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Theorie des kommunikativen Handelns

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Jürgen Habermas' Theorie des kommunikativen Handelns markiert die sprach- bzw. kommunikationstheoretische Wende der "Kritischen Theorie", die mit der These, dass in der Sprache die Potentialität von Vernünftigkeit und Versöhnung eingelassen sei, eine normative Grundlage erhält. - Der Lexikonartikel expliziert Habermas' zweistufige Handlungs- und Gesellschaftstheorie der beiden Bände der "Theorie des kommunikativen Handelns" (1981).
Wörterbuch der Soziologie
Theorie des kommunikativen Handelns
Mit seinem zweibändigen Hauptwerk von 1981, „Theorie des kommunikativen Handelns“
(TKH), hat Habermas (H.) eine originäre soziologische Handlungstheorie vorgelegt und
zugleich eine zweistufige Gesellschaftstheorie (System und Lebenswelt) konzipiert, die
später in „Faktizität und Geltung“ (FG) (1992) weitergeführt wird. Als dritten
Themenkomplex avisiert das Vorwort eine Theorie der Moderne, die im „Philosophischen
Diskurs der Moderne“ (PDM) (1985) ihre theoriegeschichtliche Fundierung findet.
Die TKH markiert die sprach- bzw. kommunikationstheoretische Wende der Kritischen
Theorie, die mit der These, daß in der Sprache die Potentialität von Vernünftigkeit und
Versöhnung eingelassen sei, eine normative Grundlage erhält. „Die utopische Perspektive von
Versöhnung und Freiheit ist in den Bedingungen einer kommunikativen Vergesellschaftung
der Individuen angelegt, sie ist in den sprachlichen Reproduktionsmechanismen der Gattung
schon eingebaut.“ (TKH1: 533) Hierin gründet schließlich die Idee der „idealen
Sprechsituation“ als eines prozeduralen Strukturmodells „herrschaftsfreier Kommunikation“.
Die kommunikationstheoretische Zäsur, die das Ende der „Subjektphilosophie“ für die
Gesellschaftstheorie bedeutet, kennzeichnet H. wie folgt: „Wenn wir davon ausgehen, daß
sich die Menschengattung über die gesellschaftlich koordinierten Tätigkeiten ihrer Mitglieder
erhält, und daß diese Koordinierung durch Kommunikation, und in zentralen Bereichen durch
eine auf Einverständnis zielende Kommunikation hergestellt werden muß , erfordert die
Reproduktion der Gattung eben auch die Erfüllung der Bedingungen einer dem
kommunikativen Handeln innewohnenden Rationalität.“ (TKH1: 532 – Hervorh. i.O.)
Wie immer greift H. theoriegeschichtlich weit aus, um Handlungsrationalität und
gesellschaftliche Rationalisierung (so der Untertitel des 1. Bandes) philosophisch und
soziologisch zu begründen. Seine theoriegeschichtlichen Rekonstruktionen werden von
systematischen Explikationen in kapitellangen „Zwischenbetrachtungen“ unterbrochen.
Besonders in Kap. I und III finden wir die grundlegenden Ideen der TKH. Ausgangspunkte
sind der Webersche Rationalitätsbegriff und das bis auf Aristoteles zurückgehende
teleologische Handlungsmodell. In beiden sieht H. theoretische Beschränkungen: einmal die
Verengung auf instrumentelle Rationalität, die durch kommunikative Rationalität zu ergänzen
sei; ein andermal die Konzentration auf zweckrationales und zudem monologisch konzipiertes
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Handeln, dem das kommunikative Handeln als ein von vornherein interaktives
Handlungsmodell gegenüber gestellt wird. H. fundiert seine Handlungstheorie mit der Theorie
der Sprechakte (Austin, Searle), ohne indes Kommunikation mit Handeln gleichzusetzen. Der
für die Gesellschaftstheorie wichtige Begriff der Lebenswelt wird als Komplementärbegriff
des kommunikativen Handelns verstanden.
1. Die Handlungstheorie
Kapitel I der TKH elaboriert das Konzept der „kommunikativen Rationalität“ an vier in der
Literatur vorfindbaren Handlungsbegriffen: an dem bereits von Aristoteles begründeten
„teleologischen“, dem durch Durkheim und Parsons eingeführten „normativen“, dem von
Goffman explizierten „dramaturgischen“ und dem von Mead stammenden „kommunikativen“
Handlungsbegriff. Seinen eigenen Begriff des „kommunikativen Handelns“ führt H. an dieser
Stelle erst „provisorisch“ ein (TKH1: 143). In der Sekundärliteratur (z.B. Reese-Schäfer
1991) wird diese Darstellung irrtümlicherweise als die eigentliche H.sche Handlungstypologie
rekonstruiert, obwohl sie erst in der „Ersten Zwischenbetrachtung“ (Kap. III) systematisch
expliziert wird.
