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Verlagerung des Lieferverkehrs auf Fah
r-
radkuriere
–
Methode und Ergebnisse e
i-
ner Potenzialstudie
Claudia Witte, Peter Krichel, Carsten Sommer
Zusammenfassung
Fahrradkuriere bieten die Möglichkeit, innerstädtischen Wirtschaft
s-
verkehr emissionsfrei abzuwic
keln. In Deutschland existieren, im W
e-
sentlichen in den großen Städten,
etwa
100 Fahrradkurierunternehmen.
Von Fahrradkurieren wird derzeit nur ein äußerst geringer Anteil des
innerstädtischen
Wirtschafts
verkehrs abgewickelt. Um die Frage zu
beantworten,
w
as Fahrradkuriere leisten können
, wurden Befragungen
von Fahrradkurierdiensten in ganz Deutschland durchgeführt.
Des We
i-
teren wurden die Auftragsdaten des örtlichen Fahrradkurie
r
dienstes
in
Kassel
genauer analysiert.
Es zeigt sich, dass sich die Kunde
n
grup
pen
des Unternehmens vom deutschlandweiten Durchschnitt stark unte
r-
scheiden und somit bei den unterdurchschnittlich repräsentierten Ku
n-
dengruppen Potenziale anz
u
nehmen sind. Ausgehend von vorhandenen
Daten des Wirtschaftsverkehrsaufkommens in Kassel wurde
das theor
e-
tisch auf Fahrradkuriere verlagerbare Po
tenzial
(nach Größe, Gewicht,
Güterve
r
kehrsart
und Entfernung
) ermittelt, dieses beläuft sich auf
6
%
des gesamten Wirtschaftsverkehrsaufko
m
mens. Um dieses Potenzial
auch nur in einem gewissen Umfang aussch
öpfen zu können, sind
Maßnahmen zur Stärkung des Fahrradkurie
r
wesens notwendig.
1
Einleitung
Die Immis
si
onsgrenzwerte
einiger Luftschadstoffe (Feinstaub
PM
10
,
Stickstoffdioxid
NO
2
)
werden vielerorts, insbesondere in Innenstadtb
e-
reichen
der Großstädte
, nic
ht eingehalten. Ein hohes Maß an Luftscha
d-
stoffen wird
dabei
durch den Wirtschaf
tsverkehr emittiert, da zumeist
Dieselfahrzeuge
als wesentliche
lokale Quelle für Ruß und Stick
stof
f-
oxide
eingesetzt werden. Charakteristisch für den städtischen
Wir
t-
schafts
ver
kehr mit Kraftfahrzeugen sind viele Stopps, kurze Wege zw
i-
schen den einzelnen Stationen, Behinderungen anderer Verkehre, B
e-
einträchtigungen der Aufenthaltsqualität sowie lokale Umweltbelastu
n-
gen mit Schadstoffen und Lärm. Für Innenstädte besteht aufgrund d
er
hohen Dichte
an Einrichtungen und Betrieben ein hoher Handlungsb
e-
darf
,
neue Strategien zu entwickeln, die eine nachhaltige A
b
wicklung
des Wirtschaft
s
verkehrs sicherstellen.
Abbildung 1: Fahrradkurier von „Velokurier Kassel“ im Einsatz (Foto: P.Kriche
l)
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Fo
r-
schung
(BMBF) geförderten Projektes „KLIMZUG
-
Nordhessen“ en
t-
wickelt das Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrssysteme der
Universität Kassel Maßnahmen im städtischen Wirtschaftsverkehr, die
zu eine
r Verbesserung der Umweltsituation beitragen sollen. Zu diesen
Maßnahmen zählen u.
a. der Einsatz von City
-
Logistik, die Einrichtung
eines Pools von emissionsarmen Mietfahrzeugen (ggf. in Kombination
mit der City
-
Logistik) und die Förderung von Fahrradkuri
eren.
Fahrradkuriere kommen seit der Erfindung des industriell gefertigten
Fahrrades gegen Ende des 19.
