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Depression
Depression (lat. deprimere = herun-
ter-/unterdrücken) ist definiert als all-
gemeine seelisch-körperliche Herab-
gestimmtheit, die teilweise auf ein
Versagen psychischer Abwehrmecha-
nismen gegen Stress zurückzuführen
ist. Aus medizinischer Sicht handelt es
sich um eine Störung emotionaler
Reaktionen, die in Abhängigkeit von
der Dauer, Intensität und Periodik des
Auftretens pathologisch ist. Im Gegen-
satz zu einer vorübergehenden Nie-
dergeschlagenheit ist die depressive
Verstimmung durch eine kognitive
Übergeneralisierung charakterisiert
[43], d. h., ein bedrückendes Erlebnis
wird nicht als überwindbarer Schick-
salsschlag, sondern als „Ende der
Welt“ wahrgenommen. Neben dieser
„typischen“ Depression gibt es noch
eine Reihe anderer depressiver Zu-
stände, z. B. die Winter-, Wechsel-
jahrs-, Wochenbett- oder Feiertags-
depression [16].
Prävalenz
Eine bundesweite Studie an 20000 Pa-
tienten in Allgemeinarztpraxen hat er-
geben, dass an einem Stichtag min-
destens jeder Zehnte eine behand-
lungsbedürftige Depression hatte, wo-
bei Frauen häufiger betroffen waren
als Männer [57]. Die Prävalenz ist stei-
gend, insbesondere bei Jugendlichen
und jungen Erwachsenen [50]. Eine
prospektive Studie mit einer Laufzeit
von 5 Jahren an einer repräsentativen
Stichprobe von 3021 Jugendlichen
und jungen Erwachsenen im Alter von
mehr als 14 Jahren hat gezeigt, dass bis
zum 22. Lebensjahr annähernd jede(r)
Fünfte eine depressive Episode erlebt
hat [50]. Es ist davon auszugehen, dass
depressive Symptome im Kindesalter
oft verkannt werden, weil depressive
Kinder meist weniger auffällig sind als
hyperaktive oder aggressive [19].
Ätiopathogenese
Grundlage einer Depression ist eine
depressive Persönlichkeitsstruktur;
diese beruht sowohl auf Erbfaktoren1
als auch auf prägenden Umweltein-
flüssen im ersten Lebensjahr. In dieser
Zeit entwickelt sich ein Grundgefühl
von Urvertrauen, das auf der Gewiss-
heit des Geliebt- und Verstandenseins
basiert. Störungen dieser Entwicklung
(z. B. infolge ungenügenden Körper-
kontakts) verursachen ein einge-
schränktes Selbstwertgefühl und aus-
geprägte Abhängigkeitswünsche. Das
Erleben und Verhalten werden durch
Angst vor dem Verlust der (Liebe der)
Bezugsperson(en) bestimmt. Dies
führt zu übermäßiger Anpassung, Be-
scheidenheit und Gefügigkeit. Aufkei-
mende Aggressionen werden gegen
die eigene Person gerichtet. Depressiv
veranlagte Menschen neigen dazu,
viel und gewissenhaft zu arbeiten, zu
helfen und selbstlos zu opfern sowie
verzichtsbereit und friedfertig zu sein,
164 Ernährungs-Umschau 50 (2003) Heft 5
Übersicht
Es ist unstrittig, dass eine vollwertige Ernährung, regelmäßige
sportliche Betätigung und ausreichend lange Ruhephasen sich posi-
tiv auf das körperliche, geistige und seelische Befinden auswirken.
Stress dagegen kann die Gesundheit beeinträchtigen und bei prädis-
ponierten Individuen an der Entstehung einer depressiven Episode
beteiligt sein. Diätetische Maßnahmen vermögen das neurobioche-
mische Geschehen dergestalt zu beeinflussen, dass die Stresstole-
ranz erhöht und depressive Verstimmungen gemildert werden.
Einfluss der Ernährung auf Depressivität
und Stresstoleranz
Alexandra Schek, Gießen
Abb. 1: Synthese und Abbau der Monoamin-Neurotransmitter (Serotonin, Dopamin,
Noradrenalin und Adrenalin) und des neurosekretorischen Hormons Melatonin [nach
29]
1Es gibt Erbfaktoren, die gemeinsam bei Depressio-
nen und Anorexie bzw. Bulimie auftreten [49].
Enzyme kursiv; MAO = Monoaminoxidase,ADH = Aldehyddehydrogenase
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Ernährungs-Umschau 50 (2003) Heft 5 165
Übersicht
um Sympathie und Anerkennung zu
gewinnen [16]. Gerät eine solche Per-
son in eine belastende Lebenssitua-
tion, die Geborgenheitsverlust bedeu-
tet, können diverse psychische und
psychosomatische Symptome auftre-
ten, als depressives Syndrom bezeich-
net werden [16].
Diagnose
Die Diagnose kann nach den DSM-IV-
Kriterien der Amerikanischen Psy-
chiatrie-Gesellschaft oder den ICD-
10-Kriterien der WHO erfolgen.
