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Grundsätze liberaler Außenpolitik im 21. Jahrhundert

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Abstract

Grundsätze liberaler Außenpolitik im 21. Jahrhundert 1 " Es wird (...) noch immer nicht beachtet, daß ewiger Frieden nur durch restlose und allgemeine Durchführung des liberalen Programms erreicht werden kann, und daß der Weltkrieg nichts anderes war als die natürliche und notwendige Folge der antiliberalen Politik der letzten Jahrzehnte. " 2 " Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staats gewalttätig einmischen. " 3 Über die Wirtschaft hinaus ist die Außenpolitik ein klassisches Betätigungsfeld für Interventionisten. Die Geschichte der Außenpolitik ist vor allem eine Geschichte der Einmischung in die Angelegenheiten anderer Völker, ob politisch oder militärisch, vielfach geleitet von ökonomischen Interessen. Regelmäßig geschieht dies heute im Namen des Friedens. Das Verhältnis von Staaten, im Grunde genommen ihrer Regierungen, wird politisch wie wissenschaftlich wesentlich unter Macht-und Konfliktgesichtspunkten betrachtet. Das Denken in Gleichgewichten, Stabilität und als überlegen angesehenen westlichen Standards-allen voran wohlfahrtsstaatliche Demokratie und ein dementsprechend erforderlicher Staatsaufbau-spielen eine zentrale Rolle. Antagonismen resultieren regelmäßig aus ideologisierten Kollektivismen, wie das Aufputschen der Völker vor dem Ersten Weltkrieg besonders eindringlich zeigt.
1
Michael von Prollius
Grundsätze liberaler Außenpolitik im 21. Jahrhundert1
„Es wird (...) noch immer nicht beachtet, daß ewiger Frieden nur durch restlose und allgemeine
Durchführung des liberalen Programms erreicht werden kann, und daß der Weltkrieg nichts
anderes war als die natürliche und notwendige Folge der antiliberalen Politik der letzten
Jahrzehnte.2
„Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staats gewalttätig
einmischen.“3
Über die Wirtschaft hinaus ist die Außenpolitik ein klassisches Betätigungsfeld für Interventionisten.
Die Geschichte der Außenpolitik ist vor allem eine Geschichte der Einmischung in die Angelegenheiten
anderer Völker, ob politisch oder militärisch, vielfach geleitet von ökonomischen Interessen.
Regelmäßig geschieht dies heute im Namen des Friedens. Das Verhältnis von Staaten, im Grunde
genommen ihrer Regierungen, wird politisch wie wissenschaftlich wesentlich unter Macht- und
Konfliktgesichtspunkten betrachtet. Das Denken in Gleichgewichten, Stabilität und als überlegen
angesehenen westlichen Standards - allen voran wohlfahrtsstaatliche Demokratie und ein
dementsprechend erforderlicher Staatsaufbau - spielen eine zentrale Rolle. Antagonismen resultieren
regelmäßig aus ideologisierten Kollektivismen, wie das Aufputschen der Völker vor dem Ersten
Weltkrieg besonders eindringlich zeigt.
Bereits die Beseitigung der durch Interventionismus begründeten Probleme im Zuge einer Strategie des
ungehinderten weltweiten Austauschs, der Nicht-Einmischung und der Stärkung internationalen Rechts
würde wesentliche Herausforderungen aktueller Außen- und Sicherheitspolitik beseitigen.
Nach dem vermeintlichen „Ende der Geschichte“ wird in Deutschland die Bundeswehr in eine
Interventionsarmee umstrukturiert. Im Zusammenhang mit dem sogenannten „Krieg gegen den
Terror“ hat der amerikanische Gouverneur und Präsidentschaftskandidat Ron Paul eine weitreichende
1 Der Aufsatz ist aus einem Vortrag mit anschließender Diskussion im Rahmen des „Liberalen Privatseminars in der
Tradition von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek“ hervorgeg angen. Wertvolle Hinweise verdanke ich
Isabell Heuber, Norbert F. Tofall und Erich Weede.
2 Mises, Ludwig von: Liberalismus; Sankt Augustin 2000, S. 98.
3 Kant, Immanuel: Zum ewigen Frieden; Bern/München/Wien o.J., S. 13.
2
Erkenntnis auf die Kurzformel gebracht: „They are here, because we are there.“4 Derweilen wird in
Afghanistan ein „endloser Krieg“5 geführt. Auf Deutschland übertragen könnte es statt „Deutschland
wird am Hindukusch verteidigt“ angesichts terroristischer Bedrohungen heißen „Der Hindukusch wird
in Deutschland verteidigt“. Indes bleibt festzuhalten: Es gibt praktisch keinen Krieg gegen Staaten,
sondern nur gegen Menschen, die darunter leiden.
Zugleich vollziehen die Menschen im islamischen Krisenbogen eine Freiheitsrevolution, die als
„Arabischer Frühling“ in die Geschichte eingeht – eine Revolution, die letztlich auf Freiheit, Recht und
Selbstbestimmung im islamischen Selbstverständnis vor dem Hintergrund abendländisch-universaler
Prinzipien abzielt.
Grund genug, um auf die Prinzipien liberaler Außenpolitik, die Praxis liberaler Außenpolitik und die
Herausforderungen liberaler Außenpolitik im 21. Jahrhundert zu blicken.6 Dafür werden im Folgenden
ordnungspolitische Prinzipien entwickelt, die als Maßstab für die praktische Ausgestaltung einer liberal
fundierten Außenpolitik Orientierung bieten sollen. Eine dezidierte Einordnung und Abgrenzung
innerhalb der Theoriediskussionen der Internationalen Beziehungen ist hingegen nicht beabsichtigt.
Zunächst werden klassisch-liberale Grundlagen nach Kant skizziert und daran anschließend sieben
liberale Prinzipien für die Außenpolitik postuliert. Im Abschnitt „Praxis der Außenpolitik“ wird anhand
der Beispiele Irak-Krieg, Iran-Sanktionsregime, State-/nationbuilding und Entwicklungshilfe aufgezeigt,
dass einerseits Interessenverfolgung nicht stringent verfolgt und andererseits liberale Prinzipien
weitgehend vernachlässigt werden. Im letzten Teil werden auf der Grundlage klassisch-liberaler
Prinzipien Lösungsansätze für eine prinzipienbasierte, handlungsorientierte Außenpolitik formuliert.
I. Prinzipien liberaler Außenpolitik
Das Staatenrecht (Völkerrecht) herrscht nach Immanuel Kant, „wo ein Staat als eine moralische Person
gegen einen anderen im Zustande der natürlichen Freiheit, folglich auch dem des beständigen Krieges
betrachtet, teils das Recht zum Krieg teils das im Kriege teils das, einander zu nötigen, aus diesem
Kriegszustande herauszugehen, mithin eine den beharrlichen Frieden gründende Verfassung, d.i. das
Recht nach dem Kriege zur Aufgabe macht“ wobei „im Völkerrecht nicht bloß ein Verhältnis eines
Staats gegen den anderen im ganzen, sondern auch einzelner Personen des einen gegen einzelne des
4 Paul, Ron: A Foreign Policy of Freedom. Peace, Commerce And Honest Freedom; Lake Jackson 2007.
5 Greiner, Bernd: Afghanistan der endlose Krieg?, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 56 (2011), H. 10.
6 Der hier verfolgte Ansatz orientiert sich an klassisch-liberalen Prinzipien und Werten. Eine Positionierung innerhalb der
liberalen Schule der Internationalen Beziehungen ist nicht beabsichtigt.
3
anderen, im gleichen gegen den ganzen andren Staat selbst in Betrachtung kommt“.7
Was bedeutet das für die Prinzipien liberaler Außenpolitik? Nach Kant genießt das Staaten-
/Völkerrecht Priorität. Dieses Recht muss gesetzt werden, denn das Staatensystem lässt sich im
Naturzustand durch einen anarchischen Zustand kennzeichnen. Es gibt noch keine Herrschaft des
Rechts. Es besteht eine latente Kriegsgefahr, da dem Recht des Stärkeren erst die Stärke des Rechts
entgegengesetzt werden muss, damit der Stärkere gewaltlos in die Schranken gewiesen werden kann.
Die Herrschaft des Rechts muss also an die Stelle des Naturzustands treten.
Praktisch trifft allerdings der auf Thomas Hobbes zurückgehende Bezug Kants, nämlich einer Anarchie
als Feindschaft aller Staaten und eines Krieges aller gegen alle, nicht zu. Es lassen sich keine
permanenten Kriegsvorbereitungen beobachten. Menschen haben kein natürliches Interesse, Krieg zu
führen, sondern leben lieber unbeeinflusst in Frieden. Bezeichnenderweise hat Hermann Göring diesen
Sachverhalt auf den Punkt gebracht, als er feststellte: Alles was man tun müsse, sei zu behaupten, das
eigene Land werde angegriffen und denjenigen, die für Frieden eintreten, mangele es an Patriotismus
und sie gefährdeten das Land.8 Besser als die Hobbes’sche eignet sich die Locke’sche Anarchie für eine
Charakterisierung der internationalen Beziehungen: Rivalität prägt die Welt, Ausbrüche von Gewalt
bedrohen die Sicherheit, aber nicht permanent. Aufgabe des Staates ist der Schutz von Eigentum -
Selbsteigentum (Leib und Leben) und Privateigentum.
Nach Kant9 haben Staaten grundsätzlich ein Recht zum Krieg, darüber hinaus gibt es ein Recht im
Krieg und das Recht nach dem Krieg. Ziel ist stets der Frieden durch Austritt aus dem Krieg. Das Recht
zum Krieg beinhaltet die Notwendigkeit, vor dem Kriegführen die Zustimmung der Staatsbürger
(mittels ihrer Repräsentanten) einzuholen. Der Staat hat das Recht, die Staatsbürger für Kriegsdienste
heranzuziehen, da er von ihnen für diesen Zweck geschaffen wurde. Das Recht zum Krieg besteht - nur
im Naturzustand - bei Lädierung durch Gewalt, Bedrohung, dazu zählt auch Kriegsrüstung, woraus
wiederum das Recht auf einen Präventivkrieg folgt, oder ein Machtungleichgewicht, weil es ein Recht
auf Gleichgewicht der Staaten gibt. Verboten sind hingegen Strafkriege, Ausrottungs- und
Unterjochungskriege, Plünderungen, Erstattung von Kriegskosten und heimtückische kriegerische
Mittel.
