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MOVE-II – der zweite Kleinsatellit der Technischen Universität München
M. Langer1, N. Appel, M. Dziura, C. Fuchs, P. Günzel, J. Gutsmiedl,
M. Losekamm, D. Meßmann, T. Pöschl, C. Trinitis
Technische Universität München
Boltzmannstraße 15, 85748 Garching, Deutschland
Zusammenfassung
Der Lehrstuhl für Raumfahrttechnik (LRT) der Technischen Universität München (TUM) beschäftigt sich seit
dem Jahr 2006 mit der Entwicklung von Kleinsatelliten, sogenannten CubeSats. Hauptzweck ist hierbei die
studentische Ausbildung. Das Programm, genannt MOVE (Munich Orbital Verification Experiment), ermög-
lichte bis 2014 etwa 70 Studenten die praxisnahe Ausbildung an einem Satelliten. Den bisherigen Höhepunkt
bilden der erfolgreiche Start des ersten Satelliten, First-MOVE, am 21.11.2013 und der anschließende Betrieb
desselbigen. Um die Ausbildung der Studenten weiterhin gewährleisten zu können und die Kleinsatellitentech-
nik am LRT weiterzuentwickeln, wurde MOVE-II ins Leben gerufen. Neben der Ausbildung der beteiligten
Studenten soll mit MOVE-II auch ein wissenschaftliches Ziel verfolgt werden: die Messung von niederenerge-
tischen Antiprotonen in einem niederen Erdorbit.
1. DAS PROGRAMM MOVE AN DER
TECHNISCHEN UNIVERSITÄT MÜNCHEN
Das CubeSat Programm MOVE (Munich Orbital Veri-
fication Experiment) wurde im Jahr 2006 am Lehr-
stuhl für Raumfahrttechnik (LRT) der Technischen
Universität München (TUM) initiiert [1]. Seit Beginn
liegt das Hauptziel des Programms in der verbesser-
ten, praxisnahen Ausbildung von Studenten. Der
erste Satellit des Programms, First-MOVE, wurde er-
folgreich am 21. November 2013 gestartet und betrie-
ben. Mehr als 70 Studenten konnten während dieser
Zeit durch praktische Arbeit am Satelliten und auch
während des operationellen Betriebs wertvolle Erfah-
rung für ihre spätere Zukunft gewinnen. Um weiterhin
die praxisnahe Ausbildung am LRT gewährleisten zu
können und nicht zuletzt aufgrund des positiven
Feedbacks der Industrie wurde der zweite Satellit des
Programms, MOVE-II, ins Leben gerufen. In MOVE-
II sollen neben den wissenschaftlichen Zielen vor al-
lem die Erfahrungen und Ansätze aus First-MOVE
genutzt werden, um die Ausbildung aller beteiligten
Studenten weiter zu verbessern.
2. FIRST-MOVE: ERFOLGE UND LEHREN
Die Ergebnisse und Lehren aus dem Programm First-
MOVE wurden bereits ausführlich in [2] diskutiert.
Aus diesem Grund werden nachfolgend nur die wich-
tigsten Erkenntnisse zusammengefasst. Der 1 Unit
(1U = 10x10x10cm) große Satellit entfaltete nach
Ausstoß aus dem CubeSat Deployer erfolgreich
seine Solarpaneele samt UHF- und VHF-Antennen
1 martin.langer@tum.de, Telefon: +49 89 289 15995
(vgl. BILD 1) und nahm nachfolgend die automati-
sierte Aussendung von CW-Morsesignalen und
AX.25-Telemetrie-Datenpakete auf.
BILD 1. First-MOVE in Startkonfiguration (links) und in ent-
falteter Konfiguration (rechts).
Die Kommissionierungsphase sowie der anschlie-
ßende Betrieb im Orbit wurden hauptsächlich durch
Studenten durchgeführt. Aus diesem Grund wurde
schon vor dem Start des Satelliten ein konservativer
Ansatz für die Steigerung der Funktionen des Satelli-
ten während des Betriebs gewählt. Nach etwa einmo-
natigem Betrieb trat ein schwerwiegender Fehler in-
nerhalb des Bordcomputers des Satelliten auf, der zu
der Beendigung der Mission am 15. Januar 2014
führte. Eine anschließende, detaillierte Fehlersuche
förderte mehrere Hypothesen für das Versagen zu
Tage. Die wahrscheinlichste ist, dass ein Bootsektor
innerhalb des magnetoresistiven RAM (MRAM) des
Bordcomputers während eines Neustarts überschrie-
ben wurde [2]. Da das Betriebssystem selbst keine
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Berechtigung für einen solchen Schreibvorgang be-
sitzt, gehen wir von einem transienten Signal in einer
Schreibleitung während eines Neustarts des Rech-
ners aus.
Neben der detaillierten Aufarbeitung der Fehlerursa-
che wurden gegen Abschluss des Projektes Zeit und
Ressourcen in die gründliche Aufarbeitung der Leh-
ren aus dem Programm gesteckt. Neben technischen
Erfahrungen bezüglich der Funktion und des Tests
von Satellitenhardware konnten vor allem wertvolle
Erfahrungen für die Implementierung von CubeSats
in der Ausbildung von Studenten gesammelt werden,
die nun in MOVE-II zur Anwendung kommen. Die ge-
sammelten Erfahrungen liegen als „Lessons Learned
Report“ [3] vor.
