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Forschendes Lernen und forschungsbezogene Lehre – empirisch gestützte Systematisierung des Forschungsbezugs hochschulischer Lehre

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Abstract

Deutsch: Wissenschaftliche Schreib- und Forschungskompetenz soll durch Forschendes Lernen gefördert werden. In der Literatur wird diese Lehr-Lernform jedoch uneinheitlich definiert und häufig werden unterschiedliche curriculare Elemente darunter verstanden. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, konzeptionelle Unschärfen aufzuklären, indem Forschendes Lernen im weiter gefassten Rahmen forschungsbezogener Lehre verortet wird. Auf Basis einer Curriculum-Analyse konnten zwölf Gruppen forschungsbezogener Lehre identifiziert und Forschendes Lernen empirisch gestützt präzisiert werden. English: ‘Research-based learning’ is supposed to develop students’ academic writing and research skills. However, no widely shared definition of research-based learning exists, and the concept is frequently used synonymously with other types of research-related teaching. This study aims to systematize this conceptual diversity by redefining research-based learning in the wider context of the research-teaching nexus. Based on a qualitative curriculum analysis, we identified twelve groups of research-related teaching, which allowed us to delimit research-based learning on an empirical basis.
Empirischer Beitrag
23
Julia RUESS
1
, Christopher GESS & Wolfgang DEICKE (Berlin)
Forschendes Lernen und forschungsbezogene
Lehre ± empirisch gestützte Systematisierung
des Forschungsbezugs hochschulischer Lehre
Zusammenfassung
Wissenschaftliche Schreib- und Forschungskompetenz soll durch Forschendes
Lernen gefördert werden. In der Literatur wird diese Lehr-Lernform jedoch
uneinheitlich definiert und häufig werden unterschiedliche curriculare Elemente
darunter verstanden. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, konzeptionelle
Unschärfen aufzuklären, indem Forschendes Lernen im weiter gefassten Rahmen
forschungsbezogener Lehre verortet wird. Auf Basis einer Curriculum-Analyse
konnten zwölf Gruppen forschungsbezogener Lehre identifiziert und Forschendes
Lernen empirisch gestützt präzisiert werden.
Schlüsselwörter
Forschendes Lernen, forschungsorientierte Lehre, forschungsbasierte Lehre,
Curriculum-Analyse, Forschungskompetenz
1
E-Mail: julia.ruess@hu-berlin.de
Julia Rueß, Christopher Gess & Wolfgang Deicke
www.zfhe.at
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Research-based learning and research-related teaching ± An
empirically grounded typology of the research-teaching nexus
Abstract
µ5HVHDUFK-EDVHGOHDUQLQJ¶LVVXSSRVHGWRdevelop VWXGHQWV¶DFDGHPLFZULWLQJDQG
research skills. However, no widely shared definition of research-based learning
exists, and the concept is frequently used synonymously with other types of
research-related teaching. This study aims to systematize this conceptual diversity
by redefining research-based learning in the wider context of the research-teaching
nexus. Based on a qualitative curriculum analysis, we identified twelve groups of
research-related teaching, which allowed us to delimit research-based learning on
an empirical basis.
Keywords
Research-based learning, research-oriented teaching, research-teaching nexus,
curriculum analysis, academic skills
1 Einleitung
Die Vermittlung wissenschaftlicher Schreib- und Forschungskompetenz gilt als
wichtige Aufgabe hochschulischer Bildung (WISSENSCHAFTSRAT, 2006). Um
wissenschaftlich schreiben und forschen zu können, brauchen Studierende Wissen
zu fachlichen Inhalten und Forschungsmethoden, Wissen zu Textgenres, schrift-
sprachlichen Normen und disziplinären Konventionen (KRUSE & CHITEZ, 2012).
Für die Vermittlung solcher Kenntnisse sind verschiedene Lernarrangements denk-
bar, wobei dem Forschenden Lernen eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird
(KRUSE, 2016; GESS, WESSELS & DEICKE, in Druck).
Was jedoch unter Forschendem Lernen zu verstehen ist, wird kontrovers diskutiert:
Manche Definitionen betonen, dass beim Forschenden Lernen der gesamte For-
schungsprozess durchlaufen wird (z. B. HUBER, 2009). Andere Definitionen set-
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zen niedrigschwelliger an und zählen zum Forschenden Lernen auch die Durchfüh-
rung einzelner Forschungstätigkeiten (z. B. FICHTEN, 2010) oder das Nachvoll-
ziehen von Forschungsprozessen (z. B. REINMANN, 2009).
Solange differente konzeptuelle Vorstellungen vorliegen, bleibt unklar, was For-
schendes Lernen von anderen Formen forschungsbezogener Lehre unterscheidet.
Problematisch wird dies dann, wenn Erkenntnisse zur Förderung von Schreib- und
Forschungskompetenz zusammengeführt werden, die auf unterschiedlichen Vor-
stellungen gründen.
Die vorliegende Studie setzt an diesem grundlegenden Problem an: Geklärt werden
soll, wie Forschendes Lernen von anderen Formen forschungsbezogener Lehre
abgegrenzt werden kann. Zu diesem Zweck wird im Folgenden ein Modell zur
Klassifizierung forschungsbezogener Lehre erarbeitet und anhand einer Curricu-
lum-Analyse empirisch geprüft. Forschendes Lernen wird innerhalb dieser Klassi-
fizierung verortet.
2 Forschungsstand zur Systematisierung
forschungsbezogener Lehre
%HL/HKUHGLHHLQHQ%H]XJ]XU)RUVFKXQJKDWVSUHFKHQZLUYRQÄIRUVFKXQJVEH]o-
JHQHU/HKUH³XPGDPLWQRFKNHLQH:Hrtung über die Art des Forschungsbezugs zu
implizieren. Dieser Forschungsbezug kann sehr unterschiedlich gestaltet sein.
Das populärste Modell zur Systematisierung forschungsbezogener Lehre stammt
von HEALEY (2005). Die verschiedenen Umsetzungsformen werden hier in zwei
Kategorien unterteilt: dem inhaltlichen Schwerpunkt (Forschungsergebnis vs. For-
schungsprozess) und dem Aktivitätsniveau der Studierenden (rezeptiv vs. aktiv).
Durch die Zusammenführung der beiden Dimensionen ergeben sich vier verschie-
dene Typen des Forschungsbezugs hochschulischer Lehre: Beim
research-led
teaching
werden den Studierenden Forschungsergebnisse vermittelt, beim
rese-
arch-oriented teaching
wird ihnen der Forschungsprozess erläutert.
Research-
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based learning
bezeichnet studentisches Forschen und
research-tutored learning
die angeleitete Aneignung von Forschungsergebnissen.
Einen ähnlichen, ebenfalls stark rezipierten Systematisierungsansatz wählt HUBER
(2014). Er unterteilt forschungsbezogene Lehre in drei Typen: Bei
forschungsba-
sierter Lehre
stützt sich das Lernen auf Forschung, wobei den Studierenden der
aktuelle Stand der Forschung sowie die Grundprobleme und Ausgangsfragen dieser
Forschung nahegebracht werden.