Gemäß DSM-IV [44] ist eine so ge-
nannte major depressive Episode ge-
kennzeichnet durch eine mindestens
2 Wochen bestehende ausgeprägte
depressive Verstimmung und/oder
den Verlust von Interesse und Freude
an den gewohnten Aktivitäten oder
Hobbys. Hinzu kommen mehr als 3
zusätzliche Symptome von weiteren
7 fakultativen (Tab. 1). Die ICD-10-
Diagnostik [15] unterscheidet zwi-
schen leichter, mittelgradiger und
schwerer depressiver Episode. Die be-
schriebenen Symptome, die den im
DSM-IV genannten weitgehend ent-
sprechen, sind: mindestens zwei Wo-
chen lang niedergeschlagene Stim-
mung während der meisten Zeit des
Tages, Interesse-/Lustlosigkeit, redu-
zierter Antrieb/gesteigerte Ermüdbar-
keit sowie verringer-tes Selbstwertge-
fühl, unangemessene Schuldgefühle,
Appetit-/Gewichtsreduktion, Schlaf-
störungen, psychomotorische Hem-
mung oder Agitiertheit, Konzentrati-
onsstörungen, Suizidgedanken.
Neurobiochemie
Im Gehirn Depressiver sind die Kon-
zentrationen der als Neurotransmitter
fungierenden Monoamine Serotonin
und/oder Noradrenalin (Stoffwechsel
vgl. Abb. 1) vermindert oder ungleich
verteilt. Daraus sind bereits in den
1960er Jahren die „Aminmangel-Hy-
pothesen der Depression“ abgeleitet
und in neuerer Zeit um die Annahme
einer defekten Regulierung prä- bzw.
postsynaptischer Rezeptoren erwei-
tert worden [4].
Die „adrenerg-cholinerge Gleichge-
wichts-Hypothese“ geht demgegen-
über von einer Unteraktivität der ca-
techolaminergen bei gleichzeitiger
Überaktivität der cholinergen Neu-
rotransmission aus [16]. Catechol-
aminerg wirken Dopamin, Noradrena-
lin und Adrenalin (Abb. 1), cholinerg
das Acetylcholin. Da die körpereigene
Cholinsynthese der mit der Nahrung
zugeführten Cholinmenge angepasst
ist [61], dürfte die Acetylcholinkon-
zentration im Gehirn durch die Ernäh-
rung kaum beeinflusst werden. Auf
Acetylcholin wird darum nicht näher
eingegangen.
Den genannten Hypothesen ge-
meinsam ist eine im limbischen Sys-
tem (v. a. Hippocampus) und im
Stammhirn (v. a. Mittelhirn) lokalisier-
te Neurotransmitter-Dysbalance mit
Beteiligung von Noradrenalin. Pas-
send hierzu, nehmen bei Depressiven
nach medikamentöser cholinerger Sti-
mulation die Konzentrationen an Ad-
renalin und Noradrenalin im Blut ab,
während sie bei Gesunden zunehmen.
Darüber hinaus erhöht sich bei ihnen
der Cortisolspiegel. Dies lässt auf eine
Störung der zentralnervösen Regula-
tion der CRH-(corticotropin releasing
hormone-)Sekretion schließen. De-
pressive haben eine verminderte
CRH-Rezeptoren-Dichte und eine ver-
größerte Nebennierenrinde. Außer-
dem korreliert die Höhe des Cortisol-
spiegels mit der Intensität der Depres-
sivität [16].
Stressoren fördern die Manifestati-
on einer depressiven Episode [16], in-
dem sie eine weitere Reduktion der
bereits verminderten Konzentratio-
nen an Serotonin [34] und/oder Nor-
A. Mindestens 5 der folgenden Symptome während derselben 2-Wochen-Periode
liegen vor und stellen eine Änderung gegenüber der vorher bestehenden Leis-
tungsfähigkeit dar; mindestens eines der Symptome ist entweder (1) depressive
Verstimmung oder (2) Verlust an Interesse oder Freude.
(1) Depressive Verstimmung an fast allen Tagen, für die meiste Zeit des Tages,
vom Betroffenen selbst berichtet (z. B. fühlt sich traurig oder leer) oder von
anderen beobachtet (z. B. erscheint den Tränen nahe).
(2) Deutlich vermindertes Interesse oder Freude an allen oder fast allen Aktivitä-
ten, nahezu an jedem Tag, für die meiste Zeit (entweder nach subjektivem
Ermessen oder von anderen beobachtet).
(3) Deutlicher Gewichtsverlust ohne Diät oder Gewichtszunahme (mehr als 5 %
des Körpergewichts in einem Monat) resp. verminderter oder gesteigerter
Appetit an fast allen Tagen.
(4) Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf an fast allen Tagen.
(5) Psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung an fast allen Tagen
(durch andere beobachtbar, nicht nur das subjektive Gefühl von Rastlosigkeit
oder Verlangsamung).
(6) Müdigkeit oder Energieverlust an fast allen Tagen.
