder CO2-Fußabdrücke werden erst im Konzernalltag
hergestellt – und zwar so, als ob die Umweltrealität ein Fakt der Natur und nicht der Buchhaltung
wäre. Dabei wird uns in der Bilanz dann die Umwelt so vorgeführt, als ob sie 1:1 aus der Natur
sowohl ablesbar als auch tatsächlich abgelesen wäre. Diese Vorführung führt in die Irre. Das
Schauspiel der Kontrolle des Konzerns über seine Beziehungen zu einer einfachen gegebenen
25 Für die skizzierte Abbildung und ihre kritisch-konstruktivistische Analyse in Bezug auf Nachhaltigkeitsberichte
vgl. Lippert 2013, S. 204-219.
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Umwelt konstituiert eine zwar verführerische, aber nicht der tatsächlichen Datenpraxis
angemessene Grundlage für Umweltentscheidungen.
Kontrolliertheit und Kontrollierbarkeit der Datenpraxen
Nun ist zu fragen, wer in die Irre geführt wird: nur die Öffentlichkeiten dieses Konzerns? Es ließe
sich hoffen, dass es sich bei dem beobachteten Konzern um eine Ausnahme handelt. Diese
Hoffnung wird dadurch getrübt, dass der Konzern keineswegs isoliert handelt. Stattdessen wird er
gleich mehrfach reguliert von und in einem multi-organisationalem Netzwerk: Seine Umwelt-
und Datenpraxen sind standardisiert, sie werden von Auditoren der Big Four überprüft, das
Umweltmanagement wird kritisch von einer der fünf weltgrößten Umweltschutz-
Nichtregierungsorganisation begleitet, und der Markt wird transparent unterrichtet über die CO2-
Berichtserstattungsqualität via dedizierter Rangfolgenabstufungen („Rankings“) und
Umweltindizes, wie etwa dem Dow Jones Sustainability Index. Gemessen am normativen
Rahmen der Kontrollierbarkeit, versagt dieses Kontrollnetzwerk jedoch gleich mehrfach.
Die Konzernpraxis wird zwar als standardisiert dargestellt, aber praktisch werden selektiv
Vorschriften aus jeweils unterschiedlichen Standards angewandt: Es werden primär die mit
Konzerninteressen kompatiblen Vorschriften herangezogen. Zum Beispiel müssen Annahmen
dazu getroffen werden, wie die verschiedenen Qualitäten und Quantitäten des
Ressourcenverbrauchs sowie von Umweltschäden in CO2-Emissionen übersetzt werden. Dazu
werden dann in der Praxis vorteilhaftere Übersetzungsfaktoren aus verschiedenen Standards
kombiniert, auf dass die Emissionsbilanz niedriger ausfallen möge. So erklärt mir ein Mitarbeiter
des Umweltmanagementteams einen wesentlichen Unterschied zwischen zwei möglichen
Standards, die konkurrierende Übersetzungsfaktoren zur Verfügung stellen. Der erste Standard
rechnet die Emissionen, die aus den Flughafeninfrastrukturen entstehen, in die Flugemissionen
mit ein; dies ist der Standard, auf den sich der Konzern öffentlich klar registrierbar bezieht.
Dieser Standard ist ein spezifischer Standard des Finanzwesens, international genutzt von Banken
und Versicherungen, administriert vom Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in
Finanzinstituten (VfU, Augsburg), in dem der Konzern selbst auch mitwirkt. Der zweite
Standard, vom World Business Council of Sustainable Development (WBCSD) herausgegeben,
bietet einen konkurrierenden Faktor, in den die Flughafeninfrastrukturemissionen nicht
eingerechnet werden. Letzterer, konkurrierender Faktor wurde eingesetzt – mit dem Ergebnis von
45 Prozent niedrigeren CO2-Emissionen für Kurzflugstrecken.
Technisch-naturwissenschaftlich werden die resultierenden Emissionen zwar als „CO2e“
definiert, „äquivalente Kohlenstoffdioxidemissionen“; in der Konzernpraxis gehen diese
technisch-wissenschaftlichen Nuancen aber schnell verloren unter dem Begriff Carbon,
– 11 –
kompatibel mit dem weltweiten Klimawandeldiskurs.26 Die Umweltmanager gehen davon aus,
dass der Klimawandel eine temporäre und diskursive Erscheinung ist. Sie organisieren ihre
Datenpraxen daher so, dass sie in zehn Jahren auch auf beliebige andere Umweltdiskurse
reagieren könnten – wie etwa Diskurse über Wasser oder Ökosystemdienstleistungen: Heute
werden Umweltdaten mit einer Tabelle von Umrechnungsfaktoren in Carbon übersetzt (Beispiel:
36,5 t Papier x1,6 kg/t = 58,4 kg CO2e); morgen müssten nur die Faktoren ausgetauscht werden –
schon wären Wasserfakten hergestellt (36,5 t Papier x1197 m3/t = 43691 m3 [virtuelles] Wasser).
Alles Spezifische der Umwelt muss dieser Übersetzbarkeit geopfert werden.
Im Konzern begegnen wir Beratern und Auditoren von global tätigen Beratungsfirmen wie
PricewaterhouseCoopers oder Ernst & Young. Ihre Präsenz im Konzern und auf Dokumenten
signalisiert, dass die Umweltdatenpraxen überprüft und daher korrekt seien. Gleichzeitig wissen
die Mitarbeiter dieser Firmen, dass sie keinesfalls die praktischen Schwierigkeiten ignorieren
dürfen. So zählt eine der Big Four-Firmen in einer Handreichung an das
Umweltmanagementteam weit verbreitete Schwierigkeiten auf:
Annahmen, Schätzungen, Nichtberichterstattung einzelner Sachverhalte, Nichtberücksichtigung von
Themen, Änderung bisher kommunizierter Daten, Abweichung von anderweitig kommunizierte[n] Daten
… [a] alles das ist erlaubt, wenn man es dem Leser gegenüber ausreichend transparent macht! [b] und ein
Grundmaß an Kontinuität der Datenreihen und der Aussagen erhalten bleibt.
Wenn die privatwirtschaftlichen Kontrolleure unrealistische Ansprüche an die
Umweltdatenpraxen stellen würden, wären sie vielleicht bald nicht mehr gefragt, denn sie werden
von den Konzernen bezahlt. Die Qualifizierungen „ausreichend“ und „Grundmaß“ müssen in
Überprüfungsverfahren situativ interpretiert werden. Die im Textkasten des oben skizzierten
Bildes dargestellten Fakten deuten jedenfalls nicht auf etwaige Schwierigkeiten hin; der Fakt
erscheint unproblematisch. Die Lesenden des Nachhaltigkeitsberichts zählen möglicherweise
nicht als Leser im Sinne der Handreichung; jedenfalls scheinen die Überprüfungen der
Qualifizierung von Daten des Konzerns durch die Auditoren nicht dazu zu führen, dass das
Vorspielen der Nicht-Problembehaftung der Konzerndaten unterbleibt. Der Konzern, Berater und
Auditoren stabilisieren sich gegenseitig, indem sie öffentlich signalisieren, dass die Datenpraxen
legitim wären. Die Dilemmata der Datenschaffung kommunizieren sie weder gemeinsam noch in
Isolation (jedenfalls nicht in dem untersuchten Korpus von öffentlicher Kommunikation der
Organisationen). Stattdessen werden die Managementsysteme so optimiert, dass der Schein
erhalten bleibt: Klare, einfache, unkomplizierte Daten werden gefordert und als solche
vorgespielt.27
Für eine kommunizierbare zivilgesellschaftliche „Kontrolliertheit“ des Konzerns bindet er eine
Nichtregierungsorganisation (NRO) aus dem Umweltschutzbereich ein. Mit der Beschreibung
ihrer vermeintlich kritischen Begleitung des Konzerns schließt sich die Beobachtungsreihe der
26 Zu den Zeichen beziehungsweise Begriffen Carbon, CO2 oder CO2e siehe Lippert 2012 b.
27 Diese Beobachtung lässt sich mit Power (1999) als Entkopplung von Auditpraxen und (vermeintlich) auditierter
Substanz bezeichnen.
