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Mathematisches Seminar für LAK WS 15/16
Mathematische Grundlagen
für GPS
Autor:
Markus Peißl
LV-Leiter:
Univ.-Prof. Dr. Kristian Bredies
KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ
5. März 2016
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 2
1.1 Geo-Caching .............................. 3
1.2 GPS-Apps ................................ 4
1.3 BausteinevonGPS ........................... 5
2 Mathematischer Hintergrund 6
2.1 Dimensionen .............................. 6
2.2 Vektorraum ............................... 6
2.3 Skalarprodukt.............................. 7
2.4 Lorentz-Produkt............................. 8
2.5 Vektornorm ............................... 8
2.6 Koordinatensysteme .......................... 9
3 Positionsbestimmung 11
3.1 Position in einer Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3.2 Abstand zu Satelliten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
3.3 Pseudo-Entfernung........................... 14
3.4 Das große Gleichungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
4 Bancroft-Algorithmus 15
4.1 Langer Weg zum Lorentz-Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.2 Umwandlung in lineares System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4.3 Matrix-Produkt als Trick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4.4 Quadratische Gleichung als Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
4.5 Lösung des Bancroft-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
5 Fehler und Fehlvorstellungen 20
5.1 Mögliche Fehlerquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
5.2 Reichen 3 Satelliten aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
5.3 Ist die Erde eine Kugel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
5.4 Wie wird der Fehler abgeschätzt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
5.5 Gibt es andere Satellitensysteme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
5.6 Funktioniert GPS auch im Weltall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
6 Zusammenfassung 23
Sofern nicht anders vermerkt stellen die Inhalte mein geistiges Eigentum dar und
sind unter den Creative Commons CC-BY-SA 4.0 lizenziert. Diese Arbeit wurde in
L
A
T
EX geschrieben, Grafiken wurden mit Geogebra erstellt.
Markus Peißl
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 1
1 EINFÜHRUNG
Abstract
Das Global Positioning System (GPS) ist das größte weltweite Navigationssystem.
In dieser Arbeit wird der alltägliche Nutzen von GPS hervorgehoben und ein ak-
tueller Trend namens GPS-Caching vorgestellt. Zur Aufbau der Theorie für die
Positionsbestimmung auf der Erde werden Dimension, Vektorraum, Skalar-, Lor-
entzprodukt, Vektornorm aus der linearen Algebra sowie zwei grundlegende Koor-
dinatensysteme verwendet. Das Kapitel Positionsbestimmung beginnt mit der Be-
rechnung der Position eines GPS-Empfängers auf einer Geraden, später im Raum.
Die Kernaufgabe dieser Arbeit bestand darin, ein nichtlineares Gleichungssystem
mit den Empfänger-Koordinaten als unbekannte Parameter zu lösen. Der spezielle
Bancroft-Algorithmus samt Herleitung und Anwendung stellt eine Lösungsvarian-
te dar. In dieser Arbeit werden zahlreiche Einflüsse erwähnt, die zu Abweichungen
führen können. Abschließend werden auf wichtige Fragen aus der Präsentation
vom 7. Januar 2016 eingegangen. Es wird auch der Bezug zur Schulmathematik
hergestellt.
Tags: GPS, Geo-Caching, Bancroft, Fehler, Koordinatensysteme
1 Einführung
GPS wurde 1973 vom Verteidigungsministerium der USA gegründet. Die offizielle
Bezeichnung lautet Navigation Satellite Timing and Ranging (NAVSTAR), wobei
GPS weiter verbreitet ist. Seit 1995 ist es vollständig operabel und weltweit ein-
setzbar. Bislang kostete das Projekt knapp 11 Milliarden Euro. Heute wird GPS in
vielen Bereichen eingesetzt. Darunter zählen Navigation im Straßenverkehr, Mili-
tär, Landwirtschaft, Straßenmaut, Unterhaltung und Sport [1, 2, Seite 2].
Abbildung 1: Zwei Einsatzmöglichkeiten für GPS: Autonavigation und Paragleiten,
CC0 Pixabay.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 2
1 EINFÜHRUNG
Primär wurde GPS vom Militär benutzt. Bis zum Jahr 2000 wurde im System eine
künstliche Ungenauigkeit (Selective Availability) eingebaut, damit die zivile Bevöl-
kerung vom Nutzen des Systems abgehalten wurde. Seit der Abschaltung dieses
Fehlers wurde die Positionsbestimmung in der zivilen Nutzung von 100 Meter auf
10 Meter erhöht und beliebter [1, Seite 2]. Eine genauere Ortung ist dem Militär
vorbehalten. Die Genauigkeit durch das verschlüsselte Precise Positioning Service
(PPS) liegt in 95 % der Messungen bei 5,9 m. Noch exakter ist Differential Global
Positioning System (DGPS) mit Ungenauigkeiten unter 5 m [3].
1.1 Geo-Caching
Ein aktueller Trend stellt Geo-Caching dar. Dies ist eine moderne Schatzsuche,
bei der Behälter verschiedenster Größe und Inhalt mit Logbüchern versteckt wer-
den. Erste Anlaufstelle für die Registrierung im Internet ist geocaching.com. Auf
dieser Plattform können Schatzsucher kostenfrei einen Geo-Cache aussuchen und
diesen mittels einem GPS-Empfänger orten. Bei hohem Schwierigkeitsgrad dauert
die Suche entsprechend länger. Bei einem Fund wird der Name in das Logbuch ein-
getragen und Gegenstände ausgetauscht. Auf der folgenden Grafik ist der Ablauf
von Geo-Caching schematisch aufgezeichnet.
Online Schatz
aussuchen
Mit GPS-
Empfänger
suchen
In Logbuch
eintragen
Online sich
bedanken
„TFTC“
Gegenstände
austauschen
Abbildung 2: Schematischer Ablauf von Geo-Caching über das Internet, CC-BY-SA
4.0 Markus Peißl.
Initiator dieser weltweiten Geo-Caching-Bewegung ist Dave Ulmer, der im Jahr
2000 ein weltweites Spiel startete und an besonderen Orten Behälter mit Tausch-
objekten versteckte [4, Kapitel 2]. Am Ende bedankt sich der Schatzsucher in der
Community mit dem Kürzel „TFTC“ welches für „thank you for the cache“ steht.