(7) Gefühle von Wertlosigkeit oder übermäßige oder unangemessene Schuld-
gefühle (die auch wahnhaftes Ausmaß annehmen können) an fast allen
Tagen (nicht nur Selbstvorwürfe oder Schuldgefühle wegen des Krankseins).
(8) Verminderte Fähigkeit, zu denken bzw. sich zu konzentrieren oder verringer-
te Entscheidungsfähigkeit an fast allen Tagen (entweder nach subjektivem
Ermessen oder von anderen beobachtet).
(9) Wiederkehrende Gedanken an den Tod (nicht nur Angst vor dem Sterben)
wiederkehrende Suizidvorstellungen ohne genauen Plan, genaue Planung
des Suizids oder tatsächlicher Suizidversuch.
B. Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien einer gemischten (d. h. manisch-
depressiven) Episode.
C. Die Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beein-
trächtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbe-
reichen.
D. Die Symptome gehen nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz
(z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors
(z. B. Schilddrüsenunterfunktion) zurück.
E. Die Symptome können nicht besser durch einfache Trauer erklärt werden, d.h.,
nach dem Verlust einer geliebten Person dauern die Symptome länger als zwei
Monate an oder sind durch deutliche Funktionsbeeinträchtigungen, krankhafte
Wertlosigkeitsvorstellungen, Suizidgedanken, psychotische Symptome oder psy-
chomotorische Verlangsamung charakterisiert.
Tab. 1: Diagnostische Kriterien für eine major depressive Episode nach DSM-IV [44]
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adrenalin [43] bewirken. Es wird an-
genommen, dass unkontrollierbarer
Stress den Neurotransmitterabbau be-
schleunigt, und bei Depressiven die
cortisolvermittelte De-novo-Synthese
eingeschränkt oder verzögert ist [43].
Verschiedene hormonelle Einflüsse
gelten ebenfalls als manifestationsför-
dernd, so z. B. die im Klimakterium
rückläufige Östrogenproduktion [58].
Dasselbe gilt bei verstärkter Synthese
des neurosekretorischen Hormons
Melatonin aus Serotonin in Zeiten ver-
kürzter Tageslichtperioden und gerin-
ger Lichtintensitäten [48].
Es wird vermutet, dass an der Ent-
stehung von Affektivitätsstörungen ei-
ne immunologische Komponente be-
teiligt ist [52]. Bestimmte leukozytäre
Zytokine (Interleukin-1, Interleukin-6,
Tumor-Nekrose-Faktor), wie sie z. B.
nach Herzinfarkt vermehrt nachweis-
bar sind, fördern eine depressive Epi-
sode als Teil einer überzogenen in-
flammatorischen Antwort [28]. Als
Marker hierfür ist ein verminderter
Tryptophanspiegel im Blutserum
identifiziert worden [33]. Die genann-
ten Zytokine erhöhen die CRH-Aus-
schüttung, so dass im Rahmen der
Überaktivität der inflammatorischen
Antwort auch der Cortisolspiegel an-
steigt, wodurch möglicherweise die
Stressanfälligkeit erhöht wird [32].
Stress
Zu den Stress auslösenden Faktoren
zählen körperliche und seelische Be-
lastungen sowie soziale Einflüsse (z. B.
Isolation, familiäre/schulische Proble-
me). Während positiver Stress (Eu-
stress) angenehme Gefühle (Bewälti-
gung) zur Folge haben kann, ist nega-
tiver Stress (Disstress) gesundheits-
schädlich. Kurzfristig führt unkontrol-
lierbarer Stress zu einer Verstärkung
von Gefühlen der Niedergeschlagen-
heit, Spannung, Aufgebrachtheit und
Schwäche [34]. Langfristig hat er ein
Anpassungssyndrom zur Folge, das
mit Nebennierenhyperplasie und Hy-
percortisolismus einhergeht und in
eine Erschöpfung der Körperfunktio-
nen mündet [42].
Der als Stressantwort zu beobach-
tende Hypercortisolismus beschleu-
nigt den Alterungsprozess und be-
günstigt die Entstehung einer Reihe
von „Manager-Krankheiten“ wie Blut-
hochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall,
Magengeschwüre, Typ-2-Diabetes,
Osteoporose und Krebs [43]. Auch
eine Schwächung des Immunsystems
ist nach längerem Disstress zu be-
obachten. Im Leistungssport ist dies
als Folge von Übertraining bekannt
[46]. Im Tierversuch führt ein auf
frühen Stresserfahrungen beruhender
Hypercortisolismus zu einer bleiben-
den Subsensitivität der Corticoidre-
zeptoren im Gehirn. Daraus resultie-
ren erhöhte Stressanfälligkeit und
schlechte Lernleistungen in höherem
Alter [16, 43]. Umgekehrt lassen Un-
tersuchungen an Tieren vermuten,
dass die Cortisolausschüttung im Er-
wachsenenalter geringer ist bzw. die
Stresstoleranz und Lebenserwartung
höher sind, wenn Neugeborene reich-
lich Körperkontakt hatten [36]. Es ist
anzunehmen, dass diese Ergebnisse
auf den Menschen übertragbar sind.