– 12 –
Kontrollierbarkeit und der Kontrolliertheit der Datenpraxis. Die NRO bekam von dem von mir
untersuchten Konzern eine nur partiell „zweckfreie“ Spende im Umfang von etwa einer Million
US-Dollar. In der Spendenvereinbarung vom 19. Juli 2007 heißt es, die Spende „soll
insbesondere diejenigen Klimaschutzaktivitäten ermöglichen, die das Verständnis für die Risiken
und Chancen des Klimawandels im Finanzsektor fördern“. In der Vereinbarung wurden weitere
Millionen in Aussicht gestellt, in anderen Dokumenten wurde ein Budget von bis zu zehn
Millionen US-Dollar skizziert.28 Im Rahmen ihrer Partnerschaft erfolgten später öffentliche
Bekundungen der NRO, dass die Umweltleistungen des Konzerns vorbildlich seien, vermittelt
durch Hochglanzbroschüren, in der die Kooperation als strategische Partnerschaft gepriesen
wurde. Gemeinsam veröffentlichen der Konzern und die NRO Aufrufe an die Politik, endlich
etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, zum Beispiel zum 34. G8-Gipfel in Tōyako,
Japan, oder zur COP15-Konferenz der Vereinten Nationen 2009 in Kopenhagen, Dänemark. Die
Nichtregierungsorganisation gab also diesem Handeln eine gewisse Vertrauenswürdigkeit: Als
Vorreiter gegen den Klimawandel „neutralisiere“ der Konzern einen Teil seiner Emissionen –
mittels Emissionshandel. Anstatt jedoch die von den Vereinten Nationen „kontrollierten“
Emissionsreduktionszertifikate zu kaufen,29 besorgte sich der Konzern scheinbar noch „bessere“
Goldstandard-Zertifikate. „Premium“-Reduktionszertifikate sollen es sein, unterstützt vom WWF
und von der Deutschen Bundesregierung.30 Diese Zertifikate fließen in die Berechnungen des
ökologischen Fußabdrucks des Konzerns ein, indem sie die CO2-Emissionen des Konzerns
reduzieren. Dass die vermeintlichen Goldstandard-Zertifikate sich bald als Farce erwiesen, weil
sie gefälscht waren,31 fügt der Unkontrollierbarkeit des Konzerns und seiner Emissionen eine
weitere Dimension hinzu.
Wirkungen von Umweltdaten
Die produzierten Daten werden aber nicht nur in Hochglanzbroschüren und auf Websites
übersetzt. Sie nehmen auch an der Formierung anderer Realitäten teil. Die Daten werden also
herangezogen bei einer Vielfalt von Managemententscheidungen, die über Public Relation
hinausgehen, etwa für die Spezifikation von Einkaufsrichtlinien (so wurde während meiner
Feldforschungsphase eine Energieeffizienzklasse für Bildschirme für den globalen Einkauf
definiert) bis hin zum Einkauf von Emissionsreduktionszertifikaten. Sie werden auch als Fakten
an Organisationen übermittelt, die Rankings und Indizes erstellen. Dies sind Instrumente, die laut
28 Währungsschwankungen zwischen verschiedenen Einheiten des Konzerns lassen keine „einfache“ Bezifferung
zu; weitere Unsicherheiten ergeben sich durch die Unterdeterminierung von Spendenplänen. Ein Budgetentwurf,
datiert zum 25. Juli 2006, summiert den „Rahmen der gesamten Partnerschaft“ auf 4,5 bis 6,8 Millionen Euro,
wovon 500.000 Euro komplett zweckfrei sein sollten.
29 Zu den Problemen der unter den Vereinten Nationen entwickelten Zertifikate (Clean Development Mechanism)
vgl. Gilbertson, Reyes 2009.
30 Bumpus, Liverman 2008, S. 146.
31 Lippert 2016 b.
– 13 –
der herrschenden ökonomischen Theorie die Transparenz des Marktes sicherstellen und damit die
Symmetrie von Informationen zwischen den Marktteilnehmenden postulierbar machen.
Tatsächlich wird durch die Illusion, dass sich die Umweltrealität des Konzerns in wenigen –
primär quantitativen – Datenpunkten adäquat darstellen ließe, Marktversagen programmiert: Der
Markt wird nicht über die unklaren sowie möglichen alternativen Bezugsrealitäten zwischen
Konzern und Umwelt informiert, sondern in dem Glauben gelassen, Zeuge einer eindeutigen
Umwelt-Wirklichkeit zu sein. Der Markt wird in der Umweltpolitik behandelt, als ob er
Produktion und Dienstleistung im Verhältnis zu deren Umweltwirkungen optimal lenken könne.32
Der Markt hat jedoch nur Zugriff auf Daten, die in weitgehend ungeklärten, sich ständig
verändernden Bezügen zur Umwelt-Wirklichkeit der Erde stehen. Markt und Gesellschaft wird
aber signalisiert, dass diese Daten die Umweltrealität eindeutig zeigen. Der
Marktprogrammierung sind also realistische Informationen über die Nicht-Eindeutigkeit,
Kontingenz und Inkohärenz von betrieblichen Umweltverschmutzungen vorenthalten. Damit
fehlt die Voraussetzung für real-ökonomisch und gesellschaftlich optimale Entscheidungen.
Programmierte „Fehlallokationen“ von Umweltschäden würde Nicholas Stern dies nennen;33 mit
Michelle Chan34 lässt sich hier das Risiko „Subprime Carbon“ identifizieren. Diese Analyse
behauptet nicht, dass Umweltdaten nicht wirken würden, sondern zeigt, dass die Daten
performativ sind: Sie wirken auf andere gesellschaftliche, ökonomische und klimatische
Realitäten. Nur ob diese Wirkungen unter Kontrolle sind, ist zweifelhaft, da die zugrunde
liegenden Daten und ihre Schaffung und Pflege zum Teil selbst zu hinterfragen sind – und auch,
so zeigt sich, vom Konzern infrage gestellt wurden.
Datenpraxen aus Sicht des Konzerns und die Optimierung von Umweltdatenflüssen
Natürlich waren Praktikern und Verantwortlichen im Konzern die Probleme der
Umweltdatenpraxis bekannt. Gestört haben den Konzern die Reibungen in der Datenschaffung in
den Filialen sowie die Unkontrollierbarkeit von Datenflüssen in und um (a) die Umweltdatenbank
sowie (b) die Umweltdatenarbeiter. Im Zuge der Ausweitung des Umweltmanagementsystems
des Konzerns wurde daher ein Optimierungsprozess für die Umweltbuchhaltung angestoßen. Die
Umweltdaten sollten fortan so produziert werden, dass sie diese Reibungen nicht mehr
verursachen. Mittel dazu war die Integration der Umweltdaten in die von Auditoren bereits als
gut anerkannten Finanzdatenströme. Erster Schritt der Optimierung war eine Selbstanalyse der
Umweltdatenpraxis des Konzerns. Dadurch wurden viele der (unter anderem manche der im
Verlauf dieses Artikels analysierten) Komplexitäten erkannt. Anstatt sich aber mit diesen zu
beschäftigen, ihre Hintergründe zu studieren, um die zugrunde liegenden Widersprüche
32 Vgl. Hajer 1995.
33 Vgl. Stern 2006.
34 Chan 2009; sie ist Autorin für Friends of the Earth der Vereinigten Staaten.
– 14 –
aufzuheben, wurden sie fortgeschrieben. Sie wurden grafisch mithilfe der Formen von
Rechtecken und Pfeilen in ein „Business Process Model“ übersetzt; dort wurden sie rekombiniert,
zusammengezogen und damit vereinfacht, sodass nun ein geordnetes Gesamtmodell erschien. So
zeigten Mitarbeiter zum Beispiel die bereits genannten Pauschalmietverträge als nicht
überwindbares Hindernis der Umweltbuchhaltung in einem der Optimierungstreffen auf − nur um
sie im unmittelbaren Anschluss zu ignorieren. Wesentliche Praxisverfahren, die in der Analyse als
kompliziert und problematisch registriert wurden, wurden aber nicht als kompliziert und
problematisch anerkannt, überdacht und weiterentwickelt. Stattdessen wurde unterstellt, dass sie
mit einem neuen Vorschriften- und Regelpaket zu ordentlichen Daten führen würden. Das heißt,
diese Annahmen erlaubten die Ignoranz der in der Analyse des Konzernmitarbeiters registrierten
Probleme und Komplexitäten der Umweltdatenpraxis. Auf dem Papier des neuen Modells
erschienen Umweltverschmutzungen und der Verbrauch von Ressourcen als eindeutig erkennbar.
Damit erlaubte die technische und organisatorische Konfiguration35 des neuen Systems, die
Beziehungen des Konzerns zur Umwelt, und damit auch zu den Umweltproblemen, in den Kern
der Finanzbuchhaltung zu integrieren und damit so zu entproblematisieren.
