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Lalebuch, Schildbürgerbuch, Grillen-, Hummelnvertreiber. In: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon. Hg. von WILHELM KÜHLMANN u.a. Bd. 4. Berlin, Boston 2015, Sp. 13-26.

Authors:
L
Laetus /Frölich, Georg
Lalebuch (Schildbürgerbuch; Grillen-,
Hummelnvertreiber)
Anonyme Schwankromane
I. Druckgeschichte und Verfas-
serschaft
Das L. (Wc1) erschien 1597, avisiert in
drei Katalogen zur Frankfurter und Leip-
ziger Fastenmesse dieses Jahres, laut Titel-
blatt in Laleburg, dem in Vtopia gelegenen
Dorf der Helden. Der tatsächliche Druck-
ort ist wie die Offizin strittig (Str.: Bern-
hard Jobin Erben?, Mömpelgard: Jacob
Foillet?; vgl. Fay 1989). Unlösbar verrät-
selt ist deß Authors Name, den man den
passenden Lettern eines von Abis zbeige-
druckten Alphabets ablesen soll. Der in
solchem Kontext parodistische Appell, das
Werk nicht nachzudrucken, wirkte als
anonyme Einladung. So erschien im Jahr
darauf, ebenfalls pseud-anonym, das
schon zur Herbstmesse 1597 in drei Kata-
logen mit dem Untertitel des L.s ange-
zeigte Schildbürgerbuch (= Sch.; Wc2),
verfasst und verlegt in Misnopotamia von
einem nach dem hebr. ABC so genannten
Aleph / Beth / Gimel / der Festung Ypsi-
lonburger Amptman. Das evtl. bei Paul
Brachfeld (Fay 1989) in Frankfurt/Main
gedruckte Plagiat erhielt eine neue Vor-
rede, benannte die Lalen oder Lalebürger
in Schiltbrger um und verortete sie in
Schiltburg,-berg oder Schilde in Misnopo-
tamia hinder Vtopia bzw. in Calecutia.
Zudem ergänzte und strich der Anonymus
wenige Sätze, fügte ein Kapitel-Register
und Eingangsverse bei und tilgte die dem
L. angehängten newe[n]Zeitungen auß
der gantzen Welt (= NZ), auf die in
Kap. 16 gleichwohl verwiesen blieb. Das
„höchst artistische, tief- und hintersin-
nige“ L. (Wunderlich 1980, 40) war da-
mit verstümmelt. Das Original überlebte
nur in der Erstaufl., während sein Imitat
noch 1598 zu drei weiteren Aufl.n kam
und bis 1700 auf gut 20. 1603 wurde das
Sch. von einem pseudonymen Conradus
Agyrta von Bellemont zum Grillenvertrei-
ber (= G.) umgearbeitet und aufgestockt
und 1605 um den Hummelnvertreiber (=
H.) erweitert (Wc3).
Lange strittig war die Werkfolge, ob
das L. primär oder Bearb. des Sch.s ist.
Honeggers (1982) ‚Präzedenztheorie‘ des
Sch.s, die aufgrund der vermeintlichen
‚Mischausg.‘ von 1614 drei Ausg.n vor
den ältesten erhaltenen supponierte, hat
Ertz (1989) im Sinne der Priorität des L.s
widerlegt (vgl. Kalkofen 1991). Für die
Beweisnöte der Fahndung nach dem Autor
stehen zwölf von Wunderlich (1982b,
661) gelistete Literaten, die das Suchbild
(humanistisch erudiert, jur./kanzlistisch
geschult, elsässisches Idiom) zutage för-
derte. Nicht die Erzählweise, aber Stil, Le-
xik und satirischer Skopus brachten Jo-
hann /Fischart († 1591) postum in den
Hauptverdacht; Honeggers (1982, 1992)
biographistische Argumente haben ihn
keinesfalls erhärtet (Müller 1994). Wer
den Autornamen im ABC-Rätsel sucht,
agiert lalisch (Bachorski 2006, 263f.).
Analog führt im sprachlich oberhessischen
(evtl. westerwäldischen: Bahder, A1,
XXXIXf.) Sch. Aleph / Beth / Gimel die
Anagramm-Mode parodistisch ad absur-
dum. Über das Hans von grossen Linden
in den Mund gelegte Eingangsgedicht kam
Hepding (1941) aber auf den in Großen-
Linden b. Gießen tätigen Schulmeister Jo-
hannes Mercator von Zierenberg (1566−
15 Lalebuch
1625) und über die ebenfalls oberhessi-
sche Sprachherkunft des G./H. zur anspre-
chenden Hypothese der Identität des Au-
tors von Sch. und G./H., die schon Bah-
der (A1, XXIIIff., XLI) aufgrund des Dia-
lekts postulierte. Das Pseudonym fügt sich
leidlich: Agyrta (griech. ‚Gaukler‘ Krä-
mer/Mercator) von Bellemont (Zieren-
berg). Evtl. war der Wunsch des Verlegers
nach einem neuen Autor, Titel und Namen
der Helden sowie einer Fortsetzung für
Mercator Movens, das nach dem Anfangs-
erfolg von 1598 erst wieder 1605 verlegte
Sch. durch den G./H. zu besserem Absatz
zu rüsten. Schon aus sprachlichen Grün-
den hinfällig ist die Zuweisung des gesam-
ten Werkkomplexes an den kursächsi-
schen Richter Hans Friedrich von Schön-
berg, für den Jeep (1890, 37−70) die Her-
kunft aus „Schildau im Flußland Meißen“
(Schilde in Misnopotamia) ins Feld führte,
obgleich bereits Schoettgen (1747, 10)
nachwies, dass das Sch. „nicht von der
Stadt Schilda in Meissen“ handle. − Wag-
ner (A5) und Bahder sprachen dem L.-
Autor die NZ aus zeitlichen oder dialekta-
len Gründen ab, neuere Arbeiten aber aus
sinnfunktionalen wieder zu (Seelbach
1999; Bässler 2003, 300f.; Bachorski
2006, 268f.).
