Content uploaded by Katharina Kerschan-Schindl
Author content
All content in this area was uploaded by Katharina Kerschan-Schindl on Sep 14, 2016
Content may be subject to copyright.
P.b.b. GZ02Z031108M, Verlagspostamt: 3002 Purkersdorf, Erscheinungsort: 3003 Gablitz
Homepage:
www.kup.at/
mineralstoffwechsel
Online-Datenbank mit
Autoren- und Stichwortsuche
P.b.b. GZ02Z031108M, Verlagspostamt: 3002 Purkersdorf, Erscheinungsort: 3003 Gablitz
Indexed in SCOPUS/EMBASE/Excerpta Medica
www.kup.at/mineralstoffwechsel
Österreichische Gesellschaft
für Orthopädie und
Orthopädische Chirurgie
Österreichische
Gesellschaft
für Rheumatologie
Offizielles Organ der
Österreichischen Gesellschaft
zur Erforschung des Knochens
und Mineralstoffwechsels
Member of the
Das Mechanostat-Modell
Kerschan-Schindl K
Journal für Mineralstoffwechsel &
Muskuloskelettale Erkrankungen
2012; 19 (4), 159-162
Vereinfachen Sie das Monitoring Ihrer Patienten
© 2016 Pzer Corporation Austria Gesellschaft m.b.H., Wien PP-ENB-AUT-0035/04.2016 www.pzermed.at
Disclaimer: Die Daten in iMonitor werden direkt von Patienten über die Selbstbeurteilungsfragebögen (PRO) in den vom Arzt vorbestimmten Zeitintervallen erfasst. Die Informationen zu den Symptomen und zur Krankheitsaktivität in der Zeit zwischen
den Besuchen können die Ärzte oder medizinische Assistenten mittels iMonitor nachverfolgen. Mit Hilfe von iMonitor können PRO Daten zuverlässig erfasst werden, welche die Beurteilung des allgemeinen Krankheitszustands und folgedessen die
Therapieentscheidung erleichtern kann. Diese Daten sollten jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Bei klinischen Entscheidungen sind alle relevanten Parameter unter Beurteilung des Nutzen/Risiko Profils der Therapie zu berücksichtigen.
iMonitor: modernes Patienten-Monitoring für eine bessere Versorgung
• ist ein benutzerfreundliches, webbasiertes Tool, das kostenlos für alle Ihre
Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PSA) oder
ankylosierender Spondylitis (Morbus Bechterew, AS), verfügbar ist.
• unterstützt den Dialog zwischen Ihnen und Ihren Patienten zwischen den
Arztbesuchen.
• Sie bleiben über den Status der Erkrankung durch Echtzeit Patientenangaben
auch zwischen den Praxisterminen informiert.
• Für weitere Informationen oder die Möglichkeit Ihren Patienten iMonitor zur
Verfügung zu stellen, wenden Sie sich bitte an Ihre
Enbrel®-ProduktspezialistInnen.
Enhanced engagement
for better disease management
PP-ENB-AUT-0035_iMonitor_INS_210x140.qxp_Pfizer 23.05.16 15:08 Seite 1
J MINER STOFFWECHS 2012; 19 (4) 159
Kurzfassung: Der Knochen ist ständig wechseln-
den Belastungen ausgesetzt und adaptiert seine
Festigkeit entsprechend. Mangelnde körperliche
Aktivität bedeutet eine zu geringe Verformung des
Knochens und in der Folge einen Knochenabbau.
