Das Schwarzwild breitet sich weiterhin aus und besiedelt nun auch die Agrarlandschaften. Es ist zu erwarten, dass die Schwarzwildstrecken, gefördert durch Landschafts- und Klima-veränderungen, mittelfristig weiter steigen und somit auch die Bejagung als unzureichend erscheint. Aus ökologischen und ökonomischen Gründen ist ein fundiertes jagdliches „Ma-nagement“ zur Regulation oder gar Reduktion der Schwarzwildbestände unabdingbar. Ins-besondere nach Auftreten der ASP innerhalb der EU und der drohenden Gefahr eines er-neuten Ausbruches der KSP bekommen diese Forderungen enormes Gewicht.
Im Rahmen des dreijährigen Projektes “Schwarzwild – Management in Niedersachsen“ wurden in drei verschieden Teilen Niedersachsen (Ostniedersachsen, Südoldenburg und Bremervörde) sich des Problems mit verschieden Fragestellungen angenommen. Es ist dringend erforderlich, genauere Kenntnisse zu Populationsdichten, Vorkommen und allge-meiner Wildbiologie dieser Spezies zu erlangen. Über Radiotelemetrie wurde Raum- und Habitatnutzung in einer agrardominierten Region mit im Aufbau begriffener Schwarzwild-population untersucht. Die durchschnittliche Streifgebietsgröße von Rotten betrug 700 ha, wobei im Schnitt 6 Reviere vom Streifgebiet erfasst wurden. Diese Streifgebietsgrößen lie-gen im Vergleich zu anderen Gebieten mit Schwarzwildvorkommen im oberen, mittleren Bereich. Klar zutage trat aber eine saisonale Verschiebung der Streifgebiete von den Wäl-dern in die Felder. Der Wald spielt dabei ganzjährig eine wichtige Rolle, die in den Som-mermonaten aber zurücktritt. Die für das Schwarzwild so wichtige Deckung wird in den Sommermonaten durch den Mais auch auf ansonsten freier Fläche gegeben. Die in Deutschland immer wieder diskutierte Rolle der Leitbache konnte aus praktischen und technischen Gründen nicht weiter erforscht werden. In einer Literaturstudie zeigte sich jedoch, dass die Leitbache für die Bejagung nicht von ausschlaggebender Bedeutung zu sein scheint.
Um Voraussagen treffen zu können und damit die Möglichkeit zu schaffen, vorzeitig Eingrei-fen oder potentielle Gefahren (Krankheitsübertragung) erkennen zu können, wurde ein Ha-bitatnutzungsmodell erarbeitet. Es wurden verschiedene Habitatvariablen berechnet und auf Gemeindeebene übertragen. Zu einem aufbauend auf die Jagdstrecke und zum anderen auf Telemetriedaten, wurde die Habitateignug für Schwarzwild in Niedersachsen abgebil-det. So zeigt die Habitateignung, dass insgesamt der Südosten Niedersachsens, mit Aus-nahme der Landkreise Braunschweig, Hannover, Salzgitter und Wolfenbüttel, geeigneter als der Nordwesten ist. Es zeigten sich so auch potentielle Ausbreitungswege des Schwarzwil-des und damit insbesondere auch von Krankheiten wie der KSP und aktuell auch der ASP. In Südost-Niedersachsen weisen sieben Landkreise mehr als 75% sehr gut oder gut bewer-tete Flächen auf. Erstaunlicherweise sind dieses nicht unbedingt die Landkreise die derzeit
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die höchsten Jagdstreckendichten haben. Somit ist in weiten Teilen Niedersachsens noch ein deutlicher Anstieg der Schwarzwildbestände zu erwarten.
Um eine Wildart managen zu können, sind möglichst genaue Angaben über die Be-standsgröße, d.h. über Frühjahrsbestand, Reproduktionsraten, abzuschöpfendem Zuwachs sowie Bejagungseffizienz essentiell. Verlässliche Daten über die Dichten des Schwarzwildes liegen bisher jedoch nicht vor. Zwei Ansätze zur Dichtebestimmung des Schwarzwildes wurden ausgearbeitet. Mit dem Random Enconter Model (REM), lassen sich mithilfe von Wildkameras, die Bestände erfolgreich einschätzen. Diese Methode sollte zukünftig weiter ausgebaut werden und es sollte sowohl die Habitatnutzung, wie auch das tendenzielles Ansteigen der Population stärker mit einbezogen werden. Das Distance Sampling (Ansitz-zählung) ist zwar eine kostengünstige Methode der Bestandserhebung, weist für Schwarz-wild aber einige Lücken auf, die beim Anwenden der Methode beachtet werden müssen. Die Umsetzung einer flächendeckenden Dichteberechnung scheint durchaus möglich. Je-doch muss die Dichte innerhalb eine Bejagungsgemeinschaft (Hegering, Hegegemeinschaft etc.) auf der ganzen Fläche bekannt sein, um zu einer Effizienzkontrolle zu kommen.
