In seiner inzwischen legendär gewordenen Berliner „Ruck-Rede“ prägte Bundespräsident Roman Herzog vor einigen Jahren die treffende Formel, wir hätten hierzulande - was die Einleitung von überfälligen Reformen angeht - weniger ein „Erkenntnis- als ein Handlungsproblem.“ Der Satz war in erster Linie auf die Reformen des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme gemünzt, von deren Mühseligkeit wir uns jetzt tagtäglich überzeugen können. Er lässt sich aber mit demselben Recht auf die Reform des politischen Systems übertragen. Anders als die materiellen Probleme finden institutioneile Fragen nur selten das Interesse der Öffentlichkeit und haben es daher schwerer als diese, auf die politische Agenda zu gelangen. Drei Gründe dürften dafür ausschlaggebend sein: Erstens sind institutioneile Strukturen ihrer Natur nach abstrakt. Wenn sich schon die Politologen schwer tun herauszufinden, welche Auswirkungen sie auf die politischen Inhalte und damit auf die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen haben, wie sollte das dem Normalbürger gelingen? Zweitens wird die Bedeutung der Institutionen im Bewusstsein sowohl der Politiker als auch der Öffentlichkeit notorisch unterschätzt. Nach wie vor denken wir überwiegend in voluntaristischen Kategorien, unterstellen wir also einen Handlungs- und Gestaltungsspielraum der Politik, den es in der heutigen Regierungswirklichkeit längst nicht mehr gibt. Schließlich beruht die Legitimität der Demokratie doch darauf, dass es einen Unterschied macht, wer regiert.