Kommunikative Rationalität ist für H. eine „Disposition sprach- und handlungsfähiger
Subjekte“ (TKH1: 44), d.h. zurechnungsfähige Personen können sich sprachlich verständigen,
indem sie sich an intersubjektiv anerkannten Geltungsansprüchen orientieren. Sein zentrales
theoretisches Postulat lautet: „Wir verstehen einen Sprechakt nur, wenn wir wissen was ihn
akzeptabel macht.“ (TKH1: 168 u. 400). Rational sind nicht nur konstative Sprechhandlungen
(Behauptungen über Tatsachen), sondern auch normenregulierte Handlungen und expressive
Äußerungen. Sie unterscheiden sich durch jeweils andere Geltungsansprüche und andere
Weltbezüge (s.w.u.).
Die im dritten Kapitel entwickelte Handlungstypologie knüpft an die Webersche
Unterscheidung zwischen „einer Handlungskoordination durch Interessenlage und normatives
Einverständnis“ (TKH1: 384) an. H. unterscheidet zunächst zwischen instrumentellem,
strategischem und kommunikativem Handeln (vgl. Schaubild 1) und definiert diese wie folgt:
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Schaubild 1: Handlungstypen
Handlungs-
Orientierung
Handlungs-
Situation
erfolgsorientiert verständigungsorientiert
nicht-sozial instrumentelles Handeln ---
sozial strategisches Handeln kommunikatives Handeln
(Fig. 14 in TKH1: 384)
„Eine erfolgsorientierte Handlung nennen wir instrumentell, wenn wir sie unter dem Aspekt
der Befolgung technischer Handlungsregeln betrachten und den Wirkungsgrad einer
Intervention in einen Zusammenhang von Zuständen und Ereignissen bewerten; strategisch
nennen wir eine erfolgsorientierte Handlung, wenn wir sie unter dem Aspekt der Befolgung
von Regeln rationaler Wahl betrachten und den Wirkungsgrad der Einflußnahme auf die
Entscheidungen eines rationalen Gegenspielers bewerten. Hingegen spreche ich von
kommunikativen Handlungen, wenn die Handlungspläne der beteiligten Aktoren nicht über
egozentrische Erfolgskalküle, sondern über Akte der Verständigung koordiniert werden.“
(TKH1: 385 – Hervorh. i. O.)
Nur strategisches und kommunikatives Handeln wird als soziales Handeln identifiziert; beide
Formen sind sprachvermittelt – allerdings auf charakteristisch verschiedenartige Weise.
Strategisches Handeln ist erfolgsorientiert; Sprechakte dienen hierbei als bloßes Mittel zur
Zweck- bzw. Zielerreichung. Kommunikatives Handeln ist verständigungsorientiert;
Sprechakte dienen der Erzeugung eines Einverständnisses auf der Grundlage kritisierbarer
Geltungsansprüche. Dabei wird kommunikatives Handeln nicht mit sprachlicher
Verständigung gleichgesetzt: „Sprache ist ein Kommunikationsmedium, das der
Verständigung dient, während Aktoren, indem sie sich verständigen, um ihre Handlungen zu
koordinieren, jeweils bestimmte Ziele verfolgen.“ (TKH1: 158)
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Der für die TKH zentrale Gedanke zielt auf unterschiedliche Formen der
Handlungskoordination. Deren Unterscheidung wird auf dem Wege der Analyse von
Sprechhandlungen vorgenommen. H. übernimmt die von Austin (1962) eingeführte
Differenzierung zwischen lokutionärem Akt, mit dem etwas ausgesagt wird, illokutionärem
Akt, mit dem eine Handlung vollzogen wird, und perlokutionärem Akt, mit dem der Sprecher
beim Hörer eine Reaktion erzielt (vgl. TKH1: 388f.). Für die TKH ist insbesondere der
illokutionäre Akt („handeln, indem man etwas sagt“) bedeutsam; Die Sprechhandlung wird
vollzogen mit der Absicht, daß der Hörer die Äußerung verstehen und akzeptieren möge.
Illokutionäre Sprechakte haben die Form von Behauptung, Versprechen, Gruß, Befehl,
Ermahnung, Erklärung etc. Im perlokutionären Akt hingegen instrumentalisiert der Sprecher
Sprechhandlungen für Ziele (Intentionen), die mit der Bedeutung des Gesagten nur in einem
kontingenten Zusammenhang stehen. Pointierter noch: „Perlokutionäre Ziele darf ein
Sprecher, wenn er Erfolg haben will, nicht zu erkennen geben, während illokutionäre Ziele
allein dadurch zu erreichen sind, daß sie ausgesprochen werden.“ (TKH1: 393)
Sprechhandlungen, in denen alle Beteiligte illokutionäre Ziele und nur diese verfolgen, nennt
H. kommunikatives Handeln; Interaktionen, in denen mindestens einer der Beteiligten mit
seinen Sprechhandlungen perlokutionäre Effekte beim Gegenüber erzielen will, bezeichnet er
als „sprachlich vermitteltes strategisches Handeln“.
Die Koordination kommunikativer Handlungen erfolgt über das Einverständnis: nur wenn die
im illokutionären Akt von Ego erhobenen Geltungsansprüche akzeptiert werden, kann er
zwischen den Beteiligten eine „koordinationswirksame interpersonale Beziehung“, mit einer
Anschlußhandlung von Alter, herstellen. Wird der Geltungsanspruch nicht akzeptiert, kommt
es zur „Metakommunikation“ bzw. zum Diskurs (s.w.u.).
