Chemisch strukturierte Substrate haben zunehmend an Bedeutung gewonnen seit es möglich ist, Oberflächen im Bereich von Mikrometern und darunter zu strukturieren. Auf diesen kleinen Skalen wird die Wechselwirkung der Flüssigkeiten mit dem Substrat wichtig und eine chemische Strukturierung der Substrate verursacht eine reiche Grenzflächenstruktur, die von den molekularen
Details des lokalen Kraftfeldes anhängt. Konzentriert man sich jedoch auf das Gebiet um den kritischen Punkt eines Phasenübergangs zweiter Ordnung, werden die molekularen Details unbedeutend und das System zeigt ein universelles Verhalten, das durch kritische Exponenten, nicht-universelle Amplituden und universelle Skalenfunktionen beschrieben wird.
Systeme mit kritischen Punkten werden bezüglich ihres Bulk-Verhaltens klassifiziert und Universalitätsklassen zugeordnet. Bei Systemen, die durch ein Substrat oder eine freie Oberfläche begrenzt werden, spalten die Universalitätsklassen in Oberflächen-Universalitätsklassen bezüglich des kritischen Verhaltens an der Oberfläche auf. Physikalisch unterschiedliche Systeme können zur selben Universalitätsklasse gehören: einkomponentige Flüssigkeiten in der Nähe ihres kritischen Punktes zwischen Flüssigkeit und Gas gehören ebenso wie binäre Flüssigkeitsmischungen nahe ihres kritischen Punktes der Entmischung - die in dieser Arbeit betrachtet werden - und uniaxiale Ferromagnete nahe der Curie-Temperatur zur Ising-Universalitätsklasse. Die Universalitätsklassen werden durch die Reichweite der Wechselwirkung, die räumliche Dimension des Systems und die Dimension des Ordnungsparameters bestimmt.
Für eine binäre Flüssigkeitsmischung lässt sich der Ordnungsparameter, der den Grad der Ordnung im System beschreibt, entweder als Differenz der Konzentrationen der beiden Flüssigkeiten oder als Konzentration einer der Flüssigkeiten minus ihrer Konzentration am kritischen Entmischungspunkt definieren.
Das Thema dieser Arbeit sind die kritischen Phänomene, die auftreten, wenn eine binäre Flüssigkeitsmischung, die sich in der Umgebung ihres kritischen Entmischungspunktes befindet, mit einem topologisch flachen, chemisch strukturierten Substrat in Kontakt gebracht wird. Dabei verursacht der chemische Kontrast unterschiedliche lokale Präferenzen für die beiden Spezies der binären Flüssigkeitsmischung.
In der vorliegenden Arbeit werden drei verschiedene Typen von chemisch strukturierten Substraten betrachtet: eine chemische Stufe (wichtig für das Verständnis von lokalen Eigenschaften einer Flüssigkeit an der Grenze von chemischen Streifen), ein einzelner chemischer Streifen (das einfachste chemische Muster auf einer Oberfläche) und ein periodisches Streifenmuster (als Beispiel für die Adsorption an heterogenen Oberflächen).
Die Ordnungsparameterprofile und ihre Temperaturabhängigkeit sind durch universelle Skalenfunktionen gegeben, die im Rahmen der Mean-Field-Theorie berechnet werden. Die Skalenfunktionen und der Einfluss der chemischen Streifen werden in der Arbeit eingehend untersucht.
Wird eine Flüssigkeit, die von zwei Substraten eingeschlossen wird, in die Nähe ihres kritischen Punkts gebracht, entsteht aufgrund der Randbedingungen, die das Spektrum der kritischen Fluktuationen des Ordnungsparameters einschränken, eine auf die Substrate wirkende effektive Kraft ("kritische Casimir-Kraft").
In dieser Arbeit werden die singulären Beiträge der effektiven Kraft untersucht, die auf chemisch inhomogene Substrate wirken, welche binäre Flüssigkeitsmischungen begrenzen.
Es werden vier grundlegende Konfigurationen zweier geometrisch flachen, parallelen Substrate mit periodischen chemischen Mustern aus Streifen mit positiven und Streifen mit negativen Oberflächenfeldern betrachtet: zwei Substrate mit den gleichen Streifenmustern (d.h. ein positiver Streifen liegt gegenüber einem positiven Streifen), zwei Substrate mit entgegengesetzten
Streifenmustern (d.h. ein positiver Streifen liegt gegenüber einem negativen Streifen), ein strukturiertes und ein homogenes Substrat und abschließend zwei Substrate mit den gleichen Streifenmustern, die aber gegeneinander verschoben sind (d.h. ein positiver Streifen liegt teilweise einem positiven und teilweise einem negativen Streifen gegenüber).
Das universelle Verhalten der Ordnungsparameterprofile und der effektiven Kräfte, die auf die Substrate wirken, wird durch universelle Skalenfunktionen beschrieben. Die Skalenfunktionen der Ordnungsparameterprofile werden im Rahmen der Mean-Field-Theorie numerisch berechnet und daraus mittels des Stress-Tensors die Kräfte zwischen den Substraten abgeleitet. Die Abhängigkeit der Skalenfunktionen der Kräfte von der Distanz zwischen den Substraten, von den Streifenbreiten und - im Fall des verschobenen Streifenmusters - von der relativen Verschiebung wird untersucht. Es werden verallgemeinerte Casimir-Amplituden definiert und ihre Abhängigkeit von der chemischen Strukturierung der Substrate betrachtet.