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Thesen zur Universitätspolitik
Fassung vom 11. Februar 2005
I n h a l t
1. Einleitung................................................................................................................ 1
2. Qualität und ihre Erzielung ..................................................................................... 1
3. Eigenarten der hiesigen Universitätspolitik in Bezug auf Qualität........................... 2
4 . Der schiefe Reputationswettbewerb mit den Fachhochschulen ............................ 2
5 . Motivation für Universitätsangehörige ................................................................... 3
6 . Fehlende Voraussetzungen für die Erbringung gesellschaftlicher erwarteter
Leistungen.................................................................................................................. 3
7 . Essenzieller Abbau der Unabhängigkeit der Lehre und Forschung....................... 4
8 . Kostenerfordernisse und Wissenschaftsverständnis ............................................. 4
9 . Auffassung von Wesen und Steuerbarkeit der Wissenschaft ................................ 5
10 . Streitfrage "Elite-Universität" versus leistungselitäre Universitäten ..................... 5
11. Faire Behandlung der Universitäten durch Abstimmung zwischen
Leistungsanforderungen und -voraussetzungen......................................................... 6
12. Freier und kostenfreier Universitätszugang.......................................................... 7
13 . Ökonomische Effizienz in der Universitätspolitik ................................................. 8
14. Intrinsisches Sparen, Ressourcenmangel, Qualitätsprobleme und Kostenniveau 9
15. Qualitätsfaktoren in der Lehre und ihre Effektivität in der Forschung ................... 9
16. Der Weg in die Autonomie.................................................................................. 11
17. Literatur .............................................................................................................. 12
1
1. Einleitung
"Über die Aufgaben und Ziele der Universität wird nicht hinreichend reflektiert. Viel-
mehr wird es mehr oder weniger fraglos als Dogma vorausgesetzt, daß Universitäten
als Ganzes wie Betriebe zu funktionieren und Wissensangebote zu liefern haben, die
auf eine kaufkräftige Nachfrage treffen. Die Hochschulen werden mit anderen Dienst-
leistungsbereichen zunehmend als Ort gewinnbringender Investitionen von privater
Seite betrachtet, und schließlich verkommt auch das Studium als solches zur finan-
ziellen Investition, die sich amortisieren soll. Zukunftsaufgaben, die aus der Gesell-
schaft auf die Universität zukommen werden, können unter derart verengten Per-
spektiven keine Berücksichtigung finden. Demgegenüber muß die Universität darauf
bestehen, daß die Bildung, die sie vermittelt, mehr ist als eine rein funktionelle,
durchrationalisierte Berufsausbildung. Auf einzelnen Gebieten profunde Kenntnisse
zu gewinnen, aber sich auch auf intellektuelle Abenteuer einzulassen, sich einen fes-
ten Standpunkt gegenüber rasch wechselnden Moden zu schaffen, Kritikfähigkeit an
festgefahrenen Positionen zu erproben - diese Qualitäten dürfen nicht leichtfertig dis-
kreditiert werden. Sie zu entwickeln braucht auch Muße, gedanklichen Freiraum und
Zeit zur Reifung. Eine Gesellschaft, ein Staat, der Universitäten als Bildungseinrich-
tungen als sein eigenes Anliegen akzeptiert, kann ganz Wesentliches zum eigenen
langfristigen Erfolg leisten: Er schafft sich eine intellektuell offene, nicht unter konkre-
tem Erwartungsdruck erstarrte und daher auch zu Gesellschaftskritik fähige Instanz,
die kulturelle Normen und Werte entwickelt und verteidigt. Ein autoritär geführter, zu
kurzfristiger Effizienz verpflichteter Betrieb kann diese für eine liberale und demokra-
tische Gesellschaft lebensnotwendige Aufgabe nicht mehr leisten.
Wenn die Politik will, daß Bürgerinnen und Bürger des Gemeinwesens ihr Leben als
mehr begreifen können denn als Gelderwerb und Geldausgabe, und wenn das 'con-
sumo ergo sum' nicht das letzte Wort in der Frage nach unserer Identität sein soll,
dann sollte die Hochschulpolitik die wesentlichen Aufgaben der Universität nicht ig-
norieren" (Senat der Universität Innsbruck 2000:13).
2. Qualität und ihre Erzielung
Die Universitäten sind nicht so schlecht, wie ihre KritikerInnen behaupten, sonst wäre
Österreich weder ein reiches Land noch ein Land der Universitäten (Liessmann
2000). Dem könnten allerdings Argumenten entgegengesetzt werden, wie erstens
die Option des Know-how-Imports zur Beschleunigung der Wirtschaftsentwicklung,
zweitens das Fungieren von Universitäten als Überlaufbecken des Arbeitsmarktes für
AbsolventInnen sekundärer Bildung und drittens die Sicht von Universitäten als Insti-
tution zur Befriedigung der charakteristischen Titelsucht hierzulande. Letztere ist
ökonomisch interpretierbar als oberflächliches Selektionsinstrument von Personal-
chefs - ein Screening Device (Mittel zur "Durchleuchtung": Appelbaum 1982).
In Analogie zur realen Außenhandelstheorie ist ein Land mit einer geringen Fläche
selbst bei hoher Bevölkerungsdichte gegenüber großen, bevölkerungsreichen Staa-
ten strukturell benachteiligt im Wettbewerb um Spitzenleistungen in Forschung, Ent-
wicklung und Lehre. Das bedeutet aber nicht nur eine Erklärung für relativ wenige
Spitzenleistungen (obwohl Österreich z.B. in der Anzahl der Nobel-PreisträgerInnen
pro EinwohnerIn langfristig sehr wohl einen Spitzenplatz einnimmt), sondern erteilt
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auch einen Auftrag zur Kompensation dieses Strukturnachteils durch besonders for-
cierte Wissenschaftspolitik. Natürlich kann unter dem Aspekt der Handelbarkeit von
Gütern der demografische Strukturnachteil durch Import von Humankapital verringert
werden, doch unter dem Effizienzaspekt sollte diese Strategie eher als der nötige
Impuls dienen, eine Akkumulation inländischen Humankapitals zu unterstützen, denn
als Gesamtstrategie. (Die Schweiz machte lange Jahre die unerwünschte Erfahrung,
wegen des Fehlens einer nennenswerten Zahl von Habilitationsstellen ihre Professo-
rInnenstellen fast ausschließlich mit ausländischen Personen besetzen zu müssen.)