Zyklische Belastungen des Knochens jenseits der
Modelling-Schwelle, welche ausreichend starke
Verformungen des Knochens und Verschiebungen
der intrakanalikulären Flüssigkeit mit sich brin-
gen, resultieren in einer Erhöhung der Knochen-
festigkeit. Diese Verformungen werden durch
Osteozyten wahrgenommen. Die mechanischen
Kräfte werden in biochemische Signale umge-
wandelt (Mechanotransduktion) und schließlich
die Effektorzellen aktiviert (Transmission). Die
Förderung der Osteoblasten bei Hemmung der
Osteoklastenaktivität führt letztlich zu einer posi-
tiven Knochenbilanz. Die Reaktionen des Knochens
sind aber nicht nur von Intensität und Frequenz der
Belastung, sondern auch von der Beschleunigung
der Bewegung abhängig. Nicht-mechanische
Faktoren wie Sexualhormone modulieren das
Ausmaß der Adaptation des Skeletts auf mecha-
nische Reize.
Schlüsselwörter: Knochen, mechanische Be-
lastung, Mechanotransduktion, Transmission
Abstract: The Mechanostat Model. To fulfil
its mechanical function, bone must adapt to the
mechanical loads through control of bone mass
and strength. While disuse and inactivity reduce
bone mass, strenuous exercise does increase it.
Physical activity loads the muscular-skeletal
system and these intermittent compressive
forces cause deformation of the bone and fluid
flow in the lacunocanalicular system.
Osteocytes
are sensitive to this shear stress. The mechanical
forces are converted into biochemical signals;
this process is known as mechanotransduction.
Via transmission the effector cells are activated.
If the deformation of the bone exceeds a certain
threshold (modelling threshold), osteoblasts add
bone and increase its strength. On the other hand,
if a lower remodelling threshold is not regularly
exceeded, bone is removed by osteoclasts. This
control loop is not only dependent on the intensity
and frequency of physical activity, but also on the
acceleration of movement. Additionally, non-me-
chanical factors like the hormone status modulate
the intensity of bone adaptation. J Miner Stoff-
wechs 2012; 19 (4): 159–62.
Key words: bone, mechanical load, mechano-
transduction, transmission
Das Mechanostat-Modell
K. Kerschan-Schindl
!!
!!
!Einleitung
Kindheit und Jugend sind die Lebensabschnitte eines Men-
schen, in denen vermehrt Knochen angebaut wird. Sie sind
neben der Zunahme der Knochenmineraldichte (KMD) geprägt
vom Wachstum des Skelettsystems in Länge und Querschnitt.
Neben genetischen Faktoren sind sowohl die initiale maximale
KMD als auch die Knochengeometrie von verschiedenen Le-
bensstilfaktoren – wie etwa sportlichen Aktivitäten – abhän-
gig. Aber auch nach Ende des Wachstums und im fortgeschrit-
teneren Alter kommt es zu Veränderungen in Knochengeometrie
und KMD. Inaktivität beziehungsweise mangelnde Belastung
bedeuten eine negative Knochenbilanz [1]. Regelmäßige kör-
perliche Aktivität hingegen wirkt sich in jedem Alter positiv
auf den Knochenstoffwechsel aus und verbessert die KMD [2,
3]. Der Knochen ist ständig wechselnden Belastungen ausge-
setzt und adaptiert Form und Festigkeit entsprechend den täg-
lichen Anforderungen. Den Zusammenhang zwischen mecha-
nischer Belastung und Knochenfestigkeit darzustellen, ist Ziel
dieses Artikels.
!!
!!
!Mechanische Belastung und Knochen-
formation
Knochen ist ein sehr dynamisches Gewebe. In der Spongiosa
werden jede Minute 12 „bone remodelling units“ (BRU) akti-
viert, jährlich somit ¼ (der Spongiosa) erneuert. In der Korti-
kalis beträgt die Aktivierungsrate 3 BRUs pro Minute; dies be-
deutet, dass jedes Jahr 2–3 % (der Kortikalis) ersetzt werden
Eingelangt am 25. Jänner 2012; angenommen am 27. Jänner 2012
Aus der Universitätsklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Medizinische
Universität Wien
Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. Katharina Kerschan-Schindl, Universitäts-
klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Medizinische Universität Wien,
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18–20; E-Mail: katharina.kerschan-schindl@med-
uniwien.ac.at
[4]. Das ist wesentlich für die Mineraldepotfunktion und die
Homöostase, aber vielfach auch, um die mechanischen Anfor-
derungen zu erfüllen. Seit Galileo ist ein Zusammenhang zwi-
schen Belastung und Form des Knochens bekannt. Ende des
19. Jahrhunderts beschrieb Julius Wolf die funktionale Adap-
tation von Knochenstruktur und -masse auf Gewebsebene [5].