3. MOVE-II: FORTSETZUNG DES PROGRAMMS
MOVE-II wird wie der vorangegangene Satellit durch
Studenten entwickelt - unterstützt von Mitarbeitern
des LRT. Im Gegensatz zum ersten Satelliten wird
das Team hierbei bei dem Design des Bordrechners
und der Auslegung der Datenverarbeitung des Satel-
liten durch Mitarbeiter des Lehrstuhls für Rechner-
technik und Rechnerarchitektur (LRR) der TUM un-
terstützt. Der Satellit wird im Vergleich zu First-MOVE
vergrößert, um eine extern gestellte Nutzlast aufneh-
men zu können (siehe BILD 2). Der 1U große Satelli-
tenbus soll hierbei eine ebenso große Nutzlast, ge-
nannt MAPT (Multi-purpose Active-target Particle Te-
lescope), aufnehmen und alle erforderlichen Res-
sourcen bereitstellen. Hierbei muss insbesondere in
den Bereichen der Stromversorgung, der Datenverar-
beitung und der Datenübertragung Richtung Boden
eine Weiterentwicklung der Subsysteme aus First-
MOVE erfolgen [4].
BILD 2. mögliche Konfiguration von MOVE-II
Die Weiterentwicklung der Satellitentechnik konnte
hierbei aus technischer Sicht in ersten Schritten be-
reits erreicht werden: Durch das zentrale Dateisystem
des Satelliten, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für
Rechnerarchitektur (LRR) der TUM entwickelt, kann
ein fehlertoleranter Betrieb mit großen Mengen an
Nutzlast auch mit kommerziellen Bauteilen gewähr-
leistet werden. Ein sekundäres Ziel im Programm ist
die Verifikation eines zuverlässigen, leistungsfähigen
Weltraumrechners für den Betrieb von ressourcenin-
tensiven Nutzlasten. Des Weiteren soll ein neuartiger
Solarpaneel-Entfaltungsmechan-ismus, basierend
auf Formgedächtnislegierungen, zur Anwendung
kommen. Auch hier erfolgte bereits eine erfolgreiche
Verifikation des Mechanismus, genannt SMARD
(Shape Memory Alloy Reusable Deployment Mecha-
nism) auf REXUS 18 [5]. Die Lageregelung des Sa-
telliten wird über magnetische Spulen erfolgen. Diese
sollen mit den notwendigen Sensoren in Aluminium-
kern-PCB-Seitenwände integriert werden. Erste Pro-
totypen wurden hierzu von Studenten hergestellt. Die
Testbarkeit aller Komponenten ist ein Hauptaugen-
merk aller Entwicklungen innerhalb des MOVE-II Pro-
jekts. MOVE-II stellt hierbei nicht nur aus technischer
Sicht eine Weiterentwicklung des ersten Satelliten
dar - programmatisch konnten ebenso Erfahrungen
aus dem ersten Satelliten umgesetzt werden: Der An-
satz des problembasierten Lernens wurde erfolgreich
durch die Vergabe von Arbeitspaketen an die Studen-
ten im Team, analog zum Vorgehen in der Industrie,
umgesetzt. Besonderheit hierbei ist der bewusste
Schritt hin zur freiwilligen Arbeit am Satelliten unter
Mithilfe der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft
für Raketentechnik und Raumfahrt (WARR), eines
studentischen Vereins an der TUM. Hierdurch sollen
sowohl sich aus dem Curriculum der Studenten erge-
bende Fluktuation vermindert als auch der Wissens-
verlust des Teams durch Abwanderung einzelner
Teammitglieder nach Vervollständigung ihrer studen-
tischen Arbeit abgeschwächt werden. Neben dieser
freiwilligen Mitarbeit stellt vor allem der gezielte Fo-
kus auf der Interdisziplinarität des Teams einen pro-
grammatischen Schwerpunkt dar. Hierbei wird TUM-
intern gezielt nach Studenten verschiedenster Fach-
richtungen geworben – und auf diesem Weg der gro-
ßen fachlichen Breite Rechnung getragen, welche ein
Satellitenprogramm zur heutigen Zeit verlangt. Ko-
operationen mit anderen Lehrstühlen der TUM wer-
den ebenso gesucht. Auch die momentane Nutzlast,
MAPT, ein Teilchendetektor des Lehrstuhls für Expe-
rimentalphysik (E18) der TUM, konnte auf diesem
Weg gefunden werden.
3.1. Stand der Subsystementwicklung
In den nachfolgenden Unterkapiteln wird auf den mo-
mentanen Stand der Subsystementwicklung eige-
gangen. In MOVE-II werden, unter Anleitung der Mit-
arbeiter des LRT, die Subsysteme des Satelliten
durch Teams in der Größe zwischen 3-6 Studenten
entwickelt. Arbeitspakete dienen den Studenten hier-
bei als Leitfaden. Die Leitung der Teams erfolgt hier-
bei durch erfahrene Studenten höheren Semesters.
Die Hierarchie im Projekt wird bewusst flach gehalten
und der Austausch zwischen den Teams gefördert.
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Die Projekterfahrung samt zugehöriger Reviews nach
ESA-Standards ergänzt den traditionellen Lehrplan
und bereitet die beteiligten Studenten besser auf die
Aufgaben in Industrie und Forschung vor.