In Graz sind mehr als 950 solcher Schätze versteckt (Stand: 07.01.2016).
Abbildung 3: Beispiel einer versteckten Box im Wald, CC0 Pixabay.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 3
1 EINFÜHRUNG
1.2 GPS-Apps
Für Smartphones gibt es einige Apps, mit der sich detaillierte Standortinformatio-
nen abrufen lassen. Ein Beispiel dafür ist die App „GPS Test“ für Android, mit der
die Qualität der Verbindung zu jedem einzelnen Satelliten aufrufbar ist. Weitere
Details wie Seehöhe, Zeit und Geschwindigkeit runden das Informationsangebot
ab.
Abbildung 4: Kostenlose Apps „GPS Status & Toolbox“ sowie „GPS Test“. Beide Ap-
ps zeigen dieselbe Position in Voitsberg an, MobiWIA-EclipSim und Chartcross Limited.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 4
1 EINFÜHRUNG
1.3 Bausteine von GPS
Das Global Positioning System besteht aus drei Segmenten, die nur in perfek-
ter Zusammenarbeit gute Ergebnisse liefern können. Dazu zählen das Satelliten-,
Kontroll- und Benutzer-Segment. Mindestens 24 Satelliten umkreisen ständig die
Erde, um weltweit eine Ortungsmöglichkeit zu bieten. Auf der ganzen Welt ver-
teilte Kontrollstationen dienen zur Korrektur der Satellitenbahnen und -zeiten. Der
Endbenutzer befindet sich im Benutzer-Segment, zu der die GPS-Empfänger samt
Anwendungen zählen [1, 5].
Zwischen dem Satelliten- und Kontrollsegment besteht eine bidirektionale Verbin-
dung. Satelliten senden ihren Standort samt Absendezeit zu den Kontrollstationen
als auch zu den Benutzern. Die Kontrollstationen antworteten darauf, die Benutzer
aber nicht. Der zuletzt am 31. Oktober 2015 ins Weltall gebrachte Satellit heißt
NAVSTAR 75 und kostete 110 Millionen Euro. Satelliten umkreisen die Erde auf
Kreisbahnen in etwa 20.200 km Seehöhe. Laut [5] beträgt die Lebensdauer der
neuesten Satelliten 7,5 Jahre.
Weltraum
Kontrolle Benutzer
Abbildung 5: Alle Segmente von GPS samt Beziehungen, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl.
Abbildung 6: Satellitenkonstellation von GPS, [5].
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 5
2 MATHEMATISCHER HINTERGRUND
2 Mathematischer Hintergrund
Zur Aufbau der Theorie über Abstandsmessung und Positionsbestimmung benöti-
gen wir Grundlagen aus der Linearen Algebra: Dimensionen, Vektorraum, Skalar-
produkt, Lorentz-Produkt und Vektornorm. Auch Koordinatensysteme spielen eine
wichtige Rolle.
2.1 Dimensionen
Zur Positionsangabe eines Punktes im Raum benötigen wir ein Koordinatensystem
mit drei orthogonal aufeinanderstehenden Achsen. Auf dem folgenden Bild wer-
den Koordinatensysteme mit verschiedenen Dimensionen verglichen.
1D
∈ ℝ
= (1)
2D
∈ ℝ2
=1
1
3D
,ℎ,∈ ℝ3
=
−2
1
1
X
Y
Abbildung 7: Vergleich von Koordinatensystemen mit einer, zwei und drei Dimen-
sionen, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl.
2.2 Vektorraum
In der Schulmathematik wird ab der 10. Schulstufe an der AHS mit Vektoren ge-
rechnet. In Mathematik Verstehen 6 [6, Seite 156] wird der Raum R3definiert als
die Menge aller dreidimensionalen Zeilenvektoren:
R3={(a1, a2, a3) : a1, a2, a3∈R}.
Alle Rechenregeln in der Vektorrechnung geschehen in Vektorräumen. Beim Rech-
nen mit Vektoren und Skalaren müssen die dazugehörigen Verknüpfungen ver-
wendet werden. In der Schulmathematik wird nicht näher darauf eingegangen. In
der Vorlesung über Lineare Algebra von Prof. Desch wurde der Vektorraum folgen-
derweise eingeführt [7, Seite 46]:
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 6
2 MATHEMATISCHER HINTERGRUND
Definition 1 (Vektorraum).Sei Kein Körper und V⊆Ksowie V≥ ∅.
(V, ⊕,)heißt Vektorraum über Kwenn
•(V, ⊕)eine abelsche Gruppe ist,
• ∀x, y ∈V, α, β ∈Kgilt:
Assoziativität: (α·β)x=α(βx)
Distributivgesetz 1: α·(x⊕y) = αx⊕αy
Distributivgesetz 2: (α+β)x=αx+βx
•für das Eins-Element des Körpers Kgilt:
∀v∈V:1v=v
Die Verknüpfungen ⊕sowie sind auf V×V,+und ·auf Kdefiniert.
2.3 Skalarprodukt
Das Produkt zweier Vektoren wird als Skalarprodukt bezeichnet. Grafisch veran-
schaulicht stellt das Skalarprodukt die Projektion eines Vektors auf dem anderen
dar. Diese allgemeine Definition stammt aus [1, Seite 4]:
Definition 2 (Skalarprodukt).Eine Abbildung h·,·i :Rn×Rn→Rheißt
Skalarprodukt wenn ∀x, y, z ∈Rn, α ∈Rgilt:
•Positive Definitheit: hx, xi ≥ 0
•Symmetrie: hx, yi=hy, xi
•Linearität: hx⊕y, zi=hx, zi+hy, zi
•Homogenität: hαx, yi=α· hx, yi
Für die erwähnten Regeln werden für die Operationen +,⊕,·,die dazu-
gehörigen Verknüpfungen in Roder in Vektorräumen verwendet.
