In den bisherigen Kapiteln ist ein zentraler Aspekt der Philosophie Deweys lediglich am Rande thematisiert worden, nämlich seine Hervorhebung des grundlegend sozialen Charakters der menschlichen Natur. Diese Betonung findet sich gleichermaßen in allen seinen philosophischen Hauptwerken wie in einer beachtlichen Reihe von Aufsätzen, von denen ein großer Teil explizit die soziale Konstituierung des Selbst thematisiert.117 Die Vehemenz, mit der Dewey die Bedeutung des Sozialen propagiert, erklärt sich zunächst in seiner doppelten Abgrenzung von der Dominanz individualistischer Theorien in der Psychologie auf der einen und der Doktrin des Besitzindividualismus118 auf der anderen Seite. So schreibt er in seinem politiktheoretischen Hauptwerk Die Öffentlichkeit und ihre Probleme: „Die Idee eines natürlichen Individuums, das in seiner Isoliertheit über ausgebildete Bedürfnisse verfügt [...] ist in der Psychologie ebensosehr eine Fiktion wie die Lehre vom Individuum, das vorausgehende politische Rechte besitzt, eine in der Politik ist (Dewey 1996: 94). Beides sind Phänomene, die seit der Jahrhundertwende zunehmend an Einfluß gewannen und einen Denker, der von der Sozialphilosophie Hegels und Thomas Hill Greens geprägt worden ist, zum Widerspruch reizen mußten.