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Bildung und die Dezentrierung des Subjekts

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Abstract

Bildung ist noch immer ein zentraler Begriff der Erziehungswissenschaft. Unbeschadet zahlreicher Kritiken und vieler Versuche, ihn durch andere Termini zu ersetzen, besteht auch unter Vertretern sonst ganz unterschiedlicher Auffassungen weitgehend Einigkeit darüber, dass der Bildungsbegriff als systematischer Ort der Reflexion über Begründung und Kritik pädagogischen Handelns unverzichtbar ist (vgl. zum Beispiel Klafki 1994: 43f.; Ruhloff 1991). Traditionellerweise ist dieser Terminus eng mit einem emphatischen Begriff von Subjektivität verknüpft, sofern Bildung nicht nur als jener Prozess verstanden wird, „in dem eine als wünschenswert ausgegebene Persönlichkeitsstruktur hervorgebracht werden soll“ (Menze 1983: 350), sondern dabei — etwa im Gegensatz zum Begriff der Erziehung — statt der Einwirkung von außen vor allem die Selbstbestimmung des sich bildenden Subjekts im Mittelpunkt steht. Gerade diese Vorstellung des Subjekts als einer ihrer selbst bewussten souveränen Instanz aber ist es, die eine der Hauptzielscheiben poststrukturalistischer Kritik ausmacht (vgl. Frank 1983: 243ff.). Angesichts dessen stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus der poststrukturalistischen Kritik des Subjektbegriffs für die Bildungstheorie zu ziehen wären.

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... Die grundsätzliche "Dezentrierung des Subjekts" (Koller 2001) im poststrukturalistischen Denken geht also nicht mehr von sich selbst bewussten Subjekten im Sinne einer transzendentalen Instanz aus, sondern interessiert sich für diskursive Ordnungen, Normen etc., "welche das Bewusstsein eines Subjekts übersteigen und sich umgekehrt passende Subjektformen produzieren" (Reckwitz 2016: 29). Aus praxis und diskurstheoretischer Perspektive wird die Frage nach der Handlungsmacht von Schüler*innen und Lehrkräften im Unterricht also als eine Frage danach gewendet, wie in Praktiken ein Gefüge aus Subjektpositionierungen entsteht, das nicht statisch, sondern nur in Bewegung zu verstehen ist. ...
... Indeed, it seems we will need to consider a life story as materially/discursively constructed. A conception of Bildung from the point of view of a "decentring of the subject" (Koller, 2001) would be a necessary, but not sufficient precondition of research approached in this way. ...
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This chapter explores possible connections among discourse analysis, materiality and biographical research in the context of subjectivation. The extant methodological/epistemological concepts linking the Foucauldian idea of discourse with biographical research do not provide clear openings for the incorporation of materiality, specifically those in digital form. This chapter proposes an adapted, modified approach to the analysis of material-discursive practices to the end of investigating the materiality and mediality of relationally understood processes of Bildung. In so doing, it identifies a need for a post-anthropocentric understanding of the biographical that focuses on the variety of socio-medial relational reconfigurations.
... Diese Prägung reicht bis hin zu der reduktionistischen Fixierung des Lernens auf neuronale Vorgänge, wobei soziale Aspekte sowie die an Lernprozessen beteiligten Materialitäten oder gar Machtverhältnisse marginalisiert werden (Künkler 2017a, 459). Die an anderer Stelle in der Erziehungswissenschaft umfassend diskutierte «Dezentrierung des Subjekts» (Koller 2001) oder auch die «Herausforderung durch die Dinge» (Meyer-Drawe 1999) finden in behavioristischen und kognitivistischen Lerntheorien keine Beachtung. Aber auch konstruktivistische Lerntheorien sowie der konstruktionistische Ansatz von Harel und Papert (1991), welche einer relationalen Vorstellung des Lernens noch am nächsten stehen, gehen weitestgehend von der Zentralstellung einer menschlichen Individuen-Entität aus. ...