Harold Frost entwickelte das Mechanostat-Konzept (siehe
Übersichtsartikel [6]). Hierbei handelt es sich um ein Modell,
welches das Knochenwachstum, Modelling und Remodelling
beschreibt.
Entsprechend den täglichen Anforderungen adaptiert der Kno-
chen also seine mechanische Funktion und somit seine Festig-
keit. Diese Kompressionsfestigkeit wird zu 60 % von der KMD
bestimmt, die übrigen 40 % sind erklärbar durch die Faktoren
Knochengröße (Querschnitt eines Röhrenknochens oder Wir-
belkörpers), Trabekelarchitektur (zahlreiche dünne Trabekel
sind effektiver als dicke diskonnektierte Trabekel), Knochen-
qualität (struktureller Aufbau und Materialeigenschaften) und
Funktionsfähigkeit der Osteozyten [7]. All diese Faktoren er-
möglichen die mechanischen Eigenschaften des Knochens: die
Festigkeit, Rigidität des Knochens auf der einen Seite und die
Elastizität auf der anderen Seite. Diese sind wichtig, denn der
Abbildung 1: Spannungs-Dehnungs-Diagramm
For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
160 J MINER STOFFWECHS 2012; 19 (4)
Abbildung 2: Das Mechanostat-Modell. Mod. nach [6].
Das Mechanostat-Modell
Knochen ist sehr unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt:
Kompression, Zugkraft und Torsion. Bedingt durch seine elas-
tischen Eigenschaften kann sich der Knochen in geringem
Umfang verformen.
Dieses Formveränderungsvermögen lässt sich mithilfe eines
Spannungs-Dehnungs-Diagrammes darstellen (Abb. 1). Bei
sehr geringen Spannungen kommt es zu leichten Verformun-
gen des Knochens, welche bei Entlastung vollständig reversi-
bel sind. Bei Belastung jenseits einer Dehngrenze beginnt sich
der Knochen plastisch zu verformen, es kommt also zu nicht-
reversiblen Veränderungen der Form. Die Verformung wird in
µStrain angegeben, wobei 1000 µStrain einer 0,1%igen Län-
genänderung entsprechen. Während im Tierexperiment Ver-
formungen bis zu 3500 µStrain gefunden wurden [8], konnten
in Humanstudien nur bis zu 2000 µStrain nachgewiesen wer-
den [9]. Auf jeden Fall ist die Mehrzahl der Belastungen sehr
gering (bis 10 µStrain), hohe Belastungen jenseits 1000 µStrain
sind sehr selten [10].
Mechanosensoren
Die meisten Zellen im Körper sind mechanosensitiv; die wich-
tigsten Mechanosensoren sind die Osteozyten, die durch ihre
3-dimensionale Verteilung im Knochengewebe und durch ihre
Verbindung untereinander in den Kanalikuli dafür prädestiniert
sind. In einem transgenen Mausmodell wurde die spezielle Rolle
der Osteozyten nachgewiesen: Osteozytenablation führte zu
einem porösen, fragilen Knochen mit Mikrofrakturen; die Tiere
waren aber resistent gegenüber einer Inaktivitätsosteoporose [11].