3. Eigenarten der hiesigen Universitätspolitik in Bezug auf Qualität
In Österreich herrscht ohnedies die Grundeinstellung vor, dass alle BewerberInnen
für den akademischen Boden, die zum einen aus der wirtschaftlichen Praxis und zum
anderen aus dem wissenschaftlichen Ausland kommen, den übrigen inländischen
MitbewerberInnen systematisch überlegen wären. Auch dies ist eine oberflächliche
Art (Vor-)Selektionsmethode (Screening Device), die einer eingehenderen Überprü-
fung nicht systematisch standhalten würde.
Eine weitere Eigenheit im Bereich der österreichischen Universitätspolitik ist das
quasi zwanghafte Schielen auf Rangreihungen und Durchschnittswerte irgendwel-
cher Kennziffern im internationalen Vergleich, verbunden mit der selbst auferlegten
ständigen Zielvorgabe, in allen Bereichen besser sein zu müssen als der Durch-
schnitt. Hier handelt es sich (wie so oft) um ein Mikro/Makro-Paradoxon, weil natür-
lich nicht alle Staaten überdurchschnittlich sein können.
Noch zwei Charakteristika österreichischer Universitätspolitik seien genannt: einer-
seits das strategische bzw. unbewusst-naive Einsetzen diskursiver Strukturen - also
das herbeireden Wollen einer besonderen Leistung, ohne die für die Realisierung
nötigen Voraussetzungen zu schaffen - und andererseits die rasche Entscheidung
und Einführung meist schwer reversibler Systemänderungen ohne eine entspre-
chende Analyse im Vorhinein ("irrationaler Reformfuror": Liessmann 2000); Letzteres
hängt mit der Auslandsgläubigkeit zusammen, indem diese zur unreflektierten Über-
nahme ausländischer (Mode-)Trends verleitet; der Ruf Österreichs wird offenbar mit
der Übernahme all dessen zu fördern getrachtet, was in den einflussreichen Teilen
der internationalen Gemeinschaft gerade als unverzichtbar angesehen wird.
Solch unüberlegte, alibihafte institutionelle Schnellschüsse haben negative Effekte.
Unübersehbar ist, dass "(...) der angebliche Reformbedarf der Unis in dem Maße
zunimmt, in dem sie reformiert werden" (Liessmann 2000).
4 . Der schiefe Reputationswettbewerb mit den Fachhochschulen
Der Vergleich mit den Fachhochschulen zur Beurteilung der relativen Leistungsfähig-
keit wird unfairer Weise zu ungleichen Bedingungen angestellt und belastet die Uni-
versitäten in jeglicher Weise. Die Vergleiche hinken im Einzelnen, weil Fachhoch-
schulen erstens ihre Studierenden nicht selektieren können, zweitens Budgethoheit
über ihre autonom festsetzbaren Studienpreise haben, drittens auf Universitätsper-
sonal zurückgreifen können, das sie viertens hoch entlohnen können, und weil sie
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fünftens den für die Universitäten gesetzlich vorgeschriebenen und bereits gesenkten
Stundenhöchstgrenzen für Studien nicht unterliegen (Walther 2000).
"Peinlich ist, dass auch die Stückkosten beim neuen Anbieter (Fachhochschule;
Anm.d.Vf.) höher sind als beim bisherigen 'Monopolisten'. Zum Glück ist Österreich
ein föderaler Staat und so greifen Bund und Länder tief in die Taschen und decken
die Mehrkosten des neuen Anbieters großzügig ab. (...) Um nur ja kein Missver-
ständnis aufkommen zu lassen: Fachhochschulen sind eine wertvolle Bereicherung
der Bildungslandschaft! Aber fairer Wettbewerb sieht anders aus" (Walther 2000).
5 . Motivation für Universitätsangehörige
Die Mittelbaukurie (Gruppe der habilitierten und nicht habilitierten AssitentInnen) ist
die "Verliererin der Reform" (Ardelt 2004); die Einkommen wurden (bis zu 20 %) re-
duziert, die formellen Mitbestimmungsmöglichkeiten im Wesentlichen abgeschafft.
Der Mittelbau trägt aber den größten Teil der Arbeit in Lehre und Forschung; die
Auswirkungen der Reform auf die Motivation und Qualität der Arbeit des Mittelbaus
ist daher bedenklich (Ardelt 2004).
Hinzu kommt, dass die benefizielle Sektion bei den Aufnahmen in eine wissenschaft-
liche Karriere dabei ist, in eine adverse Selektion zu kippen. Die Unsicherheiten über
eine durchgängige Karriere - selbst bei an sich hinreichender Qualifikation und Leis-
tung - verstärkt den negativen Anreiz für Leistungsfähige und Leistungsbereite, den
die ungebührlich schlechte Bezahlung vor allem in den Anfangsjahren der akademi-
schen Laufbahn darstellt. So droht ein Teil des Primärsektors des Arbeitsmarktes -
ausgerechnet einer in einem Schlüsselbereich für die gesellschaftliche Entwicklung -,
zu einem Sekundärsektor des Arbeitsmarktes zu mutieren (Appelbaum 1982).
6 . Fehlende Voraussetzungen für die Erbringung gesellschaftlicher erwarteter
Leistungen
Die Universitäten wurden - mit all den Verpflichtungen einer Universität - in die Voll-
rechtsfähigkeit entlassen, ohne die Chance auf die optimale Erfüllung ihrer Aufgaben
bekommen zu haben, sowohl hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen als
auch der Ressourcenausstattung (Liessmann 2004, Badelt 2005).
