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26. Deutsche Arbeitsbesprechung über Fragen der Unkrautbiologie und -bekämpfung, 11.-13. März 2014 in Braunschweig
360 Julius-Kühn-Archiv, 443, 2014
DSSHerbicide: Feldversuche zur Unkrautbekämpfung im Winterweizen – was
bringt der Einsatz eines Entscheidungshilfesystems?
DSSHerbicide: Herbicide field trials in winter wheat. What is the good of this?
Friederike de Mol*, Robert Fritzsche und Bärbel Gerowitt
Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Abteilung Phytomedizin,
Satower Straße 48, 18059 Rostock, Deutschland
*Korrespondierender Autor, friederike.de-mol@uni-rostock.de
DOI 10.5073/jka.2014.443.046
Zusammenfassung
Bei der chemischen Unkrautbekämpfung im Ackerbau ist die Wahl der Herbizide und ihrer optimalen
Aufwandmengen eine große Herausforderung, da die Auswahl an geeigneten Herbizidmischungen groß ist
und die ökonomischen Folgen schwer abzuschätzen sind. DSSHerbicide ist ein computergestütztes
Entscheidungshilfesystem, das kostengünstige Bekämpfungsmaßnahmen errechnet. Es wurde auf Grundlage
des dänischen Systems Crop Protection Online mit deutschen Herbizid- und Unkrautdaten auf deutsche
Verhältnisse angepasst. In den Jahren 2011 und 2012 wurden in Mecklenburg-Vorpommern vierzehn
Herbizidversuche auf konventionellen Winterweizenschlägen mit unterschiedlicher Unkrautdichte angelegt,
um den Prototypen des Systems zu testen. Neben der Herbizidauswahl, die DSSHerbicide vorschlug, wurden
die Bekämpfungsvorschläge von privaten Beratern, dem amtlichen Warndienst und Landwirten umgesetzt.
Die Entscheidungsvarianten wurden in den Parametern ausgewählte Herbizide, Herbizidkosten,
Behandlungsindex, Restverunkrautung und Weizenertrag untersucht. Weder in den Herbizidkosten, noch im
Behandlungsindex oder im Weizenertrag wurden zwischen dem Entscheidungshilfesystem einerseits und den
Expertenvarianten andererseits signifikante Unterschiede gefunden. Die Restverunkrautung war im Mittel in
den Varianten der Bekämpfung nach DSSHerbicide signifikant höher als in den Varianten des Warndienstes.
Das führte in der Tendenz zu höheren Erträgen in der Warndienstvariante, die sich statistisch aber nicht
absichern ließen. In den Herbizidkosten und dem Behandlungsindex fiel eine höhere Streuung der Werte des
DSSHerbicide zwischen den Versuchsstandorten auf. Eine höhere Korrelation zwischen der Dichte der
Ausgangsverunkrautung und den Herbizidkosten in der DSSHerbicide Variante als in den Expertenvarianten
lässt auf eine schlagspezifische Herbizidempfehlung durch das Entscheidungshilfesystem schließen. Der
DSSHerbicide Prototyp arbeitete mit einer eingeschränkten Auswahl an Herbiziden. Da die Empfehlungen des
Systems sich in den vierzehn Feldversuchen als robust erwiesen, wird es sich lohnen, die beratene
Herbizidpalette zu erweitern.
Stichwörter: Crop Protection Online, Herbizid, Unkrautbekämpfung
Abstract
To choose herbicides and their optimal dosages is a great challenge in chemical weed control in arable crops,
because the choice of possible herbicide mixtures is big and economic consequences are hardly estimated.
DSSHerbicide is a computer aided decision support system calculating cost-saving weed control measures. It is
adapted to German conditions from the Danish Crop Protection Online system with German herbicide and
weed data. To test the prototype of the system, fourteen herbicide trials were installed at conventional winter
weed fields with differing weed densities in 2011 and 2012. Apart from the herbicide selection of DSSHerbicide
recommendations from private advisers, official advisory service and farmers were implemented as test
variables. The different ways of decision-making were investigated with the parameters chosen herbicides,
herbicide costs, treatment frequency index, weeds left after treatments and wheat yield. Neither in herbicide
costs, nor in treatment frequency index nor in yield significant differences between the decision support
system on the one side and the expert advices on the other side were found. Biomass of weeds after
treatments was significantly higher in the DSSHerbicide plots than in the plots of the official advisory service.