II. Thematik und Interpretation
Im Eyngang in die L.-Histori erzählt der
impersonal eingeführte Aabc[ ] in Ich-
Form, wie er vor Beginn des Reichstags in
Utopiens Hauptstadt Vthen (Nirgend-
heim) vom nahen See aus die Ruinen Lale-
burgs sah und vom Schiffer die wunder-
barlichste[n]Geschichten seiner Bewohner
erfuhr. Da sie noch nie beschrieben, aber
kurzweiliger seien als die Zotten im Roll-
wagen, Gartengesellschaft und dgl., habe
er sie in ein Ordnung gebracht und ver-
zeichnet, später aber auch in wurmigen
Exemplaria entdeckt. Die Lalen sind − ihr
Name, griech. Schwetzer (
λαλεı
˜ν
reden),
bezeuge es − Nachfahren eines aus Grie-
chenland verbannten Weisen, die, aus sei-
ner Weisheit Schaden klug geworden, als
Bauern lebten, bis man sie als weise Fürs-
tenratgeber in alle Welt rief, was den Ruin
16
ihres den Frauen überlassenen Dorfes zur
Folge hatte. Von diesen zurückbeordert,
nahmen sie sich zur Vermeidung weiterer
Ratsdienste der Narrheit an und bauten zu
deren Ausweis ihr tür- und fensterloses
Rathaus dreieckig. Doch bald bewahrhei-
tete sich Ciceros in Kap. 12 u. 30 zitiertes
Dictum consuetudo est altera natura: Die
Gewohnheit − hier: die simulierte Tor-
heit − ging in Fleisch und Blut über. All
ihre Aktionen − ökonomische (Salzsaat),
kulturelle (Reim- und Rätselwettstreit),
politische (Schultheißwahl, Kaiseremp-
fang) − gerieten derart aberwitzig, dass ih-
nen der Kaiser Narrenfreiheit verbriefte.
Am Ende führten ihre Realitätsverluste
und Fehlschlüsse dazu, dass sie ihr Dorf
anzündeten, um eine Vieh vnd Leut fres-
sende Katze zu vertreiben. Sie gaben Lale-
burg auf und verbreiteten sich und die
Narrheit in die Welt. Dem L. Nicht ohne
sonderbare Vrsachen angehengt folgen in
1089 dürftig paargereimten Versen die
NZ, 18 Lügengeschichten von Wanderge-
sellen, deren erlogenste der Wirt mit dem
Erlass der Zeche prämieren will.
Das Stoffsubstrat des L.s bot die
Schwank- und Narrenliteratur des
16. Jh.s, in der mündlich verbreitete,
volkskundlich sog. ‚Ortsneckereien‘ (Bau-
singer 1961) von der kollektiven Narr-
heit zumeist fingierter, fast immer bäuerli-
cher Gemeinwesen erzählen. Das L. und
seine Derivate siedelten sie in oder bei
Vtopia an, einem Diskursort. Bahder be-
legt gut ein Dutzend dt. Quellen von Eras-
mus /Alberus bis zur Zimmerischen
Chronik, auch Poggio Bracciolinis Face-
tiae und Johannes /Gasts Sermones con-
vivales (weitere: Trümpy 1967, 772; Be-
cker 2000; Velten 2004, 727), dazu be-
zeugtes, hier zuerst literarisiertes Erzähl-
gut. Das Gros der Schwänke lieferten
Hans Wilhelm /Kirchhof und Jacob
/Frey, schon verkettete Hans /Sachs’
Lappenhawser paüren und Valentin
/Schumanns Nachtbüchlein, das auch
Teile der NZ beitrug. Inklusive der allu-
dierten (Kap. 11 die Propheten Beer des
Ulenspiegel) brachte das L. ca. 50 Stoffe
auf die Zeitachse von Anfang bis Ende La-
leburgs und hob sie auf elaboriertes
17 Lalebuch
Sprachniveau. Die stringente, auf Ent-
wicklung gerichtete Struktur formt einen
Roman aus (Rahmen, Exposition/Vexor-
dium,Narration), ihre streckenweise Dis-
pensierung durch unverknüpfte Episoden
(Kap. 31−43) ist narratives Kalkül, das die
frohin nicht mehr auß Weyßheit betrie-
bene Narrey als finale Demenz der Lalen
markiert (Bässler 1997, 77−82). Bis zur
Peripetie im Narrheitsbeschluss waren
keine Vorlagen nötig: Integrierend wirkt
die Idee der Willignarrn und der Habitua-
lisierung der Torheit zum Wesenhaften bis
in die Regression (Schmitz 1973). Sinn-
fällig ist der Name, der die Eloquenz des
Ahnherrn, das süddt. Spottwort für Dep-
pen und kindlich onomatopoetisches Spre-
chen in sich vereint und als Anagramm
letztlich alle meint − die als liebe Lalen an-
geredeten Leser wie den selbstironischen
Erzähler, einen nrrschen Kopff. Der ist
äußerst unzuverlässig: Er pflegt wie der
Titel des vnbeschriebene[n], doch Autho-
ren verdankten L.s gern das Selbstde-
menti, hebt an im Chronikstil, beglaubigt
Faktizität durch Ruinen, Bücher, aber
auch Zirkelschlüsse (Kap. 1) und endet
mit der Frage: Wer weist obs nicht wahr
ist? Heterodiegetischer wechselt mit ho-
modiegetischem Standpunkt, das über die
Lalen Erfahrene mit unter ihnen Erlebtem
(Kap. 16), was als Narration folgen soll,
heißt drei Zeilen später Lalespil mit dem
Erzähler als Leiter (Kalkofen 1999; Em-
melius 2011). Die Metalepsen von Retro-
spektive und Präsenz, histori und spil, er-
zeugen ein paradoxes Erzählen, das die
Logik der Lalen kongenial abbildet und
den Erzähler als einen von ihnen sugge-
riert. Virtuos wie mit der Narration spielt
