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Forschendes Lernen im Seminar
ISBN 978 -3-86004 -319-6
Forschendes Lernen im Seminar Ein Leitfaden für Lehrende
Ein Leitfaden für Lehrende
Das Interesse an einer engeren Verbindung von Forschung und Lehre hat in jüngster Zeit stark
zugenommen. Dieser Leitfaden bietet Hochschullehrenden einen Einstieg in die Auseinander -
setzung mit ›Forschendem Lernen‹ vom Konzept bis hin zur konkreten praktischen Umsetzung
im Seminar.
Inhalt
Im ersten Teil des Leitfadens wird die Lehr-Lernform
Forschenden Lernens zunächst definiert und in den
zentralen Charakteristika beschrieben.
Der zweite Teil enthält konkrete Hinweise zur Vorbe-
reitung und Durchführung von Seminaren im Format
Forschenden Lernens.
Im dritten Teil wird Forschendes Lernen im weite-
ren Feld forschungsbezogener Lehre verortet, um die
Besonderheiten dieser Lehr-Lernform im Vergleich
her auszuarbeiten und interessierten Lehrenden ergän-
zende Anregungen zu geben, wie Forschung und Lehre
auch in anderen Formaten miteinander verbunden wer-
den können.
Eine ergänzende Material- und Methodensammlung
enthält Arbeitsmaterialien und Empfehlungen zu di dak-
tischen Methoden, die speziell für die praktische Um-
setzung Forschenden Lernens genutzt werden können.
Zielgruppen
Hochschullehrende, die Interesse da ran haben, (die
ei gene) Forschung mit Lehre zu ver binden
Hochschuldidaktiker_innen und Hochschulentwick-
ler_innen, die Interesse daran haben, Fort bildungen,
Workshops oder Beratungen zum Forschenden Lernen
anzubieten
Autor_innen
Monika Sonntag, Julia Rueß, Carola Ebert und Wolfgang
Deicke sind Mitarbeiter_innen des bologna.labs der
Hum boldt-Universität zu Berlin und dort seit 2012 mit
der Umsetzung, Weiterentwicklung und wissenschaft-
lichen Begleitforschung von Projekten zum Forschen-
den Lernen befasst.
Kathrin Friederici führt als freie Mitarbeiterin seit
2013 die didaktischen Workshops im Qualifizierungs-
programm für studentische Tutor_innen durch.
Monika Sonntag · Julia Rueß · Carola Ebert · Kathrin Friederici · Wolfgang Deicke
Forschendes Lernen im Seminar
Ein Leitfaden für Lehrende
Monika Sonntag
Julia Rueß
Carola Ebert
Kathrin Friederici
Wolfgang Deicke
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Geleitwort 6
Ausgangssituation und Ziel des Leitfadens 9
A Forschendes Lernen: Definition und Charakteristika
A.1 Definition 13
A.2 Charakteristika Forschenden Lernens im Überblick 13
B Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B.1 Vorbereitung 17
B. 1. 1 Rahmenbedingungen und Ziele 17
B. 1. 2 Zielgruppe und Seminarbeschreibung 19
B. 1. 3 Die Lehrendenrolle im Forschenden Lernen 21
B.2 Einstieg 23
B.2 .1 Das Forschungsthema 23
B.2 .2 Abschlussprodukt und gemeinsames Ziel 25
B.2 .3 Strukturvorgabe und Freiraum 27
B.3 Forschungsphase 29
B.3. 1 Entwicklung von Forschungsfrage und -design 29
B.3. 2 Unterstützung und Austausch während der Forschungsphase 32
B.3. 3 Kommunikation und Feedback im Forschungsprozess 34
B.4 Abschluss und Nachbereitung 35
B.4 .1 Ergebnispräsentation 35
B.4 .2 Prüfungsleistungen 36
B.4 .3 Reflexion des Forschungs- und Lernprozesses 38
C Forschendes Lernen im Vergleich zu anderen Lehr-Lernformen
C.1 Ein Vergleich zu forschungsbezogenen Lehr-Lernformen 41
C.2 Ein Vergleich zu konstruktivistischen Lehr-Lernformen 44
C.3 Forschendes Lernen – eine Lehr-Lernform für Lehrende? 48
Literatur 49
Material- und Methodensammlung
I Handreichungen für Lehrende 55
II Tipps und Anregungen 69
III Toolbox zur Seminargestaltung 79
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN (Print): 978-3-86004-319-6
© Sonntag, M., Rueß, J., Ebert, C., Friederici, K. & Deicke, W., 2016
Dank an
Christopher Gess, Laura Schilow, Anne Schmidt und Dhanya Koschorreck für
hilfreiche inhaltliche Anregungen und Korrekturarbeiten, die zum Gelingen dieser
Publikation wesentlich beigetragen haben.
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.
Kein Teil dieses Werks darf ohne schriftliche Genehmigung der Autor_innen
in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Die der vorliegenden Publikation zugrundeliegenden Arbeiten zum Forschenden
Lernen im bologna.lab wie auch der Druck dieses Bandes wurden mit Mitteln des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen
(FKZ: 01PL11030) gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröent-
lichung liegt bei den Autor_innen.
Gestaltung, Satz: Matthias Rawald, bestbefore, Berlin
bolognalab.hu-berlin.de
qbologna@hu-berlin.de
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letzungen gepeinigt werde. Und dabei handele
es sich nicht allein um ein individualpsycholo-
gisches Problem, sondern um etwas, das in der
Konsequenz einer auf Innovationen angewiese-
nen Gesellschaft teuer zu stehen komme.
»Jede Erweiterung seiner Brotwissenschaft
beunruhigt ihn, weil sie ihm neue Arbeit zu-
sendet oder die vergangene unnütz macht;
jede wichtige Neuerung schreckt ihn auf,
denn sie zerbricht die alte Schulform, die er
sich so mühsam zu eigen machte, sie setzt
ihn in Gefahr, die ganze Arbeit seines vori-
gen Lebens zu verlieren. Wer hat über Refor-
matoren mehr geschrieen als der Haufe der
Brotgelehrten? Wer hält den Fortgang nütz-
licher Revolutionen im Reich des Wissens
mehr auf als eben diese? (...) kein unver-
söhnlicherer Feind, kein neidischerer Amts-
gehilfe, kein bereitwilligerer Ketzermacher
als der Brotgelehrte.« 4
Wenn wir Sie heute mit einem Leitfaden zu Mög-
lichkeiten Forschenden Lernens konfrontieren,
geschieht dies, wie ersichtlich, nicht, um einer
spektakulär neuen Mode Folge zu leisten. Viel-
mehr haben wir es in neuen Strukturen und un-
ter Bedingungen gewachsener Bildungspartizi-
pation mit alten Problemen zu tun: Wie kann es
uns gelingen, die Wege der Forschung als die ent-
scheidenden Orte wissenschaftlicher Bildung ins
Zentrum eines fortschreitenden Studierens zu
rücken? Wie können wir es schaffen, in der Lehre
einen forschungsaffinen Habitus zu fördern?
Was auf den nachfolgenden Seiten an Hinweisen
zu lesen ist, will beileibe nicht abdecken, was das
gesamte Spektrum universitärer Lehre ausma-
chen sollte. Nicht bestritten werden soll zum Bei-
spiel, dass auch an der Universität eher instruk-
tionalistische Formen der Wissens vermittlung,
so in der Tendenz die Vorlesung, geboten sind.
Erst recht nicht soll aber der Gedanke verab-
schiedet werden, dass die Interaktion zwischen
gestandenen Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftlern einerseits und Novizinnen und Novi-
zen andererseits einen wechselseitig produktiven
Dialog darstellen, wenn, so die Idee des Seminars
im 19. Jahrhundert, aktuelle Forschung erläutert
und gemeinsam befragt wird. So akzentuierte
unlängst Carlos Spoerhase, das Prozedere des
Seminars im Kontrast zu den neuen Massive
Open Online Courses (MOOC):
»And above all, it was not a ›course‹ but
rather a group in which the student would
undertake intensive collaborative research
for a period of two or three years. A web of
reciprocal intellectual commitment and per-
sonal trust was spun within the seminar,
forming an academic culture that combined
A
6
»Der Herr Professor hat dociert,
Das heißt: er hat dictiert,
Der Studio hat nachgeschmiert,
Das heißt: er hat’s capiert.
Ist das Collegium nun aus,
Trägt er die Weisheit flink nach Haus,
Und sieht das Heft nie wieder an,
Weil er’s ja selbst nicht lesen kann.«
Diese Verse bilden die zweite Strophe eines Ge-
dichts, dem sein Autor, August Heinrich Hoff-
mann von Fallers leben, den Titel »Brotstudium«
gab. Es erschien 1843 in Fallerslebens Sammlung
»Deutsche Lieder aus der Schweiz«.1 Die ironie-
satten Verse legen frei, was der Diskurs über das
falsche Studieren schon früh transportierte: Der
Brotstudent verkenne den probaten Modus uni-
versitärer Wissensaneignung, indem er Kapieren
mit Kopieren verwechsele. Interessant ist, dass
diese Spottverse nicht primär auf den Gegensatz
zwischen hehrer Wissenschaft und zweckge-
richteter Ausbildung zielen, sondern primär die
Frucht losigkeit ambitionsarmen Studierens an
den Pranger stellen.
Auch der Philosoph Schelling nimmt 1802 in
seinen bemerkenswerten »Vorlesungen über
die Methoden des akademischen Studiums« den
»Ekelnamen der Brotwissenschaften«
2 in den
Mund und macht deutlich, dass eine utilitaristi-
sche Einstellung zur Wissenschaft nicht allein
das Wesen (seiner Vorstellung) von Wissenschaft
verkenne, sondern dass sich ein entsprechender
Studierhabitus stets nur auf die zweckgerichtete
(Prüfungen!) Einverleibung der Forschungs-
ergebnisse richte. Im Schatten des Interesses
verharrten indes die Wege der Forschung, der
Modus, in dem neue Erkenntnisse gewonnen
werden. Damit bliebe aber Wissenschaft als Bil-
dung wirkungslos, sofern Bildung darauf ziele,
Menschen in die Lage zu versetzen, neues Wissen
zu generieren. Mit einer unterbliebenen wissen-
schaftlichen Bildung ist der Absolvent der Brot-
studien nicht nur für die Universität verloren,
sondern, so Schellings Pointe, entgegen seiner
eigenen Intentionen auch nicht dazu disponiert,
den kognitiven Herausforderungen seiner pro-
fessionellen Praxis nachhaltig gerecht zu werden.
Er kann »sich (...) nichts konstruieren,
selbst tätig zusammensetzen, und da er im
Lernen doch nicht auf alle möglichen Fälle
vorbereitet werden konnte, so ist er in den
meisten von seinem Wissen verlassen.« 3
Bereits 1789 thematisierte Friedrich Schiller in
seiner berühmten Jenaer Antrittsvorlesung »Was
heißt und zu welchem Ende studiert man Univer-
salgeschichte?« Ähnliches. Er spricht ebenso da-
von, dass der habituelle Brotstudent letztlich von
Kränkungserlebnissen und narzisstischen Ver-
Michael Kämper-van den Boogaart
Vizepräsident für Studium und Internationales
GELEITWORT
A
9
AUSGANGSSITUATION UND ZIEL
DES LEITFADENS
Die Einheit von Forschung und Lehre gilt als Ziel
und Anspruch guter Hochschullehre (Healey &
Jenkins, 2008; Huber, 2009; Wissenschaftsrat,
2006). In diesem Zusammenhang hat in den
letzten Jahren das Interesse an Forschendem
Lernen stark zugenommen: In bundes weiten
Förder programmen, wie dem »Qualitätspakt
Lehre« oder der »Exzellenz in der Lehre«, werden
derzeit zahlreiche Vorhaben zur Förderung For-
schenden Lernens an Hochschulen angestoßen
(BMBF, 2011). Auch die Zahl an praxisorientier-
ten sowie wissenschaftlichen Publikationen zum
Thema steigt an (Huber, 2013). Mitunter kann
so der Eindruck entstehen, Forschendes Lernen
sei eine Art Patentlösung für alle Probleme der
gegenwärtigen Hochschullehre. Da überhöhte
Erwartungen schnell zu Enttäuschungen führen
können, bedarf es eingangs einer Klarstellung:
Forschendes Lernen ist kein Wundermittel gegen
überfüllte Vorlesungen und Seminare, nicht der
Königsweg zum Studienerfolg und auch nicht das
Patentrezept für Graduate Employability oder die
Behebung des Fachkräftemangels. Forschendes
Lernen ist vielmehr eine von vielen denk baren
Formen, um Forschung und Lehre miteinander
zu verbinden. So, wie es in diesem Leitfaden ver-
standen und vorgestellt wird, ist Forschendes Ler-
nen ein relativ aufwendiges und anspruchsvolles
Lehr-Lernformat, das freilich nicht in jedem Kon-
text umgesetzt werden kann und sollte.
In diesem Sinne wird Forschendes Lernen hier
als eine Option zur Bereicherung des Curricu-
lums betrachtet und sollte gezielt dort eingesetzt
werden, wo seine nachweisbaren Stärken liegen:
Forschendes Lernen eignet sich vor allem zur
Vorbereitung auf eigenständige Forschung und
zur Entwicklung einer forschenden Haltung bei
Studierenden. Bisherige Forschungs befunde zei-
gen in diesem Zusammenhang, dass Forschen-
des Lernen dazu beitragen kann, das Forschungs-
interesse Studierender zu erhöhen und sie darin
zu stärken, sich selbst Forschung zuzutrauen
(Deicke, Gess & Rueß, 2014). Vom typischen Stu-
dienverlauf her gedacht, empfiehlt sich das For-
schende Lernen besonders zur aktiven Vorberei-
tung auf Abschlussarbeiten im Master-, aber auch
schon im Bachelorstudium. Was die praktische
Umsetzung angeht, lässt sich eine vertiefte Ar-
beit an eigenen Forschungsfragen und -designs
am besten mit kleineren Studierenden gruppen
realisieren. In Großveranstaltungen und klassi-
schen Seminaren können aktive Forschungsbe-
züge häufig besser in anderer Form als dem For-
schenden Lernen realisiert werden (Rueß, Gess &
Deicke, 2016). Jede Form forschungsbezogener
Lehre ist insofern wichtig, verfolgt spezifische
Ziele und hat es mit verschiedenen Herausforde-
rungen in der Umsetzung zu tun.
A
8
close mutual checks and critique with an
emphasis on cultivating the independence
of the individual.« 5
Die Idee, dass »through the formation of a com-
munity of inquiry«
6 die Entwicklung von For-
schungskompetenzen erleichtert wird, entspricht
durchaus den folgenden Hinweisen auf die Po-
tenziale und die Formen Forschenden Lernens.
Diese Hinweise verdanken sich nicht zuletzt
den Erfahrungen, die wir an der Humboldt-Uni-
versität bislang im Rahmen des Q-Programms
(Tutorien, Teams und Kollegs) machen konnten.
Entwickelt wurde das Q-Programm im Kontext
des Qualitätspakt-Projekts »Übergänge« und
in enger Referenz auf das Zukunftskonzept der
Humboldt-Universität für den Exzellenzwett-
bewerb »Bildung durch Wissenschaft«. In sei-
nem Zentrum steht das Ansinnen, interessierten
Studierendengruppen die Bearbeitung selbst
entwickelter Forschungsfragen zu ermöglichen
und damit Verschulungstendenzen in der von
der Bologna-Reform gezeichneten Universität
entgegenzutreten. Avisiert wird mithin im Sinne
Humboldts der Übergang vom habituell schuli-
schen zum habituell forschenden Lernen. Dass
das Reformexperiment des Q-Programms seitens
des bologna.lab der HU kontinuierlich wissen-
schaftlich begleitet oder evaluiert wird, folgt nicht
zuletzt der Hoffnung, aus den studentischen Pro-
jekten Rückschlüsse für die Kernlehre gewinnen
zu können. Wenn wir in diesem Zusammenhang
dafür werben, auch dort mit Formen Forschen-
den Lernens zu experimentieren, stehen wir
nicht allein da. An vielen Universitäten werden
zurzeit die Spielräume für ein Forschendes Ler-
nen ausgelotet, und nicht zufällig kooperieren
wir daher in dem vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung geförderten Forschungs-
verbund »ForschenLernen« mit der FH Potsdam
und der LMU München und dreizehn weiteren
Hochschulen.
Persönlich hoffe ich auf eine erfolgreiche Rezep-
tions geschichte des aus solcherlei Projekt-
erfahrungen genährten Leitfadens und danke
dem Autorenkollektiv sehr – auch für die inter-
essanten Diskussionen, die in die Druckfassung
eingegangen sind.
1 August Heinrich Homann von Fallersleben: Deutsche Lieder aus der Schweiz.
Zürich/Winterthur 1843, 123f.
2 Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Hrsg. v. O. Weiß. Band 2.
Vorlesung über die Methode des akademischen Studiums.
Dritte Vorlesung. Leipzig 1907, 569–578, 571.
3 Ebd. 572.
4 Friedrich Schiller: Sämtliche Werke. Hrsg, v. G. Fricke u. H.G. Göpfert. Vierter Band.
Historische Schriften. WBG. Darmstadt 1980, 749–767, 750f.
5 Carlos Spoerhase: Seminar versus MOOC. In: New Left Review 96/2015, 77–82, 81.
6 Ebd. 82.
A
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KAPITEL A
Der Leitfaden beginnt mit der theoretischen
Betrachtung und einer Definition Forschenden
Lernens.
KAPITEL B
Der zweite Teil enthält konkrete Hinweise zur
Vorbereitung und Durchführung von Semina-
ren im Format Forschenden Lernens. Die Unter-
kapitel enden jeweils mit einer Checkliste mit
nützlichen Reflexionsfragen für die Vorbereitung
von Lehrveranstaltungen.
KAPITEL C
Im dritten Teil wird Forschendes Lernen im wei-
teren Feld forschungsbezogener Lehre verortet;
zum einen, um die Besonderheiten dieser Lehr-
Lernform noch einmal im Vergleich herauszu-
arbeiten; zum anderen, um interessierten Leh-
renden ergänzende Anregungen dazu zu geben,
wie Forschung und Lehre auch in anderen For-
maten miteinander verbunden werden können.
MATERIAL- UND METHODENSAMMLUNG
Konkrete Arbeitsmaterialien und didaktische Me-
thoden, die speziell für die praktische Umsetzung
Forschenden Lernens genutzt werden können,
sind gesondert in einer Material- und Methoden-
sammlung angeführt und erläutert. Im Leitfaden
selbst finden sich an den relevanten Punkten die
entsprechenden Verweise auf geeignete Materi-
alien bzw. Methoden. Inhaltlich gliedert sich die
Sammlung in drei Teile:
I HANDREICHUNGEN FÜR LEHRENDE
z. B. exemplarischer Seminar ablauf, Arbeitsblät-
ter zur Selbstreflexion von Lehrenden.
II TIPPS UND ANREGUNGEN
zu wiederkehrenden Herausforderungen im For-
schenden Lernen.
III TOOLBOX ZUR SEMINARGESTALTUNG
Durch die Verbindung konzeptueller und didak-
tischer Empfehlungen soll der Leitfaden Lehren-
den eine geeignete Hilfe beim direkten Einstieg
in die Planung und Umsetzung von Seminaren
im Format des Forschenden Lernens sein.
AUFBAU DES LEITFADENS
A
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Der vorliegende Leitfaden stellt das Forschende
Lernen ins Zentrum. Ziel und Gegenstand ist es,
Lehrenden Anregungen zu geben, wie Forschen-
des Lernen praktisch umgesetzt werden kann. Ne-
ben zahlreichen theoretisch-programmatischen
Aufsätzen und Veröffentlichungen (z. B. Brew
& Jewell, 2012; Huber, 2004; Ludwig, 2011; Rei-
ber, 2012) finden sich in der Literatur zum For-
schenden Lernen inzwischen zunehmend auch
Projektbeschreibungen und Fallbeispiele, die
erste, insbesondere konzeptuelle Tipps zur Um-
setzung von Forschendem Lernen bieten können
(z. B. Hochschuldidaktisches Zentrum der Tech-
nischen Universität Dortmund, 2009; Huber,
Kröger & Schelhowe, 2013; Reiber, 2007). Aller-
dings fehlt es bislang noch immer an Veröffent-
lichungen, die sich systematisch mit konkreten
Fragen und Problemstellungen der didaktischen
Umsetzung des Forschenden Lernens beschäfti-
gen. Ein erster Schritt zur Schließung dieser Lük-
ke soll mit dem vorliegenden Leit faden gemacht
werden, der aus den Arbeiten des bologna.lab
der Humboldt-Universität heraus entstanden ist.
Das bologna.lab setzt im Rahmen des Quali-
tätspakts Lehre seit 2012 ein eigenes, fakultäts-
übergreifendes Programm (Q-Programm) zum
Forschenden Lernen um, berät Lehrende und
Institute zu Forschendem Lernen und zur Ausge-
staltung forschungsbezogener Curricula und ist
Teil des bundesweiten Begleitforschungsprojekts
›ForschenLernen‹ (FKZ 01PB14004/B).
Der Leitfaden basiert auf den Erfahrungen des
bologna.labs in der Beratung und Vorbereitung
von Lehrenden auf Forschendes Lernen sowie
auf der Beforschung verschiedener Formate an
der Humboldt-Universität und anderen Hoch-
schulen. Er behandelt den gesamten Prozess
der Konzeption und didaktisch-praktischen Um-
setzung einer Lehrveranstaltung im Sinne For-
schenden Lernens: von der Definition der Ziel-
gruppe bis hin zur Präsentation der Ergebnisse
und zur Reflexion des Lern- und Forschungspro-
zesses. Der Leitfaden orientiert sich hierbei an
jenen Fragen, die im Verlauf von Fortbildungen
immer wieder gestellt werden. Er ist bewusst so
offen formuliert, dass er dem Lehrkontext ver-
schiedener Fächer angepasst werden kann.
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A.1 Definition
In den letzten Jahren hat das Interesse an For-
schendem Lernen stark zugenommen (Huber,
2013). Unklarheiten bestehen jedoch nach wie
vor, was genau unter Forschendem Lernen zu
verstehen ist. In der Literatur finden sich unter-
schiedliche Ansätze, sodass sich auch die Vor-
stellungen dazu unterscheiden, wie Forschendes
Lernen praktisch umzusetzen ist. Vor diesem
Hintergrund muss zunächst erläutert werden,
auf welchem Verständnis der vorliegende Leit-
faden aufbaut. Die folgende Definition orientiert
sich an Huber (2009) sowie Rueß, Gess & Deicke
(2016).
»Forschendes Lernen ist eine Lehr-Lernform,
bei der die Studierenden eine selbst ent-
wickelte Fragestellung verfolgen und dabei
den gesamten Forschungsprozess durch-
laufen.«
Die vorgesehene Verzahnung von Lehre und
Forschung rückt Forschendes Lernen in das
weite Spektrum forschungsbezogener Lehre. Da
Studier ende sich selbständig Wissen erarbeiten
und es damit konstruieren, zählt Forschendes
Lernen zur Gruppe der konstruktivistisch-orien-
tierten Lehr-Lernformen. Diese Überschneidun-
gen zu anderen Lehr-Lernformen können jedoch
Verständnisprobleme mit sich bringen.
Im Folgenden werden zunächst die Charakter is-
tika Forschenden Lernens herausgearbeitet.
A.2 Charakteristika Forschenden
Lernens im Überblick
Drei wesentliche Eigenschaften zeichnen For-
schendes Lernen aus: Studierende durchlaufen
in einer Lehrveranstaltung einen vollständigen
Forschungsprozess, sie bearbeiten eigene Frage-
stellungen und sie generieren wissenschaftliche
Erkenntnisse.
Beim Forschenden Lernen vollziehen die Studie-
renden den gesamten Forschungs prozess.
Forschendes Lernen setzt voraus, dass die Stu-
dierenden alle Schritte im Forschungsprozess
selbst erleben oder nachvollziehen. Die Phasen
Forschenden Lernens korrespondieren somit
weitgehend mit den typischen Schritten eines
Forschungsprozesses (Huber, 2013):
Hinführung
Finden einer Fragestellung
Erarbeiten von Informationen
Auswahl und Aneignung von Methoden-
kenntnissen
Entwicklung eines Forschungsdesigns
Durchführung einer forschenden Tätigkeit
Erarbeitung und Präsentation der Ergebnisse
Reflexion
Die Kernaufgabe der Lehrenden besteht dar-
in, die Studierenden so gut wie möglich bei der
Bewältigung dieser Schritte zu unterstützen. Wie
in realen Forschungsvorhaben sind die Schritte
natürlich nicht immer chronologisch abzuarbei-
ten, sondern sie können sich – je nach Vorhaben
– durchaus überschneiden, vermischen und zum
Teil wiederholen.
A FORSCHENDES LERNEN:
DEFINITION UND CHARAKTERISTIKA
A
15
A
14
Bei Forschendem Lernen sollen wissenschaft-
liche Erkenntnisse erzielt werden.
Auch studentische Forschung hat das Ziel,
wissen schaftliche Erkenntnisse zu generieren.
Damit geht einher, dass die Ergebnisse nicht nur
für die Studierenden, sondern – zumindest in
Teilen – auch für den Lehrenden neu sein kön-
nen. Der Anspruch an studentische Forschungs-
vorhaben – gerade im grundständigen Bereich
– besteht dabei nicht zwingend darin, genuin
›neues‹ Wissen zu konstruieren und einen origi-
nellen Beitrag zu Wissenschaft im eigenen Fach
zu leisten. Ziel ist es vielmehr, die Ergebnisse
der eigenen Forschung so aufzubereiten und
zu präsentieren, dass diese auch für ein Fach-
publikum interessant und nachvollziehbar wer-
den. Bei Forschendem Lernen sollte daher ein
besonderer Fokus auf die Planung des (gemein-
samen) Abschlussprodukts bzw. eine mögliche
Veröffent lichung der Ergebnisse gelegt werden.