Körperliche Aktivität bedeutet eine mechanische Belastung des
muskuloskelettalen Systems. Die Belastung des Knochens
bedingt Flüssigkeitsverschiebungen innerhalb dieser Kanali-
kuli, weg von der Stelle großer Kompression und nach Entlas-
tung wieder zurück. Das führt zu Druckwellen zwischen 0,8
und 3 Pa [12], Scherkräften, Veränderungen des elektrischen
Feldes (interstitielle Flüssigkeitsverschiebungen vorbei an
geladenen Knochenkristallen) und auch Formveränderungen
der Zellen. Wichtig ist, dass sich nicht die statische Belastung
auf den Knochen auswirkt, sondern die intermittierende dyna-
mische Belastung – so wie es den Aktivitäten des täglichen
Lebens (z. B. Gehen) entspricht. Nur der dadurch hervorgerufe-
ne oszillierende Flüssigkeitsfluss hat einen osteogenen Effekt.
Mechanotransduktion
Die Mechanosensoren wandeln die mechanischen Kräfte kör-
perlicher Aktivität in biochemische Signale um, ein Prozess,
den man Mechanotransduktion nennt [13]. Verschiedene Me-
chanismen sind dabei bekannt: die Aktivierung von Ionenka-
nälen, welche über eine Zunahme von intrazellulärem Kalzi-
um Zytokinaktivitäten triggert, die Integrinproduktion, die
Aktivierung und Öffnung der interzellulären Kanäle und eine
etwas unklare Rolle der Zilien, welche sich bedingt durch die
Flüssigkeitsverschiebungen bewegen und so eine Interaktion
zwischen extrazellulärer Matrix und intrazellulären Signalen
ermöglichen.
Transmission zur Effektorzelle
Die durch mechanische Stimulation bedingten Scherkräfte
werden von Osteozyten wahrgenommen und führen zu einer
Modulation der Freisetzung verschiedener, für das Gleichge-
wicht des Knochenstoffwechsels wesentlicher Mediatoren. Die
Folge ist eine Steigerung der Osteoblasten- und Hemmung der
Osteoklastenaktivität. Eine Reihe solcher chemischer Media-
toren, welche im kanalikulären System zirkulieren, ist bekannt.
Beispielsweise wird die Produktion von Nitritoxid und Prosta-
glandinen induziert; Prostaglandine stimulieren die Osteoblas-
tenaktivität über die „insulin-like growth factors“ (IGF). Scle-
rostin wird unter mechanischer Stimulation weniger gebildet,
was über einen Wegfall der Inhibition des Wnt-Weges auch
zur Steigerung der Knochenformation beitragen kann. In Zell-
kulturen wurde gezeigt, dass das Verhältnis RANKL zu OPG im
Osteozyten und in der mesenchymalen Zelle unter Belastung
abnimmt; es wird auch „transforming growth factor-β“ (TGF-
β) produziert – beide inhibieren die Osteoklastogenese. Osteo-
blasten und Osteoklasten sind natürlich mit der Knochenmatrix
verbunden und die Deformation der Knochenoberfläche, wel-
che auch eine Deformation dieser Zellen bedeutet, führt zu
Veränderungen der Expression von RANKL und OPG, fördert
so die Produktion von Parathormon-related Protein der Osteo-
blasten. Diese zyklischen Anstiege von PTH-related Protein
sind eventuell Stimulatoren der belastungsbedingten periosta-
len Knochenformation. Eine solche Förderung der Osteoblas-
ten, bei Hemmung der Osteoklastenaktivität, führt letztlich zu
einer positiven Knochenbilanz (siehe Übersichtsartikel [14]).
!!
!!
!Das Mechanostat-Modell
Dieses Modell (Abb. 2) beschreibt, wie sich der Knochen den
täglichen Anforderungen entsprechend anpasst, um seine me-
chanische Funktion wahrzunehmen (siehe Übersichtsartikel [6]).
Regelmäßige Belastungen jenseits der Modelling-Schwelle von
etwa 1500 µStrain (z. B. in der Kindheit und Wachstumsphase
durch stete Zunahme von Körpergewicht und Muskelmasse)
sind ausschlaggebend für eine Zunahme von Knochenmasse
und Knochenfestigkeit. Sind Muskelmasse, Körpergewicht und
sportliche Aktivitäten relativ konstant, bedeutet dies mehr oder
weniger ähnliche Kräfte, welche auf den Knochen wirken,
wodurch Knochenmasse und -festigkeit erhalten bleiben.