3.1.1. Struktur und Mechanismen
Das Strukturkonzept für MOVE-II basiert teilweise auf
Vorarbeiten des Würzburger CubeSat-Teams mit
UWE-3 [6]. Es sollen Elektronikplatinen (Printed Cir-
cuit Boards, PCBs) als Seitenplatten verwendet wer-
den, die über einen Aluminiumrahmen miteinander
verbunden und zueinander positioniert werden. Auf
diesen Seitenplatten werden Magnetspulen und Sen-
soren für die Lageregelung ebenso untergebracht wie
Solarzellen (vgl. BILD 3)
BILD 3. Testexemplar des Seitenwand-PCBs mit integrier-
ten Spulen zur Lageregelung
Aufgrund des großen Energiebedarfs des Partikelde-
tektors sind für MOVE-II ausfaltbare Solarpaneele nö-
tig. Diese sollen über flexible Leiterbahnen mit den
Seitenwänden des Satelliten verbunden werden. Die
Ausführung als sogenannte Rigid-Flex-PCBs ermög-
licht dabei die Fertigung von Seitenplatte und Solar-
paneel mit Leiterbahnen dazwischen als ein Teil, was
den Zusammenbau des Satelliten erleichtert. Ver-
schiedene Ausklappstrategien wurden mittels der Or-
bit-Simulationssoftware STK untersucht [7]. Der Fo-
kus lag hierbei auf der der verfügbaren Leistung in
verschiedenen Umlaufbahnen und Lageregelungs-
szenarien. Eine Bewertung unter Berücksichtigung
der verfügbaren Leistung, der Komplexität des Ent-
faltungsvorgangs und anhand von möglichen Störun-
gen des Partikeldetektors soll nachfolgend die beste
Ausklappstrategie zu Tage fördern.
BILD 4. Auswahl an möglichen Ausklappstrategien für
MOVE-II
Während die endgültige Anzahl und Anordnung der
Solarpaneele im Moment noch untersucht wird, ist die
Entwicklung des Ausfaltmechanismus bereits weit
fortgeschritten. Auf First-MOVE kam, wie häufig bei
Nanosatellitenmissionen, ein Mechanismus auf Basis
von Schmelzdraht zum Einsatz. Diese Lösung hat al-
lerdings den großen Nachteil dass der Schmelzdraht
nach jedem Test ausgetauscht werden muss. Dies ist
einerseits sehr aufwändig, da der Mechanismus hier-
für komplett zerlegt werden muss, und führt anderer-
seits zu einem erhöhten Risiko, da die endgültige
Flugkonfiguration nicht getestet werden kann [8]. Ob-
wohl mit dem First-MOVE-Mechanismus durchaus
gute Erfahrungen gesammelt wurden und die Funk-
tion im Orbit während der Mission nachgewiesen wer-
den konnte wurde aus den genannten Gründen der
Entschluss gefasst, einen neuen Mechanismus mit
einem zerstörungsfreien Öffnungskonzept zu entwi-
ckeln. Formgedächtnislegierungen (FGL), also Werk-
stoffe, die nach einer Deformation in ihren ursprüng-
lichen Zustand zurückkehren sobald sie über eine be-
stimmte Temperatur erwärmt werden, wurden als
mögliche Entwicklungsbasis vorausgewählt. Die Ent-
wicklung der ersten Mechanismus-Prototypen wurde
im Rahmen des REXUS-Programms des DLR durch-
geführt [5]. Dabei wurde der Mechanismus unter den
realistischen Bedingungen eines Raketenstarts er-
folgreich getestet. BILD 4 zeigt das Funktionsprinzip.
BILD 5. Funktionsprinzip Solarzellenausfaltmechanismus
Das Solarpaneel ist dabei an Federscharnieren be-
festigt. Ein Haken am Panel wird durch einen Schlit-
ten festgehalten, welcher wiederum durch eine me-
chanische Feder positioniert wird, die eine zweite Fe-
der aus FGL dehnt. Sobald Strom durch den Mecha-
nismus fließt erwärmt sich letztere und zieht sich zu-
sammen, da sie sich an diese ursprüngliche Form „er-
innert“. Dabei gibt der Schlitten den Haken frei und
das Paneel öffnet sich. Nachdem der Strom abge-
schaltet wurde zieht sich die mechanische Feder wie-
der zusammen und setzt den Mechanismus so zu-
rück. Das Zuklappen des Paneels erfolgt im Test per
Hand. Dieser Öffnungsvorgang benötigt in etwa eine
Leistung von 5 W für 10 s und kann einige hundert
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Mal wiederholt werden. Aktuell läuft die Weiterent-
wicklung des Prototypen zur finalen Flugversion [9].
Dabei sollen die Dimensionen und insbesondere die
Bauhöhe deutlich reduziert werden. Geplant ist au-
ßerdem, die maximalen Zyklen des finalen Mechanis-
mus im Test zu ermitteln.
