ArticlePDF Available

Abstract

Excerpt: Doch es gibt eine dritte Sichtweise, und die ist für den Autor die einzig denkbare: das „funktionstüchtige“ Anthropozän. Es ist wichtig, die letzten Reste von Urnatur zu schützen. aber das allein genügt nicht. Wir müssen das künftige Anthropozän wissensbasiert gestalten. Wie ein vorausschauender Gärtner, der nicht höchstmöglichen Gewinn machen möchte, sondern der will, dass sein Garten dauerhaft Ertrag abwirft. Weg mit dem kontraproduktiven Gegensatz „Hier die ‚gute‘ Natur, dort der ‚böse‘ Mensch“. Vereinen wir beides. Verwenden wir unser Wissen zum gärtnerischen Gestalten der Welt. Aber mit Demut, da wir noch längst nicht alles über die Wechselwirkungen auf der Erde wissen. Und mit der Erkenntnis, dass verschiedene Wege ausprobiert und parallel begangen werden müssen, als da wären: - Der reaktive Weg: Probleme sind dann zu lösen, wenn sie auftreten. Etwa bessere Filter gegen Mikroplastik in Waschmaschinen oder höhere Dämme bei steigendem Meeresspiegel. - Der Suffizienz-Weg: Weniger ist mehr. Also Nahrungsmittel aus der Region bevorzugen, mit dem Fahrrad zur Arbeit, oder in einer kleinen, aber feinen Wohnung wohnen. - Der bioadaptive Weg: Erneuerbare Energien und eine neuartige Kreislaufwirtschaft, die alle Ressourcen immer wieder verwendet oder zumindest komplett in biologische Kreisläufe eingliedert. - Der High-Tech-Weg: Neue Technologien helfen uns, effizienter zu werden. Etwa mit High-Tech-Materialien bauen, Nahrung in Hochhausfarmen in den Städten zu erzeugen, von Betonköpfen zu Nanocarbon-Konstrukteuren werden. Solche Wege müssen erdacht, veranschaulicht und ausprobiert werden, um sie gesellschaftlich verhandeln zu können. Darin sieht das im Entstehen begriffene „Haus der Zukunft“ in Berlin seine Aufgabe (siehe Infokasten). Auch die Anthropozän-Ausstellung im Deutschen Museum (siehe bild der wissenschaft 2/2015 „Der Mensch als Naturgewalt“) reflektiert neue Gestaltungsmöglichkeiten. Um nicht missverstanden zu werden: Allein durch das Ausrufen des Anthropozäns werden die Umwelt- und sonstigen Probleme nicht gelöst. Aber der vielleicht sogar revolutionäre daraus resultierende Denkanstoß wäre, dass es nicht einerseits das natürliche Erdsystem und anderseits eine davon unabhängige Anthroposphäre gibt. Wir sind Teil eines einzigen Erdsystems, welches gerade deshalb nicht als ausbeutbare Ressource, sondern als funktionstüchtig zu haltendes Gesamtversorgungssystem zu sehen ist. Wenn sich also jeder Teil unserer Gesellschaft, von der Politik, über die Wirtschaft, die Wissenschaft, das Bildungssystem bis hin zum Individuum an dem Umbau beteiligt, wären wir auf dem Weg in ein funktionstüchtiges und zukunftsfähiges, ja vielleicht sogar in ein großartiges Anthropozän
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
ResearchGate has not been able to resolve any references for this publication.