Dementsprechend kann zwischen
stark und weniger stark stressanfälli-
gen Personen unterschieden werden
[34].
Als hilfreich zur Dämpfung der
Stressantwort erwiesen haben sich so-
ziale Bindungen (z. B. Interessengrup-
pen, Vereine), Aggressions-/Frustra-
tionsventile (z. B. Hobbys, Therapie)
und Techniken zur Veränderung der
Wahrnehmung (z. B. erlernter Opti-
mismus). Unter Umständen kann sich
auch ein höheres Maß an Vorhersag-
barkeit (bei sich wiederholenden
Stressoren) und Kontrolle (bei aktuel-
lem Stress) günstig auswirken [43].
Alimentäre Beeinflussung
der Neurotransmitter-
Synthese
Neurotransmitter sind chemische
Überträgerstoffe, die an Endigungen
der Nervenzellen (Neuronen) freige-
setzt werden, um elektrische Impulse
weiterzuleiten. Die im Gehirn ablau-
fende Synthese aminerger Neuro-
transmitter (Abb. 1) scheint über die
Nahrungsaufnahme beeinflussbar zu
sein. Bei einer klinischen Depression
liegt ein funktionelles Serotonin-
und/oder Noradrenalindefizit mit
möglicher Beteiligung von Dopamin
vor. Eine Beeinträchtigung der sero-
tonergen und catecholaminergen
Neurotransmission erhöht das Risiko
für eine depressive Episode, insbeson-
dere nach Einwirkung eines Stressors
[27].
Eine Zufuhr der Neurotransmitter
selbst ist allerdings erfolglos, weil die-
se die Blut-Hirn-Schranke nicht pas-
sieren können. Es gibt jedoch einen
Transporter für die als Vorstufen fun-
gierenden Aminosäuren Tryptophan
und Tyrosin, und es konnte nachge-
wiesen werden, dass deren Konzentra-
tionen in der zerebrospinalen Flüssig-
keit durch die Nahrung verändert wer-
den können [17].
Tryptophan
Ein Mangel an Serotonin kann sich in
Stimmungsschwankungen und de-
pressiven Symptomen äußern [13].
Dagegen scheint eine erhöhte Akti-
vität der serotonergen Neuronen
stressinduzierten Depressionen vor-
zubeugen [12]. Tryptophan ist Aus-
gangssubstanz der Serotoninsynthese,
das geschwindigkeitsbestimmende
Enzym ist die Tryptophan-Hydroxy-
lase. Diese kommt im Gehirn reichlich
vor und ist unter physiologischen Ver-
hältnissen halb gesättigt [41]. Eine Er-
höhung der Tryptophanzufuhr (bis zu
6 g/d) aktiviert die Serotoninsynthese
und steigert die serotonerge Neuro-
transmission [5], wogegen eine Verrin-
gerung der Zufuhr die Serotoninsyn-
these reduziert [9].
Placebokontrollierte Studien an De-
pressiven, denen Tryptophan in phar-
makologischer Dosierung verabfolgt
wurde, zeigten bei leichten und mit-
telgradigen, nicht jedoch bei schweren
Depressionen einen therapeutischen
Effekt [59]. In Großbritannien und Ka-
166 Ernährungs-Umschau 50 (2003) Heft 5
Übersicht
Dattel, Banane, Bitter- Feige, Milch-
getr. reif schokolade getr. schokolade
Eiweiß 3 5 5 6 7
Tryptophan (Trp) 50 18 50 30 70
Valin (Val) 75 55 245 140 650
Leucin (Leu) 62 85 245 150 1015
Isoleucin (Ile) 50 40 160 110 595
Phenylalanin (Phe) 50 35 190 85 605
Tyrosin (Tyr) 30 20 55 150 300
Quotient* 1:5 1:13 1:18 1:21 1:45
*Verhältnis von Trp zu (Val + Leu + Ile + Phe + Tyr) im Lebensmittel
Tab. 2: Gehalt an Eiweiß (in Energie%) und Aminosäuren (in mg/100 g) in ausgewähl-
ten Lebensmitteln [53]
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nada ist Tryptophan als mildes Psy-
chopharmakon zugelassen [59]. Es
gibt allerdings Hinweise darauf, dass
ein Zusammenhang zwischen der Ein-
nahme von Tryptophan und dem Auf-
treten des Eosinophilie-Myalgie-Syn-
droms besteht, dessen Ursache eine
herstellungsbedingte Verunreinigung
zu sein scheint. Das Syndrom ist u. a.
durch Vermehrung der eosinophilen
Granulozyten im Blut, Muskel-/Ge-
lenkschmerzen, Krämpfe und Haut-
veränderungen gekennzeichnet [51].
In den USA war Tryptophan bis vor
Kurzem frei verkäuflich [60].