er auch − wenn sein Hu hu husten ihn
lässt − sprachlich, mit komischen Mitteln
lexikalisch (Pleonasmen, Malapropismen,
Verballhornungen, Bandwurm-Kompo-
sita) wie syntaktisch (Prosareime, Interjek-
tionen, Reprisen, Synonymenhäufungen)
mit Fischart gleichauf. Das für die Schreib-
art menippeischer Satire zudem konstitu-
tive Prosimetrum bringt sich in Prosaparo-
dien (Chronik, Brief, Disputation, Predigt,
Urkunde) und Versinseraten (Sprichwort-
ketten, Priamel, Fabel, Rätsel) zur Gel-
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tung. Eigenleben entfalten in dieser Poly-
phonie v. a. die Proverbien und Redensar-
ten (Bässler 2003), deren Bildebene die,
die ‚sich zum Narren machen‘, immer nur
proprie verstehen, bis ihnen selbst das
Wörtlichnehmen misslingt und sie den
Krebs, dem Sprichwort zum Trotz, durch
Ertränken ‚strafen‘ (Kap. 41). Ähnlich
geht es den Orientierungsleistungen von
Exemplum, Experiment, Analogie u. ä.,
denen es bei den Lalen nicht gelingt, den
konkreten Fall als regelhaften einsichtig
und zur Erfahrung zu machen. Ermutigt
durch das Exempel vom misslungenen Ex-
periment, Teig in Wasser zu backen, gehen
sie den Lichttransport in Eimern an
(Kap. 10). Es ist v. a. das Ignorieren ba-
nalster Erfahrung, die Komik der Auf-
wanddifferenz, durch die die Lalen bei
körperlicher (Kap. 8) wie gedanklicher
Arbeit zu lachen geben: Die absurdeste
Causa (Kap. 36 die Quaestio ‚hat man sei-
nen Kopf immer dabei?‘) wird disputativ
traktiert und mit falschen Syllogismen und
Enthymemen methodisch kontrolliert in
fallaciae, die Fehlschlüsse dialektischer
Logik überführt (Becker 2000; Dicke
2011).
Die Auseinandersetzung mit scholasti-
scher Episteme ist im L. zentral, weil eng
mit dem zweiten Diskursfokus Utopia ver-
knüpft. Thomas Morus, dem Autor des
Architextes, widmete Erasmus sein Morias
encomium (1509), in dem die stultitia es
weise nennt und für prudentielle Lebens-
klugheit ausgibt, sich bei rechter Gelegen-
heit dumm zu stellen (Hübner 2008,
370f.). Das L. lässt seine ‚Weisen‘ die Sa-
che ausprobieren und daran zugrundege-
hen. Ihre Disputation (Kap. 6) nimmt An-
leihe bei Cicero (Contrariorum sind ja
contraria consequentia): War die Weisheit
Ursache für Laleburgs Niedergang, kann
nur ihr Gegenteil das Gegenteil davon be-
wirken. Im Diskurs der Topik stand die
Formel jedoch für das axiomatisch Unver-
einbare, das man gerade am Gegensatz sa-
pientia :stultitia exemplifizierte. ‚Weise‘
und ‚töricht‘ zugleich geht nicht zusam-
men; wer sich der Weisheit begibt, um die
Lage ins Gute zu wenden, hat sie nie be-
sessen. De facto war die Torheit keine an-
19 Lalebuch
gewöhnte altera natura der Lalen, sondern
schon ihre erste, sonst wäre im auswärti-
gen Dienst ihr Dorf nicht verkommen,
hätten die ‚weisen‘ Räte keines Rats ihrer
Frauen bedurft (Dicke 2011; zum Ge-
schlechterdiskurs: Bachorski 2006).
Nach der gleichen Denkfigur war − in sati-
rischer Absicht − auch Morus’ Utopia
(1516) konstruiert, wo man sich auf dem
locus a contrario vom Gegenteil zum be-
stehenden malum ein bonum erhofft und
etwa den als Übel erachteten Privat- durch
Gemeinbesitz ersetzt. Auf sie referiert das
L. über ein dichtes intertextuelles Netz
(Berns 1995; Bachorski 2006). Aus Vto-
pia stammen die Lalen, der Erzähler, die
Erstausgabe; Hythlodaeus (‚Schwätzer‘)
heißt Morus’ Berichterstatter von dort,
m.o.r.o.s.
(‚Narr‘) der erste Schultheiß im
L., ein Reflex auf Erasmus’ Spiel mit Mo-
rus in der Dedikation des Morias enco-
mium. Hinzu kommen Handlungszitate
des L.s (Haustausch, Kap. 30) und der in
der Utopia geführte Disput um die im Eu-
dämonie-Diskurs zentrale Frage, ob Philo-
sophen an Regierungen mitwirken sollten
(Velten 2004). Die Antwort des L.s ist
eindeutig: Der eponyme Philosophenahn
scheitert, der Staatsdienst wird den Erben
zur Crux, ihr Laleburger Regiment ein Fi-
asko. Wie in Utopia ist der gemein nutz
den Lalen Grundgesetz, doch produziert
dieses nichts als gemeinen Schaden und er-
weist ihn nur nützlich, Eigennutz zu ver-
brämen (Bachorski 1995). Je stärker der
Bürgerdünkel, umso verbauerter, arbeits-
fauler, triebgelenkter sind sie gezeichnet.
Der göttliche Ordo wird aber nur (anders
Ertz 1965a) ironisch beschworen: Die
epimythischen Schlussverse, an gottgege-
bener Weisheit festzuhalten, zielen als De-
monstrandum zurück auf den Leserappell,
als Exempel / darauß zu lernen (Kap. 1),
und machen das L. selbst − wie all seine
Exempel − zur Parodie lehrhaft-exempla-
rischen Erzählens (Hübner 2008).