Nimmt die Belastung auf den Knochen aber auf Werte unter
der Remodelling-Schwelle von etwa 800 µStrain ab (z. B. man-
gelnde sportliche Aktivität, Gewichtsverlust, Abbau von Mus-
kelmasse), kommt es zum langsamen Knochenmasseverlust.
Durch körperliche Aktivität/Sport ist es möglich, das Modelling
wieder anzukurbeln.
J MINER STOFFWECHS 2012; 19 (4) 161
Das Mechanostat-Modell
Abbildung 3: Schritte der Knochenadaptation an mechanische Belastungen und
Faktoren, welche die Adaptation beeinflussen
Tabelle 1: Unterschiedliche Beschleunigungen von Bewegun-
gen führen zu unterschiedlichen Veränderungen am Knochen
Beschleunigung Zunahme
1,1 g Kortikale Dicke
Kortikale Attenuation
Maximales kortikales Trägheitsmoment
2,5 g Umfang des Knochens
3,9 g Knochendichte
5,4 g Kortikaler Querschnitt
Einfluss durch unterschiedliche Kräfte
Die Kräfte, welche auf den Knochen wirken und die entspre-
chenden osteoanabolen Effekte haben, sind Kräfte durch den
Muskelzug und zumindest im Bereich des gewichtstragenden
Skeletts von der Schwerkraft abgeleitete Kräfte. Manche Stu-
dien deuten darauf hin, dass die Muskelkräfte mehr Bedeutung
haben [15, 16], andere Untersuchungen stellen die Bedeutung
der Muskelkraft zugunsten der Schwerkraft eher in den Hin-
tergrund [17, 18]. Die Datenlage ist somit noch nicht konklu-
siv. Gesichert ist, dass im normalen Alltag beide Faktoren eine
Rolle spielen.
Einfluss durch Belastungsform
Bei der Mechanostat-These findet keine Berücksichtigung, dass
der Knochen nicht nur in Abhängigkeit von der Größe der
Belastung reagiert, sondern auch gegenüber anderen mecha-
nischen Parametern sensitiv ist. Dazu zählt beispielsweise die
Frequenz der Belastung. Je höher die Frequenz der Belastung
ist, desto geringer ist das Ausmaß an Belastung, das ausreicht,
um die Knochenformation zu initiieren [19]. Im Tierexperi-
ment steigt auch die Zunahme der Bruchfestigkeit mit einer
Aufteilung der körperlichen Belastung in mehrere kleinere
Trainingseinheiten enorm an [20]. Auch die Beschleunigung
der Bewegung, gemessen mittels Accelerometer, ist entschei-
dend; eine vertikale, mindestens dem 3,9-Fachen der Erdbe-
schleunigung (3,9 g) entsprechende Beschleunigung ist osteo-
anabol [21]. Mit Sprungtraining und flottem Laufen ist dies zu
erreichen. Aber auch bei Sportarten mit geringerer Beschleu-
nigung sind positive strukturelle Effekte am Knochen zu ver-
zeichnen [22] (Tab. 1). Diese Veränderungen der Knochen-
geometrie tragen auch zur Stabilität des Knochens bei.