Forschungsorientierte Lehre
führt zur Forschung
hin und bereitet auf eigenständiges Forschen vor. Die Studierenden sollen lernen,
wie der Forschungsprozess gestaltet werden kann, wobei besonderer Wert auf die
Wahl und Durchführung von Forschungsmethoden gelegt wird.
Forschendes Ler-
nen
schließlich bedeutet für HUBER, dass Studierende aktiv und selbständig for-
schen und dabei den kompletten Forschungsprozess durchlaufen.
Beiden Modellen gemeinsam ist die Unterscheidung nach dem Aktivitätsniveau der
Studierenden. Wenngleich nicht explizit, grenzt auch HUBER in seiner Typologie
rezeptives Lernen von aktivem studentischen Forschen ab (vgl. auch BREW,
2010). Im Vergleich fasst HUBER das Aktivitätsniveau jedoch nuancierter, indem
auch Aktivitäten wie die Einübung oder Simulation von Forschungstätigkeiten
angeführt werden, also Aktivitäten, bei denen Studierende bereits erworbenes Wis-
sen anwenden.
Eine weitere Überschneidung zwischen HEALEY und HUBER betrifft den inhalt-
lichen Schwerpunkt des Forschungsbezugs: entweder stehen Forschungsergebnisse
oder der Forschungsprozess im Zentrum der Lehre. HUBER ergänzt jedoch For-
schungsmethoden als weiteren wichtigen inhaltlichen Schwerpunkt ± der auch in
anderen Systematisierungsansätzen hervorgehoben wird (z. B. ZAMORSKI, 2002).
Zusammenfassend betrachtet wird forschungsbezogene Lehre bei HUBER diffe-
renzierter erfasst als bei HEALEY. Allerdings werden zugrunde liegende Katego-
rien zur Unterteilung forschungsbezogener Lehre in seiner Modellbeschreibung
nicht direkt sichtbar. Beide Ansätze ergänzen sich insofern, sind jedoch weder em-
pirisch hergeleitet noch geprüft.
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3 Forschungsfragen
Die Analyse des Forschungsstands zeigt, dass forschungsbezogene Lehre durch
Zusammenführung sich ergänzender Ansätze differenziert erfasst werden kann.
Fraglich bleibt, ob diese Erfassung auch einer empirischen Betrachtung standhalten
kann. In einem ersten Schritt soll daher folgende Forschungsfrage beantwortet
werden:
1.
Welche For
m
en forschungsbe zogener Lehre lassen sich e
m
pirisch unter-
scheiden?
Das Ergebnis bildet wiederum die Grundlage für die zweite Forschungsfrage:
2.
Wie ist Forschendes Lernen in Abgrenzung von anderen For
m
en for-
schungsbezogener Lehre zu definieren?
4 Methode
Das Vorgehen zur Klassifizierung forschungsbezogener Lehre (vgl. Forschungs-
frage 1) wurde an die Methode zur empirisch begründeten Typenbildung von
KELLE & KLUGE (2010) angelehnt:
Im ersten Schritt wurde ein theoretisches Klassifizierungsmodell erarbeitet. Die
Bildung relevanter Vergleichskategorien wurde deduktiv vorgenommen.
Im zweiten Schritt wurde die Klassifizierung empirisch überprüft. Dafür wurde
eine Curriculum-Analyse durchgeführt. Zwar bilden Studienordnungen nicht not-
wendigerweise die Studienrealität ab, einzelne Studien deuten jedoch auf eine be-
deutsame Schnittmenge zwischen intendiertem und realisiertem Curriculum (z. B.
HERZMANN, KÖNIG & ARTMANN, 2012). Die vorliegende Untersuchung
stützt sich auf Studienordnungen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Die
HU bietet ein breites Fächerspektrum, so dass die Verwendbarkeit der Klassifizie-
rung für verschiedene Disziplinen untersucht werden konnte.
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Aus den 33 Instituten der HU wurden insgesamt 167 Studienordnungen in die Ana-
lyse einbezogen. Aus diesen Studienordnungen wurden zunächst diejenigen Modu-
le mit explizitem Forschungsbezug identifiziert und die entsprechenden Modul-
Kurzbeschreibungen analysiert. Die in den Beschreibungen enthaltenen for-
schungsbezogenen Lehrelemente wurden anschließend der theoretisch erarbeiteten
Klassifizierung zugeordnet. Diese Kodierung wurde von zwei Personen vorge-
nommen: zunächst konsensuell zur Schärfung der Kodierregeln (SCHMIDT,
2013), dann unabhängig voneinander (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Kodierprozess
Nach Abschluss des Kodierprozesses wurden die durch die Kodierung entstande-
nen Gruppen an Lehrelementen auf interne Homogenität und externe Heterogenität
geprüft.
Der dritte und letzte Schritt schließlich bestand in der Charakterisierung von For-
schendem Lernen (vgl. Forschungsfrage 2). Dafür wurden zwischen den gebildeten
Gruppen Kontrastierungen vorgenommen, mit denen die Besonderheiten von For-
schenden Lernen im Abgleich mit vorliegenden Definitionen hergeleitet werden
konnten.
Sichtung von
Studienordnungen
an allen 33 Instituten der HU
Berlin
167 Studienordnungen
Vorselektion von
forschungsbezogenen
Modulen
564 Module
8QDEKlQJLJHV.RGLHUHQ
der restlichen 80 Prozent
Kodierer 1: 1.360 LE
Kodierer 2: 1.359 LE
aus 432 Modulen
Konsensuelles Kodieren
der ersten 20 Prozent
313 LE
aus 132 Modulen
Legende: LE steht fr Ä/ehrelemente³
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5 Klassifizierung forschungsbezogener Lehre
5.1 Theoretisches Modell zur Klassifizierung forschungsbezo-
gener Lehre
Wie im Forschungsstand dargelegt, orientieren sich vorliegende Systematisierun-
gen explizit oder implizit an zwei Kategorien, nach denen forschungsbezogene
Lehre strukturiert werden kann: erstens nach dem inhaltlichen Schwerpunkt der
Lehre und zweitens nach dem Aktivitätsniveau der Studierenden.
Beim inhaltlichen Schwerpunkt können auf Basis bestehender Ansätze drei Subka-
tegorien unterschieden werden: Lehre kann (1) Forschungsergebnisse, (2) For-
schungsmethoden oder (3) den gesamten Forschungsprozess ins Zentrum stellen.
Beim Aktivitätsniveau werden ebenfalls drei Subkategorien unterschieden: In Zu-
sammenführung vorliegender Modelle kann das Aktivitätsniveau danach differen-
ziert werden, ob die Studierenden (1) rezeptiv lernen, (2) erworbenes Wissen an-
wenden oder ob sie (3) selbst forschend tätig sind.