In tendency, but not significantly, this led to higher yields in the plots of the official advisory service. Variation
in herbicide costs and treatment frequency indices between the field trials was highest in the DSSHerbicide
plots. A higher correlation of weed density before control and herbicide costs in the DSSHerbicide plots than in
the expert plots indicates a field specific herbicide advice by the DSSHerbicide. The prototype worked with a
limited number of implemented herbicides. Since herbicide advices of the decision support system were
robust over the fourteen field trials, it will be worth implementing more herbicides in the system.
Keywords: Crop Protection Online, herbicide, weed control
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Einleitung
Der Einsatz von Herbiziden zur Unkrautbekämpfung gehört in der konventionellen
Winterweizenproduktion in Deutschland zu den Standardmaßnahmen. Das zeigen die
Erhebungen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Praxis, die im Rahmen des
nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmittel (BMELV, 2008) im
Vergleichsbetriebsnetz Ackerbau erhoben wurden: im Jahr 2011 wurden in Deutschland im
Winterweizen im Mittel 1,7-mal Herbizide appliziert (ROSSBERG, 2013).
Daraus folgt, dass Landwirte standardmäßig im Anbaujahr meist mehrmals taktische
Entscheidungen zum Herbizideinsatz treffen. Dabei sind multiple Kriterien zu berücksichtigen. So
muss neben den ökonomischen Auswirkungen des Herbizideinsatzes – Kosten und Mehrerlös
durch verringerte Unkrautkonkurrenz, leichtere Ernte und bessere Produktqualität – die
potentielle Samenproduktion der Unkräuter berücksichtigt werden, die die Wirtschaftlichkeit der
Folgekultur und somit der gesamten Fruchtfolge beeinflusst (VAN DEN BERG et al., 2010). Der
Entwicklung von Herbizidresistenz soll mit dem Herbizidmanagement ebenfalls entgegengewirkt
werden. Ästhetische Aspekte können von Landwirten ebenso in Betracht gezogen werden wie
ökologische Folgen des Herbizideinsatzes. Nicht zuletzt muss die Bekämpfungsmaßnahme
terminlich in die Betriebsabläufe eingepasst werden. Diesen zahlreichen Kriterien steht eine
Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten gegenüber. In Deutschland sind 214 Herbizide im
Winterweizen zugelassen (BVL, 2013), die mit beliebig reduzierten Aufwandmengen und auch
gemischt oder in Spritzfolgen eingesetzt werden dürfen.
Seit Mitte der 80er Jahre Rechnerleistung verfügbar wurde, wurden zahlreiche computergestützte
Entscheidungshilfesysteme für den Herbizideinsatz entwickelt. Im einem europäischen ENDURE
Projekt sind allein neun europäische Entscheidungshilfesysteme verglichen worden (RYDAHL et al.,
2008). Sie berücksichtigten nicht alle oben angesprochenen Kriterien – z.B. ist den Autoren noch
kein Entscheidungshilfesystem bekannt, das Resistenzmanagement berücksichtigt – aber zeigten
zumindest in Teilbereichen, meist der Wirtschaftlichkeit in der aktuellen Kultur, optimale
Herbizidtaktiken auf (z. B. BERTI et al., 2003). Auch Entscheidungshilfesysteme, die die Fruchtfolge
mit einbeziehen, wurden entwickelt (BENJAMIN et al., 2009).