"Um wirkliche Qualität aufzubauen, ist das (ist die Finanzausstattung; Anm.d.Vf.) zu
wenig. Wir haben zu wenig Geld, um Probleme im Lehrangebot zu lösen, zum Bei-
spiel die überfüllten Hörsäle. Unser größtes Problem ist die mangelnde Investitions-
fähigkeit . (...) Wir versuchen, die Lücke (im Raumangebot; Anm.d.Vf.) zum Teil mit
Auslagerungen zu schließen, mit Hilfe des Hochschulfonds, also Land und Stadt, und
Drittmitteln von Forschungspartnern" (Ardelt 2004: 2).
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7 . Essenzieller Abbau der Unabhängigkeit der Lehre und Forschung
Mit der Abhängigkeit von privaten SponsorInnen verändert sich die Lehr- und For-
schungsausrichtung weg von der universitären Generalität und multidisziplinären
Breite hin zur Enge der unmittelbaren Anwendungsbezogenheit, kommerziellen Ver-
wertbarkeit und nicht zuletzt hin zu einer faktisch reduzierten Kritikfähigkeit.
Daher fordert die Mittelbauvertretung gefordert: "Die Gesellschaft übernimmt mit der
Finanzierung der Universitäten das Erfolgsrisiko von Forschungstätigkeiten und an-
erkennt zugleich den dafür nötigen Freiraum der ForscherInnen" (Universitätslehre-
rInnenverband 2004: 2). "(...) die berechtigte Erwartung des Erfolges darf nicht zum
Erfolgszwang werden" (Weigel 2004: 1).
8 . Kostenerfordernisse und Wissenschaftsverständnis
"Die Schaffung der Forschungsinfrastruktur ist kostenintensiv, eine Umverteilung von
staatlichen Forschungsmitteln von den Universitäten zu außeruniversitären Einrich-
tungen mit marktwirtschaftlicher und anwendungsorientierter Ausrichtung ist kein ge-
eignetes Mittel zur Hebung der Forschungsquote" (UniversitätslehrerInnenverband
2004: 3).
Die Kostendynamik der 50 besten Universitäten der USA ist stärker als die viel de-
battierte Kostendynamik im Gesundheitssystem (Sturn/Wohlfahrt 1999).
Die öffentlichen Ausgaben in Österreich lagen nach der OECD-Studie Education at a
Glance (2004) pro StudentIn im Jahr 2001 kaufkraftbereinigt im Hochschulbereich
mit 7.388 USD deutlich unter dem OECD-Schnitt von 10.724 USD (Bildungsausga-
ben Österreichs gemessen am BIP seit 1995 gesunken, in: Der Standard - online,
14.09.2004, 15:39 MEZ). Das ist ein Unterschied, der durch sein Ausmaß trotz des
zu kritisierenden Rangreihungsfetischismus wohl Besorgnis erregt (ist Qualität zum
Billigtarif möglich?), denn wenn unsere Universitäten nicht zu den besten der Welt
gehören, wir das aber wünschen, ist das ökonomische Prinzip in Gestalt der Input-
Minimierung statt der Outcome-Maximierung nicht als unzweckmäßig zu beurteilen.
Nach Sturn und Wohlfahrt (1999) gibt es nicht nur eine relativ geringe Dynamik der
Lehrkosten pro Studierendem bereits seit den 1970er-Jahren, es sollen diese Kosten
seither real sogar um ein Viertel gesunken sein.
Outcome-Maximierung ist sinnvoller Weise der Output-Maximierung vorzuziehen, soll
das Ergebnis der Arbeit der Universitäten nicht bloß in Seitenzahlen von Publikatio-
nen, Anzahlen gewinnbringender Projekte und AbsolventInnenzahlen gemessen
werden. Daher sind Kostenerfordernisse nicht vom Wissenschaftsverständnis und
den Zielsetzungen der Universitätspolitik zu trennen.
So ist ein nicht zu übersehender Aspekt im Interesse der Freiheit und folglich der
Qualität der Forschung "die Gefahr, Wissenschaft und Kunst auf ihren Beitrag zu
wirtschaftlichem Fortschritt von Gesellschaft und Staat zu reduzieren" (Weigel 2004:
1). Vielmehr ist eine umfassendere - im wahren Sinn des Wortes universitäre - Sicht
an den Tag zu legen: "Der Auftrag der Universität umfasst die kritische Auseinander-
setzung mit dem Wertaspekt von Wissenschaft und Kunst und geht damit über die
Verfolgung von wertneutralem Fortschrittsdenken, über unmittelbare Verwertbar-
5
keitsaspekte und eine Kommerzialisierung der Bildung hinaus" (UniversitätslehrerIn-
nenverband 2004: 2). Dieser kaum quantifizierbare Zusatznutzen für die Gesellschaft
(externer Nutzen, der den privaten Nutzen zu dem gesellschaftlichen Nutzen er-
gänzt) ist zudem noch weniger vermarktbar als quantifizierbar. Allein, er schlägt auf
der Kostenseite mit Sicherheit und in hohem Maße zu Buche.
Selbst unter dem reinen Anwendungsaspekt der Forschung kann die nicht verwer-
tungsorientierte Forschung nicht ihrem Schicksal der Nicht-Marktfähigkeit überlassen
werden, gibt es doch einen positiven Effekt von der Grundlagen- auf die angewandte
Forschung (Preissl/Wurzel 2001). "Wegen der forschungspolitischen Bedeutung der
Grundlagenforschung wird die alleinige Förderung marktgängiger Forschung abge-
lehnt" (UniversitätslehrerInnenverband 2004: 3). Immerhin ging laut Preissl und
Wurzel (2001) die Grundfinanzierung für die öffentlichen Forschungseinrichtungen in
allen untersuchten europäischen Staaten (D, NL, S, N, UK, P) zu Gunsten der Auf-
tragsforschung zurück.
Mit der Forschungsförderungspolitik sind selbstverständlich auch Verteilungseffekte
verbunden, die man transparent machen muss, um sie wirtschafts- und gesell-
schaftspolitisch beurteilen zu können. Der UniversitätslehrerInnenverband (2004: 3)
meint dazu: "Dem von Industrie und Wirtschaft erhobenen Anspruch auf Verstaatli-
chung des Risikos und Privatisierung der Gewinne im Rahmen der Auftragsfor-
schung soll nicht entsprochen werden."