Tyrosin
Eine zerebrales Defizit an Noradrena-
lin steht im Zusammenhang mit De-
pressionen [11] und posttraumati-
schen Stresserkrankungen [54]. Tyro-
sin ist Ausgangssubstanz für die Syn-
these der Catecholamine Dopamin,
Noradrenalin und Adrenalin. Das ge-
schwindigkeitsbestimmende Enzym
ist die Tyrosin-Hydroxylase. Diese ist
unter physiologischen Verhältnissen
zu drei Vierteln gesättigt. Deshalb wird
von einer geringeren Beeinflussbar-
keit durch Substratkonzentrationser-
höhung ausgegangen als bei der Tryp-
tophan-Hydroxylase [59]. Tyrosinga-
ben (bis 100 mg/kg/d) verstärken die
Dopamin- und Noradrenalinsynthese,
wenn die catecholaminerge Neuro-
transmission infolge medikamentöser
Behandlung erhöht ist [37]. Eine
Verringerung der Phenylalanin- und
Tyrosinverfügbarkeit reduziert die ca-
techolaminerge Neurotransmission
[38].
In einer placebokontrollierten Stu-
die zeigte sich, dass Tyrosinsupple-
mente bei der Behandlung von De-
pressionen nicht wirksam sind [18].
Allerdings verstärken sie die Wirkung
der Serotonin-Vorstufe 5-Hydroxy-
Tryptophan [40].
Kohlenhydratreiche/proteinarme
vs. proteinreiche/kohlenhydrat-
arme Kost
Eine hohe Kohlenhydrat- bei gleich-
zeitig geringer Proteinzufuhr stimu-
liert die Insulinsekretion und damit ei-
nerseits die Aufnahme von Fettsäuren
ins Fett- und andererseits von ver-
zweigtkettigen (Valin, Leucin, Isoleu-
cin) sowie aromatischen Aminosäuren
(Phenylalanin, Tyrosin) ins Muskelge-
webe. Tryptophan jedoch wird ver-
mehrt an Albumin gebunden und ver-
bleibt daher größtenteils im Blut. Dies
könnte bedeuten, dass das humorale
Verhältnis von Tryptophan zu den 5
genannten Aminosäuren, der so ge-
nannte FISCHER-Quotient, ansteigt,
und dadurch Tryptophan, mit den an-
deren Aminosäuren um die transpor-
tervermittelte Aufnahme ins Gehirn
konkurrierend, in größerem Umfang
für die Serotoninsynthese zur Verfü-
gung steht. Die Folge davon wäre ein
stimmungsaufhellender, appetithem-
mender und Protein präferierender
Effekt [45]. Zu einem signifikanten An-
stieg des FISCHER-Quotienten kommt
es gemäß einer Metaanalyse von 30
Studien jedoch nur, wenn der Pro-
teinanteil in der Kost weniger als 2 En-
ergie% beträgt [5]. Eine so geringe Pro-
teinzufuhr ist aber weder wünschens-
wert, noch mit Lebensmitteln des üb-
lichen Verzehrs erreichbar. Dennoch
schließen die Autoren positive Effekte
einer kohlenhydratbetonten, protein-
begrenzten Ernährung auf die Stim-
mung psychisch labiler Personen
nicht aus.
Bei einem Proteinanteil in der Kost
von mehr als 20 Energie% ist der
FISCHER-Quotient signifikant ernied-
rigt. Ursache ist das im Verhältnis zu
den verzweigtkettigen und aromati-
schen Aminosäuren geringere Vor-
kommen von Tryptophan im Nah-
rungsprotein [5]. Gesunde reagieren
hierauf nicht mit Stimmungsänderun-
gen [26]. Psychisch Kranke wurden
bislang nicht untersucht.
Auf stressanfällige Personen wirkt
sich eine kohlenhydratreiche/protein-
arme Diät im Gegensatz zu einer pro-
teinreichen/kohlenhydratarmen im
Sinne einer verbesserten Stresstole-
ranz aus [34]. Von 334 Probanden wur-
den diejenigen 22 auf Stimmung und
den Cortisolgehalt im Speichel unter-
sucht, die mit Hilfe eines Fragebogens
als stressanfällig eingestuft worden
waren. Sie wurden Stress in Form ver-
schiedener Lärmpegel beim Lösen
mathematischer Aufgaben ausgesetzt,
nachdem sie entweder mehrere Mahl-
zeiten mit 66 Energie% Kohlenhydra-
ten und 4 Energie% Protein oder mit
27 Energie% Protein und 41 Energie%
Kohlenhydraten verzehrt hatten. Es
zeigte sich, dass die kohlenhydratrei-
che/proteinarme Kost die Konzentra-
tion an freiem Cortisol sowie die Aus-
prägung depressiver Gefühle reduzier-
te, während sich die proteinreiche/
kohlenhydratarme Kost gegenteilig
auswirkte.
Aus dem bisher Gesagten ergibt
sich, dass stressanfällige und depressi-
ve Personen den Proteinanteil in der
Kost zu Gunsten des Kohlenhydratan-
teils vermindern sollten. Der Verzehr
von Fleisch, Milchprodukten und Ei-
ern sollte entsprechend limitiert, der
von Getreideerzeugnissen, Kartoffeln,
Gemüse und Obst dagegen liberal ge-
handhabt werden.