Trotz der Vielzahl der entwickelten Systeme werden diese Entscheidungshilfen von Landwirten
relativ selten genutzt (JØRGENSEN et al., 2007). Wahrscheinlich ist das dänische Crop Protection
Online, das heute ca. 1.000 Abonnenten nutzen, das am besten etablierte System. In einem EU
South Baltic Projekt wurde dieses System für die Unkrautbekämpfung im Winterweizen unter
nordostdeutschen Anbauverhältnissen in einem Prototyp, d.h. mit eingeschränkter Mittelpalette
und Unkrautartenzahl, angepasst. Somit steht ein Tool zur Verfügung (www.dssherbicide.eu), mit
dem in Nordostdeutschland getestet werden kann, ob sich die Nutzung von
Entscheidungshilfesystemen für den Landwirt lohnt.
Dem DSSHerbicide Prototypen CPOStandard (DSSHerbicide) liegt die Annahme zugrunde, dass
durch Nutzung gesicherter Dosis-Wirkungsbeziehungen ein Teil der Herbizide eingespart werden
kann, ohne dass es zu Ertragseinbußen und inakzeptabler Samenproduktion kommt. Dabei kann
eine Restverunkrautung toleriert werden. Die Zielgröße des Optimierungsalgorithmus sind die
Herbizidkosten. Es wird davon ausgegangen, dass mit sinkenden Kosten auch die
Herbizidintensität sinkt und somit ein ökologischer Zusatznutzen erreicht wird.
In diesem Beitrag werden die Hypothesen getestet, dass bei Nutzung des DSSHerbicide im
Vergleich zu Herbizidentscheidungen von Experten
a) die Kosten des Herbizidanwendungen geringer sind,
b) der Behandlungsindex (BI) als Maß für die Herbizidintensität ebenfalls geringer ist,
c) die Biomasse, die die Unkräuter nach Abschluss der Herbizidmaßnahmen gebildet haben,
größer ist,
d) die Winterweizenerträge nicht geringer sind.
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Material und Methoden
Versuchsdesign
In den Anbaujahren 2011/12 und 2012/13 wurden in Mecklenburg-Vorpommern an je sieben
Standorten auf konventionellen Winterweizenschlägen Herbizidversuche nach EPPO-Standards
(EPPO, 2007) mit einer unbehandelten Kontrolle angelegt. Die Versuchsanlagen waren
Blockanlagen mit vier Wiederholungen. Die Parzellen waren 2,5 m breit und je nach
Fahrgassenabstand auf dem Weizenschlag, zwischen 7,5 m und 10,5 m lang, sodass sich
Parzellenflächen von 18,75 m² bis 26,25 m² ergaben. Es wurden verschiedene Prototypen von
Entscheidungshilfesystemen getestet. Hier wird der Prototyp CPOStandard („DSS“) betrachtet, der
in der Struktur und den Entscheidungsregeln dem dänischen Crop Protection Online entspricht. Er
enthielt zur Zeit der Versuche Daten zu 21 Herbiziden und 21 Unkrautarten. Weitere drei
Prüfglieder waren 1.) die Bekämpfungsentscheidungen eines privaten Anbauberaters („Berater“),
der die Schläge kannte und die Versuchsparzellen vor der Empfehlung besichtigte, 2.) die
Behandlung nach Warndiensthinweisen des Pflanzenschutzdienstes Mecklenburg-Vorpommern
(„Warndienst“) und 3.) die Bekämpfung, die der Landwirt auf dem den Versuch umgebenden
Schlag einsetzte („Praxis“). Der Anbauberater war an die Mittelpalette des „DSS“ gebunden,
während die Mittelauswahl für „Warndienst“ und „Praxis“ frei war. Die Prüfglieder „DSS“,
„Warndienst“ und „Praxis“ waren in allen vierzehn Versuchen angelegt. Das Prüfglied „Berater“
fehlte in drei Versuchen, da der landwirtschaftliche Betrieb keine private Pflanzenschutzberatung
in Anspruch nahm. Die Herbizide wurden mit einer handgeschobenen Feldversuchsspritze auf der
gesamten Parzellenfläche ausgebracht.
Datenerfassung und -auswertung
Vor der Anlage der Parzellen wurden artspezifische Unkrautdichten auf zufällig verteilten 10 mal
1/10 m² pro Block ermittelt. Diese Erfassung diente der Standortcharakterisierung und wurde auch
als Grundlage der Bekämpfungsentscheidung im Herbst genutzt.