Einfluss durch hormonellen Status
Die Interaktion zwischen Sexualhormonen und mechanischer
Belastung ist sehr komplex. Körperliche Aktivität stimuliert
die periostale Knochenformation, während Östrogene gegentei-
lige Effekte haben. Deshalb wurde Östrogen teilweise auch als
„Antimechanostat“ bezeichnet. Dies ist im Einklang mit einer
Untersuchung, die zeigte, dass präpubertale Tennisspielerinnen
mit niedrigen Östrogenspiegeln deutlich höhere Effekte auf die
periostale Knochenapposition hatten als postpubertale Mädchen
[23]. Die Östrogengabe bei ovariektomierten Ratten reduzier-
te den trainingsinduzierten Zuwachs an periostaler Knochen-
apposition, reduzierte aber auch die endokortikale Resorption
mehr als Training allein [24]. Das würde bedeuten, dass Östro-
gen die Schwelle der minimalen effektiven Belastung nur en-
dokortikal oder trabekulär, nicht aber periostal reduziert. Um
festzustellen, ob die Östrogengabe antagonistische Effekte auf
die belastungsinduzierte periostale Knochenformation hat,
wurde die Ulna von jungen männlichen Ratten mit und ohne
Östrogentherapie (0,03 mg/kg) einer repetitiven mechanischen
Belastung unterzogen. Histomorphometrische Untersuchungen
zeigten klare Unterschiede in der periostalen Knochenformation
zwischen den beiden Gruppen: Die Östrogengabe reduzierte
die Knochenformationsrate um 43 % [25]. Tierexperimentelle
Untersuchungen deuten darauf hin, dass Hormonrezeptoren in
der Interaktion zwischen Sexualhormonen und mechanischer
Belastung wesentlich sein dürften. Bei weiblichen Mäusen ist die
Aktivierung von Östrogenrezeptor- (ER-) α essenziell für die
osteogene Antwort nach mechanischer Belastung; der ER-β
hemmt diese eher. Bei männlichen Mäusen hingegen ist die
Aktivierung von ER-α und ER-β nicht wesentlich für die opti-
male Antwort nach mechanischer Belastung; eine Aktivierung
des ER limitiert die anabole Antwort [26]. Die eingeschränkte
Adaptation auf mechanische Reize in der Menopause lässt sich
vielleicht durch eine Abnahme von ER erklären [27]. Dies wür-
de bedeuten, dass die Knochenzellen nicht adäquat auf Belas-
tung reagieren und somit trotz bestehender Belastung ein Zu-
stand der reduzierten Belastung entsteht.
!!
!!
!Zusammenfassung
Die Festigkeit des Knochens richtet sich nach den Belastun-
gen, welchen er ausgesetzt ist (Abb. 3). Schwerkraft und die
durch den Muskelzug am Knochen bedingten Kräfte führen zu
minimalen Verformungen des Knochens und Verschiebungen
der intrakanalikulären Flüssigkeit. Osteozyten nehmen als
Mechanosensoren diese Veränderungen wahr. Es folgt der Pro-
zess der Mechanotransduktion, also die Umwandlung mecha-
nischer Kräfte in biochemische Signale, und über die Trans-
mission die Aktivierung von Osteoklasten und Osteoblasten.
Diese sind entscheidend für Veränderungen in Knochenmasse
und Knochengeometrie, welche beide für die Knochenfestig-
keit bestimmend sind. Übersteigt die Verformung des Knochens
einen bestimmten Grenzwert, wird die Knochenfestigkeit durch
Osteoblasten erhöht, sodass die Verformung wieder unter die-
sen Grenzwert fällt. Wird andererseits ein anderer, niedrigerer
Grenzwert nicht regelmäßig überschritten, wird Knochen durch
Osteoklasten abgebaut, sodass die Verformung wieder in ei-
nem Bereich zwischen den Grenzwerten liegt. Durch diese stän-
dige Regulation, welche im Mechanostat-Modell von Harold
162 J MINER STOFFWECHS 2012; 19 (4)
1.
Zerwekh JE, Ruml LA, Gottschalk F, et al.
The effects of twelve weeks of bed rest
on bone histology, biochemical markers of
bone turnover, and calcium homeostasis
in eleven normal subjects. J Bone Miner
Res 1998; 13: 1594–601.
2. Kontulainenen S, Sievänen H, Kannus P,
et al. Effect of long-term impact-loading on
mass, size, and estimate strength of humer-
us and radius of female racquet-sports
players: a peripheral quantitative com-
puted tomography study between young
and old starters and controls. J Bone
Miner Res 2002; 17: 2281–9.