Aus der Kombination der beiden Vergleichskategorien mit ihren jeweils drei Sub-
kategorien entsteht eine Klassifizierungsmatrix mit neun Gruppen forschungsbezo-
gener Lehre (vgl. Abb. 2).
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Abb. 2: Theoretisch hergeleitete Klassifizierungsmatrix forschungsbezogener Lehre
5.2 Empirische Prüfung der Klassifizierung
Die empirische Prüfung zeigt, dass die Klassifizierungsmatrix für eine Systemati-
sierung forschungsbezogener Lehre grundsätzlich anwendbar ist: Für alle Zellen
der Klassifizierungsmatrix konnten Elemente identifiziert werden und die Inter-
Koder-Reliabilität erwies sich als zufriedenstellend. Die prozentuale Übereinstim-
mung zwischen den Kodierern betrug 81 Prozent und auch Krippendorffs Alpha
von 0,87 zeigt die hohe Übereinstimmung zwischen den Kodierern (KRIPPEN-
DORFF, 2013). Verbleibende Unstimmigkeiten wurden im Rahmen einer kon-
sensuellen Validierung diskutiert und nach Abschluss wurde eine prozentuale
Übereinstimmung von 93 Prozent erzielt.
Nach Abschluss des Kodierprozesses wurde geprüft, ob alle Lehrelemente inner-
halb einer Gruppe hinreichend ähnlich sind (interne Homogenität) und anschlie-
Gruppe 3 Gruppe 6 Gruppe 9
Gruppe 2 Gruppe 5 Gruppe 8
Gruppe 1 Gruppe 4 Gruppe 7
forschend
Forschungsprozess Forschungsergebnisse Forschungsmethoden
Inhaltlicher
Schwerpunkt
AktiviWltsniveau
der Studierenden
anwendend
rezeptiv
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ßend, ob sich die Gruppen klar voneinander unterschieden (externe Heterogenität).
Das Ergebnis wird im Folgenden anhand einer Beschreibung der einzelnen Grup-
pen dargestellt:
Gruppe 1: Ergebnisse-rezeptiv
In den Lehrelementen dieser Gruppe werden den Studierenden fachliche Erkennt-
QLVVH YHUPLWWHOW ,P %$ (QJOLVFK EHLVSLHOVZHLVH ]lKOW KLHU]X GLH Ä(LQIKUXQJ LQ
aktuelle Forschungsergebnisse zu verschiedenen Bereichen der Grammatiktheo-
rie³ =XGHP VLQG LQ GHU *UXSSH DXFK /HKUHOHPHQWH YHUWUHWHQ EHL GHQHQ LQ GLH
Grundfragen einer Disziplin eingeführt wird. Da bei der Vermittlung von Grundla-
genwissen auch aktuelle Befunde berücksichtigt werden, kann diese Gruppe als in
sich homogen angesehen werden.
Gruppenbe zeichnung:
Ä6WXGLHUHQGHEHNRPPHQ)RUVFKXQJVHUJHEQLVVH
ver
m
ittelt
³
Gruppe 2: Ergebnisse-anwendend
Zu dieser Gruppe zählen Lehrelemente, bei denen die Studierenden Erkenntnisse
aus der Forschungs- oder Grundlagenliteratur inhaltlich diskutieren. Dabei können
auch Praxisprobleme oder Alltagsphänomene den Ausgangspunkt wissenschaftlich
angeleiteter Diskussionen bilden. Im BA Geschlechterstudien/Gender Studies geht
HVKLHUHWZDGDUXPÄ.HQQWQLVVHGHU*HVFKOHFKWHUVWXGLHQDXIDXVJHZlKOWH3UD[LVEe-
rHLFKHDQ]XZHQGHQ³'HUGLVNXUVLYH&KDUDNWHUELOGHWGDVYHUELQGHQGH(OHPHQWLQ
dieser Gruppe.
Gruppenbe zeichnung:
Ä6WXGLHUHQGHGLVNXWLHUHQ)RUVFKXQJVHUJHEQLVVH³
Gruppe 3: Ergebnisse-forschend
Diese Gruppe enthält Lehrelemente, bei denen sich die Studierenden ein For-
schungsthema selbstständig erschließen, indem sie Forschungsliteratur aufarbeiten:
Ä'LH6WXGLHUHQGHQOHUQHQVLFKHLQ)RUVFKXQJVIHOGLKUHU:DKOGXUFKVHOEVWVWlQGLJH
XQGHLJHQYHUDQWZRUWOLFKH/HNWUHVXN]HVVLYH]XHUVFKOLHHQ³0$0LWWHODOWHUOLFKH
Geschichte). Diese Aufarbeitung erfolgt häufig anhand von Fragestellungen, die
von den Studierenden durch eigenständige Literaturrecherchen und -analysen bear-
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beitet werden (z. B. in Seminararbeiten).
Gruppenbe zeichnung:
Ä6WXGLHUHQGH DUEHLWHQ VHOEVWlQGLJ/L
teratur zu eine
m
For-
VFKXQJVIHOGDXI³
Gruppe 4: Methoden-rezeptiv
Bei den Lehrelementen in dieser Gruppe geht es um die instruktive Vermittlung
von Forschungsmethoden. Eine praktische Anwendung durch die Studierenden ist
hier nicht vorgesehen. Ein prototypisches Beispiel aus dem BA Amerikanistik lau-
WHW Ä'LH (LQIKUXQJVYRUOHVXQJ LQ GLH /LWHUDWXUZLVVHQVFKDIW ZLOO VROLGH *UXQd-
NHQQWQLVVH GHU 7HFKQLNHQ XQG 0HWKRGHQ GHU /LWHUDWXUZLVVHQVFKDIW >«@ YHUPLt-
WHOQ³
Gruppenbe zeichnung:
Ä6WXGLHUHQGHEHNRPPHQ)RUVFKXQJVPHWKRGHQYHUPLWWHOW³
Gruppe 5: Methoden-anwendend
Im Zuge der Homogenitätsprüfung wurde deutlich, dass in dieser Gruppe zwei
verschiedene Subgruppen unterschieden werden müssen:
Subgruppe 1 enthält Lehrelemente, bei denen die erlernten Forschungsmethoden
praNWLVFKHUSUREWZHUGHQÄGLH6WXGLHUHQGHQ>OHUQHQ@UHOHYDQWHPROHNXODUH0HWKo-
GHQDQ]XZHQGHQ³0$0ROHNXODUH0HGL]LQ+LHUXQWHUIDOOHQGLHNODVVLVFKHQ0e-
thoden- oder Laborübungen, die oft begleitend zu einer einführenden Vorlesung
angeboten werden.
Gruppenbezeichnung:
Ä6WXGLHUHQGHEHQ0HWKRGHQ³
Subgruppe 2 umfasst Lehrelemente, die darauf zielen, dass sich Studierende kri-
tisch mit Methoden auseinandersetzen. Ä-HQDFKIDFKOLFKHQ6FKZHUSXQNWHQZHUGHQ
HLQ]HOQH0HWKRGHQ>«@KLQWHUIUDJW³%$ 5HJLRQDOVWXGLHQ$Irika/ Asien). Bereits
erworbenes forschungsmethodisches Wissen wird nicht reproduziert oder in Übun-
gen erprobt, sondern über Diskussionen im Seminar vertieft.