Nach Abschluss der Herbizidbehandlungen im Frühjahr zum Stadium der Milchreife des Weizens
wurden pro Parzelle auf einem Quadratmeter ohne Messwiederholung die oberirdische Biomasse
geerntet und die Trockenmasse der Unkräuter nach Arten getrennt bestimmt.
Die Ernte erfolgte im Kerndrusch auf 1,5 m Breite über die gesamte Parzellenlänge. Der Ernteertrag
wurde auf 14 % Feuchte standardisiert.
Bei der Berechnung der Herbizidkosten pro Anbaujahr wurden Preise von Großgebinden für alle
Entscheidungsvarianten zugrunde gelegt. Mit diesen Preisen wurde auch im
Entscheidungshilfeprogramm gerechnet. Kosten für die Überfahrten wurden nicht kalkuliert.
Der Behandlungsindex (BI) nach SATTLER et al. (2007) wurde als Maß für die Herbizidintensität
errechnet.
Die statistischen Auswertungen erfolgten gemäß den aufgestellten Hypothesen jeweils als
einseitige Tests (α = 0.05) der Entscheidungsvarianten der Experten gegen das „DSS“. Für die
varianzinhomogenen oder nicht-normalverteilten Daten Herbizidkosten und Unkraut-
Trockenmasse wurden gepaarte Wilcoxon-Tests mit Bonferroni-Korrektur angewendet. Für die
Unkraut-Trockenmasse wurde zusätzlich ein gemischtes Modell mit den Standorten und
transformierten Trockenmassen (Transformation: 4. Wurzel) als Zufallsfaktoren erstellt, um den
Anteil der Standorte bzw. der Entscheidungsvarianten an der Gesamtvarianz zu erfassen.
Die Behandlungsindices wurden mit einem Linearen Modell und der Weizenertrag mit einem
Gemischten Modell mit den Standorten als Zufallsfaktor ausgewertet. Folgend wurden Post-Hoc
Tests mit p-Wert Anpassung gerechnet.
Statistische Auswertungen erfolgten mit R Software und den Paketen agricolae, lme4 und
multcomp (R CORE TEAM, 2012).
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Standorte
Die Versuche lagen auf diluvialen Böden mit Bodenarten von schwach lehmigem bis stark
lehmigem Sand. Die Ausgangsverunkrautungen waren unterschiedlich dicht (Abb. 1).
Vorherrschend waren dikotyle Mischverunkrautungen mit größeren Anteilen von Viola arvensis,
Matricaria spp. und Papaver rhoeas. Nur an einem Standort traten auch in größerem Umfang
Ungräser auf (Abb. 1).
Abb. 1 Mittlere Unkrautdichte auf den Herbizidversuchen im Herbst vor der Unkrautbekämpfung.
Fig. 1 Mean weed densities in herbicid e trials before weed control in autumn.
Ergebnisse
Herbizide
Die Herbizidauswahlen des „DSS“ als computergestütztes Entscheidungshilfesystem und der
„Berater“-Variante waren durch die Vorgaben des DSSHerbicide Prototypen eingeschränkt.
„Warndienst“ und „Praxis“ nutzten insbesondere im Herbst eine größere Herbizidvielfalt (Tab. 1).
Jedoch auch „DSS“ und „Berater“ bevorzugten unterschiedliche Pflanzenschutzmittel. So wurden
durch „DSS“ im Herbst auffällig oft Absolute M® und Lexus® empfohlen. „Berater“ empfahl im
Herbst u.a. Bacara forte®, Cadou SC® und Pointer SX®, die von „DSS“ im Herbst nicht zum Einsatz
kamen. Im Frühjahr wurde in der „DSS“-Variante Pointer SX® auf 11 der 14 Versuche eingesetzt –
viel häufiger als in den Varianten, die von den Experten empfohlen wurden. Nur die „DSS“-
Varianten wurden stets behandelt.