Die häufige Rubrizierung des L.s als sa-
tirische Parodie der Utopia vereindeutigt
diese zur Eutopie und ignoriert die ironi-
sche Haltung der Textfigur Morus zum
Idealstaatskonzept, der daran manches
‚ungereimt‘ (absurde) vorkam (Berns
20
1995, 167). Das L. radikalisiert diese
Skepsis, dekonstruiert den Denkansatz des
Modells und übersteigert seine Konse-
quenzen ins Dystopische, wahrlich Ab-
surde. Seinem idealistischen Menschen-
bild, der seinsollenden conditio humana,
hält es die von Erfahrung gelehrte entge-
gen − ohne positiven Entwurf und zu sar-
kastischem Verlachen (Auteri 1992; Ba-
chorski 2006).
III. Rezeption
Statt produktiver Rezeption erfuhr das
L. durch das Schildbürger b u c h von
1598 destruktive. Bis auf die Namen blieb
die Erzählung identisch, doch fielen der
neuen, unstimmigen Vorrede Erzählerfigur
und -rahmen des L. zum Opfer. Hier er-
zählt ein ich davon, dass der König ex
terra ignota Kundschafter zu den Schild-
bürgern schickt, weil diese nichts ver-
schriftlichen und jhre Sachen also heimlich
halten. Jene erleben, wie die Schildbürger
einer entfallen Rede nachgraben, das Loch
auf Torenart für einen Brunnen ausmessen
und zur Versenkung des Aushubs ein zwei-
tes graben. Mit dem alle meinenden Lale-
Namen und der Ubiquität Laleburgs blieb
das tua res agitur des L. auf der Strecke
(Behr 1999, 62f.). Schiltburg/Schilde
wurde als realer Ort missverstanden, so
dass bald jeder Ort mit Schilt im Namen
als angeblicher Schauplatz des vermeintli-
chen Schlüsselromans zu übler Fama kam
(Wunderlich 1982b, 668−671; Vick
2000), voran, bestärkt durch Merians
sächsische Topographie (1650), das dor-
tige Schilda, das ein westmd. Autor weder
gekannt, noch zur ‚Ortsneckerei‘ hinder
Vtopia verlegt haben dürfte. Der Name
mag von ‚Wappen‘ abgeleitet sein, macht
seine Träger aber nicht zu ‚Wappennarren‘
(Ertz 1965b u. a.).
Bis auf die Vorrede über die schwierige
Abgrenzung von Torheit und Klugheit be-
treibt der Grillenvertr e i b e r von 1603
weitere Trivialisierung des Stoffs. Teil 1
bietet grosso modo das um vier Episoden
ergänzte und um die zotigen Rätsel berei-
nigte Sch. Die Helden heißen nun Wit-
zenbrger, stammen von griech. Dores ab
21 Lalebuch
und siedeln in Misnopotamia (aus griech.
Schwtzer!). Teil 2 baut die Schwänke der
Sch.-Vorrede aus: Gesandte aus klein
Witzky werden im neuerbauten Witzen-
burg an Torheit übertroffen und sollen die
Mission deshalb wiederholen, was ihre ei-
genen, aus vielerlei Schwankquellen (vgl.
Jeep 1890, Anh. I) gestückelten Possen
vereiteln. Im Zentrum steht diese zweite
rivalisierende, von Handwerkern domi-
nierte Narrensozietät von fadem Witz und
klamaukhafter Komik. Teil 3, die Hum-
meln, laut Vorrede ein Supplement, neh-
men sich im Werkkomplex als Fremdkör-
per aus. Erzählt sind mäßig komische Dis-
pute im Witzenburger Parlament, so um
die Zulassung von Bettlern, deren Orden
in Auszügen des anonymen Liber vagato-
rum (1510) vorgestellt wird, dann um eine
Zucht vnd Regiments Ordnung, die gebie-
tet, was sonsten in gemein verbotten ist,
und teils prosaifiziert, teils wörtlich den
Versen der dt. Grobianus-Version Kaspar
/Scheits folgt (Jeep, Anh. II). Trotz eini-
ger Reflexe auf das Sch. ist das Flickwerk
in nichts mit ihm stimmig und nur nomi-
nell Teil einer Trilogie, für die es wohl Zei-
lengeld gab. Wissenschaftliche Beachtung
verdient dagegen die anonyme dt. Übers.
von Jean Gracieux’ (Bruscambille) Fantai-
sies im Anhang der Aufl. von 1670. Um
1698 besorgte Pomponius Filtzhut (das
Pseudonym nach Kap. 21) ein nach der
ersten illustrierten Ausg. (um 1680)
sprachlich erneuertes, späterhin von An-
dreas Gryphius’ Komödienheld Peter
Squentz ‚herausgegebenes‘ Sch., das um
1700 als Shild burger ins Jiddische über-
setzt wurde (s. Bernuth [im Druck]).
L. und Sch. machten das schon antike
Motiv (Abdera: Röcke 2011) der Narren-
gemeinde sprichwörtlich (Heinrich Heines
Seufzer O Schilda mein Vaterland) und
regten zahlreiche Dichtungen und Neube-
arb.en an (Christoph Martin Wieland,
Karl Arnold Kortum, Andreas Georg
Friedrich von Rebmann, Ludwig Tieck,
Gottfried Keller), die die Narren oft zeitsa-
tirisch als Inbegriff des Klein- und Spieß-
bürgertums beanspruchten. Von Joseph
Görres unter die ‚Volksbücher‘ gezählt,
machten die Ausgaben Gustav Schwabs,
22
Oswald Marbachs und Karl Simrocks nur
das Sch. dazu und ließen die drolligen
‚Streiche‘ die stille Einfalt ‚der guten al-
ten Zeit‘ bezeugen. Erich Kästners und
Otfried Preußlers Kinderbuchversionen
brachten sie in die Augsburger Puppen-
kiste, die im Titel ‚Wir Schildbürger‘ den
Anhauch der Ursprungsversion erfuhr. Die
Wirkungsgeschichte von L. und Sch. ist
erst in Ansätzen geschrieben (Wunder-
lich 1980; Röcke u. Schmitz 2004), ihre
Ikonographie noch nicht.
IV. Werk- und Literaturverzeichnis
[Wc ] 1.Das Lalebuch. Wunderseltzame [...]
Geschichten vnd Thaten der Lalen zu Laleburg.