*UXSSHQEH]HLFKQXQJ Ä6WXGLHUHQGH GLVNXWLHUHQ
die Vor- und Nachteile von Me-
WKRGHQ³
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Gruppe 6: Methoden-forschend
Ziel der Lehrelemente in dieser Gruppe ist es, dass die Studierenden vorgegebene
Methoden erlernen, indem sie eigenverantwortlich eine Forschungsfrage bearbei-
WHQÄ'LHLP%DVLVVWXGLXPHUZRUEHQHQ*UXQGNRPSHWHQ]HQ>ZHUGHQ@DNWLYDQDXs-
gewäKOWHQ )UDJHVWHOOXQJHQ DQJHZHQGHW³ %$ /DWHLQ ,P 8QWHUVFKLHG ]X GHQ
/HKUHOHPHQWHQLQ *UXSSH Ä0HWKRGHQ-DQZHQGHQG³ZLUG GHU /HUQSUR]HVV KLHU
durch eine Forschungsfrage stimuliert und mehr Eigenverantwortung von den Stu-
dierenden erwartet. Die anzuwendenden Methoden werden dabei von den Lehren-
den vorgegeben.
Gruppenbe zeichnung:
Ä6WXGLHUHQGHZHQGHQYRUJHJHEHQH0HWKRGHQDQKDQGHLQHU
)RUVFKXQJVIUDJHDQ³
Gruppe 7: Prozess-rezeptiv
Nach Prüfung auf interne Homogenität muss in dieser Gruppe zwischen zwei ver-
schiedenen Subgruppen unterschieden werden:
Subgruppe 1 betrifft Lehrelemente, bei denen den Studierenden erläutert wird, wie
HLQ)RUVFKXQJVSUR]HVVDXIJHEDXWLVW'DEHLZHUGHQYRUDOOHPYHUVFKLHGHQHÄ)Rr-
VFKXQJVGHVLJQV XQG GHUHQ $QZHQGXQJ NHQQHQJHOHUQW³ 0$ :issenschaftsfor-
schung). Teilweise werden auch einzelne Schritte des Forschungsprozesses inten-
siver behandelt, beispielsweise die Entwicklung und Formulierung von For-
schungsfragen oder Hypothesen.
Gruppenbe zeichnung:
Ä'LH 6WXGLHUHQGHQ EHNRPPHQGHQ )RUVFKXQ
gsprozess ver-
m
ittelt
³
Subgruppe 2 enthält Lehrelemente, die darauf zielen, Studierende in die Techniken
wissenschaftlichen Arbeitens einzuführen (z. B. recherchieren, zitieren).
Gruppenbe zeichnung:
Ä'LH6WXGLHUHQGH
n beko
mm
en die Techniken wissenschaftli-
chen Arbeite ns ver
m
ittelt
³
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Gruppe 8: Prozess-anwendend
Auch in dieser Gruppe sind zwei Subgruppen zu unterscheiden:
Subgruppe 1 umfasst Lehrelemente, bei denen Studierende üben, wie man For-
schungsvorhaben plant, etwa im MA Erziehungswissenschaft, wo die Studierenden
OHUQHQ VROOHQ ÄVHOEVWlQGLJ HLQH 3URMHNWVNL]]H ]XU $QDO\VH YRQ /HKU-
/HUQVLWXDWLRQHQ]XHQWZHUIHQ³
Gruppenbe zeichnung:
Ä6WXGLHUHQGHEHQGLH3ODQXQJYRQ)RUVFKXQJVYRUKDEH
Subgruppe 2 setzt sich aus Lehrelementen zusammen, bei denen sich die Studie-
renden mit Forschungsdesigns auseinandersetzen, indem laufende Forschungsvor-
KDEHQRGHUZLVVHQVFKDIWOLFKH$UWLNHOGLVNXWLHUWZHUGHQÄ7KHGLVFXVVLRQRIUHFHQW
publications enables students to devise own research questions and research de-
VLJQV³0$9:L). Häufig finden solche Diskussionen in klassischen Forschungs-
kolloquien statt, in denen (studentische) Forschungsvorhaben diskutiert werden.
Gruppenbe zeichnung:
Ä6WXGLHUHQGHGLVNXWLHUHQ)RUVFKXQJVYRUKDEHQ³
Gruppe 9: Prozess-forschend
Das besondere Merkmal dieser Gruppe besteht darin, dass die Studierenden hier
den gesamten Forschungsprozess durchlaufen, d. h. von der Entwicklung der For-
schungsfrage über die Untersuchungsplanung und -durchführung bis hin zur Auf-
bereitung der Ergebnisse. Solche studentischen Forschungsvorhaben werden in den
Studienordnungen häufig als Lehrforschung, Studien- oder Forschungsprojekt be-
zeichnet. Auch Bachelor- und Masterarbeiten sind dieser Gruppe zuzuordnen. In
einigen Studienordnungen wird zudem Wert darauf gelegt, dass die Studierenden
DQ)RUVFKXQJVSURMHNWHQGHV/HKUVWXKOVEHWHLOLJWZHUGHQÄHLJHQVWlQGLJHDQJHOHLWe-
WH0LWDUEHLWLQHLQHP>«@)RUVFKXQJVSURMHNWGHU/DWLQLVWLN>«@LQGHPVLHHLQ>«@
8QWHUSURMHNWEHDUEHLWHQXQGLKU(UJHEQLVSUlVHQWLHUHQ³0$/DWLQLVWLN
Gruppenbezeichnung
: Ä6WXGLHUHQGHYHUIROJHQHLQH)RUVFKXQJVIUDJHXQGGXUFKOD
u-
IHQGDEHLGHQJHVDPWHQ)RUVFKXQJVSUR]HVV³
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Abb. 3: Klassifizierungsmatrix nach der empirischen Prüfung
Zusammenfassend betrachtet konnte die theoretisch erarbeitete Systematisierung
bei der empirischen Prüfung zum Teil bestätigt, zum Teil weiter ausdifferenziert
werden. Im Ergebnis lassen sich zwölf Gruppen forschungsbezogener Lehre unter-
scheiden (vgl. Abb. 3).
2
2
Es werden hier keine Aussagen zur quantitativen Verteilung der kodierten Lehrelemente
getroffen, da deren Anzahl nicht notwendigerweise die Gewichtung der Elemente wieder-
gibt: Innerhalb eines Moduls wurden Lehrelemente zum Teil wiederholt benannt und
folglich auch wiederholt kodiert.