3. Bemben DA, Bemben MG. Dose-re-
sponse effect of 40 weeks of resistance
training on bone mineral density in older
adults. Osteoporos Int 2011; 22: 179–86.
4. Parfitt AM. The physiological and clini-
cal significance of bone histomoropho-
metric data. In: Recker RR (ed). Bone histo-
morphometry: techniques and interpreta-
tion. CRC Press, Boca Raton, FL, 1983;
143–223.
5. Wolff H. Das Gesetz der Transformation
der Knochen. Hirschwald, Berlin, 1892.
6. Frost H. The Utah paradigm of skeletal
physiology: an overview of its insights for
bone, cartilage and collagenous tissue
organs. J Bone Miner Metab 2000; 18:
305–16.
7. Weinstein RS. True Strength. J Bone
Miner Res 2000; 15: 621–5.
8. Rubin CT, Lanyon LE. Dynamic strain
similarity in vertebrates; an alternative to
allometric limb bone scaling. J Ther Biol
1984; 107: 321–7.
9. Burr DB, Milgrom C, Fyhrie D, et al. In
vivo measurement of human tibial strains
during vivorous activity. Bone 1996, 18:
405–10.
10. Fritton SP, McLeod KJ, Rubin CT. Quan-
tifying the strain history of bone: spatial
uniformity and self-similarity of low-mag-
nitude strains. J Biomech 2000; 33: 317–
25.
11. Tatsumi S, Ishii K, Amizuka N, et al.
Targeted ablation of osteocytes induces
osteoporosis with defective mechanotrans-
duction. Cell Metab 2007; 5: 464–75.
12. Weinbaum S, Cowin SC, Zeng Y. A
model for the excitation of osteocytes by
mechanical loading-induced bone fluid
shear stresses. J Biomech 1994; 27: 339–
60.
13. Rubin J, Rubin C, Jacobs CR. Molecu-
lar pathways mediating mechanical sig-
nalling in bone. Gene 2006; 367: 1–16.
14. Bergmann P, Body JJ, Boonen S, et al.
Loading and skeletal development and
maintenance. J Osteoporos 2010; 2011:
786752.
15. Lu TW, Taylor SJ, O’Connor JJ, et al.
Influence of muscle activity on the forces
in the femur: an in vivo study. J Biomech
1997; 30: 1101–6.
16. Hamrick MW, Samaddar T, Pennington
C, et al. Increased muscle mass with myo-
statin deficiency improves gains in bone
strength with exercise. J Bone Miner Res
2006; 21: 477–83.
17. Snow-Harter C, Bouxsein ML, Lewis
BT, et al. Effects of resistance and endur-
ance exercise on bone mineral status of
young women: a randomized exercise in-
tervention trial. J Bone Miner Res 1992;
7: 761–9.
18. Wren TAL, Kim PS, Janicka A, et al.
Timing of peak bone mass: discrepancies
between CT and DXA. J Clin Endocrinol
Metab 2007; 92: 938–41.
19. Hsieh YF, Turner CH. Effects of loading
frequency on mechanically induced bone
formation. J Bone Miner Res 2001; 16:
918–24.
20. Robling AG, Hinant FM, Burr DB, et al.
Improved bone structure and strength af-
ter long-term mechanical loading is great-
est if loading is separated into short bouts.
J Bone Miner Res 2002; 17: 1545–54.
21. Vainionpää A, Korpelainen R, Vihriälä
E, et al. Intensity of exercise is associated
with bone density change in premenopau-
sal women. Osteoporos Int 2006; 17: 455–
63.
22. Ahola R, Korpelainen R, Vainionpää A,
et al. Time-course of exercise and its as-
sociation with 12-month bone changes.
BMC Musculoskeletal Disorders 2009; 10:
138.
23. Ducher G, Bass SL, Saxon L, et al. Ef-
fects of repetitive loading on the growth-
induced changes in bone mass and cortical
bone geometry: a 12-month study in pre/
peri- and postmenarcheal tennis players.