Jahrhunderts zum Einsatz.
Die Kuriere
erledigten damals Fahrten für Handel
-
und Gewerbetreibende und für
wohlhabende Privatpersonen (Eintrittskarten be
sorgen, Gepäcktransport
zum Bahnhof, Abholung von Arzneien etc.)
.
Mit der Errichtung des
Postmonopols
(1899)
sowie
durch
die
beginnende
Motorisierung und
den Ausbau des Telefonnetzes
ging die Anzahl der Kuriere stark z
u-
rück, sodass bis zum Jahr
1914 nahezu
alle privaten Kurierdienste ihren
Betrieb eingestellt
hatten
.
[BDF03]
In den 1980er
Jahren erlebte das Fahrradkurierwesen in Deutschland
eine Wiederbelebung. Auslöser dafür waren die Entstehung von Fah
r-
radkurierdiensten zunächst in den USA
(New
York) sow
ie ein neues
Umweltbewusstsein in der Gesellschaft.
Zugleich führte die
weiter
steigende Motorisierung dazu, dass das Fahrrad
zu einem Verkehrsmi
t-
tel „zweiter Klasse“ degradiert wurde.
[BDF03]
In Deutschland gibt es derzeit
etwa
100 Fahrradkurierbetriebe,
die
hauptsächlich in Gro
ß
-
und Mittelstädten tätig sind
. Fahrradkuriere sind
in der Regel Nischenanbieter und
überwiegend
als selbstständige U
n-
ternehmer oder
als Mitarbeiter
in
kleine
n
Unternehmen
organisiert
.
Aktuell besteht kein
bundesweiter
Verband, de
r die Interessen der
Branche vertritt.
2
Methode
der Potenzialabschätzung
Der Einsatz von Fahrradkurieren ist ein Baustein eines nachhaltigen
städtischen Wirtschaftverkehrs. Fahrradkuriere existieren bereits in
vielen Großstädten Deutschlands, doch ihre B
edeutung
im städtischen
Wirtschaftsverkehr
ist äußerst gering. Mit einem Ausbau
bzw. einer
Förderung
dieser Kurierform und gleichz
eitigem Rückgang des Kfz
-
V
erkehrs sind Einsparungen an Umweltbelastungen sowie eine Steig
e-
rung der Aufenthalts
-
und Verkehrsqu
alität zu erwarten.
Es stellt sich
daher die Frage, wie groß überhaupt das Potenzial einer Verlagerung
des Straßenwirtschaftsverkehrs auf Fahrradkuriere ist und mit welchen
Maßnahmen dieses Potenzial genutzt werden kann.
Um diese beiden
zentralen Fragen zu
beantworten, wurden für das Anwendungsbeispiel
Innenstadt
Kassel Daten unterschiedlicher Erhebungen ausgewertet und
ve
r
knüpft.
Das methodi
sche Vorgehen
der Potenzi
a
labschätzung
ist in
Abbi
l
dung
2
dargestellt.
Aussagekräftige Daten zum Fahrradkurierwesen
sind bislang kaum
vorhanden, sodass zur Lösung der Aufgabe zunächst eine Expertenb
e-
fragung aller im Jahr 2009 in Deutschland tätigen Fahrradkurierdien
s-
ten durchgeführt wurde (Vollerhebung). Ziel der Expertenbefragung
war es, die Leistungsfähigkeit und typi
sche Kundengruppen von Fah
r-
radkurieren zu ermitteln. Basierend auf einer Auswertung von Au
f-
tragsdaten des Fahrradkurierunternehmens in Kassel („Velokurier Ka
s-
sel“) konnten Verkehrsnachfrage und vorhandene Kundenstrukturen für
das Anwendungsbeispiel erfasst
werden. Durch einen Vergleich der in
Kassel vorhandenen und deutschlandweit typischen Kundenstruktur
wurden nicht bzw. gering erschlossene Kundengruppen (Kundenpote
n-
zial) abgeleitet. Mittels einer anschließend durchgeführten Befragung
von Unternehmen dies
er Gruppen wurden die Gründe, die für oder
gegen die Nutzung des Fahrradkuriers sprechen, erfasst und hinsichtlich
einer möglichen Nachfragesteigerung analysiert.