... arbeiten selbständig
Literatur zu einem
Forschungsfeld auf
... wenden vorgegebene
Methoden anhand einer
Forschungsfrage an
... verfolgen eine
Forschungsfrage und durch-
laufen dabei den gesamten
Forschungsprozess
... diskutieren
Forschungsergebnisse
... diskutieren Vor- und
Nachteile von Methoden
... diskutieren
Forschungsvorhaben
... üben Methoden
... üben die Planung von
Forschungsvorhaben
... bekommen
Forschungsergebnisse
vermittelt
... bekommen
Forschungsmethoden
vermittelt
... bekommen den
Forschungsprozess vermittelt
... bekommen Techniken
wiss. Arbeitens vermittelt
forschend
rezeptiv
anwendend
Aktivitätsniveau
der Studierenden
ForschungsprozessForschungsergebnisse Forschungsmethoden
Inhaltlicher
Schwerpunkt
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6 Forschendes Lernen im Kontext
forschungsbezogener Lehre
6.1 Verortung von Forschendem Lernen in der Klassifizierung
Zu klären bleibt, wo Forschendes Lernen in der erarbeiteten Klassifizierung zu
verorten ist. Der Fokus wird dazu im Folgenden auf die obere Zeile der Klassifizie-
rungsmatrix gelegt (vgl. Abb. 3), da bereits begrifflLFK PLW GHP 3DUWL]LS ÄIRr-
VFKHQG³ GHXWOLFK ZLUG GDVV KLHU hEHUHLQVWLPPXQJHQ PLW )RUVFKHQGHP /HUQHQ
bestehen.
Die obere Zeile beinhaltet drei Gruppen forschungsbezogener Lehre. Gemeinsam-
keiten zwischen diesen Gruppen sind die hohe Selbstständigkeit der Studierenden
einerseits, die Bearbeitung einer Forschungsfrage andererseits.
,QGHQ/HKUHOHPHQWHQGHU*UXSSHÄ(UJHEQLVVH-IRUVFKHQG³DUEHLWHQ6WXGLHUHQGHGLH
Literatur zu einem Forschungsfeld selbstständig auf. Sie bearbeiten eine For-
schungsfrage, jedoch mit dem Lernziel verbunden, ein spezifisches Forschungsfeld
NHQQHQ]XOHUQHQ$QDORJYHUKlOWHVVLFKLQGHU*UXSSHÄ0HWKRGHQ-IRUVFKHQG³+LHU
wenden Studierende für die Bearbeitung einer Forschungsfrage vorgegebene Me-
thoden an. Sie sind vorgegeben, weil spezifische Methodenkenntnisse erworben
werden sollen. In beiden Gruppen rückt damit das Lernen in den Mittelpunkt. Die
Beantwortung der Forschungsfrage ist nachrangig. Sie ist vielmehr als didaktisches
Mittel zu verstehen, das den Lernprozess der Studierenden stimulieren soll. Daraus
ergibt sich ein spezifischer Typ Forschenden Lernens, der wie folgt definiert wird:
Bei
m
Forschenden Lernen des Typs Lernen verfolgen die
S
tudierenden eine vorge-
gebene oder selbst entwickelte Fragestellung, u
m
vorgegebene Inhalte oder Me-
thoden des Faches zu vertiefen.
,P *HJHQVDW] GD]X KDW GLH )RUVFKXQJVIUDJH LQ GHU *UXSSH Ä3UR]HVV-IRUVFKHQG³
eine andere Funktion: Sie soll nicht das Lernen stimulieren, sondern beantwortet
werden. Enge Vorgaben zu Themenbereich und Methoden werden hier deshalb
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QLFKW JHVHW]W 'LH *UXSSH Ä3UR]HVV-IRUVFKHQG³ ELOGHW GDPLW HLQHQ ]ZHLWHQ 7\S
Forschenden Lernens, der wie folgt definiert wird:
Bei
m
Fors chende n Lernen des Typs Forschen verfolgen die
S
tudierenden eine
selbst entwickelte F ragestellung und durchlaufen dabei den gesa
m
te n Forschungs-
prozess.
6.2 Identifizierte Typen Forschenden Lernens im Spiegel vor-
liegender Definitionen
Es bleibt zu prüfen, inwieweit die beiden auf empirischer Basis identifizieren Ty-
pen mit den theoretischen Positionen zum Forschenden Lernen korrespondieren:
'HILQLWLRQHQ GLH GHP 7\SÄ)RUVFKHQ³ HQWVSUHFKHQ, lassen sich am Beispiel von
HUBER (2009, S. 11) veranschaulichen. Ihm zufolge zeichnet sich Forschendes
Lernen dadurch aus, dass der Forschungsprozess von den Studierenden vollständig
durchlaufen wird. Die Definition rückt damit das Ziel des eigenständigen studenti-
schen Forschens in den Mittelpunkt. Ähnliche Definitionen finden sich in einer
frühen Schrift der BUNDESASSISTENTENKONFERENZ (1970, S. 13) oder bei
TREMP (2005, S. 345). Im englischsprachigen Raum weit verbreitet ist diese Art
GHU'HILQLWLRQXQWHUGHQ%HJULIIHQÄUHVHDUFK-EDVHGOHDUQLQJ³] B. BREW, 2010,
6  RGHU ÄXQGHUJUDGXDWH UHVHDUFK H[SHULHQFH³ (z. B. BAUER & BENNETT,
2003, S. 215).
'HILQLWLRQHQ GLH GHP 7\SÄ/HUQHQ³ HQWVSUHFKHQ, kommen oft aus der Schulfor-
schung in die Hochschuldidaktik. BÖNSCH (2000, S. 236) beispielsweise rückt
den subjektiven Erkenntnisgewinn des Lernenden in den Mittelpunkt. Forschendes
Lernen soll den Anstoß geben, dass sich der Lernende subjektiv Neues zum Lern-
besitz macht. Ähnliche Definitionen finden sich beispielsweise bei AEPKERS &
LIEBIG (2002, S. 76) oder EULER (2005, S. 266). Im englischsprachigen Raum
wird dieses Verständnis häufig DOV ÄLQTXLU\ OHDUQLQJ³ EH]HLFKQHW ] B. SPRON-
KEN-SMITH et al., 2011, S. 15).
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38
Daneben finden sich
Definitionen, in denen die beiden Typen Forschenden Lernens
ver
m
engt werde n
. Nach LEVY & PETRULIS (2012, S. 87) etwa kann Forschendes
Lernen auf den individuellen Lernzuwachs (Typ Lernen) gerichtet sein oder auf
wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung (Typ Forschen). Und schließlich gibt es
auch
Definitionen, die zusätzliche For
m
en forschungsbezogener Lehre beinhalten
.
Diese Ansätze sind breiter angelegt und sehen Forschendes Lernen auch dann rea-
lisiert, wenn beispielsweise Forschungsergebnisse diskutiert (z. B. FICHTEN 2010,
S. 134) oder -prozesse nachvollzogen werden (z. B. REINMANN 2009, S. 43).
Unter dem Begriff des Forschenden Lernens werden mitunter also auch Lehrele-
mente geführt, die in der Klassifizierungsmatrix anderen Gruppen forschungsbezo-
gener Lehre zuzuordnen wären.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die explizite Unterscheidung zwi-
schen zwei Typen Forschenden Lernens implizit auch in der Literatur gegeben ist,
im deutschsprachigen Raum jedoch begrifflich bislang keine Abgrenzung vorge-
nommen wird.