Die in populärwissenschaftlichen
Schriften aufgeworfene Frage, ob Ba-
nanen glücklich machen, lässt sich
anhand der zitierten Studienergebnis-
se ansatzweise wie folgt beantworten:
Bananen sind zwar vergleichsweise
kohlenhydratreich und proteinarm,
gesunde Personen könnten aber selbst
bei ausschließlichem Bananenverzehr
kaum mit einer Stimmungsaufhellung
rechnen. Gestresste und depressiv
veranlagte Menschen dagegen könn-
ten von proteinarmen Snacks in Form
von Bananen oder auch Datteln und
Feigen profitieren (Tab. 2). Ähnliches
gilt wegen des ebenfalls geringen Pro-
teinanteils möglicherweise für Scho-
kolade. Es könnte sein, dass die Lust
Ernährungs-Umschau 50 (2003) Heft 5 167
Übersicht
Vitamin Gehalt im Lebensmittel Zufuhrempfehlung
Folsäure Weizenkleie (400 µg/100 g), Hühnereigelb (150), 400 µg FÄ*/d
Fenchel (100), Spargel (85), Spinat (80), Rosenkohl (80),
Walnuss (75), Haselnuss (70), Limburger (60),
Camembert (55), Weizen (50)
Pyridoxin Weizenkleie (2,5 mg/100 g), Hummer (1,2), Lachs (1,0), 1,2 mg/d (Frauen)
(Vitamin B2) Hafer (1,0), Walnuss (0,9), Hirse (0,8), Naturreis (0,7), 1,5 mg/d (Männer)
Makrele (0,6), Fleisch (0,5)
Thiamin Paranuss (1,0 mg/100 g), Erdnuss (0,9), Schweine- 1,0 mg/d (Frauen)
(Vitamin B1) fleisch (0,8), Haferflocken (0,6), Naturreis (0,4), 1,2 mg/d (Männer)
Edelkastanien (0,2)
Calciferol Hühnereigelb (bis 113 µg/100 g), Hering (30), Lachs (16), 5 µg/d
(Vitamin D) Aal (13), Tunfisch (5), Steinpilze (3), Champignons (2)
*100 µg FÄ (Folat-Äquivalente) = 100 µg Nahrungsfolsäure = 50 µg synthetische Folsäure
Tab. 3: Auswahl von Lebensmitteln mit hohem Gehalt an den Vitaminen Folsäure, Pyri-
doxin, Thiamin und Calciferol [53] sowie empfohlene tägliche Zufuhr für Erwachsene
im Alter zwischen 25 und 51 Jahren [14]
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auf Süßes kein carbohydrate craving,
sondern ein Verlangen nach (protein-
armen) Zucker-Fett-Mischungen mit
entsprechendem Geschmackserlebnis
und Mundgefühl ist.
Nutritive Beeinflussung der
Zytokinsynthese
Zytokine sind chemische Botenstoffe,
die als interzelluläre Kommunikatoren
zur Aktivierung von Immunzellen bei-
tragen. Einige von Leukozyten sezer-
nierte Zytokine (IL-1, IL-2, TNF) schei-
nen an der Entstehung depressiver
Episoden beteiligt zu sein. Deren Syn-
these ist eingeschränkt, wenn größere
Mengen an Eicosapentaensäure die
Bildung proinflammatorischer Eico-
sanoide2aus Arachidonsäure in Gren-
zen halten [28]. Demzufolge müsste
eine Verminderung des Omega-6-
zu Omega-3-Fettsäuren-Verhältnisses
sich positiv, eine Erhöhung dagegen
negativ auf die Stimmung auswirken.
Cholesterinsenkende Pharmaka
(z. B. Fenofibrate), welche die Omega-
6- auf Kosten der Omega-3-Fettsäu-
ren-Konzentration im Blut erhöhen,
werden mit depressiven Symptomen
und erhöhter Suizidinzidenz in Zu-
sammenhang gebracht [20]. Demge-
genüber korreliert der in verschiede-
nen Ländern ermittelte jährliche Pro-
Kopf-Verzehr an Fisch mit der Präva-
lenz von major-Depression negativ.
Japan hat mit einem Fischverzehr von
67 kg/Kopf/Jahr die niedrigste De-
pressionsprävalenz (0,1 %), Neusee-
land mit 18 kg/Kopf/Jahr die höchste
(5,8 %). Als in Deutschland die Prä-
valenz depressiver Episoden 5,0 %
betrug, lag der Fischverzehr bei
12 kg/Kopf/Jahr [21]. Auch Wochen-
bett-Depressionen treten in Ländern
mit hohem Fischverzehr seltener auf
als in Ländern mit geringem [22].