Neben dem universalen Sinnanspruch der Verständlichkeit werden drei Kategorien von
Geltungsansprüchen unterschieden: die (propositionelle) Wahrheit, die (normative)
Richtigkeit und die (subjektive) Wahrhaftigkeit. Im konkreten Sprechakt steht zwar jeweils
ein Geltungsanspruch im Vordergrund, aber prinzipiell werden alle drei zugleich thematisiert.
Zur Veranschaulichung zieht H. folgendes Beispiel heran: Professor fordert einen
Seminarteilnehmer auf „Bitte bringen Sie mir ein Glas Wasser“. Der Angesprochene kann
auf dreifache Weise den erhobenen Geltungsanspruch zurückweisen:
(1) „Nein, Sie können mich nicht wie einen Ihrer Angestellten behandeln.“
Hiermit bezweifelt er die normative Richtigkeit.
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(2) „Nein, eigentlich haben Sie ja nur die Absicht, mich vor anderen Seminarteilnehmern in
ein schiefes Licht zu bringen.“
Hiermit bezweifelt er die subjektive Wahrhaftigkeit.:
(3) „Nein, die nächste Wasserleitung ist soweit entfernt, daß ich vor Ende der Sitzung nicht
zurück sein könnte.“
Hiermit bezweifelt er die propositionelle Wahrheit.
Die einzelnen Geltungsansprüche aktualisieren unterschiedliche Weltbezüge. „Als Medium
der Verständigung dienen Sprechakte (a) der Herstellung und der Erneuerung interpersonaler
Bindungen, wobei der Sprecher auf etwas in der Welt legitimer Ordnungen Bezug nimmt; (b)
der Darstellung oder der Voraussetzung von Zuständen und Ereignissen, wobei der Sprecher
auf etwas in der Welt existierender Sachverhalte Bezug nimmt, und (c) der Manifestation von
Erlebnissen, d.h. der Selbstrepräsentation, wobei der Sprecher in der ihm privilegiert
zugänglichen subjektiven Welt Bezug nimmt.“ (TKH1: 413 – Hervorh. i. O.) Mit den drei
Weltbezügen greift H. zwar den Gedanken der „Dreiweltentheorie“ Karl Poppers auf, verwirft
aber deren ontologische Beschränkung auf drei Seinsregionen innerhalb einer objektiven
Welt. Für ihn bilden „die Welten insgesamt ein in Kommunikationsprozessen gemeinsam
unterstelltes Bezugssystem“; die Aktoren verständigen sich über etwas, das in der objektiven,
sozialen oder subjektiven Welt „statthat oder eintreten bzw. hervorgebracht werden kann“
(TKH1: 126). Ihnen entsprechen unterschiedliche Wissensformen: der objektiven Welt das
empirisch-theoretische, der sozialen Welt das moralisch-praktische und der subjektiven Welt
das ästhetisch-praktische Wissen.
Die unterschiedlichen Sprechakte, Geltungsansprüche und Weltbezüge erlauben es H., das
kommunikative Handeln in „drei reine Typen oder Grenzfälle“ auszudifferenzieren:
Konversation, normengeleitetes und dramaturgisches Handeln. Instruktiv für ihre
Differenzierungsmerkmale ist die zusammenfassende Übersicht, in der neben den drei Typen
des kommunikativen Handelns auch das strategische Handeln aufgenommen wurde (vgl.
Schaubild 2).
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Schaubild 2: Reine Typen sprachlich vermittelter Interaktionen
Formal-
Pragmatische
Merkmale
Handlungs-
Typen
Kennzeichnende
Sprechakte
Sprach-
Funktionen
Handlungs-
Orientierungen
Grund-
Einstellungen
strategisches
Handeln
Perlokutionen,
Imperative
Beeinflussung des
Gegenspielers
erfolgs-
orientiert
Objekti-
Vierend
Konversation Konstative Darstellung von
Sachverhalten
verständigungs-
orientiert
Objekti-
vierend
normenreguliertes
Handeln
Regulative
Herstellung
Interpersonaler
Beziehungen
verständigungs-
orientiert
Normen-
konform
dramaturgisches
Handeln
Expressive Selbst-
Präsentation
verständigung-
orientiert
Expressiv
(Fig. 16 in TKH1: 439)
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Ein teleologischer Handlungstypus hat in dieser Systematik keinen Platz mehr. Den
Ausführungen H. ist zu entnehmen, daß von einem gesonderten „teleologischen Handeln“,
etwa durch eine Gleichsetzung mit erfolgsorientiertem Handeln, wenig Sinn macht, da nicht
nur soziale, sondern alle menschlichen Handlungen auf Ziele gerichtet sind; das macht ihren
intentionalen Charakter aus. An dem in der Sekundärliteratur verbreiteten Mißverständnis
über den teleologischen Handlungsbegriff ist H. indessen nicht unschuldig: einmal behandelt
er ihn als einen eigenständigen, vom kommunikativen Handeln abzugrenzenden Typus, z.B.