Staaten agieren als moralische Personen; damit sind sie gleichsam individualisiert und müssen den
7 Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten; Stuttgart 1990, S. 206.
8 Zitiert nach Paul, Ron: A Foreign Policy of Freedom. Peace, Commerce And Honest Freedom; S. 363.
9 Vgl. Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten; Stuttgart 1990, 206-16 (2. Abschnitt. Das Völkerrecht. §§ 53-61).
4
Ansprüchen an das Handeln von Individuen nach dem kategorischen Imperativ genügen: „Handle so,
daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten
könne.Das Kollektiv hat keine Vor- oder Überrechte im Verhältnis zum Individuum.
Aufgabe der Regierungen ist es, einerseits aus dem Kriegs- in den Friedenszustand einzutreten,
andererseits eine Verfassung zu schaffen, die einen anhaltenden Frieden erzeugt. Ein Völkerbund soll
Angriffe auf Mitgliedsstaaten abwehren. Er beruht auf einer föderalen Verfassung mit Austrittsrecht.
Die Herrschaft des Rechts, zumal weltweit etabliert, ermöglicht Frieden und bringt Staaten aus dem
Naturzustand heraus.
Welche Prinzipien lassen sich für eine liberale Außenpolitik von Kant ausgehend entwickeln?
1. Für die Außenpolitik gelten die gleichen Grundsätze wie für die Innenpolitik – liberale Prinzipien
einer freien Gesellschaft sind universell gültig. Die Aufgabe und Existenzberechtigung des Staates
besteht im Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Bürger, die ihn zu diesem Zweck geschaffen
und beauftragt haben. Die Herrschaft des Rechts bindet gerade auch den Staat. Menschen können
am besten selbstständig für ihre Geschicke sorgen. Das Handeln der Staatsvertreter muss
transparent und jederzeit überprüfbar sowie offenlegbar sein.
2. Nicht-Einmischung: Auch in der Außenpolitik haben unbeabsichtigte Konsequenzen staatlichen
Handelns - Interventionsspirale, Sperrhakeneffekt und die Verdrängung freier, friedlicher Initiativ -
ihre volle Berechtigung. Nicht-Handeln als Handeln und Nicht-Einmischung in die
Angelegenheiten anderer Völker sind daher die vornehmsten Aufgaben eines jeden Staates. Im
Vordergrund steht die freie, ungehinderte Kooperation der Menschen, die unter der Bedingung der
Freiheit ihr Leben besser führen und verantworten können als von Regierungen geführt und
gelenkt. Der Liberalismus selbst „dient der Erhaltung des gegenwärtig erreichten Standes und dem
weiteren Ausbau der wechselseitigen Kooperation der Menschen“.10 Recht und Humanismus sind
in diesem Sinne die Leitmotive außenpolitischen Handelns. Die Goldene Regel der Außenpolitik
lautet: Greife niemals ein anderes Land an! Die Menschen eines jeden Landes haben das Recht auf
Selbstbestimmung.
Darüber hinaus ist jedoch zu diskutieren, ob Interventionen in innere Angelegenheiten eines Staates
und damit die Verletzung von dessen Souveränität gerechtfertigt sind, wenn einer Einmischung
10 Mises, Ludwig von: Liberalismus, S. 93.
5
höherrangige Rechtsprinzipien (Menschenrechte) zugrunde liegen.11 Erforderlich ist hierfür eine klare,
konsequente Regelbindung.
Nicht-Einmischung darf aber nicht mit Isolationismus12 verwechselt werden und bedeutet auch nicht,
dass es überhaupt keine Eingriffe gibt oder ein absolutes Verbot des Kriegführens, vielmehr deckt das
Völkerrecht in eng begrenzten (Not)Fällen zu Recht Interventionismus. Schließlich ist das Recht mit
der Befugnis zu zwingen verbunden.
3. Krieg als letztes Mittel, um Frieden wiederherzustellen: Liberale Außenpolitik ist nicht pazifistisch.
Abschreckung, Aggression, aber auch Präventivkriege sind zwar keine geeigneten Mittel,
Wehrhaftigkeit hingegen schon. Gewalt darf mit Gewalt beantwortet werden.13 Kriegsrecht ist ein
(prekäres) Notrecht, um die bedrohte eigene Existenz zu verteidigen und zu sichern. Krieg ist
insofern das letzte Mittel, nachdem die Politik alle übrigen Mittel ausgeschöpft hat; Krieg ist aber
gerade nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Krieg lässt sich weder allein politisch,
noch moralisch und auch nicht ökonomisch legitimieren, sondern allenfalls durch die deutliche
Begrenzung oder/und Verringerung von Gewalt.14 Denn das Ziel des Kriegs muss der Frieden sein.
Allerdings ist Kriegführen auch mit dem propagierten Ziel den Frieden wieder herzustellen durch
weitreichende Beschränkungen und Herausforderungen limitiert, nämlich: 1. Die Zustimmung der
Staatsbürger, 2. die Begrenzung staatlicher Macht, 3. die Beseitigung des Interesses am Kriegführen.
Frei nach Lord Acton gilt: Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut. Folglich ist
eine strenge Limitierung staatlicher Handlungsbefugnisse unter Berücksichtigung der Zustimmung
der Bevölkerung gerade in so grundsätzlichen Fragen wie Krieg und Frieden erforderlich. Das gilt
11 Staaten haben ein Recht auf innere Souveränität. Zu ihrer Wahrung haben sich andere Staaten verpflichtet. Zugleich
haben Menschen ein Recht auf ein von staatlicher Gewalt unversehrtes Leben (universal gültige Menschenrechte). Diese
beiden Rechte können in Konflikt geraten, etwa durch unterschiedliche Formen von Gewaltherrschaft. Liberale
Institutionalisten wie Robert O. Keohane und Joseph S. Nye argumentieren, dass die innere Souveränität eines Staates
eingeschränkt werden kann, wenn ein höher bewertetes Rechtsgut eingeschränkt wird und durch die Intervention gewahrt
oder wieder hergestellt werden soll. Hinzu kommt, dass etwa im Fall einer Revolution der Staat keine Legitimitätsquelle für
seine Souveränität mehr besitzt das Volk stellt das auf die staatlichen Institutionen übertragene Repräsentationsmonopol
gerade in Frage.
12 Barry R. Posen plädiert mit seiner Forderung, sich von der Hegemonialstrategie der USA ab- und einem Schutz enger
nationaler Sicherheitsinteressen zuzuwenden, ebenfalls ausdrücklich nicht für Isolationismus, sondern für die Bewältigung
der seiner Ansicht nach großen sicherheitspolitischen Herausforderungen: Erhaltung der globalen Machtbalance, Kampf
gegen Terroristen und Eindämmen nuklearer Proliferation, in: Pull Back. The Case for a Less Activist Foreign Policy; in:
Foreign Affairs (Januar y/February 2013). Leider fehlt eine sozioökonomische Komponente praktisch vollständig.
13 Artikel 51 der UN-Charta anerkennt beispielsweise das „Recht zur Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten
Angriffs“. Nach dem Völkergewohnheitsrecht ist sogar ein Angriff gestattet, der einen Gegenangriff vorwegnimmt, wenn
„eine unmittelbare, überwältigende Notwendigkeit zur Selbstverteidigung besteht, die keine Wahl der Mittel und keine Zeit
mehr zu weiterer Überlegung lässt“ („Caroline-Formel“). Legale Präventivkriege unterliegen damit sehr restriktiven Regeln.
14 Siehe hierzu Münkler, Herfried: Die neuen Kriege; Reinbek bei Hamburg 2002.
6
umso mehr in Anlehnung an Kant: „Wer einmal die Gewalt in Händen hält, wird sich vom Volk
nicht Gesetze vorschreiben lassen und auch gegenüber anderen Staaten sich nicht vom Recht
beschränken lassen bei seiner Interessenverfolgung.“15 Allerdings bietet das Mehrheitsprinzip keine
verlässliche Sicherung für den Frieden und keine hinlängliche Sperre gegen Propaganda und
Ideologisierung durch Kriegstreiber insbesondere der Staatsführungen. Um den Frieden zu
erhalten, gilt es daher das Interesse am Kriegführen zu beseitigen. Entscheidende Voraussetzung
bildet eine Ordnung der Freiheit für eine offene Gesellschaft, die Lebensverhältnisse ermöglicht,
die dem Interesse am Kriegführen abträglich sind.16 Zudem besteht eine wichtige Aufgabe darin,
das Bild vom Krieg zu ändern. Krieg sollte konsequent gebrandmarkt und entlarvt werden.17 Krieg
hat nichts Heroisches. Krieg bringt Verarmung, Tod und Verstümmelung mit sich. Das gilt umso
mehr, als Krieg und ausufernde Staatstätigkeit Brüder sind, oder mit Friedrich Schiller: Der Krieg
ernährt den Krieg.