Neben dem Kundenpotenzial einerseits wurde andererseits das theoret
i-
sche Potenzial an Fahrte
n, bezogen auf den gesamten städtischen Wir
t-
schaftsverkehr abgeschätzt. Hierfür wurde das Mengengerüst der Fah
r-
ten, die für die Abwicklung mit einem Fahrrad geeignet sind,
ermittelt.
Die Eignung ergibt sich dabei
1.
aus Merkmalen des Angebotes (Leistungsvermö
gen von Fah
r-
radkurieren wie maximales Transportgewicht etc.) sowie
2.
aus Merkmalen der Nachfrage (Wirtschaftsverkehrsnachfrage
differenziert nach Verkehrsart, Sendungsgröße etc.).
Abbildung 2: Ermittlung des Potenzials von Fahrradkurieren im Wirtschaftsv
erkehr
(Status quo)
(eigene Darstellung)
Fahrten durch Fahrradkurierdien
ste zählen zum Güterverkehr, so
dass
bei einer Ableitung des zusätzlichen Potenzials Fahrten im Persone
n-
wirtschafts
-
und im Serviceverkehr keine Rolle spielen. Es wurde daher
im ersten
Schritt eine Abschätzung des Güterverkehrsanteils für das
Anwendungsbeispiel Innenstadt Kassel vorgenommen. Dazu wurden
die Daten der Erhebung „Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland
2002“
ausgewertet, wobei nicht nur Nachfragedaten aus Kassel, sondern z
u-
sätz
lich Daten aus vergleichbaren Städten berücksichtigt wurden.
Im zweiten Schritt wurde der Straßengüterverkehr hinsichtlich einer
Verlagerung auf Fahrradkuriere differenziert.
Der Güterverkehr lässt
sich durch eine organisatorische Gliederung nach den täti
gen Transpo
r-
teuren in
Verkehr von
Spedition
,
Verkehr von
Post/Paketdienst
en,
Werkverkehr
und
sonstigen
Verkehr
(
z.
B. städtische Werke, Entsorgungsbetriebe
u
nd nicht zuordenbare
Akteure)
unterscheiden.
Zur Ermittlung der anteiligen Verteilung wurden die Da
ten einer
Erh
e-
bung
[Köh08] ausgewertet.
Potenziale zur Verlagerung auf Fahrradk
u-
riere sind bei den genannten Güterverkehrsarten nur bei Post
-
bzw.
Paketdiensten und im Speditionsverkehr vorhanden. Gütertransporte im
Werkverkehr und sonstigem Verkehr können
aufgrund betriebsinterner
Organisation und
ggf.
der Notwendigkeit von Spezialfahrzeugen nicht
auf Fahrradkuriere verlagert werden.
Bei der Eignung von Waren für
den Transport
mit Fahrradkurieren
spielen insbesondere die Größe, das Gewicht und die Transpo
rtdistanz
der Waren eine Rolle.
Zudem ist bei der Potenzialabschätzung zu b
e-
achten, dass nur ganz bestimmte Warenarten bzw. Pakete transportiert
werden können. So
ist für
Fahrradkuriere
beispielsweise
der Transport
von
Massen
-
oder palettierte
n
Güter
n nich
t möglich
.