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Der Beitrag rückt die Frage «Was verstehen wir unter ‹Lernen› im Zusammenhang mit Medien?» ins Zentrum und skizziert auf Grundlage der Ergebnisse eines ethnographischen Forschungsprojektes, bei dem FabLabs und Makerspaces im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung erkundet wurden, ein relationales Konzept von Lernen. Im Forschungsprojekt wurde das beobachtete Geschehen unter einer praxis- und diskurstheoretischen Rahmung analysiert, wobei insbesondere die Frage nach der Rolle von Artefakten im Vordergrund stand. Ausgehend von der Untersuchung materiell-diskursiver Praxis lässt sich Lernen mit Medien in dieser Herangehensweise als performatives Relationierungsgeschehen begreifen, an dem heterogene (d.h. menschliche und nichtmenschliche) Entitäten beteiligt sind. Der Beitrag stellt die Eckpunkte des Forschungsprojektes sowie ausgewählte Ergebnisse vor und diskutiert diese vor dem Hintergrund post-anthropozentrischer Lerntheorien.
... u.a. Koller 2001, Dahlmanns 2008 konstitutiv auf die Anerkennung durch andere angewiesen sind (vgl. Hegel 1807/1986, S. 145f), sehnen sie sich nach Einheit (in/mit sich) und Zugehörigkeit (zu vermeintlich Gleichen), die ein nationales Wir besonders wirkmächtig verspricht, weil es die spaltenden sozialen Unterschiede innerhalb einer Gesellschaft überdeckt und dem/der Einzelnen zur Imagination von Aufgehobenheit und Sicherheit verhilft. ...
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Über Jugend im Kontext von Identitätsbildung und dies unter dem Aspekt von Ethnisierung zu reflektieren, heißt, ein mehrfach brüchiges Terrain zu betreten, das zugleich von diskursiv verfestigten und verfestigenden Strukturen durchwirkt ist. Die Begriffe und ihre Subjekte ebenso wie die Gegenstände dahinter sind flüchtig: Was ist Jugend, wann beginnt sie, wann endet sie, wie definiert sie sich, in welchen Lebensstilen und an welchen Lebensnotwendigkeiten performiert sie sich? Die Entgrenzung von Jugend (vgl. Böhnisch 2008, S. 30) sowohl in einer zeitlich-biographischen als auch in einer sozioökonomischen Dimension ist sozial-und kulturwissenschaftlicher Standard geworden (vgl. u.a. Sander/Vollbrecht 2000; Milmeister/Willems 2007), jugendlicher Habitus wird mittlerweile im Plural und entkoppelt von einer präzise bestimmbaren Altersphase betrachtet. Dieser Beitrag lotet jugendliche Positionierungen in einem weiteren problematischen Kontext aus, jenem der Identitätsbildung im Spannungsfeld zwischen Individualität und Ethnisierung.
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School and family are often seen as separate institutions with different driving motivations and functions. In this dichotomous and differentiating perspective, the family is characterized by emotional care and exclusive togetherness, whereas schools focus on qualification, allocation, and achievement-based student selection. Yet these two spheres share numerous connections, and it seems reasonable to assume that they are not two rigidly separated institutions, but rather overlap and intersect in some areas. Moreover, studies in educational science have repeatedly stressed the key role played by the relationship between school and family in perpetuating inequalities – neither of which can be seen as solely responsible for that process. In light of this, my interest here is to examine some specific practices at the intersection of family and school in which inequalities are generated and processed. First, I consider the institutional intersection of family and school, and discuss it in the context of educational inequality theory. I then empirically illustrate these theoretical considerations with reference to two ethnographic case studies.
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Spirituelle Ratgeberliteratur verspricht, Wissen zur Lebensführung zu vermitteln, das auf der Suche nach dem Selbst Orientierung gibt. Die diskursanalytische Studie befasst sich aus einem geschlechter- und körpertheoretischen Zugang mit dem in der Erziehungswissenschaft noch wenig erforschten Genre der Ratgeberliteratur. Die analysierten Ratgeber sind im Kontext von spirituellem Feminismus zu verorten. In der Studie wird herausgearbeitet und aus einer dekonstruktiven Perspektive eingeordnet, wie in Wissenskonstruktionen vergeschlechtlichte Körper figuriert werden. Zentral ist dabei die Frage, welchen »Preis« Subjekte zahlen, wenn sie sich auf solches Wissen zur Lebensführung beziehen.