als Oberbegriff für instrumentelles und strategischen Handeln (vgl. TKH1: 447f.), ein
andermal konstatiert er, daß „die teleologische Struktur für alle Handlungsbegriffe
fundamental (ist). Die Begriffe des sozialen Handelns unterscheiden sich aber danach, wie sie
die Koordinierung für die zielgerichteten Handlungen (...) ansetzen (TKH1: 150f. - Hervorh.
i. O.). Zielorientierung oder Zwecktätigkeit des Handelns kann über zwei unterschiedliche
Modi der Handlungskoordinierung verfolgt werden: einmal über die „Einwirkung auf Alter“,
ein andermal über die „Herstellung eines rational motivierten Einverständnisses zwischen
Ego und Alter“ über Werte und Normen. Im ersten Fall handelt es sich um strategisches
Handeln (erfolgsorientiert), im zweiten um kommunikatives Handeln, bei dem die
Bedingungen (verständigungsorientiert) spezifiziert werden, unter denen Personen ihre Ziele
verfolgen. Beide Male wird das teleologische Handlungsmodell vorausgesetzt; denn es ist der
übergreifendere Handlungstypus, der alle Klassen des menschlichen (= teleologischen)
Handelns umfaßt: das (nicht-soziale) instrumentelle ebenso wie das strategische und das
kommunikative Handeln.
Verständigung mißlingt (d.h. eine Anschlußhandlung kommt nicht zustande), wenn die von
Ego erhobenen Geltungsansprüche von Alter bestritten werden; dann wird die Ebene des
kommunikativen Handelns verlassen. Man tritt in einen Diskurs ein, der der empirisch-
theoretischen, moralisch-praktischen oder ästhetisch-praktischen Erörterung bestrittener
Geltungsansprüche dient. Der Diskurs wird zur „Fortsetzung des verständigungsorientierten
Handelns mit anderen Mitteln“ (TKH1: 447).
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2. Die Gesellschaftstheorie
Die zweistufige Gesellschaftstheorie mit den Komponenten Lebenswelt und System hat zum
Ausgangspunkt die Dualität von symbolischer und materieller Reproduktion der Gesellschaft,
die H. bereits in seiner früheren Gegenüberstellung von „Arbeit“ und „Interaktion“
thematisierte (1968). Ihr entspricht die theoretisch folgenreiche Unterscheidung zwischen
Teilnehmer- und Beobachterperspektive, da „die Selbsterhaltungsimperative der Gesellschaft
(sich) nicht nur in der Teleologie der Handlungen ihrer individuellen Mitglieder, sondern
zugleich in den funktionalen Zusammenhängen aggregierter Handlungseffekte durch(setzen)“
(TKH1: 533). Der Primat kommt der Lebenswelt zu. Sie wird als Komplementärbegriff zum
kommunikativen Handeln konzipiert; beide Begriffe verwendet H. als Grundkategorien einer
allgemeinen Gesellschaftstheorie.
Lebenswelt meint zunächst das in einer Kommunikationsgemeinschaft intersubjektiv geteilte,
kulturell überlieferte Hintergrundwissen, das ein Reservoir für sprachliche Verständigung und
kooperative Situationsdeutungen bietet (vgl. TKH2: 189). Aktuelle Handlungssituationen
werden durch gemeinsame Situationsdefinitionen der unmittelbar Beteiligten aus dem
lebensweltlichen Deutungsvorrat thematisch ausgegrenzt, wenn auch mit einem „beweglichen
Horizont“ (Themen können sich verschieben, überlagern etc.). Nur wenn sich die
Situationsdefinitionen der Beteiligten hinreichend überlappen, ist Verständigung möglich. Der
„kontinuierliche Vorgang von Definition und Umdefinition bedeutet die Zuordnung von
Inhalten zu Welten“ (TKH2: 186) – zur objektiven, sozialen und subjektiven Welt. Die
Kategorie der Lebenswelt hat einen anderen logischen Status als die formalen Weltbegriffe.
Diese bilden „ein Bezugssystem für das, worüber Verständigung möglich ist“, während die
Lebenswelt „für Verständigung als solche konstitutiv ist“ (TKH2: 192 – Hervorh. i. O.),
Das in der „Zweiten Zwischenbetrachtung“ (Kap. VI) systematisch entwickelte Konzept der
Lebenswelt ist ein mehrdimensionales. Es überschreitet die. „kulturalistische Verkürzung“ des
phänomenologischen Ansatzes (Husserl, Schütz) mit seiner Konzentration auf die
Reproduktion und Erneuerung kulturellen Wissen, indem es, informiert von Durkheim,
Parsons und Mead, auch Solidarität und gesellschaftliche Integration, Sozialisation und
persönliche Identität einschließt.