Im Gegensatz zur
weit verbreiteten Meinung
können Fahrradkuriere auch
relativ
schwere
und große Sendungen transportieren. Für die Ermittlung des Potenzials
wird, auch wenn mithilfe von Lastenrädern und Anhängern teilweise
Güter
bis zu
einem Gewi
cht von
150
Kilogramm
transportiert werden
können, ein maximales Sendungsgew
icht von 50
Kilogramm
zugrunde
gelegt. Im Speditionsverkehr
wurde
der Anteil der Waren, die ein G
e-
wicht von 50
Kilogramm
nicht überschreiten,
aus einer Untersuchung
zur City
-
Logist
ik in Kassel
[Str97]
entnommen
. Bei nationalen Post
-
und Paketdiensten liegt die Gewichtsgrenze für Waren generell bei
31,5
Kilogramm
, so
dass aus Gewichtsgründen keine Einschränkung des
Potenzials erfolgte
.
Da Fahrradkuriere
i.d.R.
im Nahbereich agi
e
ren,
w
erden
nur die Fahrten mit Quelle und Ziel
im Stadtgebiet
als
Potenz
i
al
berücksichtigt
.
Quell
-
und Ziel
gebiete des innerstädtischen
Güterve
r-
kehrs
in Kassel wurden
mit Hilfe
einer
eigenen
Befragung
[Köh08]
e
r
fasst
.
Die verbleibenden Fahrten bilden das theor
etische Potenzial für den
Einsatz von Fahrradkurieren im Wirtschaftsverkehr in der Innenstadt
von Kassel
(siehe Abbildung
3)
.
Abbildung 3: Potenzial von Fahrten im Wirtschaftsverkehr für Fahrradkuriere
(eigene
Darstellung)
Neben dem Wirtschaftsverkehr s
ind darüber hinaus Potenziale im Pr
i-
vatverkehr vorhanden, die
hier jedoch nicht näher betrachtet we
r
den.
Privater motorisierter Verkehr lässt sich im Zusammenhang mit Diens
t-
leistungen (zum Beispiel Abholen von Medikamenten, Fotos und D
o-
kumenten, Erledigung
von Einkäufen, Überbringen von Gesche
n
ken)
auf Fahrradkuriere verlagern.
3
Ergebnisse
der Potentialabschätzung und Ve
r-
gleich mit der tatsächlichen Nachfrage
Ein wesentliches Ergebnis der Expertenbefragung ist, dass das Lei
s-
tungsvermögen von Fahrradkurierd
iensten weit über das Überbringen
von Briefen in der Nachbarschaft hinaus geht.
Sendungen werden
durchschnittlich
in einem Umkreis von bis zu 15
Kilometer
transpo
r-
tiert. Selbst große Waren
mit Gewichten von bis zu 150
Kilogramm
(in
Ausnahme
fällen bis 250
K
ilogramm
)
und Gr
undflächen von bis zu
60
x
60
Zentimeter
können mit Anhängern oder Lastenrädern
(ggf. mit
Unterstützung eines elektrischen Antriebes)
befördert werden
(vgl.
Abbildung
4)
. Im Vergleich zu entsprechenden Angeboten von KEP
-
Diensten sind Fahrra
dkuriere in vielen Fällen schneller und auch prei
s-
günstiger.
Abbildung
4
: Lastenrad der Berliner Fahrradkuriere
, unterstützt mit einem durch Sola
r-
energie betriebenen Elektromotor
(Foto: S. Daubitz)
Wie in Kapitel
2 beschrieben wurden verlagerbare Potenz
iale vom m
o-
torisierten Wirtschaftsverkehr auf Fahrradkuriere abgeschätzt. Im E
r-
gebnis zeigt sich
,
dass theoretisch bis
zu 6
% der Fahrten des Wir
t-
schaftverkehrs
bzw. 15 % der Fahrten des Güterverkehrs
in der Inne
n-
stadt
auf Fahrräder verlagert werden können
(Quell
-
, Ziel
-
und Binne
n-
verkehr Innenstadt)
, da
sie sich für den Transport mit Fahrrädern
grundsätzlich
eignen
(vgl. Abb
ildung 5
)
.