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Tab. 1 Herbizidauswahl im Entscheidungshilfesystem DSSHerbicide („DSS“) sowie von drei Expertenvarianten
(„Berater“, „Warndienst“ und „Praxis“) in Herbizidversuchen zur Nachauflaufbehandlung im Herbst und im
Frühjahr (n = 11 („Berater“), n = 14 („DSS“, „Warndienst“, „Praxis“)). Zahlen geben an, wie oft das Herbizid
empfohlen wurde.
Tab. 1 Choice of herbicides by the decision support system DSSHerbicide (“DSS”) and by three herb icide expert
treatments („Berater“, „Warndienst“ u nd „Praxis“) in herbicide field trials for autumn resp. spring applic ation (n = 11
(„Berater“), n = 14 („DSS“, „Warndienst“, „Praxis“)). Numb ers show, how often the herbicide was advised.
Herbizide im
Herbst
in DSS
Prototyp
DSS Bera-
ter
Warn-
dienst
Praxis Herbizide im
Frühjahr
in DSS
Prototyp
DSS Bera-
ter
Warn-
dienst
Praxis
kein Herbizid ja - 1 - - kein Herbizid ja - 1 1 1
Absolute M® ja 8 1 1 3
Ariance C® ja - 1 1 2
Arelon Top® nein - - - 1 Artus® nein - - 3 2
Atlantis WG® ja 2 - 1 - Atlantis WG® ja 1 2 - -
Bacara forte® ja - 2 5 3 Broadway® ja 3 - 1 1
Cadou SC® ja - 4 - 1 Concert SX® ja - 1 - -
Falkon® nein - - - 1 Dirigent SX® nein - - 1 -
Fenikan® nein - - 3 1 Flurane 180® ja - - 1 2
Herold SC® ja 4 6 2 5 Husar OD® ja 2 - 1 -
Lexus® ja 5 3 - 2 Pointer SX® ja 1
1
2 4 2
Malibu® nein - - 2 3 Primus® ja - 4 1 4
Pointer SX® ja - 3 5 1 Starane XL® ja 5 2 - -
Primus® ja 3 - - -
Stomp Aqua® ja 1 - 1 -
Trinity® nein - - - 1
UP CTU® nein - - - 1
Herbizidkosten
Die durchschnittlichen Herbizidkosten lagen im Anbaujahr 2011/12 bei 57 €*ha-1 und 2012/13 bei
49 €*ha-1. Die Spannbreiten reichten von 7 €*ha-1 bis 125 €*ha-1, beides Extremwerte in
„DSSHerbicide“ im ersten Versuchsjahr. Im ersten Versuchsjahr wiesen die vier Prüfglieder stark
unterschiedliche Streuungen auf: die höchste Standardabweichung hatte „DSS“ mit 41 €*ha-1, die
niedrigste die „Praxis“-Variante mit 7 €*ha-1. Wegen der stark unterschiedlichen Varianzen
zwischen den Prüfgliedern im ersten Versuchsjahr konnten die Daten nicht in einem
gemeinsamen linearen Modell verrechnet werden. Im ersten Versuchsjahr war die Variante
„Praxis“ mit 45 €*ha-1 mit Abstand die kostengünstigste und die „DSS“-Variante mit 63 €*ha-1 die
teuerste Unkrautbekämpfung. Die Kostenunterschiede zwischen der „DSS“-Entscheidung
einerseits und den Expertenentscheidungen andererseits konnten statistisch nicht abgesichert
werden. Im zweiten Versuchsjahr schlug „Berater“ mit 44 €*ha-1 die preiswertesten
Herbizidlösungen vor und „Warndienst“ mit 53 €*ha-1 die teuersten. Die Herbizidkosten von 46
€*ha-1 des „DSS“ lagen im Mittelfeld und unterschieden sich nicht signifikant von den
Expertenvarianten (Abb. 2).