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Die Frage nach Differenzkonstruktionen ist für einen diversitätsensiblen Unterricht in allen Schulfächern relevant. Die Beiträge dieses Bandes fragen, wie (welche) Differenzen in fachunterrichtlichen Praktiken hergestellt werden. Die Beiträge untersuchen dazu, wie Wissensordnungen im Unterricht ausgehandelt werden: Sie befassen sich dafür mit Unterricht verschiedener Schulfächer wie Englisch, Französisch, Spanisch, Sport, Philosophie, Deutsch und Biologie sowie mit Unterrichtsmaterialien, insbesondere mit Schulbüchern für die Schulfächer Geschichte, Politik und Wirtschaft sowohl an weiterführenden Schulen als auch an Grundschulen. (DIPF/Orig.)
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Die Frage nach Differenzkonstruktionen ist für einen diversitätsensiblen Unterricht in allen Schulfächern relevant. Die Beiträge dieses Bandes fragen, wie (welche) Differenzen in fachunterrichtlichen Praktiken hergestellt werden. Die Beiträge untersuchen dazu, wie Wissensordnungen im Unterricht ausgehandelt werden: Sie befassen sich dafür mit Unterricht verschiedener Schulfächer wie Englisch, Französisch, Spanisch, Sport, Philosophie, Deutsch und Biologie sowie mit Unterrichtsmaterialien, insbesondere mit Schulbüchern für die Schulfächer Geschichte, Politik und Wirtschaft sowohl an weiterführenden Schulen als auch an Grundschulen. (DIPF/Orig.)
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Wonder is like Salt in the Educational Process‹. On the Relationship between Education, Wonder and Joy of Living and its Significance for Inclusive Education Wonder can productively accompany educational processes and give pleasure. The thesis is put forward that educational processes that are accompanied by wonder can also promote a more or less stable state of approval of one’s own life. Education can then be linked to the aesthetic claim of challenging a response that makes life beautiful or more beautiful.
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Staunen ist Ergriffensein, ein Antworten auf ungeahnte Ansprüche und dessen Ausdruck. Im Staunen öffnen und weiten sich die Möglichkeiten, es retardiert die Erfahrung und schafft Zeiträume für Veränderungen. Theresa Stommel nutzt diese Zugänge, um auf das Problem mangelnder Bildung und unzureichender kultureller Teilhabe von Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung zu antworten. Sie pointiert Bildung als Veränderungsprozess in der Erfahrung des Fremden mit kulturellen, ethischen und gesellschaftlichen Ansprüchen und begründet das Staunen als Phänomen, das Bildungsprozesse begleiten kann. Damit eröffnen sich frische bildungsphilosophische Perspektiven - und unbetretene Pfade in der Didaktik.
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Elementarisierung als didaktisches Konzept und Maßnahme zur didaktischen Reduktion komplexer Sachverhalte hat eine lange Tradition in der Allgemeinen und der sonderpädagogischen Didaktik. In diesem Beitrag wird das Konzept kritisch beleuchtet, durch aktuelle bildungstheoretische Überlegungen fundiert und daran anschließend um eine Elementarisierungsrichtung erweitert. Gegenwärtige Bildungstheorien fokussieren weniger Fragen nach Input oder Output, sondern Bildungsprozesse, was didaktische Überlegungen positiv beeinflussen kann. Die Aktualisierung des Elementarisierungskonzepts wird in Bezug auf ein relationales Verständnis von Behinderung analog zur ICF(-CY) vorgenommen, um individuellen Alltag und Kontextfaktoren bei der Planung und Gestaltung von Bildungssituationen im Elementarisierungsprozess stärker zu berücksichtigen.
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Medienbildung stellt ein zentrales Konzept der Medienpädagogik dar, das in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in theoretischer als auch empirischer Hinsicht vielseitig ausgearbeitet und diskutiert wurde. Der Beitrag beleuchtet die disziplinäre Entwicklung des Begriffs und geht auf unterschiedliche Facetten aktueller Konzepte ein. Im Vordergrund steht dabei ein relationales Verständnis von Medienbildung, das auf der Verbindung einer medien- und bildungstheoretischen Fundierung des Begriffs beruht.