4. Kapitalismus, verstanden als freie Marktwirtschaft, ist der beste Friedensgarant: Offene Märkte,
Vertragsfreiheit, Privateigentum, Freihandel – weder Schutzzölle noch nicht-tarifäre
Handelshemmnisse – und Rechtssicherheit ermöglichen den Tausch über politische Grenzen
hinweg und damit die Kooperation unterschiedlicher Menschen und Völker. Die internationale
Arbeitsteilung ist ein schlagendes Anti-Kriegsargument, auch mit Blick auf die verheerenden
Langzeitfolgen des Ersten Weltkrieges für die bereits globalisierte Welt. Von Frédéric Bastiat
stammt die bekannte Weisheit, sobald Güter Grenzen nicht mehr überqueren dürfen, werden es
Soldaten tun. Sobald hingegen „Kapital und Arbeit auch ins Ausland wandern können, .. schwindet
die Berechtigung, eine Unterscheidung zwischen den Wirkungen des Freihandels im Binnenverkehr
und im Außenverkehr zu machen.“18 Es versteht sich von selbst, dass alle freiwillig geschlossenen
Verträge respektiert werden müssen. Frieden und Freihandel19, unbeschränkte Selbstbestimmung
und Kooperation stehen im Mittelpunkt einer liberalen Außenpolitik. Schließlich zielen die
15 Kant, Immanuel:Ewiger Frieden, S. 60f.
16 Vgl. Mises, Ludwig von: Liberalismus, S. 98f.: „Damit der Frieden nicht gestört werde, muss man das Interesse am
Kriegführen beseitigen. Man muss eine Ordnung aufrichten, die Völkern und Volksteilen Lebensverhältnisse schafft, mit
denen sie soweit zufrieden sind, dass sie nicht zum Verzweiflungsmittel des Krieges greifen. Der Liberale geht nicht darauf
aus, den Krieg durch Sittensprüche und Predigten abzuschaffen. Er sucht in der Gesellschaft Bedingungen zu schaffen, die
die Kriegsursachen beseitigen.“
17 Robert Higgs warnt zu Recht davor, dass Kriegsgründe grundsätzlich auf schwachen Behauptungen und vielfach auf
Propaganda beruhen. Zudem würden die Kriegsfolgen auf schlechten Spekulationen über das beruhen, was geschehen
würde, wenn man nicht handele. Siehe Higgs, Robert: War is horrible, but …; in: The Independent Review, 17 (2012), H. 2,
S. 314f.
18 Mises, Ludwig von: Liberalismus, S. 118, vgl. systematisch auch Boudreaux, Don: Globalization; Wes tpor t 2008.
19 Bei vollkommener Freiheit des Güter- und Dienstleistungsverkehrs, von Arbeit und Kapital, würden die
Standortbedingungen über die günstigste Produktion entscheiden. Privatbahnen könnten dann beispielsweise problemlos
mehrere Länder durchfahren, was bei nationalen Bahnen Probleme hervorruft. Ähnlich verhält es sich mit Häfen, Flughäfen
und Fernstraßen, die in der Hand privater Betreiber keinen Anlass für politische Reibereien bieten.
7
Austauschbeziehungen zwischen Menschen auf eine Verbesserung der Situation beider Seiten.
5. Eine Rahmenordnungspolitik zur Stärkung liberaler Institutionen weltweit gehört ebenfalls zu den
liberalen außenpolitischen Prinzipien, also das friedliche, aber nachdrückliche Eintreten für eine
freie Gesellschaft. Praktisch bedeutet das heute eine Politik in Richtung der Römischen Verträge
mit einer Grundrechtscharta und Freihandel sowie Freizügigkeit für Arbeit und Kapital. Die Devise
muss lauten: „Menschenrechte sind unverletzlich und Freihandel ohne Ausnahme!“ und sie muss
alle Staaten der Erde einbeziehen.
Praktisch bedeutet das, für die Einhaltung unveräußerlicher Rechte einzutreten, Verstöße
anzuprangern und Freihandel nicht von Reziprozität, also nicht von den Zugeständnissen anderer
Staaten ebenfalls Freihandel zuzulassen, abhängig zu machen. Deren Zollbarrieren und nicht-
tarifäre Handelshemmnisse schaden zuallererst der Bevölkerung des Staates, der den Freihandel
einschränkt.
6. Die Gewährung eines uneingeschränkten Rechts auf Sezession und damit selbstbestimmte
Staatsbildung ist ein konsequent liberaler Grundsatz, der im Selbstbestimmungsrecht der Völker
verankert wurde. Aus grundsätzlichen Erwägungen und der Notwendigkeit, das herrschende
Staatensystem (in seinen Grenzen) friedlich anpassen zu können, ist diesem
Selbstbestimmungsrecht ohne Wenn und Aber zur Geltung zu verhelfen. Die Möglichkeit, die
Staatsgrenze friedlich zu verlegen, wenn die Bewohner eines Gebietes das wünschen, beseitigt eine
wichtige Konfliktursache, wie Ludwig von Mises aus eigener Anschauung wusste; viele Kriege des
19. und 20. Jahrhunderts wären vermieden worden.20
Große Bedeutung kommt hierbei Plebisziten zu. Die Bewohner eines Gebietes sollen abstimmen,
zu welchem (neuen) Staatsgebiet sie gehören wollen. Minderheiten müssen um ihre
Lebensbedingungen fürchten, wenn die Regierung eines Staates in der Hand von Angehörigen einer
anderen Ethnie, Nation oder Religion ist und keine Möglichkeit zum politischen Ausweichen
besteht. Aktuelle Beispiele aus dem Mittleren Osten wie Bahrain, Syrien und Irak, um nur drei zu
nennen, sprechen in den Medien regelmäßig für sich.
Insgesamt gilt, dass Staatsgrenzen ihre Bedeutung im Zuge liberaler Außenpolitik (weiter) verlieren
20 Heute ist das in Europa beispielsweise mit Blick auf die Basken, die Konflikte in Belgien, aber auch auf dem Balkan und
Bestrebungen der Schotten ein auch aktuell bedeutsames Recht. Am Rande Europas wird beispielsweise den Kurden dieses
Recht verwehrt.
8
sollten. Die EU ist in dieser Hinsicht in gewisser Hinsicht ein positives Beispiel, problematisch ist
aber ihre zentralistische Verfasstheit.21 Ein Weltstaat ist eine alte Forderung des Liberalismus,
allerdings nicht als zentralistischer Staat, sondern als Verbindung aller Völker unter allgemeinen
Rechtsgesetzen. Deshalb ist das Völkerrecht dem Staatsrecht übergeordnet. Dementsprechend
gehören über Staaten stehende Gerichte und Behörden, die den Frieden zwischen Staaten
sicherstellen sollen, zu den liberalen Prinzipien, wenn die mit ihnen besetzten Personen sich dem
Schutz und der Mehrung der Freiheit verschrieben haben.
7. Frieden kann weltweit letztlich nur durch Beschränkung der Staatstätigkeit auf die absoluten
Kernaufgaben gesichert werden. Sobald die Bedeutung des Staates für jeden einzelnen gering ist
und die Staatsführung nur geringfügige, stark beschränkte Möglichkeiten besitzt, Herrschaft über
die Bürger auszuüben, werden Kriege und kriegsähnliche Auslandseinsätze eine unattraktive und
beschwerliche Angelegenheit.22
II. Praxis außenpolitischen Handelns
Der Irak-Krieg und das iranische Sanktionsregime, die nachfolgend eingehender thematisiert werden,
stehen für eine interessengeleitete Praxis außenpolitischen Handelns im Namen der Freiheit.
Problematisch ist dabei indes, dass liberale Interessen nicht dominierten und auch die konkrete Politik
nicht liberalen Prinzipien genügte. In grundsätzlicher Form gilt das auch für zwei langjährige
außenpolitische Praktiken- State-/nationbuilding und Entwicklungshilfe –, die ebenfalls nachfolgend
kurz untersucht werden.
1. Irak-Krieg
Der Irakkrieg erscheint als ein Paradebeispiel für die folgenschwere Differenz zwischen Absicht und
Resultaten von Regierungshandeln in außen- und sicherheitspolitischen Belangen. Kennzeichnend
waren Gruppendenken und die kumulative Radikalisierung eines politischen Entwicklungsprozesses,
der von bemerkenswert schlichten, emotionsgeladenen Motiven einer kleinen, abgeschlossenen Gruppe
von Regierungsmitgliedern angetrieben wurde, darunter Präsident George W. Bush,
21 So verfolgen die EU-Zentristen andere Ziele als ein freiheitliches Europa im liberalen Sinn. Sie verlagern die nationalen,
umfassenden Kompetenzen lediglich auf die supra-nationale Ebene, um so einen einheitlichen, mächtigen, geschlossenen
Raum zu bilden. Eine direkte Folge ist die sich abzeichnende Absicht, die Entwicklung der Welt gestalten zu wollen, auch
mit Auslandseinsätzen von Streitkräften, um dem perzipierten Machtpotenzial zur Geltung zu verhelfen.
22 Die Privatisierung von Streitkräften ist keine geeignete Alternative. Frieden ist keine Frage mangelnder Effizienz, sondern
machtpolitischer und ökonomischer Anreize. Aus (sesshaften) Privatarmeen würden aller Voraussicht und historischer
Erfahrung nach Staaten entstehen.
9
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und Vizepräsident
Richard Cheney. Der Krieg lag noch nicht einmal im nationalen amerikanischen Interesse, wie 33
führende Repräsentanten der neorealistischen Schule der Internationalen Politik bereits am 26.
September 2002 in der New York Times darlegten und in Foreign Policy Anfang 2003 umfassender
begründeten.23
Eine Untersuchung der Kriegsgründe ermöglicht eine Aufteilung in Rahmenbedingungen und Ziele. Zu
den Rahmenbedingungen gehören eine dünne, einseitig selektierte und instrumentalisierte
Informationsbasis, zudem die Fehlkalkulationen der politischen Führung der USA wie des Irak, ferner
das Versagen der Medien als Kontrollinstanz und schließlich eine zur Selbsttäuschung führende US-
Propaganda. Als zentralen Kriegsgrund im Sinne eines Ziels führt Stephan Bierling in seiner
„Geschichte des Irakkriegs“ den Wunsch Bushs und seiner Berater an, „durch eine Demonstration der
eigenen Macht ein Exempel zu statuieren und nach den Anschlägen vom 11. September das
Risikokalkül aller potentiellen Feinde der USA zu verändern“.24 Hingegen sei der Irakkrieg weder durch
die Neokonservativen verursacht noch maßgeblich für Israel, Öl oder Militärbasen geführt worden.