Zum Messen von Längen von Vektoren x, y ∈R3ist das euklidische Skalarpro-
dukt im Raum definiert als
hx, yi2:= x1·y1+x2·y2+x3·y3.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 7
2 MATHEMATISCHER HINTERGRUND
2.4 Lorentz-Produkt
Das folgende spezielle Produkt wird für den Bancroft-Algorithmus später benötigt
[1, Seite 4].
Definition 3 (Lorentz-Produkt).Eine Abbildung h·,·iL:R4×R4→Rdefi-
niert durch
hx, yiL:= x1·y1+x2·y2+x3·y3−x4·y4
heißt Lorentz-Produkt.
Das Lorentz-Produkt ist kein Skalarprodukt, da es nicht positiv definit nach Defi-
nition 2 ist. Als Gegenbeispiel dazu dient der Einheitsvektor e4= (0, 0, 0, 1)Taus
dem R4:
he4, e4iL=0+0+0−1= −1 < 0.
2.5 Vektornorm
In der Hochschulmathematik stellen Normen die Länge eines Vektors im Vektor-
raum dar. In der Schulmathematik hingegen werden Betrags-Striche als Notation
verwendet. Dahinter verbirgt sich die Theorie des Pythagoräischen Lehrsatzes. Aus
dem Skriptum von Lineare Algebra [7, Seite 121]:
Definition 4 (Länge von Vektoren in R3).Im euklidischen Raum ist die Län-
ge von Vektoren x, y ∈Rndefiniert als
kxk2:= qhx, xi2=v
u
u
t
n
X
i=1
(xi)2=√x1·x1+· ·· +xn·xn
Diese Art von Norm ist ∀x, y ∈Rn, λ ∈R
•stets positiv definit: kxk2≥0,
•homogen: kλxk2=|λ|· kxk2und
•die Dreiecksungleichung wird erfüllt: kx+yk2≤ kxk2+kyk2.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 8
2 MATHEMATISCHER HINTERGRUND
2.6 Koordinatensysteme
Die Verwendung des kartesischen Koordinatensystems zur Positionsangabe auf der
Erde ist problematisch. Es ist nicht klar festgelegt, wie die Achsen ausgerichtet
werden. International wird das World Geodetic System (WGS84) verwendet [1,
Seite 3]:
•Ursprung: Der Ursprung dieses Systems liegt im Massenschwerpunkt der
Erde, welcher sich im Zentrum des Erdkerns befindet.
•X-Achse: Die X-Achse verläuft durch den Nullmeridian. Dies ist jener von
Nord- zu Südpol verlaufender Halbkreis, von dem aus die geografische Länge
nach Osten gezählt wird. Startpunkt ist Greenwich, ein Stadtteil Londons,
der als Zentrum für die koordinierte Weltzeit (UTC) gilt.
•Y-Achse: Die Y-Achse steht orthogonal auf der X-Achse. X- sowie Y-Achse
verlaufen durch den Äquator.
•Z-Achse: Diejenige Achse, die senkrecht durch beide Pole verläuft, wird als
Z-Achse bestimmt.
Jeder Ort auf der Erde kann im WGS84-System als Tripel mit Längen-, Breiten-
grad sowie die Entfernung zwischen Empfänger und Erdoberfläche, also (φ, λ, h)T
angegeben werden. Eine Besonderheit stellt das Vertauschen der X- sowie Y-Achse
dar. Bei mathematisch rechtshändig ausgerichteten Systemen ist das genau umge-
kehrt. Dabei ist die Umrechnung von kartesischen in geografischen Koordinaten
und umgekehrt eine trigonometrische Rechenaufgabe, die ab der 4. Klasse AHS
als Aufgabe zum Pythagoräischen Lehrsatzes und zu rechtwinkeligen Dreiecken
gestellt werden kann.
Abbildung 8: Vergleich des kartesischen Koordinatensystems mit dem Punkt P=
(1, 1, 1)Tund des geografischen Koordinatensystems mit einer Kugel, CC-BY-SA 4.0
Markus Peißl sowie [1].
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 9
2 MATHEMATISCHER HINTERGRUND
Beispiel 1. Gegeben ist eine Kugel mit Radius r= 1 cm. Der Empfänger
befindet sich vom Kugelmittelpunkt ausgehend im Punkt E= (1, 1, 1)T.
Abbildung 9: Skizze zur Veranschaulichung von Beispiel 1. Eingezeichnet
sind eine Kugel mit ihren Rändern, Längen- und Breitengrad sowie das
Kugelmittelpunkt-Empfänger-Dreieck, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl.
•Der Längengrad φist jener Winkel, der im Dreieck mit Kugelmittel-
punkt, Empfänger und dem Punkt Fliegt:
tan (φ) = 1
√2⇔φ=arctan 1
√2≈35, 26◦.
•Der Breitengrad λwird durch die Y-Achse sowie der Diagonale dzum
Punkt Faufgespannt:
tan (λ) = 1
1⇔arctan (1) = 45◦.
•Die Höhe hist die Differenz vom Abstand zwischen Kugelmittelpunkt
und dem Empfänger sowie des Kugelradius:
h=f−r=√3−1≈0, 73 cm.
Der Empfänger befindet sich also bei
E=
φ
λ
h
≈
35, 26◦
45◦
0, 73 cm
≈
35◦15“36‘N
45◦E
0, 73 cm
.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 10
3 POSITIONSBESTIMMUNG
3 Positionsbestimmung
Bereits in der Schulmathematik lernen wir, dass der Abstand zweier Objekte im
Raum die Länge der direkten Verbindungsstrecke zwischen den Objekten darstellt.
