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WSI-Report Nr. 28 (Januar 2016) Ein Jahr Mindestlohn in Deutschland - Erfahrungen und Perspektiven

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REPORT
WSI-Report Nr. 28, 1/2016
EIN JAHR MINDESTLOHN IN
DEUTSCHLAND – ERFAHRUNGEN
UND PERSPEKTIVEN
Marc Amlinger, Reinhard Bispinck, Thorsten Schulten
AUF EINEN BLICK
Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein
gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stun-
de. Noch im Jahr 2014 hatten zwischen 4,8 und
5,4 Millionen Beschäftigte einen geringeren Stun-
denlohn. Auch wenn sich bislang noch nicht ex-
akt sagen lässt, wie viele Beschäftigte letztend-
lich von der Einführung des Mindestlohns profitiert
haben, so deuten die überdurchschnittlich hohen
Lohnsteigerungen in klassischen Niedriglohnbran-
chen auf erhebliche Mindestlohneekte hin. Auch
die Tarifpolitik hat von der Einführung des Mindest-
lohns profitiert und dazu beigetragen, dass die un-
tersten Lohngruppen weiter angehoben wurden.
Die von vielen Ökonomen befürchteten nega-
tiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind
dagegen ausgeblieben. Die Beschäftigung in
Deutschland hat im Gegenteil kontinuierlich zuge-
nommen. Lediglich bei den Minijobs ist ein starker
Rückgang beobachtbar, wobei hier ein erheblicher
Anteil in sozialversicherungspflichtige Arbeitsplät-
ze umgewandelt wurde.
Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen
wird derzeit über die zukünftige Anpassung des
Mindestlohns diskutiert, die erstmals Anfang 2017
erfolgen soll. Als Orientierungsgröße für die Emp-
fehlung der Mindestlohnkommission soll laut Min-
destlohngesetz die vergangene Entwicklung der
Tariflöhne gelten. Nach dem Tarifindex des Statis-
tischen Bundesamtes stiegen die Tariflöhne in den
Jahren 2014 und 2015 insgesamt um 5,5%. Dem-
nach müsste der Mindestlohn auf etwa 9 € ange-
hoben werden. Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob
ein solches Mindestlohnniveau tatsächlich den im
Mindestlohngesetz geforderten „angemessenen
Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer“ gewährleistet.
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 2
1 EINLEITUNG
Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland zum
ersten Mal ein allgemeiner gesetzlicher Mindest-
lohn – und zwar in Höhe von 8,50 €. Damit ging
eine mehr als 10jährige politische Auseinanderset-
zung vorläufig zu Ende, in der Gewerkschaften, Ar-
beitgeberverbände und politische Parteien heftig
um das Ob und Wie eines gesetzlichen Mindest-
lohnes gerungen hatten. Aus Sicht der Gewerk-
schaften stellt die Einführung des gesetzlichen
Mindestlohnes eine „historische Sozialreform“
(Reiner Hofmann) dar, nach Auassung vieler Ar-
beitgeberverbände beschädigt er die Tarifautono-
mie. Viele Ökonomen sagten den Verlust von meh-
reren hunderttausend bis zu einer Million Arbeits-
plätzen voraus (Schulten/Weinkopf 2015). Nach
nunmehr einem Jahr Mindestlohn ist es Zeit, eine
erste Bilanz zu ziehen. Im vorliegenden Report ge-
hen wir zunächst der Frage nach, wie groß die the-
oretische Reichweite des Mindestlohnes zum Zeit-
punkt seiner Einführung war. Wir prüfen, soweit
die vorliegenden Daten dies erlauben, welche Aus-
wirkungen die Einführung des Mindestlohns bis-
lang auf die Entwicklung von Einkommen und Be-
schäftigung hatte. Dabei gehen wir auch auf den
Zusammenhang von gesetzlichem Mindestlohn
und tarifvertraglicher (Mindest-)Lohnfestsetzung
ein. Abschließend diskutieren wir die mögliche An-
passung des gesetzlichen Mindestlohnes, die nach
der Vorgabe des Mindestlohngesetzes Mitte dieses
Jahres beschlossen werden soll.
2 REICHWEITE DES MINDESTLOHNS
ZUM ZEITPUNKT SEINER
EINFÜHRUNG
Seit Mitte der 1990er Jahre ist der Anteil der Nied-
riglohnbezieher in Deutschland stetig angestiegen
und verharrt seit einigen Jahren auf hohem Niveau
(Kalina/Weinkopf 2015). Diese verfestigte Niedrig-
lohnbeschäftigung war ein wesentlicher Grund da-
für, den gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. In
einzelnen Branchen und Regionen war das Lohnni-
veau insgesamt so niedrig, dass ein erheblicher Teil
der Beschäftigten von der Einführung des gesetzli-
chen Mindestlohns profitieren sollte.
Die Entwicklung des Niedriglohnsektors in
Deutschland ist bereits in zahlreichen Studien be-
schrieben worden (Brenke/Müller 2013; Falck et
al. 2013; Brenke 2014; Amlinger et al. 2014; Kali-
na/Weinkopf 2015). Als Datengrundlage wurde
hierbei insbesondere das Sozio-oekonomische
Panel (SOEP) ausgewertet, wobei unterschiedli-
che methodische Ansätze vor allem im Hinblick
auf die Berücksichtigung der Arbeitszeiten zu un-
terschiedlichen Ergebnissen geführt haben (siehe
Kasten). Im Folgenden werden bei der Auswertung
der neusten SOEP-Daten zwei unterschiedliche Be-
rechnungen angestellt, die zum einen von der tat-
sächlichen Wochenarbeitszeit ausgehen und zum
anderen die mit Freizeit abgegoltenen Überstun-
den berücksichtigen. Die so gewonnenen Anga-
ben können als Ober- und Untergrenze betrachtet
werden, zwischen dem der tatsächliche Anteil der
von der Mindestlohneinführung betroenen Per-
sonen liegt.1 Mit dieser Methode lassen sich mit
dem SOEP für das Jahr 2014 hochgerechnet zwi-
schen rund 4,8 und 5,4 Millionen Beschäftige iden-
tifizieren, die weniger als 8,50 € verdienten (Tabelle
1). Dies entspricht im Jahr 2014 einem Anteil zwi-
schen 14,8 und 16,6 % aller abhängig Beschäftig-
ten, die für einen Bruttostundenlohn unterhalb von
8,50 € arbeiteten. Damit hat sich der Anteil der po-
tenziell betroenen Personen seit der Ankündi-
gung des Mindestlohngesetzes bereits deutlich re-
duziert: Im Jahr 2013 verdienten noch rund 5,2 bis
5,8 Millionen ArbeitnehmerInnen weniger als den
Mindestlohn, beziehungsweise ein Anteil von 16,2
bis 18,0 %.
1 Alle Angaben beziehen sich auf Personen und nicht auf Be-
schäftigungsverhältnisse. Bei Personen, die neben ihrer ei-
gentlichen Erwerbstätigkeit einem Nebenerwerb, zum Bei-
spiel in Form eines Minijobs, nachgehen, wird nur die
Haupttätigkeit berücksichtigt.
INHALTSVERZEICHNIS
2 Einleitung
2 Reichweite des Mindestlohns zum Zeitpunkt seiner Einführung
8 Verdienstentwicklung nach der Einführung des Mindestlohns
12 Tarifliche Niedriglöhne und Branchenmindestlöhne
14 Auswirkungen des Mindestlohns auf die Beschäftigung
15 Wie weiter mit der Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland?
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 3
SOEP-Methodik
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP)2 ist eine
im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirt-
schaftsforschung (DIW) seit 1984 durchgeführ-
te repräsentative Bevölkerungsbefragung (vgl.
Wagner et al. 2008). Für die vorliegende Un-
tersuchung wurden nur abhängig Beschäftigte
ohne Auszubildende betrachtet. Da für Jugend-
liche unter 18 Jahren, Personen in Arbeitsbe-
schaungsmaßnahmen oder in gemeinnützigen
Tätigkeiten und Personen in Werkstätten für Be-
hinderte der gesetzliche Mindestlohn generell
nicht gilt, wurden auch diese aus den Berech-
nungen ausgeschlossen. Auch Praktika bis zu
drei Monaten, die der Berufsorientierung dienen
und Pflichtpraktika im Rahmen einer Ausbildung
oder eines Studium werden nicht vom Mindest-
lohngesetz erfasst. Da das SOEP eine so genaue
Dierenzierung der Art und Dauer von Prakti-
kantenverhältnissen nicht erlaubt, wurden diese
generell aus der Untersuchung ausgeschlossen.
Insgesamt lagen damit noch Daten zu knapp
14.000 ArbeitnehmerInnen vor.
Die Bruttostundenlöhne werden in der SOEP-
Befragung nicht direkt erhoben, lassen sich je-
doch für abhängig Beschäftigte aus den abge-
fragten Angaben zum monatlichen Erwerbsein-
kommen und der Wochenarbeitszeit berechnen.
Allerdings stehen dabei unterschiedliche Me-
thoden zur Auswahl, die jeweils einen großen
Einfluss darauf haben, wie hoch der Bruttostun-
denlohn und damit der mögliche Bezugskreis
des Mindestlohns im Endeekt bestimmt wird.
Üblicherweise wird der Bruttomonatsverdienst
2 Sozio-ökonomisches Panel (SOEP), Daten für die Jahre
1984-2014, Version 31, SOEP, 2015, doi:10.5684/soep.v31
Bestand Vereinbarungen in Kategorien
Quelle: SOEP v31; Berechnungen des WSI.