Didaktisch betrachtet, erhöht ein gemeinsames
Ziel außerdem die Motivation der Studierenden,
bis zum Ende engagiert dabeizubleiben (Sonntag
& Rueß, im Druck).
Zusammenfassend ist für Forschendes Ler-
nen kennzeichnend, dass die Studierenden
aktiv und selbständig einen gesamten For-
schungsprozess vollziehen, eine eigene
Frage stellung bearbeiten und darauf hin-
arbeiten, ihre Ergebnisse auch zu veröffent-
lichen. Die Aufgabe der Lehrenden besteht
bei Forschendem Lernen darin, die Ideen der
Studierenden aufzugreifen, die Machbarkeit
der Forschungsfrage im Blick zu behalten
und die Studierenden im Forschungs prozess
zu beraten und zu unterstützen.
Abb.2: Möglicher Ablauf der Phasen Forschenden Lernens im Seminar, Variante 2
Ausgangsfragestellung
Reflexion des gesamten Prozesses
Präzisierung der Forschungsfrage
Nutzen methodischer
Vorkenntnisse
Entwicklung eines Forschungsdesigns
Durchführung einer
forschenden Tätigkeit
Erarbeitung und
Präsentation der Ergebnisse
Erarbeiten von Informationen
und theoretischen Zugängen
(Forschungslage)
Beim Forschenden Lernen beantworten die Stu-
dierenden eine Forschungsfrage, die sie auch
selbst (mit)entwickelt haben.
Ausgangspunkt Forschenden Lernens ist immer
eine Forschungsfrage. Sie wird von den Studie-
renden weitgehend eigenständig formuliert,
bearbeitet und beantwortet. Eine eigenständige
Arbeits weise der Studierenden ist für Forschen-
des Lernen – wie auch für andere konstruktivi-
stische Lehr-Lernformen – grundlegend. Schließ-
lich sollen Forschungsergebnisse nicht nur ver-
standen, sondern selbst konstruiert werden.
Da bei Forschendem Lernen der gesamte For-
schungsprozess vollzogen werden soll, brauchen
die Studierenden den Freiraum, eigene For-
schungsfragen zu wählen bzw. zu entwickeln. In
der Regel geben die Lehrenden das Forschungsfeld
ihrer Lehrveranstaltung vor. Innerhalb dieses
Forschungsfeldes können die Studierenden dann
eine eigene Forschungsfrage formulieren. Eine an-
dere Variante besteht darin, dass die Lehrveran-
staltung eine übergeordnete Forschungsfrage unter-
sucht, die zum Beispiel aus der eigenen aktuellen
Forschungsarbeit der Lehrenden kommen kann.
Um diese übergeordnete Frage im Team zu be-
antworten, entwickeln und bearbeiten die Studie-
renden eigene Teilfragen.
Eigenständige Arbeit zu fordern, bedeutet jedoch
nicht, die Studierenden beim Forschen alleinzu-
lassen. Es gilt, die Studierenden im Forschungs-
prozess zu unterstützen, zu begleiten und zu
beraten, insbesondere auch im Hinblick auf
Herausforderungen, Umwege, Verzögerungen
oder Unsicherheiten, die beim Forschen immer
auftreten können.
A _ Forschendes Lernen: Definition und Charakteristika
Abb.1: Idealtypische Anordnung der Phasen Forschenden Lernens nach Huber
1. Wahrnehmen eines
Ausgangsproblems (Hinführung)
8. Reflexion des
gesamten Prozesses 2. Finden einer Fragestellung
4. Auswahl und Aneignung von Methoden
5. Entwicklung eines Forschungsdesigns
6. Durchführung einer
forschenden Tätigkeit
7. Erarbeitung und Präsentation
der Ergebnisse 3. Erarbeiten von Informationen
und theoretischen Zugängen
B
17
B.1 Vorbereitung
Thematische und inhaltliche Aspekte bilden den
Kern der Vorbereitung einer jeden Lehrveranstal-
tung. Für Seminare im Format Forschenden Ler-
nens gibt es bestimmte methodische und didakti-
sche Aspekte, die bereits in der Vorbereitung eine
wichtige Rolle spielen. Die frühzeitige Definition
von Kompetenzzielen und studentischen Ziel-
gruppen erleichtert die Planung und Konzeption;
eine klare Beschreibung des Seminars und die
Reflexion der Rolle als Lehrende_r im Forschen-
den Lernen setzen die Wegweiser für einen guten
Start in das Semester. Daher gehen die folgende
Abschnitte auf diese vier Aspekte besonders ein.
Grundsätzlich können die Rahmenbedingungen
von Seminaren im Format Forschenden Lernens
sehr unterschiedlich sein. In manchen Pflichtver-
anstaltungen mag es schwierig sein, das Format
mit bestimmten Vorgaben der Modulbeschrei-
bung zu vereinbaren. In weniger eindeutig be-
schriebenen Modulen und freieren Formaten
können und müssen die Lehrenden viele Para-
meter selbst definieren.
B. 1. 1 Rahmenbedingungen und Ziele
Zusätzlich zu den stets vorhandenen fachlich-
inhaltlichen Zielen können mit dem Format des
Forschenden Lernens verschiedene Kompetenz-
ziele verbunden sein (Gess, Deicke & Wessels,
im Druck). Diese mögen bereits in einer Modul-
beschreibung angelegt sein, sie können aber
durch das Format Forschenden Lernens Teil der
Seminarkonzeption werden. Zum einen geht es
darum, Studierenden die Möglichkeit zu geben,
durch das Entwickeln und Bearbeiten eigener
Forschungsfragen spezifische Inhalte zu ver-
tiefen. Es geht also beim Forschenden Lernen
darum, sowohl die inhaltlichen Lernziele zu defi-
nieren als auch festzulegen, wie die Forschungs-
kompetenzen von Studierenden ausgebildet wer-
den sollen.
Die inhaltlichen Ziele einer Veranstaltung müs-
sen notwendigerweise für jedes einzelne Vor-
haben des Forschenden Lernens je nach Fach-
kultur und Studienprogramm ausdifferenziert
werden. Der Schwerpunkt liegt daher hier auf
der Frage, welche Forschungskompetenzen Stu-
dierende bei Forschendem Lernen gewinnen
können.
Forschungskompetenz lässt sich anhand von drei
Facetten beschreiben (Gess, Rueß & Wessels,
2015):
1) … als das Wissen und die Fertigkeiten, die
zur eigenständigen Forschung befähigen. Dazu
zählt erstens grundlegendes forschungsmetho-
disches Wissen bzw. die Fähigkeit, wissenschaft-
liche Arbeitsweisen des Faches anwenden zu
können. Zweitens umfasst Forschungskompe-
tenz auch forschungspraktisches Wissen, das zur
Planung eines Forschungsprojekts und zur
Steuerung des eigenen Vorgehens notwendig
ist (z. B. Entwicklung von Forschungsfragen,
Entwicklung und praktische Umsetzung von
Forschungsdesigns, Treffen von Entscheidun-
gen im Forschungsprozess). Drittens kann er-
B FORSCHENDES LERNEN:
KONZEPTION UND UMSETZUNG
B
19
den Erfolg des Seminars kann es sinnvoll sein,
sich mit Kolleg_innen abzustimmen, welche
Kompetenzen die Teilnehmer_innen in voran-
gegangenen Veranstaltungen bereits erwerben
oder weiter schärfen konnten. Für Lehrende und
Studierende ist es entlastend, wenn die Ziele
des Seminars sich auf besonders relevante oder
förderungswürdige Kompetenzdimensionen be-
schränken.
WICHTIGE FRAGEN
Welche fachspezifischen Inhalte soll
das Seminar vermitteln?
Welche didaktischen (Kompetenz-)Ziele
hat das Seminar?
Welche Schwerpunkte erleichtern es
den Studierenden, diese Ziele zu
erreichen?
B. 1. 2 Zielgruppe und
Seminarbeschreibung
Die Zielgruppe ist bereits bei der Konzeption
jedes Seminars ein wichtiger Aspekt. Modul-
beschreibungen und Studienordnungen definie-
ren in der Regel die Zielgruppe eines Seminars.
In Pflichtmodulen innerhalb eines strukturier-
ten Studienverlaufsplans ist die studentische
Zielgruppe hinsichtlich Studiengang und -jahr-
gang meist klar vorgegeben. Hier können unter
Umständen durch Kooperationen mit von Kol-
leg_innen angebotenen Modulen Freiräume für
Forschendes Lernen generiert werden. In ande-
ren Fällen obliegt es den Lehrenden, eine oder
mehrere Charakteristika ihrer Zielgruppe zu
definieren. Beispiele hierfür sind Interdisziplina-
rität, unterschiedliche Studienjahrgänge oder die
Gruppengröße, die sich alle auf Konzeption, Ziel-
gruppe und Beschreibung auswirken.
Angesichts der notwendig vertieften Zusam-
menarbeit beim Forschendem Lernen kann eine
große Heterogenität der Studierendengruppen
eine besondere Herausforderung darstellen.
Studierende aus verschiedenen Semestern brin-
gen zumeist unterschiedliche theoretische und
methodische Vorkenntnisse mit. In interdiszi-
plinären Gruppen unterscheiden sich zusätzlich
die fachlichen Hintergründe und Perspektiven.
Eine interdisziplinäre und heterogene Studieren-
dengruppe setzt einen höheren Zeitaufwand für
Aushandlungsprozesse und eine umfassendere
forschungsmethodische Anleitung durch die
Lehrenden voraus, ermöglicht jedoch spannende
Diskussionen im Team und neue Erkenntnisse
für alle Beteiligten. Gerade bei interdisziplinären
B
18
gänzend die Fähigkeit zur kritischen Rezeption
von Forschungsergebnissen und Publikationen als
Forschungskompetenz bezeichnet und als ei-
genständiges Kompetenzziel verankert werden.
Diese Kombination aus Wissen und Fertigkei-
ten wird als die kognitive Facette bezeichnet.
2) … als die mentalen Voraussetzungen, die Stu-
dierende benötigen, um Herausforderungen
während des Forschungsprozesses bewältigen zu
können. Zu diesen zählen etwa Frustrations- und
Unsicherheitstoleranz, das Zutrauen in die eigenen
Forschungsfähigkeiten, die Freude an Forschungs-
tätigkeiten oder die Vermittlung einer forschenden
Haltung. Diese Voraussetzungen gelten als die
affektiv-motivationale Facette.
3) … als soziale Fähigkeiten in Forschungssitua-
tionen. Im Kern geht es hier um die Kommu-
nikationsfähigkeiten der Studierenden, die auf
verschiedenen Ebenen benötigt werden: im For-
schungsteam, mit der betreuenden Lehrperson,
in der fachwissenschaftlichen Öffentlichkeit oder
auch mit Personen aus dem Forschungsfeld. Die-
se Fähigkeiten stellen die soziale Facette von For-
schungskompetenz dar.
Die Auswahl dieser Ziele hat Auswirkungen auf
die Gestaltung Forschenden Lernens Es wird
nicht möglich sein, alle Ziele in einer einse-
mestrigen Veranstaltung zu erreichen. Es emp-
fiehlt sich, Schwerpunkte zu setzen (vgl. Gess et
al., im Druck):
Geht es in dem geplanten Seminar vor allem dar-
um, die Studierenden zur kritischen Rezeption von
Forschungsergebnissen zu befähigen oder sie im
Aufbau einer forschenden Haltung zu unterstüt-
zen, bieten sich beispielsweise praxisrelevante
Forschungsfragen an, zu denen die Studierenden
bereits Vorannahmen haben. Diese Forschungs-
fragen können dann anhand vorliegender For-
schungsergebnisse präzisiert und im Feld un-
tersucht werden. Die Ergebnisse lassen sich im
Hinblick auf die Vorannahmen der Studierenden
reflektieren.
Wenn das Forschungsinteresse der Studierenden
geweckt und ihnen forschungspraktisches Wis-
sen sowie wissenschaftliche Kommunikations-
fähigkeiten vermittelt werden sollen, ist es wich-
tig, den Studierenden möglichst viel Freiraum
bei der Wahl und Bearbeitung ihres Forschungs-
themas zu geben und die Forschung in einer
auch für Dritte interessanten Abschlussveranstal-
tung kulminieren zu lassen.
Liegt der Fokus eher darauf, die Frustrations-
und Ungewissheitstoleranz im Forschungs-
prozess zu fördern, ist es sinnvoll, viel Zeit für
die Besprechung von Zwischenprodukten (z. B.
Forschungsdesign) und Zwischenergebnissen
(z. B. erste Beobachtungen) vorzusehen. Ambi-
valente oder unklare Entscheidungssituationen
der Studierenden sollten im Plenum diskutiert
und überraschende Erkenntnisse herausgestellt
werden. Vor allem Rückschläge sind wertvolle
Anhaltspunkte; sie machen den Studierenden
deutlich, dass diese zum Forschen dazugehören.
Darüber hinaus können Lehrende von Entschei-
dungsschwierigkeiten und Rückschlägen in ihrer
eigenen Forschung erzählen.
In dem knappen Zeitraum eines Semesters alle
forschungsrelevanten Kompetenzen gleicher-
maßen anzusteuern, ist nahezu unmöglich. Für
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
21
bewerben lassen (z. B. in geeigneten Veranstal-
tungen von Kolleg_innen in den Zielfächern oder
über Aushänge an den Zielinstituten).
WICHTIGE FRAGEN
Welches theoretische und/oder metho-
dische Vorwissen sollten die Studierenden
mitbringen, um an meiner Veranstaltung
erfolgreich teilnehmen zu können?
Ist das Seminar auch für fachfremde
Studierende geeignet?
Wenn ja, welche Fachrichtungen wären
wünschenswert?
Wie viele Studierende können/sollten an
der Veranstaltung teilnehmen?
Wie lassen sich die Unterschiede zu
herkömm lichen Veranstaltungen
beschreiben, damit die Studieren den mit
adäquaten Erwartungen an der Veranstal-
tung teil nehmen?
Wie lässt sich sicherstellen, dass der
Arbeitsaufwand für die Studierenden in
einem angemessenen Verhältnis zu den
Studienpunkten steht?
B. 1. 3 Die Lehrendenrolle im Forschendem
Lernen
Studierende bei der eigenen Forschung zu be-
gleiten und im eigenständigen Arbeiten zu un-
terstützen, erfordert von Lehrenden auch eine
Reflexion der eigenen Rolle sowie der Bedeutung
implizit und explizit vorhandener Hierarchien.
Allein aufgrund ihres Wissens- und Erfahrungs-
vorsprungs befinden sich Lehrende in einer hie-
rarchisch überlegenen Position gegenüber den
Studierenden bzw. werden von diesen als Auto-
ritätsperson anerkannt. Allerdings besteht die
Aufgabe in einer Veranstaltung Forschenden Ler-
nens in der Regel weniger darin, den Studieren-
den einen bestimmten Inhalt beizubringen, als
vielmehr ›Coach‹ der Studierenden zu sein. Das
heißt, den Forschungsprozess zu moderieren, zu
organisieren und die Studierenden zu beraten,
motivieren und begleiten. Dabei geben Lehrende
dem Arbeits prozess der Gruppe einen organisa-
torischen Rahmen und stehen den Studierenden
mit konstruktivem Feedback zur Seite.
Die Lehrendenrolle wird dabei an verschiedenen
Stellen im Projektverlauf unterschiedliche For-
men annehmen. So kann die Rolle als Experte/in
für allgemein fachliche, theoretische und metho-
dische Fachfragen sowohl zu Beginn des Pro-
zesses als auch zum Ende des Projekts bei der
Redaktion des Abschlussprodukts verstärkt von
Bedeutung sein. In der Phase der selbständigen
Forschungstätigkeit wiederum kann eher die
Rolle als Berater_in und Begleiter_in, Kritiker_in
oder Motivator_in ›auf Augenhöhe‹ gefragt sein.
Auch der Aktivitätsgrad der Lehrenden wird sich
B
20
Vorhaben sind die Definition und Reflexion stu-
dentischer Zielgruppen also wichtige Aspekte der
Vorbereitung.
Besonders in Modulen mit größeren Freiräumen
ist es daher wichtig, dass Lehrende sich selbst
deutlich machen, für welche Studierenden die
Teilnahme am Projekt offen ist – und dies auch
im Ankündigungstext ausformulieren. Wie be-
reits ausgeführt, besteht das Ziel schließlich dar-
in, das unterschiedliche Vorwissen und die ver-
schiedenen methodischen und fachlichen Kom-
petenzen der Studierenden so einzubinden, dass
alle davon profitieren können.
Neben der Zusammensetzung der Studieren-
dengruppe ist die Gruppengröße ein weiterer
wichtiger Faktor, den es zu definieren oder zu be-
rücksichtigen gilt. In der Regel ist ein gemeinsa-
mes Forschungsprojekt leichter durchzuführen,
wenn nicht zu viele Studierende beteiligt sind.
Sinn volle Gruppengrößen hängen hier von der
Art der Bearbeitung ab (individuelle Forschungs-
tätigkeit Einzelner versus Arbeit in Kleingruppen
von zwei bis fünf Studierenden). Als ideal haben
sich Gruppen von circa fünf bis fünfundzwanzig
Studierenden erwiesen; ab zehn bis zwölf Teil-
nehmer_innen ist die Arbeit in Kleingruppen mit
der gleichen Forschungsfrage sehr zu empfehlen.
Besonders wichtig ist es, auf die Besonderheiten
des Forschenden Lernens hinzuweisen, da viele
Studierende mit dieser Veranstaltungsart nicht
vertraut sind. Ein zentraler Aspekt ist beispiels-
weise, dass die Studierenden eigenständig for-
schen werden – dass sie praktische Forschungs-
erfahrungen sammeln und ihre Forschungs-
kompetenzen (weiter)entwickeln können. Ein
Hinweis darauf, dass diese Kompetenzen sowohl
in wissenschaftlichen als auch außeruniversi-
tären Berufsfeldern relevant sein können, kann
zusätzlich motivieren. Und natürlich bereiten
früh zeitige Forschungserfahrungen auch gut auf
anstehende Bachelor- oder Master-Arbeiten vor.
In Abhängigkeit von der jeweiligen Studienord-
nung kann die Veranstaltung eher den Charakter
einer Forschungswerkstatt haben. Die Tatsache,
dass beim Forschenden Lernen ein eigenständi-
geres Arbeiten möglich wird, als dies in anderen
Lehrveranstaltungen üblich ist, trägt bei den mei-
sten Studierenden zur Motivation für die aktive
Teilnahme bei (Sonntag & Rueß, im Druck).
Unabhängig davon, ob es im konkreten Fall dar-
um geht, die Teilnehmer_innen eines Pflichtmo-
duls für eigenständige Forschung zu interessie-
ren oder das Seminar attraktiv für Studierende
zu machen, die forschen wollen – es ist in jedem
Fall sinnvoll, die besonderen Anforderungen des
Seminars im Vorlesungsverzeichnis zu benen-
nen: Den Studierenden sollte vor Veranstaltungs-
beginn bewusst sein, dass sie für dieses Seminar
voraussichtlich mehr Zeit und Energie investie-
ren werden und/oder terminlich während des
Semesters flexibler sein müssen als in vielen an-
deren Veranstaltungen.
Besonders wenn das Seminar kein Pflichtmodul
ist und nicht zum festen Angebot der Lehrver-
anstaltungen gehört, kann es notwendig sein, es
zusätzlich zu bewerben. Wenn der Erfolg der Ver-
anstaltung beispielsweise von der Teilnahme ver-
schiedener Fächergruppen abhängt, ist es sinn-
voll, die Veranstaltung unbedingt auch über die
üblichen Kanäle hinaus aktiv zu bewerben oder
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
23
B.2 Einstieg
B.2.1 Das Forschungsthema
In den ersten Sitzungen des Semesters geht es
zunächst darum, mit der Gruppe einen motivie-
renden Einstieg in das Forschungsprojekt zu fin-
den. Wie kann dies gelingen?
Wie bereits oben ausgeführt, kommen Studieren-
de aus verschiedenen Gründen in das Seminar:
weil die Veranstaltung für sie verpflichtend ist,
aus Interesse am Thema bzw. dem forschungs-
orientierten Ansatz oder aus verschiedenen
Gründen zugleich. Trotzdem lohnt es sich, wenn
sich Lehrende Gedanken dazu machen, wie sie
das Interesse der Studierenden wecken und über
den Verlauf des Semesters aufrechterhalten kön-
nen.
Ziel Forschenden Lernens ist es, dass die Studie-
renden möglichst häufig eine aktive, forschend-
lernende Rolle einnehmen. Diese ist spätestens
in der Forschungsphase erforderlich. Die aktive
Rolle fällt Studierenden in der Regel leichter,
wenn Lehrende von Beginn an eine aktive Be-
teiligung der Studierenden stimulieren. Der
Vorteil besteht darin, dass es keinen deutlichen
Bruch gibt zwischen der Einführungsphase – mit
einem hohen Aktivitätsgrad der Lehrenden, die
einen festen Seminarablauf präsentieren sowie
Inputs zum Themengebiet referieren – und der
Forschungsphase, in der die Studierenden dann
aus einer eher passiven, konsumierenden Rolle
in die eigene Forschung einsteigen müssten. Für
die Stimulation der Studierendenaktivität eignet
sich folgende Vorgehensweise:
Der/die Lehrende skizziert das Forschungs-
feld.
Lehrende können dann die Studierenden ge-
zielt danach fragen, was ihre Ausgangsmotivati-
on war, sich mit diesem Thema zu beschäftigen
und welche eigenen Erkenntnisinteressen oder
Fragen zum Thema sie mitbringen. Interessant
für die Studierenden ist es, wenn Lehrende dabei
auch ihre Perspektive beschreiben und den Stu-
dierenden erläutern, warum sie genau zu diesem
Thema forschen. Auf diese Weise lernen alle mit-
einander Forschenden – also Lernende und Leh-
rende – die Interessen und Motivationen der an-
deren kennen. Sinnvoll ist es, Motive und Ideen
schriftlich festzuhalten. Im weiteren Verlauf des
Seminars kann die Gruppe immer wieder daran
anknüpfen.
Lehrende können in diesem Zusammenhang
auch mit den Studierenden danach über die Fas-
zination des Themas diskutieren – ausgehend da-
von, wie sie selbst zum Thema gefunden haben,
was sie daran gefesselt hat, welche Fragen ihnen
unter den Nägeln brennen. Im Idealfall bieten
Lehrende die Lehrveranstaltung zu einem The-
mengebiet an, das ihnen selbst am Herzen liegt
oder das ein besonderes Forschungsinteresse bei
ihnen geweckt hat. Ihre eigene Begeisterung für
das Thema wird in diesem Fall leichter auf die
Studierenden überspringen.
Es ist hilfreich, wenn Lehrende früh hervor-
heben, dass auch sie die Antwort auf die
Forschungs frage nicht kennen und die Antwort
gemeinsam mit den Studierenden ergründen
wollen. Bereits dadurch kann die Besonderheit
des Lernarrangements transportiert werden. Die
B
22
in den verschiedenen Phasen verändern – von
aktiven Phasen bis zu Phasen, in denen sie eher
beratend im Hintergrund als Ansprechpartner
zur Verfügung stehen.
Die grundlegende Abkehr vom wissensvermit-
telnden Dozent_innen-Bild und der wiederholte
Rollenwechsel können für Lehrende wie auch
für Studierende ungewohnt sein. Unter Um-
ständen kollidieren die Lehr-Rollen Forschen-
den Lernens mit eher klassischen Erwartungen
der Studierenden, die diese aus ihren bisherigen
Studienerfahrungen gebildet haben. Manche
Lehrende mögen sich von der tradierten Do-
zent_innenrolle verabschieden, nur um dann,
wenn sie eher organisierend und motivierend die
Studierenden beim Wissenserwerb anleiten, von
eben diesen argwöhnisch beäugt zu werden, wäh-
rend sie sich selbst ohne die Distinktion durch
das zu vermittelnde Fachwissen befremdlich als
›Enter tainer_in‹ wahrnehmen. Die profunde und
wiederholte Reflexion der eigenen Rolle und eine
klare Kommunikation über die Besonderheiten
der Zusammenarbeit sind daher wichtig für eine
erfolgreiche Umsetzung Forschenden Lernens
im Seminar.
Konkrete Anregungen zur Rolle der Lehrenden finden
Sie unter »Handreichungen für Lehrende«.
Die Abschnitte I.3 und I.4 sind als Kopier vorlagen
zur Selbstreflexion gestaltet.
Die Lehrendenrolle ist nicht zuletzt auch abhän-
gig von der Gruppengröße. In kleineren Seminar-
gruppen ist es einfacher und wahrscheinlicher,
dass Lehrende tatsächlich im Team gemeinsam
mit den Studierenden Ideen entwickeln und Ent-
scheidungen treffen, zum Beispiel im Hinblick
auf das Forschungsdesign oder die Form des
Endprodukts. In größeren Gruppen ist es deut-
lich schwieriger, sich intensiv mit allen Teilneh-
mer_innen auseinanderzusetzen und Entschei-
dungen gemeinsam auszuhandeln.
Grundsätzlich ist es notwendig, dass Lehrende
flexibel bleiben, um auf die Zusammensetzung
der Gruppe und Unvorhergesehenes im Projekt-
verlauf eingehen zu können. Beispielsweise kann
es notwendig werden, das wissenschaftliche Ni-
veau an die Forschungsmöglichkeiten der Studie-
renden anzupassen und für einzelne – stärkere
und schwächere – Studierende individuelle Lö-
sungen zu finden. Ebenso viel Flexibilität wird
im Forschungsprozess letztlich auch den Studie-
renden abverlangt.