Da der Platzbedarf der UHF- und VHF-Antennen des
Satelliten zu groß für den standardisierten Auswurf-
mechanismus ist, müssen sie im Orbit entfaltet wer-
den. In der First-MOVE-Mission wurde dies durch ei-
nen Befestigung der Antennen an den Solarpaneelen
realisiert, sodass diese gemeinsam ausgeklappt wur-
den. Dies hat allerdings den Nachteil, dass ein Ver-
sagen des Solarflügelentfaltens auch ein Versagen
der Kommunikation zur Folge hat, obwohl auch im
eingeklappten Zustand genug Energie zur Verfügung
stehen würde. Gleichzeitig erhöht ein eigener Mecha-
nismus für die Antennen die Komplexität und somit
Fehleranfälligkeit des Gesamtsystems. Um diesem
Konflikt zu entgehen wurde ein Konzept erarbeitet,
das die Vorteile der beschriebenen Optionen verei-
nigt [10]. Dabei werden die Antennen auf einer Kas-
sette an der Unterseite des Satelliten aufgerollt und
durch die Solarpaneele festgehalten. Beim Öffnen wi-
ckeln die Antennen sich ab und sind einsatzbereit.
Öffnen die Paneele nicht, so kann die gesamte Kas-
sette wie in BILD 6 gezeigt über Federn nach unten
gefahren werden, was die Antennen ebenfalls frei-
gibt. Zum Festhalten der Kassette während des
Starts dient ein weiteres Exemplar des bereits disku-
tierten FGL-Mechanismus.
BILD 6. Backup-Lösung für die Antennenentfaltung
3.1.2. Lageregelung und Lageerkennung
Eine der derzeitigen Herausforderungen ist die Ent-
wicklung eines funktionsfähigen Lage-bestimmungs-
und Lageregelungssystems (Attitude Determination
and Control System, ADCS), welches innerhalb der
gewünschten Genauigkeit zuverlässig arbeiten soll.
Für MOVE-II ist eine aktive Lageregelung vorgese-
hen, da nur so der gewünschte Betrieb des Detektors
und des S-Band Transceivers gewährleistet werden
kann. Die Aufgabe der Regelung kann in zwei wich-
tige Aspekte aufgeteilt werden. Nach erfolgreicher
Separation von der Trägerrakete muss die hohe Win-
kelgeschwindigkeit des Satelliten gedämpft werden,
damit dieser in seiner Lage stabilisiert wird. Dieses
sogenannte Detumbling-Manöver kann durch den B-
dot Algorithmus realisiert werden, der in vielen Missi-
onen Anwendung findet [11]. Als Aktuatoren sollen
drei Magnetspulen (Magnetorquer) dienen. Durch die
Wechselwirkung des magnetischen Momentes der
Spulen mit dem Erdmagnetfeld wird das Kontrollmo-
ment erzeugt. Die Spulen werden in Leiterplatten, die
als Seitenwände des Satelliten fungieren, integriert.
Durch diese kompakte Bauweise wird sowohl Platz
als auch Gewicht eingespart. Trotz der kurzen Dauer
des Projekts ist es bereits wichtig, Tests im Bereich
der Lageregelung und Lagebestimmung durchzufüh-
ren, um so die geeignete Auswahl an Hardware zu
treffen und ein zuverlässiges Regelkonzept zu entwi-
ckeln. Für die Lagebestimmung wurde eine erste Te-
stumgebung aufgebaut, die aus einem Sonnensimu-
lator und aus einem Drehtisch (vgl. BILD 7), der sich
um eine Achse drehen kann, besteht. Der Drehtisch
bietet eine Genauigkeit von 0,016°. Mit diesem Auf-
bau können nicht nur einzelne Sensoren, wie bei-
spielsweise Sonnensensoren getestet und kalibriert
werden, sondern auch verschiedene Lageschät-
zungs-verfahren analysiert und verifiziert werden
[11][12][13].
BILD 7. Drehtisch und Sonnensimulator von MOVE-II
Auch für die Lageregelung wurde ein Testaufbau ent-
worfen. Dieser besteht aus einem luftgelagerten
Tisch, auf dem ein Satellitenmodell oder einzelne
Bauteile wie Spulen montiert werden können, und
aus einem Helmholtz-Spulenpaar zur Nachbildung
des Erdmagnetfelds. Das Luftlager (vgl. BILD 8) ge-
währleistet eine reibungsfreie Bewegungs-möglich-
keit des Satelliten um eine Achse. In Kombination mit
Helmholtz-Spulen können auf diesem Weg schnelle
Tests an Subsystemen, aber auch am Gesamtsystem
stattfinden.
BILD 8. Luftlagertisch zur Verifikation der Lageregelung
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Neben der Verifikation durch die beschriebenen Te-
stumgebungen soll auch das gesamte Lagerege-
lungskonzept simuliert werden. Anhand dieser Simu-
lationen können verschiedene Konzepte auf schnel-
lem Weg entworfen, überprüft und miteinander vergli-
chen werden. Es wurde eine Simulationsumgebung
entwickelt, die in MATLAB und in STK implementiert
ist. Ein bidirektionaler Datenaustausch zwischen den
beiden Applikationen wird durch die „mexconnect“
Schnittstelle gewährleistet. Eine komplette Weltrau-
mumgebung soll in sehr einfacher Weise in STK mo-
delliert werden, während alle on-board Komponenten
eines Satelliten in MATLAB implementiert werden.
Eine vereinfachte Simulationsumgebung wurde be-
reits erfolgreich programmiert [14], welche jedoch in
der Zukunft weiter ausgebaut und optimiert werden
muss.