[...] Durch: A a b c d e f g h i k l m n o p q r s t u
w x y z. [...] Die newe Zeitungen auß der gantzen
Welt / findestu zu Ende [...] angehengt. Gedruckt
zu Laleburg / Anno 1597 [Str.: Bernhard Jobin Er-
ben?; Mömpelgard: Jacob Foillet?] (Bahder, A1:
A; Hesse 1929, Nr. 1; Gotzkowsky 1991,
Nr. G.10.1; bibliographische Nachweise werden
im Folgenden in dieser Reihenfolge als Siglen an-
geführt). − 2. Die Schiltbrger. Wunderselzame
[...] Geschichten vnd Thaten der obgemelten
Schiltbrger in Misnopotamia hinder Vtopia gele-
gen. [...] Durch M. Aleph / Beth / Gimel / der Fes-
tung Ypsilonburger Amptman. [...] Gedruckt in
Verlegung deß Authoris in der Festung Misnopo-
tamia / 1598. o. O. (B; 2; G.17.1; zu Änderungen
gegenüber A s. o. I. u. III.); 3 weitere Ausg.n o. O.
1598 (B-C; 3; G.17.2; Kap. 42 fehlt, 4 Zusatzhis-
torien am Ende; desgl. C; 4; G.17.3; D; 5; 17.4;
ohne Kap. 43, 45 u. Zusatzhistorien); 1655 (−; 12;
G.13.5; nach B); 1659 (K; 14; G.13.7; nach D);
1659 (L; 15; G.13.8; nach B); Der Schiltbrger
(nach B-C): 2 md. Ausg.n o. O. 1605 (E; 6; Gotz-
kowsky 1994, G.13.1; F; 7; G.13.2); 1649 (H; 11;
G.13.3); 1652 (−; −; G.13.4); 1658 (I; 13; G.13.6;
lat. Worte getilgt oder übersetzt); [17. Jh.] (O; 18;
G.13.11); Dass. (nach L). o. O. 1665 (M; 16;
G.13.9); 1678 (N; 17; G.13.10); nicht zuzuord-
nen: Schiltbürger. o. O. 1698 (Gotzkowsky
1994, 178; ohne Ex.); Schild-Bürger. o. O. [17.
Jh.?] (Wunderlich 1982b, 653; Ertz 1989, Nr.
10;unikales Ex. Hann., LB); Das Lalenbuch. o. O.
1614 (G; 8; G.10.1; nach B; Titelanleihe bei A,
Namenswechsel v. Schilt- zu Lale(n)bürger/-burger
ab Widerdruck der Lage D; s. Ertz 1989); [um
1680] (P; 19; G.10.2; mit Korrekturen, 13 Holz-
schnitte); 3 weitere Ausg.n [17. Jh.] (Q; 20;
G.10.3, Tilgung geistlichen Spotts u. anstößiger
Lexik; desgl. Q; 21; 10.4 u. Q; 22; G.10.5). − 3.
Grillenvertreiber / Das ist: Neuwe wunderbarliche
23 Lalebuch
Historien / [...] So wol von den Witzenbrgischen
als auch Calecutischen Commissarien vnd Parla-
ments Herren [...]. In zwey Bcher abgetheilet:
Durch Conradum Agyrtam / von Bellemont.
Sampt vorgehendem Formular [...] wie man obge-
dachten [...] Herren jhren Knttel (Titul) geben
soll. Ffm.: Joachim Brathering 1603 (W; 27;
Gotzkowsky 1994, G.1.1; erweiternde Neube-
arb. v. 2.); [Dass.] [...] mit dem dritten Buch [...]
vermehret [...]. [separater Titel, a I
r
:] Hummeln:
oder Grillenvertreiber. Von dero Witzenburgischen
[...] Rathschlägen / Das dritte Buch: Auß einer vi-
dimierten Copien [...] in Druck gegeben [...]. Ffm.:
Johann Spieß u. Johann J. Porsch 1605 (−; 28;
G.1.2); [Dass.] [...] benebens Bruscambille Phanta-
seyen. [separater Titel, aI
r
:] Deß Grillenfngers
Bruscambille Fantaseyen / In sich haltende Vieler-
ley Discursen [...] und andere kurtzweilige Reden.
Ffm.: o. Dr. 1670 (−; 31; G.1.3; Anhang einer
anon. Teilübers.v. Bruscambilles [d. i. Jean Gra-
cieux] Fantaisies, 1612); keine Ex.nachweise der
Ausg.n 1623, 1625 u. 1678 (Hesse 29, 30, 32;
Gotzkowsky 1994, 131f.). − 4. Wunderseltzame
[...] Geschichte und Thaten der Welt-bekanten
Schild-Brger [...] durch [...] Pomponium Filtzhut /
weyland Stadtschreibern und Nachtwchtern zu
Schildburgshausen [...]. o. O. [um 1698?] (Hesse
9; Bernuth im Druck; erweiternde Neubearb. v.
Wc2 mit Versatzstücken aus Wc3, Holzschnitte
nach P); Ausg.n des 18. u. 19. Jh.s, teils hg. unter
dem Pseudonym Peter Squen(t)z (Ertz 1989, 6 u.
9f.; Bernuth). − 5. Shildburger zeltsame unt
kurtsvaylige geshikhte: Vunder zeltsame [...] ge-
shikhte un datn der velt bekantn Shild burger.
Amst.: o. Dr. [um 1700] (Hesse 10; Bernuth; jid-
dische Übers. v. Wc4 in hebr. Typen, s. o. III.); wei-
tere Ausg.n 1727, 1777 u. 1798 (Hesse 24−26;
Bernuth).
[A] 1. Das L. (1597) mit den Abweichungen u.
Erweiterungen der Schiltbürger (1598) u. des G.
(1603). Hg. v. Karl v. Bahder. Halle/S. 1914. −
2. Das L. Nach dem Druck v. 1597 mit den Ab-
weichungen des Sch. v. 1598 [...]. Hg. v. Stefan
Ertz. Stgt. 1993. − 3. Das L. In Abb. des Drucks
v. 1597. Hg. v. Werner Wunderlich. Göpp.