Tabelle 1
Arbeitnehmer mit Bruttostundenlöhnen unter 8,50
2013 2014
Bruttostundenlohn auf Basis der… absolut in % absolut in %
tatsächlichen Wochenarbeitszeit 5.752.000 18,0 5.405.000 16,6
vereinbarten Wochenarbeitszeit, wenn Überstunden durch
Freizeit abgegolten werden 5.196.000 16,2 4.838.000 14,8
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren ohne Auszubildende,
Personen in ABM-Maßnahmen oder in Werkstätten für Behinderte. Keine Praktikanten oder Personen in Altersteilzeit.
ohne Sonderzahlungen3 durch die durchschnitt-
lich geleisteten Arbeitsstunden inklusive möglicher
Überstunden geteilt. Brenke/Müller (2013) schla-
gen jedoch vor alternativ zu den tatsächlich geleis-
teten Arbeitsstunden die vertraglich vereinbarte Ar-
beitszeit zu verwenden, wenn die Befragungsper-
son angibt, dass ihre Überstunden durch Freizeit
abgegolten werden. In diesen Fällen sind die Über-
stunden nicht Teil der Entlohnung und sollten da-
her auch nicht bei der Berechnung des Stundenver-
diensts berücksichtigt werden. Werden Überstun-
den jedoch bezahlt oder in keiner Form abgegolten,
so werden nach wie vor die tatsächlich geleisteten
Arbeitsstunden verwendet.
Beide Herangehensweisen haben ihre Vor-
und Nachteile. Während die erste Methode die
Bruttostundenverdienste eher unterschätzt, da
sie bei der Arbeitszeit auch Überstunden mit
einbezieht, die zum Beispiel im Rahmen von Ar-
beitszeitkonten durch Freizeit ausgeglichen wer-
den, überschätzt die zweite Methode hingegen
möglicherweise die Bruttostundenlöhne, da in
den Fällen in denen die Überstunden teils durch
Freizeit abgegolten und teils ausgezahlt wurden,
nicht klar ist, zu welchem Anteil diese in den
Bruttomonatsverdienst einfließen. Gerade die
Bezieher von geringen Einkommen bekommen
ihre Überstunden häufiger ausgezahlt, wodurch
deren Bruttostundenverdienst überschätzt wür-
de (Kalina/Weinkopf 2014).
3 Im SOEP werden Sonderzahlungen lediglich für das Vor-
jahr der Befragung abgefragt. Auch wenn das Mindest-
lohngesetzt keine präzise Definition des Mindestlohnbe-
gris enthält (Schulten 2014), gibt es bereits
Entscheidungen der Arbeitsgerichte, dass Urlaubs- und
Weihnachtsgeld nicht Bestandteil des Mindestlohns ge-
zählt werden dürfen. Dies spricht dafür lediglich den
Grundlohn für die Berechnungen heranzuziehen.
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 4
Außer den Daten des SOEP liegen für das Jahr 2014
bislang zum Umfang der Mindestlohnbezieher nur Da-
ten des IAB-Betriebspanels des Instituts für Arbeits-
markt- und Berufsforschung (IAB) vor, welche auf ei-
nen wesentlich geringeren Anteil der vom Mindest-
lohn betroenen Beschäftigten von insgesamt 4,4 %
schließen lassen (Bellmann et al. 2015). 4 Die Autoren
des IAB nennen für diese Diskrepanz selbst mehre-
re Gründe: Zum einen haben laut IAB 7 % der Be-
triebe in Antizipation zur Mindestlohneinführung
ihre Löhne bereits im Verlauf des Jahres 2014 an-
gepasst. Im Hinblick auf das SOEP lässt sich nicht
genau sagen, ob zum jeweiligen Erhebungszeit-
punkt eine solche Lohnanpassung bereits stattge-
funden hat.5 Des weiteren werden bei der Befra-
gung des IAB Betriebspanels explizit Beschäftigte
ausgeschlossen, für die eine Ausnahmeregelung
vom gesetzlichen Mindestlohn gilt, während sich
mit dem SOEP die einzelnen Ausnahmeregelungen
nicht ausreichend abbilden lassen. Ebenfalls nicht
berücksichtigt werden in der vorliegenden Betrach-
tung Sonderzahlungen, die das IAB mit einbezieht.
Zuletzt werden im SOEP die Stundenverdienste von
geringfügig Beschäftigten zu einem höheren Um-
fang erfasst, da das IAB Betriebspanel zum Beispiel
4 Darüber hinaus wurde in 2014 auch bei Neueinstellungen
bereits der Mindestlohn antizipiert. Mit 4,5 % war ein Stun-
denlohn von 8,50 € der meist genannte Einstiegslohn (IAB
2016).
5 Insgesamt erstreckt sich der Erhebungszeitraum des SOEP
im Jahr 2014 über neun Monate von Januar bis Oktober
(Vgl. Glemser et al. 2015).
Betriebe nicht erfasst in denen keine sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigte arbeiten (Bellmann
et al. 2015). Ein weiterer Grund für die Diskrepanz
dürfte in der unterschiedlichen Konzeption beider
Befragungen liegen. Während das IAB-Betriebspa-
nel als Arbeitgeberbefragung eventuell geleistete
Mehrarbeit der einzelnen Beschäftigten nicht oder
nur unzureichend berücksichtigt, werden in der
Haushaltsbefragung des SOEP die betroenen Ar-
beitnehmer und Arbeitnehmerinnen direkt zu ihren
tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten befragt. Insge-
samt dürften die Angaben des SOEP auch deshalb
genauer sein. Die IAB-Daten führen hingegen ins-
gesamt zu einer deutlichen Unterschätzung der von
der Einführung des Mindestlohns profitierenden
Beschäftigtenanzahl.
Verdienste unter 8,50 Euro vor Einführung des
Mindestlohns
Es bestätigt sich weiterhin das bekannte Bild, dass
2014 in den neuen Bundesländern wesentlich mehr
Beschäftigte weniger als 8,50 € pro Stunde verdien-
ten als in den alten: Während in Ostdeutschland
mehr als ein Fünftel bis ein Viertel aller Beschäftig-
ten noch einen geringeren Stundenlohn erzielte, traf
dies in Westdeutschland nur auf 13,1 bis 14,6 % zu
(Abbildung 2).
Abbildung 1
Quelle: SOEP v31; Berechnungen des WSI.
Arbeitnehmer mit Bruttostundenlöhnen unter 8,50 € nach Bundesländern (2014) – Anteil in %
10,6
13,6
13,8
14,9
16,2
16,4
16,7
21,1
22,0
22,1
26,1
27,2
30,4
9,9
12,0
12,1
13,2
13,9
15,3
15,2
19,6
20,0
18,5
23,2
23,1
28,4
0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0
Baden-Württemberg
Schleswig-Holstein/Hamburg
Bayern
Hessen
Niedersachsen/Bremen
Rheinland-Pfalz/Saarland
Nordrhein-Westfalen
Brandenburg
Berlin
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Sachsen
Mecklenburg-Vorpommern
untere Grenze obere Grenze
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren ohne Auszubildende,
Personen in ABM-Maßnahmen oder in Werkstätten für Behinderte. Keine Praktikanten oder Personen in Altersteilzeit.
Obere Grenze: Berechnung des Bruttostundenlohns auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.
Untere Grenze: auf Basis der vereinbarten Wochenarbeitszeit, wenn Überstunden durch Freizeit abgegolten werden.
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 5
Unter den Bundesländern6 mit den höchsten An-
teilen von Bruttostundenlöhnen unter 8,50 € fin-
den sich demnach auch vorwiegend die neuen Län-
der (Abbildung 1). Allein in Mecklenburg-Vorpom-
mern verdienten in 2014 noch zwischen 28,4 und
30,4 % aller Arbeitnehmer weniger als den Mindest-
lohn. Auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt könn-
ten bis zu einem Viertel aller Beschäftigten von der
Mindestlohneinführung betroen gewesen sein. In
den alten Bundesländern ist der Umfang von Nied-
riglöhnen wesentlich geringer. An der Spitze mit bis
zu 16 % der Beschäftigten stehen Nordrhein-West-
falen, Rheinland-Pfalz und Saarland, sowie Nieder-
sachsen mit Bremen. Der geringste Anteil mit Wer-
ten zwischen 9,9 und 10,6% findet sich in Baden-
Württemberg.
Das Risiko eines Verdiensts unter der Mindestlohn-
schwelle ist für einzelne Personengruppen und in
einzelnen Branchen höchst unterschiedlich ausge-
prägt (Abbildung 2). Die Betroenheit war dabei für
Frauen mit 19,9 bis 22,2 % doppelt so hoch wie bei
6 Aufgrund geringer Fallzahlen wurden einzelne Bundeslän-
der zusammengefasst.
Männern mit 9,7 bis 11,0 %. Jugendliche unter 25
Jahren und ältere Beschäftigte über 65 Jahren wei-
sen ebenfalls einen überproportional hohen Anteil
von geringen Stundenlöhnen auf. Von den Arbeit-
nehmerInnen ohne abgeschlossene Berufsausbil-
dung wurden zwischen 27,4 und 29 % mit weni-
ger als 8,50 € pro Stunde entlohnt. Auch Personen
mit einem direkten Migrationshintergrund arbeite-
ten überdurchschnittlich häufig zu Stundenlöhnen
unterhalb von 8,50 €. Von dieser Gruppe dürfte al-
lein rund ein Fünftel von der Mindestlohneinfüh-
rung profitiert haben.
Daneben finden sich allerdings auch deutliche
Unterschiede bei der Betrachtung der unterschied-
lichen Beschäftigungsverhältnisse. Während le-
diglich 7,2 bis 8,8 % der Vollzeitbeschäftigten we-
niger als 8,50 € pro Stunde verdienten, erreichen
Beschäftigte in Teilzeit- und befristeten Arbeits-
verhältnissen ein erheblich höheres Risiko gerin-
ger Verdienste. Mit Abstand am stärksten sind al-
lerdings geringfügige Beschäftigungsverhältnisse
von der Mindestlohneinführung betroen: Fast
60 % der Minijobber verdienten im Jahr 2014
Abbildung 2
Quelle: SOEP v31; Berechnungen des WSI.
Arbeitnehmer mit Bruttostundenlöhnen unter 8,50 € (2014) – Anteil in %
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren ohne Auszubildende,
Personen in ABM-Maßnahmen oder in Werkstätten für Behinderte. Keine Praktikanten oder Personen in Altersteilzeit.