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Medienbildung stellt ein zentrales Konzept der Medienpädagogik dar, das in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in theoretischer als auch empirischer Hinsicht vielseitig ausgearbeitet und diskutiert wurde. Der Beitrag beleuchtet die disziplinäre Entwicklung des Begriffs und geht auf unterschiedliche Facetten aktueller Konzepte ein. Im Vordergrund steht dabei ein relationales Verständnis von Medienbildung, das auf der Verbindung einer medien- und bildungstheoretischen Fundierung des Begriffs beruht.
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Um das Verhältnis von Kollektivität und Individualität im Kontext von Medienbildungsprozessen zu diskutieren, rekurriert der Beitrag auf die praxeologische Bildungstheorie und stellt Anschlüsse zur Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) her. Medienbildungsprozesse werden hierbei als habituelle Transformationen verstanden, wobei sich diese nicht allein auf menschliche Subjekte beschränken. Im Anschluss an Schäffer (2013) wird von einem ‚Quasi-Habitus‘ medialer Artefakte ausgegangen, wodurch unterschiedliche (Nicht-)Passungsverhältnisse zwischen Menschen und medialen Artefakten zustande kommen können. Eine zentrale Annahme des Beitrags besteht darin, dass sich erst durch den Blick auf dieses Gefüge von menschlichen und nicht-menschlichen Akteure habituelle Veränderung als eine spezifische Form verteilter Vernetzungsdynamik herauskristallisiert. Zur Analyse des Stellenwerts von Medien in Bildungsprozessen richtet sich der vorgeschlagene Blick somit auf unterschiedliche Dimensionen der Veränderung sozio-medialer Habituskonfigurationen. Es wird dargelegt, inwiefern eine so gefasste relationale Perspektive als Bezugspunkt einer praxeologisch fundierten Medienbildungstheorie und -forschung einerseits Einsichten in das komplexe Zusammenspiel von Menschen und medialen Artefakten bieten kann, andererseits aber eine kritische Prüfung eines anthropozentrisch gedachten Subjektbegriffes erforderlich macht.
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›Das erste Muster ist Abwesenheit‹ – so lautet der Befund von Bernadette Bakers und Katharina E. Heynings Versuch, Verwendungsweisen von Michel Foucault in der englischsprachigen Erziehungswissenschaft zwischen 1954 und 2002 zu identifizieren (2004, 29). Foucault, so Baker und Heyning, findet sich als Stichwort oder Schwerpunkt erziehungswissenschaftlicher Arbeiten erst ab 1977. Auch in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft finden sich Hinweise auf Foucault erst Ende der 1970er Jahre. Diese Verspätung fand ihre Fortsetzung in den 1980er Jahren. So notierte Ludwig Pongratz noch ein Jahrzehnt nach Klaus Mollenhauers (1979) ›etwas irritiertem Versuch, sich Foucault zu nähern‹, dass dieser in der erziehungswissenschaftlichen Forschung kaum Resonanz gefunden habe (vgl. Pongratz 1989, 57).
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Gegenwärtig werden häufig Fragen nach der Konstituierung der Medienpädagogik als Disziplin gestellt und Antwortversuche aus je unterschiedlicher Perspektive formuliert. Der vorliegende Beitrag unternimmt einen solchen Versuch durch die Diskussion von Implikationen weitreichender Medialisierungsprozesse für die «Disziplinierung» der Medienpädagogik und ihrer Forschungsfelder am Beispiel von Schule als genuin pädagogischem Ort. Die Zusammenführung einer poststrukturalistisch gedachten Medienbildung und einer damit einhergehenden Entdichotomisierung von Subjekt und Welt respektive Subjekt und Medien mit dem Konzept der Schulkultur und einem damit verbundenen holistischen Blick auf das Schulgefüge eröffnet eine neue, produktive und gleichsam kritische Perspektive, ohne dabei jeweils auf eine vereinfachte Gesellschaftskritik zurück zu fallen. Dies stellt bisherige medienpädagogische Theoreme und insbesondere das Medienkompetenzkonzept, das über den medienpädagogischen Wirkungskreis hinaus auch in anderen Kontexten etabliert ist, in Frage. So wird eine neue Perspektive auf Medienpädagogik und ihre Ziele eröffnet, die nicht vorschnell in Abgrenzungsmechanismen unterschiedlicher medienpädagogischer Schulen verfällt, sondern zu aller erst eine «offene» sein will.