Grundbausteine der Lebenswelt sind: Kultur (Wissensvorrat der Kommunikationsteilnehmer),
Gesellschaft (im engeren Sinne von institutionellen Ordnungen, die Gruppenmitgliedschaften
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regeln und Solidarität sichern) und Personlichkeit (sprach- und handlungsfähige
Kompetenzen) (vgl. TKH2: 209). H. begreift diese als lebensweltliche „Ressourcen“ des
kommunikativen Handeln, welches seinerseits in einem „Kreisprozeß“ die Strukturen der
Lebenswelt reproduziert (TKH2: 212ff.). Daher kann die Analyse der Lebenswelt auch an
verschiedene Aspekte des kommunikativen Handelns (Verständigung, Koordinierung,
Vergesellschaftung) anknüpfen. „Unter dem funktionalen Aspekt der Verständigung dient
kommunikatives Handeln der Tradition und Erneuerung kulturellen Wissens; unter dem
Aspekt der Handlungskoordinierung dient es der sozialen Integration und Herstellung von
Solidarität; unter dem Aspekt der Sozialisierung dient schließlich kommunikatives Handeln
der Ausbildung von personalen Identitäten.“ (TKH2: 208 – Hervorh. i. O.)
Die Lebenswelt ist logisch und genetisch das Primäre; erst im historischen Prozeß
differenzieren sich aus ihr (funktionale) Systeme heraus, namentlich Wirtschaft
(marktregulierte Ökonomie) und Politik (moderne Staatsanstalt). H. argumentiert hier
durchaus im Sinne der Parsonsschen und Luhmannschen Theorie ausdifferenzierter
Funktionssysteme, die er jedoch als einen Prozeß soziokultureller Evolution konzipiert, in
deren Verlauf symbolische und materielle gesellschaftliche Reproduktion sich zu
selbständigen, autonomen Handlungssphären entkoppeln. Die emergente Konsequenz heißt:
entsprachlichte Kommunikation in den ausdifferenzierten Subsystemen Wirtschaft und
Politik; Sprache in ihrer Funktion der Handlungskoordination wird durch die
Steuerungsmedien Geld und Macht ersetzt. H. begreift diesen Vorgang „als eine Entlastung
von Kommunikationsaufwand und -risiko“ (TKH2: 273) der Lebenswelt, welche für die
Koordinierung dieser Handlungen nicht mehr benötigt wird. Die partielle Umstellung von
kommunikativ strukturierter Sozialintegration auf funktionale Systemintegration (ein
Begriffspaar, das auf Lockwood zurückgeht) ist in modernen Gesellschaften irreversibel; ihr
verdanken sie eine Steigerung ihres Komplexitätsniveaus, aber auch ihre Sozialpathologien
(s.u.3.).
Gleichsam als Reaktion auf die systemisch integrierten Handlungsbereiche Wirtschaft und
Politik formieren sich in der Lebenswelt als komplementäre, sozial integrierte
Handlungsbereiche die Privatsphäre und Öffentlichkeit. Die Austauschbeziehungen zwischen
System und Lebenswelt werden in modernen Gesellschaften über das Geld- und
Machtmedium vornehmlich über vier soziale Rollen geregelt: die des Beschäftigten und
Konsumenten (Austausch zwischen Privatsphäre und Wirtschaft) sowie die des Klienten und
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Staatsbürgers (Austausch zwischen Öffentlichkeit und staatlich-administrativem System) (vgl.
TKH2: 471ff.). „Mit den über Medien laufenden Austauschprozessen entsteht (...) eine dritte
Ebene autonom gewordener funktionaler Zusammenhänge.“ (PDM: 407)
Auf dieser analytischen Grundlage kann H. schließlich den auf Zweck-Mittel-Rationalität
verkürzten Rationalisierungsbegriff Max Webers erweitern, indem er zwischen kultureller
(lebensweltlicher) und funktionaler (systemischer) Rationalisierung bzw. Modernisierung
unterscheidet. „Rationalisierung der Lebenswelt läßt sich als sukzessive Freisetzung des im
kommunikativen Handeln angelegten Rationaliätspotentials verstehen.“ (TKH: 232) Erst
wenn diese „ein entsprechendes Niveau erreicht hat“, können „neue Ebenen der
Systemdifferenzierung (...) eingerichtet werden“ (TKH2: 267). H. diskutiert dies an der
Freisetzung der Menschen aus tradierten, vornehmlich religiösen Weltbildern
(Säkulariserung) und der Auskristalliserirung von Wissenschaft, Moral und Kunst als
eigenständige Wertsphären sowie an der historischen Entwicklung zum Universalismus in
Recht und Moral und an der Herausbildung von Kommunikationsnetzwerken in Form von
politischer Öffentlichkeit auf der Basis von Kommunikationstechnologien (Schrift,
Druckerpresse, elekronische Medien). Daran knüpft er die Beobachtung, daß die
ausdifferenzierten Subsysteme sich zwar ihre „eigenen, normfreien, über die Lebenswelt
hinausragenden Sozialstrukturen“ schaffen, diese aber „über die Basisinstitutionen des
bürgerlichen Rechts mit der kommunikativen Alltagspraxis rückgekoppelt“ bleiben (TKH2:
275). In „Faktizität und Geltung“ fügt H. das Recht gleichsam als Scharnier zwischen
Lebenswelt und System ein. Der Rechtscode vermag lebenweltliche Ansprüche in für die
Teilsysteme verständliche Sprache zu transformieren. Das Recht ist das „Medium (...), über
das sich kommunikative Macht in administrative umsetzt“ (FG: 187). Kommunikative Macht
versteht H. als ein aus „zwangloser Kommunikation“ in „nicht-deformierten Öffentlichkeiten“
und „Strukturen unversehrter Intersubjektivität“ hervorgehender gemeinsamer Wille, der der
Erzeugung legitimen Rechts zugrunde liegt (vgl. FG 182ff.). Bleibt die politische
Öffentlichkeit über ihre zivilgesellschaftliche Basis in der Lebenswelt verwurzelt (FG: 435),
dann bildet der Rechtsstaat die gesellschaftsintegrative Klammer, der das über den Machtcode
gesteuerte administrative System an die rechtsetzende kommunikative Macht bindet und
überdies die Balance herstellen soll „zwischen den drei Gewalten der
gesamtgesellschaftlichen Integration: Geld, administrative Macht und Solidarität“ (FG: 187).