WICHTIGE FRAGEN
Wie lässt sich den Studierenden meine
Rolle als ›Forschungsgruppenleiter_in‹ ver-
deutlichen?
Was sind meine Erwartungen an die
Studierenden?
Was können die Studierenden im
Gegenzug von mir erwarten?
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
25
B.2.2 Abschlussprojekt und
gemeinsames Ziel
Die Erfahrung mit Lehrveranstaltungen zu For-
schendem Lernen zeigt, dass ein gemeinsames
Abschlussprodukt die Motivation der Studieren-
den fördern kann:
In der Regel forschen Studierende in ihrem Stu-
dium individuell (z. B. Hausarbeit oder Bachelor-/
Masterarbeit). Möglichkeiten für kollektives For-
schen sind demgegenüber eher selten, werden
von den Studierenden jedoch häufig sehr positiv
erlebt – insbesondere dann, wenn ein gemeinsa-
mes Abschlussprodukt erarbeitet wird (Sonntag
& Rueß, im Druck). Das Abschlussprodukt mar-
kiert das gemeinsame Ziel, auf das Lehrende und
Studierende hinarbeiten können.
Besonders motivierend sind dabei Abschlusspro-
dukte, die für eine breitere (Fach-)Öffentlichkeit
bestimmt sind. Die Studierenden erkennen, dass
sie nicht nur ›für die Schublade‹ arbeiten, son-
dern auch für Dritte interessante Erkenntnisse
erzielen. Das spornt an und erhöht die subjektive
Bedeutsamkeit der gemeinsamen Forschung.
Nicht jedes Abschlussprodukt ist für jedes Se-
minar gleichermaßen geeignet. Es ist sinnvoll,
wenn Lehrende sich idealerweise von Beginn an
Gedanken machen, welches Produkt sie gemein-
sam mit den Studierenden erstellen wollen und
können. Wenn möglich, sollten die Studierenden
in diese Entscheidung miteinbezogen werden,
sodass das Abschlussprodukt in einem gemein-
samen Aushandlungsprozess festgelegt wird.
Denkbare Formen sind zum Beispiel:
eine gemeinsame Publikation in Form eines
Sammelbands / E-Books mit allen studentischen
Beiträgen
eine Broschüre für die außeruniversitäre
Öffentlichkeit
eine Posterpräsentation im Institut
eine öffentliche Diskussionsrunde mit
eingeladenen Expert_innen am Institut oder
auch außerhalb der Universität
ein (studentisches) Symposium
ein Film, in dem die Ergebnisse illustriert
werden
ein Vortrag auf einer (studentischen)
Konferenz
ein gemeinsam verfasster Artikel für eine
wissenschaftliche Zeitschrift oder Publikation
Im Idealfall nähert sich das Seminar dem Ab-
schlussprodukt schrittweise. Lehrende setzen
– ggf. zusammen mit den Studierenden – klei-
ne Teilziele, die das Abschlussprodukt im Laufe
des Seminars sukzessive entstehen lassen. Das
hat vielerlei Vorteile: Teilziele strukturieren den
gesamten Forschungsprozess und zwingen zu
regelmäßiger Dokumentation und Reflexion des
aktuellen Standes, sowohl auf inhaltlicher als
auch auf organisatorischer Ebene. Zudem erle-
ben die Studierenden das stetige Erreichen von
Teilzielen als motivierend.
Damit das Arbeitsprodukt nicht am Ende des
Semesters mehr oder weniger ad hoc und unter
Zeitdruck erarbeitet werden muss, ist es hilfreich,
wenn Lehrende sicherstellen, dass Teilergebnisse
und -prozesse kontinuierlich dokumentiert wer-
den:
B
24
meisten Studierenden werden vermutlich über-
rascht und bisweilen auch irritiert sein. Denn
nicht selten haben sie die Erwartungshaltung,
dass es die Aufgabe der Lehrenden ist, ihnen Fra-
gen zu beantworten und Lösungen zu präsentie-
ren.
In diesem Zusammenhang lässt sich auch
explizit darauf eingehen, dass es nicht das For-
schungsthema der Lehrenden ist, sondern das
aller. Die Beiträge aller Beteiligten sind relevant
und die Verantwortung für den Forschungspro-
zess liegt bei allen gleichermaßen. In der Regel
erleben es Studierende als positiv, wenn ihnen
der Raum gegeben wird, ein Seminar (mit)zu-
gestalten.
Konkrete Anregungen dazu, wie Sie den Einstieg
didaktisch gestalten können, finden Sie in der Toolbox
p Abschnitt III.1 illustriert Methoden zum gegenseitigen
Kennenlernen, zur Abfrage von Teilnahmemotiven und
Erwartungen.
Auch wenn der Einstieg gelingt, kann es pas-
sieren, dass einige Studierende sich gegen eine
Teilnahme an dem Seminar entscheiden. Wie bei
vielen anderen Lehrveranstaltungen ist vor allem
in den ersten beiden Seminarsitzungen mit einer
Fluktuation der Teilnehmer_innen zu rechnen.
Nicht selten dauert es bis zur zweiten oder dritten
Semesterwoche, bis sich eine feste Studierenden-
gruppe herausgebildet hat.
Angesichts des möglichen Ein- und Ausstiegs
einzelner Studierender sollten Lehrende von Be-
ginn an versuchen, ein Teamgefühl zu schaffen.
In der Eingangsphase geht es hier im Besonde-
ren darum, eine vertrauensvolle Atmosphäre her-
zustellen. Grundstein dafür ist, dass alle wissen,
mit wem sie es im Seminar zu tun haben werden.
Am Anfang des Semesters ist es gut, genügend
Zeit dafür einzuplanen, dass sich alle gegenseitig
kennenlernen können. Es ist interessant und mo-
tivierend, miteinander nicht nur Teilnahmemo-
tive und Erwartungen zu klären, sondern auch,
welches Hintergrundwissen, Erfahrungen und
Kompetenzen Lehrende und Studierende in das
gemeinsame Forschungsprojekt einbringen.
Allgemeine Tipps zur Entwicklung des Teamspirits finden
Sie im Anhang unter »Tipps und Anregungen«
p Abschnitt II.1
Konkrete Anregungen dazu, wie Sie das gegenseitige
Kennenlernen didaktisch unterstützten können, finden Sie
in der Toolbox p Abschnitt III.1
WICHTIGE FRAGEN
Wie kann ich die Studierenden für
das Forschungs projekt interessieren und
begeistern?
Wie kann ich an das Vorwissen und die
Interessen der Studierenden anknüpfen?
Wie kann ich bereits zu Beginn ein
Teamgefühl aufbauen?
Wie schaffe ich es, dass das Forschungs-
projekt zu einem gemeinsamen Projekt
von mir und den Studierenden wird?
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
27
B.2.3 Strukturvorgabe und Freiraum
Forschendes Lernen soll Studierenden den Frei -
raum geben, selbständig zu forschen. Dabei
brauchen sie aber in aller Regel dennoch Unter-
stützung. Lehrende stehen somit häufig vor der
Frage, welche Vorgaben die Studierenden brau-
chen und wo sie (mit)gestalten können. Wie kann
dieser Spagat zwischen Struktur vorgabe und
Frei raum bewältigt werden?
Im Idealfall führen Lehrende die Studierenden
langsam an die Freiräume heran:
In den ersten Sitzungen werden die Studieren-
den vermutlich stärker angeleitet werden müssen
als in späteren Phasen der Forschung. Um das
gemeinsame Forschen zu erleichtern, sollten alle
Studierenden zunächst auf einen gemeinsamen
Kenntnisstand im Hinblick auf fachliche Inhal-
te und methodische Vorgehensweisen gebracht
werden. Das bedeutet aber nicht, dass zwingend
die Lehrenden die zentralen Inhalte referieren
müssen. Es ist hilfreich, die Studierenden von
Beginn an einzubeziehen, zum Beispiel indem
Lehrende die Studierenden bestimmte Aspekte
selbst erarbeiten und sich gegenseitig vorstellen
lassen. Das kann im Seminar selbst über Grup-
penarbeiten oder auch in Vorbereitung zu Hause
realisiert werden. Die Lehrenden sollten jedoch
vorab festlegen und kommunizieren, wie das
selbständig erarbeitete Wissen im Seminar ge-
teilt und vermittelt werden kann. Sinnvoll ist es,
beispielsweise eine Gliederung oder Leitfragen
vorzugeben, anhand derer inhaltliche oder auch
methodische Aspekte präsentiert werden kön-
nen.
Deutlich stärker gefordert sind die Studieren-
den dann, wenn es darum geht, eigene Teilfragen
zu entwickeln, die helfen sollen, die übergeord-
nete Fragestellung des Seminars zu beantworten.
Die Studierenden sollten hier die Möglichkeit
haben, eigene Ideen einzubringen. Eine wichti-
ge Aufgabe der Lehrenden besteht darin, die ver-
schiedenen Erkenntnisinteressen so zusammen-
zuführen, dass der gemeinsame rote Faden nicht
verloren geht.
An die Erarbeitung von Teilfragen schließt
sich die Untersuchungsplanung an. Auch hier
ist die Mitarbeit der Studierenden erforderlich.
Konkret könnte dies umgesetzt werden, indem
die Studierenden zunächst selbst Forschungs-
designs entwickeln, die dann wiederum in der
Seminargruppe vorgestellt und diskutiert wer-
den. Wichtig: Falls die Studierenden nur wenig
Erfahrung damit haben, wie Forschungsvorha-
ben geplant werden können, müssen Lehrende
hier stärker unterstützen. Umso wichtiger ist es,
dass die Studierenden sich gegenseitig Feedback
geben, indem die Lehrenden sich selbst eher zu-
rückhalten. Geben Lehrende zu schnell oder zu
detailliert Rückmeldungen, verlassen sich die
Studierenden oftmals zu sehr auf sie und hören
auf, sich aktiv zu beteiligen.
Die Durchführung der Forschung findet zumeist
selbstgesteuert und in Kleingruppenarbeit statt.
Die erarbeiteten Forschungsdesigns werden von
den Studierenden weitgehend eigenständig be-
arbeitet. Dabei sind jedoch begleitende, regel-
mäßige Präsenztermine einzuplanen, um eine
kontinuierliche Unterstützung der Arbeitsgrup-
pen zu gewährleisten und die Teilergebnisse und
-prozesse zusammenzuführen. Diese Termine
B
26
Zu Beginn des Semesters lässt sich statt ei-
nes klassischen Seminarplans z. B. ein Projekt-
plan oder eine Themenlandkarte nutzen, um
mit den Studierenden festzulegen, welche Felder
wann und wie bearbeitet werden sollen. Im
weiteren Verlauf des Seminars können die Se-
minarteilnehmer_innen immer wieder darauf
zurückkommen und gemeinsam prüfen, welche
Arbeits schritte noch zu erledigen sind oder wel-
che Texte, Theorien oder Methoden noch zwin-
gend bearbeitet werden müssen, um (ggf. auch
neu entstandene) Lücken zu schließen. Auf diese
Weise lässt sich sicherstellen, dass alle stets wis-
sen, warum sie was mit wem und bis wann tun.
Nicht zuletzt können Projektpläne bzw. Themen-
landkarten auch zur Motivation genutzt werden:
Lehrende können den Studierenden im Laufe
des Semesters immer wieder zeigen, wie weit sie
schon gekommen sind. So werden Erfolge und
Fortschritte sichtbar.
Es hilft, wenn während des Semesters zentrale
Teilergebnisse und -prozesse regelmäßig doku-
mentiert werden. Denkbar sind hier Beiträge der
Studierenden zum theoretischen Hintergrund,
zur Methodenherleitung, zur Beschreibung der
Untersuchung oder zu den ersten Ergebnissen.
Konkret können Lehrende hier beispielsweise
mit Portfolios arbeiten, also einen geteilten (phy-
sischen oder digitalen) Ordner anlegen, in dem
die Beiträge gesammelt werden. Wer gerne mit
Social Media arbeitet, kann für das Portfolio bei-
spielsweise auch einen Webblog nutzen, in den
die Studierenden ihre Einträge einstellen kön-
nen. Alternativ könnten Protokolle von Diskus-
sionen im Seminar so aufbereitet werden, dass
sie relevante Teilergebnisse und -prozesse wider-
spiegeln. Wenn geplant ist, diese Ergebnisse in
die Bewertung einfließen zu lassen, empfiehlt
es sich, frühzeitig mit den Prüfungsverantwort-
lichen / -ämtern Rücksprache zur Anrechenbar-
keit von Portfolios etc. zu halten.
Anregungen zur Dokumentation und Visualisierung von
Inhalten finden Sie im Anhang unter »Tipps und
Anregungen« p
Abschnitt II.2
Konkrete Anregungen dazu, wie Sie – statt eines
klassischen Seminarplans – mit einer Themenlandkarte
arbeiten können, finden Sie in der Toolbox
p
Abschnitt III.2
WICHTIGE FRAGEN
Was sind mögliche gemeinsame
Abschlussprodukte der Veranstaltung?
Wie lege ich das Abschlussprodukt
gemeinsam mit den Studierenden fest?
Welche kleinen Teilziele sollten
die Studierenden erreichen, sodass
das Abschlussprodukt sukzessive
entstehen kann?
In welchem Kontext könnten die
Ergebnisse des Forschungsprojekts einer
(Fach-)Öffentlichkeit präsentiert werden?
Wie sieht die Zielgruppe aus?
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
29
B.3 Forschungsphase
B.3.1 Entwicklung von Forschungsfrage
und -design
Beim Forschenden Lernen wird in der Regel ein
Gegenstand – das Thema des Seminars – ge-
meinsam erforscht. Idealerweise handelt es sich
also um ein gemeinschaftliches Forschungsvor-
haben mit Raum für individuelle Ausprägungen.
Die Entwicklung eigener Forschungsfragen und
die Wahl passender Forschungsmethoden stellen
zentrale Momente im Prozess des gemeinsamen
Forschens dar. Nicht selten haben Studierende
aber gerade bei diesen Aufgaben Schwierigkei-
ten. Häufig nehmen sie sich aufgrund mangeln-
der Erfahrung zu viel vor. Sie wählen Forschungs-
fragen, die zu breit angelegt sind und mit den
verfügbaren Ressourcen nicht beantwortet wer-
den können.
Hier stellt sich also die Herausforderung, die Stu-
dierenden so zu unterstützen, dass sie interes-
sante und gleichzeitig bearbeitbare Forschungs-
fragen und -designs entwickeln können. In der
Regel können Fragen und Designs nicht ad hoc
entwickelt werden, sodass sich eine schrittweise
Annäherung empfiehlt:
Schritt 1: Thematische Einführung zum
übergeordneten Thema
Damit die Studierenden eigene Forschungs-
fragen finden können, benötigen sie zunächst
theoretisch-inhaltliches Wissen zum Themen-
gebiet, in dem geforscht werden soll. Zunächst
muss dabei natürlich das Themengebiet vorge-
stellt werden bzw. die übergeordnete Forschungs-
frage, die gemeinsam im Seminar beantwortet
werden soll. Die Einführung kann – je nach
Thema/übergeordneter Forschungsfrage – ganz
unterschiedliche Wissensbereiche umfassen:
Begriffsklärungen, aktuelle Forschungsbefunde,
konfligierende Theorien, ungeprüfte Hypothesen
oder umstrittene Erkenntnisse aber auch offene
Fragen und Forschungsdesiderate. Unabhängig
von den konkreten Inhalten werden für die the-
matische Einführung in der Regel die ersten zwei
bis drei Sitzungen des Seminars benötigt. Hier
kann die/der Lehrende inhaltlichen Input geben,
es ist aber ebenso möglich, die Studierenden be-
reits in dieser Phase gezielt einzubinden – bei-
spielsweise, indem Grundlagentexte auf Klein-
gruppen aufgeteilt, von den Studierenden vor-
bereitet, zusammengefasst und referiert werden.
Hierbei können Regeln der Zusammen arbeit
bereits frühzeitig erprobt und – gerade auch in
heterogenen und multidisziplinären Studieren-
dengruppen – bestehende Wissens- und Erfah-
rungsunterschiede produktiv genutzt werden.
Idealerweise findet die Vorbereitung der Literatur
außerhalb der Sitzungen statt. Wenn die Vorbe-
reitung im Seminar stattfinden muss, sollten die
Texte so gewählt bzw. aufgeteilt werden, dass sie
auch innerhalb einer Sitzung bearbeitet und dis-
kutiert werden können.
Schritt 2: Ideen für Teilfragen brainstormen
Einige Studierende werden das Seminar aus ei-
nem inhaltlichen Interesse heraus besuchen.
Andere Studierende müssen dieses Interesse
vielleicht erst noch entwickeln, insbesondere
dann, wenn es sich um eine Pflichtveranstal-
tung handelt. Um auch jene Studierende ohne
ausgeprägtes Eigeninteresse zum Nachdenken
über das jeweilige Thema anzuregen, empfiehlt
B
28
können von den Lehrenden moderiert oder auch
alternierend durch die Gruppen verantwortet
werden.
Wie stark sich Lehrende in der Endphase der
Forschung einbringen möchten, hängt vor allem
von der Art des Abschlussproduktes ab: Ein ge-
meinsamer wissenschaftlicher Artikel wird ver-
mutlich mehr Vorstrukturierung erfordern als
eine Broschüre, die für eine externe Öffentlich-
keit erarbeitet wird. Es hilft, bereits während der
Definition des Abschlussproduktes zu bedenken,
welche Unterstützung die Studierenden voraus-
sichtlich benötigen werden.
Wie Sie die verschiedenen Forschungsphasen im
Semester anordnen können, zeigt Ihnen ein
Beispiel-Semesterplan, den Sie in den angehängten
»Handreichungen für Lehrende« finden p Abschnitt I.2
Konkrete Anregungen dazu, wie die Studierenden eigen-
ständig erarbeitetes Wissen teilen und sich gegenseitig
vermitteln können, finden Sie in der Toolbox
p Abschnitt III.3
In ihrer Rolle als Leiter_innen des gemein samen
Forschungsprojektes müssen Lehrende ab und
an den Anstoß geben, dass anstehende Auf gaben
fristgerecht erledigt werden, um Teilziele wie ge-
plant erreichen zu können. Entscheidend dabei
ist erstens, dass die Aufgaben frühzeitig verteilt
werden, sodass alle Studierenden und die Leh-
renden wissen, wer für was bis wann zuständig
ist. Zweitens muss geklärt werden, wann welche
Teilziele erreicht werden sollen. Die entspre-
chenden Fristen sollten idealerweise zusammen
mit den Studierenden festgelegt werden. Dies
unterstreicht noch einmal, dass das Forschungs-
projekt von allen gemeinsam verantwortet wird,
und schafft gleichzeitig Verbindlichkeit in der
Gruppe.
WICHTIGE FRAGEN
Welches grundlegende Wissen brauchen
die Studierenden, damit wir gemeinsam for-
schen können, und wie soll dieses Wissen
vermittelt werden?
Welche inhaltlichen bzw. methodischen
Vorgaben sind als verbindlich gesetzt und
über welche wird im Team noch
gemeinsam entschieden?
Welche konkreten Aufgaben im Forschungs -
prozess bzw. in der Veranstaltung über-
nehme ich? Welche Aufgaben übernehmen
die Studierenden?
Bis wann sollen welche Aufgaben erledigt
bzw. welche Teilziele erreicht sein?
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
31
Die ursprüngliche Frage wird hierbei in mehre-
ren Schritten so überarbeitet und umformuliert,
dass Interesse und Möglichkeiten in Einklang ge-
bracht werden. Ziel der Über arbeitung ist nicht,
den Studierenden ihre Projektideen auszureden,
sondern zu präzisieren, wo das Interesse tatsäch-
lich liegt und die Gruppe dafür zu sensibilisieren,
wie sich das, was in einem begrenzten Zeitraum
und mit den vorhandenen Fähigkeiten realisier-
bar ist, möglichst anspruchsvoll gestalten lässt.
Nachdem das Prinzip ein oder zwei Mal gemein-
sam im Plenum durchlaufen wurde, lassen sich
die übrigen Vorschläge auch in Kleingruppen
überarbeiten – bei Einzelprojekten mit der Maß-
gabe, dass das Projekt durchführbar, aber weiter-
hin spannend bleibt; bei Gruppenprojekten mit
der Maßgabe, einen gemeinsamen Vorschlag zu
erarbeiten.
Trotz Unterstützung seitens der/des Lehrenden
kann es natürlich passieren, dass nicht alle Stu-
dierenden in der Lage sind zu formulieren, wel-
cher wissenschaftlichen Fragestellung sie nach-
gehen möchten. Insbesondere von Studierenden
mit geringen theoretischen Kenntnissen wird
dieser Freiraum für eigene Interessen häufig als
Überforderung empfunden. Bei Gruppenprojek-
ten reicht es aus, wenn sich diese Studierenden
einer Arbeitsgruppe zuordnen können. Wenn die
Prüfungsvorgaben individuelle Leistungsnach-
weise erfordern, könnten ihnen vorbereitete Teil-
fragen zur Auswahl gestellt werden.
Schritt 5: Forschungsdesigns entwickeln
Um für die erarbeiteten Forschungsfragen ein
geeignetes Forschungsdesign entwickeln zu kön-
nen, benötigen die Studierenden ein bestimmtes
methodisches Wissen. Im Idealfall sind die For-
schungsfrage und das bestehende Methoden-
wissen bereits im Prozess der Fragenformulie-
rung in Einklang gebracht worden (bzw. nötige
Methoden vorkenntnisse als Teilnahmevoraus-
setzung für das Seminar spezifiziert worden).
In der Praxis wird jedoch trotzdem häufiger ein
metho discher Input notwendig sein (z. B. wenn
methodisches Wissen zum ersten Mal angewandt
werden soll oder ein bislang unvertrautes Ver-
fahren vertiefte Erkenntnisse verspricht). Hier
– und insbesondere für Veranstaltungen ohne
ausgewiesene Teilnahmevorausetzungen – emp-
fiehlt es sich, früh zeitig zu überlegen, wie ein be-
darfsorientierter methodischer Input am besten
gewährleistet werden kann. Dieser Input kann
durch die/den Lehrende/n erfolgen oder durch
Verweis auf relevante Literatur von den Stu-
dierenden selbständig angeeignet bzw. vertieft
werden. Eventuell kann hier aber auch auf das
Wissen anderer, weiter fortgeschrittener Teilneh-
mer_innen oder – natürlich nur nach vorheriger
Absprache – auf die Expertise von Kolleginn_en
zurückgegriffen werden.
An die Vermittlung relevanter methodischer
Kennt nisse schließt sich die Phase der For-
schungs planung an. Im Idealfall wird das
Forschungsdesign nicht vorgegeben, sondern
den Studierenden zunächst Raum dafür gelas-
sen, sich selbst zu erproben, d. h. selbst geeignete
Untersuchungsdesigns zu entwickeln. In der Fol-
ge sollte die/der Lehrende den Studierenden in
jedem Falle Feedback auf ihre Designs geben, auf
dessen Grundlage sie daran weiterarbeiten kön-
nen. Wenn möglich sollten die Studierenden in
diesen Feedbackprozess einbezogen werden, d. h.
sich auch gegenseitig Feedback auf die erarbei-
teten Designs geben. Beispielsweise können die
entwickelten Untersuchungsdesigns vorgestellt
B
30
es sich, die Interessen der Gruppe am Thema
explizit anzusprechen, die Studierenden etwa da-
nach zu fragen, warum sie am Seminar teilneh-
men, was genau sie am Thema interessiert oder
welche Fragen ihnen in den Sinn kommen, die
sie gerne bearbeiten würden. Natürlich braucht
auch die Entwicklung solcher erster Ideen Zeit.
Die Studierenden sollten daher zunächst den
Raum haben, um sich individuell mit ihren the-
matisch-inhaltlichen Interessen auseinanderzu-
setzen. Dafür können auch Methoden des Brain-
stormings eingesetzt werden, beispielsweise das
»Brain Walking« (vgl. Toolbox im Anhang).
Schritt 3: Teilfragen im Plenum zusammen-
tragen und clustern
Die individuell erarbeiteten Interessen und Ideen
der Studierenden werden im Anschluss im Ple-
num aufgegriffen und diskutiert. Dabei erhalten
nach Möglichkeit alle Seminarteilnehmer_innen
Gelegenheit, eine erste Idee mitzuteilen (bei grö-
ßeren Gruppen empfiehlt sich hier eine Karten-
abfrage). Inhaltliche Überschneidungen können
auf diese Weise identifiziert und gemeinsame
Ideen geclustert werden, um gegebenenfalls
thematische Kleingruppen zu bilden. Das über-
geordnete Thema bzw. die übergeordnete For-
schungsfrage des Seminars bildet die Klammer.
Das heißt, im Idealfall sollten letztlich von den
Studierenden nur solche Teilfragen bearbeitet
werden, die auch wirklich zum Seminarthema
passen bzw. die helfen, die übergeordnete Frage
zu beantworten. Gemeinsam kann im Seminar
dann darüber beraten werden, welche Teilfragen
geeignet bzw. weniger geeignet sind und welche
– zumindest in diesem Seminar – weiterverfolgt
werden und welche nicht. Die Teilfragen kön-
nen – je nach Zusammensetzung der Gruppe –
einzeln oder in Kleingruppen bearbeitet werden.
Bei besonders wenigen Teilnehmer_innen kann
auch das gesamte Team gemeinsam die überge-
ordnete Fragestellung bearbeiten.
Schritt 4: Teilfragen präzisieren
Sind die gemeinsamen Ideen und Interessen for-
muliert, gilt es, diese in einem nächsten Schritt,
in bearbeitbare Forschungsfragen zu übersetzen.