Die Kriegsbilanz fällt verheerend aus: Mehr als 100.000 tote Zivilisten, ein traumatisiertes, instabiles
Land, ca. 2 Billionen US-Dollar Kosten, zudem die Schwächung der amerikanischen Stellung in der
Welt, ein an den Zielen gemessen kontraproduktiver Eingriff in die Region und das Schüren von
Antiamerikanismus. Immerhin wurde ein Diktator gestürzt und beseitigt, die US-Staatsführung erwies
sich als (doch noch) lernfähig – George W. Bush warf in letzter Minute das Ruder herum – und das
Horrorszenario eines weithin destabilisierten Mittleren Ostens blieb aus. Gleichwohl ist der Irakkrieg
nicht „der Schlüssel zur Lösung der Konflikte im Mittleren Osten und zur Demokratisierung der
arabischen Welt“.25
Die außenpolitische Zurückhaltung Deutschlands war hier angemessen. Ein Verzicht auf den Krieg
hätte darüber hinaus hunderttausende unbeabsichtigte oder billigend in Kauf genommene
Konsequenzen vermieden. Das gilt gerade auch als sich mit Blick auf den irakischen Diktator und sein
Regime die Frage stellt, ob der Arabische Frühling nicht ebenfalls zu massenhaften Protesten und
Forderungen nach einem Rücktritt Saddams in Bagdad, Arbil, Kirkuk, Basra und anderen Städten
23 Der Anzeigentext in der New York Times „War With Iraq Is Not in America's Interest“ ist unter http://www.bear-
left.com/archive/2002/0924oped.html abrufbar. Der Aufsatz stammt von: Mearsheimer, John/Walt, Stephen: An
Unnecessary War; in: Foreign Policy, Nr. 134 (January/February 2003), S. 50-59.
24 Bierling, Stephan: Geschichte des Irakkriegs. Der Sturz Saddams und Amerikas Albtraum im Mittleren Osten; München
2010, S. 100.
25 Ebd., S. 223. Angemerkt sei, dass George Bush Senior weiser als sein Sohn gehandelt hat, indem er den Aggressor aus
Kuwait vertrieb, militärisch besiegte, aber den Irak nicht eroberte und besetzte.
10
geführt hätte.
Das Beispiel zeigt außerdem, dass unter Berücksichtigung liberaler Prinzipien gerechtfertigt ist, das
ethnisch-konfessionell heterogene irakische Volk selbst für sein Schicksal verantwortlich zu machen.
Freihandel statt Sanktionen, ggf. auch Monitoring, Kontrolle und Direkthilfen hätten diese
Bemühungen unterstützt.
2. Iran - Sanktionsregime
Am Beispiel Iran lässt sich die Frage diskutieren, ob militärische Gewalt und wirtschaftspolitischer
Zwang geeignete Mittel sind, um selbstgesteckte politische Ziele zu erreichen. Die Islamische Republik
Iran ist bekannt für ihr Hegemonialstreben am Persischen Golf und das Streben nach einer
Nuklearwaffenoption. Eine Betrachtung aus Sicht Irans führt zur Wahrnehmung eines
Sicherheitsdilemmas: Iran ist eingekreist von US-Streitkräften. Mit Israel, Pakistan, Russland und China
befinden sich vier Nuklearwaffenstaaten in der Nachbarschaft. Iran liegt in Reichweite US-
amerikanischer Nuklearwaffen. Der Nahost-Konflikt und der ethnisch-religiöse Konflikt zwischen den
die Region zahlenmäßig dominierenden Sunniten und der schiitischen Minderheit kommen hinzu. Jeder
Versuch, die Sicherheitslage zu Irans Gunsten zu verbessern, wird als Bedrohung der anderen Staaten
wahrgenommen. Zugleich gilt die Fähigkeit zur nuklearen Abschreckung als besonders effektive
Sicherheitsgarantie, die konventioneller Abschreckung überlegen ist.26
Insbesondere der Westen will Iran zu einem Kurswechsel zwingen. Das jahrzehntelange US-
Sanktionsprogramm wurde sukzessive intensiviert und international erheblich erweitert. Nicht nur
ökonomische Vernunft, sondern auch maßgebliche politikwissenschaftliche Schulen27 kommen zu dem
Ergebnis, dass weder Sanktionen noch der Einsatz militärischer Gewalt die Grundproblematik zu lösen
vermögen. Tatsächlich haben sich Sanktionen an den gesetzten Zielen gemessen bisher regelmäßig als
26 Siehe Thränert, Oliver: Der Iran und die Verbreitung von ABC-Waff en; SWP: Berlin August 2003 (http://www.swp-
berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/S2003_30_trt.pdf, abgerufen am 22.04.2012) und Reissner, Johannes:
Irans Selbstverständnis als Regionalmacht. Machtstreben im Namen antikolonialer Modernität; SWP: Berlin Oktober 2008
(http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2008_S29_rsn_ks.pdf, abgerufen am 22.04.2012).
27 Dazu gehören die auf Machtpolitik ausgerichteten Realisten, die sogenannten Liberalen oder Institutionalisten, welche
ökonomische und politische Verflechtungen sowie Kooperation als kriegs-/konfliktmildernd interpretieren, und schließlich
die Konstruktivisten, die die Wirkung von Ideen, die Bedeutung gesellschaftlicher Diskussionen sowie die Rolle von
Erwartungen und Verhaltensnormen betonen. Exemplarisch sei zudem Stephen M. Walt genannt, der einen reformierten
Realismus unter Berücksichtigung der Macht ökonomischer Kräfte und den Wandel von Interessen und Identitäten im
Zeitablauf vertritt und Alexander Wendt, der der Auffassung ist, dass internationale Institutionen staatliche Interessen und
Identitäten verändern können. Kooperation helfe, zumal Akteure Entscheidungen regelgeleitet treffen, wobei intersubjektiv
geteilte, wertegestützte Erwartungen an ein angemessenes Verhalten ausschlaggebend seien.
11
ungeeignet, teilweise auch als kontraproduktiv erwiesen.28
Aus neorealistischer Perspektive kann Iran keine außenpolitische Balancierung vornehmen, weil es trotz
russischer und chinesischer Sympathien weitgehend isoliert ist. Der Aufbau einer nuklearen
Abschreckungskapazität ist eine naheliegende Alternative. Die drei regionalen Nuklearmächte sind
nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags. Die Vertragsbedingungen machen einen Beitritt für eine
Nicht-Atommacht unattraktiv (Institutionalisten). Auch die Sicht der Sozial-Konstruktivisten kommt zu
dem Ergebnis, dass der Einsatz militärischer Gewalt das Sicherheitsdilemma nur verschärfen würde.
Um den Anreiz zu beseitigen, müssten andere Maßnahmen ergriffen werden einschließlich
glaubwürdiger Sicherheitsgarantien. Stattdessen wurde ein immer engmaschigeres Sanktionsregime
geknüpft. Die Folgen sind Abschottung des Landes, innenpolitische Verhärtung, Festhalten an den
Nuklearambitionen und Fortbestehen des Hegemonialstrebens. Mit einer offenen, aber für
Proliferationsgüter kontrollierten Handels- und Kulturpolitik wäre das absehbar nicht passiert.
Sanktionen und Blockaden gehören zu den Mitteln, die im Krieg eingesetzt werden. Genauso wie
militärische Drohungen schaden sie dem Handel und friedlichen Austausch zwischen Menschen.
Zudem provozieren und verstärken sie eine Bunkermentalität. Angestrebte Verhaltensänderungen
bewirken sie indes nur selten. Kontraproduktive Symbolpolitik ist die Folge.
Das Beispiel zeigt, dass unter Berücksichtigung liberaler Prinzipien eine Stärkung der
Handlungsspielräume iranischer Bürger durch Freihandel statt Sanktionen, durch internationale
Verhandlungen mit weniger Vorbedingungen bei Anerkennung einer zeitweise liberaleren iranischen
Außenpolitik sowie der Anwendung gleicher Rechtsmaßstäbe für alle Staaten in der Region die
Entstehung neuer Probleme vermieden und die Selbstbestimmung der Völker unterstützt hätte.
3. Statebuilding, nationbuilding
Seit den 1990er Jahren wächst die Tendenz in der Politik, Bedrohungen und Risiken für internationales
Handeln stärker zu gewichten und zu berücksichtigen. Zerfallende und zerfallene Staaten wurden als
Quelle überspringender Probleme identifiziert, internationales Eingreifen immer stärker als notwendig
angesehen. Truppen vor Ort erwiesen sich jedoch regelmäßig nicht in der Lage, die Konflikte zu lösen.
28 „Die Erfahrungen mit Sanktionen deuten darauf hin, dass diese in aller Regel nicht besonders erfolgreich sind.“ Hefeker,
Carsten/Menk, Karl-Wol f g a ng: Wie wirkungsvoll sind Sanktionen? Das Beispiel Südafrika; HWWA-Report: Hamburg 2002
(http://www.econstor.eu/bitstream/10419/32934/1/356982777.pdf, zuletzt aufgerufen am 20.04.2012). Grundsätzlich:
Hufbauer Garry C./Schott, Jeffrey J./Elliott, Kimberly A. (Hg.): Economic Sanctions Reconsidered: History and Current
Policy; Washington 2008. Demnach haben Dreiviertel aller untersuchten Sanktionen das explizite Ziel verfehlt und bei den
Übrigen wurden lediglich Teilerfolge erzielt.
12
Statebuilding wurde daher als Instrument auserkoren, um Konflikte zu managen, einzugrenzen und zu
regeln. Vorbild ist der funktionsfähige westliche Staat – die Verankerung staatlicher Institutionen nach
westlichem Vorbild misslang indes regelmäßig.
Berit Bliesemann de Guevara und Floria P. Kühn sind in „Illusion Statebuilding“ der Frage
nachgegangen, warum der westliche Staat so schwer zu exportieren ist. Sie liefern folgende Antworten:
Statebuilding als Aufbau gesellschaftlich eingebetteter Herrschaftsstrukturen ist eine Illusion. Ergebnis
sind Potemkin'sche Fassaden, nicht stabile Institutionen. Es besteht eine formale Ähnlichkeit bei
strukturellen Unterschieden, weil Sozialbeziehungen in den Ländern anderen Mustern und Logiken
folgen. Der Staat durchdringt die Gesellschaft nicht und kann politische Ziele nicht umsetzen - zugleich
nutzt die Gesellschaft staatliche Funktionen kaum: „Persönliche Bindungen und informelle
Arrangements, häufig verstärkt durch ökonomische Abhängigkeiten, prägen die Beziehungen zwischen
Staat und Gesellschaft und gelten als vielversprechender als formelle Verfahren.“29 Internationales
Statebuilding stößt an „strukturelle Grenzen, die es nicht überwinden kann, egal wie ausgefeilt die
Reformprojekte sind.“30 Es sei eine Selbsttäuschung des Westens, das Ziel der Friedensschaffung durch
Militäreinsatz, Institutionenaufbau, Marktliberalisierung und Demokratisierung von außen umzusetzen.