3.1.3. Kommunikation
Für die Kommunikation mit der Bodenstation stehen
MOVE-II zwei Up- und Downlinks zur Verfügung. Für
Telekommandierung und Telemetrie (TT&C) werden
wie bei First-MOVE Amateurfunkbänder im
UHF/VHF-Band genutzt. Der sekundäre Link im S-
Band stellt den breitbandigen Datenübertragungs-
kanal vom und zum Satelliten bereit, der für die
wissenschaftliche Nutzlast notwendig ist. Die verwen-
deten Transceiver sind Neuentwicklungen, die in
Kooperation von Industrie und Studenten entwickelt
werden. Besonders ist, dass anstelle von amateur-
funkspezifischen Übertragungsmodi nun moderne
Verfahren und Codierungen eingesetzt werden
können und so Effizienz und Zuverlässigkeit der
Verbindung gesteigert werden. Dies wird durch den
Einsatz von hochintegrierter Schaltungstechnik aus
der Automobil- und Mobilfunkbranche erreicht.
Mithilfe dieser Bauteile ist es möglich, sehr kleine und
leichte, aber vor allem flexible Transceiver zu
konstruieren. Für die analoge Verarbeitung des RF-
Signals wird keine Mischerkaskade sondern nur noch
ein einzelner Direktmischer verwendet. Mithilfe von
IQ-Modulation und -demodulation ist das System in
der Lage, sämtliche Modulationsarten abzubilden.
Ein Großteil der Signalverarbeitung wird digital im
Basisband über Software im FPGA des Transceivers
abgewickelt. Dieses Prinzip des „Software Defined
Radio“ ist ideal um Funkgeräte zu bauen, die
unterschiedlichsten Missionsprofilen und Anford-
erungen entsprechen können. Durch mehrere vorpro-
grammierte Modems ist es möglich, die Übertrag-
ungsart oder Datenrate während der Mission zu
ändern.
Ein Vorteil des FPGA ist, dass durch die hohe
Rechenleistung auch rechenaufwändigere und dafür
leistungsfähigere Codes zur Fehlerkorrektur
verwendet werden können. Für die MOVE-II Mission
kommen deshalb Gallager-Codes [15], auch bekannt
als low-density-parity-check-codes (LDPC) zur
Verwendung. Diese Klasse von fehlerkorrigierenden
Codes ermöglicht es, sehr dicht an die Kanalkapazität
zu gelangen und ist dabei leistungsfähiger als
Faltungscodes oder kombinierte Codes [16]. Des
Weiteren kann Coderate und Blocklänge relativ frei
gewählt werden, weshalb sie sich für unterschiedliche
Szenarien und Anwendungen eignen.
Auf der Bitübertragungsschicht wird ebenfalls an
einer Neuentwicklung gearbeitet um das zwar weit
verbreitete, jedoch veraltete AX.25 Protokoll zu
ersetzen. Dieses hatte sich im Missionsbetrieb von
First-MOVE als störungsanfällig und ineffizient
herausgestellt. Daher wurde im Rahmen des Projekts
das Protokoll Nanolink (für Nanosatellite Link) [17]
entwickelt. Das Protokoll wurde für die
Anforderungen einer Funkstrecke mit niedrigem
Bandbreiten-Verzögerungsprodukt, mittlerer bis
hoher Asymmetrie sowie moderater bis schlechter
Signalqualität entwickelt. Das Protokoll ist die
Schnittstelle zwischen Bodenstation und Satellit. Es
verwaltet die physikalische Verbindung und stellt
diese für Protokolle aus höheren Schichten zur
Verfügung. Zuverlässigkeit und Effizienz werden
durch zusätzliche Fehlerkontrollmaßnahmen (ARQ)
erreicht, die mit einem Augenmerk auf geringe
Bandbreitennutzung entwickelt wurde und robust
gegen instabile Verbindungen ist. Kernkonzept ist
hierbei Selective Acknowledge, das die wiederholte
Übertragung fehlerhafter Daten anfordert. Dadurch,
dass Datenintegrität auf dieser Ebene gesichert wird,
gestaltet sich der Rest des Protokollstapels einfacher
und es können einfache Transportprotokolle wie UDP
verwendet werden. Ebenfalls wichtig ist dies für das
In-Orbit-Debugging des Bordrechners, was andern-
falls ebenso unnötig verkompliziert werden würde.
Ferner bietet das Protokoll Quality of Service (QoS)
an. Bis zu acht verschiedene virtuelle Datenströme
können unterschiedlich priorisiert werden, um so
kritischen Daten den Vortritt zu geben. Dies ist
wichtig, da bei den Übertragungskanälen grund-
sätzlich von voller Auslastung auszugehen ist und
daher das Best-Effort Prinzip nicht funktioniert.
Überdies kann die Fehlerkontrolle des Protokolls für
einzelne Datenrahmen deaktiviert werden. Diese
Funktionalität ist für Nachrichten mit entbehrlichem
Inhalt, wie Telemetrie oder Timingdaten, gedacht, bei
denen die rasche Zustellung wichtiger ist.
Durch eine breite Verfügbarkeit von Software-
Defined-Radio-Transceivern und Open-Source
Lösungen wie GNURadio ist es möglich, einen
Großteil der Software in der Bodenstationshardware
wieder zu verwenden. Dadurch kann das System
auch für andere Missionen verwendet werden und
der dafür notwendige Aufwand wird minimiert.