Abbildung 5
: Potenzial von Fahrten im Wirtschaftsverkehr für Fahrradkuriere
in der
Innenstadt von Kassel
(eigene Darstel
lung)
Tatsächlich finden
bisher allerdings aus verschiedenen Gründen erhe
b-
lich weniger Fahrten mit Fahrradkurieren
statt. Im Quell
-
und/oder
Zielverkehr bezogen auf die Kasseler Innenstadt
werden etwa 0,5
% der
Fahrten im Wirtschaftsverkehr
durch Fahrradku
riere zurückgelegt
(Stand 200
7)
.
In einer Befragung von möglichen Kunden des Fahrra
d-
kurierdienstes in Kassel wurden die Gründe
gegen die Beauftragung
des
Fahrradkurierdienstes ermittelt.
Befragt wurden
Mitarbeiter von
med
i
zinische
n
Einrich
tungen, Anwaltska
nzleien
, Werbeagenturen,
Banken und
aus dem
Bereich der
Medien.
Sie stellen das
nicht e
r-
schlossene Kundenpotenzial
dar, das sich
aus dem Vergleich
von typ
i-
schen
und vorhandenen
Kunden
in Kassel
ergibt
(vgl. Abbildung
6
).
In
der Gegenüberstellung zeigt sich
hingegen auch, dass
der Kasseler
Fahrradkurier überdurchschnittlich viele Kunden aus dem Druckgewe
r-
be und der Architektur
-
und Baubranche verzeichnen kann.
Abbildung 6
: Kundengruppen von Fahrradkurieren
(eigene Darstellung)
Die befragten Kunden haben i.
d.R. ein hohes Sendungsaufkommen, das
sich für den Transport mit Fahrrädern eignet. Die Waren sind überwi
e-
gend klein, leicht und haben ihren Bestimmungsort
i.
d.
R.
im Aktion
s-
raum des Fahrradkuriers. Trotz dieser positiven Rahmenbedingungen
ist die Nachfra
ge an Kurierfahrten jedoch äußerst gering.
Ein wesentlicher Grund
gegen die Beauftragung von Fahrradkurieren
ist deren
negative
s
Ansehen
.
Das
äußere Erscheinungsbild und das
gewagte sowie teilweise illegitime Verhalten im Straßenverkehr vera
n-
lassen Kunde
n, ihre eiligen oder wertvollen Sendungen den Fahrradk
u-
rieren erst gar nicht anzuvertrauen.
Somit kann ein Teil der pote
n
ziellen
Kunden nicht erschlossen werden.
D
ie Attribute
„unkonventi
o
nell“,
„rasant“ aber auch „ökologisch korrekt“
werden
jedoch
von vie
le
n
Fahrradkurieren
gepflegt und für We
r
bezwecke ge
nutzt, sodass bislang
nur eine bestimmte Kundengruppe e
r
reicht wird.
Die
ausgehenden Sendungen von Kunden umfassen
sowohl geeignete
als auch nicht g
e
eignete für Fahrradkuriere. Fahrradkuriere nehmen in
de
r Regel nur die Sendungen an, die sie auch selbst ausliefern kö
n
nen.
Für die Ü
brigen, die
aufg
rund
der Entfernung nicht mit Fahrrädern
transportiert werden können
, benötigt der Kunde somit e
i
nen weiteren
Dienstleister. Den
Aufwand für das Vorsortieren und
die Beauftragung
eines
zweiten
Dienstleisters
lehnen
jedoch
viele Kunden ab
.
Fahrradk
u-
riere können daher aufgrund der objektiven Einschränkungen (Entfe
r-
nung, Größe, Gewicht
) ihr Nachfragepotenzial nicht ausschö
p
fen.
Aufgrund der
bisher
geringen Nachfrage e
rfolgt der Fahrereinsatz
bei
überwiegend
kleinen
Betrieben
, die
vornehmlich spontan beauftragte
Kurierdienstleistungen durchführen
,
bisweilen intuitiv.
Bei steigender
Nachfrage und größerer Planbarkeit reicht die
intuitive Dienst
-
und
Tourenplanung
i.
d.