Obere Grenze: Berechnung des Bruttostundenlohns auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.
Untere Grenze: auf Basis der vereinbarten Wochenarbeitszeit, wenn Überstunden durch Freizeit abgegolten werden.
11,0
22,2
44,9
18,8
13,4
11,4
15,8
42,9
8,8
22,0
59,2
29,0
18,0
8,4
13,3
30,6
15,4
21,3
18,2
14,6
24,8
16,6
9,7
19,9
41,6
16,7
11,8
9,8
14,3
42,9
7,2
19,5
57,9
27,4
15,7
8,0
11,6
27,3
13,7
19,9
15,4
13,1
21,9
14,8
0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0
Männer
Frauen
Alter 18-24 Jahre
25-34
35-44
45-54
55-65
66 und älter
Vollzeit erwerbstätig
Teilzeit erwerbstätig
Geringfügig beschäftigt
Keine Berufsausbildung oder (Fach-)Hochschulreife
Berufsausbildung oder (Fach-)Hochschulreife
(Fach-)Hochschulabschluss
unbefristet
befristet
Kein Migrationshintergrund
Direkter Migrationshintergrund
Indirekter Migrationshintergrund
West
Ost (mit Berlin)
Gesamt
obere Grenze untere Grenze
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 6
noch einen Bruttostundenverdienst unterhalb
des gesetzlichen Mindestlohns.
Deutliche Unterschiede zeigen sich auch in Ab-
hängigkeit zur Betriebsgröße (Abbildung 3). Kleinst-
betriebe mit weniger als fünf Beschäftigten sind zu
einem erhebliche höheren Maß betroen: Zwischen
40 und 42 % der dort beschäftigten Mitarbeiter ver-
dienten im Jahr 2014 weniger als 8,50 €. Mit stei-
gender Betriebsgröße nimmt auch der Anteil der
Geringverdiener ab. In Großbetrieben mit 2000
und mehr Beschäftigten sind mit knapp 7 bis 9 %
deutlich weniger ArbeitnehmerInnen betroen.
Branchen mit einem überdurchschnittlichen Anteil
an Beschäftigen mit Verdiensten unter 8,50 € wa-
ren auch 2014 nach wie vor das Gastgewerbe, die
Land- und Forstwirtschaft, der Einzelhandel, die Er-
nährungsindustrie und weitere Dienstleistungs-
branchen (Abbildung 4). Der hohe Anteil niedriger
Verdienste im Gastgewerbe geht dabei sicherlich
auch einher mit einem hohen Anteil von geringfü-
gigen Beschäftigungsverhältnissen in dieser Bran-
che. Innerhalb des produzierenden Gewerbes spiel-
te die Einführung des Mindestlohns hingegen eine
wesentlich geringere Rolle.
Für einige Branchen wurde daher von den Ta-
rifparteien eine tarifvertragliche Übergangslösung
mit einer stufenweisen Anpassung an den Min-
destlohn getroen (siehe Kapitel 4). Die jeweiligen
Ausnahmeregelungen der einzelnen (Teil-)Bran-
chen konnten bei der vorliegenden Betrachtung
nicht berücksichtigt werden, auch wenn in diesen
Branchen dadurch zunächst der Geltungsbereich
kleiner und etwaige Lohnsteigerungen moderater
ausfallen dürften. Im Gastgewerbe, welches von
der Einführung des Mindestlohns am stärksten be-
troen war, scheiterten allerdings die Verhandlun-
gen zwischen der zuständigen Gewerkschaft Nah-
rung-Genuss-Gaststätten (NGG) und dem Deut-
schen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga)
über einen tariflichen Mindestlohn. Nach den ak-
tuellen Zahlen des SOEP dürften dabei alleine im
Gastgewerbe die Löhne von insgesamt mehr als
der Hälfte der dort beschäftigten Arbeitnehmer
erhöht worden sein. Im ostdeutschen Hotel- und
Gaststättengewerbe waren mit knapp 65% sogar
fast zwei Drittel der Beschäftigten betroen.
Verteilung unterer Lohngruppen
Betrachtet man die Struktur der Stundenlohnstufen
im Niedriglohnbereich so wird deutlich, dass sich
auch unterhalb von 8,50 € die Bruttostundenlöh-
ne deutlich dierenzieren. In Tabelle 2 ist dazu der
Anteil der ArbeitnehmerInnen mit geringen Brutto-
stundenlöhnen in mehreren Stufen abgebildet. Da-
bei wurden allein die tatsächlich geleisteten Ar-
beitsstunden berücksichtigt, so dass die einzelnen
Werte jeweils nur die obere Grenze der Niedriglohn-
beschäftigung abbilden. Selbst im Jahr 2014 erziel-
ten rund 7 % der abhängig Beschäftigten lediglich
einen Bruttostundenlohn von weniger als 6,50 €,
dies dürfte immerhin rund 2,4 Millionen Arbeitneh-
merInnen entsprechen. Weniger als 7,50 € erzielten
immerhin noch 11,5 % der Beschäftigten. Demge-
genüber zeigt sich bei den Verdiensten knapp ober-
halb des Mindestlohns eine gewisse Stauchung:
Allein 8 % aller Arbeitnehmer fallen in den Bereich
mit Stundenlöhnen zwischen 8,50 € und unter 10 €,
was rund 2,7 Millionen Beschäftigten entspricht,
die nur wenig mehr als den Mindestlohn verdien-
ten. Damit erreichten vor Einführung des Mindest-
Abbildung 3
Quelle: SOEP v31; Berechnungen des WSI.
Arbeitnehmer mit Bruttostundenlöhnen unter 8,50 € nach Betriebsgrößenklassen (2014) – Anteil in %
41,9
29,5
23,5
19,4
13,2
9,8
8,9
39,6
27,1
20,7
16,9
11,1
8,7
7,8
0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0
Unter 5 Beschäftigte
5 bis 10
11 bis unter 20
20 bis unter 100
100 bis unter 200
200 bis unter 2000
2000 und mehr
untere Grenze obere Grenze
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren ohne Auszubildende,
Personen in ABM-Maßnahmen oder in Werkstätten für Behinderte. Keine Praktikanten oder Personen in Altersteilzeit.
Obere Grenze: Berechnung des Bruttostundenlohns auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.
Untere Grenze: auf Basis der vereinbarten Wochenarbeitszeit, wenn Überstunden durch Freizeit abgegolten werden.
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 7
lohns ein Viertel aller Beschäftigten nach wie vor
Stundenlöhne unter 10 €. Inwieweit sich in die-
sem Bereich durch die Mindestlohneinführung so
genannte Ripple-Eekte zeigen, kann zum jetzigen
Zeitpunkt noch nicht geklärt werden. Allerdings
dürfte ein Großteil dieser Beschäftigten auch von
der für 2017 zu erwarteten Erhöhung des Mindest-
lohns zumindest mittelbar betroen sein.
Wie sehr sich das gesamte Lohngefüge in
Deutschland durch die Einführung des gesetzlichen
Mindestlohns verändern könnte, zeigt ein Blick auf
die Lohnverteilung7 im Jahr 2014. Auch hierbei sind
die unterschiedlichen Ausgangslagen je nach Regi-
on – West- oder Ostdeutschland – und je nach der
Beschäftigungsart zu berücksichtigen. Die Vertei-
lungen weisen für alle Gruppen die für Lohnver-
teilungen typische rechtsschiefe Form auf (Ab-
bildung 5).8 Die vertikale Linie stellt den Wert des
7 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird nur der Bruttostun-
denverdienst auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeits-
stunden abgebildet ohne Berücksichtigung von durch Frei-
zeit abgegoltener Überstunden.
8 Dies ist dadurch zu erklären, dass mehr als die Hälfte der
Personen weniger als den Durchschnittslohn erzielt und
somit der Medien unter dem Mittelwert liegt. Es ist zu be-
achten, dass die Kurven aus Gründen der Darstellung bei
40 Euro abgeschnitten wurden.
Abbildung 4
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren ohne Auszubildende,
Personen in ABM-Maßnahmen oder in Werkstätten für Behinderte. Keine Praktikanten oder Personen in Altersteilzeit.
Obere Grenze: Berechnung des Bruttostundenlohns auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.
Untere Grenze: auf Basis der vereinbarten Wochenarbeitszeit, wenn Überstunden durch Freizeit abgegolten werden.
Quelle: SOEP v31; Berechnungen des WSI.
Arbeitnehmer mit Bruttostundenlöhnen unter 8,50 € nach Branchen (2014) – Anteil in %
4,2
4,9
6,8
8,3
12,7
13,4
14,2
14,8
16,6
17,1
17,9
18,5
19,3
21,6
22,0
25,7
31,4
37,3
53,4
3,8
5,0
6,1
6,9
11,9
11,7
13,8
11,0
14,8
16,3
13,4
16,1
16,5
20,3
21,4
23,3
29,7
26,3
51,4
0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0
Kredit und Versicherung
Öentl. Verwaltung, Sozialvers.
Produzierendes Gewerbe inkl. Bergbau
Baugewerbe
Verlags- und Druckereigewerbe
Erziehung und Unterricht
Information und Kommunikation
Großhandel
Gesamt
DL überwiegend für Unternehmen
Gesundheits- und Sozialwesen
Kfz-Handel
Verkehr und Logistik
sonstige Dienstleistungen
Kultur, Sport, Unterhaltung
Ernährung und Tabakverarbeitung
Einzelhandel
Land-, Forstwirtschaft, Fischerei
Gastgewerbe
untere Grenze obere Grenze
Bestand Vereinbarungen in Kategorien
Quelle: SOEP v31; Berechnungen des WSI.
