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Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport

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Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
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ROBERT PROHL
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs
im Sport
1 Einleitung
Sicherlich nicht erst mit - aber spätestens seit - der Veröffentlichung des Ehrenko-
dexes des Deutschen Sportbundes aus 1997 gehört pädagogisch verantwortliches
Handeln offiziell zu den Aufgaben eines Trainers
1
in der Bundesrepublik Deutsch-
land. Ein solches Trainerhandeln soll laut Ehrenkodex die Selbstbestimmung der
Sportler fördern, in dem sie in Entscheidungen, die sie selbst betreffen, einbezogen
werden. Darüber hinaus gelte es, soziales Verhalten innerhalb der Trainingsge-
meinschaft und faires Verhalten gegenüber dem sportlichen Gegner zu fördern.
Kurzum:
Das Interesse der Athletinnen und Athleten, ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und
ihr Glück stehen über den Interessen und Erfolgszielen der Trainerinnen und Trainer
sowie der Sportorganisation (ebd.).
Auf diese Weise sollen die Leistungssportler zur Eigenverantwortlichkeit und
Selbständigkeit erzogen werden, auch im Hinblick auf deren späteres Leben.
Mit den Begriffen Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Solidarität - sogar Glück -
werden in dem Ehrenkodex Verhaltensweisen, Persönlichkeitsdispositionen und
Zielprojektionen angesprochen, die den Leistungssport auch als Kultur- und Bil-
dungsgut (Grupe 2000, 195) im Kontext eines gelingenden Lebens der Athleten
ausweisen sollen. Jedoch sind Analysen, die den potentiellen Zusammenhang zwi-
schen Bildung und Leistungssport systematisch beleuchten, in der Sportpädagogik
kaum zu finden. Allenfalls im Rahmen einer Olympischen Pädagogik werden sol-
che aufgegriffen
2
, dort jedoch eher vorausgesetzt als bildungstheoretisch begrün-
det. Angesichts der Bedeutung, die den erwähnten Bildungskategorien in pädago-
gischen Betrachtungen des Leistungssports zumindest implizit beigemessen wird
(vgl. Meinberg 2001), erscheint der Versuch lohnenswert, solche bildungstheoreti-
schen Bezüge auch explizit herzustellen.
1
Wenn in diesem Artikel in allgemeiner Form von Menschen die Rede ist, sind grundsätzlich Frauen
und Männer gemeint. Aus stilistischen Gründen wird jedoch durchgängig die maskuline Form ver-
wendet.
2
Vgl. den Beitrag von MICHAEL KRÜGER in diesem Band.
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Aufgrund des vorläufigen Bearbeitungsstandes der Thematik wollen die folgenden
Analysen als Prolegomena einer Bildungstheorie des leistungssportlichen Han-
delns verstanden werden. Dies macht eine allgemeine Herangehensweise erforder-
lich, wobei Detailfragen eine untergeordnete Rolle spielen und praktische Ablei-
tungen nur andeutungsweise getroffen werden können.
Im ersten Schritt wird zunächst den grundsätzlichen Fragen nach der Bedeutung
des Begriffs Bildung (Kap. 2) und der anthropologischen Struktur leistungssportli-
chen Handelns (Kap. 3) nachgegangen, weil erst auf dem Fundament dieser Analy-
sen im zweiten Schritt strukturelle Zusammenhänge zwischen Bildung und Leis-
tungssport aufgezeigt und pädagogische Schlussfolgerungen gezogen werden kön-
nen (Kap. 4).
2 Was bedeutet „Bildung“?
Zur Klärung des pädagogischen Theoriefeldes im deutschsprachigen Raum ist es
ratsam, den Begriff der Bildung von dem der Erziehung abzugrenzen, da diese in
der Umgangssprache häufig synonym verwendet und darüber hinaus in anderen
Sprachen, wie z.B. dem Englischen oder dem Französischen, semantisch nicht
einmal differenziert werden.
Unter Erziehung wird allgemein „das Eingreifen von Menschen in den Prozess des
Werdens der Person“ verstanden (Lassahn 1993, 8). Im weiteren Sinne sind damit
alle Handlungen gemeint, „die Erwachsene unternehmen, um Heranwachsenden
eine bestimmte Form zu geben“ (ebd.). Die darin liegende Anmaßung der Erzie-
hung ist also auf die Lebensphase des Heranwachsens beschränkt. Bildung hinge-
gen heißt der „Prozess der Formung eines Menschen, die Herausbildung einer
Gesamtverfassung nach Vorstellungen, die Menschen selbst entwickelt haben“ (a.
a. O., 10). In dieser Auslegung meint Bildung einerseits das Formziel von Erzie-
hungsmaßnahmen, die erwachsene, mündige Menschen heranwachsenden, noch
unmündigen Menschen angedeihen lassen; andererseits wird der Prozess der Per-
sönlichkeitsformung nach Abschluss von Erziehungsmaßnahmen dem Subjekt in
eigener Verantwortung aufgegeben. Dies meint das geflügelte Wort vom Gebilde-
ten als Werk seiner selbst, das Wilhelm v. Humboldt im 18. Jahrhundert geprägt
hat.