7 Diskussion und Ausblick
Im Ergebnis zeigt die vorliegende Studie, dass forschungsbezogene Lehre in zwölf
verschiedene Umsetzungsformen unterteilt werden kann (vgl. Abb. 3). Zudem ist
]ZLVFKHQ ]ZHL 7\SHQ )RUVFKHQGHQ /HUQHQV ]X GLIIHUHQ]LHUHQ %HLP 7\S Ä)Rr-
VFKHQ³EHDQWZRUWHQ6WXGLHUHQGHHLQH)RUVFKXQJVIUDJHXQGGXUFKODXIHQGDEHi weit-
JHKHQG VHOEVWlQGLJ DOOH 6FKULWWH GHV )RUVFKXQJVSUR]HVVHV %HLP 7\S Ä/HUQHQ³
demgegenüber ist die Forschungsfrage ein didaktisches Mittel, um den Lernprozess
der Studierenden anzustoßen.
Mit der Unterscheidung zweier Typen Forschenden Lernens geht die Frage einher,
ob in den beiden Typen die gleichen oder jeweils spezifische Kompetenzen erwor-
ben werden. Zum einen ist aus der Schreibforschung bekannt, dass sich For-
schungsfragen allgemein als Ausgangspunkt für Schreibprozesse eignen (STRU-
GER, 2012). Insofern ist anzunehmen, dass Schreibkompetenz in beiden Typen
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Empirischer Beitrag
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Forschenden Lernens gefördert wird. Zum anderen verweist die Schreibforschung
darauf, dass zwischen universitärem und wissenschaftlichem Schreiben zu unter-
scheiden ist (KRUSE, 2016). Wissenschaftliches Schreiben ist als ein erkenntnis-
generierender Prozess zu verstehen (SCARDAMALIA & BEREITER, 2006) und
NRUUHVSRQGLHUWGDKHUPLWGHP7\SÄ)RUVFKHQ³8QLYHUVLWlUHV6FKUHLEHQzielt ± z. B.
in Form von Essays, Protokollen oder Exzerpten ± primär auf die Aneignung abge-
VLFKHUWHQ:LVVHQV*58%(5XQGNRUUHVSRQGLHUWGDKHUPLWGHP7\SÄ/Hr-
QHQ³
Auch hinsichtlich der Forschungskompetenz von Studierenden können Unterschie-
de zwischen beiden Typen Forschenden Lernens vermutet werden: Notwendiges
Wissen zum Forschungsgegenstand und -PHWKRGLNZLUGYHUVWlUNWLP7\SÄ/HUQHQ³
HUZRUEHQ'HPJHJHQEHULVWDQ]XQHKPHQGDVVEHLP7\SÄ)RUVFKHQ³LQVEHVRQGHUH
das Forschungsprozesswissen von Studierenden zunimmt (z. B. forschungsprakti-
sches Wissen zur Planung eines Forschungsprojekts oder zur Steuerung des eige-
nen Vorgehens, vgl. GESS et al., in Druck).
Schreib- und Forschungskompetenzen werden jedoch nicht nur beim Forschenden
Lernen gefördert. Die Klassifizierungsmatrix bietet einen geeigneten Ausgangs-
punkt, um auch für andere Formen forschungsbezogener Lehre potenzielle Kompe-
tenzentwicklungen zu diskutieren. Für die Schreib- und hochschuldidaktische For-
schung könnten hieraus Forschungsfragen folgen, die spezifische Effekte verschie-
dener Lehrelemente in den Blick nehmen. So ist zu vermuten, aber empirisch zu
prüfen, dass Lehrelemente, die den Forschungsprozess ins Zentrum stellen, beson-
ders geeignet sind, um Wissen zu verschiedenen Textgenres (z. B. Exposé, For-
schungsartikel, vgl. KRUSE, 2016) und ihren jeweiligen Funktionen zu vermitteln.
Die Planung von Forschungsvorhaben zu üben, könnte einen Einfluss auf die Fä-
higkeit haben, Gliederungen von wissenschaftlichen Texten zu entwickeln. Und
umgekehrt könnten Textgenreanalysen genutzt werden, um Einsichten in den Auf-
bau von Forschungsvorhaben zu vermitteln (VEDRAL & EDERER-FICK, 2015).
Geleitete Diskussionen zu Vor- und Nachteilen von Untersuchungsdesigns
und -methoden könnten hilfreich sein, um Studierende dazu zu befähigen, (primä-
re) Forschungsliteratur kritisch zu bewerten und zu evaluieren, sie also in ihrem auf
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Forschung bezogenen kritischen Denken (SCHLADITZ, GROSS OPHOFF &
WIRTZ, 2015) zu fördern.
Weitere Möglichkeiten für anschließende Forschung ergeben sich aus den Grenzen
der vorliegenden Studie: Die Klassifizierung wurde auf Basis von Studienordnun-
gen vorgenommen, die als Studiennormierungen nicht notwendigerweise die Stu-
dienrealität abbilden. Wichtig wäre hier, Lehrende in Form von Befragungen oder
Interviews einzubinden, um die Klassifizierung einer komplementären Prüfung zu
unterziehen und gegebenenfalls weiter auszudifferenzieren. Für die zukünftige
Forschung erscheint es zudem erforderlich, den Forschungsbezug hochschulischer
Lehre verstärkt in disziplinärer Betrachtung zu untersuchen. Die Klassifizierungs-
matrix könnte als Grundlage zur Identifikation disziplinärer Besonderheiten die-
nen.
Neben den Anregungen für die weitere Forschung lassen sich auch Implikationen
für die Praxis formulieren. Anhand der Klassifizierungsmatrix kann der For-
schungsbezug von Curricula analysiert und zudem geplant werden, wann welche
Bestandteile von Schreib- und Forschungskompetenz im Studium erworben werden
sollen. Darüber hinaus eignet sich die Matrix auch als Instrument für Modulver-
antwortliche oder Lehrende, um den Forschungsbezug der eigenen Lehre reflektie-
ren und stärken zu können.