Im Zusammenhang mit der Kritik zur Schwerpunktsetzung auf unmittelbarer verwert-
bare Forschungs- und Lehrinhalte als Folge der Universitätspolitik wird auch die ex-
treme Hinwendung zur Förderung technisch-naturwissenschaftlicher Wissensinhalte
kritisiert (Niederwieser 2004, Liessmann 2005, Schnider 2005). Die Rede ist von ei-
ner Aufwertung der Kulturwissenschaften (Liessmann 2005) und Geisteswissen-
schaften (Schnider 2005), um dem universitären Anspruch auf eine ausgewogene
Generalität der Erkenntnisgewinnung gerecht zu werden.
9 . Auffassung von Wesen und Steuerbarkeit der Wissenschaft
"'Forschungsmonokulturen', politischer Dirigismus und zu eng definierte Auftragsfor-
schung sind zu vermeiden und widersprechen der spezifischen Experimentierfreude
universitärer ForscherInnen (UniversitätslehrerInnenverband 2004: 3).
"Die schöpferischen Tätigkeiten des Entdeckens, Erfindens und Erkennens sind
weitgehend unvereinbar mit der allzu strengen Einbindung in eine hierarchische Ord-
nung" (Weigel 2004: 1).
10 . Streitfrage "Elite-Universität" versus leistungselitäre Universitäten
Die Debatte um eine Elite-Universität ist bislang recht unklar, weil die Vorschläge
noch nebulos sind. Doch es dürfte sich im Wesentlichen um einen postgradualen,
thematisch engen Lehrgang für hoch begabte Graduierte handeln, abgehalten durch
Vortragende, die zu den besten ForscherInnen der Welt zählen und ihre Forschung
gekonnt mit ihrer Lehre verbinden. "Aber eine Uni ist das sicher nicht, denn eine sol-
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che beinhaltet noch irgendeinen Hauch von Gesamtheit der Disziplinen" (Liessmann
2005).
An einer solchen Einrichtung wie der geplanten "Elite-Universität" gilt auf der Anbie-
terInnen- wie auf der NachfragerInnenseite - aus gegenüber allgemeinen Universitä-
ten noch verstärkten Knappheits- und Effizienzgründen - strengstes Selektions- und
Hochpreisprinzip. Das darf jedoch gerade aus Effizienzgründen nicht daran hindern,
die Studierenden lediglich nach ihren Fähigkeiten, keinesfalls nach ihrer wirtschaftli-
chen Potenz auszuwählen. Elite muss und soll mit Geldadel oder Nepotismus nichts
zu tun haben.
Immerhin dürfte sich aber ein Image-Wettbewerbs- und folglich ein Verteilungsprob-
lem unter den Universitäten ergeben (Liessmann 2005), denn an weniger renom-
mierte Universitäten werden eher wenige Mittel fließen. Badelt (2004: 34) formuliert:
"Mehr Geld für Forschung nützt allen, wenn es tatsächlich zusätzliche Mittel sind -
wofür es allerdings noch keine hinreichenden Indizien gibt. Hinsichtlich der Ausbil-
dungsfunktion einer Elite-Universität läuft die Diskussion in Österreich jedoch falsch:
Hier müsste es zunächst darum gehen, den staatlichen Universitäten jene Möglich-
keiten zu geben, die man ihnen verwehrt, der Elite-Universität aber mit großer
Selbstverständlichkeit aber geben will." Schon das Aufkommen der Frage nach der
Notwendigkeit einer eigenen Elite-Universität zeige schon das Scheitern der Univer-
sitätspolitik (Liessmann 2004).
11. Faire Behandlung der Universitäten durch Abstimmung zwischen Leis-
tungsanforderungen und -voraussetzungen
Den Nicht-Elite-Universitäten ist im Image-Wettbewerb Gerechtigkeit getan, wenn die
an ihnen vorhandenen Kompetenzen und Exzellenzen die nötigen Ressourcen erhal-
ten, damit die Kompetenz- und Exzellenzbereiche ausgeschöpft und weiter entwi-
ckelt werden können - auch in elitären Formen: "Viele österreichische Universitäten
haben das Potenzial, in ihren Bereichen Elitenprogramme zu entwickeln und erfolg-
reich am Markt zu platzieren. Gesetzlich ist ihnen das aber nur in der Weiterbildung
und nicht in der Grundausbildung gestattet" (Badelt 2004).
Deshalb stellt sich die Frage nach dem abzusteckenden Bereich des freien, uneinge-
schränkten Universitätszugangs. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
werden doch das Recht auf freie Grundbildung und das Recht auf freie Wahl des
Schultypus deklariert. Diese Grundrechtsbetrachtung spricht für die Einrichtung von
Elite-Institutionen (Willmore 2004).
Das liberale Argument dazu ist, dass privat angebotene Bildung die staatlich produ-
zierte Bildung, die nicht allen die freie Wahl lassen könne, ergänzen soll, damit die
Wahlmöglichkeit - abgesehen von der Finanzrestriktion der Studierenden - tatsäch-
lich gegeben ist und die Wohlfahrtsentwicklung optimiert wird - ein nahezu perfekter
Finanzmarkt kann die private Finanzierungsproblematik nahezu lösen (Tooley 2004).
Stimmt man der liberalen Sicht nicht zu, dass der Bildungs- und Kapitalmarkt die
großen gesellschaftlichen Probleme lösen kann, möchte man aber den freien Zugang
zum Universitätsstudium (kein Numerus clausus) aus Gründen volkswirtschaftlicher
Produktivitäts- und Einkommensentwicklung erhalten (Chevalier et a. 2004) und sieht
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man den Wunsch der Universitäten nach Gestalt- und Finanzierbarkeit eines leis-
tungsfähigen Studienbetriebs als legitim und zweckmäßig an, so ist eine öffentliche
Finanzierung gegen eine Gebührenfinanzierung abzuwägen. Es bieten sich reine
Lösungen ebenso an wie Mischlösungen.