1982. − 4. Die Schiltbürger. Hg. v. Heinz-Günter
Schmitz. ND der Ausg. Ffm. 1598. Hildesheim,
NY 1975. − 5. Joseph M. Wagner: Lügenmär-
chen. Neue zeittung ausz der ganzen welt. In:
ZfdA 16 (1873), 437−466 (Teilabdruck).
[Bi b ] VD 16/VD 17. − Bahder, A1, LXV−
LXXVII. − Hesse 1929, 5−59. − Wunderlich
1982b, 652−654. − Ertz 1989, 5−12. − Bodo
Gotzkowsky: ‚Volksbücher‘. Prosaromane, Re-
naissancenovellen, Versdichtungen u. Schwankbü-
cher, Tl. I: Drucke des 15. u. 16. Jh.s. Baden-Ba-
den 1991; Tl. II: Drucke des 17. Jh.s. 1994.
24
[Le x ] Winfried Theiss: G. In: EM 6 (1990),
164−166. − Ders.: L. In: EM 8 (1996), 731−
736. − Werner Wunderlich: Sch. In: EM 11
(2004), 1428−1438. − Jens Haustein: L. In:
Killy/Kühlmann 7 (2010), 168−170.
[Fo r ] Christian Schoettgen: Vertheidigung der
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1929. − Hugo Hepding: Johannes Mercator v.
Zierenberg (Conradus Agyrta v. Bellemont). In:
Beitr. zur Hess. Kirchengesch. 12 (1941), 325−
344. − Hermann Bausinger: Schildbürgerge-
schichten. In: Der Deutschunterricht 13 (1961),
18−44. − Stefan Ertz: Aufbau u. Sinn des L.s.
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Die Hintergründe des Schwankbuchs v. den Lale-
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Waldner [u.a.]. Bern 1967, 759−782. − Walter
Dietze: Mündlicher Volksschwank u. romanhafte
Erzählformen im L. In: Weimarer Beitr. 14 (1968),
158−174. − Heinz-Günter Schmitz:Consue-
tudo u. simulatio. Zur Thematik des L.s. In: Fs.
Gerhard Cordes. Hg. v. Friedhelm Debus [u.a.],
Bd. 1. Neumünster 1973, 160−176. − Werner
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den Ahnen der Schildbürger u. ihren Vettern in der
dt. Lit. In: Uni Hannover 7 (1980), 35−48. −
Ders.: Unerhörte Geschichten. Vom Ursprung des
Straßburger L.s (1597) u. seinen Folgen für die dt.
Lit. In: Études Germaniques 36 (1981), 129−
145. − Peter Honegger: Die Schiltburgerchronik
u. ihr Verfasser Johann Fischart. Hbg. 1982. − W.
Wunderlich: Eulenspiegel u. die Schildbürger.
In: Eulenspiegel-Jb. 22 (1982[a]), 13−28. − Ders.:
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schung. In: DVjs 56 (1982[b]), 641−685. − Jan-
Dirk Müller: Volksbuch/Prosaroman im 15./16.
Jh. Perspektiven der Forschung. In: IASL Sonder-
heft (1985), 1−128. − Werner Röcke: Über die
Lust am Unsinn. ‚Tendenziöser Witz‘ u. Infantilis-
mus im komischen Roman des SpätMAs, insbes.
im L. v. 1597. In: Psychologie in der Mediävistik.
Hg. v. Jürgen Kühnel [u. a.]. Göpp. 1985, 301−
318. − Stefan Ertz: Fischart u. die Schiltburger-
chronik. Unters. zum L.- u. Sch. Köln 1989. −
Rolf D. Fay: Mannskopf in Arabesken. Zur
Frage nach Provenienz u. Priorität der ältesten
Sch.- u. L.-Drucke. In: Ist zwîvel herzen nâchge-
bûr. Fs. Günther Schweikle. Hg. v. Rüdiger Krüger
[u. a.]. Stgt. 1989, 225−239. Rupert Kalkofen:
L. oder Schiltbürger, Anonymus oder Fischart?
25 Lange, Johannes
[...]. In: Wirkendes Wort 41 (1991), 363−377. −
Barbara Könneker: Satire im 16. Jh. Mchn.
1991, 205−226. − Laura Auteri: Späthumanisti-
scher ‚Kulturpessimismus‘ am Beispiel vom L.
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Honegger: Schildbürgerstreiche u. Volksschau-
spiele. Ebd., 219−244. − Michael Kuper: Zur Se-
miotik der Inversion. Verkehrte Welt u. Lachkul-
tur im 16. Jh. Bln. 1993, 105−129. − J.-D. Mül-
ler: Anm. zu P. Honegger: Schildbürgerstreiche u.
Volksschauspiele. In: Daphnis 23 (1994), 451−
458. − Helga Neumann,Werner Röcke: Über
Formen u. Funktion der Komik im L. In: Hum-
boldt-Spektrum 1 (1994), 46−50. − Monique Sa-
muel-Scheyder: Le L.: parodie du modèle utopi-
que ou antiutopie? In: Image de l’homme. L’Alle-
magne au XVI
e
siècle. Hg. v. ders. Nancy 1994,
211−223. − Jörg Jochen Berns: Der Weg von
Amaurotum nach Laleburg. Unvorgreifliche Ge-
danken zur Bedeutung der Utopia-Allusionen des
L.s. In: Lit. u. Kultur im dt. Südwesten. Fs. Walter
E. Schäfer. Hg. v. Wilhelm Kühlmann. Amst., At-
lanta 1995, 149−172. − Hans-Jürgen Bachor-
ski:LalUtopia. Ein Gesellschaftsentwurf u. sein
Gegenbild. In: Weltbildwandel: Selbstdeutung u.
Fremderfahrung im Epochenübergang vom
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289−313. − R. Kalkofen: Von der Notwendigkeit
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Shandy. In: Daphnis 24 (1995), 571−601. − An-
dreas Bässler: Die Funktion des Rätsels im L.