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Behandlungsindex (BI)
Der mittlere BI betrug 1.42. Er sank in der Reihenfolge „Warndienst“ > „DSS“ > „Berater“ > „Praxis“,
wobei die Unterschiede gering waren (Abb. 2). Sie unterschieden sich zwischen dem
computergestützten System und den Expertenentscheidungen nicht signifikant. Auffällig war
hingegen die stark unterschiedliche Streuung der Werte. Hier lag „DSSHerbicide“ mit einer
Standardabweichung von 0.60 am höchsten, gefolgt von „Praxis“ (0.43), „Berater“ (0.42), und der
„Warndienst“-Variante (0.28).
Biomasse des Unkrauts
Die Trockenmasse des Unkrauts, das nach Abschluss der Behandlungen stehen geblieben war,
variierte stark. Während auf 50 % der 53 Behandlungsfolgen weniger als 4,2 g Trockenmasse * m-2
gewogen wurden, lag die höchste Trockenmasse in einer Variante auf einem Standort bei 272.0 g
Trockenmasse * m-2. Auf den unbehandelten Parzellen wurden im Mittel 9,1mal höhere
Trockenmassen bestimmt als auf den behandelten. Die Varianz in der Biomasse ließ sich zu 42 %
mit den Versuchsstandorten erklären. Die Art der Behandlungsentscheidung trug hingegen nur
17 % zur Varianz bei. Im Mittel aller Versuche hatte „DSS“ lediglich gegenüber der „Warndienst“-
Variante eine signifikant erhöhte Unkrautbiomasse.
Ertrag des Winterweizens
Die auf den Versuchen erzielten Erträge lagen im Mittel bei 97,2 dt*ha-1 mit einer Spannbreite von
69,5 dt*ha-1 auf schwach lehmigem Boden bis 117,2 dt*ha-1 auf lehmreicherem Boden. Die Erträge
auf den behandelten Parzellen übertrafen die der unbehandelten Kontrolle im Mittel um 23 %. Die
Ertragsunterschiede zwischen den Varianten waren mit 95,9 dt*ha-1 („Praxis“) bis 98,2 dt*ha-1
(„Warndienst“) gering (Abb. 2). „DSSHerbicide“ nahm mit 97,0 dt*ha-1 eine mittlere Stellung ein.
Die untere 95 % Vertrauensgrenze des „DSSHerbicide“ lag 3,3 dt*ha-1 unter dem Mittelwert der
„Warndienst“-Erträge.
Korrelationen zwischen den Herbizidkosten und den Unkrautdichten, die zu der
Herbizidentscheidung führten, sind in Tabelle 2 aufgeführt. Der engste positive Zusammenhang
zwischen Unkrautdichte und Herbizidkosten bestand für die Variante „DSS“. Herbizidkosten und
Behandlungsindex korrelierten für „DSS“ sehr stark, und für die Experten-Varianten teils deutlich
weniger.
Tab. 2 Zusammenhang zwischen der Unkrautdichte im Herbst vor Herbizideinsatz und den Herbizidkosten,
sowie Zusammenhang zwischen Herbizidkosten und Behandlungsindex. (Spearman-Korrelation, n = 11
(„Berater“), n = 14 („DSS“, „Warndienst“, „Praxis“)).
Tab. 2 Correlation of weed density in autumn before herbicide treatment and herbicide costs. Correlation of
herbicide costs and treatment frequency index. (Spearman corr elation, n = 11 („Berater“), n = 14 („DSS“,
„Warndienst“, „Praxis“)).
Korrelation zwischen „DSS“ „Berater“ „Warndienst“ „Praxis“
Herbizidkosten und Unkrautdichte 0,35 0,23 0,11 -0,41
Herbizidkosten und Behandlungsindex 0,96 0,77 0,14 0,72
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Abb. 2 Einfluss der Variante der Entscheidungsfindung („DSS“: Entscheidungshilfesystem DSSHerbicide,
„Berater“ - privater Anbauberater, „Warndienst“ – Empfehlung nach Warndienstinformation, „Praxis“ –
Herbizidbehandlung des angrenzenden Schlages) auf Herbizidkosten (oben links), Behandlungsindex (oben
rechts), Unkrauttrockenmasse nach Abschluss aller Herbizidmaßnahmen (unten links) und Weizenertrag
(unten rechts). Kosten und Trockenmasse sind als Boxplots dargestellt, die Whisker reichen bis zum
Extremwert. Behandlungsindex und Ertragsgrafiken zeigen Mittelwerte (graue Balken) und
Standardabweichungen (Fehlerlinie), (n = 11 („Berater“), n = 14 („DSS“, „Warndienst“, „Praxis“)).