3.1.4. Bordcomputer
Im Bereich der Bordcomputer existiert eine Vielzahl
von einzigartigen, auf den Bedarf der jeweiligen Mis-
sion zugeschnittenen Lösungen. Ziel des Rechnerde-
signs innerhalb von MOVE-II ist es, die Erfahrungen
all dieser Teams und die eigenen Erfahrungen aus
Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress 2015
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First-MOVE zu einer zuverlässigen und betriebssi-
cheren Architektur zu verschmelzen. Studentische
Entwicklungen und Designs werden momentan in
Prototypen umgesetzt. Die entwickelte Rechnerarchi-
tektur samt Peripherie des Satelliten ist in BILD 9 dar-
gestellt.
BILD 9. Die Architektur des MOVE-II Bordrechners
Eine wichtige Erfahrung aus First-MOVE war die er-
höhte Notwendigkeit von Maßnahmen zur Qualitäts-
sicherung und Softwarekonsistenz in studentischen
Satellitenmissionen. Die Qualität der geschriebenen
Software stellt jedoch nicht das Hauptproblem dar.
Da die Ressourcen zur traditionellen Softwareent-
wicklung mit professionalisierten Teams an dieser
Stelle fehlt, muss vermehrt auf vorhandene Lösungen
anstelle von Eigenentwicklungen im Bereich der Soft-
ware und des Betriebssystems gesetzt werden.
MOVE-II wird aus diesem Grund auf ein vorhandenes
Betriebssystem zurückgreifen, wobei dieses, wenn
möglich, nur minimal verändert wird. Das Betriebs-
system wird mit den notwendigen Treibern ergänzt
und um Kommandiersoftware, in kleinstmöglichem
Ausmaß, erweitert. Auf diesem Weg kann der nötige
Entwicklungsaufwand klein gehalten und damit auch
das Entwicklungsrisiko minimiert werden. Aus einer
detaillierten Evaluation möglicher Betriebssysteme
für MOVE-II ging das Betriebssystem Linux als Sieger
hervor [18]. Aus Ressourcensicht realisierbar, erweist
sich Linux aufgrund der Stabilität, der Flexibilität be-
züglich der Treiber für kommerzielle Komponenten
sowie der Benutzbarkeit durch Studenten als geeig-
netste Lösung.
Traditionelle, hochzuverlässige Lösungen in der
Raumfahrt basieren meistens auf redundanter diskre-
ter Logik, bei denen die Zuverlässigkeit durch Mehr-
heitsentscheid getroffen und Datenkonsistenz durch
Bitfehlerkorrekturverfahren erreicht wird. Prozessor-
varianten wie LEON3-FT [19], [20] sowie die Power-
PC750 Variante RAD750 [21] werden hierbei in der
traditionellen Raumfahrt bevorzugt eingesetzt. Diese
Lösungen stellen jedoch aus Masse- und Kosten-
überlegungen keine Alternative für CubeSats dar.
MOVE-II wird aus diesem Grund hardwareseitig auf
kommerziell erhältlichen Bauteilen basieren. Ein
wichtiges Ziel innerhalb des Projektes sind daher der
frühzeitige Test und die Qualifikation dieser Hard-
ware. Die Nutzung verteilter Mikrokontroller, wie in
anderen CubeSat Projekten implementiert, ist auf-
grund des begrenzten Entwicklungszeitraums und
der dafür notwendigen personellen Ressourcen nicht
möglich. Stattdessen wird der Bordrechner auf einem
Soft-Core Prozessor basieren, welcher auf einem
Xilinx Spartan6 FPGA implementiert wird. Mit diesem
Lösungsansatz kann sowohl die notwendige Peri-
pheriehardware minimiert, als auch ein bereits exis-
tierendes Betriebssystem genutzt werden. Im Ge-
gensatz zu diskreter Logik ist es mittels einer FPGA-
basierten Lösung möglich, Fehler mittels Reprogram-
mierung schnell und effizient auszugleichen. Somit
können sowohl die schnelle Erholung von temporären
Fehlern gewährleistet als auch dauerhafte Fehler im
System durch Isolierung umgangen werden. Verbun-
den mit einem Softcore-Prozessor (beispielsweise
[22] oder [23]) bietet somit dieses FPGA ausreichend
Toleranz gegenüber der hochenergetischen Strah-
lung im Zielorbit. Darüber hinaus können durch die
Nutzung des Softcores Hardwarekomplexität und
Ressourceneinsatz minimiert werden. Hierbei ist die
Echtzeitfähigkeit des Systems keine Voraussetzung
für das Design, da sowohl die momentan verwende-
ten Sensoren als auch die Nutzlast keine besonderen
Anforderungen in diesem Punkt haben. Der Kommu-
nikationspfad, in Kapitel 3.1.3 ausführlich beschrie-
ben, soll neben der Übertragung von Nutzlast- und
Telemetriedaten auch Fehlerkorrektur- und Diagno-
semaßnahmen ermöglichen. Hierzu wurde ein ge-
skriptetes Debug-System mittels der Joint Test Action
Group (JTAG) Schnittstelle [24] implementiert, wel-
ches die Modifikation von Rechnerfunktionen erlau-
ben soll [25], [30]. Der Aufbau dieses Systems ist in
BILD 10 dargestellt.