Wir können die H.sche Gesellschaftstheorie in einem vereinfachenden Schaubild
zusammenfassen (vgl. Schaubild 3).
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Wörterbuch der Soziologie
Schaubild 3: Komponenten der Gesellschaftstheorie
Lebenswelt System
(soziale Integration) (funktionale Integration)
(Austauschprozesse)
Privatsphäre Arbeitskraft Wirtschaft
( Solidarität) Konsument ( Geld)
politisch- politisch-
kulturelle Klient administratives
Öffentlichkeit Staatsbürger System
(Solidarität)(Macht)
R e c h t
3. Theorie der Moderne
An die Gesellschaftstheorie schließt sich die Theorie der Moderne an; in ihr verschränken sich
verschiedene Motive: (a) Sie erhebt den Anspruch einer Theorie der kapitalistischen
Modernisierung nach dem Marxschen Vorbild: kritisch sowohl gegenüber den
zeitgenössischen Sozialwissenschaften wie gegenüber der gesellschaftlichen Realität (TKH2:
549). (b) Sie hält an den Intentionen des Kritischen Theorie fest, ersetzt aber deren Kritik der
instrumentellen Vernunft (wie sie Horkheimer und Adorno in der „Dialektik der Aufklärung“
formulierten) durch eine Kritik der funktionalistischen Vernunft. (c) Sie ist empirisch
gehaltvolle Zeitdiagnose, indem sie die „Verdinglichungsproblematik“ in der
„Kolonialisierung der Lebenswelt“ wieder entdeckt; gemeint ist damit, daß auf dem Wege der
Monetarisierung und Bürokratisierung die „losgelassene funktionalistische Vernunft“ der
Teilsysteme auf die Lebenswelt übergreift und deren „kommunikativen Eigensinn“ zu
unterminieren droht. (d) Sie will das Projekt der Aufklärung fortsetzen, indem sie in der
Moderne nicht nur eine Steigerung der Zweck-Mittel-Rationalität konstatiert, sondern auch
die der kommunikativen Rationalität, deren Manifestationen an die traditionsreichen
Bestimmungen einer „vernünftigen Praxis“ erinnern: „das Selbstbewußtsein kehrt wieder in
Gestalt einer reflexiv gewordenen Kultur, die Selbstbestimmung in generalisierten Normen
und Werten, die Selbstverwirklichung in der fortgeschrittenen Individuierung der
vergesellschafteten Individuen“ (PDM: 400 – Hervorh. WMJ). (e) Schließlich identifiert sie in
den basisdemokratischen Bewegungen an den „Nahtstellen zwischen System und
Lebenswelt“ Ausdrucksformen einer „vernünftigen Moderne“, die sich gegen die „systemisch
induzierten Lebensweltpathologien“ zur Wehr setzen.
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Wörterbuch der Soziologie
Literatur
Austin; J.L.: How to Do Things With Words, Oxford 1962 (dt.: Zur Theorie der Sprechakte,
Stuttgart 1979)
Habermas, J.: Technik und Wissenschaft als >Ideologie<, Frankfurt/M. 1968
Habermas, J.: Theorie des kommunikativen Handelns (TKH), Bd. 1: Handlungsrationalität
und gesellschaftliche Rationalisierung, Bd. 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft,
Frankfurt/M. 1981
Habermas, J.: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns,
Frankfurt/M. 1984
Habermas, J.: Der philosophische Diskurs der Moderne (PDM), Frankfurt/M. 1985
Habermas, J.: Faktizität und Geltung (FG), Frankfurt/M. 1992
Honneth, A./Joas, H. (Hg.): Kommunikatives Handeln, Frankfurt/M. 1986
Horster, D.: Jürgen Habermas zur Einführung, Hamburg 1999
McCarthy, T.: Kritik der Verständigungsverhältnisse, Frankfurt/M. 1989
Reese-Schäfer, W.: Jürgen Habermas, Frankfurt/M. 1991
Walther Müller-Jentsch
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Wörterbuch der Soziologie
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... der kapitalistischen Ökonomie und der Vermarktung von Kultur im Kapitalismus, der auch in Rosas Resonanzwerk zu finden ist(Açıkgöz, 2011, S. 8).18 Diese ist gleichsam soziologische Handlungstheorie, eine zweistufige Gesellschaftstheorie und "Theorie der Moderne", welche er später als "Philosophischer Diskurs der Moderne" (PDM) erweitert wird (vgl.Müller-Jentsch, 2014).19 Innerhalb der TKH, in der Habermas einen genauen soziologischen Blick auf kommunikatives Handeln wirft, sieht Habermas, dass die "utopische Perspektive von Versöhnung und Freiheit[.] in den Bedingungen einer kommunikativen Vergesellschaftung der Individuen angelegt[ist], sie ist in den sprachlichen Reproduktionsmechanismen der Gattun ...