12. Freier und kostenfreier Universitätszugang
Betreffend den freien Hochschulzugang zeigt sich in Österreich, dass es in den se-
kundären Bildungseinrichtungen eine deutliche soziale Segregation gibt. Der ein-
kommens- und bildungsmäßige Status der Eltern (gemessen an verschiedenen
Markmalen) korreliert deutlich mit dem jeweiligen Schultypus, während aber im
Hochschulbereich diese Segregation wieder verringert wird (Schlögl 2005). Dass die
soziale Segregation an den Universitäten schon im sekundären Bildungsbereich ih-
ren Anfang nimmt, zeigt sich auch an anderer Stelle (für Großbritannien vgl. Galinda-
Ruedo et al. 2004).
Umso bedenklicher ist es, den freien Zugang zur Universität in Österreich durch Stu-
diengebühren einzuschränken, da hierzulande bislang eine gewisse soziale Rein-
tegration nach den Asymmetrien der Mittelstufe erreicht werden konnte. Freier aber
kostenpflichtiger Zugang zu den Hochschulen bedingt aller Erfahrung nach eine an-
dere sozio-demografische Zusammensetzung der Studierenden als bei kostenlosem,
freiem Zugang (Strother et al. 2004). Sauer (2004) zeigt für die USA, dass das post-
graduale Lebenseinkommen hauptsächlich durch den Familienhintergrund und frühe-
re (prätertiäre) Humankapitalinvestitionen bestimmt wird, aber laufende finanzielle
Zuwendungen durch die Eltern die Entscheidung zu tertiären Bildungsinvestitionen
beeinflussen. In Großbritannien hat die Einführung von Studiengebühren speziell zu
vermehrter Ferialarbeit von nicht durch Eltern unterstützten Studierenden sowie all-
gemein zu einer höheren Verschuldung und geringeren Zufriedenheit der Studieren-
den geführt (Metcalf 2005).
Sturn und Wohlfahrt (1999) bestätigen, dass Studiengebühren negative Wirkung auf
die Inskriptionszahlen haben, und zwar insbesondere im unteren Einkommensdrittel.
Die Entscheidung zu einem Universitätsstudium wäre ohnedies durch hohe Kosten -
die höchsten Kosten sind die Alternativkosten (Kosten des Verdienstentgangs) - be-
einträchtigt, zumal das Lebenseinkommen von AkademikerInnen und MaturantInnen
brutto etwa gleich hoch wären. Doch wegen der zeitlichen Komprimierung des Brut-
toeinkommens von AkademikerInnen in der Nachuniversitätsphase unterliegen sie
allein progressionsbedingt einer höheren Steuerbelastung; der Glättungsvorteil des
Einkommens über die Anzahl der Berufsjahre fällt im Unterschied zu den Maturan-
tInnen weg. Allein dies entspricht einer Rückzahlung der realen Subvention des
Staates, die in Form gebührenfreien Studiums an die späteren AkademikerInnen
vergeben wurde (Sturn/Wohlfahrt 1999). Dabei sind hier die höheren gesellschaftli-
chen Nutzen (externen Effekte) universitärer, nicht unmittelbar anwendungsbezoge-
ner, aber für die Gesellschaftsentwicklung besonders wichtiger Bildung noch nicht
enthalten (dieses Argument könnte auch die Kostenpflichtigkeit von Fachhochschul-
studien rechtfertigen).
Aus dem Motivationsaspekt für Studierende einzuführende Studiengebühren sind
nach Sturn und Wohlfahrt (1999) sehr gering und rechtfertigen daher den administra-
tiven Aufwand für sie nicht. Die niedrige Höhe von Studiengebühren resultiert aus
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den positiven externen Effekten, den Finanzierungsschwierigkeiten auf dem Kapital-
markt selbst bei rentablen Investitionen und der steuerlichen Nicht-Absetzbarkeit von
Bildungsausgaben für Nicht-Berufstätige. Sozial korrigierende Stipendien reduzieren
den Nettoertrag aus den Studiengebühren wiederum.
Elias und Purcell (2004) arbeiten am Beispiel Großbritanniens heraus, dass von ei-
ner "Overeducation" (einem zu hohen Bildungsgrad) deshalb nicht gesprochen wer-
den kann, weil der beschleunigte wirtschaftliche Strukturwandel die Nachfrage nach
akademischen Berufen in der Wirtschaft erhöhe. Zwar ist das Entlohnungsniveau für
AkademikerInnen nicht mehr so hoch wie früher, doch im vergangenen Jahrzehnt
konnte der Level ganz gut gehalten werden. Insofern ist universitäre Bildung ein Fak-
tor für volkswirtschaftliche (allokative) Effizienz und dynamische Entwicklung.
13 . Ökonomische Effizienz in der Universitätspolitik
"Von den Einrichtungen, in denen Forschung und Künste betrieben und das Wissen
weitergegeben werden, darf durchaus Führung nach den Maßstäben der Wirtschaft-
lichkeit gefordert werden, nicht aber automatisch Ergebnisorientierung in einem völlig
sinnwidrigen auf wirtschaftliche Verwertbarkeit reduzierten Sinn!" (Weigel 2004: 2).
Ökonomische (betriebliche) Effizienz von der Vollziehung im öffentlichen Sektor - und
somit auch von den Universitäten - verfassungsmäßig zu verlangen, ist Hausvers-
tand. Das darf aber nicht, wie es oft im New Public Management geschieht (Roß-
mann 1999), aus einer engstirnigen verwaltungs- bzw. betriebswirtschaftlichen Posi-
tion heraus zu Lasten der überbetrieblichen (gesellschaftlichen) Aufgaben der Uni-
versität gehen.
Beides, die Verfolgung des ökonomischen Prinzips, wo überbetriebliche Aufgaben
nicht betroffen sind, und die gesonderte Berücksichtigung der gesellschaftlichen
Leistungen der Universität, darf nicht nur für die Universitäten selbst, sondern muss
aber auch für die Universitätspolitik der Regierungsmehrheit als Maßstab gelten.