(1597). In: Daphnis 26 (1997), 53−84. − John
van Cleve: Wunderseltsames u. Abenteuerliches,
gelesen u. gehört. Erzähltechnik u. Rezeption beim
L. (1597). In: Daphnis 27 (1998), 443−451. −
Hans-Joachim Behr: Narrenbilder: Rolle u.
Funktion des Narren im Eulenspiegel- u. im L.
(Sch.). In: Eulenspiegel-Jb. 39 (1999), 59−78. −
H.-G. Schmitz: Die melancholischen Schildbür-
ger: das L. oder Sch. im Licht der zeitgenöss. An-
thropologie u. Medizin. Ebd., 79−93. − Ulrich
Seelbach:Die newe Zeitungen auß der gantzen
Welt. Der Anhang des L.s u. die Logik der Lügen-
dichtung. Ebd., 95−111. − R. Kalkofen: Die ver-
kehrten Welten im Don Quijote (1605/1615) u.
im L. (1597). In: Colloquium Helveticum 29
(1999), 159−197. − W. Röcke: Befremdliche
Nähe. Zu einer hist. Poetik des Sch.s. In: ‚Die an-
dere Stimme‘. Das Fremde in der Kultur der Mo-
derne. Fs. Klaus Scherpe. Hg. v. Alexander Ho-
nold [u. a.]. Köln [u. a.] 1999, 181−195. Oliver
Becker: Die Deutung des L.s aus neostoizistischer
Sichtweise. In: Eulenspiegel-Jb. 40 (2000), 89−
108. − Hans O. Vick: Schildau oder Schiltach?
Johann Christian Schoettgens Schiltach-These u.
ihre Bedeutung für L. u. Sch. Ebd., 109−129. − A.
26
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Bln. [u. a.] 2003. H.-G. Schmitz: Das ‚Volks-
buch‘ v. den Schildbürgern. Beobachtungen zur
Wirkungsgesch. In: Daphnis 33 (2004), 661−
682. − Albrecht Dröse: Formen u. Funktionen
politischer Rhetorik im L. v. 1597. Ebd., 683−
708. − Hans Rudolf Velten: Die verbannten
Weisen. Zu antiken u. humanistischen Diskursen
v. Macht, Exil u. Glück im L. (1597). Ebd., 709−
744. − W. Röcke: Joseph Görres’ Teutsche Volks-
bücher (1807) u. Georg Friedrich Rebmanns Emp-
findsame Reise nach Schilda. Ebd., 745−757. −
Hans Jürgen Bachorski: Irrsinn u. Kolportage.
Trier 2006. − Gert Hübner: Vom Scheitern der
Nützlichkeit. Handlungskalküle u. Erzählverfah-
ren im L. In: ZfdPh 127 (2008), 357−373. − W.
Röcke: Verfehlte Kommunikation. Konsens u.
Verwirrung in Heinrich Wittenwilers Ring u. im
L. In: Zwischen Babel u. Pfingsten. Hg. v. Peter v.
Moos. Münster 2008, 611−625. − Gerd Dicke:
Morus u. Moros − Utopia u. L. Episteme auf dem
Prüfstand lalischer Logik. In: Erzählen u. Epis-
teme. Lit. im 16. Jh. Hg. v. Beate Kellner [u. a.].
Bln. [u. a.] 2011, 197−224. Caroline Emme-
lius:History, Narration, Lalespil. Erzählen von
Weisheit u. Narrheit im L. Ebd., 225−254. − W.
Röcke: Schildbürger aus Abdera? Griech.-antikes
‚Narrentheater‘, Sprichwortwissen u. das Sch. von
1598. In: Daphnis 40 (2011), 665−684. − Ruth
v. Bernuth: How the Wise Men Got to Chelm.
The Life and Times of a Yiddish Folk Tradition
(im Druck).
Gerd Dicke
Lange (Lang, Langus), Johannes, * 16. 4.
1503 Freistadt/Schlesien, † 25. 8. 1567
Schweidnitz
Dichter, Gelehrter und Staatsmann
I. Vi t a
L., Sohn eines Tuchmachers, war Schü-
ler von Valentin /Krautwald in Neiße,
studierte Jura und klassische Sprachen in
Krakau und Wien, wo er zum Schülerkreis
um Philipp Gundel (VLHum 1, 992−
1010) gehörte. An den Hof Kg. Ludwigs
II. von Ungarn in Ofen empfohlen, begann
er als Lehrer der Chorschüler tätig zu wer-
den. 1527 folgte L. dem Ruf an das in
Schlesien berühmte, von Valentin /Trot-
zendorf geleitete Gymnasium in Goldberg,
um nach 18 Monaten das Amt des Schul-
rektors in Neiße zu übernehmen; der
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Sprichwörter und sprichwörtliche Redewendungen repräsentieren kollektive Erfahrungen. Das gilt auch für die Rede von “Schildbürgern”, “Schildbürgerstreichen” u. ä. Dabei fällt auf, dass Schildbürgerstreiche nicht einfach als lächerlich oder gar dumm abgetan werden können, sondern einer bestimmten Logik und Vernunft folgen. Ähnliches gilt für die Bewohner des antiken Abdera, die Abderiten, deren närrische Klugheit bis ins 18. Jahrhundert sprichwörtlich war. In dem Aufsatz wird närrische Klugheit der Schildbürger vor der Folie gängiger Verhaltensmuster der Abderiten diskutiert, die vor allem im Philogelos (oder “Witzfreund”; vor dem 5. Jhdt. n. Chr.) überliefert wird. Sie betrifft eine prinzipielle Orientierung am 'gemeinen Nutz', der nur als 'gemeiner Schaden' realisiert werden kann; eine auffällige Kontextlosigkeit bei der Lösung von Problemen, die bis heute außerordentlich komisch wirkt; eine deutliche Lust an der Gewalt u. ä. In diesem Zusammenhang liefert gerade der 'fremde Blick' auf die antiken Abderiten die Möglichkeit, die paradoxe Klugheit der Schildbürger neu zu perspektivieren.