Tabelle 2
Abhängig Beschäftigten mit einem Bruttostundenlohn von bis unter…
(Berechnungsgrundlage: tatsächlich geleistete Arbeitsstunden)
Gesamtdeutschland West Ost
absolut (in Mio.) in % absolut (in Mio.) in % absolut (in Mio.) in %
6,50 € 2,415 7,4 1,749 6,7 0,666 10,5
7,50 € 3,753 11,5 2,670 10,2 1,083 17,1
8,50 € 5,406 16,6 3,831 14,6 1,574 24,8
10 € 8,110 24,9 5,725 21,9 2,385 37,6
12 € 11,748 36,1 8,597 32,8 3,152 49,7
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen.
Abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren ohne Auszubildende, Personen in ABM-Maßnahmen oder in Werkstätten für Behinderte.
Keine Praktikanten oder Personen in Altersteilzeit
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 8
gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € pro Stun-
de dar. Während in Westdeutschland lediglich die
Verteilung der Bruttostundenlöhne der geringfü-
gig Beschäftigten weit links liegt und sich damit
im Bereich von unter 8,50 € konzentriert, liegen
die Lohnverteilungen für alle drei Gruppen in Ost-
deutschland wesentlich weiter links. In den neu-
en Bundesländern konzentrieren sich damit nicht
nur die Verdienste von Minijobbern unterhalb von
8,50 €, sondern auch eines erheblichen Anteils der
Teilzeitbeschäftigten. Selbst Vollzeitbeschäftigte
konzentrieren sich im Osten auf Bruttostundenlöh-
ne von knapp über 8,50 €.
In Westdeutschland dürfte der gesetzliche Mindest-
lohn vor allem unter geringfügig Beschäftigten und
in etwas geringerem Ausmaß unter Teil- oder Voll-
zeitbeschäftigte einen wesentlichen Eingri in die
Lohnverteilung darstellen. Demgegenüber dürfte
die zu erwartende Verschiebung der Lohnvertei-
lung in Ostdeutschland wesentlich höher gewesen
sein und auch Teilzeitbeschäftigte in wesentlich hö-
herem Umfang betreen.
3 VERDIENSTENTWICKLUNG
NACH DER EINFÜHRUNG DES
MINDESTLOHNS
Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht feststel-
len inwieweit sich die Lohnverteilung in Deutschland
durch die Einführung des Min-
destlohns insgesamt verändert
hat. Die dazu notwendigen Daten
werden frühestens im Verlauf des
Jahres 2016 vorliegen. Erste Hin-
weise auf die Auswirkungen des
Mindestlohns auf die Bruttostun-
denlöhne erlaubt allerdings die
Vierteljährliche Verdiensterhebung
(VVE) des Statistischen Bundes-
amtes.
Bei der VVE handelt es sich um
eine vierteljährliche repräsentati-
ve Erhebung in rund 40.500 Be-
trieben aller Wirtschaftsberei-
che außer der Land-, Fischerei-
und Forstwirtschaft (Statistisches
Bundesamt 2015). Die Statis-
tik enthält die durchschnittlichen
Bruttostundenverdienste von Voll-
und Teilzeitbeschäftigten, für ge-
ringfügig Beschäftigte werden le-
diglich Angaben zu deren Brutto-
monatsverdiensten erfasst. Die
nachfolgenden Ergebnisse be-
schränken sich daher zunächst
auf Voll- und Teilzeitbeschäftigte.
Auch wenn noch keine Jah-
resdurchschnittswerte für 2015
vorliegen, zeigen sich bereits
anhand der ersten drei Quarta-
le entscheidende Unterschiede
gegenüber der Lohnentwicklung
der Vorjahre. Es ist nicht nur ein
insgesamt höherer Lohnanstieg
zu beobachten, vielmehr unter-
scheidet sich die Lohnentwick-
lung 2015 dadurch, dass gerade
die Löhne der weniger gut qua-
lifizierten Arbeitnehmer über-
durchschnittlich stark ansteigen.
Während in den Vorjahren eher
höhere Leistungsgruppen stärkere Lohnzugewinne
erreichen konnten, ist die Lohnentwicklung 2015 in
Westdeutschland wesentlich ausgeglichener, wäh-
rend in Ostdeutschland sogar die stärksten Zuge-
winne bei den un- und angelernten Arbeitnehmern
0,0 %
5,0 %
10,0 %
15,0 %
0,00 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 35,00 40,00
Bruttostundenverdienst in €
Geringfügig Beschäftigte Teilzeitbeschäftigte Vollzeitbeschäftigte
Abbildung 5
Quelle: SOEP v31; Berechnungen des WSI.
Epanechnikov-Kerndichteschätzer des Bruttostundenverdiensts, Bandbreite = 0,7.
Berechnungsgrundlage: tatsächlich geleistete Arbeitsstunden, Bruttostundenverdienst ohne Sonderzahlungen.
Abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren ohne Auszubildende, Personen in ABM-Maßnahmen oder in Werkstätten für Behinderte.
Keine Praktikanten oder Personen in Altersteilzeit.
0,0 %
5,0 %
10,0 %
15,0 %
0,00 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 35,00 40,00
Bruttostundenverdienst in €
Lohnverteilung nach Beschäftigungsart (2014)
Westdeutschland
0,0 %
5,0 %
10,0 %
15,0 %
0,00 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 35,00 40,00
Bruttostundenverdienst in €
Ostdeutschland
8,50 €
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 9
zu beobachten sind.
Betrachtet man alleine die Lohnentwicklung im 3.
Quartal des Jahres 2015 im Vergleich zur Lohnent-
wicklung im gleichen Zeitraum des Vorjahres (Ab-
bildung 6) wird deutlich, dass vor allem die Lohn-
entwicklung im unteren Qualifikationsbereich zur
allgemeinen Lohnentwicklung aufgeschlossen hat.
In Ostdeutschland können an- und ungelernte Ar-
beitnehmerInnen aber auch Fachkräfte sogar teils
weit überdurchschnittliche Lohnsteigerungen ver-
zeichnen.
Insgesamt stiegen die Bruttostundenverdiens-
te von Voll- und Teilzeitbeschäftigten im 3. Quar-
tal um 2,0 % gegenüber dem Vorjahresquartal (Ab-
bildung 6). Die stärksten Zuwächse erzielten unge-
lernte Arbeitnehmerinnen in Ostdeutschland mit
8,5 %, während bei den Männern in der gleichen
Gruppe eine Lohnsteigerung von 8,0 % zu beob-
achten ist. Insgesamt erhöhten sich die Verdienste
in Ostdeutschland (3,6 %) im 3. Quartal 2015 we-
sentlich stärker als in Westdeutschland (1,7 %).9
Überdurchschnittliche Lohnsteigerungen sind
außerdem in einzelnen, hauptsächlich dienstleis-
tungsorientierten Branchen zu beobachten (Ta-
belle 3). Innerhalb des produzierenden Gewer-
bes wurden insbesondere in der Fleischverar-
beitung bis zum dritten Quartal des Jahres 2015
überdurchschnittliche Verdienststeigerungen er-
reicht. Die Lohnentwicklung im Dienstleistungsbe-
reich bleibt zwar insgesamt hinter dem produzie-
9 Das gleiche Bild zeigt auch die Lohnentwicklung der ersten
beiden Quartale, die sich nicht wesentlich von der des 3.
Quartals unterscheiden.
3,0 3,3 3,1 3,3
2,3
3,43,4 3,2 3,3 3,0 3,5 3,9
1,7
2,5
1,3
2,3 3,0 2,8
1,5 1,0 1,4 0,9
1,9
0,2
-0,4
1,4
-0,4
1,2
-0,6
2,7
-2,0
0,0
2,0
4,0
6,0
8,0
10,0
Leitende Angestellte Herausgehobene Fachkräfte Fachkräfte Angelernte Ungelernte
Abbildung 6
Quelle: Statistisches Bundesamt. Vierteljährliche Verdiensterhebung; Darstellung des WSI.
Veränderung der Bruttostundenverdienste gegenüber dem Vorjahresquartal – in %
2,4 2,9
2,2 2,7
4,2 3,9
2,4 2,2 2,2 2,0
2,7 2,7
2,1 1,8 1,8 1,5
3,8 3,7
2,1
3,3
1,6
2,6
4,7
6,9
3,6 3,7
3,0 3,0
8,0 8,5
-2,0
0,0
2,0
4,0
6,0
8,0
10,0
3,0 3,3 3,1 3,3
2,3
3,43,4 3,2 3,3 3,0 3,5 3,9
1,7
2,5
1,3
2,3
3,0 2,8
1,5 1,0 1,4 0,9
1,9
0,2
-0,4
1,4
-0,4
1,2
-0,6
2,7
-2,0
0,0
2,0
4,0
6,0
8,0
10,0
3. Quartal 2014
3. Quartal 2015
Deutschland West Ost
Deutschland
Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen
Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen
West Ost
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Voll- und teilzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen ohne geringfügig Beschäftigte.
Durchschnittlicher Zuwachs: 2 %
Durchschnittlicher Zuwachs: 2 %
3,4 3,3 3,2 3,5
3,3 3,3
3,3
1,3 1,4
1,4
1,5
1,5
3,4
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 10
renden Gewerbe zurück, allerdings zeigt sich in ei-
nigen ausgewählten Dienstleistungsbranchen eine
weit überdurchschnittliche Erhöhung der Brutto-
stundenverdienste. Insbesondere der ostdeutsche
Einzelhandel, das Gastgewerbe, die Wach- und Si-
cherheitsdiensten und sonstige personennahen
Dienstleistungen, zu denen auch Wäschereidienst-
leistungen und das Frisörgewerbe gehören, zeich-
nen sich im Jahr 2015 durch sehr hohe Stunden-
lohnsteigerungen aus. Im Gastgewerbe, das von
der Mindestlohneinführung am stärksten betroen
ist stiegen die Verdienste 2,9 %, in Ostdeutschland
sogar um 8,6 %.