Die Frage nach der ökonomischen Effizienz betrifft auch die Absicht zur Entwicklung
elitärer Kompetenzzentren: "(...) die Frage ist, ob es Sinn macht, für ein bestimmtes,
relativ enges Themengebiet eine Elite-Uni in die grüne Wiese zu stellen für viel Geld.
Oder macht es sehr viel mehr Sinn, in die vorhandenen exzellenten Kompetenzzent-
ren sehr viel mehr Geld zu stecken?" (Sünkel 2005). "Klüger wäre es, die Stärken der
vorhandenen Strukturen zu nützen und auszubauen, als vorzutäuschen, man könne
in fünf Jahren völlig neue Strukturen aus dem Boden stampfen" (Liessmann 2004).
Beim Aufbau besonders leistungsfähiger institutioneller Strukturen ist der Faktor Zeit
(d.h. die Fristigkeit der Wirkungsverzögerung) ein Aspekt, der nicht übersehen wer-
den darf. Es braucht eben viel Zeit und viele Ressourcen, zu einer "Super-Uni" im
internationalen Maßstab zu werden, wie die Geschichte der US-Spitzenuniversitäten
zeigt (Sünkel 2005). Ressourcenmangel verhindert hingegen die Weiterentwicklung
der vorhandenen Kompetenzzentren (Liessmann 2005).
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14. Intrinsisches Sparen, Ressourcenmangel, Qualitätsprobleme und Kosten-
niveau
Wenn laut der OECD-Studie Education at a Glance (2004) im Jahr 2001 in Öster-
reich die öffentlichen Ausgaben pro StudentIn im postsekundären Bildungsbereich
kaufkraftbereinigt 30 Prozent unter dem OECD-Schnitt lagen (Bildungsausgaben Ös-
terreichs gemessen am BIP seit 1995 gesunken, in: Der Standard - online,
14.09.2004, 15:39 MEZ), so weist das nicht unbedingt auf eine hohe universitätspoli-
tische Effizienz hin, werden dabei doch weder die Relation zum Output (AbsolventIn-
nen) bzw. Outcome (universitäre Bildung) hergestellt, noch die Konsequenzen im
Zeitablauf beachtet; zu niedrige Inputs können sich in Zukunft gleichsam rächen.
Nach der selben OECD-Studie wird nämlich auch Folgendes festgestellt: "Mit einer
durchschnittlichen Verweildauer im Tertiärbereich von 5,5 Jahren - im internationalen
Vergleich nur von Griechenland mit 5,7 Jahren überboten - ergeben sich kumulierte
Aufwendungen pro StudentIn (über die gesamte Studiendauer hinweg; Anm.d.Vf.)
von 62.459 Dollar. Das ist deutlich über dem OECD-Schnitt von 42.906 Dollar und
bringt Österreich in die (negative; Anm.d.Vf.) Spitzengruppe des internationalen Ver-
gleichs" (Bildungsausgaben Österreichs gemessen am BIP seit 1995 gesunken, in:
Der Standard - online, 14.09.2004, 15:39 MEZ). Die lange durchschnittliche Studien-
dauer überkompensiert offenbar die Kosteneinsparungen im Lehrbetrieb. Dabei sei
hier der Vorbehalt angemeldet, dass natürlich eine längere Studiendauer als die
Mindest- oder Durchschnittsstudienzeit für das jeweilige Fach auch eine höhere Qua-
lifizierung bedeutet und dies selbst auf das Semester umgelegt heißen kann.
Immerhin muss das Problem eines so genannten moralischen Wagnisses (Moral Ha-
zard: Kirchgässner/Frey 1994) festgestellt werden, und zwar - ungewöhnlich genug -
bei der Regierung gegenüber den Studienenden: Diese können nicht davon ausge-
hen, dass jene geeignete Maßnahmen trifft, damit der Studienerfolg in der Normzeit
erzielt werden kann. Selbst bei Bezahlung von Studiengebühren kommt es zu we-
sentlichen Verzögerungen des erfolgreichen Studienabschlusses, weil Lehrveranstal-
tungen nicht in der erforderlichen Anzahl, nicht unter hinreichend Erfolg verspre-
chenden Lehr- und Lernbedingungen sowie nicht mit einem entsprechend qualifizier-
ten Personal durchgeführt werden können.
Restriktive Bestimmungen über Zuerkennung und Höhe von Stipendien erzwingen
mittelbar eine studienbegleitende und die Studien erschwerende - d.h. verschlech-
ternde - Berufstätigkeit. Diese erfolgt aus Einkommensgründen und hat oft mit einer
begleitenden Praxisanwendung der theoretischen Studieninhalte nichts oder nicht
viel zu tun. Außerdem soll Universitätsbildung keine unmittelbare Berufsausbildung
darstellen, sondern vielmehr eine generelle - inhaltliche und methodische - Analyse-,
Kritik- und Problemlösungsfähigkeit. Das unterscheidet die Universitäten von den
Fachhochschulen, welche eine begrüßenswerte Ergänzung im Spektrum der Bil-
dungsangebote in einer Wissensgesellschaft sind.
15. Qualitätsfaktoren in der Lehre und ihre Effektivität in der Forschung
Hilmer und Hilmer (2004) untersuchten die frühe Forschungsleistung promovierter
VolkswirtInnen in den USA in Abhängigkeit vom Renommé (als Qualitätsindikator)
verschiedener Doktoratsstudienprogramme. Dabei kontrollierten sie in ihren induktiv-
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statistischen Schätzungen unter anderem für Student-Advisor Matching, und zwar für
die Qualität des Betreuers bzw. der Betreuerin der DissertandIn gemessen am pro-
fessionistischen Reputationsranking von Coupe (weltweit 1000 SpitzenökonomInnen
aus dem Jahr 2003). Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Überlappung der Einflüs-
se: Viele Begabte aus weniger renommierten (weniger guten) Doktoratsprogrammen
übertreffen in ihrer frühen wissenschaftlichen Publikationstätigkeit AbsolventInnen
aus renommierteren Programmen, wenn bzw. weil jene mit hochrangigen Betreue-
rInnen arbeiten konnten: Mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit publizieren die
von besseren ÖkonomInnen betreuten Promovierten in den besten fünf bzw. 36 öko-
nomischen Journalen. Folglich nimmt die Betreuung von Studierenden durch Spit-
zenökonomInnen einen systematisch positiven Einfluss auf den frühen wissenschaft-
lichen Publikationserfolg als einem Maß für erworbene Forschungsqualität.