Zusätzlich zu dieser geschickten technisch-organisatorischen Konfigurationsebene hat sich der
Konzern der Mitarbeiter entledigt, die die tatsächliche Schaffung und Pflege der Umweltdaten
kannten. Als Ergebnis bekam der Konzern ein Umweltdatensystem, welches sowohl technisch-
organisatorisch als auch menschlich so geordnet wurde, dass die Probleme und Komplexitäten
effektiver ignoriert werden konnten;36 das Nichtwahrhabenwollen erreichte sowohl das
Verschwinden als auch das Ausbleiben von Dissonanzen. Die Optimierung der
Konzernumweltpraxis führte also dazu, die zugrunde liegenden Umweltbeziehungen und
-probleme so zu positionieren, dass sie den Konzern nicht mehr stören.
Zusammenfassung
Die Unkontrollierbarkeit der Umweltbuchhaltung ergibt sich aus dem Widerspruch zwischen dem
Verhältnis von Ressourcenverbrauch, den Schwierigkeiten der Umweltdatenschaffung und den
Komplexitäten der Pflege des Umweltdatenraums auf der einen Seite und der Programmierung
von Datenpraxen zum Vorspielen von Klarheit und Eindeutigkeit auf der anderen Seite. Die
Ignoranz der Komplexitäten und Probleme der Umweltdatenpraxis sowie die Auflösung der
Arbeitsbeziehung zwischen der zentralen Umweltmanagementabteilung und der Mitarbeiter, die
sich mit diesen Komplexitäten und Problemen auskannten, führen zu einem Verlust der Klarheit
über die Beziehung des Konzerns zur Umwelt. Es entsteht ein Verlust an Möglichkeiten, Umwelt-
und Umweltdatenrealitäten überhaupt qualitativ verständlich zu nutzen, um die
35 Suchman (2012) stellt das Konzept der Konfiguration als analytischen Zugang vor, um sowohl die Praxis des
Konfigurierens heterogener Bestandteile als auch den Effekt dieser Praxis – die Konfiguration – fassbar zu
machen.
36 Vgl. Lippert 2011.
– 15 –
Umweltbeziehungen des Konzerns zu klären. Sich in diesem Widerspruch bewegend, müssen
Mitarbeiter Techniken und Handlungen so konfigurieren, dass die Techniken und Handlungen
den Widerspruch aushalten und die Mitarbeiter ihn ebenso aushalten wie auch ignorieren können.
Die Datenpraxen werden in der Arbeitspraxis bereits taktisch gestaltet, sodass der Konzern
letztlich erwünschte Umwelten (re)präsentieren kann. Lediglich einige der Daten als manipuliert
herauszustellen geht an der Realität der taktischen Datengestaltung vorbei: Umweltdaten werden
situativ erhandelt. Das Versprechen der Kontrolliertheit und Kontrollierbarkeit von
Umweltdatenpraxis wird nicht eingelöst.
2. Rekonstruktion der Wirklichkeit von Carbon im Konzern
In der folgenden Analyse des Charakters von Umwelt im Konzern beziehe ich mich auf den im
Klimamanagement und in der Klimagovernance gebräuchlichen Containerbegriff Carbon,37 um
die Austauschbarkeit der Referenz zu den angenommenen äußerlichen Realitäten mitzudenken.
Die Austauschbarkeit von Umwelten stabilisiert den Umweltbuchhaltungsdiskurs und -dispositif.
Wie existiert also Carbon im Konzern?
Gezeigt wurde bereits: Für die konkrete, praktische Datenarbeit im Konzern existiert die Umwelt
als vielfältiger und komplizierter Datenraum. In diesem müssen sich die Umweltbuchhalter
taktisch bewegen und die Umwelt so schaffen, dass sie dem Konzern dient. Die Vorteile für den
Konzern liegen auch im Interesse der Mitarbeiter, nämlich ihrer Jobsicherheit und Karriere. Es
sind aber nicht nur diese Interessen, die die Bedingungen mitbestimmen, unter denen hier
Umwelt geschaffen wird. Im Folgenden ist zu zeigen: Ebenfalls wird das Schaffen,
Aufrechterhalten und kontinuierliche Umsorgen von Umwelt durch die konkreten, materiellen
und praktischen Handlungssituationen strukturiert.
Carbon als Effekt digitaler Praxis
Wesentlich bestimmt wird die Form, in der Carbon im Konzern existiert, durch die
Umweltdatenbank und andere Träger von Umweltdaten wie Tabellenkalkulationsblätter (zum
Beispiel Excel).38 In der Arbeitspraxis muss Carbon jeweils so geschaffen werden, dass es in
spezifischen Medien existieren kann. Drei Sätze sind Schlüssel für ein realistisches Verständnis
der Wirklichkeit von Carbon im Konzern. (1) Carbon-für-den-Konzernbetrieb ist nicht etwa ein
Molekül wie CO2 oder eine Reihe von Treibhausgas-Molekülen, wie sie beispielsweise das Kyoto
Protokoll − ähnlich wie das Intergovernmental Panel on Climate Change − definiert hat. (2)
37 Zur Definition von Carbon im Verhältnis zu Kohlenstoff und Kohlenstoffdioxid siehe Lippert 2012 b.
38 Für eine vergleichbare Analyse siehe Kalthoff 2005.
– 16 –
Anstatt einer naturwissenschaftlichen Deutung gilt in der Konzernpraxis: Carbon ist Information.
(3) Carbon muss in eine Form gebracht werden, damit es für den Konzern verarbeitbar ist.
Formen, wie jedes Formblatt, sind begrenzend. Nicht alles passt hinein.39 Dass nicht alles in eine
Form passt, ist banal. Problematisch ist jedoch, dass Carbon hier auf eine kleine Anzahl von
Formen reduziert wird. Wenn Datenarbeiter nichtkompatible Ergänzungen haben oder etwa
Annahmen transparent machen wollen, gehen diese Aussagen beim Formatieren, Reformatieren
und beim Kopieren – also beim Übersetzen – zwischen verschiedenen Medien schnell verloren.
Welche Grenzen also in den digitalen Formen gezogen werden, bestimmt mit, wie Carbon
existieren kann. Nicht nur Deutungshoheit, sondern auch die materielle Macht über die
Emissionen des Konzerns liegen damit im Wesentlichen in der Formatierung von den
Datenbanken, in denen Carbon existiert. Diese Datenbanken sind aber nicht statisch. Sie müssen
ständig gepflegt, aktualisiert und kontrolliert werden. So erläuterte mir die Assistentin des
Umweltbuchhalters, dass sie in der Überführung von großen Datenbeständen explizit nicht
automatische Übersetzungen nutzen, sondern die einzelnen Datensätze beim Überführen
„korrigieren“ sollte. Die Herstellung von Carbon ist also kein einmaliger Vorgang, sondern eine
kontinuierliche Handlung, die immer mit der technischen wie auch mit der sozialen und
organisationalen Infrastruktur weiterverhandelt werden muss. Wenn die Kontinuität, die eine
Carbon-Realität zusammenhält, unterbrochen wird, kann de facto eine Umwelt vergessen,
verdrängt oder gelöscht werden. Die Materialität von Umwelt im Konzern ist primär digital.
Umwelt ist der Umweltbuchhaltung nicht äußerlich; sie entsteht verwoben mit ihrer
Programmierung.
Annahmen und Herstellungsnormen für Umweltdaten ohne Verbrauchsdaten
Den Kern dieser Punkte illustriere ich mit der Beschreibung einer Interaktion zwischen dem
Umweltbuchhalter des Gesamtkonzerns und mir. Wir diskutierten, wie er Emissionen berechnet
haben möchte, die nicht auf „gemessenen“ beziehungsweise „erfassten“ Verbrauchsdaten
basieren (wir bewegen uns also nun in einem Teil-Datenraum, der noch abgekoppelter ist von den
konkreten Verbrauchsrealitäten als die oben beschriebene Erschaffung von „sicheren“ Daten). Ich
schlug vor, die nun neu zu berechnenden Emissionen auf den bereits berechneten Emissionen der
bereits erfassten Konzernabteilungen fußen zu lassen. Dabei nahm ich an, dass die nicht erfassten
Abteilungen in ähnlichen materiellen Infrastrukturen tätig sind wie die benachbarten Abteilungen
am selben Standort oder im selben Land, also dass etwa erfasste und nicht erfasste Abteilungen
die gleiche Art von Strom einkaufen, zum Beispiel Kohlestrom. Aus den ähnlichen
Infrastrukturen könnten dann ähnliche Emissionstypen resultieren, und darüber ließen sich mit
den bereits erfassten Emissionen kompatible neue Emissionsmengen berechnen. Dagegen
entschied der Umweltbuchhalter, dass der Konzern nicht die Annahme macht, dass die