Eine spielerische Möglichkeit, die Studierenden
bei der Präzisierung ihrer Interessen und -fragen
zu unterstützen, ist der ›Reality Check‹:
Die Studierenden schreiben ihre Teilfragen indivi-
duell oder in den bereits gebildeten Kleingruppen
auf. Dabei kommen – gerade bei unerfahreneren
Studierenden – häufig ziemlich anspruchsvolle
Projektideen heraus. Eine der eingereichten Teil-
fragen wird dann im Plenum einer Realitätskon-
trolle unterzogen und überarbeitet:
Wo liegt der Kern der Frage, was genau soll
untersucht werden? Passt die Formulierung der
Frage zum eigentlichen Interesse?
Welche Art von Daten (und Methoden) werden
zur Beantwortung der Frage benötigt? Welche Art
von Daten und Methoden suggeriert die Formu-
lierung der Frage?
Welche Informationen und Daten sind (für die
Teilnehmer_innen) verfügbar? Welche Schwie-
rigkeiten müssen wir antizipieren?
Gibt es in den gesichteten Quellen Studien, an
die sich von Ansatz oder Design her anknüpfen
lässt?
Welches Fachwissen und welche Fähigkeiten
bringen die Forscher_innen mit?
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
33
loquien haben, in denen Vorgehensweisen oder
erste Teilergebnisse diskutiert und jeweils in den
Kontext des gesamten Themas gestellt werden.
In einem solchen Format können sich die Semi-
narteilnehmer_innen selbst und gegenseitig als
Expert_innen und Berater_innen wahrnehmen –
als gemeinsam forschend Lernende. Ganz neben-
bei sind die Studierenden dadurch aufgefordert,
ihre Arbeitsschritte regelmäßig aufzubereiten.
Sukzessive entsteht somit eine Dokumentation,
die als Grundlage für das Abschlussprodukt die-
nen kann.
Konkrete Anregungen dazu, wie Zwischenergebnisse
während der Forschungsphase präsentiert werden können,
finden Sie in der Toolbox p Abschnitt III.3 illustriert
verschiedene Methoden, wie Wissen gegenseitig geteilt
und vermittelt werden kann.
Möglicherweise macht die Gruppe oder machen
einzelne Studierende die Erfahrung, dass im
Prozess der Forschung Rückschläge und Krisen
auftreten können, mit denen sie dann umgehen
müssen. So können sich beispielsweise der Zu-
gang zum empirischen Feld oder die Auswertung
der erhobenen Daten als komplizierter erweisen
als gedacht, sodass eine zeitliche Verzögerung
eintritt oder sogar die Forschungsfrage neu kon-
zipiert werden muss. Umso bedeutender ist es,
dass die/der Lehrende als Berater_in in diesem
Prozess zur Verfügung steht. Aufkommende
Hürden oder Rückschläge können in den Prä-
senzterminen dann gezielt thematisiert und auf-
gefangen werden. Nicht zuletzt im Austausch
mit Kommiliton_innen kann den Studierenden
nahe gebracht werden, dass Forschung nicht im-
mer geradlinig ist und auch nicht immer wie ge-
plant verlaufen muss.
Natürlich ist auch ein Format denkbar, das den
Studierenden die Freiheit gibt, sich die Zeit selbst
einzuteilen und bei dem die/der Lehrende statt
der Präsenzveranstaltungen Rücksprachetermi-
ne anbietet. Gerade in diesem Fall ist die Klärung
der Kommunikationswege und der gegenseitigen
Möglichkeiten der Erreichbarkeit – zum einen
zwischen den Lehrenden und den Studierenden,
zum anderen innerhalb der Studierendengruppe
– von großer Bedeutung. Neben herkömmlichen
Kommunikationswegen (z. B. Email) können
hier natürlich auch gemeinsam geteilte Ord-
ner in einer Cloud oder E-Learning-Plattformen
genutzt werden. Wenn möglich, sollte jedoch
ein Austausch-Tool genutzt werden, das nicht
nur einen Dialog zwischen Lehrenden und for-
schenden Studierenden ermöglicht, sondern
Diskussions möglichkeiten mit Kommiliton_in-
nen einschließt.
WICHTIGE FRAGEN
Wie organisiere ich den Austausch mit
den Studierenden während der eigen-
ständigen studentischen Forschungsphase
(z. B. wöchentliche Präsenztermine bei-
behalten oder Beratungstermine anbieten)?
Wie organisiere ich den Austausch zwischen
den studentischen Kleingruppen während
der eigenständigen Forschungsphase (z. B.
Präsenztermine mit Kolloquien- Charakter
oder Online-Plattformen)?
B
32
und im Plenum diskutiert, bewertet und ggf.
gemeinsam verbessert werden. Alternativ kann
auch Peer-Feedback organisiert werden, indem
beispielsweise alle Studierenden zwei Untersu-
chungsdesigns lesen und Rückmeldung dazu
geben.
Für die Darstellung der Untersuchungsdesigns
empfiehlt es sich, eine Reihe von Leitfragen
vor zugeben, an denen sich die Studierenden
orientieren können, z. B.: Was wird untersucht,
d. h. welche Untersuchungsgegenstände, welche
Stichproben etc. und warum genau diese? Mit
welchen Methoden und Instrumenten? Wie wer-
den die Ergebnisse ausgewertet? Durch die Vor-
gabe von Leitfragen werden die studentischen
Präsentationen vergleichbar, sodass nicht zuletzt
auch gegenseitiges Feedback erleichtert wird.
Eine Beschreibung des Brain Walkings sowie konkrete
Anregungen dazu, wie Sie im Seminar Ideen für
Forschungs fragen brainstormen und zusammentragen
lassen können, finden Sie in der Toolbox p Abschnitt III.2
WICHTIGE FRAGEN
Wie kann ich die Studierenden dabei unter-
stützen, eigene Teilfragen zu finden?
Wie stelle ich sicher, dass die Teil fragen
zum Seminarthema bzw. zur über-
geordneten Forschungsfrage passen?
Wie stelle ich sicher, dass sich die
Studierenden (ggf. zusätzliche) methodi-
sche Kenntnisse aneignen können?
Wie kann ich die Studierenden dabei unter-
stützen, geeignete Forschungsdesigns für
ihre Teilfragen zu entwickeln?
B. 3. 2 Unterstützung und Austausch
während der Forschungsphase
Wenn die Studierenden Forschungsfragen gefun-
den, präzisiert und Designs zur Beantwortung
ihrer Fragen entwickelt haben, geht es an die
Durchführung der Forschung. Die Studierenden
haben hier gezielt die Möglichkeit, sich zu erpro-
ben, d. h. sie brauchen ausreichend Zeit, um ihre
Forschung eigenständig durchführen zu können,
in Kleingruppen oder auch individuell.
Während dieser eigenständigen Forschungspha-
se empfiehlt es sich trotzdem, regelmäßige Prä-
senztermine beizubehalten (etwa in 14-tägigem
Rhythmus). Diese Termine können zum selbstän-
digen Arbeiten im Seminarraum genutzt werden,
sollten in jedem Falle aber auch den wechselsei-
tigen Austausch unter den Studierenden ermög-
lichen. Für die Motivierung der Studierenden
ist es wichtig, dass sie den roten Faden bzw. die
Schnittmengen der Einzel- oder Kleingruppen-
arbeiten sowie das Ziel des gemeinsamen Ab-
schlussprodukts sehen. Jene Sitzungen, die den
Austausch zwischen den Studierenden fördern,
könnten zum Beispiel den Charakter von Kol-
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
35
B.4 Abschluss und Nachbereitung
B.4.1 Ergebnispräsentation
Die Herausforderung zum Ende des Semesters
besteht darin, die Ergebnisse der studentischen
Forschung so zusammenzuführen, dass ein ge-
meinsames Abschlussprodukt realisiert werden
kann. Zunächst werden also alle Ergebnisse erst
intern in der Seminargruppe zusammengetra-
gen, bevor dann ein Abschlussprodukt für exter-
ne Zielgruppen erarbeitet werden kann.
Auch die interne Ergebniszusammenführung
braucht Vorbereitung: Der Zeitpunkt für die Er-
gebnissynthese sollte bereits früh im Semester
vereinbart werden, sodass alle wissen, bis wann
die Ergebnisse aufbereitet sein müssen. Im Ide-
alfall haben die Studierenden Teilergebnisse be-
reits während des Semesters ausreichend doku-
mentiert, was die Aufbereitung der Endergebnis-
se erleichtert und den Arbeitsaufwand zum Ende
des Semesters überschaubar hält (siehe dazu
Kapitel B.2.2).
Die Zusammenführung selbst kann beispiels-
weise darin bestehen, dass die Studierenden sich
ihre Ergebnisse gegenseitig vorstellen. Ggf. kön-
nen den Studierenden hier Leitfragen oder eine
Gliederung an die Hand gegeben werden, sodass
sie den Aufbau und die Inhalte ihrer Ergebnis-
präsentationen daran ausrichten können. Die
Form der internen Ergebnispräsentation kann
sich bereits an der Form des Abschlussproduktes
orientieren: Wenn als gemeinsamer Abschluss
beispielsweise eine Poster-Ausstellung geplant
ist, können die Ergebnisse bereits in Form von
Poster-Vorentwürfen zusammengeführt werden.
Wenn ein studentisches Symposium zum Ab-
schluss realisiert werden soll, kann die interne
Präsentation als Testdurchlauf für externe Vorträ-
ge genutzt werden. Damit das Feedback-Geben
nicht – wie in regulären Lehrveranstaltungen
häufig der Fall – allein auf die/den Lehrende_n
zurückfällt, sollten die Studierenden explizit dazu
eingeladen werden, sich auch gegenseitig Rück-
meldung zu ihren Ergebnispräsentationen zu ge-
ben (siehe dazu Kapitel B.3.3).
Auf die interne Ergebnissynthese folgt schließ-
lich die Aufbereitung für externe Zielgruppen:
Ergebnisse wissenschaftlich aufzubereiten, fällt
Studierenden nicht immer leicht. Sie werden ver-
mutlich hier verstärkt Unterstützung durch die/
den Lehrende_n benötigen. Hilfreich können
Handreichungen oder Beispiele sein, an denen
sich die Studierenden orientieren können, etwa
zu den Fragen: »Wie schreibt man einen wis-
senschaftlichen Artikel«, »Wie sieht ein wissen-
schaftliches Poster aus?«, »Wie präsentiert man
wissenschaftliche Ergebnisse?« etc.
Häufig lässt sich das Abschlussprodukt nicht in-
nerhalb der Vorlesungszeit realisieren, sondern
die Arbeit daran wird in die vorlesungsfreie Zeit
verlegt. Damit die Aufgaben nicht an den Lehren-
den oder einzelnen besonders engagierten Stu-
dierenden hängen bleibt, muss daher in der Se-
minargruppe frühzeitig diskutiert und vereinbart
werden, in welchem Maße die vorlesungsfreie
Zeit zur Finalisierung des Abschlussproduktes
genutzt werden kann bzw. soll. In der Regel sind
die Studierenden eher bereit weiterzuarbeiten,
wenn sie wissen, worauf sie sich einlassen. Falls
im Forschungsverlauf Verzögerungen eintreten,
sollten die Studierenden rechtzeitig darauf vor-
B
34
B. 3. 3 Kommunikation und Feedback
im Forschungsprozess
Neben Forschungsfrage und Forschungsdesign
stehen und fallen gemeinschaftliche Forschungs-
vorhaben mit der Kommunikation innerhalb der
Gruppe, insbesondere damit, wie Beiträge zum
gemeinsamen Forschungsprozess bewertet und
wie mit potenzieller Kritik umgegangen wird.
Eine nützliche Methode hier ist das ›kollegiale
Feedback‹. Da Studierende oft wenig Vorerfah-
rung mit konstruktivem Feedback haben, ist es
gut, wenn sie gemeinsam auf ihre Rolle als Feed-
backgeber_innen und -nehmer_innen vorbereitet
werden. Im Idealfall werden bereits zu Seminar-
beginn zentrale Feedback-Methoden und -Regeln
eingeführt, damit sich die Studierenden sukzes-
sive daran gewöhnen können. Methodisch ist
hier ein breites Spektrum denkbar (z. B. offene
Feedbackrunde, schriftliches/anonymes Feed-
back, Punkteabfrage). In jedem Falle sollten aber
vorab Feedback-Regeln verabredet werden (z. B.
eher beschreibend als bewertend, eher konkret
als allgemein und eher einladend als zurechtwei-
send). Natürlich können Lehrende auch immer
Feedback zum Feedback geben, d. h. gelungene
Äußerungen wertschätzen und, falls nötig, Alter-
nativen zu ungünstig formulierten Bemerkun-
gen aufzeigen, sodass die Studierenden weiter
dazulernen können.
Im gemeinsamen Forschungsprozess bietet sich
das kollegiale Feedback fortlaufend, insbeson-
dere aber an folgenden Punkten an:
Feedback zu den Forschungsfragen von Kom-
militon_innen (siehe dazu v. a. den »Reality
Check« in Abschnitt B.3.1)
Feedback zu Forschungsdesigns von Kommili-
ton_innen (siehe Abschnitt B.3.1)
Feedback zu (Zwischen-)Ergebnissen von
Kom militon_innen (z. B. Poster, Abstracts,
Ergebnis präsentationen)
Feedback zum gemeinsamen Abschlusspro-
dukt (z. B. inhaltliches Feedback zu den Berei-
chen, die Kommiliton_innen verantwortet haben
oder auch Feedback zum gemeinsamen Arbeits-
prozess).
Hinweise zum Thema Feedback und Feedback-Regeln,
die Sie im Seminar etablieren können, finden Sie im Anhang
unter »Tipps und Anregungen« p Abschnitt II.3
Konkrete Anregungen dazu, wie Sie zum Feedback anregen
können, finden Sie in der Toolbox p Abschnitt III.4
illustriert verschiedene Methoden des Feedbacks.
WICHTIGE FRAGEN
Welche Feedback-Regeln und -Methoden
möchte ich in der Seminargruppe
etablieren?
An welchen Punkten im Forschungsprozess
ist es besonders wichtig, dass sich die
Studierenden gegenseitig Feedback geben?
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
37
Abb.3: Beispiele für Bewertungskriterien
Kompetenzziel mögliche Bewertungskriterien
Entwicklung von
Forschungsfragen
Forschungsfrage beantwortet ein Desiderat / ein wissenschaftliches oder
praktisches Problem
Forschungsfrage ist gut begründet / leitet sich aus Forschungsstand ab
Forschungsfrage verdeutlicht methodologische Orientierung (z. B. quantitativ, qualitativ)
(…)
Entwicklung von
Forschungsdesigns
Forschungsdesign ist geeignet, um Forschungsfrage zu beantworten
Forschungsdesign ist gut begründet
(z. B. Begründung der Methoden, Stichprobe/Untersuchungsgegenstand)
Forschungsdesign ist umsetzbar (z. B. Feldzugang/Quellenlage)
(…)
Anwendung von
Forschungsmethoden
Untersuchungsmethoden werden korrekt eingesetzt
(z. B. Fragebogen, Interview, experimenteller Aufbau, Archiv- oder Textarbeit)
Auswertungsmethoden werden korrekt eingesetzt
(z. B. statistische Auswertungen, qualitative Inhaltsanalyse)
(…)
Darstellung und Diskussion
der Ergebnisse
Ergebnisse beziehen sich auf Forschungsfrage
Ergebnisse werden angemessen interpretiert (weder über- noch unterinterpretiert)
Relevanz und Grenzen des eigenen Vorhabens werden diskutiert
Implikationen für die Praxis oder künftige Forschungen werden abgeleitet
(…)
Formale Aufbereitung von
Forschungsergebnissen
Aufbau nach wissenschaftlichen Standards
korrekte Bibliografie und Zitierweise
wissenschaftlich korrekter Umgang mit Begrien (»Wissenschaftssprache«)
klarer und verständlicher Schreib- bzw. Präsentationsstil
(…)
Engagement
im Seminar
Engagement bei Aufgaben in Kleingruppen
Engagement bei Diskussionen in Seminargruppe
Engagement beim kollegialen Feedback
(…)
B
36
bereitet werden, dass sich dadurch der Zeitplan
nach hinten verschiebt und verbleibende Aufga-
ben in der vorlesungsfreien Zeit bearbeitet wer-
den müssen.
WICHTIGE FRAGEN
Wann im Semester planen wir die interne
Zusammenführung der Ergebnisse?
Welche Vorgaben für die gegenseitige
Ergebnis präsentation können den
Studierenden helfen?
Bis wann soll unser Abschlussprodukt
fertig sein?
Welche Hinweise für die Erstellung des
Abschluss produktes können den
Studierenden helfen?
B. 4. 2 Prüfungsleistungen
In der Regel legen die fachspezifischen Prü-
fungsordnungen fest, auf welcher Grundlage Lei-
stungspunkte bzw. Noten vergeben werden (z. B.
Klausuren, Referate, Hausarbeiten). Grundsätz-
lich eignen sich manche Prüfungsformen mehr,
andere weniger, um forschungsbezogene Leistun-
gen von Studierenden zu bewerten. Abschluss-
klausuren etwa erfragen in der Regel vor allem
deklaratives Wissen. Erworbene Forschungs kom-
petenzen oder erbrachte Forschungsleistungen
können in dieser Form nicht angemessen be-
rücksichtigt werden. Sofern es die Prüfungsord-
nung zulässt, sollte daher eine Prüfungsform
gewählt werden, die den Forschungstätigkeiten
und Gruppenarbeiten der Studierenden eher
gerecht wird. Gängige Prüfungsleistungen wie
mündliche Präsentationen, Referate, Essays oder
Hausarbeiten lassen sich hier gut einsetzen bzw.
adaptieren.
Nach Möglichkeit sollte nicht nur die Qualität
der Ergebnisse bzw. deren verschriftlichte Dar-
stellung, sondern auch der Forschungsprozess
insgesamt bewertet werden. Hier empfiehlt sich
das Format des individuellen Portfolios, welches
es den Studierenden ermöglicht, ihre Beteiligung
am Prozess semsterbegleitend zu dokumentieren
(Gestaltungshinweise siehe z. B. Bräuer, 2016;
e-teaching.org, 2016). Die Bewertungskriterien
könnten sich auch auf die Kreativität und Wissen-
schaftlichkeit der Forschungsfrage und die An-
gemessenheit des methodischen Forschungs-
designs beziehen oder in bestimmten Fällen auch
das Engagement und die Zusammenarbeit in der
Gruppe sowie ggf. die Beteiligung an kollegialem
Feedback (nicht dessen Inhalt) berücksichtigen.
Inwieweit letztere Faktoren in die Bewertung ein-
fließen können, hängt in hohem Maße von Fach-
kulturen und den Vorgaben des Lehrstuhls sowie
der Hochschule ab. Gruppenarbeit und Prozesse
sind gleichermaßen schwer zu bewerten und
sollten insofern nur dann berücksichtigt werden,
wenn klare Kriterien zur Beurteilung formuliert
werden (können).
Unabhängig von der gewählten Prüfungsform
empfiehlt es sich, die Bewertungskriterien offen-
zulegen, damit Erwartungen der/des Lehrenden
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
B
39
erreichten Ziele und Ergebnisse zu reflektieren:
Was hat gut funktioniert? Was würde man beim
nächsten Mal anders machen? Inwieweit wurde
die eingangs festgelegte Forschungsfrage beant-
wortet bzw. welche weiteren Schritte wären hier
noch notwendig (gewesen)?
Zweitens können die Studierenden ihren ei-
genen Lernfortschritt reflektieren, also was sie
gelernt haben, was sie Neues für sich mitgenom-
men haben. Hier stellt sich besonders die Frage,
welche persönliche Erfahrung sie mit den For-
schungstätigkeiten und den damit verbundenen
Freiräumen (und Frustrationen) gemacht haben,
da sich diese Arbeitsweise teilweise deutlich von
anderen Lehrveranstaltungen unterscheidet. In
diesem Zusammenhang kann die/der Lehrende
natürlich auch Feedback zur didaktischen Umset-
zung des Seminars einholen. Denkbare Reflexi-
onsfragen wären etwa, was die Studierenden für
sich aus der Lehrveranstaltung mitgenommen
haben oder was sie sich von dem/r Forschungs-
gruppenleiter_in anders gewünscht hätten.
Drittens kann Reflexion natürlich auch auf
Ebene der Lehrenden erfolgen, indem die Er-
fahrungen mit dem Format des Forschenden
Lernens gezielt reflektiert werden: Was haben
Lehrende selbst aus der Zusammenarbeit mit
den Studierenden für zukünftige Lehrtätigkeiten
mitgenommen? In welcher Form können und
wollen sie auch weiterhin eigene Forschungsin-
teressen in die Lehre integrieren?
Grundsätzlich gilt: Reflexion steht nicht nur am
Ende des Forschungsprozesses. Zwischenfeed-
backs und -reflexionen sind eine sinnvolle Be-
gleitung Forschenden Lernens. Auf diese Weise
können Lehrende den Lern- und Forschungsfort-
schritt der Studierenden kontinuierlich beobach-
ten, wenn nötig, unterstützend eingreifen und/
oder ihr eigenes Lehrhandeln anpassen.
Hinweise zum Thema Feedback im Seminar finden Sie im
Anhang unter »Tipps und Anregungen« p Abschnitt II.3
Hinweise, welche Reflexionsfragen Sie an sich bzw.
Ihre Seminargestaltung richten können, finden Sie in
den angehängten »Handreichungen für Lehrende«:
p Abschnitt I.3, I.4 und I.5
Konkrete Feedback-Methoden, die Sie in Ihrem
Seminar nutzen können, finden Sie in der Toolbox
p Abschnitt III.4
WICHTIGE FRAGEN
Zu welchen Zeitpunkten im Seminar -
verlauf möchte ich Reflexionsmomente
einbauen? Wann sind Reflexionen zum
Forschungs prozess sinnvoll, wann sind
Reflexionen zum Lernfortschritt der Studie-
renden sinnvoll?
Welche Methoden möchte ich nutzen,
um die Studierenden zur Reflexion
anzuregen?
B
38
besser abgeschätzt und nachvollzogen werden
können. Ggf. können auch Verfahren der ge-
genseitigen Benotung hilfreich sein, damit die
Studierenden die Herausforderungen des For-
schungsprozesses selbst kritisch reflektieren und
sich in diesem offenen Lernprozess gerecht be-
wertet fühlen.
Mögliche Kriterien zu Bewertung von Leistun-
gen, die beim Forschenden Lernen erbracht wer-
den, sind in Abbildung 3 benannt.
Leider bleibt es nicht aus, dass Prüfungsleistun-
gen eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe er-
schweren. Auch wenn es um Prüfungen geht, ist
es daher wichtig, dass Lehrende stets versuchen,
in ihrer Rolle als Forschungsgruppenleiter_in zu
bleiben. Um das Hierarchiegefälle zwischen Leh-
renden und Studierenden nicht zu verstärken,
ist es auch denkbar, die Bewertungskriterien ge-
meinsamen zu entwickeln bzw. mit den Studie-
renden zu diskutieren.
Allgemeine Tipps zur Bewertung und Benotung
beim Forschenden Lernen finden Sie im Anhang unter
»Tipps und Anregungen« p Abschnitt II.4
Welche Bewertungskriterien für mündliche Präsentationen
angelegt werden können finden Sie in den angehängten
»Handreichungen für Lehrende« p Abschnitt I.6
WICHTIGE FRAGEN
Lässt die Prüfungsordnung Raum für die
Bewertung von Forschungsleistungen?
Welche Kriterien möchte ich nutzen, um
die Forschungsleistungen (z. B. Forschungs-
frage, methodisches Vorgehen, Ergebnis-
aufbereitung) zu bewerten?
Inwieweit ist es möglich / gewünscht, das
Engagement der Studierenden zu bewerten?
Welche Kriterien kann ich dafür nutzen?
B. 4. 3 Reflexion des Forschungs- und
Lernprozesses
Zu einem Forschungsprozess gehört es, nach
Projektende die Qualität der Ergebnisse, den Ver-
lauf des Forschungsprozesses und nicht zuletzt
den eigenen Lernfortschritt kritisch zu reflektie-
ren. Auch vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll,
die oben genannten Feedback-Strukturen im
Team bereits während der Forschungsphase zu
etablieren (vgl. Abschnitt B.3.3), sodass am Ende
auf Grundlage des entstandenen Vertrauens eine
konstruktive gemeinsame Reflexion möglich ist.
Die Reflexion bezieht sich auf drei Ebenen:
Erstens lässt sich der gemeinsame Forschungs-
prozess kritisch reflektieren. Die Studierenden
sollten entsprechend dazu angeregt werden, ihre
Forschungserfahrungen, die Arbeitsprozesse, die
B _ Forschendes Lernen: Konzeption und Umsetzung
C
41
Zu Beginn dieses Leitfadens wurde Forschendes
Lernen anhand seiner wesentlichen Eigenschaf-
ten definiert. Aufbauend auf diesen Charakteri-
stika werden im Folgenden die Besonderheiten
Forschenden Lernens durch die Abgrenzung von
anderen konstruktivistischen und forschungsbe-
zogenen Lehr-Lernformen genauer spezifiziert.
Dieses Kapitel bietet somit auch einen Überblick
über Lehr-Lernformen jenseits Forschenden Ler-
nens.
C.1 Ein Vergleich zu forschungs-
bezogenen Lehr-Lernformen
Hochschullehre, die einen Bezug zu Forschung
hat, wird als forschungsbezogene Lehre bezeich-
net. Dabei können Forschung und Lehre auf
unterschiedliche Weise miteinander verbunden
sein, sodass sich in der hochschulischen Praxis
verschiedene Umsetzungsformen herausgebildet
haben.