Die westliche Statebuilding-Politik sei letztlich selbstbezogen. Dies komme mit Blick auf die sozialen
Auswirkungen auf die Bevölkerung einer „organisierten Verantwortungslosigkeit“31 gleich.
Der Staat sei nicht per se die Lösung, das Fehlen von Staatlichkeit kein grundsätzlicher Mangel,
Ausdruck von Instabilität und Sicherheitsproblemen. Zugleich kann der Staat Teil des Problems sein,
etwa wenn sich einzelne Gruppen seiner bemächtigen. Zudem ist der Staat ein historisch gewachsenes
Phänomen - im Westen von innen heraus vollzogen, außereuropäisch häufig durch das internationale
Staatensystem vorgegeben. Die westliche etatistische Brille kann daher den Blick auf die tatsächlichen
Probleme verstellen.
Eine herausragende Bedeutung besitzen lokal vorhandene Ordnungen, die nicht staatlicher Natur sein
müssen. Interventionen laufen Gefahr, die Verbindung politischer Rechenschaft zwischen Bevölkerung
29 Bliesemann de Guevara, Berit/Kühn, Florian P.: Illusion Statebuilding. Warum sich der westliche Staat so schwer
exportieren lässt; Edition Körber Stiftung: Hamburg 2010, S. 12; ähnlich Stewart, Rory Stewart/Knaus, Gerald: Can
Intervention Work?; New York/London 2011, die gestützt auf Untersuchungen zu Afghanistan und Bosnien
argumentieren, dass der Schlüssel zum Erfolg nicht bei demjenigen liegt, der interveniert, sondern bei der lokalen
Bevölkerung.
30 Ebd., S. 15. Coyne, Christopher J.: After War. The Political Economy of Exporting Democracy; Stanford 2008 weist
zudem auf folgende Konstellation hin: Wiederaufbau wird durch externe und interne Faktoren beschränkt, dort am
stärksten, wo politischer, sozialer und ökonomischer Wandel besonders drängend ist. Klassische Wiederaufbaumaßnahmen
funktionieren dort am schlechtesten, wo sie am stärksten benötigt werden.
31 Ebd., S. 15, S. 179.
13
und Herrschern auf die internationale Ebene zu verlagern. Ein derartiger Interventionismus
widerspricht „den Grundwerten liberaler, westlicher Stabilität, nämlich politischer Selbstbestimmung,
Souveränität und demokratischer Willensbildung.32
Ihr Plädoyer lautet: Im Umgang mit Krisen ist es notwendig, realistisch und bescheiden zu handeln und
„letztlich die Selbsttäuschung umfassender Gestaltungsfähigkeit im State building zu beenden.33 Der
Staat besitze nicht nur eine internationale, sondern vor allem eine gesellschaftliche Funktion, und dieser
Teil des Staates lasse sich nicht exportieren. Interventionen müssten angesichts der Lücke zum Idealbild
tendenziell ewig andauern. Tatsächlich könnten Interventionen aus strukturellen Gründen nicht enden.
Das gelte umso mehr, als das Statebuilding-Konzept davon ausgeht, der Staat produziere gleichsam
automatisch Sicherheit und Wohlfahrt. Das sei nicht der Fall. Um diesem Ziel nahe zu kommen, gelte
es vom westlichen Staatsverständnis abzuweichen und Regionalisierung statt Zentralisierung sowie
genossenschaftliche, staatliche und privatwirtschaftliche Ordnungsmodelle im Einzelfall abzuwägen.
Adressat wäre dann nicht der Staat oder die Nation als solches, sondern ein dezentrales Vorgehen, bei
dem beispielsweise die Stämme zu Adressaten werden.
Diesem bemerkenswert liberalen Plädoyer lässt sich noch hinzufügen: Zivilgesellschaften können nicht
konstruiert werden, sie müssen wachsen. Da allein individuelle Freiheit Zivilisation bewahren und
fortentwickeln kann, sollten alle Ziele, Mittel und Instrumente der Außenpolitik auf ihren Erhalt
gerichtet sein – nicht mehr und nicht weniger. Die Adressaten sind indes auf lokaler Ebene zu finden
und liegen damit häufig außerhalb der Reichweite anderer Regierungen.
4. Entwicklungshilfe
Theoretiker und Praktiker zweifeln daran, dass die praktizierte Entwicklungshilfepolitik die selbst
gesteckten Ziele erreichen kann. Mahnende Stimmen kritisieren ferner ihre kontraproduktiven
Wirkungen. Die wesentlichen Argumente sind dabei:
a) Die Entwicklungshilfe erreicht die Ärmsten nicht, weil machtpolitische Realitäten ausgeblendet und
falsche Instrumente eingesetzt werden. Paul Collier, langjähriger Feldstudienanalyst der ärmsten Länder
der Welt, kommt zu dem Ergebnis, die Politik habe in Bezug auf „The Bottom Billion“34 versagt.
Autokraten halten Menschen weiter in der Stagnation gefangen. Die Probleme konzentrierten sich in
32 Ebd.
33 Ebd., S. 181.
34 Collier, Paul: The Bottom Billion. Why the Poorest Countries Are Failing and What Can Be Done About it; New York
2008, nachfolgend siehe Part 4 „The Instruments“, S. 99-156.
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den ärmsten Ländern. Dort gebe es einen Kampf zwischen Reformern und Machteliten, den Collier
allerdings für erfolgreich beeinflussbar hält. Er nennt vier Instrumentenkategorien: Hilfe (Geld),
Handel, Militärinterventionen und schließlich Normen und Verfassungen.
Geld sei bisher jedoch zu viel und zu schnell geflossen, es versickere regelmäßig in korrupten Kanälen.
Ferner helfe Handel beispielsweise Afghanistan nicht weiter, das derzeit nur Opium für den Export zu
bieten habe. Mehr robust herbeigeführte Sicherheit in Kombination mit einer Herrschaft des Rechts
würde hingegen eine verbesserte Hilfe ermöglichen und zwar dort, wo sie besonders notwendig sei.35
Dagegen würde den „Bottom Billion“ durch Protektionismus und Sanktionen gegen die Regime nur
Schaden zugefügt.
b) Die Entwicklungshilfe schafft Abhängigkeit, aber keine Selbstständigkeit. Übersteigt die
Entwicklungshilfe acht Prozent des Bruttosozialprodukts, so wirkt sie kontraproduktiv.36 Mussie Habte
urteilt: „Die Bilanz von fünf Jahrzehnten Entwicklungspolitik für Afrika könnte verheerender kaum
sein“.37 Es seien keine ökonomischen und politischen Entwicklungen in Gang gesetzt worden, trotz
Milliardenzuwendungen. Afrika sei zu einem „Kontinent von 'Bettlern'“ degeneriert, die Macht von
Despoten wurde konsolidiert. Er gelangt zu der Schlussfolgerung: „(…) zentral für die Lösung der
Probleme ist und bleibt das Engagement der afrikanischen Staaten selbst.“ Afrikaner wie Habte stehen
mit dieser Ansicht auf dem Schwarzen Kontinent nicht allein. Der kenianische Wirtschaftsexperte
James Shikwari sprach schon vor Jahren von „Fehlentwicklungshilfe“ und die sambische Ökonomin mit
internationaler Arbeitserfahrung Dambisa Moyo fordert in „Dead Aid“ sogar ein Ende der
Entwicklungshilfe und stattdessen Freihandel sowie ein Engagement auf internationalen
Kapitalmärkten; zugleich begrüßt sie die umfassenden chinesischen Direktinvestitionen in die
Infrastruktur als Vorbild.38
c) Die Qualität der Regierungsführung ist entscheidender als Entwicklungshilfe, Wirtschaftsreformen in
35 Paul Collier vertieft diese Problematik in: Wars, Guns, and Votes. Democracy in Dangerous Places, New York 2009 mit
Blick auf politische Gewalt, in dem er einen sehr begrenzten Einsatz internationaler Streitkräfte fordert, um Sicherheit zu
schaffen und Regierungen zu verantwortungsvollem Handeln zu verpflichten.
36 Vgl. Easterly, William: Wir retten die Welt zu Tode. Für ein professionelleres Management im Kampf gegen die Armut;
Frankfurt am Main 2008.
37 Habte, Mussie: Afrika neu denken; in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1 (2011), S. 67-73.
38 Moyo, Dambisa: Dead Aid. Why aid is not working and how there ist another way for Africa; London 2010. Ausgerechnet
von China könne sich die westliche Außenpolitik Anregungen für eine Strategie abgucken, ohne die gravierenden
(illiberalen) Defizite zu übersehen: die systematische und umfassende Sicherung von Rohstoffen, insbesondere Erdöl, in
Ver bindun g mit Wohls tand u nd Ent wick lung t reib en den Direk tinv esti tion en in die afrik anisc he I nfrast ru ktur , d ie in zwisch en
diversifiziert wurde u.a. in die Bereiche Tourismus, Telekommunikation und Textilien, aber auch kulturellen Austausch,
Gesundheit und Ausbildung umfasst. Davon profitiert auch Afrika, während der chinesische Einfluss in Wirtschaft, Politik
und Gesellschaft Afrikas einzigartig ist. Ob die Infrastruktur tatsächlich der Bevölkerung zugutekommt, hängt vom
Einzelfall ab.