J Bone Miner Res 2011; 26: 1321–9.
24. Chen JL, Yao W, Frost HM, et al. Bipe-
dal stance exercise enhances antiresorp-
tion effects of estrogen and counteracts
its inhibitory effect on bone formation in
sham and ovariectomized rats. Bone 2001;
29: 126–33.
25. Saxon K, Turner CH. Low-dose estrogen
treatment suppresses periosteal bone for-
mation in response to mechanical loading.
Bone 2006; 39: 1261–7.
26. Callewaert F, Sinnesael M, Gielen E,
et al. Skeletal sexual dimorphism: relative
contribution of sex steroids, GH-IGF1, and
mechanical loading. J Endocrinol 2010;
207: 127–34.
27. Lanyon L, Skerry T. Postmenopausal
osteoporosis as a failure of bone’s adap-
tation to functional loading: a hypothesis.
J Bone Miner Res 2001; 16: 1937–47.
Frost beschrieben wird, ist ein Maximum an Knochenfestig-
keit bei gleichzeitigem Minimum an Masse und Gewicht ge-
geben. Es gibt aber verschiedene Faktoren, die ausschlagge-
bend dafür sind, wie sehr das Skelett auf mechanische Reize
anspricht. Zu diesen zählen neben Genetik, Geschlecht und
Alter auch die Belastungsform (Ausmaß der Belastung, Anzahl
der Belastungszyklen, Belastungspausen etc.) sowie die hor-
monelle Situation.
!!
!!
!Interessenkonflikt
Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur:
Das Mechanostat-Modell
!!
!!
!Relevanz für die Praxis
1. Mechanische Belastung muss dynamisch sein, um os-
teoanabol zu sein; statische Belastung führt nicht zu den
dafür nötigen Flüssigkeitsverschiebungen im intraka-
nalikulären System des Knochens.
2. Regelmäßige Belastungen müssen jenseits der Model-
ling-Schwelle von etwa 1500 µStrain liegen, um osteo-
anabol zu sein. Überschreiten die Belastungen auf den
Knochen die Remodelling-Schwelle von etwa 800 µStrain
nicht regelmäßig, kommt es zum Knochenmasseverlust.
3. Der Muskelzug am Knochen und die Schwerkraft sind
ausschlaggebend für die Effektivität der Belastung.
4. Intensität, Frequenz und Beschleunigung der Bewegung
haben Einfluss auf die Veränderungen in Knochendichte
und -geometrie.
5. Sexualhormone und deren Rezeptoren im Knochen
modulieren ebenfalls die Reaktion der Knochenzellen
auf mechanische Belastung.
Krause & Pachernegg GmbH · Verlag für Medizin und Wirtschaft · A-3003 Gablitz
Wir stellen vor:
Journal für Pneumologie
Homepage:
www.kup.at/pneumologie
Haftungsausschluss
Die in unseren Webseiten publizierten Informationen richten sich ausschließlich an ge-
prüfte und autorisierte medizinische Berufsgruppen und entbinden nicht von der ärzt-
lichen Sorgfaltspfl icht sowie von einer ausführlichen Patientenaufklärung über therapeuti-
sche Optionen und deren Wirkungen bzw. Nebenwirkungen. Die entsprechenden Angaben
werden von den Autoren mit der größten Sorgfalt recherchiert und zusammengestellt. Die
angegebenen Dosierungen sind im Einzelfall anhand der Fachinformationen zu überprüfen.
Weder die Autoren, noch die tragenden Gesellschaften noch der Verlag übernehmen irgend-
welche Haftungsansprüche.
Bitte beachten Sie auch diese Seiten:
Impressum Disclaimers & Copyright Datenschutzerklärung
Fachzeitschriften zu ähnlichen Themen:
Journal für Gastroenterologische und
Hepatologische Erkrankungen
Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel
Journal für Mineralstoffwechsel
P
PP