Um die Reproduktionsraten und damit letztendlich den abzuschöpfender Zuwachs, aber auch eine Kontrolle der Bejagungseffizienz zu erhalten, wurde im weiteren verschieden Probenentnahmen bei erlegten Schwarzwild, mit einhergehender Altersbestimmung über die drei Untersuchungsgebieten durchgeführt. Über die Entnahme der Trachten bei weibli-chen und Keilerhoden bei männlichem Wild, sowie Muskelgewebe von allen erlegten Stü-cken, konnten neue Erkenntnisse über Rauschettermine, Fetenanzahl und deren Geschlech-terverhältnis, Beginn der Geschlechtsreife bei Frischlingen und damit letztendlich das Re-produktionspotential der Schwarzwildpopulation gewonnen werden. So ist gesichert, dass Frischlingsbachen mit 8 Monaten zu knapp 75% sowie Frischlingskeiler zwischen 7 und 11 Monaten geschlechtsreif sind. Bei beiden Geschlechtern ist die Geschlechtsreife stark mit dem Körpergewicht, also dem Ernährungszustand der Tiere korreliert. Die Untersuchungen zeigen, dass das Reproduktionspotential stabil bei 240% liegt. Eine ganzjährige Studie müsste aber klären, wie die tatsächliche Vermehrungsrate von Frischlingen, der damit ab-schöpfbare Zuwachs und die Fortpflanzungssaisonalität der Altersklassen ist. Über die Ko-operation mit der Universität Bonn, konnte erstmals für Deutschland multiple Vaterschaft beim Schwarzwild festgestellt werden. Auch zeigte sich, dass das Geschlechterverhältnis sich über molekulargenetischen Methoden genauer bestimmen lässt, als visuell. Bei ausrei-chend hohen Probenvolumen kann eine zuverlässige Abschätzung der aktuellen Populati-onsdichten durchgeführt werden.
Des Weiteren wurden Kartierungen von Schwarzwildschäden per Ablaufen der Flächen, aber auch per Kite Aerial Photography (KAP) erhoben. So konnten wichtige Faktoren (z.B.: Nähe zu Deckungsstrukturen) definiert werden, die bei der Bejagung mit einbezogen wer-
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den sollte. Vor allem die Methode der Kite Aerial Photography (KAP) wurde hier getestet, da bisher keine einheitliche Erfassung von Wildschäden existiert. Hierbei zeigte sich, dass die-se Methode ein paar Schwachpunkte hat, da sie sehr von den örtlichen Windverhältnisse abhängig ist und die Kosten im Vergleich zu den erhobenen Schadenssummen nicht in Re-lation steht.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt bei der Betrachtung des Managements einer Art ist neben dem Aspekt der Wildbiologie, der betroffenen Personenkreis. Die bereits langjährig durch-geführten Umfragen in der WTE der LJN, geben einen guten Einblick in das Meinungsbild der Jäger. Hier zeigt sich die Unkenntnis dessen, was bei der Schwarzwildbejagung eigent-lich tatsächlich passiert. Bei der Betrachtung der Frage, wie viel Prozent des Schwarzwildbe-standes denn wirklich abgeschöpft wurden, konnte kaum eine Antwort gegeben werden. Betrachtet man aber die schwankenden Jagdstrecken im 10-jährigen Mittel, so steigen die Strecken in den niedersächsischen Landkreisen an.
Hohe Populationsdichten und hohe Vermehrungsraten erfordern hohe Jagdstrecken. Die anpassungsfähigen Wildschweine sind eindeutige Gewinner in unserer Kulturlandschaft. Sie erschließen sich zunehmend neue Lebensräume. In Niedersachsen dehnen die Wild-schweine ihren Lebensraum zunehmend in die westlichen Landkreise aus. Sie sind zuneh-mend auch verstärkt in Siedlungsbereichen zu beobachten. Die enormen Streckensteige-rung, insbesondere ab den 1990er Jahren und dem damit begründbaren Populationsan-stieg, liegt zweifelsohne eine anhaltend hohe Vermehrungsrate des Schwarzwildes zugrun-de. In den drei vergangenen Jagdjahren wurden in Niedersachsen sehr hohe Jagdstrecken erzielt. Bei gleichzeitiger Ausbreitung kann davon ausgegangen werden, dass auch in Zu-kunft neue Streckenrekorde erfolgen. So ist der Landkreis Wesermarsch der einzige Land-kreis, in dem bisher noch gar kein Schwarzwild erlegt wurde. Es ist jedoch nur noch eine Frage der Zeit, bis wann auch die letzten Vorkommenslücken weitgehend geschlossen wer-den. Auch wenn das Hauptaugenmerk auf der Frischlingsbejagung liegen sollte, so muss doch 80% des Jahreszuwachses erlegt werden. So sollte die jagdlich praktizierte Schonung der Leitbachen nicht zur Schonung von nachrangigen Bachen führen. Gerade auf Einzeljagd sollte aufgrund der Tatsache, dass meist nur ein Stück erlegt werden kann, mit Hinblick auf einen regulativen Eingriff, ein Stück mit der potentielle höchsten Lebensreproduktionser-wartung erlegt werden (Bachen 2-3 Jahren). Die Jagdstrecken in der Jägerschaft Bremervör-de (Landkreis ROW) entsprechen den Zielvorgaben des Lüneburger Modells sehr gut. Eine der wesentlichen Ursachen hierfür dürfte sein, dass schon seit Jahren im Herbst, insbeson-dere zur Zeit der Maisernte, gemeinschaftliche Ansitz-Anrühr-Jagden auf Hegeringebene durchgeführt werden, so dass der Hauptteil der Strecke auf diesen weiträumigen Jagden erlegt wird. Dies könnte sich evtl. auch für andere Bereiche als geeignet erweisen. Ein wich-tiger Baustein der Bejagung könnte damit auch eine großzügigere Freigabe aller Altersklas-sen bei Drückjagden sein.