Für geringfügig Beschäftigte, die in besonders
hohem Maß durch die Einführung des Mindest-
lohns betroen waren, liegen bislang keine Da-
ten zu deren Bruttostundenverdiensten vor. Da
eine Erhöhung der Bruttostundenverdienste bei
Vorliegen eines geringfügigen Beschäftigungsver-
hältnisses häufig durch eine Verringerung der ver-
einbarten Arbeitszeit erzielt werden dürfte, sind
Aussagen über Monatsverdienste nur bedingt aus-
sagekräftig. Laut dem Nominallohnindex des Sta-
tistischen Bundesamtes lässt sich bereits für das
Jahr 2014 eine höhere Lohndynamik bei geringfü-
gig entlohnten Beschäftigten beobachten (Abbil-
dung 7). In den ersten drei Quartalen 2015 stiegen
die Verdienste der geringfügig Beschäftigten noch
einmal wesentlich stärker als die der übrigen Be-
schäftigten. Allein im ersten Quartal unmittelbar
nach Einführung des Mindestlohns erzielten Mini-
jobber durchschnittlich doppelt so hohe Verdienst-
zuwächse wie der Gesamtdurchschnitt aller Ar-
beitnehmerInnen.
Bestand Vereinbarungen in Kategorien
Quelle: Statistisches Bundesamt. Viertjährliche Verdiensterhebung; Berechnungen des WSI.
Tabelle 3
Veränderung der Bruttostundenverdienste 3. Quartal 2015 gegenüber dem Vorjahresquartal
(in %) – in ausgewählten Wirtschaftsbereichen
Gesamt West Ost
Produzierendes Gewerbe 3,1 2,6 5,1
Schlachten und Fleischverarbeitung; Fischverarbeitung 5,6 4,2 11,1
Baugewerbe 3,0 2,1 5,6
Dienstleistungsbereich 1,5 1,2 2,9
Einzelhandel 3,3 2,2 11,0
Verkehr und Lagerei 2,1 1,7 4,2
Gastgewerbe 2,9 2,1 8,6
Wach- und Sicherheitsdienste sowie Detekteien 4,2 2,8 10,4
Gebäudebetreuung; Garten- und Landschaftsbau 3,8 2,5 7,2
Sonstige überwiegend persönliche Dienstleistungen 1,7 1,0 7,0
Gesamt 2,0 1,7 3,6
Berechnungsgrundlage: Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Voll- und Teilzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen ohne geringfügig Beschäftigte.
Abbildung 7
Quelle: Statistisches Bundesamt, Reallohnindex und Nominallohnindex, 3. Quartal 2015; Darstellung des WSI.
Veränderung des Nominallohnindex gegenüber dem Vorjahresquartal – in %
2,7 2,5
3,2
2,6
2,8 2,4
3,2
2,6
2,7 2,8
3,3
2,6
3,9
5,0 5,0
4,3
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
Insgesamt
Vollzeit
Teilzeit
geringfügig Beschäftigte
2014
4. Quartal
2015
1. Quartal
2015
2. Quartal
2015
3. Quartal
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 11
Abbildung 8
Quelle: WSI-Tarifarchiv; Stand: Januar 2016.
Tarifliche Vergütungsgruppen nach Höhe – Anteil in %
Abweichungen zu 100 %: Rundungsdierenzen
16,0 12,0
72,0
10,0 9,0
79,0
6,0 10,0
83,0
3,0
12,0
86,0
0,0
20,0
40,0
60,0
80,0
100,0
bis 8,49 € 8,50 - 9,99 € 10 € und mehr
März 2010
Dezember 2013
Januar 2015
Januar 2016
Abbildung 9
Quelle: WSI-Tarifarchiv; Stand: Januar 2016.
Tarifliche Vergütungsgruppen unter 8,50 € – Anteil in %
90
58
41
36 35 34 34
16
87
43
29 28
21 24 24
10
83
3
21
26
11 12
22
6
03
11
03
9
22
3
0,0
20,0
40,0
60,0
80,0
100,0
März 2010
Dezember 2013
Januar 2015
Januar 2016
Floristik Bewachungs-
gewerbe
Erwerbs-
gartenbau
Gebäude-
reinigung
Hotels und
Gaststätten
Fleischer-
handwerk
Land-
wirtschaft
gesamte
Wirtschaft
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 12
4 TARIFLICHE NIEDRIGLÖHNE UND
BRANCHENMINDESTLÖHNE
Niedriglöhne gibt es nicht nur in nicht-tarifgebunde-
nen Betrieben und Bereichen. Auch in den Vergü-
tungstarifverträgen sind je nach Branche in unter-
schiedlichem Ausmaß Niedriglöhne vereinbart. Für
das Jahr 2010 ermittelte das WSI-Niedriglohn-Mo-
nitoring in den Tarifverträgen von rund 40 Branchen
mit rund 4.700 Vergütungsgruppen einen Anteil
von 16 % Niedriglohngruppen mit einer tariflichen
Grundvergütung unterhalb von 8,50 € je Stunde
(Bispinck/WSI-Tarifarchiv 2011). Bis Ende 2013 ging
dieser Anteil in kleinen Schritten auf 10 % zurück.
Bereits im Vorfeld der konkreten Mindestlohn-
gesetzgebung reagierte die praktische Tarifpoli-
tik auf die politische Diskussion. In mehreren Bran-
chen wurden vor Inkrafttreten des Gesetzes Min-
destlohntarifverträge abgeschlossen, die aus Sicht
der Gewerkschaften der Heranführung der teils sehr
niedrigen Tarifentgelte an das Mindestlohnniveau
dienen sollten und aus Sicht der Arbeitgeberver-
bände auf die möglichst weitgehende Ausnutzung
des Übergangszeitraums von zwei Jahren zielte.
Dazu zählten das Friseurgewerbe, die Fleischindust-
rie und der Bereich Land- und Forstwirtschaft, Gar-
tenbau.10 Anfang 2015, beim Inkrafttreten des ge-
setzlichen Mindestlohnes, lag der Anteil der Nied-
riglohngruppen unter 8,50 € in Tarifverträgen bei
nur noch 6 %. Durch weitere Tarifanpassungen im
Laufe des Jahres 2015 konnte der Anteil bis Anfang
2016 noch weiter auf 3 % reduziert werden (Abbil-
dung 8, Bispinck/WSI-Tarifarchiv 2016).
Niedrige Tarifgruppen unter 8,50 € bestehen in
10 Keine Einigung gelang in den Bereichen Hotel- und Gast-
stättengewerbe und im Taxigewerbe.
16 Branchen, zumeist begrenzt auf einzelne regiona-
le Tarifgebiete. Die Spannweite der Vergütungsgrup-
pen unterhalb von 8,50 € variiert stark zwischen den
Branchen. Der Anteil reicht von 1 bis zu 22 %. In eini-
gen Branchen ist der Anteil der Niedriglohngruppen
seit 2010 besonders stark zurückgegangen. Dies gilt
vor allem für das Bewachungsgewerbe, die Hotels
und Gaststätten, das Fleischerhandwerk und den Er-
werbsgartenbau (Abbildung 9). In der Floristik und in
der Gebäudereinigung gibt es inzwischen keine Ver-
gütungsgruppe unterhalb von 8,50€ mehr.
Nur noch in vier Branchen liegen die Mindestlöh-
ne noch unterhalb von 8,50 € und zwar mit Ausnah-
me des Bereichs Land- und Forstwirtschaft, Garten-
bau nur jeweils in den ostdeutschen Tarifgebieten.
Hier wird die Ausnahmeregelung des Mindestlohn-
gesetzes genutzt. In diesen Branchen gibt es Stu-
fenpläne zur weiteren Anhebung der untersten Ta-
rifvergütungen auf mindestens 8,50 € und darüber
hinaus (Tabelle 4). Tarifliche Vergütungsgruppen
unter 8,50 €, die in Branchen ohne allgemeinver-
bindliche Tarifverträge festgelegt sind, werden
durch den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € ver-
drängt. Sie kommen vor allem in älteren Tarifverträ-
gen vor, die zum Teil schon seit Jahren nicht mehr
neu verhandelt wurden.
Insgesamt bestanden zum Jahresbeginn 2016 für
19 Wirtschaftszweige branchenspezifische Mindest-
löhne (Abbildung 10), in denen rund 4,6 Millionen Be-
schäftigte tätig sind. Von Januar 2015 bis Januar 2016
sind nahezu alle Branchenmindestlöhne angehoben
worden. Die prozentuale Steigerung bewegte sich
zwischen knapp 1 % und gut 16 %. Die Branchenmin-
destlöhne variieren je Branche und regionalem Tarif-
gebiet zwischen 7,90 und 15,73€/Stunde. Die Mehr-
zahl der Branchen weist Mindestlöhne von 10 Euro
und mehr auf.
Bestand Vereinbarungen in Kategorien
Quelle: WSI-Tarifarchiv
Tabelle 4
Entwicklung ausgewählter tariflicher Branchenmindestlöhne in Euro/Stunde
Gültig ab West Ost
Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau
01.01.2016 8,00 7,90
01.01.2017 8,60 8,60
01.11.2017 9,10 9,10
Leih-/Zeitarbeit
01.04.2015 8,80 8,20
01.06.2016 9,00 8,50
Textil- und Bekleidungsindustrie
01.01.2016 8,50 8,25
01.11.2016 8,50 8,75
01.01.2017 gesetzl. Mindestlohn gesetzl. Mindestlohn, mind. 8,75
Wäschereidienstleistungen
01.10.2014 8,50 8,00
01.07.2016 8,75 8,75
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 13
Abbildung 10
Quelle: WSI-Tarifarchiv; Stand: Januar 2016.
Tarifliche Branchenmindestlöhne in €/Stunde
* noch nicht allgemeinverbindlich erklärt
7,90
8,50
8,25
8,00
8,60
8,20
9,10
9,00
8,70
10,00
10,00
9,85
10,50
11,05
10,90
12,05
12,78
10,90
12,94
11,10
13,50
11,24
8,00
8,50
8,50
8,50
8,60
8,80
9,10
9,75
9,80
10,00
10,00
10,35
10,50
11,25
11,30
12,05
12,78
12,80
12,94
12,98
14,00
14,45
bis zu 15,63
0,00 5,00 10,00 15,00 20,00
Land- u. Forstwirtschaft, Gartenbau
Friseurhandwerk
Textil- und Bekleidungsindustrie
Wäschereidienstleistungen
Fleischindustrie
Leiharbeit/Zeitarbeit (AÜG)
Abfallwirtschaft
Pflegebranche
*Gebäudereinigung (Innen- u. Unterhaltsreinig.)