Bei der Positionsbestimmung mithilfe von Satelliten gibt es ein Problem: Der Satel-
lit ist zu weit entfernt, um eine Verbindungsstrecke legen zu können. Die zentrale
Frage lautet daher: Wie wird der Abstand zu Satelliten gemessen?
3.1 Position in einer Dimension
Wir beginnen mit einem einfachen Szenario. Gegeben ist eine Gerade mit einem
Nullpunkt („Ursprung“), zwei Satelliten s1, s2und einem Empfänger e. Bekannt
ist, wie weit sich der Empfänger von den Satelliten entfernt befindet (d1, d2)und
wo die Satelliten sich befinden. Die Abstände werden in Metern (m), die Zeit in
Nanosekunden (ns) gemessen.
Gegeben
1=12=2
= ( )
U
Gerade mit Ursprung
12
1,2,∈ ℝ
1,2,∈ ℝ
Gesucht
Abbildung 10: Visualisierung der Sachlage in einer Dimension. Zu sehen sind ein
Empfänger, zwei Satelliten, die auf einer Geraden liegen, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl.
Grafische Lösung
In diesem Szenario kennt der Empfänger bereits die Abstände zu den einzelnen
Satelliten. Er muss sich auf den Rändern jener Kreise befinden, deren Mittelpunkt
in den Satellitenpositionen liegen und deren Radien den Abständen entsprechen.
Bei nur einem Kreis gibt es zwei Schnittpunkte mit der Geraden. Erst durch den
zweiten Satelliten wird die Position eindeutig, da sich die beiden Kreise nur in
einem Punkt auf der Geraden schneiden.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 11
3 POSITIONSBESTIMMUNG
Abbildung 11: Positionsbestimmung durch gemeinsamen Schnittpunkt zweier
Kreise auf einer Geraden, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl.
Algebraische Lösung
Algebraisch wird dieses Problem durch das Aufstellen zweier Gleichungen mit ei-
ner Unbekannten gelöst. Da die Abstände zu den Satelliten bekannt sind, ist die
Differenz der Abstände zwischen Empfänger und Satelliten sowie der bekannten
Abstände natürlich 0:
I:|e−s1|−d1=0
II :|e−s2|−d2=0
Nach Anwendung der Fallunterscheidung erhalten wir zwei Lösungen, wovon eine
von den bekannten Abständen abweicht. Dies kann durch Einsetzen in eine der
beiden Gleichungen verifiziert werden. Ein kurzes Beispiel:
Beispiel 2. Ein Empfänger und zwei Satelliten befinden sich auf einer Ge-
raden. Bekannt sind die Satellitenpositionen s1= (2), s2= (9)sowie die
Abstände zu den Satelliten d1=3, d2=4. Eingesetzt in den beiden obigen
Gleichungen erhalten wir:
I:|x−2|−3=0
II :|x−9|−4=0
Zusammengefasst ergibt das |x−2|−3=|x−9|−4. Da die Satelliten nicht
aufeinander liegen und die Abstände verschieden sind, gibt es eine eindeu-
tige Lösung. Durch Fallentscheidung gelangen wir zu den Lösungen x=5
sowie x=6wobei die erstere den tatsächlichen Standort entspricht.
Beweis. Beim Betrachten der Gleichungen I und II aus dem Beispiel ergeben sich
vier Fallunterscheidungen. Sei Ldie Lösungsmenge, Rdie Grundmenge.
|2−x|=2−xfür x < 2,
−2+xfür x>2 |9−x|=9−xfür x < 9,
−9+xfür x>9
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 12
3 POSITIONSBESTIMMUNG
•Fall 1: Angenommen x>9:
−2+x−3= −9+x−4⇒L=∅
•Fall 2: Angenommen x<2:
2−x−3=9−x−4⇒L=∅
•Fall 3: Angenommen x∈(2, 9):
−2+x−3=9−x−4
x−5= −x+5 / +x+5
2x =10 / :2
x=5
Verifikation: |5−2|−3=0sowie |5−9|−4=0. Der Empfänger befindet sich bei
e= (5).
3.2 Abstand zu Satelliten
Satelliten und Empfänger kommunizieren über elektromagnetische Wellen. Die-
se bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit. Die Laufzeit ist jene Zeitspanne, bis die
Daten vom Satelliten beim Empfänger eintreffen. Der Abstand kann durch das Pro-
dukt von Laufzeit mit Lichtgeschwindigkeit berechnet werden. Wir vereinfachen
das Szenario, indem wir annehmen, dass beide Segmente dasselbe kartesische Ko-
ordinatensystem mit Ursprung im Erdkern verwenden. Beispielsweise würde eine
Zeitdifferenz von 7 ns (7·10−7s) einen Abstand von 2, 1 ·107m bedeuten. In der
folgenden Skizze sehen wir einen Empfänger und zwei Satelliten, die Datenpakete
an den Empfänger senden. Die Lichtgeschwindigkeit wird mit cbezeichnet.
Sendezeit: 1
Empfangszeit: 1
Sendezeit: 2
Empfangszeit: 2
1
1
1
1
2
2
2
2
Laufzeit: ⋅(−)
Abbildung 12: Berechnung der Laufzeit durch zeitliche Differenz und der Lichtge-
schwindigkeit c,CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 13
3 POSITIONSBESTIMMUNG
3.3 Pseudo-Entfernung
Die Weltzeit wird durch mehrere weltweit verteilten Atomuhren bestimmt. Atom-
uhren sind die genauesten Uhren und haben selbst nach Jahren eine mit gewöhnli-
chen Messinstrumenten kaum feststellbare Abweichung. Handelsübliche Quarzuh-
ren hingegen laufen sehr ungenau. Bei der Annahme eines relativen Ungenauigkeit-
Faktors von 10−6[1, Seite 8] ergibt dies eine Abweichung von 2,5 Sekunden pro
Monat oder einer halben Minute pro Jahr. Daher müssen wir einen unbekannten
Offset ∆t zu den Berechnungen hinzufügen.