− Caroline Emmelius: History, Narration, Lalespil
  • Bln
Bln. [u. a.] 2011, 197−224. − Caroline Emmelius: History, Narration, Lalespil. Erzählen von Weisheit u. Narrheit im L. Ebd., 225−254. − W.
10.1; nach B; Titelanleihe bei A, Namenswechsel v. Schilt-zu Lale(n)bürger/-burger ab Widerdruck der Lage D; s. Ertz 1989); [um 1680] (P; 19; G.10.2; mit Korrekturen
  • Das O O Lalenbuch
Das Lalenbuch. o. O. 1614 (G; 8; G.10.1; nach B; Titelanleihe bei A, Namenswechsel v. Schilt-zu Lale(n)bürger/-burger ab Widerdruck der Lage D; s. Ertz 1989); [um 1680] (P; 19; G.10.2; mit Korrekturen, 13 Holzschnitte ); 3 weitere Ausg.n [17. Jh.] (Q; 20;
Pfingsten. Hg. v. Peter v. Moos
Röcke: Verfehlte Kommunikation. Konsens u. Verwirrung in Heinrich Wittenwilers Ring u. im L. In: Zwischen Babel u. Pfingsten. Hg. v. Peter v. Moos. Münster 2008, 611−625. − Gerd Dicke: Morus u. Moros − Utopia u. L. Episteme auf dem Prüfstand lalischer Logik. In: Erzählen u. Episteme. Lit. im 16. Jh. Hg. v. Beate Kellner [u. a.].
Sohn eines Tuchmachers wo er zum Schülerkreis um Philipp Gundel (VLHum 1, 992− 1010) gehörte. An den Hof Kg
  • Schweidnitz Dichter
  • I Gelehrter Und Staatsmann
  • L Vita
Schweidnitz Dichter, Gelehrter und Staatsmann I. Vita L., Sohn eines Tuchmachers, war Schüler von Valentin / Krautwald in Neiße, studierte Jura und klassische Sprachen in Krakau und Wien, wo er zum Schülerkreis um Philipp Gundel (VLHum 1, 992− 1010) gehörte. An den Hof Kg. Ludwigs II. von Ungarn in Ofen empfohlen, begann er als Lehrer der Chorschüler tätig zu werden. 1527 folgte L. dem Ruf an das in Schlesien berühmte, von Valentin / Trotzendorf geleitete Gymnasium in Goldberg, um nach 18 Monaten das Amt des Schulrektors in Neiße zu übernehmen; der
A1: A; Hesse 1929, Nr. 1; Gotzkowsky 1991, Nr. G.10.1; bibliographische Nachweise werden im Folgenden in dieser Reihenfolge als Siglen angeführt ). − 2
  • W Das Lalebuch
  • Wunderseltzame
W c] 1. Das Lalebuch. Wunderseltzame [...] Geschichten vnd Thaten der Lalen zu Laleburg. [...] Durch: A a b c d e f g h i k l m n o p q r s t u w x y z. [...] Die newe Zeitungen auß der gantzen Welt / findestu zu Ende [...] angehengt. Gedruckt zu Laleburg / Anno 1597 [Str.: Bernhard Jobin Erben? ; Mömpelgard: Jacob Foillet?] (Bahder, A1: A; Hesse 1929, Nr. 1; Gotzkowsky 1991, Nr. G.10.1; bibliographische Nachweise werden im Folgenden in dieser Reihenfolge als Siglen angeführt ). − 2. Die Schiltbrger. Wunderselzame [...] Geschichten vnd Thaten der obgemelten Schiltbrger in Misnopotamia hinder Vtopia gelegen. [...] Durch M. Aleph / Beth / Gimel / der Festung Ypsilonburger Amptman. [...] Gedruckt in Verlegung deß Authoris in der Festung Misnopotamia / 1598. o. O. (B; 2; G.17.1; zu Änderungen gegenüber A s. o. I. u. III.); 3 weitere Ausg.n o. O. 1598 (B-C; 3; G.17.2; Kap. 42 fehlt, 4 Zusatzhistorien am Ende; desgl. C; 4; G.17.3; D; 5; 17.4;
Nach dem Druck v. 1597 mit den Abweichungen des Sch
  • L Das
Das L. Nach dem Druck v. 1597 mit den Abweichungen des Sch. v. 1598 [...].
Hesse 10; Bernuth; jiddische Übers. v. Wc4 in hebr. Typen, s. o. III.); weitere Ausg
  • Amst
Amst.: o. Dr. [um 1700] (Hesse 10; Bernuth; jiddische Übers. v. Wc4 in hebr. Typen, s. o. III.); weitere Ausg.n 1727, 1777 u. 1798 (Hesse 24−26; Bernuth).
Jh.s, teils hg. unter dem Pseudonym Peter Squen(t)z (Ertz 1989, 6 u. 9f.; Bernuth). − 5. Shildburger zeltsame unt kurtsvaylige geshikhte: Vunder zeltsame
  • Ausg
Ausg.n des 18. u. 19. Jh.s, teils hg. unter dem Pseudonym Peter Squen(t)z (Ertz 1989, 6 u. 9f.; Bernuth). − 5. Shildburger zeltsame unt kurtsvaylige geshikhte: Vunder zeltsame [...] geshikhte un datn der velt bekantn Shild burger. Amst.: o. Dr. [um 1700] (Hesse 10; Bernuth; jiddische Übers. v. Wc4 in hebr. Typen, s. o. III.); weitere Ausg.n 1727, 1777 u. 1798 (Hesse 24−26;
Zur Semiotik der Inversion Verkehrte Welt u. Lachkultur im 16
  • Honegger
Honegger: Schildbürgerstreiche u. Volksschauspiele. Ebd., 219−244. − Michael Kuper: Zur Semiotik der Inversion. Verkehrte Welt u. Lachkultur im 16. Jh. Bln. 1993, 105−129. − J.-D. Müller: Anm. zu P. Honegger: Schildbürgerstreiche u. Volksschauspiele. In: Daphnis 23 (1994), 451−