Der positive Zusammenhang zwischen Betreuungsqualität und Studienerfolg (im
Sinn von Output wie von Outcome) dürfte nicht nur im Bereich der Spitzenbildung
und Spitzenleistungen gelten, sondern generell im Bildungsbereich, so auch allge-
mein im postsekundären. Es gilt daher, in dem breiten Einsatzbereich des universitä-
ren Bildungssektors, wo - auf Grund der Existenz von Alternativkosten - nicht überall
Spitzenbedingungen herrschen können, bei der Entscheidung über die Organisation
der Lehre eine Gewichtung folgender Argumente vorzunehmen:
Die Einheit der Forschung und Lehre wird (fast) im gesamten Universitätsbereich als
Grundprinzip für eine erfolgreiche Organisation und Gestaltung der Lehre angese-
hen. Das Motto lautet offenbar, nur wer gut forscht kann auch gut lehren, indem er
oder sie die Forschungsergebnisse authentisch einbringen und effektiv vermitteln
kann.
Dem ist das Spezialisierungsargument entgegenzuhalten. Das Motto könnte so for-
muliert werden: Ein guter Forscher bzw. eine gute Forscherin muss nicht unbedingt
didaktisch begabt sein.
Dazu kommt im Speziellen, dass es für Lehrende an österreichischen Universitäten
so gut wie keine - zumindest weder eine flächendeckende noch eine verpflichtende -
hochschuldidaktische Ausbildung gibt.
Gerade junge ForscherInnen sind einem hohem Arbeitsdruck ausgesetzt: Dissertati-
on, erste Publikationen, reale Deputate an die Vorgesetzten als moderne Form geis-
tiger Leibeigenschaft, Konzipierung erster Lehrveranstaltungen, unfreiwillige Über-
nahme aufwändiger Verwaltungsagenden, sodann weiter führende Publikationstätig-
keit zunächst bis zur Hürde der Habilitation. Unter einem derartigen Leistungs- und
Zeitdruck ist unter dem Anreizsystem für die akademische Karriere - "publish or pe-
rish", d.h. minimiere den Zeitaufwand für die Lehre - keine fundierte didaktische Aus-
bildung und zweckmäßige Gestaltung der Lehre zu erwarten - außer es handelt sich
um keinen egoistischen Homo oeconomicus, sondern einen altruistischen Homo so-
ciologicus Rothschild 1993), wie er dem öffentlichen Sektor nachgesagt und z.T.
auch nachgewiesen wird (Frank/Lewis 2004). Das gilt nicht nur speziell für die jungen
ForscherInnen, sondern generell für alle, deren Leistung permanent an den in der
Profession üblichen Kriterien - Publikationstätigkeit in Fachjournalen und Vortragstä-
tigkeit auf Konferenzen - gemessen wird. Nach dem Auslaufen des pragmatisierten
Ordinarius und Extraordinarius betrifft das wohl alle auf "Schleudersitzen" befindli-
chen ForscherInnen.
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Das Gegenargument zur "Schleudersitz-Kritik" läuft darauf hinaus, dass sich bei
Mangel an Wettbewerb ein Defizit an qualitativem Outcome und quantitativem Output
im akademischen Bereich einstellt. Doch die für ÖkonomInnen typische Antwort dar-
auf lautet: Das System muss anreizkompatibel sein (d.h., die materiellen bzw. imma-
teriellen Anreize müssen derart gestaltet sein, dass das inhärent nutzenmaximieren-
de Verhalten egoistischer bzw. altruistischer OrganwalterInnen systematisch zum
gesellschaftlich normierten Ergebnis tendiert. Das bedeutet erstens ein leistungsbe-
zogenes Entlohnungssystem in Forschung und Lehre und Selbstverwaltung sowie
zweitens die Einführung einer Corporate Identity (d.h. normierter und internalisierter
Standards) für jeden der drei genannten akademischen Tätigkeitsfelder (Bartel
1994).
Folgerichtig muss die Entscheidung im konkreten Einzelfall gefällt werden, ob der
Aspekt der Einheit von Forschung und Lehre oder jener der Spezialisierung vorteil-
hafter zur Wirkung gelangen kann. Jedenfalls muss zum einen bzw. zum anderen die
institutionelle Voraussetzung geschaffen werden.
Warum sollte nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, dass an einer Universität so-
wohl der Weg des lehrenden Forschenden als auch der Weg des forschungskundi-
gen Lehrenden beschritten werden kann, und zwar je nach individueller Fähigkeit
und Vorliebe. Das zu erkennen, zu ermöglichen und zu fördern ist Aufgabe der quali-
tätsverantwortlichen Gremien.
16. Der Weg in die Autonomie
Nach der langen Reform des Universitätssystems in Österreich sind mehr Forsche-
rInnen in universitären Managementpositionen gelandet, mehr ManagerInnen in uni-
versitätspolitischen Positionen, mehr Verwaltungsstellen an den Universitäten und
dennoch gleich viel Verwaltungsstellen im Ministerium.
Eine vollständige Autonomie ist das Ergebnis auch nicht, sonst wäre es eine "Privati-
sierung" einer öffentlichen Institution in einem eminent politischen, weil für die Ge-
sellschaftsentwicklung mit entscheidenden Bereich.
Vor der Reform war das zuständige Bundesministerium ein professioneller, verstän-
diger, wenn auch langsamer Partner für die Entwicklung der Universitäten.
Inzwischen wurde das Kind mit dem Bad verschüttet. Anstatt Anreizsysteme (Bartel
2002) und Kostenrechnungssystem (van der Hoek 2005) im ursprünglichen System
zu verbessern, wurden Institutionen und Verhaltensweisen des Marktes in einem ty-
pisch öffentlichen Bereich übernommen.