Bei Personen mit major-Depression
sind die Omega-3-Fettsäuren-Kon-
zentrationen in den Phospholipiden
und Cholesterinestern des Blutserums
sowie in den Membranen der Erythro-
zyten erniedrigt [31, 39]. Es besteht
eine positive Korrelation zwischen
dem durch die Ernährung beeinfluss-
baren Verhältnis von Arachidon- zu
Eicosapentaensäure in der Lipidfrakti-
on des Blutes und dem Schweregrad
der Depressionssymptomatik [1]. In
einer placebokontrollierten Studie an
Depressiven wirkten Omega-3-Fett-
säuren-Supplemente stimmungssta-
bilisierend bzw. antidepressiv [55].
Dies macht deutlich, dass stimmungs-
aufhellende diätetische Maßnahmen
auf eine Verminderung der Zufuhr an
Omega-6- zu Gunsten der Omega-3-
Fettsäuren abzielen müssen. Hier-
durch wird überdies ein antiinflam-
matorischer Effekt erreicht [28]. Das
Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren-
Verhältnis in der Kost des Durch-
schnittsbürgers in Deutschland wird
auf derzeit 20 zu 1 geschätzt [3]. Im
Vergleich dazu beträgt die Empfeh-
lung < 5 zu 1 [14]. Das Verhältniss lässt
sich durch Bevorzugung von Fisch ge-
genüber Fleisch sowie durch die Ver-
wendung von Raps-, Walnuss-, Soja-
und Olivenöl anstelle von Sonnenblu-
men- und Maiskeimöl reduzieren [45].
Besonders reich an Eicosapentae-
nsäure sind Hering (2,0 g/100 g),
Tunfisch (1,3 g/100 g) und Makrele
(0,6 g/100 g). Eine Alternative stellen
Lachsölkapseln dar. Hierin fehlt aller-
dings das in Seefisch vorhandene Jod.
Vitaminstatus und seelisches
(Wohl-)Befinden
Vitaminmangelzustände sind in den
Industrieländern selten. Ein erhöhtes
Risiko besteht lediglich bei Alkoholis-
mus, konsumierenden Krankheiten,
Schwangerschaft, Armut und/oder
Mangel-/Unterernährung, vor allem
im Alter [45]. Neuropsychiatrische
Symptome einschließlich depressiver
Verstimmungen treten meist mit einer
Unterversorgung an B-Vitaminen (v. a.
Folsäure, Pyridoxin und Thiamin) ver-
gesellschaftet auf. Dabei können de-
pressive Episoden insofern zu einer
weiteren Verschlechterung des Vita-
minstatus führen, als sich die An-
triebsarmut gleichfalls auf die Nah-
rungsbeschaffung erstrecken kann.
Eine gezielte Vitaminzufuhr, auch in
Form von Supplementen, vermag die
Symptome zu lindern.
Depressive Menschen haben im
Vergleich zu Gesunden überdurch-
schnittlich oft (33 %) ein Folsäurede-
fizit [8], dessen Behebung weite-
ren Stimmungstrübungen vorbeugen
kann [10]. Außerdem verbessern Fol-
säuresupplemente das Ansprechen
auf Antidepressiva [2].
Bei Depressiven kann ferner ein Py-
ridoxinmangel vorliegen. Nur in die-
sem Fall führen Supplemente zu einer
Stimmungsanhebung [25].
Ein marginaler bis defizitärer Thia-
minstatus ist ebenfalls häufig mit de-
pressiver Stimmung assoziiert. Ein
Ausgleich des Defizits hat eine Verbe-
serung der Stimmung zur Folge [7].
Selbst bei Personen, die nach klassi-
schen Maßstäben ausreichend mit
Thiamin versorgt sind, heben Supple-
mente die Stimmungslage [6].
Calciferol (Vitamin D) scheint eine
Bedeutung bei der Winterdepression
zuzukommen. Es hat sich gezeigt, dass
eine tägliche Verabfolgung von 10 µg
(400 I.E.) Vitamin D die Stimmung sai-
sonal Depressiver verbessert. Man
nimmt an, dass die serotonerge Neu-
rotransmission durch Modulation des
168 Ernährungs-Umschau 50 (2003) Heft 5
Übersicht
Zusammenfassung
Einfluss der Ernährung auf Depressivität und Stresstoleranz
A. Schek, Gießen
Anders als die populärwissenschaftliche Literatur suggeriert, ist es unwahr-
scheinlich, dass bestimmte Lebensmittel wie Bananen oder Schokolade glücklich
machen. Vielmehr scheinen bestimmte Nahrungsinhaltsstoffe bei depressiven
und stressanfälligen Personen stimmungsstabilisierend zu wirken. Es ist anzu-
nehmen, dass eine Erhöhung der Kohlenhydrat- auf Kosten der Proteinzufuhr
die Synthese des bei Depressiven defizitären Neurotransmitters Serotonin stei-
gert und eine Erhöhung der Omega-3- zu Lasten der Omega-6-Fettsäuren-Zu-
fuhr die Synthese depressionsfördernder Zytokine vermindert. Darüber hinaus
schützt eine bedarfsgerechte Versorgung mit Vitaminen vor Mangelzuständen,
die sich in neuropsychiatrischen Symptomen äußern können. Eine Kostform, die
weitestgehend den Richtlinien der mediterranen Ernährung entspricht, ist be-
sonders unter präventiven Gesichtspunkten sowohl Personen mit Neigung zu
depressiven Verstimmungen als auch Personen mit geringer Stresstoleranz zu
empfehlen.