BILD 10. Das automatisierte Debug-System von MOVE-II
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Als wichtigsten Grundbaustein für zuverlässige Funk-
tion des Bordrechners muss die Konsistenz aller ge-
speicherten Daten gewährleistet sein. Um dies zu er-
reichen, wurden innerhalb des Projekts drei verschie-
dene, softwarebasierte Konzepte zur Sicherung der
Datenkonsistenz entwickelt. Hierdurch kann sowohl
volatiler Speicher abgesichert [26], als auch die Funk-
tionsfähigkeit des Betriebssystems sichergestellt
werden [27]. Als dauerhafter Speicher soll hierbei
MRAM [28] aufgrund der guten Toleranz gegen Ef-
fekte hochenergetischer Strahlung zum Einsatz kom-
men. Die Größenordnung der Speicherbausteine (4-
16MB) hat sich hierbei als ausreichend für MOVE-II
herausgestellt. Als dritte Maßnahme wurde ein feh-
lertolerantes Dateisystem für große Speicher entwi-
ckelt, durch welches die Integrität der gewonnen
Nutzlastdaten erreicht werden soll [29]. Nutzlastdaten
sollen hierbei auf NAND-Flash Speicher abgelegt
werden.
BILD 11: Überblick über die bereits definierten (blau) und
noch in Untersuchung befindlichen (gelb) Bereiche des zu-
verlässigen Bordrechners auf MOVE-II .
Die vorgestellten Maßnahmen sind auf verschiedene
Bordcomputer anwendbar und können somit auch auf
anderen Kleinsatellitenmissionen eingesetzt werden,
bei denen Ressourcenbegrenzung traditionelle Her-
angehensweisen verhindern.
4. NUTZLAST
MOVE-II ist als vielseitig einsetzbarer 1-Unit Satelli-
tenbus konzipiert und kann daher unterschiedliche
Nutzlasten aufnehmen. Eine potentielle Nutzlast für
den Flug wird hierbei vom Physik Department der
TUM bereitgestellt: Die Gruppe von Prof. Stephan
Paul entwickelt seit Anfang 2012 einen neuartigen
Teilchendetektor genannt MAPT. Der CubeSat-große
Detektor soll an Bord von MOVE-II den Fluss von nie-
derenergetischen Antiprotonen im inneren Strah-
lungsgürtel der Erde vermessen. Das unter dem Na-
men Antiproton Flux in Space (AFIS) geplante Expe-
riment soll etwa ein halbes Jahr dauern.
4.1. Wissenschaftliches Ziel
Die Erde wird von einem, abgesehen von Effekten
durch die solare Modulation, konstanten und gleich-
förmigen Strom geladener Teilchen bombardiert. Die-
ser als kosmische Strahlung bezeichnete Fluss be-
steht hauptsächlich aus Protonen (86%) und Helium-
Kernen (12%), sowie kleineren Anteilen von Elektro-
nen und Atomkernen höherer Elemente, und weist
ein breites Energiespektrum auf. In astrophysikali-
schen Prozessen produzierte Antimaterie, haupt-
sächlich Positronen und Antiprotonen, liefert eben-
falls einen geringen Beitrag.
Treffen hochenergetische kosmische Teilchen auf die
oberen Schichten der Erdatmosphäre, so können in
Interaktionen mit den Luftmolekülen Neutronen pro-
duziert werden, die nach einer Lebensdauer von et-
was mehr als 880 Sekunden in Protonen, Elektronen
und Antineutrinos zerfallen. Haben die entstehenden
Neutronen einen Geschwindigkeitsvektor, der von
der Erdoberfläche weg weist, bezeichnet man sie als
Albedo-Teilchen. Diese können in Regionen der Mag-
netosphäre zerfallen, in denen das Erdmagnetfeld
stark genug ist um die Zerfallsprodukte auf stabilen
Bahnen einzufangen. Dieser als CRAND (Cosmic
Ray Albedo Neutron Decay) bekannte Prozess liefert
einen entscheidenden Beitrag zur Bildung der Van-
Allen-Strahlungsgürtel, die die Erde torusförmig um-
geben [31].
Analog stellt der CRANbarD-Mechanismus (Cosmic
Ray Albedo Antineutron Decay) die Hautquelle des
Antiprotonenflusses im inneren Strahlungsgürtel dar.
Hierbei entstehen keine Neutronen, sondern Anti-
neutronen, die ihrerseits in Antiprotonen, Positronen
und Neutrinos zerfallen. Da die Antiprotonen in den
Strahlungsgürteln mit nur sehr geringer Wahrschein-
lichkeit auf Annihilationspartner treffen, stellt sich eine
stabile Population ein. Das Zusammenspiel dieser
Prozesse wurde über einige Jahre hinweg theoretisch
vorhergesagt [32]-[34], jedoch erst 2011 mithilfe des
PAMELA-Detektors an Bord des russischen Satelli-
ten Resurs-DK No.1 experimentell bestätigt [35].