Fig. 2 Influence of the variable of decis ion-making („DSS“: Decision support system DSSHerbicide, „Berater“ - priv ate
adviser, „Warndienst“ – official standard advice, ”Praxis“ – herbicide treatment on the surrounding field) on
herbicide costs (top left), treatm ent frequency index (top right), weed dry matter (bottom left) and yield (bottom
right). Costs and dry matter are represented as boxplots with whiskers to the most extreme values. Figures of the
treatment frequency indices and yield show mean values (gray bars) and standard deviations (error lines), (n = 11
(„Berater“), n = 14 („DSS“, „Warndienst“, „Praxis“)).
Diskussion
Das vorrangige Ziel des Entscheidungshilfesystems DSSHerbicide zur Herbizidauswahl und zur
Wahl der Herbizidaufwandmengen ist die Reduktion der direkten Kosten. Erwartet wird, dass
damit auch eine Verringerung der Herbizidintensität und somit eine positive ökologische Wirkung
verbunden ist. In den hier ausgewerteten vierzehn Feldversuchen konnten weder eine
Kostenreduktion noch eine Reduktion der Herbizidintensität festgestellt werden. In der Tendenz
zeigten „Berater“ sowie „Praxis“ die geringsten Kosten und Behandlungsindices. Lediglich die
Variante „Warndienst“ wies in der Tendenz höhere Werte auf. Dieses Ergebnis überrascht nicht. Da
der Warndienst die aktuelle Schlagverunkrautung nicht kennt, muss die Herbizidwahl nach einer
relativ groben Beschreibung der Verunkrautung erfolgen, kann deshalb nur wenig spezifisch sein
und wird eher „auf der sicheren Seite“ liegen. Nach den Erhebungen zur Anwendung von
Pflanzenschutzmitteln in der Praxis ermittelte ROSSBERG (2013) in Deutschland einen mittleren
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Behandlungsindex von 1.63 für Herbizide in Winterweizen. Der im Mittel in unseren Versuchen
errechnete BI von 1.42 zeigt die auf leichteren Böden übliche niedrigere Herbizidintensität. Der
Mittelwert der Herbizidkosten von 52 €*ha-1 ist jedoch höher als die vom LALLF (2008)
herausgegebenen Kalkulationsdaten von 40 €*ha-1 für den Herbizideinsatz im Winterweizen.
Das Ergebnis der intensiveren Behandlung durch die Warndienstvariante spiegelte sich im
niedrigsten Unkrautbesatz wider. Das Niveau der Unkrautmasse war allerdings auch für „DSS“
niedrig, sodass sich die geringere Unkrautmasse in der Warndienstvariante nicht in höheren
Ernteerträgen auswirkte. Die Herbizidwahl des Warndienstes und der Praxis konnte aus einer
größeren Mittelpalette erfolgen, die auch genutzt wurde. Es ist wahrscheinlich, dass sich mit
Aufnahme von mehr Herbiziden in den Prototypen des DSSHerbicide die Herbizidkosten senken
lassen.
Die höheren Streuungen in den Herbizidkosten und -intensitäten entsprechen dem Anspruch des
DSSHerbicide, schlagspezifisch zu beraten, d.h. die Bekämpfung am Unkrautvorkommen
auszurichten. Die Korrelation zwischen Unkrautdichte und Herbizidkosten ist deshalb
erwartungsgemäß für „DSS“ am höchsten (Tab. 2). Auch die Korrelationen in den Varianten
„Berater“, wo auch schlagspezifisch beraten wird, und „Warndienst“, wo eine Ausrichtung an der
tatsächlich vorhandenen Verunkrautung nur sehr grob möglich ist, waren zu erwarten. Die
steigenden Kosten bei sinkender Unkrautdichte in der „Praxis“-Variante ist überraschend, kann
aber im Bereich des Zufalls liegen, da die Streuung der Kosten in dieser Variante gering ist.