3.4 Das große Gleichungssystem
Befindet sich der Empfänger im Raum und würden perfekte Bedingungen bezüg-
lich der Abstandsberechnung herrschen, so würden 3 Satelliten zur Positionsbe-
stimmung ausreichen. Da Ungenauigkeiten garantiert sind, benutzen wir einen
zusätzlich Satelliten zur Kompensation des Problems. Die Atomuhren der Satel-
liten laufen synchron, daher besitzt die Uhr des Empfängers zu den Uhren jedes
Satelliten denselben Offset ∆t. Multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit ergibt
dies eine Abweichung von
β=c·∆t.
Satz 1. Seien für i=1,...,4
•e . . . unbekannte Position des Empfängers (im R3), e= (x, y, z)T
•si. . . bekannte Position des i-ten Satelliten (im R3), si= (xi, yi, zi)T
•∆t . . . Zeit-Offset beim Empfänger
•c . . . Lichtgeschwindigkeit (c≈300.000.000 m/s)
Die Position des Empfängers lässt sich durch folgendes Gleichungssystems
ermitteln:
pi=ke−sik2+c·∆t =p(x−xi)2+ (y−yi)2+ (z−zi)2+β
Dieses Gleichungssystem lässt sich mithilfe technischer Hilfsmittel und numeri-
schen Methoden wie die Newton-Methode samt WolframAlpha, MATLAB oder Ma-
thematica lösen. In dieser Arbeit wird der Bancroft-Algorithmus vorgestellt, der
speziell dieses Gleichungssystem löst.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 14
4 BANCROFT-ALGORITHMUS
4 Bancroft-Algorithmus
Bei der Positionsfindung des Empfängers stellt sich die Aufgabe, unbekannte Para-
meter (hier die Empfänger-Koordinaten) durch eine Reihe von Messungen zu be-
stimmen. Um über die im Kapitel Positionsbestimmung genannte Ungenauigkeit
Herr zu werden, ist die Anzahl der Messungen größer als die Anzahl der Parame-
ter. Daraus resultiert ein Gleichungssystem mit mehr Gleichungen als unbekannte
Parameter. Im Allgemeinen ist ein solches System nicht exakt lösbar. Dieses Kapi-
tel führt den Bancroft-Algorithmus [8] ein, mit dem dieses Problem gelöst werden
kann.
Wir müssen die Tatsache akzeptieren, dass Ungenauigkeiten nicht auszuschlie-
ßen sind und suchen daher eine Lösung, mit der in den einzelnen Gleichungen
auftretenden Abweichungen minimal sind [9, Seite 274]. Weiters handelt es sich
hierbei um ein nichtlineares Ausgleichsproblem, was die Situation noch weiter ver-
schlimmert. Die Mathematik bietet uns hierfür Methoden wie die Gauß-Newton-
Methode. Erweitern wir die Ausgangslage von einer Dimension auf den Raum:
Gegeben
1=
1
1
1
3
=
3
3
3
= ( , , )
U
Raum mit Ursprung
2
,∈ ℝ
3
, , , ∈ ℝ
Gesucht
1
2
=
2
2
2
4
3
4=
4
4
4
Abbildung 13: Ausgangslage mit vier Satelliten im Raum, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl.
4.1 Langer Weg zum Lorentz-Produkt
Unter Verwendung der Definitionen aus dem Kapitel „Mathematischer Hinter-
grund“ leiten wir die Funktionsweise des Algorithmus Schritt für Schritt her. Wir
starten beim nichtlinearen Gleichungssystem mit 4 Gleichungen aus Satz 1 für
i=1,...,4:
pi=p(x−xi)2+ (y−yi)2+ (z−zi)2+β. (1)
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 15
4 BANCROFT-ALGORITHMUS
Bringen wir den Offset auf die linke Seite durch Subtraktion von β:
pi−β=p(x−xi)2+ (y−yi)2+ (z−zi)2.(2)
Um die Wurzel wegzubringen, wird die gesamte Gleichung quadriert:
(pi−β)2= (x−xi)2+ (y−yi)2+ (z−zi)2.(3)
Die unbekannten Koordinaten sind noch an die Satelliten-Koordinaten gebunden.
Bringen wir die Klammern durch Anwendung der binomischen Formel weg:
p2
i−2βpi+β2=x2−2xxi+x2
i+y2−2yyi+y2
i+z2−2zzi+z2
i.(4)
Bringen wir alles auf eine Seite:
0=x2−2xxi+x2
i+y2−2yyi+y2
i+z2−2zzi+z2
i− (p2
i−2βpi+β2).(5)
Jetzt gruppieren wir nacheinander die Satelliten-Koordinaten, Positions-Produkte
sowie die unbekannten Empfänger-Koordinaten:
0=x2
i+y2
i+z2
i
| {z }
Satelliten-Koordinaten
−2xxi−2yyi−2zzi
| {z }
Positions-Produkte
+x2+y2+z2
| {z }
Empfänger-Koordinaten
−(p2
i−2βpi+β2).(6)
Werden die Abweichungen passend zugeordnet, erhalten wir Folgendes:
0=x2
i+y2
i+z2
i−p2
i
| {z }
Satelliten-Koordinaten
−2xxi−2yyi−2zzi+2βpi
| {z }
Positions-Produkte
+x2+y2+z2−β2
| {z }
Empfänger-Koordinaten
.(7)
Beim ersten als auch beim letzten Teil erkennen wir ein Muster. Zuerst kommen
drei Additionen, dann folgt eine Subtraktion. Der mittlere Teil angepasst sieht
folgendermaßen aus:
0=x2
i+y2
i+z2
i−p2
i
| {z }
Satelliten-Koordinaten
−2(xxi+yyi+zzi−βpi
| {z }
Positions-Produkte
) + x2+y2+z2−β2
| {z }
Empfänger-Koordinaten
.(8)
Jetzt kommt endlich die Anwendung des Lorentz-Produktes. Wir haben die Glei-
chung auf eine Form gebracht, in der auf drei positive Koordinaten immer eine
negative folgt. Stülpen wir das Lorentz-Produkt über die drei Teile, erhalten wir
scheinbar Einfacheres:
0=hsi, siiL
| {z }
Satelliten-Koordinaten
−2· he, siiL
| {z }
Positions-Produkte
+he, eiL
|{z}
Empfänger-Koordinaten
.(9)
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 16
4 BANCROFT-ALGORITHMUS
4.2 Umwandlung in lineares System
In diesem Abschnitt befassen wir uns mit der Umwandlung in ein lineares Glei-
chungssystem. Dazu führen wir zwei Hilfsvektoren und eine Konstante ein:
•a . . . Satelliten-Quadrat-Positionen
•b . . . Produkt-Positionen
•c . . . Lorentz-Produkt von Empfänger-Quadrat-Positionen
a:=
hs1, s1iL
hs2, s2iL
hs3, s3iL
hs4, s4iL
∈R4, b :=
hs1, eiL
hs2, eiL
hs3, eiL
hs4, eiL
∈R4
c·
~
1:= he, eiL·
1
1
1
1
=
he, eiL
he, eiL
he, eiL
he, eiL
∈R4
Nun können wir die letzte Gleichung (9): 0=hsi, siiL−2he, siiL+he, eiLumschrei-
ben in
0
0
0
0
=a−2b +c·
~
1(10)
Hinter bund cverbergen sich die Empfänger-Koordinaten. Diese hängen von den
Satelliten-Positionen noch ab. Damit können wir nichts anfangen und müssen da-
her einen weiteren Trick anwenden.