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einem umfassenden Sinn besitzen gegenüber Demokratisierung Priorität. Nicht Demokratie schafft
Wohlstand, sondern Marktwirtschaft. Erforderlich ist ein funktionsfähiger Ordnungsrahmen mit
gesicherten Eigentumsrechten, Gewerbefreiheit, offenen Märkten, stabiler Währung und guter
Regierungsführung auch im Sinne solider Staatshaushalte. Um Armut zu überwinden kann eine
„beschäftigungsorientierte Entwicklungspolitik“ auf der Grundlage der konstituierenden Prinzipien der
Sozialen Marktwirtschaft geeignet sein. Eine vergleichsweise etatistische, aber erfolgsbewährte Strategie
hat Hans-Gert Braun in Anlehnung an Singapur entwickelt.39
Fazit: Nichts tun kann besser sein als in gut gemeinter Absicht zu schaden. Die Erfolgsfaktoren, um der
Armut zu entkommen, unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des Westens beim Übergang von
massenhafter ländlicher Armut zur industrialisierten Welt im 19. Jahrhundert: Der Schlüssel ist eine
institutionelle Revolution. Die Empirie unterstützt diese Sicht weltweit, ob Economic Freedom Index,
Easy of Doing Business Index oder World Competitiveness Report, Wohlstand entsteht dort, wo
Freiheit herrscht und sich private Initiative entfalten kann.
III. Perspektive und Lösungsansätze
Die vielfach illiberale außenpolitische Praxis bedeutet nicht nur, dass liberale Prinzipien nicht
(hinreichend) verfolgt werden, sondern in Europa auf EU-Ebene und in Deutschland Ziele noch
immer nicht klar definiert werden. Folglich ist es nur schwer möglich, Mittel und Wege adäquat zu
planen. Eine Diskrepanz zwischen Gewünschtem und Machbarem ist die Folge. Mitleid ist keine
hilfreiche politische Kategorie, der Unterschied zwischen handeln wollen und handeln können
respektive selbst handeln ist immens. Das derzeitig gängige Moralisieren ist ungeeignet und sollte durch
regelgebundenes Handeln ersetzt werden. Es entsteht eine Strategielücke, die nicht zuletzt einer
mangelnden Gewohnheit, in strategischen Interessen zu denken, geschuldet ist.40 Zur Strategielücke
kann sich leicht eine Kommunikationslücke gesellen. So ist Deutschland seit Jahrzehnten „Zahlmeister
39 Vgl. Braun, Hans-Gert: Armut überwinden durch Soziale Marktwirtschaft und Mittlere Technologie. Ein Strategieentwurf
für Entwicklungsländer; Berlin 2010. Zunächst sollen alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Vollbeschäftigung
untergeordnet werden. Es müsse ein dauerhafter, nachhaltiger und die Gesamtwirtschaft erfassender Entwicklungsprozess
ins Leben gerufen werden, der ohne Hilfe von außen auskomme. Dazu soll der Staat eine wirtschaftliche Infrastruktur
schaffen und systematisch ausreichend Einnahmen erzielen. Nicht Spitzen-, sondern Mittlere Technologie sei der
Erfolgsschlüssel, also die Technik, die in Deutschland vor rund 50 Jahren „state of the art“ war. Weniger Kapitalintensität
sei zumeist gefordert, die im Land eingesetzte Technologie müsse der Faktorausstattung angepasst werden. Der Aufbau
eines entsprechenden Finanzsektors, bei dem ausländische Direktinvestitionen eine unterstützende Rolle zugemessen
bekommen, weil der Selbsthilfe auch hier ein Primat zukomme, sei ebenfalls von großer, zumeist unterschätzter Bedeutung.
Erst in einer zweiten Phase gehe es um Produktivitätssteigerungen und Wachstumsorientierung.
40 Timo Noetzel hat in seinem gestochen scharfen Aufsatz „Germany's small war in Afghanistan: Military learning amid
politico-strategic Inertia“ (in: Contemporary Security Policy 31 (2010) H. 3, S. 486-508) das gravierende Missverhältnis
zwischen dem - nicht existenten - politisch-strategischen Denken in Berlin und den operativen Maßnahmen am Beispiel
Afghanistan-Einsatz aufgezeigt.
16
der EU“41 und alternativloser Euroretter, wird aber auch als Spalter Europas mit
Beherrschungsabsichten angefeindet. Anstelle einer Strategie des „Muddling-through“ (Charles E.
Lindblohm) bietet es sich an, konsequent auf liberale Ziele, Prinzipien und Praktiken zu vertrauen. Das
bedeutet, das Prinzip Zwang konsequent durch das Prinzip Vertrag zu ersetzen. Freiwilliger Austausch
ist die Grundlage von Frieden. Das bedeutet ferner Selbstbeschränkung. Es hilft das Eingeständnis,
dass manches, vielleicht vieles die eigenen Kräfte übersteigt. Menschen müssen selbst für ihr Recht
eintreten. Zugleich werden viele bisher selbst geschaffene Probleme gar nicht erst entstehen. Schließlich
bringt eine konsequent liberale Außenpolitik die Einsicht mit sich: Gewalt wird sich niemals vollständig
überwinden lassen. Der ewige Friede ist nicht erreichbar. Wir können die Welt nicht retten.
Bescheidenheit ist daher eine Devise, Wehrhaftigkeit mit Worten und Taten zur Errichtung und zum
Schutz einer Ordnung der Freiheit und des Friedens eine weitere Lehre.
Unter dieser Voraussetzung gilt es die einleitend dargestellten Prinzipien einer liberalen Außenpolitik in
Lösungsansätze zu übersetzen. Die große, dahinterstehende Frage lautet letztlich: Wie können
Konflikte vermieden und wie kann Frieden geschaffen bzw. erhalten werden?42
Ludwig von Mises brachte das Programm des Liberalismus wie folgt auf den Punkt: „Das Ziel der
inneren Politik des Liberalismus ist auch das seiner auswärtigen Politik: Frieden. So wie im Innern der
Staaten so strebt der Liberalismus auch im Verkehr zwischen den Staaten friedliches Zusammenwirken
an. Der Ausgangspunkt des liberalen Denkens ist die Erkenntnis des Wertes und der Wichtigkeit
menschlicher Kooperation, und alles, was der Liberalismus plant und ins Werk setzen will, dient der
Erhaltung des gegenwärtig erreichten Standes und dem weiteren Ausbau der wechselseitigen
Kooperation der Menschen. Als letztes Ideal schwebt dabei immer der Gedanken einer vollständigen
Kooperation der ganzen Menschheit vor, die sich friedlich und ohne Reibungen abwickelt. Das Denken
des Liberalen hat immer das Ganze der Menschheit im Auge und nicht nur Teile, es haftet nicht an
engen Gruppen, es endet nicht an den Grenzen des Dorfes, der Landschaft, des Staates und des
Erdteils. Es ist ein kosmopolitisches, ein ökumenisches Denken, ein Denken, das alle Menschen und die
ganze Erde umspannt. Der Liberalismus ist in diesem Sinne Humanismus, der Liberale Weltbürger,
Kosmopolit.“43
41 Willeke, Franz-Ulrich: Deutschland, Zahlmeister der EU. Abrechnung mit einer ungerechten Lastenverteilung; München
2011.
42 Der hier aufgezeigte liberale Ansatz passt zu den in den Internationalen Beziehungen zunehmend erforschten
grundlegenden Änderungen des Staatensystems: dem Aufstieg von Netzwerken aus überwiegend nicht-staatlichen Akteuren,
der wachsenden Multipolarität und der globalisierten Wirtschaft.
43 Mises, Ludwig von: Liberalismus, S. 93.
17
1. Den Austausch der Menschen fördern, denn Kapitalismus ist für Frieden bedeutender als
Demokratie.
Erich Weede hat die große Bedeutung des kapitalistischen Friedens herausgearbeitet. Das Ergebnis
seiner quantitativen, qualitativen und historischen Gesamtschau, die er unter den Titel „The capitalist
peace“44 gestellt hat, lautet: Für den Frieden ist Kapitalismus (als umfassende Idee) bedeutender als
Demokratie. Das liege zum einen daran, dass Demokratie ohne die Wohlfahrt, die der Kapitalismus
erbringe, nicht bestehen könne. Insofern sei ein demokratischer Friede praktisch die Folge von
Kapitalismus. Zum anderen verleite die demokratische Friedenstheorie zu der Annahme, Frieden könne
durch Krieg erreicht werden - im Namen der Demokratie. Darüber hinaus destabilisiere die Installation
einer Demokratie in einer autokratischen Region, die Aussicht auf Frieden werde reduziert.
Kapitalismus mit seinen friedensfördernden Effekten von Freihandel und wirtschaftlicher
Zusammenarbeit besitze noch einen weiteren Vorteil, er lasse sich leichter exportieren als Demokratie,
gerade auch nicht-demokratische Staatsführungen könnten sich dafür erwärmen.
Christopher J. Coyne hat in seiner systematischen, abwägenden Untersuchung des Demokratieexports
„After War“45 drei praktikable Wege aufgezeigt: Ein Gewalteinsatz in Verbindung mit einer
erforderlichen langfristigen Kolonialisierung, die zur Befriedung und Gewährleistung der öffentlichen
Sicherheit geeignet ist, hilft nur wenig beim Aufbau des Rechtsstaats und selbstständigen Institutionen
(„Samariter Dilemma“), führt aber regelmäßig zu perversen politischen Maßnahmen (Public Coice-
Probleme). Begrenzte Militäreinsätze zur Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität (Peacekeeping)
scheitern daran, dass westliche liberale demokratische Institutionen nicht oktroyiert werden können, das
Neutralitätsgebot der Interventionskräfte nicht funktioniert und es zu einem „Mission creep“ kommt
(Interventionsspirale), bis es sich nicht mehr um einen begrenzten Peacekeeping-Einsatz handelt.
Non-Interventionismus in Verbindung mit Freihandel sei hingegen das effektivste Mittel, um liberale
Demokratien zu exportieren. Das bedeute den Verzicht auf Militäreinsätze, die nur zur Verteidigung
des eigenen Landes geeignet sind, und die Beseitigung aller Handelsbarrieren – auch unilateral.
Schätzungen zu Beginn des Jahrhunderts zufolge würde der weltweite Freihandel 500 Millionen
Menschen aus der Armut befreien und gleichzeitig 200 Mrd. US-Dollar jährlich für die
Entwicklungsländer bringen.46
44 Weede, Erich: The Capitalist Peace; in: Coyne, Christopher J./Mathers, Rachel L. (Hg.): The handbook on the political
economy of war; Cheltenham 2011, S. 269-280; umfangreicher zudem Ders.: Balance of Power, Globalization and the
Capitalist Peace; 2. Aufl, Berlin 2007. Bestätigung findet Weedes Untersuchung zuletzt unter anderem durch: Hegre,
Havard/Oneal, John R./Russett, Bruce: Trade does promote peace: New simultaneous estimates of the reciprocal effects of
trade and conflict; in: Journal of Peace Research 47 (2010), S. 763-774.