39 Robson 1992; Callon 1998.
– 17 –
Emissionstypen sich ähneln, sondern nur, dass die Verbrauchsmengen sich ähneln, aber die
Bereitstellung und Produktion des verbrauchten Materials oder der eingekauften Dienstleistung
sich unterscheiden können. Der Fall einer Berechnung der Emissionen, die aus der Stromnutzung
resultieren, zeigt den Unterschied zwischen unseren Ansätzen auf. Wenn es etwa um eine Filiale
ginge, in der mehrere Abteilungen Strom einkaufen, der in Kohlekraftwerken produziert wird,
würde ich davon ausgehen, dass die Abteilungen, die keine Verbrauchsdaten lieferten, ebenfalls
Kohlestrom beziehen. Der Konzern macht dagegen die Annahme, dass die nicht erfassten
Abteilungen einen Strommix beziehen, der dem Durchschnitt des Landes entspricht (also zum
Beispiel Wasserkraftstrom enthält). Wenn die nicht erfassten Abteilungen einige hundert
Mitarbeiter haben, resultiert ein Emissionsunterschied von mehreren tausend Tonnen CO2e
(berechnet mit 500 Mitarbeitern und deren durchschnittlichen Verbräuchen/Emissionen).40
Konkurrierende Emissionsrealitäten
In der Datenbankinfrastruktur koexistieren gleich mehrere alternative Datensätze. Die
Emissionen werden in vielen Dateien gespeichert, verteilt über mehrere Server. An verschiedenen
Speicherorten existieren so die Emissionen parallel. Beim Abfragen von Emissionsfakten werden
dann idealerweise die aktuellsten Emissionen benutzt zur Erstellung von Umweltberichten oder
zur Unterstützung von Nachhaltigkeitsmanagemententscheidungen. Die Nutzung spezifischer
Emissionen ist aber nicht garantiert. Oft zirkulieren parallel konkurrierende „Emissionsrealitäten“
innerhalb des Konzerns sowie über seine Grenzen hinweg – etwa zu den Organisationen, die
Rankings und Indizes erstellen, sowie in die interessierte Öffentlichkeit. Jede Emissionsrealität
wird aber als singulär existierend dargestellt. So schwanken zum Beispiel die Fakten des
Konzerns über seine Emissionen in seinem Basisvergleichsjahr (baseline; also die Emissionen
des Jahres, relativ zu dem der ökologische Fußabdruck reduziert werden soll): Die 2006er-
Emissionen etwa einer französischen Unternehmenseinheit steigen zwischen den Berichten aus
dem Frühjahr 2007 und dem folgenden Winter um etwa drei Prozent; die der brasilianischen
Konzerntochter erhöht sich gar um rund 60 Prozent innerhalb von vier Monaten. Mit solchen
„Verbesserungen“ der Emissionsrealitäten lassen sich auch einfach Emissionsreduktionen
erreichen: Man erhöhe die Emissionen in der Vergangenheit und halte aktuelle Emissionen stabil,
schon sinken die jährlichen Emissionen um mehrere Prozentpunkte.
Wo ist die Umwelt des Konzerns?
Im Ergebnis sind Carbon-Emissionen – ja die Umwelt – nicht außerhalb des Konzerns zu suchen.
40 Die Details der Analyse und der Rechnung sind bereits veröffentlicht; Lippert 2013.
– 18 –
Auch wenn die Begriffe „Umwelt“, „CO2“, „Carbon“ eine äußere Realität zu bezeichnen suchen,
werden doch die konkreten Resultate – also Umweltfakten – überwiegend durch die interne
kontinuierliche Arbeitspraxis und die Datenverwaltungsinstrumente des Konzerns bestimmt. Wir
finden keinen einfachen Zusammenhang zwischen Umwelt auf dem Papier/in der Datenbank und
„externen“ Umweltobjekten. Stattdessen korrespondiert die Umweltrealität des Konzerns mit
dem bürokratisch-technisch programmierten Apparat (also der spezifischen Konfiguration von
Mitarbeitern und den Instrumenten, die sie nutzen).41 Innerhalb des Apparats werden die
Konzernumweltrealitäten hergestellt und zusammengehalten – nicht außerhalb. Resultat ist eine
mehrfache Umwelt; Umwelt existiert in und durch multiple Praxis in verschiedenen Versionen,
weil unterschiedliche Datenpraxen unterschiedliche Konfigurationen von Realitäten schaffen.
Kritik am Herstellungsapparat
Der Herstellungsapparat für Umwelt-als-Daten funktioniert keineswegs deterministisch. Vielmehr
wird in ihm taktisch und strategisch gehandelt. Manche der multiplen Umweltrealitäten werden
gelöscht, andere überschrieben, verbessert, einander angeglichen. Über die Zeit schwanken sie.
Die hergestellten Umweltrealitäten sind immer mehrfach, unvollständig, konfiguriert für
bestimmte interne und externe Zielgruppen; sie sind geprägt von den Handlungssituationen, in
denen sie hergestellt wurden. Dass die Umweltrealitäten nicht einfach, neutral oder gar objektiv
sind, ist hier nicht das Problem. Diese Kriterien sind innerhalb der Organisationspraxis nicht
erfüllbar. Problematisch sind zum einem das Darstellen der Fakten als sowohl konkret gegeben,
einfach, neutral und objektiv sowie zum anderen das Vorspielen, dass diese Kriterien prinzipiell
erreichbar seien. Programmierungen, die singuläre, klare, determinierte Umwelten voraussetzen,
können nur zu Fehlentscheidungen führen.
Zusammenfassung: eine dynamische Bereitstellung von passenden Umweltrealitäten
In den Darstellungen von Umweltrealitäten des Konzerns geht verloren, wie Carbon im Konzern
existiert. Die Umweltrealität ist als ein kontingenter, kontinuierlich von Menschen, ihren
Instrumenten und Quellen veränderter und immer weiter veränderbarer Möglichkeitsraum von
Daten zu begreifen. So wie sich eine Landschaft verändert – nämlich nicht beliebig, sie ist auch
historisch und politisch geformt, wird der staatlichen Planung und Pflege unterzogen42 –, so muss
auch die Datenlandschaft des Konzerns beständig sorgsam gepflegt werden, sie muss geordnet
41 Für eine weiterführende Analyse siehe Lippert 2011; Lippert 2015; vgl. Suchman 2012.
42 Landschaft wird in Deutschland unter anderen nach dem Bundesnaturschutzgesetz geplant und gepflegt
(„Landschaftsplanung“, §13 BNatSchG 2002). Instrument der Landschaftspflege ist auch der
Landschaftsrahmenplan, der genaue Kartierungen von Biotopen/Biotoptypen voraussetzt. Landschaft wird also
kontinuierlich administriert, sorgsam von verteilten Akteuren zwischen Staat und Ökologie gepflegt. Zur
geografischen und historischen Einordnung von Landschaft und Natur, siehe Olwig 2002; Cronon 1996.
– 19 –
werden, um passende Umweltergebnisse für die sie Nutzenden zu generieren: Die als passend
und ordentlich geschaffene Umwelt ist ein Effekt des Zusammenwirkens der technischen und
organisatorischen Instrumente und ihrer Nebeneffekte, der Handlungen und Interessen der
Mitarbeiter selbst und auch des Interesses des Konzerns, gut dazustehen wie auch staatlicher
Regulierung vorzubeugen. Die Gestaltung der Umwelt zielt auf eine Passung für all diese
verschiedenen Nutzungskontexte ab. Die Umweltfakten, die der Konzern uns präsentiert,
spiegeln eher die Vorstellungen des Konzerns dazu, was ein aktuelles Publikum erwartet, wider
als die „tatsächlich“ vom Konzern verursachten Mengen des Verbrauchs von Ressourcen und
Umweltzerstörungen. Dabei schafft der Konzern es jedoch nicht, die Umweltfakten genau zu
kontrollieren. Was der Konzern verursacht, bleibt draußen und kann nicht über die
Umweltbuchhaltung in die interne Entscheidungsfindung des Konzerns eingebracht werden.
Stattdessen erschafft die Umweltbuchhaltung dynamische Landschaftsbilder, die der Konzern
unter anderem für sein nachhaltigkeitsbewusstes Publikum ausstellt – je nachdem, welche
Umweltform gerade „in Mode“ ist. So sagt die Managementlogik: Heute fragt eine kritische
Öffentlichkeit nach CO2-Fußabdrücken – und morgen? Umweltrealitäten werden daher so
produziert, dass sie nicht stören. Das ist möglich durch die einfallsreiche, aufmerksame,
reflektierte und strategische Datenumsorgung in der Umweltdatenlandschaft.