Maler- und Lackierer, ungelernte Beschäftigte
*Schilder und Lichtreklame, Helfer
*Elektrohandwerk
*Gerüstbauerhandwerk
Bauhauptgewerbe, Werker
Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk
Dachdeckerhandwerk
Schornsteinfegerhandwerk
Maler- und Lackierer (o. Berlin), Geselle
*Schilder und Lichtreklame, Geselle
*Gebäudereinigung (Glas- u. Fassadenreinigung)
Berufl. Weiterbildung, päd. Mitarbeiter/in
Bauhauptgewerbe (o. Berlin), Fachwerker
Geld- und Wertdienste
West
Ost
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 14
5 AUSWIRKUNGEN DES
MINDESTLOHNS AUF DIE
BESCHÄFTIGUNG
Entgegen den neueren Erkenntnissen der inter-
nationalen Mindestlohnforschung, die mittlerwei-
le mehrheitlich davon ausgeht, dass es keinen di-
rekten Zusammenhang von Mindestlöhnen und
Beschäftigungsentwicklung gibt (Bosch/Weinkopf
2014), hat der überwiegende Teil der deutschen
Wirtschaftswissenschaft die Auassung vertreten,
dass die Einführung des Mindestlohns sich deutlich
negativ auf die Beschäftigungsentwicklung auswir-
ken würde. In zahlreichen Studien wurden mehre-
re Hunderttausend bis hin zu 1 Millionen Arbeits-
platzverluste prognostiziert (für einen Überblick:
Schulten/Weinkopf 2015).
Ein Jahr nach Einführung des gesetzlichen
Mindestlohns ist sich auch hierzulande die Wirt-
schaftswissenschaft weitgehend einig, dass „das
angekündigte Jobdrama nicht stattgefunden hat“
(Joachim Möller, zit.n. Eubel 2016). Ende 2015 ver-
zeichnet Deutschland im Gegenteil die niedrigs-
te Arbeitslosenzahl seit Anfang der 1990er Jahre
(Bundesagentur für Arbeit 2015). Dies gilt sowohl
für West- als auch für Ostdeutschland, wo auf-
grund des Mindestlohns die Löhne deutlich stärker
angehoben wurden.
Nach Angaben der Beschäftigungsstatistik der
Bundesagentur für Arbeit gab es im Oktober 2015
in Deutschland 713.000 mehr sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigte als im gleichen Monat des
Vorjahres (Tabelle 5). Dies entspricht einem Zu-
wachs von 2,3 %. In Ostdeutschland fiel der Be-
schäftigungszuwachs dabei mit 1,9 % leicht gerin-
ger als in Westdeutschland (2,4 %) aus. Den größ-
ten Beschäftigungsaufbau gab es mit 6,6 % im
Gastgewerbe gefolgt von den Bereichen „sonstige
wirtschaftliche Dienstleitungen“, Leiharbeit, Hei-
me und Sozialwesen sowie Verkehr und Lagerei.
Damit kam es gerade in einer Reihe klassischer
Niedriglohnbranchen, die durch den Mindestlohn
besonders hohe Lohnzuwächse zu verkraften hat-
ten, zu einem überdurchschnittlich hohen Beschäf-
tigungszuwachs. Auf der anderen Seite verzeich-
nete in Gesamtdeutschland lediglich der Bereich
„Bergbau sowie Ver- und Entsorgung“ einen leich-
ten Beschäftigungsrückgang, der gerade nicht zu
den klassischen Niedriglohnbranchen gehört und
durch den Mindestlohn nur wenig tangiert sein
dürfte.
In Ostdeutschland lässt sich hingegen in eini-
gen wenigen Branchen ein leichter Rückgang der
Beschäftigung beobachten, darunter ebenfalls der
Bereich „Bergbau sowie Ver- und Entsorgung“, der
Finanzsektor, der öentliche Dienst sowie der Be-
reich „Land-, Forstwirtschaft und Fischerei“. Le-
diglich der zuletzt genannte Bereich umfasst hier
auch einen höheren Anteil von Niedriglohnempfän-
gern. Allerding kann der Beschäftigungsrückgang
in diesem Bereich kaum auf den Mindestlohn zu-
rückgeführt werden, da für die Land- und Forst-
wirtschaft nach wie vor eine tarifvertraglich Aus-
nahmeregelung gilt, wonach der zu bezahlende
Mindestlohn in Ostdeutschland bis Ende 2016 le-
diglich bei 7,90 € pro Stunde liegt.
Ein vergleichsweise starker Rückgang von knapp
133.000 Stellen kann bei den geringfügig Beschäf-
tigten festgestellt werden. Dieser ist mit einem Mi-
nus von 4,7% in Ostdeutschland gegenüber 1,3%
in Westdeutschland besonders ausgeprägt. Bei
den ausschließlich geringfügig Beschäftigten war
der Rückgang mit mehr als 200.000 Stellen sogar
noch stärker ausgeprägt, während die Anzahl der
im Nebenjob ausgeübten geringfügigen Beschäfti-
gungsverhältnisse deutlich angestiegen ist.
Der Rückgang der Minijobs wird vielfach als
Beleg dafür angesehen, dass mit dem Mindest-
lohn doch Beschäftigungsverluste verbunden sind
(Groll 2015, Knabe/Schöb 2015, Peters 2015). In der
Tat war der Anteil der Beschäftigten, die vor Ein-
führung des Mindestlohns weniger als 8,50 € pro
Stunde verdienten, von allen Beschäftigtengrup-
pen unter den geringfügig Beschäftigten mit Ab-
stand am größten und hat daher bei dieser Be-
schäftigtengruppe auch zum höchsten Anstieg
der Stundenlöhne geführt. Faktisch hat der Min-
destlohn bei den Minijobs auch wieder zur Einfüh-
rung einer Höchstarbeitsgrenze geführt, die ohne
Berücksichtigung von bezahlten Urlaubs-, Krank-
heits- und Feiertagen bei 53 Stunden pro Monat
liegt, was deren Attraktivität für manche Arbeitge-
ber deutlich reduziert.
Allerdings kann allein aus der rückläufigen An-
zahl von Minijobs nicht einfach auf eine entspre-
chende Anzahl von Arbeitsplatzverlusten geschlos-
sen werden. Im Rahmen des neu eingeführten „Ar-
beitsmarktspiegel“ über die Entwicklungen nach
Einführung des Mindestlohns hat das Institut für
Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) den be-
sonders starken Rückgang bei den ausschließ-
lich geringfügig Beschäftigten zum Jahreswechsel
2014/2015 untersucht (Berge u.a. 2016). Demnach
kann etwas mehr als die Hälfte des Rückgangs da-
durch erklärt werden, dass die betroenen Arbeit-
nehmer in ein sozialversicherungspflichtiges Be-
schäftigungsverhältnis gewechselt sind. Bei etwa
40% der ehemaligen Minijobber ist der Verbleib
hingegen unklar, wobei das IAB davon ausgeht,
dass diese mehrheitlich dem Arbeitsmarkt nicht
mehr zur Verfügung stehen. Derjenige Anteil ehe-
maliger Minijobber, der sich anschließend arbeits-
los gemeldet hat, war hingegen mit knapp 4% äu-
ßerst gering.
Mit der Einführung des Mindestlohns wurde ins-
gesamt ein erheblicher Anteil ehemals geringfü-
gig entlohnter Arbeitsplätze in reguläre sozialver-
sicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse
umgewandelt. Hierfür spricht auch der überdurch-
schnittlich starke Zuwachs von sozialversiche-
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 15
rungspflichtiger Beschäftigung in Branchen, die –
wie z.B. das Gastgewerbe – traditionell über eine
besonders hohe Anzahl von Minijobbern verfüg-
ten.
Zusammenfassend lassen sich demnach bislang
keine Anzeichen dafür finden, dass mit der Einfüh-
rung des Mindestlohns negative Beschäftigungs-
wirkungen für den deutschen Arbeitsmarkt verbun-
den wären. In begrenztem Maße kann sogar davon
ausgegangen werden, dass mit der Einführung des
gesetzlichen Mindestlohns ein zusätzlicher Kauf-
kraftgewinn entstanden ist, der die Inlandsnach-
frage gestärkt und damit die Entstehung neuer Be-
schäftigung gefördert hat (Horn u.a. 2015).
6 WIE WEITER MIT DER ANPASSUNG
DES GESETZLICHEN MINDESTLOHNS
IN DEUTSCHLAND?
Vor dem Hintergrund der bislang in sozialer und
ökonomischer Hinsicht überaus erfolgreichen Bi-
lanz des Mindestlohns stellt sich nun die Frage
nach der zukünftigen Anpassung des Mindestlohn-
niveaus. Nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG)
soll über die Anpassung des Mindestlohns die ex-
tra hierfür eingerichtete Mindestlohnkommission
befinden, die sich paritätisch aus jeweils drei Ver-
tretern der Gewerkschaften und Arbeitgebern so-
wie einem unabhängigen Vorsitzenden zusammen-
setzt. Die Mindestlohnkommission hat die Aufgabe
alle zwei Jahre über die Anpassung der Höhe des
Mindestlohns zu beschließen, wobei erstmals ein
Beschluss zum 30. Juni 2016 mit Wirkung zum 1.