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Autorin/Autoren
Julia RUESS __ Humboldt-Universität zu Berlin, bologna.lab __
Hausvogteiplatz 5-7, D-10117 Berlin
https://hu.berlin/ruess
julia.ruess@hu-berlin.de
Christopher GESS __ Humboldt-Universität zu Berlin, bologna.lab
__ Hausvogteiplatz 5-7, D-10117 Berlin
https://hu.berlin/gess
christopher.gess@hu-berlin.de
Wolfgang DEICKE __ Humboldt-Universität zu Berlin, bologna.lab
__ Hausvogteiplatz 5-7, D-10117 Berlin
https://hu.berlin/deicke
wolfgang.deicke@hu-berlin.de
... Despite its popularity in (under-)graduate research, this model neither specifies the exact nature of students' involvement in research nor does it present a clear definition of RBL (Wessels et al. 2021). Based on Healey and Jenkins (2009), Rueß, Gess, and Deicke (2016) provided a more pronounced classification concerning students' involvement in research-related teaching as they differentiated the students' activity level (receptive learning, applied learning, learning by research) and the thematic focus (research results, research methods, research process) (see Figure 1). The model was tested in a curriculum analysis across various disciplines in which modules, characterized by research-related teaching, were identified and categorized according to these two dimensions (Rueß, Gess, and Deicke 2016) (see also Wessels et al. 2021). ...
... Based on Healey and Jenkins (2009), Rueß, Gess, and Deicke (2016) provided a more pronounced classification concerning students' involvement in research-related teaching as they differentiated the students' activity level (receptive learning, applied learning, learning by research) and the thematic focus (research results, research methods, research process) (see Figure 1). The model was tested in a curriculum analysis across various disciplines in which modules, characterized by research-related teaching, were identified and categorized according to these two dimensions (Rueß, Gess, and Deicke 2016) (see also Wessels et al. 2021). This classification allows for more conceptual clarity and offers a theoretically derived and empirically tested re-definition of RBL. ...
... Thus, all processual steps in a research project should be included, from defining a research question, gathering and analyzing data or material, to evaluating and presenting the project's findings. This conceptualization of RBL is in line with that of Rueß, Gess, and Deicke (2016) (see also Wessels et al. 2021;Pedaste 2022). ...
Article
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The ongoing implementation of research-based learning (RBL) within the higher education core curriculum leads to a growing number of students who conduct their own research projects during their course of study. Although previous studies have indicated that research-based learning has positive outcomes for students, their causal link remains unclear given a focus on specific disciplines, and the lack of pre-post designs and control groups. To fill this gap, the aim of our study is to examine how research-based learning, specifically the conduct of the research process by students on their own, affects their self-rated research competences with a longitudinal research design that was conducted in a wide range of disciplines. We used panel data from Germany (N = 520) and applied fixed-effects panel regression models to analyze students within student variance to the treatment effect of research-based learning. Results suggest two main findings. First, engagement in research-based learning significantly increases students’ self-rated research competences relating to reviews of the state of research, methodology, reflection on research findings, communication, and content knowledge. Second, the effectiveness of research-based learning differed among students enrolled in bachelor's and master's degree programs.
... Seit einigen Jahren gibt es im Diskurs über die Lehrer*innenbildung weitgehend Einigkeit über forschendes Lernen als Bestandteil pädagogischer Professionalisierung (Huber 2003(Huber , 2009Huber et al. 2009;Eck 2019;Aeppli et al. 2014;Rueß et al. 2016;Basten et al. 2020;Wulf et al. 2020). Forschendes Lernen im Sinne rekonstruktiver Fallarbeit kann als vermittelnde Instanz zwischen Theorie und Praxis verstanden werden, die "die Verfasstheit der Erziehungswirklichkeit zu entschlüsseln" (Dzengel 2017, S. 380) vermag. ...
Chapter
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„Der den Sammelband einleitende Beitrag verdeutlicht zunächst mit Bezug auf empirische Befunde unterschiedlicher Studien, dass sich soziale Ungleichheit (auch) über eine rassifizierte Ordnung reproduziert. Diese Ordnung zeigt sich auch im Bildungssystem: In der Praxis sind als Reaktion auf migrationsgesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse trotz neuerer Deutungsangebote häufig Zugriffe auf das Konzept ‚Integration‘ zu beobachten. Die impliziten (Normal-)Adressat*innen von Bildungsinstitutionen bleiben dann nach wie vor weiße Schüler*innen und Lehrer*innen; die so erst als ‚Andere‘ hergestellten ‚Veranderten‘ werden als anzupassende Personen verstanden. Lehrer*innen sind dabei als handelnde Akteur*innen in Bildungsinstitutionen an der Subjektformierung in Macht- und Herrschaftsverhältnissen – und damit an der Konstituierung von biografischen Verläufen – zentral beteiligt. Als Hilfsmittel für eine rassismuskritische Professionalisierung im Lehrberuf wird vor diesem Hintergrund als vermittelnde Instanz zwischen Theorie und Praxis der Zugang des Forschenden Lernens vorgeschlagen. Zum Abschluss des Beitrags werden die Struktur des Bandes sowie die einzelnen Beiträge vorgestellt und eingeordnet.“
Article
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Die mit dem Forschenden Lernen verbundenen Verständnisse werden in der Literatur als vielfältig bewertet und die damit einhergehenden Auswirkungen als problematisch für Erforschung, hochschuldidaktische Umsetzung sowie Wirkungsannahmen gesehen (Huber & Reinmann, 2019). Vornehmlich in der Lehrkräftebildung entwickelte sich ein eigener Diskurs. Im vorliegenden Aufsatz wird dafür plädiert, die immer wieder benannte spezifische, berufsperspektivische Zielsetzung des Forschenden Lernens in der Lehrkräftebildung stärker theoretisch auszuformulieren, um die Verständnisklärung von Forschendem Lernen vor diesem Hintergrund vorantreiben zu können. Damit einhergehend werden aktuelle Forschungsbefunde und -erkenntnisse des Forschenden Lernens im Praxissemester in Deutschland berichtet und diskutiert. Es werden mögliche Ansatzpunkte für die theoretische Weiterentwicklung und damit verbundene Implikationen für die Praxis aufgezeigt.
Presentation
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What impact has research-related motivation on the level of pre-service teachers’ research competence? Objectives: Despite the ever-growing body of knowledge about research-informed decision processes in education, only little is (still) known about teachers’ actual research-related competencies (RC) and how its development is impacted by individual characteristics. In this paper, findings from two studies of German pre-service teachers’ will be presented with regard as to whether such RC can be predicted by motivational attitudes. Theory: Research and the use of research evidence have been identified as key to quality improvement in education. Developing the competencies of educators to purposefully access, reflect and use research (Educational Research Literacy = ERL, cf. Groß Ophoff et al., 2017) should thus be seen as critical, but proves to be challenging in educational practice. This is even more remarkable as the state of knowledge about actual RC and how it can be supported remains unsatisfactory, even though assessment instruments have been developed in recent years. In this context, competence is defined as a context-specific cognitive disposition that is, amongst other things, influenced by motivational factors, and can therefore be (further) developed through goal-oriented learning opportunities. Therefore, in line with Expectancy-Value theory (Eccles & Wigfield, 1995) it is assumed that the acquisition of ERL is affected by motivational beliefs regarding the subjective value of educational research and the expected success of an engagement with evidence. Methods: The reported findings are based on two consecutive cross-sectional studies at German universities offering teacher education study programs (2014, Study 1: 122 students/3 institutions; 2019-2021, Study 2: 298 students/10 institutions). Data was collected via a standardised competency test for the assessment of ERL in combination with attitudinal questionnaires (a.o. scales for the subjective value of educational research and the expected success). The data was and will be further analysed based on latent regression analysis. Results: According to findings from Study 1, teacher training students perceive both the subjective value of educational research and the expected success of an engagement with evidence as rather moderate. The level of ERL can particularly be predicted by the perceived value of evidence. Preliminary analysis of Study 2 data indicated that the findings from Study 1 can be replicated, as the subjective value emerges again as a significant predictor of ERL. Significance: Results from both studies highlight the importance of not only imparting knowledge and competencies, but also of initiating research-related motivation for a quality, and therefore more consequential use of evidence in education. This is all the more important, as teachers are responsible to empower future citizens to be able to separate fact from fiction, too. References Eccles, J. S., & Wigfield, A. (1995). In the mind of the actor: The structure of adolescents' achievement task values and expectancy-related beliefs. Personality and Social Psychology Bulletin, 21(3), 215-225. Groß Ophoff, J., Wolf, R., Schladitz, S., & Wirtz, M. (2017). Assessment of Educational Research Literacy in higher education. Construct validation of the factorial structure of an assessment instrument comparing different treatments of omitted responses. Journal for Educational Research Online, 9(2), 35–66.