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Lehrer(innen) sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, einem in stetigem Wandel begriffenen Berufsbild gerecht zu werden. Die Lehrer(innen)bildung wie die schulbezogenen Wissenschaften haben die Aufgabe, Vorurteile und habitualisiertes Wissen im Berufsfeld kritisch zu hinterfragen und Vorschläge zu dessen professioneller Erschließung zu machen. Dieses Buch, das sich sowohl an Lehrer(innen) als auch an Wissenschaftler(innen) und Entscheidungsträger(innen) der Lehrer(innen)bildung richtet, unternimmt den Versuch der Rekonstruktion des professionellen Feldes in theoretischer und forschungsmethodisch gestützter Distanz. Eine besondere Rolle spielen die Transformationsprozesse von erziehungs-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Ergebnissen in die Praxis beruflichen Handelns, die bisher allerdings kaum beforscht sind. In dieser Abhandlung werden Wegmarken zur Bearbeitung dieser Forschungslücke gelegt. Die besondere Herausforderung wird dabei darin gesehen, dass die Wertigkeit kompetenten Handelns ihren Ursprung in einer heteromorphen und der Reflexion kaum zugänglichen Normativität hat.
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Das klassische Bildungsverständnis, in dem Bildung vorrangig als Selbst-Bildung gedacht wird, ist spätestens seit den poststrukturalistischen Einschnitten des 20. Jahrhunderts radikal infrage gestellt, wenn nicht gar unbrauchbar geworden. Die mit dem Poststrukturalismus vollzogenen Dezentrierungen des Selbst und Fokussierungen des Anderen ermöglichten neue Perspektiven auf den Bildungsbegriff. In „Erschöpfte Selbst-Bildungen“ soll an diese Dezentrierungsbewegungen mit einer dekonstruktiven Lektüre von Alain Ehrenbergs „Das erschöpfte Selbst“ und einer anschließenden bildungstheoretischen Einbettung angeschlossen werden. Anlass dieser Bewegung ist der Verdacht (vgl. Wimmer 2016, 355–371), dass in diversen Publikationen zunehmend an sehr klassische Selbst-Bildungs-Verständnisse oder (jedenfalls in den hier verwendeten Texten) auch an Humboldtsche Kraft-Rhetoriken angeschlossen wird, ohne dies in irgendeiner Weise zu problematisieren. Dieser Verdacht wird hier exemplarisch in Bezug auf den Sammelband „Selbst-Bildungen. Soziale und kulturelle Praktiken der Subjektivierung“ von Alkemeyer, Budde und Freist aus dem Jahre 2013 konkretisiert, indem der nicht ‚fiktiven‘ ‚Selbst-Bildung‘ als ‚reale [und schaffende] Kraft‘ Alkemeyers eine Ehrenbergsche ‚fantasmatische‘ Selbstbildung mit ‚erschöpfender‘ Wirkung gegenüber gestellt wird: eine Selbstbildung, in der jeder (notwendige) Autonomieanspruch zum Problem wird und paradoxerweise jede gestörte Autonomie zur Ermöglichung wie aber auch zum Verlust von Handlungsfähigkeit beitragen kann.
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Eine Verortung des Poststrukturalismus in der allgemeinen theoretischen Ausgangslage ist hilfreich,um die Schnittpunkte der verschiedensten Perspektiven seines Denkens und seine eigentliche Intention der Gesellschaftskritik aufzuzeigen. Denn:der Poststrukturalismus hat seinen Ausgangspunkt in der vielfältigen Kritik der Sprachtheorie Ferdinand de Saussures,dem Strukturalismus,der insbesondere in den 1980er Jahren durch poststrukturalistische VertreterInnen wie Gilles Deleuze,Jacques Derrida,Jean-Francois Lyotard,Michel Foucault aus der Philosophie,Jean Baudrillard aus der Soziologie,Jean Lacan und Julie Kristeva aus der Psychoanalyse,modifiziert und weiterentwickelt wurde.So kann der Poststrukturalismus auf Grund seines direkten Anschlusses an den Strukturalismus nicht ohne diese Herkunft verstanden werden.Ausgehend von der Annahme, dass Wirklichkeit über Sprache,über Bedeutungen und so auch über Handeln und Wahrnehmen hervorgebracht wird,richtet der Poststrukturalismus sein Augenmerk auf die diskursiven Machtverhältnisse (Foucault),innerhalb derer die Konstruktionsverhältnisse stattfinden und auf die Auflösung von scheinbar stabilen und ursprünglichen Modellen der Wirklichkeit durch die Strategie der ‘Umkehrung ’ der Differenz und der ‘Verschiebung ’ der Logik des Sinnsystems (Derrida 1990a;1990b).