R
. nicht mehr aus, sodass
eine Profe
s
sionalisierung
des Betriebsablaufs ggf. mit
IT
-
Unterstützung no
t
wendig wird.
4
Maßnahmen zur Erschließung des Potenzials
Die Erschließung des Potenzials kann durch Maßnahmen unterstützt
werden, die das Fahrradkurierwese
n stärken.
Konkrete Maßnahmen
hierbei sind:
Kooperationen mit KEP
-
Diensten
,
Marketing
-
und Imagekampagnen für Fahrradkurierdienste
,
Stärkung bzw. Ausbau der gesamten Fahrradinfrastruktur
.
Kooperationen mit KEP
-
Diensten ermöglichen
Fahrradkurierbetrieben
,
ihr Leistungsa
ngebot auf größere Sendungen und weitere Distanzen
auszudehnen
. Der Fahrradkurier kann damit für Kunden als alleiniger
Ansprechpar
t
ner für den Versand sämtlicher Waren auftreten,
indem er
die
Sendungen
, die nicht
für den Transport mit Fahrräd
ern
geeignet
sind, aussortiert und an den KEP
-
Dienst weiterleitet.
Fahrradkuriere
können
durch die Übernahme von Briefdiensten L
eerfahrten
und freie
Zeiten zwischen Kurieraufträgen effizient ausnu
t
zen.
Für diese Kooperationen gibt es bereits einige Beispi
ele:
In Bielefeld übernehmen Fahrradkuriere die Feinverteilung von
Sendungen in der Innenstadt, da den KEP
-
Diensten aufgrund ei
n-
geschränkter Lieferzeiten und räumlicher Restriktionen die Ausli
e-
ferung mit herkömmlichen Lieferfahrzeugen erschwert wird.
Mehre
re Fahrradkuriere arbeiten mit dem IC
-
Kurier
der DB
AG
zusammen, wo der Versand mit dem Zug über weite Distanzen e
r-
folgt.
Bei dem international agierenden Kurierdienst „time:matters“
der
Lufthanse Cargo
AG
werden die Sendungen per
Luft, Schiene und
Straße
transportiert und verschiedene
Verkehrsmittel
(mitunter
auch
Fahrräder) intermodal ve
r
knüpft.
Doch auch ohne
explizite
Kooperation
svereinbarung
ist es Fahrradk
u-
rieren möglich
,
Briefdienstleistungen anzubieten.
Der Duisburger Fah
r-
radkurier holt die Ausgan
gspost bei dem Kunden ab und bringt die
Briefe, die außerhalb der Stadt versandt werden sollen, zum gewünsc
h-
ten KEP
-
Dienst.
Die übrigen Briefe stellt er selbst zu.
Aufgrund der empirischen Ergebnisse der Kundenbefragung werden
Maßnahmen
zur Information ü
ber Möglichkeiten und (tatsächliche) Grenzen
des Güterverkehrs mit Fahrradkurieren sowie
zur Imageverbesserung der Fahrradkuriere
als besonders wirkungsvoll eingeschätzt.
Mit Marketing
-
und Imag
e-
kampagnen können Kundenpotenziale erschlossen werden, indem
die
oftmals unerwartet
großen
Einsatzmöglichkeiten (max
imale
Entfe
r-
nung, Größe, Gewicht, wetterunabhängig, besondere Dienstleistungen)
kommuniziert und Barrieren aufgrund des schlechten Ansehens abg
e-
baut we
r
den.
Der Ausbau der gesamten Fahrradinfrastruk
tur schafft ein fahrra
d-
freundliches
Klima
und kann allgemein das Bewusstsein für Radve
r-
kehr und umweltbewusste Mobilität in der Bevölkerung stärken.
Fah
r-
radkuriere selbst sind
dagegen
auf eine spezielle Fahrradinfrastruktur
nicht angewiesen
, da Sie i.d.R.
aus Gründen der Schnelligkeit die Fah
r-
bahn nutzen
.