Was genau Forschendes Lernen von anderen For-
men forschungsbezogener Lehre unterscheidet,
ist nicht immer leicht zu erkennen. Aus diesem
Grund wurde im bologna.lab der Humboldt-
Universität zu Berlin eine Systematisierung for-
schungsbezogener Lehre erarbeitet und auf Ba-
sis einer empirischen Prüfung weiterentwickelt
(Rueß et al., 2016).
Das Klassifizierungsmodell teilt die verschie-
denen Umsetzungsformen nach zwei Kategorien
ein:
Die erste Kategorie unterscheidet nach dem in-
haltlichen Schwerpunkt der Lehre, also danach,
ob im Kern Forschungsergebnisse, Forschungs-
methoden oder der gesamte Forschungs prozess
thematisiert werden.
Die zweite Kategorie fragt nach dem Aktivi-
tätsniveau der Studierenden und differenziert da-
nach, ob die Studierenden rezeptiv lernen, ob sie
erworbenes Wissen anwenden oder ob sie selbst
forschend tätig sind.
Kombiniert man die beiden Vergleichskategorien
entsteht eine Klassifizierungsmatrix (vgl. Abb. 4),
die – nach empirischer Prüfung – die verschie-
denen Gruppen forschungsbezogener Lehre un-
terscheidet.
C FORSCHENDES LERNEN IM VERGLEICH
ZU ANDEREN LEHR-LERNFORMEN
C
43
Wie in Abbildung 4 zu sehen, lässt sich Forschen-
des Lernen oben rechts in der Klassifizierungs-
matrix verorten, wo forschende studentische
Aktivität mit dem inhaltlichen Fokus auf den
Forschungsprozess verbunden ist (Abb. 4: Grup-
pe 9). Die Besonderheiten Forschenden Lernens
lassen sich vor allem im Vergleich zu anderen
forschungsbezogenen Lehr-Lernformen illustrie-
ren:
Forschendes Lernen im Vergleich zu rezeptiven
Lehr-Lernformen:
Forschendes Lernen ist klar von rezeptiven Lehr-
Lernformen abgegrenzt. Während die Studie-
renden bei Forschendem Lernen selbstgesteuert
forschen, werden ihnen beim rezeptiven Lernen
forschungsbezogene Inhalte vermittelt. Typi-
scherweise in Form von Vorlesungen werden den
Studierenden Forschungsergebnisse präsentiert
(Abb. 4: Gruppe 1) oder Forschungsmethoden
vermittelt (Gruppe 2). In seminaristischer Form
werden sie häufig in die Techniken wissenschaft-
lichen Arbeitens eingeführt (Gruppe 3a) oder
bekommen erläutert, wie ein Forschungsprozess
aufgebaut ist (Gruppe 3b).
Forschendes Lernen im Vergleich zu anwen-
denden Lehr-Lernformen:
Forschendes Lernen enthält auch anwendende
Aktivitäten der Studierenden, geht jedoch dar-
über hinaus. Durch Anwendung kann das bereits
erworbene Wissen vertieft werden, jedoch wird im
Gegensatz zu Forschendem Lernen kein Wissen
konstruiert. Als anwendende Lehr-Lernform aus-
gestaltet werden in der Regel praktische Übun-
gen, etwa indem Forschungsmethoden erprobt
werden (Abb. 4: Gruppe 5a) oder geübt wird, wie
man Forschungsvorhaben planen kann (Gruppe
6a). Die Anwendung erworbenen Wissens kann
aber auch über Diskussionen angeregt werden.
Raum dafür können Seminare oder Kolloquien
bieten, in denen Studierende Forschungsergeb-
nisse inhaltlich diskutieren können (Gruppe
4), über die Vor- und Nachteilen verschiedener
Forschungsmethoden beraten (Gruppe 5b) oder
eigene sowie fremde Forschungsvorhaben disku-
tieren (Gruppe 6b).
Forschendes Lernen im Vergleich zu anderen
forschenden Aktivitäten:
Forschende studentische Aktivitäten können
auch in anderen Umsetzungsformen als For-
schendem Lernen realisiert werden. Gemein-
sam haben diese Formen, dass die Studierenden
jeweils eine Forschungsfrage weitgehend selb-
ständig bearbeiten. Diese Frage kann jedoch zwei
verschiedene didaktische Funktionen haben:
In den Gruppen 7 und 8 der Abbildung 4 wird
die Forschungsfrage genutzt, um das Lernen
zu stimulieren und während des Lernprozesses
weiter zu motivieren. Bei diesem forschungs-
motivierten Lernen werden die Studierenden
anhand einer – in der Regel vom Lehrenden
vorgegebenen oder eingegrenzten – Frage dazu
angeregt, sich vertiefend mit bestimmten Lern-
gegenständen auseinanderzusetzen. Diese Lern-
gegenstände können ausgewählte Forschungs-
felder sein, zu denen Studierende fragengeleitet
und selbständig Literatur aufarbeiten (Gruppe 7).
Es kann sich aber auch um Forschungsmethoden
handeln; das heißt, Studierende wenden vorgege-
bene Methoden anhand einer Forschungsfrage
an (Gruppe 8). Unabhängig vom Lerngegenstand
ist entscheidend, dass die Beantwortung der
Forschungsfrage nachrangig ist. Im forschungs-
C
42
Abb. 4: Matrix zur Klassifizierung forschungsbezogener Lehre (Rueß, Gess & Deicke, 2016)
C _ Forschendes Lernen im Vergleich zu anderen Lehr-Lernformen
Forschungsergebnisse Forschungsmethoden Forschungsprozess
forschend
… arbeiten selbständig Literatur zu
einem Forschungsfeld auf
… wenden vorgegebene Methoden
anhand einer Forschungsfrage an
… verfolgen eine Forschungsfrage
und durchlaufen dabei den gesamten
Forschungsprozess
anwendend
… diskutieren
Forschungsergebnisse
… diskutieren Vor- und Nachteile
von Methoden … diskutieren Forschungsvorhaben
… üben Methoden … üben die Planung von Forschungs-
vorhaben
rezeptiv
… bekommen Forschungsergebnisse
vorgestellt
… bekommen Forschungsmethoden
vermittelt
… bekommen den Forschungsprozess
erläutert
… bekommen Techniken wissen schaft-
lichen Arbeitens erläutert
Inhaltlicher Schwerpunkt
Aktivitätsniveau der Studierenden
FORSCHENDES LERNEN
7 8 9
4 5b 6b
5a 6a
1 2 3b
3a
C
45
REZEPTIVES
LERNEN
ANWENDUNGS-
ORIENTIERTES
LERNEN
FORSCHUNGS-
MOTIVIERTES
LERNEN
FORSCHENDES
LERNEN
Aktivität
der Studierenden
rezipieren anwenden
(üben, diskutieren)
forschen (i. d. R. nicht
gesamter Forschungs-
prozess)
forschen
(kompletter Forschungs-
prozess)
übergeordnetes Ziel
lernen:
Studierende sollen forschungsbezogene Inhalte lernen,
um sie auf eigenständiges Forschen vorzubereiten
forschen:
Studierende sollen forschen
bzw. sich darin erproben
vorrangiges Ziel der
Wissenskonstruktion Aneignung von Wissensbeständen wissenschaftliche
Erkenntnis
Ergebnisoenheit keine Ergebnisse Ergebnisse sind Lehrenden
weitgehend bekannt
Ergebnisse sind für
Lehrende neu (zumindest
in Teilen)
Funktion der
Forschungsfrage keine Forschungsfrage
didaktisches Mittel:
Frage soll das Lernen
stimulieren
Selbstzweck:
Frage soll beantwortet
werden
Vorgaben durch
Lehrende
Lerngegenstände
(Themen, Methoden, Prozessaspekte) vorgegeben
Lerngegenstände und i. d. R.
auch Forschungsfrage
vorgegeben
Studierende wählen
Forschungsfrage selbst
(ggf. Forschungsfeld
vorgegeben)
Abb.5: Verschiedene Formen der Verbindung von Forschung und Lehre
VERBINDUNG VON FORSCHUNG UND LEHRE REALISIERT DURCH …
C
44
motivierten Lernen dient Fragestellung vielmehr
als didaktisches Mittel, um das Lernen zu stimu-
lieren.
Im Unterschied zum forschungsmotivierten
Lernen geht es bei Forschendem Lernen (Abb. 4:
Gruppe 9) darum, die Forschungsfrage zu beant-
worten. Die Frage soll nicht mehr nur das Lernen
stimulieren, sondern ist Ausgangspunkt für Stu-
dierende, sich im Forschen zu erproben und die
eigenen Forschungsfähigkeiten (weiter) auszubil-
den. Damit die Studierenden den gesamten For-
schungsprozess weitgehend eigenständig voll-
ziehen können, werden keine engen Vor gaben
gesetzt, weder zum Forschungsfeld noch zu den
gewählten -methoden.
Im deutschsprachigen Raum wird forschungs-
motiviertes Lernen bisweilen mit Forschendem
Lernen gleichgesetzt, vor allem dann, wenn kon-
zeptuelle Vorstellungen aus der Schul forschung
auf die Hochschuldidaktik übertragen werden
(z. B. Bönsch, 2000). Um die beiden Formen
nicht zu vermengen, sondern ihrer Unterschied-
lichkeit auch begrifflich gerecht zu werden,
sollten sie zumindest als verschiedene Typen
Forschenden Lernens benannt werden. So kann
forschungsmotiviertes Lernen, das auf die Aneig-
nung spezifischer Lerngegenstände zielt, auch
als Forschendes Lernen des Typs »Lernen« be-
schrieben werden, Forschendes Lernen im engen
Sinne dagegen als Typ »Forschen« (vgl. Rueß et
al., 2016). Eine ähnliche Unterscheidung wird
auch im englischsprachigen Raum getroffen:
Steht die Aneignung spezifischer Lerngegenstän-
de im Zentrum, wird dies in der Regel mit dem
Begriff des »inquiry learning« beschrieben (z. B.
Spronken- Smith, Walker, Batchelor, O’Steen &
Angelo, 2011). Beim »research-based learning«
hingegen geht es im Kern darum, eine For-
schungsfrage zu beantworten (z. B. Brew, 2010;
Griffiths, 2004).
C. 2 Ein Vergleich zu konstruktivistischen
Lehr-Lernformen
Wie eingangs ausgeführt, sind konstruktivisti-
sche Lehr-Lernformen durch die eigene Wissens-
konstruktion der Studierenden charakterisiert.
Wissensbestände werden demnach nicht von den
Lehrenden direkt vermittelt (wie in sogenannten
instruktionsorientierten Ansätzen). Vielmehr eig-
nen sich die Studierenden in Auseinander setzung
mit Materialien relevante Wissensbestände selb-
ständig an und konstruieren Wissen aktiv und
individuell (Reinmann & Mandl, 2006). Zu den
konstruktivistischen Lehr-Lernformen gehören
beispielsweise problembasiertes, entdeckendes
oder genetisches Lernen.
Forschendes Lernen im Vergleich zu
problembasiertem Lernen:
Ausgangspunkt problembasierten Lernens ist ein
Problem, das vom Lehrenden vorgegeben wird.
Häufig sind diese Probleme authentisch (vgl. si-
tuiertes Lernen in Klauer, 2010) und/oder werden
im Lernprozess stetig anspruchsvoller (vgl. Co-
gnitive-Apprenticeship-Ansatz in Seidel & Reiss,
2014). Wie bei Forschendem Lernen konstruie-
ren die Lernenden Wissen – in diesem Fall zur
Problemlösung – weitgehend selbstgesteuert. Ein
wesentlicher Unterschied zwischen beiden Lehr-
C _ Forschendes Lernen im Vergleich zu anderen Lehr-Lernformen
C
47
Abb.6: Forschendes Lernen im Vergleich zu anderen konstruktivistischen Lehr-Lernformen
PROBLEMBASIERTES
LERNEN
ENTDECKENDES
LERNEN
GENETISCHES
LERNEN
FORSCHENDES
LERNEN
Ausgangspunkt Problem anwenden
(üben, diskutieren)
forschen (i. d. R. nicht
gesamter Forschungs-
prozess)
forschen
(kompletter Forschungs-
prozess)
Aufgabe der
Studierenden lösen erkunden nachvollziehen beantworten
Aufgabentyp vorgegebene
Problemlöseaufgabe
vorgegebene
Explorationsaufgabe
vorgegebene
Rekonstruktionsaufgabe
keine Aufgabe: Studierende
wählen Frage selbst
Ergebnisoenheit Ergebnisse sind
Lehrenden bekannt
Ergebnisse sind
Lehrenden bekannt
Erkenntnisprozess ist
Lehrenden
bekannt
Ergebnisse sind Lehrenden
(teilw.) nicht bekannt
Anwendung wissen-
schaftlicher Methoden nicht zwingend nein
ggf. Labortechniken nein ja
Lernziele Inhalte lernen Inhalte lernen
Vorgehen zur
Erkenntnisgewinnung
lernen
Forschungs-
kompetenzen
erwerben
C
46
Lernformen liegt jedoch im jeweiligen Ausgangs-
punkt begründet: Problem basiertes Lernen geht
von einem Problem aus, das vom Lehrenden de-
finiert und den Studierenden in Form einer Pro-
blemlöseaufgabe gestellt wird. Die Lösung dieses
Problems ist dem Lehrenden bekannt. Ausgangs-
punkt von Forschendem Lernen demgegenüber
ist eine Frage, die von den Studierenden selbst
entwickelt wird. Das Ergebnis ist offen; das heißt,
in der Regel kennen weder Studierende noch
Lehrende die Antwort auf die Frage. Zudem wird
bei Forschendem Lernen mit wissenschaftlichen
Methoden gearbeitet, was beim problembasierten
Lernen nicht zwingend gegeben sein muss.
Forschendes Lernen im Vergleich zu
entdeckendem Lernen:
Beim entdeckenden Lernen steht das Erkunden
von Inhaltsbereichen im Zentrum. Durch dieses
Erkunden sollen Lernende Schlussfolgerungen
ziehen, um zentrale Konzepte und Prinzipien
des Bereichs selbst zu generieren (Renkl, 2015).
Eine mögliche Umsetzungsform besteht etwa
darin, Lernende dazu anzuregen, aus verschie-
denen bereitgestellten Beispielen oder Fällen ein
Schema zu erarbeiten (Neber, 2010). Während
beim Forschenden Lernen die zielgerichtete Be-
antwortung einer Forschungsfrage im Zentrum
steht, geht es beim entdeckenden Lernen in er-
ster Linie darum, dass die Lernenden spezifische
vom Lehrenden bestimmte und bereits bekannte
Wissensbestände erkunden und sich aneignen.
Forschendes Lernen im Vergleich zu
genetischem Lernen:
Beim genetischen Lernen schließlich geht es dar-
um, Erkenntnisprozesse (beispielsweise Problem-
lösewege) nachzuvollziehen (Reinmann, 2011).
Dafür werden die zu vermittelten Wissens inhalte
von den Lehrenden in ihrem Ent stehungsprozess
präsentiert oder dialogisch mit den Lernenden er-
arbeitet. Die Lernenden verfolgen den Prozess in
seinen wichtigsten Stationen und eignen sich auf
diese Weise die Wissens inhalte selbständig an.
Im Unterschied zu Forschendem Lernen wird
also Erkenntnis nicht generiert, sondern in ihrer
Entstehungshistorie nachvollzogen.
C _ Forschendes Lernen im Vergleich zu anderen Lehr-Lernformen
C
49
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LITERATUR
C
48
C. 3 Forschendes Lernen – eine Lehr-
Lernform für Lehrende?
Wie eingangs erwähnt, lässt sich Forschendes
Lernen im hier beschriebenen Sinne nicht in
allen Situationen gleich gut umsetzen. Wie die
vorangegangenen Abschnitte zeigen, gibt es in
der Familie konstruktivistischer Lehrkonzepte
jedoch etliche alternative und ergänzende Ansät-
ze zur stärkeren Verbindung von Forschung und
Lehre. Forschendes Lernen selbst kann jedoch ei-
nen deutlichen Mehrwert bieten, beispielsweise
für Lehrende, die die Aussicht auf überraschende
Einsichten und Zugänge der Studierenden reizt.
Ein Eckpfeiler dieser Lehr-Lernform ist, dass
die Teilnehmer_innen selbst Wissen konstru-
ieren. Im Forschenden Lernen drückt sich dies
im Idealfall darin aus, dass nicht allein für die
Studierenden subjektiv neues Wissen entsteht,
sondern Erkenntnisse generiert werden, die auch
für die Lehrenden (und eine breitere Fachöffent-
lichkeit) neu bzw. interessant sein können. Dies
unterscheidet Forschendes Lernen maßgeblich
vom schulischen, entdeckenden Lernen und den
meisten Varianten des problembasierten Ler-
nens. Die Studierenden erleben den Prozess als
bedeutsam, wenn sie relevante Erkenntnisse er-
zielen, wenn sie in der Lehrveranstaltung ›etwas
erreicht‹ haben.
Dieses Relevanzempfinden der Studierenden
hängt auch von den Lehrenden ab. Wenn diese
sich ehrlich für die Forschungsfragen der Stu-
dierenden interessieren, wenn auch sie von den
Studierenden lernen wollen, dann wird sich ihre
Neugier und Wertschätzung auf die Studieren-
den übertragen können. Über das Wälzen von
Ideen in jungen, unvorbereiteten Köpfen im be-
sten Humboldt’schen Sinne können Lehrende
potenziell überraschende Einsichten und For-
schungszugänge zu ihrem eigenen und ihnen
(allzu) vertrauten Forschungsthema erhalten.
C _ Forschendes Lernen im Vergleich zu anderen Lehr-Lernformen
C
51
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I
53
MATERIAL- UND METHODENSAMMLUNG
Der Anhang des vorliegenden Leitfadens ist eine
Material- und Methodensammlung, die Lehren-
den bei der konkreten Umsetzung von Forschen-
dem Lernen behilflich sein soll. Diese Sammlung
gliedert sich in drei Abschnitte:
Der erste Teil enthält Handreichungen für
Lehr ende zur Planung und Umsetzung von
Seminaren, die teilweise auch in Form von
Kopier vorlagen eingesetzt werden können (z. B.
Selbstreflexion, Sitzungsevaluation, Beispiel-Se-
mester plan, Prüfungskriterien).
Im zweiten Teil sind Tipps und Anregungen
zu Themen zu finden, die beim Forschenden
Lernen immer wieder auftauchen (z. B. Aufbau-
en von Teamspirit, Visualisierung als interaktives
Vermittlungsformat, Feedback).
Der dritte Teil umfasst eine Toolbox zur Semi-
nar gestalltung mit didaktischen Methoden, die
bei der konkreten Sitzungsgestaltung weiter-
helfen kann (z. B. Me tho den zum Einstieg in For-
schendes Lernen, Methoden zur gegenseitigen
Wissensvermittlung im Team, Methoden zum
Feedbackgeben).
I
55
Vorbereitung / Rahmenbedingungen und Ziele
Welche fachspezifischen Inhalte soll das Seminar vermitteln?
Welche didaktischen (Kompetenz-)Ziele hat das Seminar?
Welche Schwerpunkte erleichtern es den Studierenden, diese Ziele zu erreichen?
Zielgruppe und Seminarbeschreibung
Welches theoretische und/oder methodische Vorwissen sollten die Studierenden
mitbringen, um an meiner Veranstaltung erfolgreich teilnehmen zu können?
Ist das Seminar auch für fachfremde Studierende geeignet?
Wenn ja, welche Fachrichtungen wären wünschenswert?
Wie viele Studierende können/sollten an der Veranstaltung teilnehmen?
Wie lassen sich die Unterschiede zu herkömmlichen Veranstaltungen beschreiben,
damit die Studierenden mit adäquaten Erwartungen an der Veranstaltung teilnehmen?
Wie lässt sich sicherstellen, dass der Arbeitsaufwand für die Studierenden in einem
angemessenen Verhältnis zu den Studienpunkten steht?
Die Lehrendenrolle im Forschenden Lernen
Wie lässt sich den Studierenden meine Rolle als ›Forschungsgruppenleiter_in‹
verdeutlichen?
Was sind meine Erwartungen an die Studierenden?
Was können die Studierenden im Gegenzug von mir erwarten?
I Handreichungen für Lehrende
I. 1 Checkliste wichtiger Fragen
I
57
Forschungsphase / Entwicklung von Forschungsfrage und -design
Wie kann ich die Studierenden dabei unterstützen, eigene Teilfragen zu finden?
Wie stelle ich sicher, dass die Teilfragen zum Seminarthema bzw. zur
übergeordneten Forschungsfrage passen?
Wie stelle ich sicher, dass sich die Studierenden (ggf. zusätzliche)
methodische Kenntnisse aneignen können?
Wie kann ich die Studierenden dabei unterstützen, geeignete Forschungsdesigns
für ihre Teilfragen zu entwickeln?
Unterstützung und Austausch während der Forschungsphase
Wie organisiere ich den Austausch mit den Studierenden während der eigenständigen
studentischen Forschungsphase (z. B. wöchentliche Präsenztermine beibehalten oder
Beratungstermine anbieten)?
Wie organisiere ich den Austausch zwischen den studentischen Kleingruppen
während der eigenständigen Forschungsphase (z. B. Präsenztermine im Kolloquien-
Charakter oder Online-Plattformen)?
Kommunikation und Feedback im Forschungsprozess
Welche Feedback-Regeln und -Methoden möchte ich in der Seminargruppe etablieren?
An welchen Punkten im Forschungsprozess ist es besonders wichtig, dass sich
die Studierenden gegenseitig Feedback geben?
I
56
I _ Material- und Methodensammlung _ Handreichungen für Lehrende
Einstieg / Das Forschungsthema
Wie kann ich die Studierenden für das Forschungsprojekt interessieren
und begeistern?
Wie kann ich an das Vorwissen und die Interessen der Studierenden anknüpfen?
Wie kann ich bereits zu Beginn ein Teamgefühl aufbauen?
Wie schaffe ich es, dass das Forschungsprojekt zu einem gemeinsamen Projekt
von mir und den Studierenden wird?
Abschlussprodukt und gemeinsames Ziel
Was sind mögliche gemeinsame Abschlussprodukte der Veranstaltung?
Wie lege ich das Abschlussprodukt gemeinsam mit den Studierenden fest?
Welche kleinen Teilziele sollten die Studierenden erreichen, sodass das
Abschlussprodukt sukzessive entstehen kann?
In welchem Kontext könnten die Ergebnisse des Forschungsprojekts einer
(Fach-)Öffentlichkeit präsentiert werden? Wie sieht die Zielgruppe aus?
Strukturvorgabe und Freiraum
Welches grundlegende Wissen brauchen die Studierenden, damit wir gemeinsam
forschen können und wie soll dieses Wissen vermittel werden?
Welche inhaltlichen bzw. methodischen Vorgaben sind als verbindlich gesetzt
und über welche wird im Team noch gemeinsam entschieden?
Welche konkreten Aufgaben im Forschungsprozess bzw. in der Veranstaltung
übernehme ich? Welche Aufgaben übernehmen die Studierenden?
Bis wann sollen welche Aufgaben erledigt bzw. welche Teilziele erreicht sein?
I
59
I. 2 Beispiel-Semesterplan
PHASE SITZUNG INHALTE
Einstieg 1
Die erste Sitzung bildet den Einstieg in das gemeinsame
Forschungsprojekt.
Wichtige Aspekte:
Gegenseitiges Kennenlernen
Vorstellen der übergeordneten Forschungs frage, die im
Seminar beantwortet werden soll
Vorstellen der geplanten Agenda, um Transparenz zu
schaffen und erste verbindliche Absprachen zu treffen
Einführung in das
Forschungsprojekt
2
3
In der Einführungsphase bauen alle Studierenden ein
gemeinsames Verständnis der Inhalte und Methoden des
Forschungsprojekts auf.
Wichtige Aspekte:
Vermittlung der notwendigen Fachinhalte, die alle
Studierenden kennen und verstehen müssen, um am
Forschungsprojekt mitarbeiten zu können
Vermittlung der notwendigen Forschungs methoden,
um die Forschungsfrage bearbeiten zu können
Raum für mögliche Fragen und Verständnisprobleme
der Studierenden
Planung
der Forschung
4
5
In der Phase der Planung wird gemeinsam mit den
Studierenden ein Fahrplan zur Vorgehensweise entwickelt,
um die Forschungsfrage zu beantworten.
Wichtige Aspekte:
Entwicklung eines Forschungsdesigns
Festlegung von Arbeitspaketen
(z. B. anhand von Teil fragen, die bearbeitet werden müssen,
um die übergeordnete Forschungsfrage zu beantworten)
Verteilung der Arbeitspakete im Team
Planung des Abschlussproduktes, d. h. der Form, wie die
Ergebnisse aufbereitet werden sollen
(Hinweis: Dies sollte bereits in der Form des geplanten
Abschlussproduktes geschehen)
I
58
I _ Material- und Methodensammlung _ Handreichungen für Lehrende
Abschluss und Nachbereitung / Ergebnispräsentation
Wann im Semester planen wir die interne Zusammenführung der Ergebnisse?
Welche Vorgaben für die gegenseitige Ergebnispräsentation können den
Studierenden helfen?
Bis wann soll unser Abschlussprodukt fertig sein?
Welche Hinweise für die Erstellung des Abschlussproduktes können den
Studierenden helfen?
Prüfungsleistungen
Lässt die Prüfungsordnung Raum für die Bewertung von Forschungsleistungen?
Welche Kriterien möchte ich nutzen, um die Forschungsleistungen
(z. B. Forschungsfrage, methodisches Vorgehen, Ergebnisaufbereitung) zu bewerten?
Inwieweit ist es möglich / gewünscht, das Engagement der Studierenden zu bewerten?
Welche Kriterien kann ich dafür nutzen?