... ermas, 2011, S. 533). 20 Das Diskursprinzip und die Zwanglosigkeit von Versuch und Irrtum mündet in das Plädoyer für die radikale Demokratie, die das Recht der Freiheit in einer offenen Gesellschaft propagiert (vgl. Walter-Busch, 2010, S. 227). Mit seiner Kommunikationstheorie legt Habermas die Grundlagen einer herrschaftsfreien Kommunikation (vgl.Müller-Jentsch, 2014), welche sich in den 1960-er Jahren im Handlungskonzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach dem Psychologen Mashall B. Rosenberg verselbstständigen wird, in der "das vorrangige Ziel [..] Verbindung" ist(Bendler & Heise, 2018, S. 20). 21 Nancy Fraser, Philosophin und bekannte amerikanische Feministin, schreibt über die Habermassche ...
Thesis
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Mit der Veröffentlichung des Werkes RESONANZ – Eine Soziologie der Weltbeziehung folgt der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa als Vertreter der Kritischen Theorie in vierter Generation einer modernekritischen Grundhaltung, welche dieser als Zeit- und Glücksforscher an der dynamischen Stabilisierung, der steten Beschleunigung als Grundinstanz der Moderne festmacht. Es öffnet sich ein Weltbild um die gesellschaftshistorischen Ausführungen der Entwicklung der Moderne bis zu heutigen Gesellschaften, welche auf verschiedenen Ebenen als Ersatz zur tiefen Religiosität neue Resonanzebenen anbieten. Die genannte Theorie wird in dieser Arbeit anhand von 30 Interviews aus der Obdach- und Wohnungslosenhilfe untersucht. Nach einem Überblick zu diesem Feld der Sozialen Arbeit und dem konkreten Projekt, aus dem die Interviews stammen, wird mittels des Forschungsdesigns erläutert, wie die Auswertung der Interviews gestaltet werden soll. Können in den Interviews die Hauptaussagen der Resonanztheorie gefunden und bestätigt werden? In der Zusammenfassung sowie den Schlussfolgerungen werden die zuvor entwickelten Thesen überprüft und mit Handlungsempfehlungen auf die Soziale Arbeit als angewandte Wissenschaft bezogen: "Auf theoretischer Ebene setzt sich diese Arbeit mit der Resonanztheorie von Hartmut Rosa und dem Resonanzbegriff auseinander. Dieser basierend auf der weitreichenden Forschung von Jahrzehnten und auf Grundlage umfänglicher theoretischer Beschäftigung in den verschiedensten Sozialwissenschaften. Zudem fließt der Begriff Resonanz nicht nur in ein Hauptwerk zur Resonanztheorie mit 762 Seiten Fülle und einem mit mehr als 450 Personen und deutlich mehr Einzelnachweisen starkem Quellenverzeichnis, sie mündete in einem breiten Fachdiskurs mit deutlich höherem Output als dem des Hauptautors. Diese für die Soziale Arbeit potentiell relevante soziologische Theorie wird in dieser Arbeit praktisch auf die Analyse von 30 Interviews angewendet, welche im Rahmen studentischer Arbeit an der HAWK in Hildesheim für ein neuartiges Projekt der Obdach- und Wohnungslosenhilfe im Raum Hannover geführt wurden. Der Theorie von Rosa soll nach der Auseinandersetzung mit ihrer Entstehung, ihren Grundpfeilern und der in der Fachwelt angeregten Diskussion eine Matrix an Codes und Kategorien entlockt werden, mit deren Hilfe ein Blick auf die Praxisfähigkeit der Theorie geworfen werden kann. Es stellt sich innerhalb dieser Arbeit also auch die Frage, inwiefern es möglich ist, die Resonanztheorie von Hartmut Rosa als kritische systemtheoretische Idee in der praktischen Anwendung zu untersuchen." ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- With the publication of the work Resonance - A Sociology of Our Relationship to the World, the sociologist Hartmut Rosa from Jena, as representative of critical theory in the fourth generation, follows a modern-critical attitude, which, as a researcher of time and happiness, establishes dynamic stabilisation and constant acceleration as the basic instance of modernity. A worldview opens up around the socio-historical explanations of the development of modernity up to today's societies, which offer new resonance levels on different levels as a substitute for deep religiosity. The theory is examined in this work using 30 interviews from homeless and houseless people. After giving an overview of this field of social work and the specific project the interviews originate from, the research design explains how the evaluation of the interviews should be designed. Can the main statements of resonance theory be found and confirmed in the interviews? In the summary as well as in the conclusions, the previously developed theses should be checked and related to social work as an applied science.