4.3 Matrix-Produkt als Trick
Skalarprodukte können nicht nur in der Summenschreibweise angegeben werden,
sondern auch als Produkt von Vektoren und einer Matrix.
Beispiel 3. Angenommen wir haben zwei Vektoren x, y ∈Rngegeben. Das
Skalarprodukt von den beiden ist bekanntermaßen hx, yi2=Pn
i=1xiyi. Die-
se Summe kann auch als xT·M·ygeschrieben werden, wobei Maus Rn×n
stammt:
hx, yi2=xT·M·y=x1x2··· xn·
1 0 0 0
0 1 0 0
0 0 ...0
0 0 0 1
·
y1
y2
.
.
.
yn
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 17
4 BANCROFT-ALGORITHMUS
Unter Ausnutzung der Symmetrie he, sjiL=hsj, eiLund des Ergebnisses aus Bei-
spiel 3 lässt sich das Lorentz-Produkt mit b=B·M·eals folgendes Matrix-Produkt
schreiben: hsj, eiL=sT
j·M·e=B·M·e, wobei
B=
x1y1z1p1
x2y2z2p2
x3y3z3p3
x4y4z4p4
, M =
1 0 0 0
0 1 0 0
0 0 1 0
0 0 0 −1
.
Setzen wir das Matrix-Produkt in dieser Form in die lineare Gleichung (10) ein,
erhalten wir
~
0=a−2·B·M·e+c·
~
1. (11)
Falls Binvertierbar ist, erhalten wir umgeformt nach e:
e=MB−1(a+c
~
1)
2.
Trotz unserer Bemühungen kommen die Empfänger-Koordinaten jetzt auf beiden
Seiten vor. Diese Sackgasse überwinden wir, indem wir unseren Bleistift spitzen
und grob he, eiLausmultiplizieren. Begonnen mit
c=he, eiL=MB−1(a+c·
~
1)
2,MB−1(a+c·
~
1)
2L
erreichen wir die äquivalente Umformung
0=c2DB−1~
1, B−1~
1EL
+2c DB−1a, B−1~
1EL
−2+B−1a, B−1aL.(12)
4.4 Quadratische Gleichung als Ziel
Wenn wir diese obige Gleichung scharf betrachten, erkennen wir eine uns gewohn-
te Form einer Gleichung. Ersetzen wir an den richtigen Stellen Teile der Gleichung
durch Koeffizienten, so kristallisiert sich die quadratische Form:
0=c2DB−1~
1, B−1~
1EL
| {z }
α1
+2c DB−1a, B−1~
1EL
−2
| {z }
α2
+B−1a, B−1aL
| {z }
α3
.(13)
In α1, α2als auch α3kommen nur bekannte Daten vor. Wenden wir die belieb-
te Lösungsformel für quadratische Gleichungen an uns kürzen ein wenig, dann
erhalten wir:
c1,2 =−2α2±p4α2
2−4α1α3
2α1
=α2±pα2
2−α1α3
α1
.(14)
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 18
4 BANCROFT-ALGORITHMUS
4.5 Lösung des Bancroft-Algorithmus
Der Empfänger befindet sich an einen der beiden Positionen
e1,2 =
MB−1a+c1,2 ·
~
1
2.(15)
Beispiel 4. Finden Sie mithilfe des Bancroft-Algorithmus die Position des
Empfängers auf der Erde, wenn folgende Daten bekannt sind:
s1=
−11716227.778
−10118754.628
21741083.973
, s2=
−12082643.974
−20428242.179
11741374.164
s3=
14373286.650
−10448439.349
19596404.858
, s4=
10278432.244
−21116508.618
−12689101.970
p1=22163882.029, p2=21492579.823,
p3=21492492.771, p4=25284588.982
Nach Anwendung des soeben vorgestellten Bancroft-Algorithmus mithilfe techni-
scher Hilfsmittel (MATLAB) erhalten wir zwei mögliche Positionen, an denen sich
der Empfänger befinden könnte:
e1=
−1, 71 ·106
1, 05 ·107
−7, 70 ·106
5, 95 ·107
, e2=
5, 95 ·105
−4, 86 ·106
4, 08 ·106
145, 89
.
Durch Einsetzen der erhaltenen Lösungen folgt:
ks1−e1k ≈ 3, 73 ·107
ks1−e2k ≈ 2, 22 ·107.