Reflexion des Forschungs- und Lernprozesses
Zu welchen Zeitpunkten im Seminarverlauf möchte ich Reflexionsmomente einbauen?
Wann sind Reflexionen zum Forschungsprozess sinnvoll, wann sind Reflexionen zum
Lernfortschritt der Studierenden sinnvoll?
Welche Methoden möchte ich nutzen, um die Studierenden zur Reflexion anzuregen?
I
61
PHASE SITZUNG INHALTE
Präsentation
z. B. in der
ersten Woche
des folgenden
Semesters
Wissenschaft bedeutet Dialog über Forschungsergebnisse.
Die Erkenntnisse der studentischen Forschung sollten da-
her einer Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden,
beispielsweise der Institutsöffentlichkeit im Rahmen eines
Symposiums, einer Ausstellung, der Präsentation eines
wissenschaftlichen Posters, einer Filmvorführung, eines
Vortrags o. Ä.
Wichtige Aspekte:
Forschungsfrage des Seminars
Forschungsdesign und methodischer Rahmen
Forschungsergebnisse
I
60
I _ Material- und Methodensammlung _ Handreichungen für Lehrende
PHASE SITZUNG INHALTE
Durchführung
der Forschung
6
7
8
9
10
In der Durchführungsphase werden die in der Planungs-
phase vereinbarten Arbeitspakete selbständig in der Gruppe
bearbeitet.
Wichtige Aspekte:
Vereinbarung zur Kommunikation während der Phase
der selbständigen Arbeit (z. B. Email, Handy, persönliche
Treffen)
Vereinbarung zur Unterstützung der Studierenden
während der Phase der selbständigen Arbeit
(z. B. Sprechstundentermine)
Vereinbarung zur Dokumentation von Zwischen-
ergebnissen (z. B. Festlegung von Meilensteinen)
Synthese der
Ergebnisse
11
12
In der Phase der Ergebnissynthese werden die Ergebnisse
aus der Phase des selbständigen Arbeitens zusammengetra-
gen und in der Gesamtgruppe diskutiert.
Wichtige Aspekte:
Vereinbarung einer geeigneten Form der Ergebnis-
präsentation (z. B. Präsentationsmedium und -dauer)
Diskussion der Ergebnisse
Reflexion, inwieweit die Ergebnisse ausreichend sind,
um die übergeordnete Forschungsfrage zu beantworten
Abschluss
13
14
In der Abschlussphase werden die Ergebnisse des
Forschungsprojekts gesichert und das Forschungsprojekt
abgeschlossen.
Hinweis: Natürlich kann auch noch in der vorlesungsfreien
Zeit weitergearbeitet werden.
Wichtige Aspekte:
Aufbereitung der Ergebnisse in ein gemeinsames
Abschlussprodukt
Reflexion des gemeinsamen Forschungsprozesses
Feedback von den Studierenden zum Seminar
(z. B. schriftlich oder in der Gruppe)
I
63
I. 4 Meine Rolle II
Überlegen Sie nun, inwieweit Ihr Rollenverständnis mit den wahrscheinlichen Erwartungen der
Studierenden übereinstimmt und wie Sie im Falle einer Diskrepanz damit umgehen wollen:
In meiner Rolle als Seminarleiter_in im Forschenden
Lernen bin ich …
Das bedeutet konkret folgende Verantwortlichkeiten /
Handlungen / Verhaltensweisen …
z. B. Moderator_in ich versuche eine neutrale
Haltung einzunehmen,
Diskussions prozesse zu
strukturieren und Ergebnisse
zu sichern
Die Studierenden sehen mich wahrscheinlich als … Das bedeutet konkret, dass Sie wahrscheinlich von
mir erwarten, dass …
z. B. Wissensvermittler_in ich mich in dem Themengebiet
auskenne, die Literatur
aus wähle, strukturiere und
die Inhalte aufbereite
Transparenz, Vorgehen begründen, Erwartungen abfragen,
eigenes Rollenbild anpassen, gar nicht thematisieren
I
62
I _ Material- und Methodensammlung _ Handreichungen für Lehrende
I. 3 Meine Rolle I
Nehmen Sie sich etwas Zeit und überlegen Sie anhand der folgenden Leitfragen, was Sie als Dozent_in
ausmacht und wie Sie die Rolle im Format des Forschenden Lernens ausfüllen möchten. Versuchen
Sie so ehrlich wie möglich zu sein, es ist nur für Sie selbst bestimmt.
Meine Stärken sind… / Folgende Fähigkeiten und Eigenschaften zeichnen mich als Dozent_in aus:
In diesem Bereich habe ich noch Entwicklungspotenzial:
An die Studierenden habe ich die Erwartung, dass …
An mich selbst habe ich die Erwartung, dass …
Ich habe folgende Ressourcen zur Verfügung
(Vorbereitungszeit, Materialien, Unterstützung in Fachkreisen, Netzwerke in die Praxis, Moderationsmaterial … )
I
65
I. 6 Prüfungskriterien
I.....Sachliche Richtigkeit und umfassende
I.....Darstellung
MAX. PUNKTE: ERREICHTE PUNKTE:
Die Terminologie wird korrekt verwendet.
Die wesentlichen Begriffe, Modelle und Methoden sind umfassend, korrekt angewendet und
verständlich dargestellt.
Es wurden Bezüge zu anderen Inhalten des Seminars hergestellt, das Thema bzw. einzelne
Konzepte wurden in den übergeordneten Kontext gestellt.
Es ist klar gekennzeichnet, welche Argumentation / Beispiele der Literatur folgen und was eigene
Überlegungen / Verknüpfungen sind.
II....Klare Struktur
MAX. PUNKTE: ERREICHTE PUNKTE:
Es wird gut in das Thema eingeführt.
Die Zielsetzung des Vortrags ist klar.
Die Gliederungslogik des Referats ist sinnvoll überlegt und nicht allein an der Struktur der
Texte orientiert.
Die einzelnen Teile der Präsentation sind gut miteinander verknüpft, die Übergänge zwischen
Referatsteilen werden so verdeutlicht, dass man immer nachvollziehen kann, wo man im
Thema steht.
Es wird ein angemessenes Fazit gezogen (z. B. als Take-Home-Message oder Antwort auf eine
Eingangsfrage).
Dies ist ein Beispiel für mögliche Bewertungskriterien der Prüfungsleistung ›Referat‹. Solche Kriterien
können nicht nur im Voraus den Studierenden als Orientierung dienen, sondern vereinfachen auch
Ihnen als Dozent_in die Einschätzung der Leistung. Im Anschluss an die Prüfung kann eine solch
differenzierte Tabelle die Grundlage für ein ausführliches Feedbackgespräch bilden. Die vorliegende
Auflistung ist nur exemplarisch konzipiert worden, sie muss für jedes Seminar und jede Prüfungsart
je nach Lern- und Kompetenzzielen individuell erstellt werden. Über die Punktwerte kann eine Hie-
rarchisierung der einzelnen Aspekte vorgenommen werden. Eine Übersicht mit der Zuordnung der
Gesamtpunktwerte zu den entsprechenden Noten ist zu ergänzen.
I
64
I _ Material- und Methodensammlung _ Handreichungen für Lehrende
I. 5 Session Wrap-up
SEMINAR: SESSION-NR. DATUM:
Best Practice Was ist heute besonders gut gelaufen? Warum empfand ich das als gelungen? Woran genau lag es, dass es so gut
gelaufen ist?
Was habe ich dazu beigetragen?
Pannen Was ist heute nicht gut gelaufen? Warum bin ich damit unzufrieden? Woran genau lag es, dass es nicht gut
gelaufen ist?
Was würde ich beim nächsten Mal
anders machen?
Das möchte ich zur nächsten Sitzung auf keinen Fall vergessen …
Diese interessanten Gedanken sind mir heute gekommen …
Diese fachlichen Impulse möchte ich aufnehmen …
I
67
I
66
I _ Material- und Methodensammlung _ Handreichungen für Lehrende
III...Präsentation und Diskussionsleitung
MAX. PUNKTE: ERREICHTE PUNKTE:
Die Inhalte werden an geeigneten Beispielen verdeutlicht.
Die mündliche Präsentation ist frei, lebendig, flüssig, laut genug und nicht zu schnell.
Die Referent_innen stehen in Kontakt mit Teilnehmer_innen.
Die verwendeten Präsentationsmedien sind angemessen, gut strukturiert und verständlich.
Meinungen oder Stellungnahmen von Autoren werden nicht unreflektiert referiert, sondern
kritisch bewertet (ggf. gemeinsam mit den Teilnehmenden).
Auch während des Referats wird das Verständnis der Teilnehmenden geprüft und ggf. hergestellt.
Die Relevanz der berichteten Ergebnisse oder der eingesetzten Methode in der Forschung
oder Praxis wird dargestellt.
In Diskussionseinheiten werden eindeutige Fragen gestellt, die in Zusammenhang mit den
Referatsinhalten stehen.
Es ist eine klare Struktur in den Fragen bzw. der Diskussion erkennbar.
Übungen werden nicht als Selbstzweck durchgeführt, sondern haben inhaltsbezogene Lernziele.
Übungen sind verständlich instruiert und supervidiert.
Es werden sinnvolle Schlussfolgerungen gezogen.
IV....Zeitmanagement
MAX. PUNKTE: ERREICHTE PUNKTE:
Die Zeitplanung ist durchdacht und berücksichtig Pufferzeiten.
Der Umfang der Darstellung ist dem Inhalt angemessen und entspricht den vorgegebenen
Begrenzungen.
II
69
II Tipps und Anregungen
II.1 Teamspirit mit einfachen Mitteln
entwickeln
In diesem Leitfaden wurde des Öfteren auf
die zentrale Bedeutung von Teamarbeit und
dem Verständnis des Forschenden Lernens als
Gruppen prozess hingewiesen. Auch die Rolle
als Lehrende_r verlagert sich vom Verantwortli-
chen für die Wissensvermittlung zum Verant-
wortlichen für die Gestaltung des Arbeits- und
Lernprozesses – und somit auch für die Kommu-
nikation im Seminar. Dafür gibt es sicher kein
allgemeingültiges Rezept, aber einige Hinweise,
wie der ›Teamspirit‹ (mit)gestaltet werden kann.
Sitzordnung im Raum:
Seminarräume sind häufig so gestaltet, dass die
Studierenden neben- und hintereinander sitzen
und ihren Blick auf den/die Dozent_in, den Rük-
ken ihrer Kommiliton_innen und das eingesetzte
Medium richten. Diese Sitzordnung unterstützt
Monologe und bestenfalls Dialoge zwischen der
präsentierenden Person und dem Auditorium.
Wenn es gewünscht ist, dass die Studierenden
miteinander reden, dass sie die Themen gemein-
sam bearbeiten, sollten sie sich dabei anschauen
können. Der Kontakt aller untereinander wird
erheblich erleichtert, wenn die Stühle im Kreis
oder Halbkreis (mit oder ohne Tisch in der Mitte)
angeordnet sind. Manchmal ist es etwas aufwen-
dig, aber es lohnt sich, und hierbei können die
Studierenden miteinbezogen werden.
Kennenlernen:
Zu Beginn ist es hilfreich, an den Interessen der
Teilnehmer_innen des Seminars anzuknüpfen
und sich in einer vertrauensvollen Atmosphäre
auszutauschen. Daher bietet es sich an, am An-
fang des Semesters genügend Zeit für das gegen-
seitige Kennenlernen einzuplanen. Wenn alle
wissen, wer sich aus welcher Motivation heraus
mit welchem Hintergrundwissen, welchen Erfah-
rungen und Kompetenzen dem entsprechenden
(Forschungs-)Thema widmet, ist der Grundstein
eines Teamgefühls gelegt. Hinweise zur konkre-
ten methodischen Gestaltung der Anfangssituati-
on sind in der Toolbox zusammengestellt.
Wertschätzung in Haltung und Handeln:
Studierende werden dann aktiv und bleiben es,
wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Beiträge tat-
sächlich relevant sind. Dies soll nicht bedeuten,
dass alle Beiträge richtig oder gut sind. Auch eine
kritische Würdigung ist eine Anerkennung. Wird
den Studierenden respektvoll begegnet, werden
sie auch untereinander wertschätzend kommu-
nizieren. Das klingt erst einmal selbstverständ-
lich, hat jedoch in den Feinheiten der alltäglichen
didaktischen Praxis einige Fallstricke. Es kann
nützlich sein, sich von Zeit zu Zeit folgende Fra-
gen zu stellen: Werden Fragen, die aus dem Se-
minarkreis kommen, zurück an die Gruppe gege-
ben (da erst einmal jede_r Expert_in sein kann),
oder besteht die Tendenz, dass der/die Dozent_in
sie meist selbst beantwortet? Wird der/die Leh-
rende bei Unklarheiten gefragt, oder werden die
Fragen in den Raum gestellt? Können die Studie-
renden offen argumentieren, oder haben sie das
Gefühl, ständiger Bewertung ausgesetzt zu sein?
Wer gibt Feedback auf Vorträge, Thesenpapiere
oder den Arbeitsstand – der/die Lehrende oder
auch die ›Peers‹?
II
71
Abb. II.1: Wissen grafisch darstellen
Abb II.2: Frontalsituationen in Dialoge verwandeln
Abb II.3: Inhalte mitschreiben
II
70
II _ Material- und Methodensammlung _ Tipps und Anregungen
II.2 Visualisierung von Inhalten
Visualisierung bedeutet Sichtbarmachen – von
Zusammenhängen, Gedanken, Wissen, Prozes-
sen etc. Die Möglichkeiten, mit ›sichtbaren Inhal-
ten‹ zu arbeiten, geht weit über die Aufbereitung
von theoretischen Inputs in Form von Power-
Point-Präsentationen hinaus. Insbesondere in
interaktiven Seminaren braucht es Methoden der
Visualisierung, die flexibler sind und z. B. dabei
unterstützen, Themen gemeinsam zu erkunden,
Sitzungen zu strukturieren und Diskussionen
zu dokumentieren. Im Folgenden werden – an-
gelehnt an Haussmann (2014) – einige Beispiele
angeführt, in welcher Form Visualisierung in Se-
minaren als unterstützende Methode ohne gro-
ßen künstlerischen Anspruch eingesetzt werden
kann:
Wissen grafisch darstellen:
Sachverhalte, Zahlen, Abläufe und Strukturen
können zur besseren Veranschaulichung grafisch
dargestellt werden, zum Beispiel anhand von In-
fogrammen. Die Reduktion auf wesentliche, bild-
hafte Elemente unterstützt das Verständnis von
Inhalten in Textform.
Frontalpräsentationen in Dialoge verwandeln:
»Wir lernen nicht durch Informationsaufnah-
me, sondern durch Informationsverarbeitung«
(Haussmann, 2014, p. 34). Wird statt mit einem
Beamer an einem Smartboard, Flipchart, White-
board oder einer Tafel präsentiert, können die
Inhalte langsam entwickelt und Anmerkungen,
Ideen etc. der Teilnehmer_innen sofort einfügt
werden.
Inhalte mitschreiben:
In Teammeetings und Sitzungen sind Protokolle
durchaus üblich. Im Hochschulkontext obliegt es
jedoch meist jedem Einzelnen, Inhalte schriftlich
zu sichern. Im besten Fall in Form von Lernta-
gebüchern. Sind nicht nur die zu lesenden Texte
und die vorbereiteten PowerPoint-Präsentationen
relevant, sondern auch die gemeinsam erarbeite-
ten Ideen, die Argumente und Thesen aus den
Diskussionen und die geplanten Vorgehenswei-
sen, so sollten diese öffentlich und strukturiert
protokolliert werden.
Beiträge kartieren / Wissensbausteine bewegen:
Eine erweiterte Form des Protokolls ist das Kar-
tieren von Beiträgen, wobei Inhalte strukturiert
grafisch abgebildet werden. Wissen kann von
allen Beteiligten schnell gesammelt, sortiert und
ggf. neu gruppiert werden. Die bekannteste Me-
thode ist das Mindmapping an der Pinnwand mit
Metaplankarten oder digital. Ebenso denkbar ist,
Wissenslandkarten entstehen zu lassen, um sich
im Themenfeld zurechtzufinden und darüber ge-
meinsam reflektieren zu können.
Formulare ausfüllen:
Wenn Kleingruppen Themen selbstgesteuert
erkunden und danach Ergebnisse präsentieren,
können vorgestaltete Arbeitsplakate sinnvoll
sein. Sie helfen, sich auf die wesentlichen Punk-
te zu fokussieren und unterstützen eine anspre-
chende Darstellung, welche die Inhalte für alle
schnell greifbar macht.
Gedanken skizzieren:
Ob Dozent_in oder Studierende – viele machen
sich Notizen in ihren eigenen Unterlagen, um
Gedanken zu skizzieren und weiterzu entwickeln.
II
73
Abb II.4: Beiträge kartieren, Wissensbausteine bewegen
Abb II.5: Formulare ausfüllen
Abb II.6: Gedanken skizzieren
II
72
II _ Material- und Methodensammlung _ Tipps und Anregungen
Im seminaristischen Setting kann es hilfreich
sein, diesen individuellen Prozess für alle sicht-
bar zu machen und somit den gemeinsamen
Ideenfindungsprozess anzuregen. Gedanken
werden so im Fluss gehalten und inspirieren sich
gegenseitig.
II.3 Feedback
Feedback steuert Verhalten. Es hilft, zielgerichtet
zu arbeiten. Positives Feedback ermutigt, hilft bei
der Fehlersuche und fördert persönliche Lern-
prozesse. Feedback hebt die Motivation. Feed-
back hilft bei der Selbsteinschätzung. Feedback
führt zu einem Zuwachs an Einfluss sowohl
beim Empfänger als auch beim Geber von Rück-
meldungen. Es bewirkt eine engere Verbindung
mit der Aufgabe. Feedback hilft, die Qualität von
Entscheidungen adäquat zu bewerten und zu be-
urteilen. In der Konsequenz führt diese Kommu-
nikationstechnik dazu, den Bereich des wechsel-
seitigen Sichverstehens zu vergrößern (siehe u. a.
Fengler, 2009; Luft & Ingham, 1955).
Dies sind viele gute Gründe, Feedback gezielt
in Seminaren Forschenden Lernens einzuset-
zen und als didaktische Methode zu begreifen.
Dabei ist ein ausführliches, konstruktives Feed-
back des/der Dozent_in an Studierende nach
einem Referat nur eine der möglichen Formen.
Feedback kann sich grundsätzlich an einzelne
Personen, an Teilgruppen und Teams richten. Es
kann Verhalten, Atmosphäre, Kommunikation,
Inhalte, Veränderungen und Beziehungen zum
Gegenstand haben.
Feedback der Gruppe an Einzelne:
Studierende sollten auf ihre Beiträge – sei es ein
Referat, eine Moderation oder ein Text – Feed-
back erhalten. In Seminaren des Forschenden
Lernens sollte dieses nicht (nur) von der Semi-
narleitung ausgehen. Alle Teilnehmer_innen
sind die Adressat_innen der theoretischen In-
puts, alle sind Teilnehmende der moderierten
Diskussion o. Ä. – und somit gleichberechtigte
›Kritiker_innen‹. Vielfältiges Feed back aus der
Gruppe erweitert die Perspek tive. Dabei könnte
die Rolle der Feedbackgeber_innen rotieren. Gut
überlegt sein sollte das Setting, in dem ein per-
sönliches Feedback stattfindet. Eine intime Run-
de am Ende der Veranstaltung bietet viel Ruhe,
um ausführlich einige Punkte zu besprechen.
Öffentliches Feedback kann auch zu Lerneffek-
ten bei den anderen Teilnehmenden führen und
diverse Einschätzungen zutage fördern. Letzteres
gilt auch für Textfeedback. So könnte ein Peer-
Review beispielsweise eines Blogeintrags auch
für alle Studierenden sichtbar sein. Zu der Kate-
gorie ›Feedback der Gruppe an Einzelne‹ gehört
auch das Feedback, das die Rolle des/der Lehren-
den von der Gruppe erhalten kann. Gerade dann,
wenn der/die Dozent_in sich frisch in die Rolle
im Rahmen des Forschenden Lernens hineinbe-
geben hat, können Rückmeldungen sehr inspi-
rierend und informativ sein.
Feedback des Einzelnen an die Gruppe:
Lehrende sollten ein Gefühl dafür entwickeln,
ob einzelne Studierende das Bedürfnis haben,
der Seminar gruppe ein Feedback zu geben. Dies
könnte sich u. a. auf Arbeitsprozesse oder die
Kommunikation miteinander beziehen. In die-
sem Fall bietet es sich an, zum Feedback einzu-
laden und entsprechend strukturierten Kontext
II
75
Die Formulierung ›eher‹ ist hier bewusst gesetzt,
da es immer Ausnahmen geben kann. Zum Bei-
spiel kann es an Hochschulen und Universitäten
durchaus notwendig sein, Feedback auch unge-
fragt zu geben oder in der Seminarevaluation
nicht nur situativ rückzuspiegeln, sondern das
gesamte Semester zu betrachten.
Natürlich ist auch die Haltung des oder der Feed-
backnehmer_innen entscheidend. Wenn eine
Person neugierig ist und das Gesagte erst ein-
mal aufnehmen kann (ohne es annehmen zu
müssen), wird der Erkenntnisprozess gefördert.
Denn: »Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, be-
vor ich die Antwort meines Gegenübers gehört
habe« (Paul Watzlawick). Begünstigend wirkt
hierbei eine Seminaratmosphäre, in der gegen-
seitige Unter stützung selbstverständlich ist, um
nicht alte Muster einer Schülerhaltung zu akti-
vieren, welche in Erwartung von Lob und Tadel
innere Abwehr und Verteidigung hervorrufen.
Um eine angemessene Feedbackkultur in Semi-
naren zu schaffen, empfiehlt es sich, auf Formu-
lierungshilfen, Vordrucke oder andere Instru-
mente (z. B. Tagesauswertung mit Leitfragen an
der Pinnwand) zurückzugreifen. Durch den re-
gelmäßigen und begründeten Einsatz etablieren
Lehrende strukturiertes und konstruktives Feed-
back. Einige Beispiele hierzu sind in der Toolbox
zu finden.
II. 4 Bewertung und Benotung
Dieser Abschnitt soll nicht Leistungsbeurteilun-
gen im Allgemeinen oder bestimmte festgeschrie-
bene Regelungen zugelassener Prüfungsformen
behandeln. Lehrende begegnen in Forschendem
Lernen jedoch einigen Herausforderungen in Be-
zug auf die Bewertung von Studierenden, die hier
kurz angesprochen werden sollen.
Studierende sollen die Chance erhalten und er-
mutigt werden, sich auf das Wagnis Forschung
einzulassen. Dafür benötigen sie einen möglichst
offenen Rahmen, der auch zulässt, dass die For-
schungsfragen sich als zu wenig fokussiert er-
weisen, die Ergebnisse nicht den Erwartungen
entsprechen oder Methoden sich als ungeeignet
herausstellen. Manchmal sind solche ›Fehler‹
sogar wünschenswert, da sie bei hinreichender
Reflexion zu hohen Lerneffekten führen und auf
die spätere Forschungspraxis vorbereiten (For-
schungskompetenzen). Daher ist es wichtig, eine
Form der Leistungsbeurteilung zu finden (wenn
denn eine solche überhaupt erwünscht ist), die
diesen Prozess toleriert. Beurteilungskriterien
sollten in jedem Fall im Voraus festgelegt und
von Anfang an kommuniziert werden. Je transpa-
renter und eindeutiger die Anforderungen sind,
desto besser können sich die Studierenden dar-
auf einstellen und angstfreier arbeiten. Eine klei-
ne Orientierungshilfe findet sich im Anhang I.
Es versteht sich von selbst, dass jede Beurteilung
anhand dieser Kriterien erläutert und begrün-
det werden muss. Nur aus einem ausführlichen
Feedback können Studierende lernen.
II
74
II _ Material- und Methodensammlung _ Tipps und Anregungen
zu bieten, damit es nicht den Anschein persön-
licher Befindlichkeiten hat. Schließlich soll die
Arbeitsfähigkeit der ›Forschergruppe‹ gewahrt
bleiben.
Feedback an Kleingruppen durch andere
Kleingruppen:
Wird die Forschungsphase mit Präsenzphasen in
Form eines Kolloquiums gestaltet, so können die
verschiedenen Arbeitsgruppen ihren jeweiligen
Arbeitsstand präsentieren – und von den anderen
Gruppen Feedback einfordern. Dabei geht es we-
niger um die Präsentations fähigkeiten Einzelner,
als um die inhaltliche und methodische Arbeit
der Gruppe und die Bezüge zum Gesamtkontext
des Seminars.
Seminarfeedback:
Eine Evaluation am Ende eines Seminars gehört
inzwischen zum Standard an Hochschulen und
Universitäten. Unabhängig davon können Leh-
rende eigene Feedback runden gestalten, die sich
eher auf die Lernerfolge der Teilnehmer_innen
und die Prozesse in der Gruppe beziehen. Dies
dient nicht nur der Qualitätskontrolle, sondern
auch dem Gestalten eines Abschlusses nach ei-
ner intensiven Zusammen arbeit über Monate
hinweg. Bei einer solchen Zeitspanne bietet sich
auch ein Zwischenfeedback zur Halbzeit an. Die
Ergebnisse ermöglichen gegebenenfalls eine
gezielte Modifikation der Veranstaltung. Einige
Dozent_innen arbeiten auch mit einem ›Tages-
feedback‹ nach jeder einzelnen Sitzung. Hier
lässt sich z. B. in sehr knapper Form reflektieren,
was wichtige oder besonders interessante Punkte
waren und wo offene Fragen bestehen. Das hat
vielerlei Nutzen: die Studierenden (und die Leh-
renden selbst) durchdenken noch einmal die In-
halte, prüfen das Verständnis und schaffen eine
Überleitung in die nächste Woche.