3. Exkurs: Volkswagen und die kreative Umgehung von Kontrolle im staatlichen
Kontext
Diese Qualität von Datenpraxis unterminiert natürlich die Selbstkontrolle des Finanzkonzerns
über seine Umweltbeziehungen. Diese Analyse mag dazu verleiten, nach dem Staat als Regulator
zu rufen. So ließe sich der Volkswagen-Skandal anführen: Anscheinend hatte Volkswagen (VW)
kreativ Datenprozesse in seinen Autos so gestaltet, dass die Emissionen der Autos in
standardisierten Tests den Richtwerten entsprachen: Daten-Sensor-Technik wurde so eingesetzt,
dass eine Abschalteinrichtung in Funktion trat, die das Emissionsverhalten des Autos während der
Tests an den Richtlinien ausrichtete; außerhalb der Testumgebung war die Höhe der Emissionen
jedoch nicht mehr den Vorgaben entsprechend sichergestellt. VW hat seit dem Entdecken der
Abschalteinrichtungen Personen in der Führung des Konzerns ausgetauscht; die „Reparatur“ von
Autos mit Abschalteinrichtung wurde von VW begonnen. Diese Beschreibung könnte als Beispiel
dafür gelten, dass staatliche Regulierung effektiv den Schutz von Umwelt erreichen und die
Qualität von taktischer Datenumsorgung, die ich als aufmerksam, reflektiert und strategisch in
diesem Artikel analysiere, verhindern kann.
Die Situation erscheint aber analytisch und politisch komplexer zu sein, als in dieser kurzen
Betrachtung deutlich wird. Die folgenden fünf Komplexe scheinen besonders relevant. (1) Bereits
seit Jahren ist feststellbar, dass die Lücke zwischen Emissionen unter Testbedingungen und
– 20 –
Emissionen in der „äußeren“ Realität, auf der Straße, gestiegen ist – der ICCT zum Beispiel
beobachtet etwa die Vergrößerung dieses Unterschieds von CO2-Emissionen von etwa 8 Prozent
(2001) auf 40 Prozent (2014).43 (2) Dies ist nicht spezifisch für VW. Es werden ebenso
signifikante Abweichungen etwa für Honda, Hyundai/Kia Mazda, Mercedes-Benz und Mitsubishi
berichtet.44 Mitsubishi beispielsweise gibt Fälschungen ab 1991 an.45 Volkswagens „kreative“
Konfiguration von Technik, um niedrige Emissionsrealitäten zu erzielen, war also gar nicht
unbedingt so kreativ, sondern war oder ist weit verbreitet. (3) Über die Möglichkeit, dass die
Autodateninfrastruktur die Labortestbedingungen erkennt und darauf reagieren kann, hat die
RDE-LDV Arbeitsgruppe des Forschungszentrums der EU-Kommission bereits 2013 berichtet.46
Die US-amerikanische Umweltagentur (EPA) hat laut Alex Davies noch 2015 im Rahmen des
Urheberrechts versucht zu verhindern, dass die Öffentlichkeit Zugang zur Überprüfung oder
Veränderung der Bordelektronikprogrammierung bekommt.47 Es muss infrage gestellt werden,
inwieweit staatliche Stellen überhaupt an der Durchsetzung ihrer Normen interessiert sind.
(4) In der historischen Kontextualisierung des aktuellen Falls fällt auf, dass etwa zehn Jahre nach
der Verabschiedung des amerikanischen Clean Air Acts (1963) die EPA anfing,
Abschalteinrichtungen bei verschiedenen Herstellern zu identifizieren, etwa 1973, 1995, 1996
und 1998.48 Die amerikanische Schnellstraßensicherheitsbehörde (NHTSA) wiederum führt auf,
welche Hersteller Strafen für das Übertreten der Normen für die Sparsamkeit im
Kraftstoffverbrauch zahlen mussten.49 In der Periode von 1983-2012 sind zwei Drittel der
Hersteller Mehrfach-„Sünder“. An ihrer Spitze stehen die Konzerne Mercedes/Daimler/Chrysler,
BMW und Volkswagen/Porsche mit durchschnittlichen Strafzahlungen von drei Millionen US-
Dollar pro Strafe (und durchschnittlich mehr als einer Strafzahlung pro Jahr).50 Das Nicht-
Einhalten der staatlichen Normen ist offensichtlich akzeptierter Teil der Beziehungen zwischen
Hersteller und Staat. Zwar hat die EPA im aktuellen Volkswagen-Fall die Möglichkeit,
Strafzahlungen in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar zu verhängen (die Anklage des U.S. Justice
Department forderte gar bis zu 48 Milliarden US-Dollar),51 die Finanzdetails des Falles Toyota
um die Jahrtausendwende werfen aber Fragen über die tatsächlich zu erwartende
Strafzahlungshöhe auf: Toyota war verklagt auf bis zu 58 Milliarden US-Dollar Strafe, konnte
sich aber mit der EPA auf eine Zahlung von 0,06 Prozent dieser Summe – 34 Millionen US-
Dollar – einigen. Selbst wenn ein Staat Strafzahlungen einfordert, sind diese Forderungen also
nicht unbedingt so gestaltet, dass die Strafe für Umweltverschmutzungen maximiert wird. Keine
43 ICCT 2015, S. 3.
44 Carrington 2015; RFF 2016.
45 BBC TopGear 2016.
46 RDE-LDV 2013.
47 Davies 2015.
48 Siehe „Defeat Devices“ in Wikipedia. https://en.wikipedia.org/w/index.php?
title=Defeat_device&oldid=700389261 (Zugriff vom 26.06.2016); Beene 2015.
49 Siehe www.nhtsa.gov/staticfiles/rulemaking/pdf/cafe/cafe_fines-07-2014.pdf (Zugriff vom 26.06.2016).
50 Diese Durchschnittswerte beinhalten die Zahlungen von BMW of North America, Chrysler Group LLC,
DaimlerChrysler Corp., Mercedes Benz of North America, Inc., Porsche Cars North America, Inc., und
Volkswagen of America, Inc.
51 Edwards, Prodhan 2016.
– 21 –
Qualität der staatlichen Strafgestaltung (und kein Kontrollansatz) kann als neutral gelten, da
jegliche Gestaltung Gewinner und Verlierer impliziert.
(5) Eine politische Erklärung könnte in dem gestiegenen öffentlichen Interesse an dem Erhalt und
der Unterstützung der Automobilindustrie seit den 1970er Jahren liegen, protektionistisch
unterstützt insbesondere seit Reagans Präsidentschaft.52 George W. Bush und Barack Obama
haben sich beide aktiv für die Rettung der amerikanischen Autoindustrie stark gemacht: 61,1
Milliarden US-Dollar wurden vom Staat in die nahezu vor der Aufgabe stehenden Komplexe von
General Motors und Chrysler gesteckt.53 Die vereinfachte ökonomische Theorie erklärt, dass die
moralische Seite der Strafzahlung oder des Anlasses der Strafzahlung an sich nicht ökonomisch
relevant ist. Relevant ist in dieser Logik nur die Strafzahlung selbst, die als Kostenpunkt auftritt.54
Betriebswirtschaftlich lässt sich erwarten, dass die Strafkosten den Kosten für die technischen
Investitionen zur Einhaltung der (Umwelt-)Normen gegenübergestellt werden. Ökonomisch mag
es einfach nicht effizient sein, die Normen genau einzuhalten, wenn die Strafzahlungen für die
Firmen billiger sind;55 und die effizientesten Lösungen werden im marktwirtschaftlichen
Wettbewerb als Erfolg gewertet.
Dieser Exkurs zeigt, dass staatliche Regulation und Kontrolle nicht deterministisch von außen das
Konzernhandeln beeinflusst. Stattdessen ist es für Akteure in Firmen rational, staatliche Normen
als Teil ihres taktischen Spielraums zu begreifen, in dem sie verschiedene Risiken (wie
Strafzahlungen oder Reputationskosten) berücksichtigen, aber die Normen auch ignorieren
können. Die Akteure der Autohersteller sehen offensichtlich die Möglichkeit, Autos mit einer
Technik auszustatten, mithilfe derer Umweltnormen ignoriert werden können. Dies ist ihnen nur
möglich, wenn sie die staatlich eingeforderten Umweltrealitäten nicht als determinierend
begreifen, sondern staatliche Forderungen in ihren taktischen Spielraum als eine weitere
Beziehungsebene integrieren. Gleichzeitig zeigt sich in diesem Exkurs, dass staatliche (oder
staatlich unterstützte) Kontrolle über Umweltrealitäten selbst nicht per se stringent für den
Umweltschutz maximiert wird.