Der Pseudo-Abstand zum ersten Satelliten beträgt 22.163.882, 03 m, also ungefähr
2, 2164 ·107m. Die erste Lösung befindet sich zu weit weg. Der absolute Fehler
zwischen Pseudo- und berechneten Abstand beträgt 146,07 m.
Auffallend ist noch, dass bei der Lösung der Uhren-Offset nur 145 Nanosekunden
beträgt. Die Uhr des Empfängers läuft fast synchron mit jener der Satelliten.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 19
5 FEHLER UND FEHLVORSTELLUNGEN
5 Fehler und Fehlvorstellungen
Der Uhren-Offset ist nicht der einzige Fehler bei der Positionsbestimmung. Bei der
Präsentation tauchten in der abschließenden Diskussion wichtige Fragen über GPS
auf. Auf einige davon möchte ich in diesem Kapitel eingehen.
5.1 Mögliche Fehlerquellen
Zahlreiche weitere Einflüsse wirken sich negativ auf GPS aus. Die wichtigsten Feh-
lerquellen nach [1] im Überblick:
•Fehlerhafte Satellitenposition: Kontrollstationen könnten von den Satelli-
ten veraltete Daten erhalten. Fehler ≈4 m.
•Fehlerhafte Satellitenzeiten: Die Atomuhren der Satelliten werden zwar
kontrolliert, könnten aber falsch laufen. Fehler ≈1 m.
•Ionosphären- und Troposphärenfehler: GPS-Signale werden durch die Iono-
und Troposphäre gebremst, sie bewegen sich nicht mehr mit Lichtgeschwin-
digkeit. Fehler ≈5 m.
•Multipath-Fehler: Werden Signale zum Beispiel durch Gebäude abgelenkt
und zweimal empfangen, führt dies zu Verwirrungen beim Empfänger.
Fehler ≈2 m.
•Ungünstige Geometrie: Stehen Satelliten zu eng beieinander, könnte dies
zu einer singulären Matrix Bvom Gleichungssystem aus Satz 1 führen und
eine Berechnung unmöglich machen.
•Relativitätstheorie: Da sich Empfänger und Satelliten sehr schnell umein-
ander bewegen, treten relativistische Effekte auf, die zu geringfügigen Ab-
weichungen führen können.
5.2 Reichen 3 Satelliten aus?
Nein. Befindet sich der Empfänger auf der Erde und kennt dieser die Abstände zu
den Satelliten im Weltall, so kann sich der Empfänger nur am Rand jener Kugeln
befinden, deren Mittelpunkte die Satellitenposition sind und deren Radien den
Abständen entspricht. Die folgende Grafik stellt die Situation vereinfacht dar. Um
einen Empfänger befinden sich ringsum 3 Satelliten, um denen Kugeln mit kleinen
Radien eingezeichnet wurden.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 20
5 FEHLER UND FEHLVORSTELLUNGEN
Abbildung 14: Vereinfachte Situation mit 3 Satelliten im Raum. Der Empfänger
befindet sich beim gemeinsamen Schnittpunkt in der Mitte der Kugeln, CC-BY-SA
4.0 Markus Peißl.
Unter optimalen Bedingungen gäbe es einen eindeutigen gemeinsamen Schnitt-
punkt. Tatsächlich tut sich aber durch Abweichungen eine Fläche auf, in der sich
der Empfänger befinden könnte. Folglich benötigen wir mindestens einen weite-
ren Satelliten, der die Fläche eingrenzt und eine genauere Bestimmung möglich
macht.
Abbildung 15: Rot strichliert wäre die optimale Lösung. Durch Abweichungen er-
streckt sich aber eine Fläche, in der sich der Empfänger befinden könnte, [1].
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 21
5 FEHLER UND FEHLVORSTELLUNGEN
5.3 Ist die Erde eine Kugel?
Nein. Bis zum 3. Jahrhundert vor Christus galt die Erde als Scheibe. Zur ver-
einfachten Berechnung wird, wie in dieser Arbeit, die Erde als Kugel angesehen.
Genau genommen ist die Erde ein Geoid. Dies ist eine spezielle Form eines Ellip-
soids, deren große Halbachse eine Astronomische Einheit (AE) entspricht (ca. 6,4
Millionen Meter) [1].
5.4 Wie wird der Fehler abgeschätzt?
Triangulation mit mehr als vier Satelliten. Stehen nur vier Satelliten zur Ver-
fügung, lässt sich der Fehler wegen fehlender Vergleichswerte nicht abschätzen.
Bei einem Test waren acht oder mehr Satelliten in Reichweite, durch Triangu-
lation mit verschiedenen Satelliten-Kompositionen wurde eine durchschnitte Ab-
weichung von 12 Metern erreicht. Je mehr Satelliten herangezogen werden kön-
nen, desto genauer ist die Abschätzung. Laut dem National Coordination Office for
Space-Based Positioning, Navigation and Timing [10] liegt in 95 % der Messungen
die durchschnittliche Abweichung bei 8 Metern.
5.5 Gibt es andere Satellitensysteme?
Ja. Weitere große Systeme sind Galileo, GLONASS und Beidou. Galileo ist noch
im Aufbau, GLONASS funktioniert trotz mehrmaliger Pannen bereits global. Aktu-
elle Smartphones und Tablets verwenden GLONASS zur genaueren Bestimmung.
Beidou funktioniert in großen Teilen Asiens und des Pazifikraums [2].
5.6 Funktioniert GPS auch im Weltall?
Nein. Im erdnahen Orbit zwischen Satelliten und Erdoberfläche funktioniert GPS
noch. Doch eine Positionsbestimmung damit ist im Weltall nicht vorgesehen. Die
Positionsangaben beziehen sich auf die Erdoberfläche. Da sich die Erde samt Satel-
liten weiterdreht, verändern sich die Achsen. Für interplanetare Navigation bieten
sich geozentrische, baryzentrische oder topozentrische Systeme an [2].
