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Jahrgang 55, Nr. 11 (2004) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 299
Borg-Skala Standards der Sportmedizin
Löllgen H
Das Anstrengungsempfinden
(RPE, Borg-Skala)
Sana-Klinikum Remscheid, ALK, Ruhr-Universität,
Bochum
Die Bestimmung des Anstrengungsempfindens bei körperlicher Arbeit,
insbesondere bei Belastungsuntersuchungen, gilt seit der Einführung
vor über 40 Jahren (1, 2) im angelsächsischen Sprachraum als Standard
(3). In Deutschland erschienen schon sehr früh Untersuchungen zum
Anstrengungsempfinden (4, 5). Auch führen die Standardlehrbücher
diesen Parameter auf (6). In der täglichen Routine aber wird die einfa-
che und aussagekräftige Skala noch zu selten eingesetzt.
Das Anstrengungsempfinden ist das subjektive Empfinden einer Ver-
suchsperson oder eines Patienten darüber, wie schwer und anstrengend
eine vorgegebene Leistung ist.
Das Anstrengungsempfinden gibt die subjektive Antwort wieder auf die
Reizintensität einer physikalischen Leistung. Es wird dabei mit einer nu-
merischen Skala erfasst (Borg-Skala, "Rate of perceived exertion"
[RPE]). Die Leistung ist zumeist eine körperliche Belastung (Ergometer
oder Wettkampf), doch lassen sich mit der Borg-Skala auch andere Emp-
findungen erfassen: Schmerz, muskuläre Anstrengung oder Dyspnoe.
Mit dem Anstrengungsempfinden können sowohl globale als auch re-
gionale Empfindungen abgeschätzt werden (z.B. muskuläre Anstren-
gung, isometrische Belastung oder Dyspnoe).
Vor einer Belastungsuntersuchung wird der Proband/Patient über die
Skala des Anstrengungsempfindens informiert. Man kann die Skala
auch dem Probanden vor dem Belastungstest zum Lesen geben mit der
entsprechenden Anleitung.. Die Skala des Anstrengungsempfindens
wird während der Belastung in Augenhöhe gehalten. Der Proband soll
in der Endphase, also noch während der Belastung, angeben, wie an-
strengend das Fahrradfahren (oder Laufen etc.) für ihn ist. Er soll eine
Zahl nennen, die beschreibenden Worte dienen zur Orientierung für das
Ausmaß der Anstrengung.
Die ursprünglich eingeführte Skala zum RPE reichte von 1-20. Es zeig-
te sich eine nichtlineare Beziehung des Anstrengungsempfindens zur
Leistung, so dass die Skala auf eine Einteilung von 6-20 geändert wur-
de, was sich über viele Jahrzehnte bewährt hat. Diese Skala hat dane-
ben die Eigenschaft, dass durch Multiplikation mit 10 die zugehörige
Herzfrequenz unter dynamischer Belastung näherungsweise bestimmt
werden kann (Skalenwert x 10 = Herzfrequenz).
In neuerer Zeit wurde eine weitere, neue Skala von 1-10 publiziert. Sie
eignet sich für weitere Fragestellungen wie Schmerzbeurteilung und iso-
metrische Belastung (1, 2).
Skala
Methodik
Definition
Einführung
Das Anstrengungsempfinden wird wie andere Parameter der Ergometrie
von Größe, Gewicht, Trainingszustand, Umdrehungszahl, Körperpositi-
on bei der Ergometrie sowie von Krankheiten bestimmt. Mit zunehmen-
dem Alter (vom Kindes- in das Jugendalter) nimmt das Anstrengungs-
empfinden zu, im Erwachsenenalter hingegen bleibt der Wert vom Al-
ter unbeeinflusst. Im Gegensatz zu vielen anderen Größen ändert sich
somit die RPE-Skala im Alter nicht!
