Es ist die Hölle los im Marmorsaal des Berliner Hotels Esplanade, alle sitzen dicht an dicht, manche müssen am Rand gar stehen. Von oben glimmern die goldenen Kronleuchter, vorne die Bühne vor majestätsrotem Wandvorhang. Dort, in der Mitte eines langen Tischs, der Münchner Kunsthändler Hugo Helbing, den einen Arm in die Luft gereckt. Neben ihm wohl sein Geschäftspartner, der Berliner Kunsthändler Walther Feilchenfeldt, ein paar Schriftführer.
Es ist nur eine Momentaufnahme, die Max Slevogt hier mit Die Auktion der Sammlung Huldschinsky festhielt. Aber sie bildet ab, worauf es ankommt: Sie galt lange im Voraus als „Hauptereignis“ der deutschen Kunstwelt jenes Jahres, Rembrandt, Rubens, Ruisdael, alles kam unter den Hammer. Sich das Grand Hotel am Potsdamer Platz als Auktionsort auszusuchen – Charlie Chaplin und Greta Garbo sollen hier logiert haben –, war da nur konsequent: im „stilgerechten Rahmen“3 eben. In einem Setting, das einer pompösen Theaterbühne gleicht.
An zwei kühlen, regnerischen Berliner Frühlingstagen im Mai 1928 also, die nächste Reichstagswahl war eine gute Woche entfernt, ging jene, wie man heute wohl sagen würde, als monumentales Event gehypte Versteigerung der Kunstsammlung von Unternehmer und Philanthrop Oscar Huldschinsky über die Bühne. Und Slevogt malte sie so, dass man einen Eindruck bekommen kann, wie stickig und flirrend die Atmosphäre vor Ort gewesen sein muss. Alle waren sie da, eine „starke Beteiligung ausländischer Museumsleute und Kunsthändler und in Gegenwart eines übermäßig großen sensationslüsternen Publikums“4, hielt Max Friedländer hinterher fest.
Begleitet von einem „höchst monumental[en]“ Auktionskatalog: 400 Seiten stark, 48 auf 35 Zentimeter, heller Halbleineneinband, innen Kupferdrucktafeln.
Die Tatsache, dass dieser Katalog ein Extrembeispiel ist und für ein Spektakel steht, das selbst als Extrembeispiel deutscher Auktionen des 20. Jahrhunderts – vor 1945 – gelten kann, macht ihn zum idealen Beispielfall. Um ausgehend davon zu zeigen, wie das Medium „Auktionskatalog“ und sein narratives Potential taugt für heutige Provenienzforschung.
Im Zentrum der folgenden Arbeit steht also, „Auktionskataloge“ als Gattung umfassender zu begreifen, um ihre Rolle für heutige Provenienzforschung präziser einzuordnen. Provenienzforschung ist naturgemäß eine Wissenschaft, die permanent mit Lücken zu tun hat, versuchen muss, diese zu füllen. Provenienzrecherche versucht, zurückzuverfolgen, wann ein Objekt wie den Besitz gewechselt hat; und unter welchen äußeren politischen, makro-, meso- wie mikrokosmischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, biographischen Bedingungen. Die These: Auktionskataloge sind Träger all dieser Informationen. Gleichzeitig. Die Dimension dieser umfassenden, einander überlagernden Informationsnetzwerke blieb bislang unterbeleuchtet.