Thesis
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‚Reallabore‘ erleben als neues Forschungsformat gegenwärtig eine beeindruckende Konjunktur. Der Begriff ‚Reallabor‘ hat sich dabei von seinem Ursprung in der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung schnell in andere Felder verbreitet. Die in dieser Arbeit vorgelegten Texte nehmen den Reallabor-Ansatz ernst und leisten Beiträge dazu, ihn aus Perspektive der transdisziplinären Forschung methodisch auszuarbeiten, insbesondere Anhand von Bildngsprozessen die im und durch das Reallabor stattfinden.
Chapter
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Der vorliegende Beitrag stellt mit dem MethodenLab Qualitative For- schung exemplarisch ein digitales Format zur Unterstützung der Vermittlung von forschungsmethodischen Kenntnissen und Fähigkeiten zur Diskussion vor. Nachdem erstens die strukturellen und didaktischen Grundlagen einge- führt werden, stellen wir zweitens die dem MethodenLab zugrundeliegenden Prinzipien qualitativer Forschung vor: die Gegenstandsangemessenheit der Methode, das Prinzip der Offenheit und die Reflexivität im Forschungs- prozess. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen mit der Entwicklung des Angebots für die Methodenlehre werden drittens die Herausforderungen und Perspektiven der Vermittlung qualitativer Methoden in digitalen Lernräumen und hybriden didaktischen Arrangements reflektiert.
Chapter
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Ich möchte in diesem Beitrag darauf eingehen, was es heißt, wissenschaftliches Schreiben forschungsorientiert zu unterrichten und es dabei von anderen Lehrkonzepten zum wissenschaftlichen Schreiben abgrenzen. Gerade anwendungsorientierte Fächer, wie sie sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen vertreten sind, verwenden über das forschungsorientierte Schreiben hinaus eine breite Palette von beruflichen, reflexiven oder prüfungsbezogenen Textgenres, die von Studierenden wie auch Lehrenden unterschieden werden sollten.
Article
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In this contribution, the results of three empirical research projects on students' academic writing in Austria are reported. During the first two projects, empirical analyses of students' " seminar papers " written in three (business and economy related) study programs at two Viennese universities were conducted. According to the " academic literacies " approach which was followed, the dataset comprises not only a corpus of students' texts, but also interviews with students and staff as well as field notes from the three courses (" seminars ") in which the papers were written. Results showed that the texts that students produced under the label " seminar paper " vary considerably, reflecting not only epistemological differences between the three disciplines under consideration but also local institutional and course specific aspects. Based on these results, a model of students' writing at the university was proposed which formed the theoretical basis for the third, application oriented project in which a blended learning program for supporting students' academic writing was developed. The contribution ends with a reflection on the sustainability of the project outcomes.
Chapter
Unser Beitrag zu diesem Sammelband beschäftigt sich mit dem Konstrukt der Forschungskompetenz und der Frage, welche Aspekte von Forschungskompetenz im Forschenden Lernen (theoretisch) wie gefördert werden können. // Our chapter in this volume examines the construct of 'research competence' and looks at which particular aspects of research competence can (theoretically) be fostered through research-based learning. Der Band beginnt mit theoretischen und methodischen Einführungen zum Forschenden Lernen, bietet im Hauptteil eine umfangreiche Sammlung von Fallstudien aus den Lebenswissenschaften, den MINT-Fächern und verschiedenen Einzelfächern und schliesst mit fünf thematischen Beiträgen. // The volume begins with several thematically focussed theoretical and methodological introductions to research-based learning, offers a comprehensive collection of case studies from the life scienes, the natural sciences and various other subjects and concludes with five thematic chapters. Klappentext Sammelband: Viele Entscheidungen in Politik und Wirtschaft hängen heute von Statistiken, Prüfberichten oder Marktforschung ab. Doch wie verlässlich sind Forschungsergebnisse? Das können wir am besten beurteilen, wenn wir selber geforscht haben. In diesem Sinne soll Forschendes Lernen die Lehre in Universitäten und Fachhochschulen revolutionieren: Lernen durch eigenständige Forschung. Darauf müssen sich nicht nur die Studierenden, sondern auch die Hochschulen einrichten. Das Buch bietet eine erste Gesamtschau zum Forschenden Lernen in Deutschland. Many decisions in politics and economics today depend on statistics, reports or market research. But how reliable are the results presented here? This we can only really assess if we have been actively engaged in research ourselves. In this sense, research-based learning is poised to revolutionise teaching in Higher Education: learning through independent research. Both students and the Higher Education institutions need to be prepared and adapt to this new way of learning. This volume offers a first complete overview of recent developments and endeavours in the field of research-based education in Germany.
Article
Die Befähigung, auf wissenschaftlicher Evidenz basierende Entscheidungen zu treffen, ist zentrales Ziel einer Hochschulausbildung. Das Projekt LeScEd (Learning the Science of Education) integriert Ansätze aus Bereichen wie Informationswissenschaften, Mathematikdidaktik und Psychologie in ein gemeinsames Strukturmodell bildungswissenschaftlicher Forschungskompetenz (BFK). Die aktuelle Studie untersucht Zusammenhänge der BFK zu fluider Intelligenz und selbsteingeschätzter Kompetenz im Sinne diskriminanter bzw. konvergenter Validierung. In Strukturgleichungsmodellen zeigen sich kleine positive Zusammenhänge zur Intelligenz, aber keine zur Selbsteinschätzung. Dies deutet darauf hin, dass BFK mit Intelligenz verwandt, aber von ihr abgrenzbar ist und dass die Selbsteinschätzung keinen geeigneten Indikator für die tatsächliche Kompetenz darstellt.