Frühere empirische Studien zur Vergewaltigungsmythenakzeptanz und selbstberichteter Vergewaltigungsneigung analysierten vorwiegend heterosexuelle Männer. In solchen Stu-dien steigt die Korrelation zwischen Vergewaltigungsmythenakzeptanz und Vergewalti-gungsneigung, wenn die Mythen vor der Neigung abgefragt werden. Der Grund liegt dar-in, dass die Verfügbarkeit von rechtfertigenden Kognitionen wie
... [Show full abstract] Vergewaltigungsmythen es den Befragten erleichtert, ihre heiklen Wünsche zu äußern. Dieser Reihenfolgeeffekt kann als kausaler Effekt der rechtfertigenden Kognitionen auf die selbstberichtete Verge-waltigungsneigung gedeutet werden. Wir replizieren in unserem experimentellen Survey in Leipzig (N=225) Befunde aus früheren Studien zu heterosexuellen Männern. Zudem weiten wir unsere Analyse auf die bisher nur unzureichend erforschte Subpopulation der homose-xuellen Männer aus. Unsere empirischen Befunde stützen Analyseergebnisse früherer Stu-dien zum Verhalten heterosexuell orientierter Männer. Im Gegensatz zu unseren Erwar-tungen stellen sich die vorhergesagten Resultate aber nicht in der Gruppe der homosexuel-len Männer ein: Die Korrelation zwischen Vergewaltigungsmythen und Vergewaltigungs-neigung bei homosexuellen Männern ist höher, wenn die Neigungen zuerst abgefragt wer-den. Ferner lässt sich bei homosexuell orientierten Männern eine höhere Akzeptanz von Vergewaltigungsmythen beobachten. Warum die beiden Gruppen unterschiedlich auf die Mythen reagieren, wird anschließend anhand qualitativer Interviews exploriert.