Januar 2017 gefällt werden soll. Hierzu soll sie „im
Rahmen einer Gesamtabwägung“ prüfen, „welche
Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem an-
gemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerin-
Bestand Vereinbarungen in Kategorien
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2016)
Tabelle 5
Sozialversicherungspflichtige und geringfügig Beschäftigte
Veränderung zum Vorjahr, Oktober 2015
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte
Deutschland West Ost
absolut in % absolut in % absolut in %
Gastgewerbe 62.200 6,6 47.700 6,6 14.500 6,7
Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen 75.300 5,7 62.500 6,3 12.700 3,9
Leiharbeit 39.400 4,9 33.100 5,1 6.200 3,8
Heime und Sozialwesen 93.100 4,5 78.100 4,9 15.000 3,3
Verkehr und Lagerei 63.500 4,0 52.800 4,1 10.900 3,5
Immobilien, wissenschaftl. und techn. Dienstleistungen 68.700 3,1 54.000 3,0 14.700 3,9
Information und Kommunikation 27.300 2,9 19.900 2,5 7.300 4,8
Gesundheitswesen 54.300 2,4 44.900 2,4 9.200 2,1
Sonst. Dienstleistungen, private Haushalte 22.900 2,1 22.100 2,5 800 0,3
Land-, Forstwirtschaft und Fischerei 4.800 2,0 5.800 3,9 -1.000 -1,1
Handel, Rep. von Kfz 82.600 1,9 66.800 1,9 15.800 2,2
Erziehung und Unterricht 21.400 1,8 18.400 2,1 2.900 1,0
Baugewerbe 27.100 1,6 27.300 2,0 -200 -0,1
Verarbeitendes Gewerbe 70.800 1,1 65.300 1,1 5.600 0,6
Öffentl. Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung 6.600 0,4 12.200 0,9 -5.600 -1,4
Finanz- u. Versicherungsdienstleistungen -100 0,0 700 0,1 -900 -0,8
Bergbau, Ver- und Entsorgung -4.100 -0,8 -3.100 -0,7 -1.000 -0,8
Insgesamt 713.000 2,3 608.500 2,4 107.000 1,9
Geringfügig Beschäftigte
Ausschließlich geringfügig Beschäftigte -200.800 -4,0 -149.800 -3,4 -48.400 -7,3
Im Nebenjob 68.300 2,7 63.300 2,8 6.400 2,8
Insgesamt -132.600 -1,8 -86.500 -1,3 -42.000 -4,7
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 16
nen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funk-
tionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermög-
lichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden.“
Außerdem wurde festgelegt, dass sich die Min-
destlohnkommission „bei der Festsetzung des Min-
destlohns nachlaufend an der Tarifentwicklung“
orientiert (MiLoG § 9).
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat
sich der für die Mindestlohnkommission maßgeb-
liche Tarifindex (ohne Sonderzahlungen) im Jahr
2014 um 2,9% und im Jahr 2015 um 2,5% erhöht
(Tabelle 6). Hieraus ergibt sich für den gesamten
Zeitraum von zwei Jahren eine Tarifsteigerung von
5,5%. Sollte der Mindestlohn von derzeit 8,50 €
pro Stunde um den gleichen Prozentsatz erhöht
werden, so ergäbe sich ein Betrag von 8,97 €.11 Da-
mit wären zunächst 9 € als Orientierungsmarke ge-
setzt.
Angesichts der stabilen konjunkturellen Lage und
dem hohen Beschäftigungsstand in Deutschland
sollte darüber hinaus die Frage diskutiert werden,
ob das derzeitige Mindestlohnniveau den im MiLoG
geforderten „angemessenen Mindestschutz der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ gewährleis-
tet. Da es keine allgemein akzeptierte Definition
über die „Angemessenheit“ eines bestimmten Min-
destlohnniveaus gibt, sollen abschließend einige
11 Das WSI-Tarifarchiv weist in seiner Tarifstatistik eine Tarif-
erhöhung für die Jahre 2014 und 2015 von 3,1 % und 2,7 %.
Daraus ergibt sich eine Gesamterhöhung von 5,9 % und da-
mit eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 9,00 €.
Orientierungspunkte für die zukünftige Anpassung
des deutschen Mindestlohns diskutiert werden.
Einen ersten Orientierungspunkt könnte das
Mindestlohnniveau im europäischen Ausland dar-
stellen. Die Mindestlöhne in dem vom ökonomi-
schen Entwicklungsniveau mit Deutschland ver-
gleichbarem westeuropäischen Ausland liegen
derzeit alle oberhalb von 9 € pro Stunde (Tabelle 7).
Der französische Mindestlohn liegt sogar mehr als
einen Euro oberhalb des deutschen Mindestlohni-
veaus.
Neben dem absoluten Mindestlohnbetrag ist
auch der relative Mindestlohnwert im Vergleich
zum nationalen Lohngefüge von Bedeutung. Die-
ser auch als Kaitz-Index bezeichnete Wert wird
als Prozentsatz des Mindestlohns zum jeweiligen
nationalen Durchschnitts- oder Medianlohns be-
rechnet. In allen europäischen Ländern liegt der
Mindestlohn deutlich unterhalb der Niedriglohn-
schwelle von zwei Dritteln des Medianlohns. In
vielen Ländern – darunter auch in Deutschland –
liegt er sogar unterhalb von 50% des Medianlohns
und muss deshalb im Sinne einer relativen Armuts-
betrachtung als “Armutslohn“ angesehen wer-
den.12 In den Diskussionen um eine europaweit ko-
ordinierte Mindestlohnpolitik wird deshalb oft ein
Mindestlohn von 60% des Medianlohns als „an-
12 Die 50%-Schwelle kommt aus der internationalen Armuts-
forschung, wonach ein Haushalt, dessen Netto-Äquiva-
lenzeinkommen weniger als 50% des Medianeinkommens
beträgt, als einkommensarm gilt.
Bestand Vereinbarungen in Kategorien
Quelle: Statistisches Bundesamt 2016, Berechnungen des WSI
Tabelle 6
Modellrechnung: Anpassung des Mindestlohns an die Tarifentwicklung der Jahre 2014 und 2015
Erhöhung des Tarifindex im Jahr 2014 2,9%
Erhöhung des Tarifindex im Jahr 2015 2,5%
Erhöhung des Tarifindex in den Jahren 2014 und 2015 5,5%
Erhöhung des Mindestlohns von 8,50€ um 5,5%: Erhöhung auf 8,97€
Bestand Vereinbarungen in Kategorien
Quelle: WSI-Mindestlohndatenbank 2016, OECD
Tabelle 7
Mindestlöhne in Westeuropa
Absoluter Mindestlohn
pro Stunde, in €
Januar 2016
Relativer Mindestlohn
Mindestlohn in % des Median-
lohns, 2014
Luxemburg 11,12 56,5
Frankreich 9,67 61,1
Niederlande 9,36 47,7
Großbritannien 9,23 48,0
Irland 9,15 43,6
Belgien 9,10 50,5
Deutschland 8,50 47,8
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 17
gemessenes Mindestlohnniveau“ betrachtet. Für
Deutschland würde dies eine Erhöhung auf deut-
lich mehr als 10 € bedeuten (Schulten 2016).
Als ein zweiter Orientierungspunkt für eine an-
gemessene Mindestlohnhöhe können die tarifver-
traglichen Mindestlöhne angesehen werden, die
in zahlreichen Branchen vereinbart wurden. Die
Mehrzahl der Branchen weist mittlerweile Min-
destlöhne von 10 € und mehr auf (siehe Kapitel 4).
Schließlich muss die Angemessenheit des Min-
destlohnniveaus letztlich auch an der Frage bewer-
tet werden, ob der Mindestlohn unter den gege-
benen Bedingungen ein bestimmtes Existenzmini-
mum sicherstellt. Hierzu wurde in der deutschen
Mindestlohndiskussion immer wieder das Ziel for-
muliert, wonach – zumindest bei alleinstehenden
Vollzeitbeschäftigten – der Lohn ein auskömmli-
ches Leben ohne zusätzliche Aufstockungsleistun-
gen ermöglichen soll. Zumindest für die deut-
schen Großstädte lässt sich mit Sicherheit sagen,
dass bei einem Mindestlohn von 8,50 € auch bei
Single-Haushalten nach wie vor einen Anspruch
auf Aufstockungsleistungen besteht, der erst bei
einem Niveau von deutlich über 9€ entfällt. In be-
sonders teuren Städten wie z.B. München wäre
nach Angaben des dortigen Jobcenters sogar eine
Mindestlohn von 11,50 € nötig (Farrenkopf 2015).
Eine ähnliche Betrachtung lässt sich schließ-
lich auch für das Einkommen im Alter entwickeln:
Nach Berechnung des Bundesministerium für Ar-
beit und Soziales (BMAS) wäre bei einer wöchent-
lichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden und 45 Versi-
cherungsjahren im Jahr 2015 ein Stundenlohn von
rund 11,50 € erforderlich, um im Alter eine Rente
oberhalb der Grundsicherung zu erzielen (Öchsner
2015).
Die anlaufende Debatte um die Anpassung des
Mindestlohnes lässt erkennen, dass die Anwen-
dung eines methodisch-technisch möglichst ein-
wandfreien Verfahrens zur Bestimmung eines op-
timalen Steigerungssatzes allein nicht ausreicht.
Bereits die gesetzliche Formulierung, dass die An-
passung „im Rahmen einer Gesamtabwägung“
festgelegt werden soll, deutet daraufhin, dass wei-
tere Faktoren in die Entscheidung einfließen wer-
den. Wie bereits bei der Einführung des gesetz-
lichen Mindestlohnes wird also auch bei seiner
Anpassung die politische und gesellschaftliche
Diskussion im Vorfeld der Entscheidung eine wich-
tige Rolle spielen.
WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 18
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WSI-Report Nr. 28 · 1/2016 · Seite 19
WWW.BOECKLER.DE
Ausgabe
WSI Report Nr. 28, 1/2016
Ein Jahr Mindestlohn in Deutschland –
Erfahrungen und Perspektiven
Produktion
Setzkasten GmbH, Düsseldorf
Düsseldorf, Januar 2016
IMPRESSUM
Kontakt
Dr. Thorsten Schulten
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches
Institut der Hans-Böckler-Stiftung
Referatsleiter Arbeits- und Tarifpolitik in Europa
Hans-Böckler-Str. 39
40476 Düsseldorf
Tel.: +49 211 7778-239
thorsten-schulten@boeckler.de
... Some Länder started to introduce only comprehensive schools. Furthermore, young people are more often in forms of flexible employment or low-paid work compared to older age cohorts (Amlinger et al. 2016). ...