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Der Beitrag befasst sich mit der Methodologie einer vergleichend angelegten ethnographischen Forschung im Feld genderpädagogischer Angebote der Jugendarbeit. Vor dem Hintergrund der alten Debatte um Ko- und Monoedukation sollen dort geschlechtshomogene Angebote der Mädchen- und Jungenarbeit sowie geschlechtsheterogene Angebote miteinander mit Blick auf die Frage verglichen werden, wie Kinder dort jeweils Geschlecht herstellen und wie sich Bildungsqualitäten dieser verschiedenen pädagogischen Organisationsformen beschreiben lassen. In einer methodologischen Annäherung werden zunächst der Forschungsgegenstand des ‚doing gender‘ theoretisch bestimmt und dann Potentiale des Konzeptes des ‚dichten Vergleichens‘ als Analysestrategie vorgestellt. Anschließend werden drei Beobachtungsszenen analysiert, in denen das Phänomen des ‚Weinens‘ auftaucht. Daran werden Grenzen und Möglichkeiten der Konstruktion von Vergleichbarkeit im Analyseprozess vergleichender Ethnographien exemplarisch reflektiert.
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Es ist das Anliegen des vorliegenden Beitrags zu erläutern, auf welche Weise der Witz sich affirmativ auf eine heteronormative Geschlechterordnung bezieht und wie er seine Zuhörer_innen1 dazu auffordert, sich in dieser Ordnung selbstbildend zu positionieren. Dieses Wie soll mit einer dispositivanalytischen Perspektive gerahmt werden, welche die Geschlechterordnung als Dispositiv und den Witz als in diesem Dispositiv strategisch verankerte diskursive Strategie konzipiert, welche auf die Selbst-Bildung der Subjekte und damit auf eine dem Dispositiv angemessene Subjektformierung abzielt.
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Der Begriff Sozialisation ist mit seiner etwas mehr als 100jährigen Tradition relativ jung. Das, was sich hinter ihm verbirgt, ist jedoch ein Problem, das bis in die frühe Geschichte der abendländischen Philosophie zurückreicht und als Thema auch schon im 19. Jahrhundert bedeutsam war (vgl. Geulen 1991, S. 21): die Vergesellschaftung des Individuums.
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Als sozialwissenschaftlicher Begriff geht „Milieu“ auf den französischen Philosophen Hyppolith A. Taine (1828-1893) zurück, der in Anlehnung an August Comte (1798-1857) mit diesem Begriff neben Vererbungsannahmen und Einflüssen der historischen Situation die jeweilige Umwelt bzw. die Lebensverhältnisse für die menschliche Entwicklung berücksichtigen wollte (Gukenbiehl 1989, S. 199; Hradil 2006). Seither geht es mit dem wissenschaftlichen Milieubegriff um die Frage, wie Menschen in ihrer Entwicklung durch die Umwelt und konkrete Lebensverhältnisse in ihrem „Erleben, Denken und Handeln grundlegend“ beeinflusst werden (Gukenbiehl 1989, S. 199).
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In den letzten Jahren haben sich diskursanalytische Studien in der Erziehungswissenschaft zu einem breiter werdenden Forschungsgebiet entwickelt. Ihr Interesse gilt den widersprüchlichen (Re)Produktions- und Transformationsprozessen sozialer und pädagogischer Ordnungen und Praktiken sowie der Konstruktion pädagogisch relevanter Gegenstände in fachlich-professionellen, wissenschaftlichen, bildungspolitischen und medialen Debatten. Der vorliegende Band zielt darauf, die empirische erziehungswissenschaftliche Diskursforschung in ihrer disziplinären Charakteristik, ihren interdisziplinären Anschlüssen sowie in ihrer methodologischen Konkretisierung sichtbar zu machen. Für die Beiträge des Bandes hatten wir Autor_innen, die in den letzten Jahren empirische Diskursanalysen veröffentlicht haben, aufgefordert, ihre Arbeiten vorzustellen. Wir haben darum gebeten, den theoretischen und methodischen Zugang zu reflektieren und an konkreten Analysen von empirischem Material zu demonstrieren. Mit dieser Einleitung möchten wir eine Ordnung vorschlagen, die die Beiträge des Bandes und damit das Feld erziehungswissenschaftlicher Diskursforschung aufeinander bezieht. Sie soll das, was die Beiträge disziplinär verbindet, ebenso thematisierbar machen wie das, was sie theoretisch, methodisch und gegenstandsbezogen unterscheidet.