Eventuell ist für die Herbizidbehandlung in der Anbauplanung ein fester Betrag vorgesehen, der
dann auch ausgeschöpft wird. Bei der Beurteilung der „Praxis“-Variante darf auch nicht vergessen
werden, dass die Behandlungsentscheidung nicht an der Verunkrautung auf den
Versuchsparzellen, sondern auf dem umgebenden Schlag ausgerichtet wurde.
Ein Nebeneffekt der Reduktion der Kosten für die Unkrautbekämpfung sollte eine sinkende
Belastung des Agrarökosystems durch Herbizide sein. Diese Rechnung scheint für „DSS“, „Berater“
und „Praxis“ aufzugehen, wie die vorhandenen Korrelationen zwischen Kosten und BI zeigen
(Tab. 2). Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass im Mittel „DSS“ neben „Warndienst“ die
ungünstigste Variante hinsichtlich des BI’s ist.
Die Erwartungen an das DSSHerbicide bezüglich des Herbizidaufwands im Sinne der formulierten
Hypothesen wurden nicht bestätigt. DSSHerbicide erwies sich jedoch auf jedem Standort als
robust. Das heißt, dass weder die Restverunkrautung höher als bei Expertenentscheidungen lag,
noch Ertragsdepressionen aufgrund der Computerentscheidung zu verzeichnen waren. Die
Robustheit des Systems, das nach denselben Algorithmen auch in Dänemark läuft, wurde auch
dort in Herbizidversuchen bestätigt (RYDAHL, 2003). Die Standorte unterscheiden sich in der Höhe
der Verunkrautung sehr, jedoch sind alle Standorte durch eine dikotyle Mischverunkrautung
gekennzeichnet. Auf dem einzigen Standort mit stärkerer monokotyler Verunkrautung waren die
Trockenmassen der Restverunkrautung besonders hoch. Dieses galt jedoch auch für die Varianten
der Expertenentscheidungen. Hier besteht Forschungsbedarf, ob das DSSHerbicide sich auch auf
Standorten mit hohen Ungrasdichten bewährt.
„DSS“ forcierte in der Herbizidauswahl (Tab. 1) im Vergleich zu den Expertenentscheidungen im
Herbst die Handelspräparate Absolute M® und im Frühjahr Pointer SX®. Als Wirkstoffe sind in
beiden Herbiziden ALS-Hemmer, Flupyrsulfuron bzw. Tribenuron-Methy, enthalten, gegen die
Echte Kamille (Matricaria recutita) in Deutschland bereits eine Herbizidresistenz entwickelt hat
(ULBER et al., 2012). Für Flupyrsulfuron ist Herbizidresistenz von Ackerfuchsschwanz (Alopecurus
myosuroides) auch in deutschen Populationen bekannt (NIEMANN et al., 2002). Für ein
Herbizidmanagement gegen die Entwicklung von resistenten Unkrautpopulationen ist ein
Wirkstoffwechsel wesentlich (BECKIE, 2006). DSSHerbicide betrachtet dieses Problem bis jetzt nicht.
Der DSS Herbicide-Nutzer sollte folglich nicht einfach die kostengünstigste
Bekämpfungsalternative wählen, die das System anbietet. Das Entscheidungshilfesystem legt die
ökonomischen Konsequenzen verschiedener Herbizidwahlen dar. Dem Anwender bleibt es dann
überlassen, weitere Ziele in der Entscheidung zu berücksichtigen.
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Danksagung
Die EU ermöglichte die Entwicklung des DSSHerbicide Prototypen finanziell im Rahmen des South
Baltic Programmes, wofür die Autoren danken.
Literatur
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BMELV (BUNDESMINISTERIUM für ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT und VERBRAUCHERSCHUTZ), 2008: Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen
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