Selbstfeedback:
Natürlich kommt man schlecht aus der eigenen
Haut und kann eine völlig andere Perspektive
einnehmen. Selbstfeedback als Stichwort in die-
ser Liste soll aber dazu anregen, die Seminarsit-
zungen und das didaktische Handeln regelmäßig
in schriftlicher Form zu hinterfragen. Was sind
Best-Practice-Beispiele? Was ist besonders gut ge-
lungen und woran lag das? Was würde ich noch
einmal genauso machen? Welche Pannen gab es?
Was würde ich beim nächsten Mal anders ma-
chen? Was haben Lehrende selbst gelernt? Was
sollten die Studierenden beim nächsten Mal mit-
nehmen? Wie hat sich eine bestimmte Rolle an-
gefühlt? Wo haben Lehrende an sich selbst Ent-
wicklungen bemerkt?
Für alle Formen gilt, dass Feedback dann erfolg-
reich ist und blinde Flecken erhellen kann, wenn
es bestimmten Kriterien genügt. Nach Antons
(1998) sind dies:
eher beschreibend als bewertend und inter-
pretierend,
eher konkret als allgemein,
eher einladend als zurechtweisend,
eher verhaltensbezogen als charakterbezogen,
eher erbeten als aufgezwungen,
eher sofort und situativ als verzögert und
rekonstruierend,
eher klar und pointiert als verschwommen
und vage,
eher durch Dritte überprüfbar als auf
dyadische Situationen beschränkt.
II
77
II
76
II _ Material- und Methodensammlung _ Tipps und Anregungen
Forschendes Lernen als sozialer Prozess erfolgt
in der Gruppe, auch die zu benotende Leistung
kann also das Produkt einer Kleingruppenarbeit
sein. Um die Kooperation und Zusammenarbeit
zu fördern, sollten von Anfang klare Regelungen
mit den Studierenden vereinbar werden. Bewährt
hat sich zum Beispiel die Festlegung, dass alle
Mitglieder einer Kleingruppe die gleiche Note
erhalten (für ein Referat, eine Posterpräsenta-
tion oder eine Hausarbeit) und somit nicht klar
erkennbar sein muss, wer was genau geleistet
hat. So haben die Studierenden die Möglichkeit,
die Arbeit entsprechend ihrer Kompetenzen und
Vorlieben aufzuteilen. Sollten sich Unstimmig-
keiten in der Gruppe ergeben und kein ausgewo-
genes Leistungsverhältnis bestehen, können die
Studierenden sich im Voraus melden und den
Wunsch äußern, einzeln bewertet zu werden. In
diesem Fall muss jedoch darauf geachtet werden,
dass die Einzelleistungen klar erkennbar sind.
Es wirkt motivierend, wenn Erfolge und Ergeb-
nisse auch im Verlauf des Seminars sichtbar wer-
den und nicht erst am Ende mit der Prüfung und
der Präsentation der Ergebnisse für interessierte
Dritte. Diese Form des kontinuierlichen Prozes-
ses wird im Bewertungssystem nicht entspre-
chend abgebildet. Sie können jedoch einzelne
Beiträge (z. B. einen Blogeintrag und ein Review
eines anderen Blogeintrags) als Prüfungsvor-
aussetzung deklarieren. Damit wird die aktive
(Mit)arbeit gerade bei den Studierenden forciert,
die bisher weniger Erfahrungen mit interaktiver
Seminarkultur machen konnten.
III
79
III Toolbox zur Seminargestaltung
Diese Toolbox gibt konkrete Anregungen zur
didak tischen Gestaltung forschungsorientierter
Seminare. Es handelt sich hierbei nicht um
einen vollständigen Methodenkatalog, sondern
vielmehr um eine Auswahl von Methoden, die
sich im Rahmen des Forschenden Lernens be-
sonders bewährt haben. Dieser Abschnitt stellt
nicht nur Methoden für verschiedene Situationen
vor. Er bietet auch Informationen hinsichtlich
des Stellenwertes im Prozess des Forschenden
Lernens.
III.1 Einstieg gestalten
In den ersten Sitzungen des Semesters geht es
zunächst darum, mit der Gruppe einen moti-
vierenden Einstieg in das Forschungsprojekt zu
finden. Dieser Abschnitt beinhaltet Methoden,
die insbesondere das gegenseitige Kennen lernen
und die Abfrage von Teilnahmemotiven und
Erwartungen erleichtern sollen.
III
81
Durchführung In geeigneten Settings (z. B. Seminare zu interkulturellen Themen) kann
die Lehrperson die Studierenden anhand der Himmelsrichtungen nach
ihren Herkunftsorten aufstellen lassen und fragen, inwiefern sie das
geprägt hat.
Die letzte Aufgabe sollte so gewählt werden, dass daran anknüpfend zu
den nächsten Punkten übergeleitet werden kann.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Diese Methode kann die Heterogenität der Teilnehmenden transparent
machen. So können Lehrende im Forschungsprozess auf die individu ellen
Erfahrungen und Bedürfnisse besser eingehen. Die Methode kann zudem
zu Beginn bereits ein erstes Teamgefühl aufbauen.
Materialien keine; evtl. Markierungen für die verschiedenen Ecken / Anfang – Ende
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: ab 6
Benötigte Zeit: richtet sich nach der Anzahl der Fragen und der Intensität
der Auswertung, mind. 10 Min.
Für die Aufstellung wird viel Raum benötigt. Falls der Platz im Stuhlkreis
dafür zu klein ist, kann die Aufstellung auf dem Flur oder draußen durchge-
führt werden.
Diese Methode können Lehrende auch abwandeln und z. B. dafür
einsetzen, bestimmte Positionen zu einem Thema sichtbar zu machen
(Pro – Contra, Nähe – Distanz usw.)
Quelle diverse; u. a. Grolman (2016): 11 Methoden für Interaktive Konferenzen,
Seminare und Workshops.
III
80
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III.1.1 Kennenlernen durch Aufstellung
Hintergrund Aufstellungen sind eine lockere, methodisch unkomplizierte Form des
Kennenlernens, die ihren Ursprung in der Soziometrie nach Jacob
L. Moreno haben. Das Grundprinzip besteht darin, dass die Seminar-
teilnehmer_innen sich bezüglich einer Impulsfrage im Raum verteilen – sie
geben also Auskunft über sich selbst und ihre Beziehung zueinander, ohne
sich zwangsläufig zu exponieren. Inhaltlich lässt sich diese Methode beliebig
ausgestalten.
Durchführung Die Lehrperson bittet die Studierenden, aufzustehen und genügend Platz
zu schaffen.
Als nächstes instruiert sie die erste Aufgabe. Hier eignen sich z. B.
»Stellen Sie sich in einer Reihe auf, alphabetisch nach den Anfangsbuch-
staben ihrer Vornamen geordnet. Hier beginnt das A (Der Startpunkt wird
markiert)«.
Wenn sich die Reihe gebildet hat, sollten sich die Studierenden noch einmal
vorstellen. Das kann mit einer weiteren Information verknüpft werden
(z. B. in welchem Semester sie studieren).
Die Lehrperson fährt mit weiteren Aufgabenstellungen fort. Der Fokus kann
so gesetzt werden, wie es für den jeweiligen Zweck geeignet ist.
Einige Beispiele sind:
Persönliche Fragen, z. B. in verschiedenen Seiten des Raumes aufstellen
nach Kaffee- oder Teetrinkern.
In einem interdisziplinären Rahmen können sich die Studierenden nach
Studienrichtungen aufstellen. Meist bilden sich dann kleinere Gruppen.
Eine mögliche Frage wäre, was die jeweilige Disziplin zum Thema bei-
tragen kann.
Eine Rangreihe mit der bisherigen Erfahrung mit dem Thema (von ›Laie‹
bis ›ich habe dazu schon geforscht‹) kann Aufschluss darüber geben, was
die Studierenden an Kompetenzen mit in das Seminar bringen.
III
83
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Diese Methode stellt die gemeinsamen Interessen der Studierenden heraus
und vereinfacht es Lehrenden, an diese Interessen im Forschungs prozess
anzuknüpfen. Die Zentrierung auf gemeinsame Aussagen fördert bereits zu
Beginn ein erstes Teamgefühl sowie erste Prozesse der Kooperation.
Materialien Flipcharts, Stifte
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: 10 – 50
Benötigte Zeit: ca. 50 Min. (20 – 30 Min. für den Kleingruppenaustausch
und die Ergebnissicherung, 20 – 30 Min. für die anschließende Vor stellung
und Zusammenführung im Plenum)
Bei der Vorstellung der Plakate im Plenum kann es vorkommen, dass sich
die Sprechenden auf den Inhalt fokussieren und die Nennung der Gruppen-
mitglieder vergessen. In diesem Fall ist eine Erinnerung sinnvoll, da auch
die anderen Teilnehmenden die einzelnen Personen zumindest ansatzweise
kennenlernen sollen.
Quelle Knoll, J. (2007). Kurs- und Seminarmethoden. Ein Trainingsbuch zur
Gestaltung von Kursen und Seminaren, Arbeits und Gesprächskreisen
(11. Aufl.). Weinheim und Basel: Beltz. (Methode: S. 122f.)
III
82
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III.1. 2 Vorstellungsrunde mit inhaltlichem Zentrum
Hintergrund Diese Methode bietet sich bereits für die erste Sitzung des Seminars an.
Sie ermöglicht die Verknüpfung von Kennenlernen, Heranführung an das
Thema sowie bereits eine erste Präzisierung bzw. Eingrenzung der Inhalte.
Vorstellungsrunden nehmen insbesondere in größeren Gruppen oft sehr
viel Zeit in Anspruch, daher kann die Bildung von kleineren Gruppen ange-
bracht sein.
Zur Weiterarbeit bietet sich im Anschluss eine Erläuterung des Semester-
ablaufs an. Dabei können die inhaltlichen Zentrierungen, die durch die
Methode erarbeitet wurden, mit den Schwerpunkten der Programm planung
verknüpft werden.
Durchführung Die Gruppen bilden sich möglichst nach einem Zufallsprinzip, z. B. durch
Abzählen (je nach Anzahl der Teilnehmenden ca. zwei bis fünf Gruppen-
mitglieder)
Die Teilnehmenden sollen sich austauschen zu:
Ich bin …
Zum Thema dieses Seminars bringe ich mit … (z. B. bestimmte Fragen
oder Erfahrungen)
Mich interessiert an dem Seminar …
Variation: Die Studierenden machen sich miteinander bekannt und
entwickeln eine erste Definition des interessierenden
Gegenstandes / Phänomens
Im Anschluss werden die Aspekte, die den Teilnehmenden im Laufe ihres
Austausches gemeinsam wichtig geworden sind, auf einem Plakat festgehal-
ten. (z. B. Stichwörter, Motto oder These). Die Plakate der Gruppen werden
aufgehängt und jeweils von einer Person erläutert (Vorstellung der Gruppen-
mitglieder und der zentralen gemeinsamen Punkte).
III
85
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Diese Methode ermöglicht es den Lehrenden, stärker auf die jeweiligen
Erwartungen und Bedürfnisse im Forschungsprozess eingehen zu können.
Durch den Einbezug des Anteils der Studierenden fördert diese Methode be-
reits zu Beginn die persönliche Verbundenheit mit dem gemeinsamen Ziel.
Die Ergebnisse der Erwartungsabfrage können zudem am Ende oder wäh-
rend des Forschungsprozesses erneut betrachtet werden und so als Basis für
die gemeinsame Reflexion dienen.
Materialien Pinnwand, Moderationskarten, Stifte, Pinnnadeln
(Alternativ: Whiteboard und Magnete)
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: 3 – 30
Benötigte Zeit: Instruktion und stille Arbeit ca. 10 – 15 Min., Sammeln
an der Pinnwand ca. 3 Min. je Teilnehmer_in
Diese Methode kann mit einer großen Gruppe etwas langwierig werden.
In diesem Fall empfiehlt sich, paarweise oder zu dritt über die Erwartungen
zu reflektieren und diese auf Karten zu notieren (ohne Beschränkung der
Kartenanzahl).
Die Beiträge sollten nicht bewertet werden. Allerdings kann im Anschluss
besprochen werden, welche Konsequenzen die gesammelten Erwartungen
für die Gestaltung des Seminars haben. Dabei wird auch deutlich gemacht,
was eventuell unrealistisch ist.
Quelle Knoll, J. (2007). Kurs- und Seminarmethoden. Ein Trainingsbuch zur
Gestaltung von Kursen und Seminaren, Arbeits und Gesprächskreisen
(11. Aufl.). Weinheim und Basel: Beltz. (Methode: S. 124f.)
III
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III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III.1.3 Erwartungsabfrage als Zeitreise
Hintergrund Es ist hilfreich, wenn sich die Lehrperson zunächst einen Eindruck über
die Erwartungen der Studierenden verschafft, damit das Konzept auch auf
konkrete Bedürfnisse und Kompetenzen der Teilnehmenden ausgerichtet
werden kann. Beim Einsatz dieser oder ähnlicher Methoden in der zweiten
Sitzung ist bereits der erste Schritt in Richtung der gemeinsamen Ziel-
definition erfolgt. Aus diesem Grund wird die hier vorgestellte Erwartungs-
abfrage auch aus der Zukunfts perspektive durchgeführt.
Das Element einer imaginären Zeitreise schafft einen lockeren Einstieg.
In der ersten Woche sind die Erwartungen meist noch zu global und unkon-
kret, da die Studierenden diese bis dato nur auf die Seminar beschreibung
stützen können.
Ein Teil der Abfrage sollte auch den eigenen Anteil beinhalten, den die
Studierenden bei sich selbst sehen, um ihre Erwartungen zu erfüllen.
Dies verdeutlicht von Anfang an, dass Forschendes Lernen von den Beiträ-
gen aller profitiert und von Interaktion lebt.
Durchführung Die Lehrperson beginnt mit einer Zeitreise zur Einleitung (z. B. »Stellen
Sie sich vor, wir setzen uns jetzt in eine Zeitmaschine. Diese bringt uns ein
paar Monate in die Zukunft. Das Semester ist vorbei und Sie treffen sich
in einem Café mit dieser Seminargruppe wieder. Das Gespräch kommt auf
die gemeinsamen Erfahrungen in dieser Veranstaltung, und ich würde jetzt
gerne wissen ...«)
Auf einer Pinnwand sind drei Bereiche durch Überschriften
gekenn zeichnet:
»Zum Glück ist folgendes passiert … «
»Zum Glück ist folgendes nicht passiert … «
» … und dazu habe ich folgendes beigetragen … «
Die Teilnehmenden schreiben auf vorher bereitgelegte Karten ihre Ideen
dazu. Im Anschluss kommen die Teilnehmenden nacheinander zur Pinn-
wand, bringen ihre Karten an und kommentieren ihren Beitrag kurz
und knapp.
III
87
III.2.1 Brain Walking
Hintergrund Eine gute Durchblutung des Gehirns fördert den Ideenfluss im Gehirn
ganz entscheidend. Daher ist Bewegung ein wesentliches Element im
Zusammen hang mit kreativem Denken. Hat eine Seminargruppe schon
längere Zeit gesessen, dann lockert diese Methode auf und ist deshalb auch
nach dem Mittagessen gut anwendbar. Es handelt sich um eine Weiter-
führung der bekannteren Varianten ›Brain Writing‹ oder ›Brainstorming‹,
sollen deren Vorteile (ungestörte Assoziationsmöglichkeiten, keine Bewer-
tung im Ideenfindungsprozess) übernommen werden, deren Nachteile
(statisch, etwas komplizierte Nachbearbeitung) jedoch vermieden werden.
Die Teilnehmer_innen bringen eigene Ideen ein und bauen auf Ideen
anderer auf, entwickeln diese weiter.
Durchführung Auf mehreren, im Raum verteilt angebrachten Flipchartblättern steht oben
das gleiche Thema (Das ist wandelbar: Es lassen sich auch z. B. vier Flip-
charts mit vier verschiedenen Themenbereichen im Raum verteilen).
Während der ersten Minuten schreiben die Teilnehmer_innen spontane
Einfälle auf das Flipchartblatt, bei dem sie stehen. Dann gehen sie im Raum
herum, sehen sich auf anderen Flipchartblättern die Einfälle der übrigen
Studierenden an und schreiben dort neue Assoziationen dazu.
Sie schreiten so nach und nach den Raum ab und entwickeln immer
wieder neue Ideen, die auf den Gedanken der anderen aufbauen.
Während der Ideensammlung wird nicht gesprochen, um den spontanen
Assoziationsfluss nicht zu unterbrechen (das muss nicht streng gehandhabt
werden, manchmal wirken kleine Gespräche unter den Teilnehmenden
auch auflockernd).
Die Blätter werden anschließend an einem gemeinsamen Ort auf gehängt.
Die folgende Auswertung richtet sich nach dem Ziel der Übung (Prioritäten
setzen, Clustern … ).
III
86
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III.2 Ideen und Fragen entwickeln
und präzisieren
Für Studierende ist es oft eine besondere Heraus-
forderung, im Rahmen Forschenden Lernens
eine eigene Forschungsfrage zu finden, diese ein-
zugrenzen und ein geeignetes Forschungsdesign
zu wählen. Die Methoden in diesem Abschnitt
sollen dabei unterstützen, die individuellen Inter-
essen der Studierenden zu präzisieren, in Bezug
zueinander zu setzen und Ideen für Forschungs-
fragen zusammenzutragen. Sie fördern zudem
den Einbezug der Studierenden in die Planung
des Forschungsprozesses und unterstützen die
Studierenden, in die aktive forschend-lernende
Rolle hineinzufinden.
III
89
III.2. 2 Themenlandkarte
Hintergrund Eine Themenlandkarte zeigt die Teilbereiche und Zusammenhänge eines
Forschungsfeldes auf. Als Einstieg gibt sie eine grafisch visuali sierte In-
haltsstruktur, die die Vorkenntnisse der Studierenden aktiviert, ihr Interesse
erhöht und eine erste Orientierung im Thema ermöglicht. Sie kann über
das gesamte Semester genutzt werden. So kann sie aufzeigen, was bereits
bearbeitet wurde und wo noch Lücken bestehen. Auch kann sie sukzessive
ergänzt werden, wenn sich durch die Beschäftigung mit dem Themenfeld
neue Perspektiven (z. B. weitere Theorien, Praxisanwendungen, Autoren)
eröffnen.
Durchführung Eine Themenlandkarte kann auf unterschiedlichste Weise erstellt und er-
gänzt werden. Sinnvoll ist die Wahl einer beständigen Variante (nicht das
Whiteboard), die flexibel genug ist, um im Laufe des Semesters angepasst zu
werden. Es bieten sich z. B. eine Pinnwand oder ein digitales Mind mapping-
Programm an. Es ist hilfreich, wenn die Lehrperson eine Grundstruktur
vorschlägt, an der die Studierenden anknüpfen können.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Diese Methode fördert die gemeinsame Entwicklung und Kontrolle des
Forschungsprozesses. Die Themenlandkarte kann auch zur Motivation der
Studierenden dienen, da die Themenlandkarte im Laufe des Semesters
Fortschritte und Erfolge der Studierenden aufzeigen kann.
Materialien Die benötigten Materialien richten sich nach der gewählten Form.
Quelle diverse; u. a. Arnemann (2016): Einstieg mit grafischer Themen übersicht.
Unter: https://dbs-lin.ruhr-uni-bochum.de/lehreladen/lehrformate-metho-
den/aktivieren-und-motivieren/motiviert-ins-semester/einstieg/
III
88
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Diese Methode vereinfacht es, Ideen für Unterthemen und Teilfragen
zu entwickeln, diese zu ordnen und in Bezug zu der überge ordneten
Forschungs frage des Seminars zu setzen. Sie kann auch bei der Auswahl
von Teilfragen oder bei der Präzisierung vom Teilfragen und der über-
geordneten Forschungsfrage hilfreich sein. Die Methode er möglicht die
gemeinsame Entwicklung des Forschungsprozesses und fördert die
Teamentwicklung.
Materialien Flipchartblätter, Stifte
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: 3 – 20
Benötigte Zeit: ca. 20 Min.
Quelle Beyer, G., Dirlewanger, A., Schmidt, P., Schlicksupp, H., Kaan,
E. G. & Bußmann, N. (2001). So springt der Funke über. Kreativität im
Team. managerSeminar, 49, 32–42.
Durchführung Beispielfragen:
Einstieg in ein neues Thema – »Was wissen Sie schon über … ?«
Sie fördern damit die Motivation.
Evaluation – »Was war heute das Interessanteste für Sie?«
Lehrende können damit zu viele Wiederholungen vermeiden (wie sie mit-
unter bei Blitzlichtrunden auftauchen) und regen eine Auseinandersetzung
mit anderen Perspektiven an.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Durch die aktive Beteiligung unterstützt diese Methode die Studieren-
den, in die aktive forschend-lernende Rolle hineinzufinden. Sie kann die
Hemmschwelle für die aktive Beteiligung bei Studierenden mit geringem
Vor wissen abbauen und die Balance zwischen deren Wortbeiträgen und Bei-
trägen von aktiveren Studierenden mit größerem Vorwissen herstellen.
Materialien Ggf. zur Visualisierung der Frage
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: ab 4
Benötigte Zeit: 5 – 10 Min. zuzüglich der gemeinsamen Diskussion im
Plenum
Quelle Weidenmann, B. (2006). Handbuch Active Training. Die besten Methoden für
lebendige Seminare. Weinheim und Basel: Beltz. (Methode: S. 25f.)
III
90
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III.2. 3 Buzz Groups
Hintergrund Buzz Groups, oder Murmelgruppen, stellen eine Form des Brain stormings
dar und können in verschiedenen Phasen einer Veranstaltung eingesetzt
werden. Grundprinzip ist, dass kleine Diskussionsgruppen gebildet werden,
die innerhalb von wenigen Minuten Ideen generieren, Problemlösungen
sammeln oder einen gemeinsamen Standpunkt zu einem Thema formulie-
ren.
Buzz Groups können zur Aktivierung einer Lehrveranstaltung ein gesetzt
werden. Sie fördern die Interaktion innerhalb der Studierenden sowie der
Teilnehmer_innen mit der Lehrperson. Durch das Gespräch in kleineren
Gruppen sinkt die Hemmschwelle zur Beantwortung einer Frage, es ent-
steht Raum für die aktive Auseinandersetzung mit einem Problem.
Die Methode lässt sich flexibel anwenden, einige Beispiele für ihre Funktion
können sein:
Einstieg in neues Problem, neues Thema
Vorwissen aktivieren
Diskussion animieren
Hemmschwelle für die Beantwortung von Fragen abbauen (z. B. wenn
sich auf Fragen in einer größeren Gruppe selten jemand meldet, können
Studierende kleine Diskussionsgruppen bilden, bevor Wortmeldungen
nach ein bis zwei Minuten im Plenum erfolgen)
Gehörtes Vertiefen
Aufmerksamkeit nach längeren Frontalphasen wieder erhöhen
Durchführung Die Lehrperson stellt nach Ziel und Thema eine Frage an die Gesamt gruppe.
Sie bittet die Studierenden, mit ihren unmittelbaren Nachbarn zu zweit oder
zu dritt eine Gruppe zu bilden und die Frage kurz zu besprechen.
Die Studierenden werden informiert, wie viel Zeit ihnen zur Verfügung
steht. Meist reichen zwei bis fünf Minuten völlig aus. Es sollten nicht mehr
als vier Personen gemeinsam murmeln.
Nun stellt die Lehrperson die Frage noch einmal an das Plenum. Sie kann
das Zusammentragen bzw. die Diskussion frei öffnen oder sie bittet die
Gruppen, ihre Kerninhalte nacheinander vorzustellen.
III
91
Durchführung Welche Untersuchungsgegenstände, welche Stichproben etc. werden
untersucht und warum genau diese?
Mit welchen Methoden und Instrumenten?
Wie werden die Ergebnisse ausgewertet?
Ein eingereichter Vorschlag wird wie zuvor im Plenum einer Realitäts-
kontrolle unterzogen und überarbeitet. Im Anschluss lassen sich die übri-
gen Vorschläge in Kleingruppen überarbeiten. Alternativ können die Studie-
renden auch aufgefordert werden, jeweils zwei Untersuchungsdesigns zu
lesen und Rückmeldung zu geben, um ein Peer-Feedback zu ermöglichen.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Die Entwicklung einer eigenen Forschungsfrage und eines Forschungs-
designs sind zentrale Momente im Prozess des Forschenden Lernens.
Häufig haben Studierende gerade bei diesen Aufgaben Schwierigkeiten und
nehmen sich zu viel vor. Ein Reality Check ist hilfreich für die Präzisierung
und die Überprüfung der Realisierbarkeit. Das gegenseitige Feedback durch
die Studierenden fördert auch während der Forschungsphase die aktive
forschend-lernende Rolle der Studierenden.
Materialien Ggf. Arbeitsbögen mit den Leitfragen
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: ab 4 Personen
Benötigte Zeit: Die Zeit richtet sich nach den Vorarbeiten, der Anzahl der
zu diskutierenden Projekte pro Kleingruppe und nach dem individuellen
Beratungsbedarf.
Einige Studierende werden Probleme dabei haben zu formulieren, welcher
wissenschaftlichen Fragestellung sie nachgehen möchten. Hier ist es sinn-
voll, diese im oben genannten Prozess besonders zu unterstützen – oder zur
Not mögliche Teilfragen oder geeignete in der Hinterhand zu haben, aus
denen diese Studierenden auswählen können.
Quelle Deicke, W. (2008). reality check – a tool for developing research questions.
Oxford: Ruskin College Oxford (unpublished manuscript).