Die Skala ist einfach zu handhaben. Auch Patienten sind sofort in der
Lage, die Skala zu verstehen und zu benutzen. Die Akzeptabilität ist sehr
gut. Die Reproduzierbarkeit liegt bei einem Korrelationskoeffizienten
von 0,91-0,92, der Variationskoeffizient bei 4-8 %. Weitere Gütekriteri-
en, u.a. zur Validität, finden sich in den aktuellen Publikationen (1).
Leistungsbezogene Referenzwerte (Watt) für Normalpersonen (Männer,
Frauen) sind in Abbildung 1 dargestellt (1). Abbildung 2 gibt Refe-
renzwerte für das Anstrengungsempfinden von Männern und Frauen
wieder in Abhängigkeit von der Herzfrequenz (6). Weitere Referenzwer-
te finden sich bei Löllgen und Erdmann (6).
Das Anstrengungsempfinden ist ein häufig benutzter Parameter in kli-
nischen Studien u.a. bei der koronaren Herzkrankheit, Herzinsuffizienz,
chronischen Lungenerkrankungen, aber auch in epidemiologischen Stu-
dien. Auch für Trainingsstudien bei Sportlern und im Rahmen der
Prävention und Rehabilitation wird die Borg-Skala eingesetzt.
Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit oder einer obstruktiven
Atemwegserkrankung empfinden die gleiche Belastungsstärke als an-
strengender als eine gesunde Normalperson; trainierte Sportler wieder-
um schätzen diese Belastungsstufe als weniger anstrengend als untrai-
nierte Personen ein. Umgekehrt empfinden Personen mit einem hyper-
kinetischen Herzsyndrom oder "funktionellen" Herzbeschwerden eben
diesen Leistungsgrad als weniger anstrengend. Bei gutachterlichen Fra-
gestellungen werden meist höhere RPE-Werte angegeben im Vergleich
zu Normalpersonen oder auch Patienten. Weitere klinische Fragestel-
Beurteilung
Referenzwerte
Gütekriterien
Einflüssgrößen
6
7 Sehr, sehr leicht
8
9 Sehr leicht
10
11 Recht leicht
12
13 Etwas anstrengender
14
15 Anstrengend
16
17 Sehr anstrengend
18
19 Sehr, sehr anstrengend
20
6
7 Sehr, sehr gering
8
9 Sehr gering
10
11 gering
12
13 ziemlich stark
14
15 stark
16
17 Sehr stark
18
19 Sehr, sehr stark
20 zu stark, geht nicht mehr
Tabelle 1: links: Skala des Anstrengungsempfindens (nach 1, 2);
rechts: Skala des Dyspnoe-Empfindens (nach 6). Copyright der linken
Skala: ©1998 by Gunnar Borg
lungen nach Angina pectoris bei koronarer Herzkrankheit oder die Clau-
dicatio bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (Gehstrecke). Bei
Patienten mit medikamentöser (ß-Blocker) oder elektrischer Beeinflus-
sung (Schrittmacher) der Herzfrequenz ist die Borg-Skala ein sehr ge-
eignetes Verfahren zur Steuerung der Belastungsintensität.
Der Skalenwert der Borg-Skala eignet sich zur Beurteilung der Ausbe-
lastung bei Feldversuchen oder bei der Ergometrie. Nur Werte von 17
oder mehr zeigen eine Erschöpfung an. Werte von 18 und mehr werden
eher von Hochleistungssportlern erreicht. Es bestehen enge Korrelatio-
nen des RPE- Wertes zu physiologischen Parametern über die Herzfre-
quenz hinaus, so zu Laktatwerten, Sauerstoffaufnahme oder Atemfre-
quenz während Belastung (1, 3, 5).
Bei Trainingsempfehlungen von Leistungssportlern wird die Borg-Ska-
la ebenfalls eingesetzt (Literatur in 7), sie eignet sich aber auch für Trai-
nings- und Übungsvorgaben bei isometrischen Aufgaben oder für das
Krafttraining, auch in Fitness-Studios.