Auf Basis von Erhebungen und eigenen Erkenntnissen sowie mit Hilfe
der Szenariotechnik wird im weiteren Verlauf des Projektes „KLI
M-
ZUG
-
Nordhessen“ die Wirksamkeit der Maßnahmen vor dem Hinte
r-
grund zukünft
iger Entwicklungen (Prognosehorizont 2030) abg
e-
schätzt. Darüber hinaus wird durch einen Diskussionsprozess mit den
beteiligten Praxispartnern die Umsetzungsmöglichkeit der Maßnahmen
geprüft.
5
Fazit
Es zeigt sich, dass
etwa
6
% aller Fahrten im Wirtschaf
tsverkehr
bez
o-
gen auf die Kasseler Innenstadt
theoretisch geeignet sind, von Fahrra
d-
kurieren durchgeführt zu werden.
Um dieses Potenzial jedoch
auch nur
ansatzweise
erschließen zu können
, ist ein Wandel vom reinen Kurie
r-
dienst zum Logistikdienstleister in
Kooperation mit anderen KEP
-
Diensten notwendig.
Weiterhin ist
davon auszugehen, dass eine Ve
r-
besserung des Image und des Auftretens zum Gewinn neuer Kunden
führt.
Für den Einsatz von Fahrradkurieren bestehen derzeit
günstige Ra
h-
menbedingungen
,
die sich po
sitiv auf die Wettbewerbsposition von
Fahrradkurieren auswirken. So konnte in
den letzten drei Jahren der
Fahrradkurier in Kassel seinen Umsatz um etwa 20
% pro Jahr steigern
–
trotz der o.
g. Hemmnisse
.
Die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Fahrradku
rieren werden
sich zukünftig weiter verbessern:
Die zunehmenden
Auswirkungen
des
Klimawandels
und die Umse
t
zung präventiver Maßnahmen
erzeugen
ein neues U
m
weltbewusstsein un
d
ein
Umdenken in der Gesellschaft.
Hinzu kommen steigende Energiepreise, die die N
utzung von motor
i-
sierten Lieferfahrzeugen
teurer und damit
unattraktiver machen.
Or
d-
nungs
-
und preispolitische Maßnahmen im Kfz
-
Verkehr wie die Ei
n-
richtung von Umweltzonen oder die Erhebung einer City
-
Maut
können
zusätzlich
die Wettbewerbschancen von Fahrr
adkurie
ren erh
ö
hen.
Literatur
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BDF03
]
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Gutachten
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Som10
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Sommer, C.: S
tädtischer Wirtschaftsverkehr im Kontext einer
postfossilen Mobilität.
Vortrag auf der Tagung
„Angepasste
Mobilität
–
Nutzen und Potenziale für Kommunen und Wir
t-
schaft“
am 01.09.2010
, Kassel, 2010.
[
Som11
]
Sommer, C.; Eikenberg, O.; Krichel, P.:
Anpassungsstrat
e-
gien im städtischen Wirtschaftsverkehr, 1. Meilensteinbericht.
Teilprojekt im Verbundprojekt KLIMZUG
-
Nordhessen
, im
Auftrag des
BMBF
, Kassel, 2011.
[
Str97
]
Strauß,
S.;
City
-
Logistik
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Ein Instrument zur Verringerung
des städtischen Güterverkehrs.
Dissertation am Fachgebiet
Verkehrssysteme
und Verkehrsplanung der
Universität Ka
s-
sel
, Heft 7 der Schriftreihe Verkehr des Fachgebietes Ve
r-
kehrssysteme und Verkehr
splanung, Kassel
, 1997.
[
Wit09
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Witte, C.:
Ermittlung des Potenzials zur Verlagerung von
Lieferverkehren auf Fahrradkuriere im Ballungsraum Kassel
.
D
iplomarbeit am Fachgebiet Verkehrssysteme und Verkehr
s-
planung der Universität Kassel
, Kassel,
2009.