III.2. 4 Reality Check
Hintergrund Der Reality Check unterstützt die Studierenden dabei zu präzisieren, wo
ihre Interessen liegen. Es geht auch darum, die Gruppe dafür zu sensi-
bilisieren, wie sich das, was in einem begrenzten Zeitraum und mit den
vorhandenen Fähigkeiten realistisch möglich ist, möglichst anspruchsvoll
gestalten lässt.
Durchführung Variante 1 zur Präzisierung von Forschungsfragen:
Die Studierenden schreiben ihre Teilfragen individuell oder in den bereits
gebildeten Kleingruppen auf. Dabei kommen – gerade bei unerfahreneren
Studierenden – häufig ziemlich anspruchsvolle Projektideen heraus. Eine
der eingereichten Teilfragen wird dann im Plenum einer Realitätskontrolle
unterzogen und überarbeitet:
Wo liegt der Kern der Frage, was genau soll untersucht werden?
Welche Art von Daten (und Methoden) werden zur Beantwortung der
Frage benötigt?
Welche Informationen und Daten sind (für Teilnehmer_innen) verfügbar?
Warum ist das so?
Gibt es in den gesichteten Quellen Studien, an die sich vom Ansatz oder
Design her anknüpfen lässt?
Welches Fachwissen und welche Fähigkeiten bringen die Forscher_innen
mit?
Das Prinzip der Überarbeitung wird ein- oder zweimal gemeinsam im
Plenum durchlaufen. Die Studierenden beteiligen sich am Feedbackprozess.
Im Anschluss lassen sich die übrigen Vorschläge in Kleingruppen über-
arbeiten – bei Einzelprojekten mit der Maßgabe, dass das Projekt durchführ-
bar, aber weiterhin spannend bleibt; bei Gruppenprojekten mit der Maß-
gabe, einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten.
Variante 2 zur Entwicklung eines Forschungsdesigns:
Nachdem die Studierenden eine vorläufige Forschungsfrage gefunden
haben, schreiben sie die Antworten zu den folgenden Leitfragen individuell
oder in den bereits gebildeten Kleingruppen auf:
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III
93
III
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Stellenwert im
Forschenden Lernen
Durch die eigenständige Erarbeitung einer gemeinsamen Wissensbasis
unterstützt diese Methode die Studierenden, in die aktive forschend-
lernende Rolle hineinzufinden. Sie kann die Hemmschwelle für die aktive
Beteiligung bei Studierenden mit geringem Vorwissen abbauen und die
Balance zwischen den Wortbeiträgen dieser Studierender und der aktiveren
Studierenden mit größerem Vorwissen herstellen.
Materialien Ggf. Texte mit den Inhalten für die Expert_innengruppen, Material zur
Vorbereitung der Präsentation in den Kleingruppen (Blätter oder Flipcharts,
Stifte)
Zu beachten … Empfohlenen Teilnehmerzahl: ab 4 Personen möglich
Benötigte Zeit: Jigsaw ist sehr zeitaufwendig. Die Studierenden müssen sich
koordinieren, Inhalte aneignen, aufbereiten und weitergeben.
Genauere Angaben sind ohne die Kenntnis des Inhaltes nicht möglich.
Die Methode lässt sich jedoch auch auf zwei Sitzungen verteilen.
Quelle Stary, J. & Kretschmer, H. (1994). Umgang mit wissenschaftlicher Literatur.
Berlin: Cornelsen Scriptor.
III.3.1 Jigsaw
III.3 Wissen teilen und vermitteln
Auch bei der Vermittlung von zentralen Inhalten
ist es wichtig, die Studierenden durch aktive Be-
teiligung in die aktive forschend-lernende Rolle
hineinzubringen. Die Methoden in diesem Ab-
schnitt geben konkrete Anregungen dazu, wie die
Studierenden eigenständig erarbeitetes Wissen
teilen und sich gegenseitig vermitteln können.
Hintergrund Die Methode des Jigsaw (oder Gruppenpuzzle) unterstützt die Studierenden
darin, Inhalte selbst zu erarbeiten und zu präsentieren. Dabei werden die
Inhalte nicht nur rezipiert, sondern gleich in der Gruppe strukturiert und
bearbeitet. Sie eignet sich insbesondere, wenn eine gemeinsame Wissens-
basis als Diskussionsgrundlage geschaffen werden soll.
Durchführung Nach einer Einführung der Methode und einer Übersicht über die betreffen-
den Inhalte, werden die Studierenden je nach Vorwissen, Erfahrungen oder
Kompetenzen in Kleingruppen aufgeteilt.
Diese Expert_innengruppen beschäftigen sich mit dem jeweiligen Inhalt
und erarbeiten dessen Vermittlung.
In der zweiten Phase gehen die Expert_innen in neu gebildete Kleingruppen
und vermitteln den zuvor erarbeiteten Inhalt. Diese Kleingruppen setzen
sich so zusammen, dass aus jeder Expert_innengruppe eine Person anwe-
send ist.
Im Anschluss erfolgt eine gemeinsame Bearbeitung im Plenum. Das kann
die Diskussion der Ergebnisse, die Anwendung an einem kon kreten Fall-
beispiel oder etwas anderes sein.
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III
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III
94
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Die Fishbowl-Methode kann Frontalsituationen im Seminar auflösen.
Durch die aktive Beteiligung unterstützt diese Methode die forschend-
lernende Rolle der Studierenden. Sie verringert die Hemmschwelle für die
aktive Beteiligung bei Studierenden mit geringem Vorwissen und kann
eine Balance zwischen den Wortbeiträgen aktiverer und weniger aktiver
Studierender herstellen. In der Forschungsphase kann sie als Format für
›Reality Checks‹ einzelner Forschungsfragen und Forschungsdesigns die-
nen oder zur Entscheidungsfindung über den weiteren Forschungsprozess
beziehungs weise das Abschlussprodukt. Die Methode ist zudem geeignet,
um Zwischen ergebnisse der einzelnen Projektgruppen zu präsentieren und
zu diskutieren.
Materialien Stühle für den Innen- und Außenkreis
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: 4 – 5 im Innenkreis, ca. 10 – 20 im
Außenkreis
Benötigte Zeit: Die Zeit richtet sich nach dem Ziel und der Komplexität der
Frage. Pro Frage sollten etwa 15 – 30 Min. eingeplant werden.
Quelle Grolman, F. (2016): 11 Methoden für Interaktive Konferenzen, Seminare und
Workshops. Unter: https://organisationsberatung.net/methoden-fuer-inter-
aktive-konferenzen-seminare-workshops/#Fishbowl-Diskussionen, Goethe-
Institut (2016): »Fishbowl«-Diskussionsmethode.
Unter https://www.goethe.de/resources/files/pdf1/pk5793988.pdf
III.3.2 Fishbowl-Diskussion
Hintergrund Die Fishbowl-Methode ist eine abgewandelte Form der Podiums diskussion.
Hier diskutiert ein Teil einer größeren Gruppe stellvertretend für den Rest
der Gruppe. Die anderen Teilnehmenden können jedoch die Diskussionen
kommentieren und zeitweilig auch der Diskussion neue Impulse geben. Die
Fishbowl-Diskussion lässt sich vielfältig anwenden, u. a. um Entscheidungen
zu finden, Arbeits ergebnisse und verschiedene Standpunkte zu diskutieren
oder das Wissen in größeren Gruppen zu teilen und zu vermitteln.
Durchführung Ca. vier bis fünf Studierende bilden einen Innenkreis, in dem eine be-
stimmte Frage diskutiert wird. Die restlichen Studierenden bilden einen
Außenkreis und beobachten die Diskussion. Die moderierende Person
(Lehrende_r oder Studierende_r) stellt eine Frage zur Diskussion. Es kön-
nen auch nach einander mehrere Fragen diskutiert werden. Primär disku-
tiert der Innenkreis, der Außenkreis beobachtet die Diskussion. Er bewertet
und analysiert den Verlauf und gegebenenfalls den Weg zur Entscheidungs-
findung. Der Innenkreis kann beispielsweise mit Vertreter_innen bestimm-
ter Arbeitsgruppen besetzt oder zufällig bestimmt werden. Abhängig ist dies
vom jeweiligen Ziel der Diskussion. Eine Moderation ist nicht unbedingt
notwendig, bei Diskussionen mit hohem Konfliktpotenzial jedoch zu emp-
fehlen.
Varianten zum Einbezug des Außenkreises:
Der Innenkreis lädt den Außenkreis gelegentlich dazu ein, sich in die
Diskussion einzubringen.
Im Innenkreis wird ein zusätzlicher Stuhl platziert, auf den sich
Personen aus dem Außenkreis setzen können, um sich in die
Diskussion einzubringen.
Die Studierenden aus dem Außenkreis können eine Person im
Innenkreis antippen und ablösen, wenn sie sich einbringen möchten
oder das Gefühl haben, dass die Diskussion in eine einseitige
Richtung verläuft.
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III
97
III
96
Materialien Flipcharts oder Plakatvorlagen
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: max. 25
Benötigte Zeit: Die Zeit richtet sich nach dem Umfang der aufbereiteten
Ergebnisse und der Anzahl der Kleingruppen.
Bei beiden Varianten sollte eine Person auf die Zeit achten, damit alle
Gruppen genügend Raum zur Besprechung ihrer Ergebnisse haben.
Quelle Romoth, F. (2014). Reader: Methodenkoffer. Tutoren-Handreichung. Rostock:
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Rostock.
Bühs, R. (2016). Gallery Walk. Unter: http://www.buehs.com/Publikationen/
lerntagbuch_gallery_walk.pdf
III.3. 3 Gallery
Hintergrund Gallery knüpft an eine Gruppen- oder Einzelarbeit an und dient dem
Austausch und der Auswertung von Arbeitsergebnissen. Sie kann z. B. in der
eigentlichen Forschungsphase an den Präsenzterminen angewandt werden
und frontale Präsentationen ersetzen, um mehr Interaktion und Kooperati-
on zu fördern. In der Literatur finden sich unter dem Namen ›Gallery‹ zwei
sehr unterschiedliche Vorgehensweisen, die hier beide vorgestellt werden.
Voraussetzung ist jedes Mal, dass die Kleingruppen ihre Arbeitsergebnisse
bereits visualisiert bzw. aufbereitet haben. Am besten funktioniert es, wenn
die Kleingruppen bereits Fragen an die anderen Studierenden vorbereitet
haben, um das Potenzial des Feedbacks ausnutzen zu können.
Durchführung Variante 1:
Die Arbeitsergebnisse der Gruppen (Forschungsdesign, erste Ergebnisse,
Darstellung einer theoretischen Perspektive o. Ä.) sind auf Plakaten visuali-
siert und werden im Raum aufgehängt. Die gesamte Seminargruppe läuft
nun gemeinsam an den Postern entlang, ähnlich eines Museumsbesuchs
oder einer Postersession auf einer Konferenz. An jedem Plakat gibt es ein
kurzes Impulsreferat mit anschließender Diskussion, bevor die Studieren-
den weiterziehen.
Variante 2:
Es werden, ähnlich wie beim Jigsaw, Kleingruppen gebildet, die sich aus
Mitgliedern der Arbeitsgruppen zusammensetzen. Die Beiträge der einzel-
nen Gruppen werden nun nacheinander vorgestellt und diskutiert.
Das Feedback sollte protokolliert werden, damit es wieder zurück in die
ursprünglichen Arbeitsteams getragen werden kann.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Durch diese Methode behalten die Studierenden die Projekte ihrer Mit-
studierenden und das gemeinsame Ziel im Blick. Das gegen seitige Feedback
durch die Studierenden fördert auch während der Forschungsphase die
aktive forschend-lernende Rolle der Studierenden.
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III
99
III
98
Durchführung Varianten:
Diese kleine Sequenz kann auch als eine Art Lerntagebuch dienen. In die-
sem Fall würden die Studierenden die Antworten behalten. Die Lehrperson
bittet die Studierenden, die offenen Fragen zum nächsten Mal mitzubrin-
gen oder selbst zu beantworten (in ihren Impuls vorträgen, Forschungs-
gruppen …). Die gewonnenen Erkenntnisse könnten in einem wöchent-
lichen Blog zusammengetragen werden.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Diese Methode ermöglicht es den Studierenden, Einfluss auf den weiteren
Verlauf des Seminars zu nehmen. Gerade bei Studierenden mit sehr un-
terschiedlichem Vorwissen wird durch das One-Minute-Paper deutlich, wer
an welcher Stelle weitere Hilfestellungen benötigt. Die gemeinsame über-
geordnete Forschungsfrage und der Bezug der Einzelsitzungen zum gesam-
ten Forschungsprozess bleiben so stets im Blick.
Materialien Vorbereitete Blätter mit den Fragen
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: unbegrenzt
Benötigte Zeit: 5 Min. (inkl. Instruktion und Einsammeln)
Die Studierenden sollten nicht das Gefühl bekommen, kontrolliert oder
bewertet zu werden.
Quelle angelehnt an Lehner, M. (2013). Viel Stoff – wenig Zeit. Bern,
Stuttgart, Wien: Haupt-Verlag.
III.4.1 One-Minute-Paper
III.4 Feedback
Das kollegiale Feedback der Studierenden för-
dert eine aktive forschend-lernende Rolle der
Studierenden im gesamten Forschungsprozess.
Diese gegenseitige Feedbackkultur unterstützt
die eher moderierende Rolle von Lehrenden im
Forschenden Lernen, da die Studierenden ihren
Arbeitsprozess nicht allein an den Bewertungen
und Meinungen der Lehrperson orientieren. Viel-
mehr werden sie Anregungen aus der gesamten
Gruppe einbeziehen. Die Methoden in diesem
Abschnitt illustrieren, wie Lehrende Feedback
unter den Studierenden anregen können.
Hintergrund Mit Hilfe des One-Minute-Papers werden Lernergebnisse und offene Fragen
am Ende einer Seminareinheit erhoben. Dabei setzen sich die Studieren-
den noch einmal aktiv mit den Inhalten auseinander, ziehen ihre eigenen
Schlüsse. Lehrende erhalten einen guten Überblick zum aktuellen Stand
und Bedarf. Diese Methode ist sehr kurzweilig und niedrigschwellig und
eignet sich dafür, regelmäßig eingesetzt zu werden.
Durchführung Am Ende eines Veranstaltungsblocks beantworten die Studierenden schrift-
lich auf einem Blatt folgende Fragen:
»Welche wichtigen Erkenntnisse haben Sie heute gewonnen?«
»Welche Fragen sind offen geblieben bzw. welche weiterführenden Fragen
haben sich heute herauskristallisiert?«
Die Antwortzeit sollte auf max. drei Minuten begrenzt sein. Im Anschluss
werden alle Zettel eingesammelt (anonym). Die Lehrperson kann diese
zwischen den Sitzungen auswerten und die ›Ergebnisse‹ in die weitere
Seminarplanung einfließen lassen.
Die Impulsfragen können bei Bedarf variiert werden.
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III
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III
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Quelle u. a. Freimuth, J. (2000). Moderation in der Hochschule. Konzepte und
Erfahrungen in der Hochschullehre und Hochschulentwicklung.
Hamburg: Windmühle. (Grafik: S. 55)
Beispiel Durchführung: Punkteabfrage
III.4. 2 Punkteabfrage
Hintergrund Punkteabfragen dienen dazu, Urteile oder Bewertungen der Gruppe sichtbar
zu machen. Sie können sowohl Ausgangspunkt einer Diskussion darstellen,
als auch Feedback übersichtlich abbilden oder Entscheidungen über das
weitere Vorgehen erleichtern. Gerade in größeren Gruppen kann jede_r ein
eigenes Urteil abgeben, ohne dass z. B. recht zeitaufwendig reihum alle zu
Wort kommen. Ausgangspunkt ist immer eine oder mehrere präzise formu-
lierte und visualisierte Fragen und ein vorstrukturiertes Antwortformat.
Durchführung Auf einem vorbereiteten Plakat werden nach ausführlicher Instruktion zu
verschiedenen Aspekten des Seminars (Thema, Klima, Methode …) Punkte
platziert, welche die relative Zustimmung zu den entsprechenden Äußerun-
gen sichtbar macht. Vorher muss die Anzahl der Punkte festgelegt werden,
die jedes Gruppenmitglied vergeben darf. Dann werden die Punkte ausge-
teilt und individuell aufgeklebt. Das entstan dene Bild sollte kommentiert
und ausgewertet werden.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Durch diese Methode können Studierende Einfluss auf den weiteren Ver-
lauf des Seminars nehmen. Sie kann z. B. genutzt werden, um Prioritäten
hinsichtlich relevanter Teilfragen, des Abschlussprojekts oder weiterer Vor-
gehensweisen zu verdeutlichen. Ebenso kann die Punkteabfrage den Stand
des Arbeitsprozesses und den Beratungsbedarf der Studierenden während
des Forschungsprozesses ermitteln. Um Fortschritte darzustellen, kann das
Plakat zu einem späteren Zeitpunkt nochmals mit Klebepunkten in einer
anderen Farbe beklebt werden.
Materialien Vorbereitete Pinnwand, Klebepunkte (ersatzweise Whiteboard und Stifte)
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: 5 – 50
Benötigte Zeit: 5 – 10 Min. für Instruktion und Durchführung,
Aus wertungszeit ist abhängig von Ziel und Gegenstand der Abfrage.
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III
103
III
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III
105
Beispiel Durchführung: Auswertungszielscheibe
III
104
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III.4. 3 Auswertungszielscheibe
Hintergrund Die Auswertungszielscheibe ist eine mögliche Form, Seminarfeedback
am Ende oder zur Hälfte des Semesters einzuholen. Wie auch bei einigen
anderen Methoden fungiert es wie eine ›Schablone‹, in die die relevanten
Aspekte eingetragen werden. Diese kann die Lehrperson im Voraus festle-
gen oder gemeinsam mit den Studierenden erarbeiten.
Durchführung An einer Pinnwand (o. ä. Visualisierung) wird eine Zielscheibe erstellt, auf
der von 1 (Volltreffer, Mitte) bis 5 (kaum, nur am Rande) einzelne Aspekte
des Seminars bewertet werden sollen.
Zunächst erstellen die Studierenden die Bewertungen erst einmal für sich
selbst. Diese werden dann mit einem Punkt oder Kreuz auf die Pinnwand
übertragen. Das gesamte Feedbackbild wird im Anschluss gemeinsam
ausgewertet.
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Die Methode eignet sich als Zwischenfeedback oder für die Reflexion am
Semesterende, um insbesondere den gemeinsamen Forschungsprozess zu
reflektieren und Feedback zum eigenen Lehrhandeln zu erhalten.
Materialien Vorbereitete Pinnwand, Klebepunkte oder Stifte (alternativ Whiteboard,
Flipchart, Smartboard), Notizblätter
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: 5 – 25
Benötigte Zeit: mind. 30 Min.
Es wird anonymer, wenn die Studierenden die Aspekte gleichzeitig evalu-
ieren, anstatt nacheinander.
Quelle Ladwig, A. & Auferkorte-Michaelis, N. (2012). Feedback – Methodenbar.
Feedbackmethoden im Lehralltag. Universität Duisburg-Essen.
Beispiel Durchführung: Zeitungsredaktion
III.4.4 Zeitungsredaktion
Hintergrund Diese Methode ermöglicht ein umfassendes Bild der aktuellen Seminar-
situation aus mehreren Perspektiven. Das Erstellen einer fiktiven Seminar-
zeitung eignet sich insbesondere für ein Zwischenfeedback oder die Aus-
wertung des gemeinsamen Arbeitsprozesses am Semesterende. Durch die
verfremdete Darstellung (Zeitung) gewinnt die Gruppe Distanz zur eigenen
Situation. Das Medium regt dazu an, die Dinge etwas zu überzeichnen und
humoristisch zu beschreiben. So fällt es vielen leichter, positive Ereignisse
ins Licht zu setzen und kritische Aspekte offen darzustellen.
Durchführung Es werden kleinere Redaktionsgruppen analog zu den Ressorts einer
Zeitung gebildet, z. B. Titelseite, Wetterbericht, Anzeigenmarkt, Wirtschaft &
Politik, Feuilleton usw.
Aufgabe ist es, die aktuelle Situation bzw. rückblickend das Seminar zu er-
örtern und passend zum jeweiligen Ressort dazu eine aktuelle Zeitungsseite
zu gestalten.
Die Ergebnisse werden anschließend in einer gemeinsamen ›Redaktions-
konferenz‹ präsentiert, gewürdigt und ausgewertet.
Variante: Diese Methode kann auch in einer Kurzform als eine Art erwei-
tertes Blitzlicht zur Auswertung einer Sitzung verwendet werden. Die Lehr-
person vergibt die Ressorts an zwei bis drei Sitznachbar_innen und stellt
die Aufgabe, alles Revue passieren zu lassen und dann entsprechend dem
jeweiligen Ressort eine Schlagzeile zu formulieren.
(z. B. Anzeigenmarkt: ›Suchen Experten für Theorie X‹ oder
Titelseite: ›Endlich Durchbruch bei …‹)
Stellenwert im
Forschenden Lernen
Die Methode eignet sich als Zwischenfeedback oder für die Reflexion am
Semesterende, um den Lern- und Forschungsfortschritt der Studierenden
festzuhalten und den gemeinsamen Forschungsprozess zu reflektieren.
III _ Material- und Methodensammlung _ Toolbox zur Seminargestaltung
III
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III
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Materialien Flipchart oder Pinnwand, um die Ergebnisse zu sammeln; Papier und Stifte;
ggf. Zeitungen als Anregungen, Schere, Kleber, farbiges Papier
Zu beachten … Empfohlene Teilnehmerzahl: 6 – 30
Benötigte Zeit: Wenn die Studierenden Zeit haben sollen, ausführlich über
das Seminar, den Arbeitsprozess und die Gruppenatmosphäre zu reflektie-
ren und das entsprechend aufzubereiten, werden 60 – 90 Min. benötigt. Der
Prozess lässt sich auch verkürzen, indem die Studierenden nur Schlagzeilen
produzieren oder weniger Wert auf die Gestaltung legen.
Quelle Funcke, A. & Havenith, E. (2014). Moderations-Tools. Anschauliche, aktivieren-
de und klärende Methoden für die Moderationspraxis (4. Aufl.). Bonn: manager-
Seminare Verlags GmbH. (Methode: S. 115 – 117)
III
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III
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Die Autorinnen und Autoren
Monika Sonntag studierte Geographie, Soziologie und Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Stadt- und Regionalforschung an der Universität Trier
und an der Université de Montréal in Kanada. Nach Forschungs- und Lehrtätigkeiten am Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner bei
Berlin und an der Universität Bremen promovierte sie an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Kultur- und Sozialgeographie. Am bologna.lab der Humboldt-
Universität betreut sie derzeit Projekte zum Forschenden Lernen mit dem Ziel, die Verbindung von Forschung und Lehre an der Universität zu stärken und
innovative Lehr- und Lernformen zu fördern.
Julia Rueß studierte Diplom-Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin, wobei empirische Sozialforschung den
Schwerpunkt ihres Studiums bildete. Vor ihrer Tätigkeit am bologna.lab arbeitete sie als Beraterin bei Rambøll Management Consulting, wo sie vorrangig in die
Evaluation bildungspolitischer Projekte eingebunden war. Im bologna.lab ist sie für die wissenschaftliche Begleitforschung der umgesetzten Projekte zuständig.
Dabei untersucht sie die Wirkungen und Wirkmechanismen der erprobten Lehr-Lernformate mit dem Ziel einer systematischen Weiterentwicklung. In ihrer
Doktorarbeit analysiert sie vertiefend die Frage, wie die epistemologischen Überzeugungen von Studierenden verändert werden können.
Carola Ebert studierte Architektur an der Technischen Universität Berlin sowie am University College London und promovierte an der Universität Kassel im
Bereich Architektur- und Kulturgeschichte. Neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit am Fachbereich Architektur Landschaftsplanung Stadtplanung der
Universität Kassel war sie als Dozentin für fachspezifische wie auch fächerübergreifende Schlüsselqualifikationen an verschiedenen Universitäten tätig.
Am bologna.lab ist sie für die Konzeption und Durchführung verschiedener Fortbildungsangebote zum Forschenden Lernen zuständig. Seit ihrer Ausbildung bei
artop, einem Institut der Humboldt-Universität zu Berlin, ist sie zudem freiberuflich als Coach und Kommunikationstrainerin tätig.
Kathrin Friederici studierte Psychologie mit den Nebenfächern Vergleichende Erziehungswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt-
Universität zu Berlin. Zurzeit promoviert sie im interdisziplinären Postgraduate Program Microenergy Systems am Zentrum für Technik und Gesellschaft der
Technischen Universität Berlin. Seit ihrer Ausbildung zum Trainer and Coach for Cross-Cultural Competence bei artop und einer Weiterbildung als Online-Tutorin
bei der Daten+Dokumentation GmbH ist sie an verschiedenen Hochschulen als freie Dozentin, Trainerin und Beraterin tätig. Am bologna.lab ist sie zuständig für
die Konzeption und Durchführung des didaktischen Begleitprogramms für studentische Tutor_innen.
Wolfgang Deicke studierte Soziologie und Politikwissenschaften an der Universität Hamburg und der Postgraduate School of Peace Studies in Bradford.
Er war Dozent für Soziologie, Politikwissenschaften und Europäische Sozial- und Geistesgeschichte an der Universität Northampton, der School of Oriental and
African Studies in London und am Ruskin College, Oxford. In Northampton und Oxford sammelte er als Fachbereichsleiter für Politik bzw. Sozialwissenschaften
umfangreiche Erfahrungen in der Umsetzung des Bologna-Prozesses und der Entwicklung innovativer und interdisziplinärer Studiengänge. Seit 2012 ist er Leiter
des bologna.labs an der Humboldt-Universität zu Berlin und beschäftigt sich insbesondere mit der curricularen Verankerung von Forschendem Lernen.
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