Weiterhin kann die Borg-Skala für die Beurteilung der Erholung nach
größerer Anstrengung herangezogen werden ("total quality recovery"
(TQR)) oder zur Erkennung des Übertrainings (Literatur in 7).
Üblicherweise wird dem Probanden ein Trainingsbeginn mit einem RPE-
Wert von 11 empfohlen, mit zunehmendem Training kann er auf 13 ge-
steigert werden, in der Regel wird man beim Ausdauertraining einen
Wert von 14 nicht überschreiten (1, 2). Für Kranke kann die Borg-Ska-
la zur Abschätzung der Anstrengung im täglichen Leben herangezogen
werden (z.B. Treppen steigen, Bergauf gehen etc.).
Die Borg-Skala zur Einschätzung des Anstrengungsempfindens während
körperlicher Aktivität ist eine preiswerte, dennoch zuverlässige "Mes-
sgröße". Gerade im Bereich gesundheitsorientierter Sportangebote eignet
sich die Borg-Skala für Trainingsempfehlungen. Im Rahmen der Primär-
und Sekundärprävention durch körperliche Aktivität ermöglicht die
Borg-Skala wichtige und gut verständliche Hinweise zur Belastungsin-
tensität. Gerade in diesen Bereichen sind aufwändige Testverfahren (Lak-
tat, Spiroergometrie) nicht oder nur selten möglich. Auch der Arzt kann
sich schnell mit dieser Form der Trainingsberatung ver
traut machen.
Fazit
Trainingsempfehlungen
Bewertung für die Praxis
Die Bestimmung des Anstrengungsempfindens während Belastung mit
Hilfe der Borg-Skala ermöglicht es, die subjektiv empfundene Anstren-
gung eines Menschen zu erfassen und zu beurteilen. Die Skala kann bei
allen Belastungsuntersuchungen schnell und unproblematisch einge-
setzt werden. Sie ist einfach zu verwenden, sehr zuverlässig und aussa-
gekräftig. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass der Parameter "An-
strengungsempfinden" Bestandteil jeder Belastungsuntersuchung sein
sollte. Zur Trainingsberatung ist die Skala eine einfache, aber effektive
Hilfe.
1. Borg G: Borg’s perceived exertion and pain scales. Human Kinetics,
Champaign Il.,1998.
2. Borg G Anstrengungsempfinden und körperliche Aktivität. Dtsch. Ärzte-
blatt 101 (2004) A1016-1021.
3. Froelicher V, Myers JN: Exercise and the heart. Saunders, Philadelphia, 4.
Auflage, 2000.
4. Löllgen H, Ulmer HV, von Nieding G: Heart rate and perceptual response
to exercise with different pedalling speed in normal subjects and pati-
ents. Eur J Appl Physiol 37 (1977) 297-304.
5. Löllgen H, Graham T, Sjogaard G: Muscle metabolites, force and perceived
exertion bicycling at varying pedal rates. Med Sci Sports Exerc 12 (1980)
345-351.
6. Löllgen H, Erdmann E (Hrsg): Ergometrie. Springer, Berlin, Heidelberg,
2. Auflage, 2000.
7. Löllgen H ,Ulmer HV: Das "Gespräch" während der Ergometrie: Die Borg-
Skala. Dtsch Ärzteblatt 101 (2004) A1014-1015.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Herbert Löllgen
Sana-Klinikum Remscheid
ALK, Ruhr-Universität Bochum
Burgerstr.211
42859 Remscheid
E-mail: h.loellgen@sana-klinikum-remscheid.de
Literatur
Zusammenfassung
Standards der Sportmedizin Borg-Skala
300 DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN Jahrgang 55, Nr. 11 (2004)
Abbildung 1: Referenzwerte für das Anstrengungsempfinden, bezogen auf die Leistung (in Watt). Links: für
Männer, rechts: Frauen. Mittelwert (dünne Linie) und Standardabweichung. Modifiziert nach 1