Die Schaffung und Pflege der Umweltrealitäten von Autos, genauso wie die der Umweltrealitäten
in der Finanzindustrie, brauchen einfallsreiche, aufmerksame, reflektierte und strategische
Akteurzugänge. Regulationsansätze müssen beobachtet werden, ja idealerweise vorausschauend
abgewehrt oder beeinflusst werden; im Falle einer Regulierung lohnt es sich, mit staatlichen
Stellen zu kooperieren, um die Kosten für den Konzern zu minimieren. Die Alljährlichkeit der
Strafzahlungen für falsche Treibstoffeffizienzangaben und die Erfahrung der Verringerung von
Strafbeträgen um einen Faktor von 1.700 seitens der EPA zeigen, dass Umweltregulation nicht
mehr als einer von vielen Faktoren in komplizierten und technisch und sozial verteilten
kalkulierenden Praxen in der Umweltdaten- und -kostenlandschaft sein kann.
52 Nelson 1996.
53 Webel 2013, S. 9.
54 Williams 2011.
55 Morgan 2016.
– 22 –
4. Fazit und Implikationen
Für den Konzern ist die Umwelt in der Datenbank. Emissionen sind digital.
Umweltmanagementpraktiken stellen CO2-Emissionen her – so, dass sie flexibel sind und
bleiben, ohne aber beliebig zu fluktuieren. Dies erlaubt den beteiligten Akteuren, Emissionsfakten
jeweils so her- und darzustellen, wie sie gerade für die Darstellung von kontrollierten Konzern-
und Umweltrealitäten notwendig sind. Unpassende Emissionsversionen werden so weit als
möglich verdrängt. Kontrolliertheitsindikatoren signalisieren gleichzeitig die Legitimität der
Daten. Die – unisono mit multinationalen Auditoren – vorgespielte Kontrolliertheit stabilisiert
Emissionsrealitäten innerhalb des Konzerns und bindet sie an globale Öffentlichkeiten. Die
Qualität von Kontrolle ist spezifisch: Kontrolliert wird jeweils in technisch, körperlich und
diskursiv situierten Handlungsarrangements wie etwa dem gemeinsamen Anschauen, dem
Verschieben einer spezifischen Datei oder dem Zitieren von Standards und Zertifikaten. Und auf
diese Handlungsarrangements ist Kontrolle auch begrenzt. CO2-Emissionen außerhalb der
praktischen Handlungsarrangements sind nicht kontrollierbar. Formale Grenzziehungen des
vermeintlich „gemessenen“ Systems spielen keine deterministische Rolle. Den
Kontrollansprüchen kann in diesen Handlungsarrangements nicht genügt werden. Ökonomische
und politische Klimawandelrealität wird durch die Effekte solcher Schauspiele mitkonfiguriert.
Die Emissionen des Konzerns werden in ökonomische Nachfrage nach
Emissionsreduktionszertifikaten übersetzt – sowie in den Nachhaltigkeitsdiskurs. All dies wird
ermöglicht, weil für den Konzern und für diese Diskurse CO2-Emissionen praktisch Daten sind
auch wenn sie sich rhetorisch auf eine äußere Umweltrealität beziehen. Für die unmittelbare
Praxis im Konzern sind Emissionen als Daten relevant und nicht als Moleküle. Daten (also
Zahlen, Einheiten und Kategorien) sind aber nicht gegeben, sondern sie sind Fakten, sie werden
gemacht − in den Datenherstellungsapparaten, die die Menschen nur begrenzt unter Kontrolle
haben. Die Handlungen, die Daten in Versionen von Umwelt übersetzen, sind nach dem
Einbringen nicht abgeschlossen. Damit die Daten weiter existieren, muss man sie ständig
aufrechterhalten, weiter er- und verhandeln. Und: Daten, also Umwelten, könnten jeweils auch
anders gemacht, anders gehandelt werden (Versionen 2a, b, c ...). Dass CO2-Emissionsversionen
gemacht werden, ist nicht zu bemängeln, sondern wie sie gemacht, wie ihre Uneindeutigkeiten
verhandelt werden. Akteure der Umweltbuchhaltung erscheinen nicht als grüne Erbsenzähler.
Arbeiter_innen und nichtmenschliche Akteure, wie Datenbanken, finden in einer generativen,
kreativen und taktischen Arbeit – mehr oder weniger reibungsvoll – zusammen; in ihrer
dynamischen Konstellation konfigurieren sie Umwelten, die nicht unabhängig von der Arbeit, die
die Umwelten schaffen, existieren.
Für den gesellschaftlichen Umgang mit betrieblichen Umweltverschmutzungen sind diese
– 23 –
Ergebnisse unmittelbar relevant, weil sie die zugrunde liegende Theorie von Markt- sowie
staatlicher Regulierung infrage stellt. Die ethnografische Beobachtung hat gezeigt, dass die De-
facto-Implementierung des ökonomischen Internalisierungsprojekts darauf ruht, unpassende
Umwelt zu externalisieren. Die Volkswirtschaftslehre nennt diesen Effekt Marktversagen, weil
die Umwelt nicht eingepreist wird.56 Die Hypothese der ökologischen Modernisierungstheorie,
dass Umwelt zentral wird im Kapitalismus, wird durch die Untersuchung des gelebten Alltags im
Umweltmanagement problematisiert: Nur die nicht störenden Umwelten dürfen zentral werden;
die den vom Konzern gewünschten Ordnungen nicht entsprechenden Umwelten aber müssen
draußen bleiben – denn sie passen nicht in die technisch-sozialen Verwaltungspraktiken des
Konzerns. Auch mehr staatliche „Kontrolle“ würde nicht viel verändern. Behörden wären nur
weitere Beteiligte in der Datenlandschaft. Staatliche Organisationen bestehen wie die Firmen
etwa aus Menschen, „Teammeetings“ und technischen Infrastrukturen, die mit der betrieblichen
Konfigurationspraxis von Umweltdatenräumen in Interaktion treten können und teilweise in die
taktischen Spielräume der Konzernakteure übersetzt werden; die menschlichen, diskursiven und
technischen Agenten des Staates sind praktisch, materiell und diskursiv zwar anders als
nichtstaatliche Agenten, aber immer noch situiert und begrenzt;57 sie können die Schaffung und
Pflege der Umweltrealitäten des Konzerns nicht determinieren. Neutralität ist dabei für diejenigen
konkreten Mitarbeiter, die im Auftrag des Staates handeln, genauso wenig möglich, wie neutrales
Handeln für Konzern- oder Wissenschaftsarbeiter praktizierbar ist.58 Selbst staatliche Rohdaten
können nicht neutral sein – wenn Daten immer praktisch erstellt werden; der Begriff „Rohdaten“
ist ein Oxymoron.59 Wie der Exkurs zum Fall Volkswagen gezeigt hat, wäre im Falle eines
politischen „Rückschritts“ vor die Zeiten der ökologischen Modernisierung damit zu rechnen,
dass Überwachte und Überwacher sich ebenso praktisch arrangieren, um erfolgreiche
Überwachungspraxis vorzuspielen, wie im Falle der privaten Kontrolleure der ökologischen
Moderne.
Verallgemeinert finden wir, dass Kontrolle erfolgreich vorgespielt werden kann – gerade weil alle
unmittelbar Beteiligten gemeinsam die Überkomplexität und Nicht-Kontrollierbarkeit praktisch
akzeptieren; während sie sich und den Öffentlichkeiten rhetorisch die Kontrolliertheit –
zumindest die prinzipielle Kontrollierbarkeit – zusichern. Gemeinsam wahren die Beteiligten die
Kohärenz des Diskurses der „Herrschaft der Zahlen“60 und verursachen so ein systematisches
Versagen von Kontrolle. Konkret müssen die Umweltbuchhalter ihre Konfigurationspraktiken im
Datenapparat kontinuierlich weiterführen. Die Konsequenz ist die Erzeugung vielfacher
Realitäten, und diese sind nicht reversibel; der Apparat ist nicht mal ein Fahrtenschreiber, der sich
retrospektiv klar auslesen ließe.
Diese Analyse öffnet gesellschaftliche Diskussionsräume. Sowohl zukunftsgewandte
56 Vgl. Stern 2006.
57 Vgl. Scott 1998.
58 Vgl. Latour 1987.
59 Gitelman 2013.
60 Vgl. Köhler 2010.
– 24 –
Regulationsszenarien als auch retrospektive Betrachtungen sollten die praktische Realität von
Daten, die jegliche „äußeren“ Realitäten zu repräsentieren suchen, berücksichtigen. Gerade weil
Datenapparate nicht deterministisch arbeiten und gleichzeitig hochflexibel sind, können wir auch
erwarten, dass Unternehmen auf ähnliche Weise mit anderen gesellschaftlichen
Rechenschaftsverpflichtungen umgehen. Für jegliche Rechenschaftslegung müssen wir so mit
ähnlichen materiellen Kontrollunmöglichkeiten rechnen.