45 Coyne; Christopher J.: After War. The Political Economy of Exporting Democracy; Stanford 2008, siehe nachfolgend
insbesondere S. 173-194.
46 Ebd., S. 182
18
Eine derartige non-interventionistische, aber ganz und gar nicht isolationistische Strategie birgt weitere
Vorteile: Internationaler Frieden, guter Wille und gegenseitiges Verständnis werden gefördert, genauso
wie kulturelle Vielfalt und Annäherung, Toleranz und internationales Recht – und zwar „bottom up“.
Der Westen würde ein Zeichen des Friedens setzen in Abkehr von seiner bisher überwiegend
interventionistischen Politik.47 Im Fall von Handelsprotektionismus und restriktiver Immigrationspolitik
wirkt diese ironischerweise sogar isolationistisch. Letztlich handelt es sich um den Einsatz von „soft
power“ (Joseph Nye), der an Werten und Institutionen ansetzt und in langer Frist große Wirksamkeit
besitzt.
2. Die Völker müssen sich in allererster Linie selbst helfen, denn Selbsthilfe ist (im Erfolgsfall)
besonders wirksam und dauerhaft. Eine konsequente Strategie der Gewaltlosigkeit ist dabei
vielversprechend.
Der tragfähigste Weg zur Überwindung von Diktaturen und autoritären Regimen ist immer noch ihre
Überwindung von innen. Hier setzt Gene Sharp an, der einen Leitfaden für den Sturz von Diktaturen
entwickelt hat.48 Sharp befürwortet konsequent und kompromisslos eine umfassende Strategie der
Gewaltfreiheit, die er über die taktische Ebene bis zu den Methoden herunterbricht. Die Bevölkerung
müsse eine Entschlossenheit zum Widerstand entwickeln, um sich selbst zu befreien, so leitet das
Credo seiner durch Realismus geprägten jahrelangen Forschungsquintessenz. Es komme darauf an, die
Idee der Nichtzusammenarbeit zu begreifen: „Wenn genügend Untergebene trotz repressiver
Maßnahmen ihre Kooperation lange genug verweigern, wird das Unterdrückungssystem geschwächt
werden und am Ende zusammenbrechen.49 Gene Sharp zeigt, wie mächtig gewaltloser Widerstand sein
kann, der die Quellen politischer Macht in allen Bereichen der Gesellschaft untergräbt. Die drei großen
Mittelkategorien lauten: Protest, Nichtzusammenarbeit und Intervention. Eine strategische Planung
bildet einen wichtigen Erfolgsfaktor, Mittel müssen ausgewählt und gezielt eingesetzt werden,
Kampagnen müssen entworfen und abgestimmt werden, die Idee der Nicht-Zusammenarbeit bedarf
systematischer Verbreitung; auf Repressionen gilt es flexibel und standhaft zu reagieren. Außerdem ist
es mit dem Niederringen der diktatorischen Regimes nicht getan. Der Übergang zur Demokratie ist
eine heikle Phase, der Entwurf einer Verfassung eine Herausforderung. Gene Sharp plädiert für einen
47 Die USA sind statistisch betrachtet das aggressivste Land der Erde nach dem Zweiten Weltkrieg, urteilt Ivan Eland und
weist darauf hin, dass eine der konstituierenden Prinzipien bei der Staatsgründung Anti-Militarismus war. Eland, Ivan: High
Costs May Not Be the Worst Aspect of the Attack on Libya, Commentary; The Independent Institute: Oakland, March 30,
2011.
48 Sharp, Gene: Von d er Dik tat ur z ur Dem okra tie. E in Leit fad en für di e B efr eiu ng; engl. Originalausgabe 1993, 2. Aufl.
München 2008.
49 Ebd., S. 73
19
dezentralen Aufbau des Staates und eine Allgemeinverständlichkeit des Verfassungstextes.
Erfolgsgarantien gibt es indes keine, Opfer regelmäßig viele.
Dieser Lösungsansatz ist vollständig kompatibel mit dem ersten hier skizzierten, also der Förderung
des Austauschs zwischen Menschen. Handeln bleibt dabei nicht auf den Bereich des Staates
beschränkt, sondern kann sich auf private Initiative stützen, darunter Privat-Diplomatie etwa in Form
von Konferenzen, Kolloquien und intensiven Kontakten, an denen auch staatliche Funktionsträger
ohne offiziellen Auftrag teilhaben können. Hinzu kommen Kampagnen, die bei guter Organisation und
Kommunikation durchaus erfolgreich Druck etwa über die Möglichkeiten des Web 2.0 ausüben
können.50 Das schließt neben Handel und Kapitalexport auch vielseitige Formen einer
Informationspolitik im In- und Ausland ein. Selbstverständlich gehören Unterstützung und Export
(nicht Aufzwingen) von Marktwirtschaft auf der Grundlage eines vorbildlichen und damit
nachahmenswerten Modells einer freien Gesellschaft dazu.
3. Liberale Wehrhaftigkeit praktizieren, die abschreckend und aufklärend dem eigenen Schutz dient.
Freihandel hilft nicht unmittelbar gegen „Bösewichte“. Bedrohungen entstehen heute kaum mehr von
Staaten, sondern gehen von Kleingruppen aus, durchaus auch in Failing States.51 Was innenpolitisch
richtig ist, trifft auch außenpolitisch zu: Der Schutz von Leib, Leben und Eigentum erfordert
Wehrhaftigkeit. Hier ist Sicherheitspolitik gefragt. Westliche Sicherheitsbehörden weisen beträchtliche
Defizite auf, können aber auch nennenswerte Erfolge vorweisen: Die Operationsbedingungen von
Gegnern einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung haben sich seit 9/11 durch internationalen
Verfolgungsdruck, aber auch eine aktive Politik insbesondere der USA (gezielte Tötungen vor allem
mittels Drohnen, die rechtlich zumindest fragwürdig sind) erheblich verschlechtert. Fahndungserfolge
wurden erzielt, Attentate vereitelt. Hier erfüllt der Staat seine hoheitlichen Aufgaben, er überschreitet
aber auch das Recht der Freiheit. Zugleich bleibt die bürokratische Verfahrensweise strukturell bedingt
ineffizient und teilweise auch ineffektiv.52
Welche liberalen Handlungsmöglichkeiten bestehen, um außenpolitisch unterstützend zu wirken?
50 Beispiele finden sich in allen Teilen der Welt, darunter auch Südamerika wie weltweite Proteste gegen marxistische FARC-
Rebellen in 160 Städten, über Facebook organisiert, im Februar 2008 zeigen. Vgl. Bohnen, Johannes/Kallmorgen, Jan-
Friedrich: Wie Web 2.0 die Politik verändert; in: Internationale Politik (Juli/August 2009), S. 18-25, hier S. 20.
51 Das kann sich ändern und wird mit Blick auf Gruppen wie radikale Islamisten in Mali bzw. der Sahelzone sowie im
Nahen und Mittleren Osten teils aufmerksam, teils mit Argwohn beobachtet. Auch hier ist Abschottung die
kontraproduktive Politik, genauso wie es die frühere Unterstützung der Diktatoren und eine ungeeignete Entwicklungshilfe
war.
52 Siehe grundsätzlich Mises, Ludwig von: Die Bürokratie; Sankt Augustin 2004 (englische Erstauflage 1944).
20
Zunächst Interventionen zum Schutz individueller Freiheit: Damit wird der eingangs skizzierte Verlust
staatlicher Souveränität als Reaktion auf erhebliche Verstöße gegen die Souveränität des Individuums in
den Mittelpunkt gerückt. Freiheit und Recht bringen ist eine zum Scheitern verurteilte Strategie, das
können die Völker nur selbst erringen, aber Nothilfe, um Freiheit und Recht für die eigene
Gemeinschaft zu sichern, ist als Selbstschutz legitim. Die Regelbindung kann sich an der strengen
Limitierung von Präventivkriegen durch das Völkerrecht orientieren. Interventionen, um andere
Menschen angesichts einer versagenden oder sich gegen sie wendenden Staatsgewalt zu schützen, ist
hingegen nicht die Pflicht eines anderen Staates. Dessen Legitimität besteht im Schutz der eigenen
Bürger, während es nicht seine Aufgabe ist, Leib und Leben seiner Bürger zum Schutz von Menschen
in anderen Staaten einzusetzen. Bei jeder Intervention53 ist folglich vorab ein enger Kriterienkatalog als
Maßstab anzulegen. Dazu gehören
der festgestellte Souveränitätsverlust einer Staatsführung, die massenhaft Menschenrechte
missachtet hat,
woraus sich eine Option (aber keine Pflicht) für ein Eingreifen zum Schutz der Bevölkerung oder
von Bevölkerungsgruppen ergibt (O2P = „Option to Protect“ anstelle der gebräuchlichen Formel
R2P = „Responsibility to Protect“).
Eine sorgfältige Folgenabschätzung einschließlich der Opportunitätskosten spielt eine
entscheidende Rolle. Es ist offenkundig kontraproduktiv, wenn Anspruch und Wirklichkeit
auseinanderklaffen; ein Eingreifen ist verfehlt, wenn die Kosten höher als der Nutzen sind.
In engem Zusammenhang damit muss im Falle eines Eingreifens die Verhältnismäßigkeit gewahrt
werden, und der Schutz Unbeteiligter darf nicht nur ein politisches Lippenbekenntnis bleiben.
Schließlich muss der Endzustand besser sein als die Lage, die zum Eingreifen geführt hat. Die
Wiederherstellung des Friedens und der Herrschaft des Rechts gehören an erster Stelle dazu.