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Blickt man auf die Rezeption der Arbeiten Michel Foucaults in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft, so ist — weitgehend auch heute noch — der Einschätzung nur zuzustimmen, die Ludwig A. Pongratz bereits 1989 notierte: „Die Wucht seiner Analysen scheint in der deutschen pädagogischen Diskussion bisher kaum Resonanz zu finden“ (Pongratz 1989b: 57). So ließ sich bis Ende der 1980er Jahre die erziehungswissenschaftliche Profession nur selten von Foucault,irritieren‘und begegnete ihm überwiegend mit Ignoranz, Abwehr oder gar Denunziation. Erziehungswissenschaftler nahmen Foucaults Analysen zumeist als Angriffe gegen Pädagogik wahr, die sie zu widerlegen, in (tradierte) Ordnungsmuster einzuordnen oder — oft nur implizit — für ein Plädoyer gegen Erziehung überhaupt aufzunehmen suchten. Erst seit Anfang der 1990er Jahre und verstärkt seit einigen Jahren wird nun auch in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft immer häufiger an Foucault angeschlossen. Während die wenigen Ausnahmen der 1980er Jahre, die Foucaults Anregungspotential ausführlicher diskutierten wie auch für eigene Analysen nutzten, überwiegend (bildungs-)historische Fragen an und mit Foucault stellten, ist es nun vor allem die ‘Frage nach dem Subjekt’, die ins Zentrum der Auseinandersetzung gerückt ist.
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Bildung im Alter — das Thema klingt so einfach, und wird doch immer schwieriger, je länger und genauer man sich darauf einlässt. In welcher Bedeutung des Wortes wird von „Alter“ gesprochen? In welcher Bedeutung des Wortes von „Bidlung“? Muss man sich, wenn man über „Bildung im Alter“ nachdenkt, auf die Frage pädagogischer Interventionen bei alten Menschen einlasse, — oder, darf man getrost Bildung als Selbstbildung verstehen und die verschiedenen Formen der Altenbildung ausklammern, wie wohl sie „Bildung“ im Namen tragen? Ist Bildung im Alter zumutbar — oder angesichts nachlassender Kräfte eine Überforderung? Ist es nicht eine Anmaßbung, das ganze Leben mit pädagogischen Ansprüchen zu begleiten? Kann man nicht geltend machen, sie mögen im Kinder-und Jugendalter ihre Berechtigung haben, allenfalls aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungsgeschwindigkeit noch berufsbegleitend, aber nicht mehr im Alter? Ist denn die Frage nach dem Ende der pädagogischen Einwirkungen, die z.B. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher in seiner Vorlesung 1826 beschäftigt hat, gänzlich in Vergessenheit geraten? Auf welche, Begründungen wird bei der Befürwortung und Abweisung von „Bildung im Alter“ zurückgegriffen? Norberto Bobbio sinniert in seiner Dankesrede, die er 1994 anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität in Sassia hielt: „Der alte Mensch wird immer mehr zu dem, der kein Wissen hat, vergleicht man ihn mit den Jungen, die bereits mehr Wissen haben als er, und nicht zuletzt deshalb mehr wissen können, weil sie über eine größere Lernfähigkeit verfügen“.