Das heißt, die Untersuchung der Arbeitspraxis im betrieblichen Umweltschutz resultiert in einer
völlig neuen Konzeption der Umwelt, in der wir leben. Die Umwelt und deren Verschmutzung,
die der Konzern uns präsentiert, sind zuallererst digitales Artefakt und nicht, wie zumeist
dargestellt, ein realistisches Abbild der tatsächlichen zerstörenden Einwirkungen eines Konzerns
auf die konkrete Umwelt „draußen“ (also beispielsweise auf den Fluss, den Wald, die
Staubbelastungen in der Innenstadt, das Mikroklima). Die spezifischen Eigenheiten der
Konzernumwelten als digitales Konstrukt erlauben „Umweltschutz auf dem Papier“, in der
Hochglanzbroschüre und auf der Website. Für effektiven Umweltschutz, effektives Management
und Governance von globalen Umweltveränderungen müssen die spezifischen Realitäten von
organisationalen Umwelten und ihren möglichen kausalen Wirkungsketten neu gedacht werden.
Nur dann lassen sich Umwelten „draußen“ besser greifbar machen. Ein eindeutiges Abbild der
Umwelt „draußen“ ist dabei nicht zu erwarten.
Ausblick
Basierend auf dieser Analyse der Unmöglichkeit einer neutralen Umweltdatenbasis, stelle ich im
Folgenden normativ-präskriptive Überlegungen dar. Unabhängig von der konkret verfolgten
Politik, ob im Parlament – ob christdemokratisch, sozialdemokratisch, grün oder sozialistisch –,
am Arbeitsplatz oder auf unseren Straßen, ist es nach meinem Verständnis der unmittelbaren
Implikationen der Analyse nun angebracht, andere Formen von Kontrolle zu entwickeln. Nicht
nur für den Betrieb sind andere Kontrollformen notwendig, sondern auch für – oder anstelle von
– internationale(n) Verträge(n) oder Marktregulation, die bisher die Kontrollierbarkeit der
Umweltverschmutzungen von Unternehmen voraussetzen.
Empirisches Fundament für jegliche neuen Formen von Kontrolle über Umwelt sollte sein:
Entscheidende beziehen sich immer auf eine normativ, praktisch konstituierte sowie ständig re-
und weiterkonfigurierte Umweltrealität. Entscheidungsfindung in konkreter Politik und
konkretem Management von Umwelt – ob zum Beispiel im Büro oder auf dem Acker – muss sich
Raum geben für die Auseinandersetzung mit dieser als dynamische Faktenlandschaft
konstituierten Umwelt-Wirklichkeit. Nur eine solche Entscheidungs-Programmierung, die diese
Auseinandersetzung erlaubt, hat eine Chance, Umwelten gesellschaftlich akzeptabel zu
berechnen, zu managen, zu regieren – gesellschaftlich zu verhandeln. Dass Daten konstruiert
– 25 –
werden, nie vollständig und final sind, sondern sich immer weiter verändern, ist prinzipiell
unvermeidbar.
Das Verständnis von Umwelt als fortwährend re- und weiterkonfigurierte Wirklichkeit, die in
Verhandlungen formiert wird, hat die Implikation, moderne Vorstellungen von Kontrolle über
„die Umwelt“ hinterfragen zu müssen. Wenn letztlich etwa Wählende, Konsumierende oder um
die Umwelt sich Sorgende Entscheidungen treffen sollen, dann müssen sich diese Akteure auch
mit den Faktenlandschaften auseinandersetzen. Ob Demokratie oder informierte
Konsumentscheidung, beide setzen voraus, dass Staat und Markt nicht Kontrolliertheit und
Kontrollierbarkeit vortäuschen. Kontrollierbarkeit durch die Bevölkerung erfordert, systematisch
die Komplexitäten von aktuellen und potenziellen Umweltproblemen zu verringern. Erste
Ansatzpunkte könnten industriell verursachte Risiken sein. Dies mag natürlich implizieren,
gesellschaftlich ein Moratorium für ökologische Großversuche (wie Vertrauen in
Emissionshandel, Umweltpolitik basierend auf Big-Data-Analysen betrieblicher
Umweltberichte61 oder Berechnungen von Ökosystemdienstleistungen) zu erlassen und anstatt
solcher Versuche zunächst mit neuen Formen der Entscheidungsfindung über eben nicht
buchhalterisch erfassbare Umwelten im Einverständnis mit allen Betroffenen zu experimentieren.
Der praktische Beitrag dieser Arbeit liegt damit erstens in der Aufstellung eines neuen
Fundaments für Umweltpolitik. Umweltpolitik muss sich auf die reale Wirklichkeit, in der
Umwelt gemanagt wird, beziehen. Diese Wirklichkeit ist inkohärent, praktisch und hybrid:
Umwelt, Menschen und Datentechnologien sind miteinander verschränkt. Zweitens bietet dieser
Ansatz Orientierung für politische und ökonomische Akteure – privat und professionell −,
konkrete Beeinflussung auf Umweltherstellungen zu erfassen und damit eigene und kollektive
Verantwortlichkeiten neu zu bestimmen. Umweltpolitik und verantwortliches Handeln setzen
voraus, die konkrete fortlaufende Geschichtsschreibung der Umwelten, auf die sie sich beziehen,
zu verfolgen.
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– 30 –
Zusammenfassung: Herrschende Umweltpolitik will evidenzbasiert sein, will Umweltfakten
nutzen. Auf Grundlage einer Ethnografie der Produktion betrieblicher CO2-Fußabdrücke werden
Umweltfakten als Effekt von Arbeit und Datenverarbeitung analysiert. Arbeitspraktisch existiert
Umwelt in einem hybriden und taktischen Datenraum. Daraus ergeben sich umweltpolitische
Implikationen, die sowohl die Prämissen ökologischer Modernisierung wie auch staatlicher
Umweltkontrolle infrage stellen.
Stichworte: Umweltpolitik, ökologische Modernisierung, CO2-Emissionen, betriebliche
Umweltbuchhaltung, Daten, Kontrolle
Environment − „Version 2 b“. On prefiguring ecologically wrong decisions and foundations
for a new environmental politics
Summary: Dominant politics desires evidence-based environmental decision-making, employing
facts. Grounded in an ethnography of the production of corporate carbon footprints,
environmental facts are analysed as the effect of work and data processing. In the practical reality
of work, environment exists in a hybrid and tactical dataspace. Implications for environmental
politics question premises of both, ecological modernisation and state control of the environment.
Keywords: environmental politics, ecological modernisation, carbon emissions, corporate
environmental accounting, data, control
Autor
Dr. Ingmar Lippert
Technologies in Practice Research Group
IT University of Copenhagen
Rued Langgaards Vej 7
2300 Copenhagen S
Denmark
ilip@itu.dk
– 31 –

Supplementary resource (1)

... The software running on these cars include a so-called defeat device which made it possible for these cars to "perform to the test": when the software detects that cars are being driven in accordance with "test conditions," it adjusts the cars' behavior, keeping the exhaust of NOX and other gases low. When they are driven on the street, the software lets harmful emissions go up to levels that are dramatically higher than when in the lab (for a discussion see Marres 2018;Lippert 2016). In this way, smart software enables the car industry to hold up a deceptive appearance of empirical compliance with regulations. ...
Article
Full-text available
How do we make the case for “knowledge democracy” in the face of the growing influence of right-wing figures and movements that denounce experts and expertise? While the threats to knowledge posed by these movements are real, it would be a mistake to return to a classic intellectual strategy––the politics of demarcation––in the face of this danger. Examining practical proposals for combatting fake news and opinion manipulation on the Internet, namely so-called "fact-checking" tools and services, I argue that they threaten to enroll us in a problematic normative project, one that aims to re-establish a hierarchy between knowledge and its presumed opposite, non-knowledge, or anti-knowledge. I list a number of shortcomings of this strategy. Most importantly, it distracts us from the role of technology in the crisis of public evidence in today's computationally-intensive societies. Social media are a truth-less public sphere by design. A politics of demarcation also puts us at risk of forgetting a key insight from the previous century that remains valid today: knowledge democracy is a re-constructive practice and an ideal. Instead of consolidating hierarchies of knowledge through facts that derive their authority form outside the public sphere, we need to recover the central role in public life of experimental facts: statements whose truth value is unstable. The experimental validation of public knowledge must happen in the public domain.