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Are government employees lazier than private-sector employees? Drawing from theories of work motivation and public service motivation, this article examines three public-private differences that might produce different levels of work effort in the two sectors. First, government and business may offer different extrinsic and intrinsic rewards. Second, public and private workers may seek different rewards. Third, public and private workers may differ in personal characteristics that predict work effort. Using 1989 and 1998 data fromthe General Social Survey, we find that government employees reported slightly higher work effort than those in the private sector. Public- and private-sector workers differ in the value they place on extrinsic and intrinsic motivators, in the rewards their jobs offer, and in some personal characteristics. Government jobs offering interesting work and opportunities to help others, combined with the greater age of public employees, explain most of the sectoral differences in self-reported work effort.
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This paper provides up-to-date empirical evidence on the socio-economic gap in higher education (HE) participation, for the period spanning the introduction of tuition fees. We assess whether the gap has widened and ask whether the socio-economic gap emerges on entry into university or much earlier in the education system. We do this in two ways. Firstly we consider the likelihood of going to university for school leavers in poor neighbourhoods and analyse changes in this likelihood over time. Secondly, we use more detailed individual level data to model the determinants of HE participation, focusing on changes in the relationship between family background and HE participation over time. We find that the growth in HE participation amongst poorer students has been remarkably high, mainly because it was starting from such a low base. However, the gap between rich and poor, in terms of HE participation, has widened during the 1990s. Children from poor neighbourhoods have become relatively less likely to participate in HE since 1994/5, as compared to children from richer neighbourhoods. This trend started before the introduction of tuition fees. Much of the class difference in HE participation seems to reflect inequalities at earlier stages of the education system.
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Traditionally, governments used to deploy input-based budgeting systems and cash-based accounting systems. However, these systems do not provide the information that is necessary for a government to operate efficiently and effectively. Therefore, a growing number of countries have already shifted or are planning to shift from cash-based tot some form of accrual accounting in the public sector. Usually, the implementation of some accrual-based system is linked to wider financial management reforms including performance management requiring information on cost. This paper focuses on the Dutch experience with the shift from cash-based accounting and budgeting systems to an accrual-based system.
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This paper uses a variety of recent sources of information to explore the labour market experiences of those who gained a degree in the 1980s and 1990s. Specifically, we address the issue of ‘overeducation’ — the view that the expansion of higher education in the 1990s created a situation in which increasing numbers of graduates were unable to access employment that required and valued graduate skills and knowledge. Two complementary approaches to this issue are adopted. We review available evidence on the graduate earnings premium and change in the UK occupational structure, and we conduct a detailed examination of the earnings and characteristics of jobs done by a large sample of 1995 graduates seven years after graduation. We conclude that, while there may have been a decline from the high premium enjoyed by older graduates, for those who graduated in 1995 the average premium was holding up well, despite the expansion. Although we found differences between established graduate occupations and the newer areas of graduate employment, our evidence suggests that the development of new technical and managerial specialisms and occupational restructuring within organisations has been commensurate with the availability of an increased supply of highly qualified people.
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The costs of higher education in the UK have shifted increasingly from the state to the student (and students’ families). In 1998, a fee contribution of £1,000 per annum was introduced for new entrants to full-time degree courses. This paper examines its effect on debt, term-time employment and student satisfaction. The analysis uses data from a survey of two cohorts of students and identifies how the impact varied with student and course characteristics. Fees led to an increase in student debt (particularly for disabled students and for students who did not receive financial support from their families) and a decline in student satisfaction. No general impact on term-time employment was identified, but term-time employment increased for students who did not receive financial support from their families. Whilst for these two groups inequality was increased, fees appeared to lead to greater equality, in terms of term-time employment, between children of graduate and non-graduate parents. The paper discusses the implications for the introduction of top-up fees in 2006.
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Metropolitan College was created to induce United Parcel Service (UPS) not to close its hub operation in Louisville, Kentucky. Participants in the program work the third shift at UPS and attend one of three local colleges tuition-free. Stakeholders agree that Metropolitan College has accomplished the goals laid out at its inception. This article evaluates the effects of the program from the perspective of one of the participating colleges. A cohort of Metropolitan College students enrolled at the University of Louisville is compared with traditional students at the institution. Inferences are made regarding the effect of Metropolitan College on key university “quality” indicators, including retention and academic performance. This article also assesses Metropolitan College from the perspective of human capital development. It tests the assertion that the program contributes to human capital development by accessing a cohort of students with different sociodemographic characteristics from those typically found at the University of Louisville.
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This paper examines a unique data set containing information on a Ph.D. recipient's dissertation advisor, graduate program, and early career research productivity. We ask whether the match between an economics Ph.D. student and his or her dissertation advisor provides additional information as to the student's likelihood for early career success beyond the program from which the student graduated. Comparing the distributions of research productivity across reputation ranks suggests that substantial overlap exists, with top students from lower ranked programs outperforming a significant percentage of students from top ranked programs. It is further observed that the high performing students from less respected programs tend to work with advisors ranked higher among Coupe's (2003) top 1000 global economists than the less productive students from elite programs. Regressions that control for both program reputation and advisor rank confirm that, all else equal, students working with ranked advisors are significantly more likely to publish in their early careers, especially in top 5 and top 36 journals, than students working with unranked advisors. Moreover, adding controls for advisor rank diminishes the estimated impact of the student's Ph.D. program. Together these facts suggest that the student-advisor match provides an important signal of the student's likelihood for early career publishing success.
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Massachusetts Institute of Technology. Dept. of Economics. Thesis. 1969. Ph.D. Vita. Includes bibliographies. Ph.D.
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This paper formulates and estimates a dynamic programming model of optimal educational financing decisions. The main purpose of the paper is to measure the effect of short-term parental cash transfers, received during school, on educational borrowing and in-school work decisions, and on post-graduation lifetime earnings. The estimated parameters of the model imply that parental cash transfers do not significantly influence post-graduation lifetime earnings. Long-term factors such as family background and prior human capital investments are more important. Parental cash transfers do, however, significantly determine the decision to borrow or work during school and the level of lifetime consumption.