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 22
6 ZUSAMMENFASSUNG
6 Zusammenfassung
Im 21. Jahrhundert ist GPS in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet. Ortungs-
dienste würden ohne dieses System nicht funktionieren. Ein aktueller Trend stellt
Geo-Caching dar. Zur Positionsbestimmung auf der Erde sind mindestens vier Sa-
telliten notwendig, um Messfehler zu kompensieren. Die Kommunikation zwi-
schen Empfänger und Satelliten geschieht durch Radiowellen, die mit Lichtge-
schwindigkeit durch die Atmosphäre dringen. Eben diese Geschwindigkeit ist der
Grund für die oftmals großen Abweichungen zur tatsächlichen Position auf der
Erde. Selbst die kleinste Abweichung von Nanosekunden führt schon zu einem
Versatz von einigen Metern auf der Erdoberfläche.
Eine Möglichkeit zur Auswertung der Satellitendaten stellt der Algorithmus von
Stephen Bancroft dar. Grundlage stellt ein nichtlineares Gleichungssystem mit
mindestens vier Gleichungen dar. Trickreiches Umformen des Gleichungssystems
führt zu einer quadratischen Gleichung, deren Lösungen bequem mit der gemischt
quadratischen Lösungsformel berechnet werden können. Die beiden Lösungen
werden durch Einsetzen verifiziert, wobei meist eine der Lösungen sehr weit von
der tatsächlichen Position abseits liegt.
Eine perfekte und fehlerfreie Positionsbestimmung ist nur in Actionfilmen mög-
lich. Zahlreiche Einflüsse führen zu Abweichungen, die eingeschränkt korrigiert
werden können. Drei Satelliten sind zu wenig und eine Positionsbestimmung im
Weltall mit GPS ist nicht möglich. GLONASS ist bereits operabel, Beidou und Ga-
lileo werden in Europa frühestens 2020 verfügbar sein.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 23
LITERATUR
Literatur
[1] Richard Rascher-Friesenhausen. Die Mathematik des GPS. MNU Tagung Bre-
merhafen, 2005.
[2] Wikipedia. Global Positioning System. 2016. URL
. CC-BY-SA 3.0.
[3] Navigation National Coordination Office for Space-Based Positioning and
Timing. GPS Prcise Positioning Service Performance Standard. Depart-
ment of Defense, USA, 2007. URL
.
[4] Daniel Telaar; Antonio Krüger; Johannes Schöning. A Large-Scale Quan-
titative Survey of the German Geocaching Community in 2007. Advances
in Human-Computer Interaction, 2014. doi: 10.1155/2014/257815. URL
.
[5] Navigation National Coordination Office for Space-Based Positioning and Ti-
ming, 2016. URL .
[6] Günther Malle; Maria Koth; Helge Woschitz; Bernhard Salzger. Mathema-
tik Verstehen 6. Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG,
2013. ISBN 978-3-209-07043-2.
[7] Gertrud Desch. Lineare Algebra 2. Vorlesungsskriptum. Karl Franzens Uni-
versität Graz, 2014.
[8] Stephen Bancroft. An Algebraic Solution of the GPS Equations, volume 21. IE-
EE Transactions on Aerospace and Electronic Systems, IEEE TRANS AEROSP
ELECTRON SY, 1985. doi: 10.1109/TAES.1985.310538.
[9] Hans Rudolf Schwarz; Norbert Köckler. Numerische Mathematik. Vieweg +
Treubner Verlag, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2011. ISBN 978-3-8348-
1551-4. doi: 10.1007/978-3-8348-8166-3_1.
[10] Navigation National Coordination Office for Space-Based Positioning and
Timing. GPS Standard Positioning Service Performance Standard. Depart-
ment of Defense, USA, 2008. URL
.
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 24
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
1 Zwei Einsatzmöglichkeiten für GPS: Autonavigation und Paraglei-
ten, CC0 Pixabay. ............................. 2
2 Schematischer Ablauf von Geo-Caching über das Internet, CC-BY-SA
4.0 Markus Peißl. ............................. 3
3 Beispiel einer versteckten Box im Wald, CC0 Pixabay. ......... 3
4 Kostenlose Apps „GPS Status & Toolbox“ sowie „GPS Test“. Beide
Apps zeigen dieselbe Position in Voitsberg an, MobiWIA-EclipSim und
Chartcross Limited. ............................ 4
5 Alle Segmente von GPS samt Beziehungen, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl. 5
6 Satellitenkonstellation von GPS, [5]. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
7 Vergleich von Koordinatensystemen mit einer, zwei und drei Dimen-
sionen, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl. ................... 6
8 Vergleich des kartesischen Koordinatensystems mit dem Punkt P=
(1, 1, 1)Tund des geografischen Koordinatensystems mit einer Ku-
gel, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl sowie [1]. ................ 9
9 Skizze zur Veranschaulichung von Beispiel 1. Eingezeichnet sind
eine Kugel mit ihren Rändern, Längen- und Breitengrad sowie das
Kugelmittelpunkt-Empfänger-Dreieck, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl. . . 10
10 Visualisierung der Sachlage in einer Dimension. Zu sehen sind ein
Empfänger, zwei Satelliten, die auf einer Geraden liegen, CC-BY-SA
4.0 Markus Peißl. ............................. 11
11 Positionsbestimmung durch gemeinsamen Schnittpunkt zweier Krei-
se auf einer Geraden, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl. ........... 12
12 Berechnung der Laufzeit durch zeitliche Differenz und der Lichtge-
schwindigkeit c,CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl. .............. 13
13 Ausgangslage mit vier Satelliten im Raum, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl. 15
14 Vereinfachte Situation mit 3 Satelliten im Raum. Der Empfänger
befindet sich beim gemeinsamen Schnittpunkt in der Mitte der Ku-
geln, CC-BY-SA 4.0 Markus Peißl. ..................... 21
15 Rot strichliert wäre die optimale Lösung. Durch Abweichungen er-
streckt sich aber eine Fläche, in der sich der Empfänger befinden
könnte,[1]................................ 21
Mathematische Grundlagen für GPS, Markus Peißl Seite 25