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The article points out some pedagogical challenges in supporting girls and young women in their emancipatory movements today. It spotlights a specific section in gender pedagogy by focusing on the aim of self-determination (rather than achievement) in the field of social-pedagogy and it refers to the concept of ‘girls work’ in Germany. A critical discussion of new images of ‘top girls’ leads to a first challenge: the necessity of acting in a self-reflective and sensitive way with these images in the field of pedagogy. The boys’ turn in the current gender debate accuses pedagogy of being too girl-friendly. The challenge in this generalising discussion is to shift the perspective away from the boys and girls as being deficient qua sex towards pedagogy in general. Regarding the organisational framework this could mean rethinking single- and mixed-sex settings and their impact on gender transgressions. According to this, the concept of girls work is a special point of consideration in the article. It presents some of the results of research on girls’ understandings of their self-determination within feminist youth work. It shows how girls and young women value a ‘girls-only’ place.
Article
Angebote der Essenversorgung drogenabhängiger Menschen sind fester Bestandteil einer akzeptanzorientierten Drogenarbeit. Angesichts der gesundheitlichen, psychischen und sozialen Beeinträchtigungen von Konsumenten und Konsumentinnen illegaler Drogen soll die Einrichtung von Cafés, in denen drogenabhängige Menschen gegen ein geringes Entgelt eine warme Mahlzeit zu sich nehmen können, zu einer Stabilisierung beitragen und das allgemeine Überleben sichern helfen. Dabei werden die vorgehaltenen Essensangebote in den Kontaktcafés als niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem verstanden, durch den die Vermittlung in weitere Unterstützungsangebote angeregt wie auch eine individuelle Begleitung bei der Herauslösung aus der Drogenszene und der Abhängigkeit initiiert werden kann (vgl. Groenemeyer 1994). Darüber hinaus helfen die Cafés einer sozialen Desintegration vorzubeugen, und sie fungieren als Orte, an denen über dysfunktionale Gebrauchsmuster informiert und Hinweise zur Minimierung der Risiken bei intravenösem Konsum gegeben werden kann (vgl. etwa Schneider 1997, Stöver 1999). Das heißt, Essensangebote im Rahmen einer lebensweltorientierte Drogenarbeit zielen einerseits auf die leiblich-psychische Situation der Drogenkonsumenten und -konsumentinnen ab und sie verstehen sich andererseits als vertrauensbildende Maßnahme, mittels derer weiterführende pädagogische Kontakte und Interaktionen ermöglicht werden.
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Wilhelm von Humboldt, Charles S. Peirce, Hermann Paul, Ferdinand de Saussure, Karl Bühler, Ludwig Wittgenstein, Roman Jakobson, Alfred Schütz und Gerold Ungeheuer – sie alle gehören zu den Klassikern der Sprachwissenschaft. Doch viele Ergebnisse ihrer Forschungen gelten heute als selbstverständlich, sodass die Urheber in den Hintergrund geraten sind. Teilweise werden ihre wichtigen Beiträge auch nur verkürzt wiedergegeben oder haben gar nicht erst die Aufmerksamkeit erfahren, die ihnen gebührt. Der vorliegende Band setzt sich zum Ziel, diese Wegbereiter eines wissenschaftlichen Sprachverständnisses dem Vergessen zu entreißen und ihre anhaltende Relevanz für den Forschungsbetrieb zu demonstrieren. Er versammelt Originaltexte, um das Bewusstsein für die Ursprünge und Grundlagen der Sprachwissenschaften zu schärfen. Kurze Geleittexte stellen die Autoren vor und erläutern geschichtliche Ausgangspunkte sowie theoretische Kontexte.
Warum ich Macht untersuche: Die Frage des Subjekts
  • Michel Foucault
  • M Foucault
Bildung als Ab-Bildung? Eine bildungstheoretische Fallstudie im Anschluß an Jacques Lacan
  • Hans-Christoph Koller
Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst. Die Frage nach dem Grund und die Neubegründung der Ethik bei Foucault
  • Wilhelm Schmid
  • W Schmid
Die Gabe der Bildung. Überlegungen zum Verhältnis von Singularität und Gerechtigkeit im Bildungsgedanken
  • Michael Wimmer
Sexualität und Einsamkeit
  • Michel Foucault
  • Richard Sennett
Bildung-nur ein Paradigma im pädagogischen Denken?): Bilanz der Paradigmendiskussion in der Erziehungswissenschaft
  • Jörg Ruhloff
Der Gebrauch der Lüste
  • Michel Foucault
  • M Foucault
Was ist Neostrukturalismus? Frankfurt a
  • Manfred Frank