Research
Full-text available
This working paper focuses on the implementation of the European Youth Guarantee in Germany. It describes shortly the discourse and political process concerning the Youth Guarantee as well as the implementation in general in Germany. Then the YG implementation in Germany is illustrated based on three programs: the Youth Career Agency, Encouraging Youth in the Neighborhood- JUSTiQ and Career Entry Support by Mentoring. Finally we typologize the YG implementation strategy in Germany and give policy recommendations.
... Including nearly all sectors, except for employments in private households, exterritorial organizations and corporate bodies, fulfils the prerequisites to evaluate the statutory 4 For analyses with gross hourly wages using the GSOEP's database, see e. g. Brenke and Müller (2013) or Amlinger et al. (2016) with further references. 5 The German Federal Statistical Office's employment statistics merely contains information on full-time or part-time employment. ...
Article
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The statutory minimum wage in Germany was set as an hourly wage. Thus, valid information on gross hourly wages must be calculated from monthly wages and weekly working hours. This paper compares the German Socio-Economic Panel (GSOEP) and the (Structure of) Earnings Survey (SES/ ES). The sampling and collection of data on employees in the household survey GSOEP, and on jobs in the administrative surveys SES/ES exhibit fundamental conceptual differences. Accordingly, there is variation in the definition of types of employment and in the distribution of the observed units regarding central characteristics. Monthly wages, weekly working hours and gross hourly wages differ especially in the lower range of the respective distribution. Against this backdrop specific implications can be derived for minimum wage research.
... Especially women, low-skilled, and East German workers, marginally employed and employees in small firms experienced above average wage increases (e.g. Amlinger et al., 2016;Burauel et al., 2017). Spillover effects also increased wages in wage groups above e8.50, ...
Article
In 2015, Germany introduced a statutory hourly minimum wage that was not only universally binding but also set at a relatively high level. We discuss the short‐run effects of this new minimum wage on a wide set of socioeconomic outcomes, such as employment and working hours, earnings and wage inequality, dependent and self‐employment, as well as reservation wages and satisfaction. We also discuss difficulties in the implementation of the minimum wage and the measurement of its effects related to non‐compliance and suitability of data sources. Two years after the minimum wage introduction, the following conclusions can be drawn: while hourly wages increased for low‐wage earners, some small negative employment effects are also identifiable. The effects on aspired goals, such as poverty and inequality reduction, have not materialised in the short run. Instead, a tendency to reduce working hours is found, which alleviates the desired positive impact on monthly income. Additionally, the level of non‐compliance was substantial in the short run, thus drawing attention to problems when implementing such a wide reaching policy.
Article
Full-text available
This paper aims to verify the relationship between minimum wage growth and the financial indicators of automotive companies. As a hi-tech sector, the automotive industry is usually not expected to be affected by minimum wage policies. The introduction of the minimum wage in Germany and the dynamic development of the minimum wage in Eastern European countries make it possible to assess this relationship. German, Czech, Polish, and Slovak automotive company data was obtained from the Orbis database. Panel regression models were applied to test for dependencies. The paper detects the association between the growth of the minimum wage and the increase in personnel cost, which is next to the associations with several financial indicators at the company level. The identified impact is specific to small and medium-sized companies.
Chapter
The first sector-related minimum wage in Germany was introduced in the main construction industry as early as 1997 on the basis of the Posted Workers Act. At that time, the main aim was to establish minimum wages for foreign contract workers, whose wages risked undermining domestic collective agreements according to the principle of origin, and thus to ensure a level playing field for all companies. The construction industry has much longer experience with minimum wages than other sectors and, with the social security funds, general contractor liability and a higher minimum wage for skilled workers in West Germany and Berlin, has regulations that are helpful for monitoring and enforcing minimum wages. In addition, the social partners in the sector agree on the need for effective checks on compliance with the minimum wages. A number of other countries also have special regulations in place in the construction sector aimed at preventing abuses and strengthening social partnership approaches to enforcement.
Thesis
This thesis offers insights into the process of workers decisions to invest into work-related training. Specifically, the role of personality traits and attitudes is analysed. The aim is to understand whether such traits contribute to an under-investment into training. Importantly, general and specific training are distinguished, where the worker’s productivity increases in many firms in the former and only in the current firm in the latter case. Additionally, this thesis contributes to the evaluation of the German minimum wage introduction in 2015, identifying causal effects on wages and working hours. Chapters two to four focus on the work-related training decision. First, individuals with an internal locus of control see a direct link between their own actions and their labor market success, while external individuals connect their outcomes to fate, luck, and other people. Consequently, it can be expected that internal individuals expect higher returns to training and are, thus, more willing to participate. The results reflect this hypothesis with internal individuals being more likely to participate in general (but not specific) training. Second, training can be viewed either as a risky investment or as an insurance against negative labor income shocks. In both cases, risk attitudes are expected to play a role in the decision process. The data point towards risk seeking individuals being more likely to participate in general (but not specific) training, and thus, training being viewed on average as a risky investment. Third, job satisfaction influences behavioral decisions in the job context, where dissatisfied workers may react by neglecting their duties, improving the situation or quitting the job. In the first case, dissatisfied workers are expected to invest less in training, while the latter two reactions could lead to higher participation rates amongst dissatisfied workers. The results suggest that on average dissatisfied workers are less likely to invest into training than satisfied workers. However, closer inspections of quit intentions and different sources of dissatisfaction paint less clear pictures, pointing towards the complexity of the job satisfaction construct. Chapters five and six evaluate the introduction of the minimum wage in Germany in 2015. First, in 2015 an increase in the growth of hourly wages can be identified as a causal effect of the minimum wage introduction. However, at the same time, a reduction in the weekly working hours results in an overall unchanged growth in monthly earnings. When considering the effects in 2016, the decrease in weekly working hours disappears, resulting in a significant increase in the growth of monthly earnings due to the minimum wage. Importantly, the analysis suggests that the increase in hourly wages was not sufficient to ensure all workers receiving the minimum wage. This points to non-compliance being an issue in the first years after the minimum wage introduction.
Article
This paper is the first causal study using quasi-experimental methods to identify the effect of minimum wages on the reservation wages of non-workers. We exploit variation in regional exposure to the introduction of a high-impact minimum wage in Germany in 2015, combined with survey responses about wage acceptance thresholds of job seekers. Results show a 16% increase in reservation wages among non-employed job seekers at the low end of the distribution during the period immediately following the reform. Over time, however, wage expectations revert to pre-reform levels. Our findings are suggestive of learning during the search process and further imply that minimum wages do not necessarily result in higher short-run labor force participation, as job seekers adjust their reservation wages accordingly.
Chapter
Im Bauhauptgewerbe wurde bereits im Jahr 1997 der erste branchenbezogene Mindestlohn in Deutschland auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes eingeführt. Damals ging es vor allem darum, Mindestvergütungen auch für ausländische Werkvertragskräfte, die mit ihren Löhnen nach dem Herkunftsprinzip die heimischen Tarifverträge unterlaufen konnten, festzulegen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen sicher zu stellen. Die Baubranche verfügt über deutlich längere Erfahrungen mit Mindestlöhnen als andere Branchen und mit den Sozialkassen, der Generalunternehmerhaftung sowie einem höheren Mindestlohn für qualifizierte Beschäftigte in Westdeutschland und Berlin über Regelungen, die für die Durchsetzung und Kontrolle der Mindestlöhne hilfreich sind. Außerdem sind sich die Sozialpartner der Branche einig, dass wirksame Kontrollen der Einhaltung der Mindestlöhne erforderlich sind. Auch in einer Reihe anderer Länder gelten im Baugewerbe besondere Regelungen, die darauf abzielen, Missstände zu unterbinden und sozialpartnerschaftliche Kontrollansätze zu stärken.
Article
Full-text available
Zusammenfassung Die Wechselwirkungen zwischen gesetzlichem Mindestlohn und Tarifpolitik sind erst seit kurzem im Fokus der vergleichenden Forschung. Ausgehend von der Segmentation des Tarifsystems zeigt der Beitrag, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns mit unterschiedlichen Wirkungstypen innerhalb Deutschlands einhergeht. Vor allem in Branchen mit geringem Lohnniveau kommt es zu einer Dominanz des Mindestlohns. Sind dagegen das Tariflohnniveau wie auch die Tarifbindung hoch, ist der Mindestlohn ohne Bedeutung. Es gibt jedoch auch Branchen, wo der gesetzliche Mindestlohn als Referenzpunkt für Tariflohnerhöhungen gilt, um die unteren Lohngruppen (knapp) über dem Mindestlohn festzulegen. Da die jeweilige Höhe der Tariflohnerhöhungen wiederum die nachfolgende Anpassung des Mindestlohns beeinflusst, liegt hier eine explizite Wechselwirkung vor.
Article
We assess the short-term employment effects of the introduction of a national statutory minimum wage in Germany in 2015. For this purpose, we exploit variation in the regional treatment intensity, assuming that the stronger a minimum wage ‘bites’ into the regional wage distribution, the stronger the regional labour market will be affected. In contrast to previous studies, we construct two regional bite indicators based upon detailed individual wage data from the Structure of Earnings Survey (SES) 2014 and combine it with administrative information on regional employment. Moreover, using the Socio-Economic Panel (SOEP), we are able to affirm the absence of anticipation effects and verify the assumption of a common trend in wages before the reform. In sum, we find only moderate negative effects on overall employment of about 140,000 (0.4%) jobs, which are mainly driven by a sharp decline of marginal employment (‘mini-jobs’), while we do not find pronounced significant effects for regular employment in most specifications. Our results are robust to a variety of sensitivity tests.
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