... In presenting their findings, these IT experts granted special capacities to technology, to the Engine Control Unit and the firmware running on it, but it is clear that the scandal cannot be solely attributed to these technologies. As Domke and Lange also pointed out, many experts and government insiders were aware of the existence of defeat devices in diesel cars by 2011 and the type of test results they presented had been known for several years by those familiar with the automotive industry (Lippert, 2016). It was only after sustained attention from journalists and other actors acting in the name of the publicincluding scientists and experts undertaking eminently reportable on-the-road emissions tests -that these "technical" results gained the capacity to cause a scandal. ...
Chapter
Full-text available
This chapter evaluates an emerging paradigm for testing intelligent technology in society through the analysis of recent street trials of self-driving cars. Moving beyond laboratory-based test protocols, street trials of intelligent automotive technology evaluate their performance in social environments, on public roads. As such, they appear to exemplify an experimental approach to the introduction of technology to society, which extends "beta-testing" procedures from technical to social, ethical and political aspects of technology (Jackson et al, 2014). I examine this hypothesis through a discussion of several street trials of intelligent automotive technology: the roll-out of driver-assist by Tesla; an emission test of a VW diesel car in Germany; the Gateway trial in Greenwich (UK). Each of these street tests puts in place arrangements for social engagement with intelligent automotive technology, but they do not enable an experimental approach to the societal evaluation of technology. While these projects tend to pursue the societal acceptance of technology, they do not curate experimental situations in society in which the proposition of self-driving cars can be examined from a societal point of view. However, the contribution of social research should not be limited to diagnosing methodological limitations of current tests of intelligent technology in society. We should examine if street tests can be re-purposed to enable the elicitation of societal aspects of innovation. I then conclude with a description of an 'experiment in participation' (Lezaun, Marres, Tironi, 2016) in which our team deployed creative methods to elicit social issues raised by driverless cars, by way of a group exercise conducted in the Driver-in-the-loop simulator at the University of Warwick (Marres, Kimbell, Cain et al, 2017). The explication of social aspects of inteligent technology requires the deliberate adaptation of test environments in society.
Article
Full-text available
Corporate carbon footprint data has become ubiquitous. This data is also highly promissory. But as this paper argues, such data fails both consumers and citizens. The governance of climate change seemingly requires a strong foundation of data on emission sources. Economists approach climate change as a market failure, where the optimisation of the atmosphere is to be evidence based and data driven. Citizens or consumers, state or private agents of control, all require deep access to information to judge emission realities. Whether we are interested in state-led or in neoliberal ‘solutions’ for either democratic participatory decision-making or for preventing market failure, companies’ emissions need to be known. This paper draws on 20 months of ethnographic fieldwork in a Fortune 50 company’s environmental accounting unit to show how carbon reporting interferes with information symmetry requirements, which further troubles possibilities for contesting data. A material-semiotic analysis of the data practices and infrastructures employed in the context of corporate emissions disclosure details the situated political economies of data labour along the data processing chain. The explicit consideration of how information asymmetries are socially and computationally shaped, how contexts are shifted and how data is systematically straightened out informs a reflexive engagement with Big Data. The paper argues that attempts to automatise environmental accounting’s veracity management by means of computing metadata or to ensure that data quality meets requirements through third-party control are not satisfactory. The crossover of Big Data with corporate environmental governance does not promise to trouble the political economy that hitherto sustained unsustainability.
Article
Full-text available
The stability of a discourse is not given but produced. It is achieved in the configuration of the dispositif. The paper approaches dispositif as a practical ongoing assembling of semiotic and material entities. The article presents an assemblage of theories, methods and methodologies that allow tracing how heterogeneous entities are (re)(con)figured to achieve performing a discourse's stability. Using mundane office practices that configure the corporate sustainability/carbon discourse as an example, the article spells out how qualitative data analysis, grounded theory and Science and Technology Studies approaches can be interwoven to pursue a grounded and generalisable ethnographic study of discourse.
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How does a corporation know it emits carbon? Acquiring such knowledge starts with the classification of environmentally relevant consumption information. This paper visits the corporate location at which this underlying element for their knowledge is assembled to give rise to carbon emissions. Using an Actor-network theory (ANT) framework, the aim is to investigate the actors who bring together the elements needed to classify their carbon emission sources and unpack the heterogeneous relations drawn on. Based on an ethnographic study of corporate agents of ecological modernisation over a period of 13 months, this paper provides an exploration of three cases of enacting classification. Drawing on Actor-Network theory, we problematise the silencing of a range of possible modalities of consumption facts and point to the ontological ethics involved in such performances. In a context of global warming and corporations construing themselves as able and suitable to manage their emissions, and, additionally, given that the construction of carbon emissions has performative con-sequences, the underlying practices need to be declassified, i.e. opened for public scrutiny. Hence the paper concludes by arguing for a collective engagement with the ontological politics of carbon.
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Carbon matters. And it is computed. In a culture. Underlying calculations are configured; and they could be configured otherwise. To open a space for conceptual discussion about carbon, this article attempts to reconstruct the extended and distributed practices of knowing carbon emissions with the help of scholarship from the field of Science and Technology Studies (STS) on heterogeneity and qualculation. To that end, the following pages serve to characterise the machinic quality of a specific technology, one which is often construed as a means for reconciling capitalism with “Nature”: the corporate social construction and accounting of carbon dioxide emissions. This allows us to problematise and contextualise the distributed and heterogeneous intelligence assembled by human and non-humans to make intelligible their corporation’s carbon footprint. Politically, engagement with this kind of intelligence is key to a critical understanding of the limits to managing the environment. By engaging empirically with carbon accounting, this article offers a contribution to the analysis of the hegemonic to dealing with environmental issues (ecological modernisation) and illustrates the generative quality of conceptual work on heterogeneous assemblages. These two fields require brief introductions.
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Ecological modernist approaches to climate change are premised upon knowing carbon emissions. I ask how corporate environmental managers know and do carbon, i.e., shape the reality of emissions. I argue that for managers’ practical purposes carbon exists as malleable data. Based on ethnographic fieldwork over a period of 20 months in a Fortune 50 multinational corporation, I show that managers materially-discursively arrange heterogeneous entities – databases, files, paper, words, numbers – in and between office spaces, enabling them to stage emission facts as stable and singular. Employing Annemarie Mol’s work on multiplicity, I show that multiple enactments of carbon hang together not by an antecedent body (CO2) but through ongoing configurations of data practices. Disillusioning promissory economic discourses of ‘internalisation’, I demonstrate: Management is materially premised upon preventing purportedly internalised carbon realities from entering capitalist core processes. This undermines carbon economics’ realist promises. Staging some carbon realities as in control is premised upon managers’ ongoing, reflexive, partial and always situated configuration of, e.g., standards, formal meetings or digital data practices in which humans do carbon-as-data. Carbon practices are materially-discursively aligned, forming a configuration. This configuration effects carbon as a malleable and locally configurable space rather than as a closed fact. Reconstructing managers’ practices as configuring carbon-as-dataspace, I argue, allows grasping adequately the contingency and constraints of managing carbon as a particular material-discursive form of environment. In conclusion I generalise the environmental management office as a space that can be configured to stage, beyond carbon, other global environments as well.
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Landscape, Nature, and the Body Politic explores the origins and lasting influences of two contesting but intertwined discourses that persist today when we use the words landscape, country, scenery, nature, national. In the first sense, the land is a physical and bounded body of terrain upon which the nation state is constructed (e.g., the purple mountain majesties above the fruited plain, from sea to shining sea). In the second, the country is constituted through its people and established through time and precedence (e.g., land where our fathers died, land of the Pilgrims' pride). Kenneth Olwig's extended exploration of these discourses is a masterful work of scholarship both broad and deep, which opens up new avenues of thinking in the areas of geography, literature, theater, history, political science, law, and environmental studies. Olwig tracks these ideas though Anglo-American history, starting with seventeenth-century conflicts between the Stuart kings and the English Parliament, and the Stuart dream of uniting Scotland with England and Wales into one nation on the island of Britain. He uses a royal production of a Ben Jonson masque, with stage sets by architect Inigo Jones, as a touchstone for exploring how the notion of "landscape" expands from artful stage scenery to a geopolitical ideal. Olwig pursues these contested concepts of the body politic from Europe to America and to global politics, illuminating a host of topics, from national parks and environmental planning to theories of polity and virulent nationalistic movements.