Ähnlich wie auch für MOVE-II vorgesehen, befindet
sich Resurs-DK No.1 in einem nahezu kreisförmigen
niedrigen Erdorbit (LEO). Da die innere Grenze der
Strahlungsgürtel im Mittel bei etwa 1000 Kilometern
liegt, können Messungen des Teilchenflusses im LEO
nur beim Durchflug durch die Südatlantische Anoma-
lie (SAA) durchgeführt werden. Die SAA entsteht
durch eine Verkippung und Verschiebung der Erd-
magnetachse mit Bezug auf die Rotationsachse [36],
wodurch das Magnetfeld über dem Südatlantik ge-
schwächt wird und in ihm gefangene Teilchen bis auf
eine Höhe von 200 Kilometern in die Atmosphäre ein-
dringen können. Die AFIS-Mission soll an die von
PAMELA gemessenen Daten in der SAA anknüpfen
Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress 2015
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und die Messungen bei niedrigeren Energien im Be-
reich von 25 bis 100 MeV erweitern. Um dies zu er-
möglichen basiert MAPT auf einem neuartigen Detek-
tionsprinzip, da klassisch aufgebaute Spektrometer-
Experimente wie PAMELA oder AMS-02 bei solch
niedrigen Energien nicht sensitiv sind.
BILD 12. Der Fluss von Antiprotonen in den Van-Allen-
Strahlungsgürteln (rot), verglichen mit dem der kosmischen
Strahlung (blau) [35]. Die Vorhersage von Selesnick et al.
weicht um etwa zwei Größenordnungen ab [32].
4.2. MAPT: Technische Umsetzung
Das Funktionsprinzip der meisten Teilchendetektoren
beruht darauf, dass geladene Teilchen beim Durch-
gang durch Materie Energie verlieren. In klassischen
Spektrometer-Anordnungen müssen Teilchen ein im
Detektor erzeugtes Magnetfeld durchqueren und ge-
ben dabei pro Lage des Detektors meist nur einen
vernachlässigbar kleinen Anteil ihrer anfänglichen
Energie ab. Anhand der Krümmung der Teilchenspur
und dessen Geschwindigkeit kann dieses identifiziert
werden. Sind die Teilchen jedoch hinreichend lang-
sam und verlieren daher so viel Energie, dass sie in
einer der mittleren Lagen stoppen, so kann diese In-
formation unvollständig sein, da Informationen aus al-
len Lagen für eine eindeutige Identifikation benötigt
werden. In MAPT wird jedoch genau die Informatio-
nen des Stoppvorgangs ausgenutzt: Der Verlauf des
Energieverlustes bei niedrigen Energien (die soge-
nannte Bragg-Kurve) ist charakteristisch für eine be-
stimmte Teilchensorte bei gegebener Energie. Der
aktive Kern des Detektors besteht daher aus 900
szintillierenden Plastikfasern, mit denen der spezifi-
sche Energieverlust bestimmt werden kann. Da jede
zweite Lage der Fasern zusätzlich um 90° verdreht
ist, können die Spuren geladener Teilchen rekonstru-
iert werden.
Zur Identifikation von Antiprotonen werden zudem die
Charakteristika der Annihilation ausgenutzt: Die
Wahrscheinlichkeit, dass ein Antiproton an einem
Atomkern des Szintillatormaterials annihiliert, steigt
mit abnehmender Teilchenenergie stark an. Die meis-
ten Antiprotonen stoppen daher fast vollständig ab
bevor sie mit einem Kern wechselwirken. Die dabei
entstehenden Sekundärteilchen werden aufgrund der
Impulserhaltung isotrop emittiert und bilden zusam-
men mit der Bragg-Kurve eine eindeutige Signatur
[37].
Die szintillierenden Fasern sind direkt an Silizium-
Photomultiplier (SiPM) gekopppelt, die das entste-
hende Licht mit einer Sensitivität bis zu einzelnen
Photonen nachweisen können. Strahltests mit einem
skalierten Prototypen am Paul Scherrer Institut haben
gezeigt, dass die Energie stoppender Protonen (An-
fangsenergie: 50 MeV) mit diesem Messprinzip mit ei-
ner Auflösung im sub-MeV-Bereich rekonstruiert wer-
den kann [38]. Um eine so hohe Anzahl von Detek-
torkanälen bei den in einem CubeSat gegebenen
Platz- und Gewichtsbeschränkungen, sowie der be-
grenzten Energieversorgung realisieren zu können
wurde ein neues Datenerfassungssystem entwickelt.
Basierend auf einer Kombination aus einem eigens
für die Auslese von SiPMs entworfenen ASIC (Appli-
cation Specific Integrated Circuit) und mehreren
FPGAs (Field Programmable Gate Arrays) ist das
System dazu in der Lage die 900 Detektorkanäle voll-
ständig parallel auszulesen. Damit wird sicherge-
stellt, dass die hohen Teilchenflüsse innerhalb der
SAA von der Elektronik zuverlässig verarbeitet wer-
den können.
Ein erster vollständiger Prototyp von MAPT wurde im
Oktober 2014 an Bord des Höhenforschungsballons
BEXUS 18 im schwedischen Kiruna getestet [39].
5. FAZIT UND AUSBLICK
MOVE-II befindet sich momentan in der Phase B des
Projektes. Der Start des Satelliten samt Nutzlast ist
für Ende 2017/Anfang 2018 geplant. Derzeit sind
etwa 25 Studenten, größtenteils über freiwillige Mitar-
beit im Projekt beschäftigt.
DANKSAGUNG
MOVE-II wird von der Raumfahrt-Agentur des Deut-
schen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. mit Mit-
teln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Ener-
gie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bun-
destages unter dem Förderkennzeichen 50 RM 1509
gefördert.
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