Ernährungs-Umschau 50 (2003), S. 164–169
2Einige zur Gruppe der Eicosanoide (Gewebshormo-
ne) gehörenden Prostaglandine und Leukotriene fun-
gieren als Regulatoren der Synthese bzw. Sekretion
leukozytärer Zytokine.
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– auch auszugsweise – nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Umschau Zeitschriftenverlag GmbH, Wiesbaden.
neuronalen Kalziummetabolismus
und der Melatoninproduktion beein-
flusst wird [24]. Die verabreichte Dosis
entsprach der doppelten Menge der
Zufuhrempfehlung von 5 µg/d [14].
Alternativ könnten auch Tageslicht-
lampen zur Steigerung der körpereige-
nen Vitamin-D-Synthese und zur Re-
duktion der Melatoninbildung einge-
setzt werden. Lebensmittel, die gute
Lieferanten der genannten Vitamine
sind, listet Tabelle 3 auf.
Ernährungsempfehlungen
zur Stabilisierung der
Psyche
Stress wirkt deprimierend und erhöht
bei genetisch vorbelasteten Personen
(depressive Persönlichkeitsstruktur)
das Risiko des Auftretens einer major
depressiven Episode. Eine verbesserte
Stresstoleranz fördert die Leistungs-
fähigkeit, wobei neben Stressbewäl-
tigungstechniken auch diätetische
Maßnahmen zum Einsatz kommen
können. Empfohlen wird eine kohlen-
hydratreiche, nicht zu proteinlastige
Kost mit Betonung des Omega-3-
Fettsäuren-Verzehrs und bedarfsange-
passter Vitaminzufuhr. Eine solche
Kost entspricht weitgehend der medi-
terranen Ernährung (Kreta-Diät) [23].
Diese ist durch reichlichen Verzehr
von Getreideerzeugnissen (Brot, Nu-
deln, Reis, Polenta, Bulgur, Couscous
u. a.), Kartoffeln, Gemüse, Salat und
Obst, ergänzt durch Raps- und Oli-
venöl, Joghurt, Käse und Hülsenfrüch-
te sowie Nüsse, Kerne oder Samen (ca.
30 g/d), charakterisiert. Fisch, Geflü-
gel, Eier, Süßigkeiten und Rotwein (ca.
1 Glas) stehen mehrmals wöchentlich
auf dem Speisenplan, nur wenige
Male pro Monat dagegen rotes Fleisch
und Wurstwaren [35]. Eine solche Kost
ist geschmacklich attraktiv und leicht
zu realisieren. Außerdem enthält sie
eine Vielzahl an sekundären Pflanzen-
stoffen, deren gesundheitsprotektive
Wirkungen an anderer Stelle bespro-
chen sind [47, 56].
In krassem Gegensatz zur Kreta-
Diät steht eine Reihe von Reduktions-
diäten, die in unregelmäßigen Abstän-
den über die Medien propagiert wer-
den. Extrem proteinreich sind die
Fleisch-Kur (BANTING-Diät) und die
Quark-/Fisch-Blitzdiät (KUHN-Kur),
extrem kohlenhydratarm das „Leben
ohne Brot“ (LUTZ-Diät) und die ATKINS-
Diät. Arm an Getreide und reich an
Fleisch, Fisch, Eiern, Käse sowie Obst
und Gemüse sind die HUMPLIK-, MAYO-,
Hollywood- und Steinzeit-Diät. Nega-
tiv zu bewerten an diesen Außensei-
terdiäten ist neben dem hohen Gehalt
an gesättigten Fettsäuren, Cholesterin
und Purinen [45] auch das ungünstige
Verhältnis von Kohlenhydraten zu
Proteinen. Zumal Nahrungsdepriva-
tion eine Form von Stress darstellt, ist
nicht auszuschließen, dass solche
Kostformen nicht nur wegen ihrer Ein-
seitigkeit, sondern auch wegen ihrer
Nährstoffzusammensetzung zu Diät-
frust und Jo-Jo-Effekt führen.
Ausblick
Eine gezielte Verabreichung von Nähr-
stoffen könnte zur Vorbeugung bzw.
unterstützenden Behandlung psychi-
scher Erkrankungen wie der Manie
(eine weitere Affektivitätsstörung), der
Schizophrenie oder diverser Angst-
störungen (Panikattacke, Agorapho-
bie, soziale Phobie, spezifische Pho-
bie, Zwangsstörung, generalisierte
Angststörung) geeignet sein [30]. Bis-
lang liegen jedoch nicht genügend
Studienergebnisse vor, um dazu kon-
krete Empfehlungen abzuleiten [30].
Danksagung
An dieser Stelle sei Herrn cand. oec. troph. Götz
K. MACHANEK für die Überlassung einiger Litera-
turstellen herzlich gedankt.
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Anschrift der Verfasserin:
Dr.oec. troph. Alexandra Schek
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Übersicht
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