Die Interventionsart wird situativ zu bestimmen sein, denkbar sind Waffenlieferungen, der Eingriff mit
Luftkriegsmitteln bis hin zu Bodentruppen oder die Einrichtung von Sicherheits- und
Flugverbotszonen. Stets gilt indes: Die eingreifende Partei wird bei nahezu allen eingesetzten Mitteln
Teil des Konflikts und vielfach zum Kombattanten.
Nur sehr selten lassen sich die Kosten und Folgen von Interventionsansätzen in klassisch-liberaler
Perspektive rechtfertigen, weil sie tatsächlich dem Schutz der eigenen sich anvertrauenden Menschen
dienen und nicht (selbstkonstruierte) Fallen in unwegsamen Bergen oder Wüsten sind. Ernüchternde
53 Der Interventionsbegriff wird hier eng gefasst als direkter, unmittelbarer Eingriff in die inneren und äußeren
Angelegenheiten eines Staates insbesondere mit militärischen, polizeilichen und verwaltungsmäßigen Mitteln.
21
Erfahrungen von Militäreinsätzen reichen von Afghanistan und Algerien über Britisch-Malaya, Kenia
und Irak bis Portugisisch-Afrika, Somalia und Vietnam. Statt Präventivkriegen besitzt die Mobilisierung
von internationalem Beistand und das Schmieden von Allianzen zur Sicherung von Recht und Freiheit
Vorrang. Das gilt auch für nicht-staatliche Akteure, etwa bei der Sicherung von Handelswegen.54
Primat einer präventiven friedenssichernden Außenpolitik bleibt, den ungeheuren
Wohlstandsfortschritten, die durch das Fortschreiten der Kooperation von Menschen über nationale
Grenzen hinweg - also Globalisierung - verursacht wurde, Raum zu geben und keine Hindernisse in
den Weg zu legen. Tausch und Spezialisierung sind der Schlüssel für steigenden Massenwohlstand.
Zugleich macht die Globalisierung nationale Grenzen vergessen.55 Die Globalisierung kann Grenzen
überwinden, national wie regional. Menschen, mit denen man handelt, ist man nicht feindlich gesonnen.
Perspektive als Blick zurück und Blick nach vorn
Voraussetzung für Freiheit und Recht ist nicht Demokratie, sondern rechtschaffendes
Regierungshandeln, Bindung ausnahmslos aller an Regeln, die die Freiheit des Einzelnen schützen.
Demokratie ist nicht Freiheit und auch nicht per se liberal. Demokratie ist ein Verfahren für
Entscheidungen - per Mehrheitsabstimmung. Das Verfahren besitzt keinen höheren Wert an sich,
sondern hat sich vielfach als zweckmäßig erwiesen. Allerdings darf die Tyrannei einer Minderheit nicht
durch die Tyrannei einer Mehrheit abgelöst werden. Liberalismus ist die Begrenzung der Herrschaft des
Staates zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen auch gegen andere Individuen. Im Zentrum stehen die
Grenzen der Wirksamkeit des Staates, damit die Bürger ihre Kräfte zu einem größtmöglichen Ganzen
entfalten können. Menschen dürfen und sollen in Freiheit unter dem Recht selbst für sich entscheiden.
Diejenigen, die sich nicht an die Regeln einer freien Gesellschaft halten, müssen dazu gezwungen
werden. Der Schutz von Leib, Leben und Eigentum ist die Aufgabe des Staates, auf die sich die
Staatsbediensteten konzentrieren und somit beschränken sollten. Dann kann sich Prosperität
ungehindert entfalten. Freiheit und Recht schützen und stärken, das ist die Aufgabe aller Menschen.
Da im Liberalismus die höchsten Werte Freiheit und Recht sind, sollten sie auch die leitenden Werte
und Interessen einer liberalen Außenpolitik sein. In kürzester Form bedeutet liberale Außenpolitik also:
individuelle Freiheit schützen.
54 Schutz bietet in erster Linie eine Bewaffnung der Handelsschiffe, die nicht verwehrt werden darf. Zusätzlich ist die
international koordinierte Durchsetzung der Freiheit der Meere gerechtfertigt.
55 Wer sich a bsch ottet, sei es mit Subventionen für „Infant industries“ oder nationalistischem „Kauft einheimische
Produkte!“, schädigt hingegen die eigene Bevölkerung.
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Why does liberal democracy take hold in some countries but not in others? Why do we observe such different outcomes in military interventions, from Germany and Japan to Afghanistan and Iraq? Do efforts to export democracy help as much as they hurt? These are some of the most enduring questions of our time. Historically, the United States has attempted to generate change in foreign countries by exporting liberal democratic institutions through military occupation and reconstruction. Despite these efforts, the record of U.S.-led reconstructions has been mixed, at best. For every West Germany or Japan, there is a Cuba, Haiti, Somalia, or Vietnam. After War seeks to answer these critical foreign policy questions by bringing an economic mindset to a topic that has been traditionally tackled by historians, policymakers, and political scientists. Economics focuses on how incentives influence human action. Therefore, within an economic context, a successful reconstruction entails finding and establishing a set of incentives that makes citizens prefer a liberal democratic order. Coyne examines the mechanisms and institutions that contribute to the success of reconstruction programs by creating incentives for sustained cooperation. Coyne emphasizes that the main threat to Western nations in the post-Cold War period will not come from a superpower, but rather from weak, failed, and conflict-torn states—and rogue groups within them. It is also critical to recognize that the dynamics at work—cultural, historical, and social—in these modern states are fundamentally different from those that the United States faced in the reconstructions of West Germany and Japan. As such, these historical cases of successful reconstruction are poor models for todays challenges. In Coynes view, policymakers and occupiers face an array of internal and external constraints in dealing with rogue states. These constraints are often greatest in the countries most in need of the political, economic, and social change. The irony is that these projects are least likely to succeed precisely where they are most needed. Coyne offers two bold alternatives to reconstruction programs that could serve as catalysts for social change: principled non-intervention and unilateral free trade. Coyne points to major differences in these preferred approaches; whereas reconstruction projects involve a period of coerced military occupation, free trade-led reforms are voluntary. The book goes on to highlight the economic and cultural benefits of free trade. While Coyne contends that a commitment to non-intervention and free trade may not lead to Western-style liberal democracies in conflict-torn countries, such a strategy could lay the groundwork for global peace.
mit Blick auf politische Gewalt, in dem er einen sehr begrenzten Einsatz internationaler Streitkräfte fordert
  • Paul Collier Vertieft Diese Problematik
Paul Collier vertieft diese Problematik in: Wars, Guns, and Votes. Democracy in Dangerous Places, New York 2009 mit Blick auf politische Gewalt, in dem er einen sehr begrenzten Einsatz internationaler Streitkräfte fordert, um Sicherheit zu schaffen und Regierungen zu verantwortungsvollem Handeln zu verpflichten.
Wir retten die Welt zu Tode. Für ein professionelleres Management im Kampf gegen die Armut
  • Vgl
  • William Easterly
Vgl. Easterly, William: Wir retten die Welt zu Tode. Für ein professionelleres Management im Kampf gegen die Armut;
Ausgerechnet von China könne sich die westliche Außenpolitik Anregungen für eine Strategie abgucken, ohne die gravierenden (illiberalen) Defizite zu übersehen: die systematische und umfassende Sicherung von Rohstoffen, insbesondere Erdöl
Moyo, Dambisa: Dead Aid. Why aid is not working and how there ist another way for Africa; London 2010. Ausgerechnet von China könne sich die westliche Außenpolitik Anregungen für eine Strategie abgucken, ohne die gravierenden (illiberalen) Defizite zu übersehen: die systematische und umfassende Sicherung von Rohstoffen, insbesondere Erdöl, in Verbindung mit Wohlstand und Entwicklung treibenden Direktinvestitionen in die afrikanische Infrastruktur, die inzwischen diversifiziert wurde u.a. in die Bereiche Tourismus, Telekommunikation und Textilien, aber auch kulturellen Austausch, Gesundheit und Ausbildung umfasst. Davon profitiert auch Afrika, während der chinesische Einfluss in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Afrikas einzigartig ist. Ob die Infrastruktur tatsächlich der Bevölkerung zugutekommt, hängt vom Einzelfall ab.
Das bedeute den Verzicht auf Militäreinsätze, die nur zur Verteidigung des eigenen Landes geeignet sind, und die Beseitigung aller Handelsbarrieren-auch unilateral
  • Demokratien Zu Exportieren
Demokratien zu exportieren. Das bedeute den Verzicht auf Militäreinsätze, die nur zur Verteidigung des eigenen Landes geeignet sind, und die Beseitigung aller Handelsbarrieren-auch unilateral.
Von der Diktatur zur Demokratie. Ein Leitfaden für die Befreiung; engl. Originalausgabe 1993, 2. Aufl
  • Gene Sharp
Sharp, Gene: Von der Diktatur zur Demokratie. Ein Leitfaden für die Befreiung; engl. Originalausgabe 1993, 2. Aufl. München 2008.
Westliche Sicherheitsbehörden weisen beträchtliche Defizite auf, können aber auch nennenswerte Erfolge vorweisen: Die Operationsbedingungen von Gegnern einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung haben sich seit 9
  • Wehrhaftigkeit
Wehrhaftigkeit. Hier ist Sicherheitspolitik gefragt. Westliche Sicherheitsbehörden weisen beträchtliche Defizite auf, können aber auch nennenswerte Erfolge vorweisen: Die Operationsbedingungen von Gegnern einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung haben sich seit 9/11 durch internationalen
aber auch eine aktive Politik insbesondere der USA (gezielte Tötungen vor allem mittels Drohnen, die rechtlich zumindest fragwürdig sind) erheblich verschlechtert. Fahndungserfolge wurden erzielt, Attentate vereitelt
  • Verfolgungsdruck
Verfolgungsdruck, aber auch eine aktive Politik insbesondere der USA (gezielte Tötungen vor allem mittels Drohnen, die rechtlich zumindest fragwürdig sind) erheblich verschlechtert. Fahndungserfolge wurden erzielt, Attentate vereitelt. Hier erfüllt der Staat seine hoheitlichen Aufgaben, er überschreitet aber auch das Recht der Freiheit. Zugleich bleibt die bürokratische Verfahrensweise strukturell bedingt ineffizient und teilweise auch ineffektiv. 52