Chapter
Full-text available
Warum obligatorischer Musikunterricht? Musikunterricht wird oft als ›nice-to-have‹ betrachtet und im Rahmen knapper Ressourcen in Frage gestellt. Der Begründungsdruck führt dazu, dass der Musik Wirkungen zugesprochen werden, die wissenschaftlich nicht haltbar sind. Ist das Schulfach Musik tatsächlich zu begründen? Wie soll es ausgerichtet sein? Gelingender Unterricht ist nicht nur von Lehrplan und Qualifikation der Lehrpersonen abhängig. Vielmehr spielen Haltungen und Überzeugungen von Lehrenden und Lernenden eine entscheidende Rolle. Markus Cslovjecsek zeigt auf, wo die Beteiligten die Legitimation von Musikunterricht sehen und richtet sich damit an alle, die an schulischem (Musik-)Unterricht und seiner Begründung interessiert sind - ein ›must-have‹ für alle Bildungsverantwortlichen.
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School Music for All? An explorative mixed methods study on beliefs regarding the justification of compulsory classroom music education Abstract The publication (doctoral thesis) is structured in an introduction, a theoretical part, an empirical study and first conclusions. After an introduction that discusses the author's own experiences as a research impulse as well as his own position on the research question and in the literature, chapters 2 to 5 focus on theoretical aspects of the legitimation of music as well as the presentation of possible polarities. The large chapter 6 contains an empirical clarification of the polarities by means of two qualitative preliminary studies and the actual quantitative main study. Chapter 7 contextualises the results of the work in the form of a discussion and a classification. In the introductory chapter 1, the author focuses on his own experiences with the topic in the teaching profession at primary and secondary level, in music studies, in the project "Extended Music Teaching", at university as well as through international exchange, further education cooperation, development projects and publications. Furthermore, the author asks about his personal attitude to the research question, makes it transparent and, above all, searches for answers in the literature on legitimation arguments. Thus, a broad panorama of the current state of research and the debate in the music community (with historical recourse) is spread and different positions (e.g. between purposelessness or end in itself and performance orientation) are presented. Finally, a justification is given for the discussion of the topic. In chapter 2, the question of theoretical aspects for the justification and legitimisation of music education in schools is raised. Starting with the question of what legitimation is in the first place and how this is reflected in a curriculum as a political framing (historical and current processes as well as the tension between the functions of legitimation and orientation are illuminated), theoretical justifications from the field of music education discourse are unfolded along three selected attempts at systematisation (Ott 1979, Spychiger 1995, Kaiser 2018). A panorama of disillusionment (Ott), a new attempt at an ideal-typical classification (instrumental, aesthetic, pragmatic, broad, semiotic) (Spychiger) and four types of justification (educational/therapeutic paradigm, anthropological, cultural-theoretical, aesthetic paradigm) as well as three legitimising instances (concept of music, learning subject, institution) (Kaiser) is thus spanned. Metatheoretical considerations, questions and study design are addressed in chapter 3. Based on considerations of how a search for consensus on the justification of compulsory music lessons can take place, the research question is clarified, and the study design is developed from this. It is emphasised that an explorative investigation of the attitudes of important participants in the discourse is intended and that it cannot be about a "final justification". For this purpose, understandings or basic music pedagogical assumptions, which serve as prerequisites, are clarified in advance in chapter 4 and "presented as axioms, i.e. as non-provable but reasonably clarified assumptions". Convictions on questions of professional (autonomy) as well as artistic integrity and on the definition of school success are developed and recorded as prerequisites for further investigation. Chapter 5 deals with the theoretical clarification of polarities, primarily on the question of the purpose of school music lessons, which shape the subject didactic discourse. In particular, it will be examined to what extent dichotomies can be confirmed. Since it is recognised that theoretical clarification has only a limited influence on practice, the justification convictions of interested persons with regard to school music lessons will then be examined in an empirical study. The empirical study is presented in chapter 6. It consists of a critically reflected description of the sample, several preliminary studies and a main study. A first qualitative preliminary study (chapter 6.2) focuses on the beliefs of students at secondary level I and the aggregated subjective theories of students entering the teacher training programme at secondary level I at the University of Teacher Education Northwestern Switzerland (PH FHNW). A guideline informed by the literature study and the results of the preliminary study is developed and presented and then serves as the basis for another preliminary study (chapter 6.3), which was conducted as a qualitative interview study with advanced students of the same degree programme. As a central product of qualitative content analysis, the research question is further specified and a corresponding instrument is prepared, which was then presented to a larger sample for assessment in the main study (chapter 6.4) as part of a comprehensive questionnaire (using SoSci-Survey; survey period 22.11.2019-04.03.2020; n=1437; after adjustment n=918). These data are then analysed descriptively and also factor-analytically after the formation of 12 qualification levels and 9 types in relation to the research questions. The results are interpreted in chapter 7 as a preliminary insight into the justification beliefs of the sample. The instrument itself, thus tested for the first time, is made available for further development and validation.
Chapter
The origins of this theoretical differentiation between competence and performance can be traced back to Greek philosophy, where the Aristotelian tradition distinguishes between the potentia pura as a fundamental aptitude to acquire a particular skill, the actus primus as the acquisition of a particular skill and the actus secundus as the implementation of the skill in question. Current theoretical discussions of the relationship between competence and performance, however, are usually based on linguistic discourses. This chapter discusses the relevance of the concepts of competence and performance for approaching media literacy.
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