Eine Theorie der Bildung ist dabei in zweifacher Hinsicht auf die anthropologische
Frage nach einem Bild des Menschen bezogen: Einerseits als Voraussetzung der
Sinnhaftigkeit, andererseits als der Leitvorstellung des Formungsprozesses der
Erziehung. Die Anerkennung der Bildsamkeit als anthropologischer Voraussetzung
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der Erziehung wird als formale Dimension der Bildung bezeichnet, während der
Gebildete als Werk seiner selbst das sog. Formziel als normative Dimension der
Bildung repräsentiert. Schließlich beinhaltet der Bildungsbegriff noch eine materi-
ale Dimension, die den Weltbezug des Bildungsprozesses markiert, an dem der
Mensch seine Kräfte zu entfalten vermag. Im weiteren Verlauf dieser Abhandlung
soll untersucht werden, welche materialen Bildungspotentiale dem Leistungssport
zu Eigen sind. Zunächst gilt es jedoch, je für sich, die formale und die normative
Dimension der Bildung zu erläutern.
2.1 Die formale Dimension der Bildung
Seit der Epoche der neuhumanistischen Bildungstheorie im 18./19. Jahrhundert
wird der Mensch unter formalem Aspekt als ein Potential, als Wesen der Kraft
verstanden. Die zugrunde liegende anthropologische Kategorie ist die Bildsamkeit
zur produktiven Freiheit menschlicher Praxis, die den Übergang von einer ur-
sprünglichen Unbestimmtheit zur Festigkeit der Persönlichkeit anzeigt (Herbart
zit. nach Benner 1991, 56). In diesem formalen Sinne meint Bildung nach Lehnerer
(1988, 42) ursprünglich
eine Tätigkeit, eine Produktivität, die zielgerichtet und organisch etwas von einem
unvollkommenen, rohen, unentwickelten in einen entwickelten Zustand überführt.
Bildung bezeichnet dabei sowohl den Prozess als auch das Resultat dieses Vorgangs
und vollzieht sich somit in einer dialektischen Verschränkung von Prozess und
Struktur der Persönlichkeitsentwicklung.
Für den prozessualen Aspekt der Bildung ist der Begriff Erfahrung von entschei-
dender Bedeutung. Erfahrung unterscheidet sich von kognitivem Wissen vor allem
darin, dass sie nicht weitergegeben oder gelehrt werden kann. Jeder Mensch muss
seine Erfahrungen selbst am eigenen Leibe machen. Ausgangspunkt der Erfahrung
ist zumeist das Wahrnehmen eines herausfordernden, auffälligen oder auch stören-
den Tatbestandes, der das bekannte und gewohnte Verhältnis zur Umwelt in Frage
stellt. In der Wahrnehmung von etwas Ungewohntem unterscheidet sich Erfahren
von Erleben (ausführlich dazu Thiele 1996).
Erfahrungen in ihren verschiedenen Dimensionen können in mindestens zwei
Richtungen erworben werden, wobei die Breite den Erfahrungshorizont erweitert
und die Tiefe spezifische Erfahrungsinhalte intensiviert. Gerade im Zusammenhang
mit der bildungstheoretischen Deutung des Leistungssports ist das Merkmal der
Erfahrungstiefe bedeutsam: „Bestimmte Formen der Erfahrung brauchen ihre Zeit,
da gibt es keine Abkürzungen und auch keine Substitution. Diese Erfahrung hat
ihren Preis: sie dauert“ (Thiele 1996, 187).
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Damit ist die spezifische Zeitlichkeit des Erfahrungserwerbs angesprochen, die in
der Kontinuität des Erfahrungszusammenhanges und der Diskontinuität der Einzel-
erfahrung besteht. Singulären Erfahrungen sind demnach in die Kontinuität von
Vor-Erfahrungen zwar einerseits eingebettet, müssen jedoch andererseits die aus
vorhergehenden Erfahrungen abgeleiteten Erwartungen enttäuschen, um überhaupt
den Status einer Erfahrung zu erlangen: „Erst der Bruch mit dem Erwarteten, das
Eintreten des Unerwarteten, ermöglicht Erfahrung als Widerfahrnis“ (Thiele 1996,
182). Dies ist mit der Diskontinuität der singulären Erfahrung gemeint, die aber
notwendig in die Kontinuität des Erfahrungszusammenhangs eingebettet ist.
Aus der Diskontinuität ergibt sich schließlich das Merkmal der Negativität der
Erfahrung. Das Moment der Negation meint hier eine bestimmte Funktion und
nicht eine Bewertung der Erfahrungsinhalte. Der Erwerb neuer Erfahrungen im
Handeln setzt voraus, dass sich der selbstverständliche, alltägliche Umgang in
einer neuen Situation als nicht mehr tragfähig erweist, dass Vorwissen und Vor-
Erfahrungen ihre Gültigkeit verlieren. Solche Erfahrungssituationen rufen Betrof-
fenheit hervor, die in ihren Erscheinungsformen von Staunen und Verwunderung,
über Widerstand- und Distanzerlebnisse bis hin zu Verunsicherung und Krise rei-
chen können. Abhängig vom Grad der Störung des Selbstverständlichen wird das
Subjekt herausgefordert, mit neuen Aktivitäten zu antworten. Das Subjekt-Welt-
Verhältnis gewinnt dadurch eine andere, neue Erfahrungsqualität, die gleichsam
das Rohmaterial der Bildung darstellt und zukünftiges Handeln intentional struktu-
riert.
Hier gerät nun die strukturelle Komponente der formalen Bildungsdimension in
den Blick, die in der klassischen Bildungstheorie eine besondere Rolle spielte und
von Gadamer (1990), im Anschluss an Hegel, prägnant formuliert wird (dazu auch
Lassahn 1993, 29ff.): Bildung vollzieht sich demnach als freiwillige Zumutung
eines Allgemeinen, das die Aufopferung individueller Besonderheiten und die Ab-
standnahme von unmittelbaren persönlichen Bedürfnissen verlangt. Der strukturel-
le Bildungsprozess nimmt seinen Ausgang also von einer Art der Entfremdung im
Sinne einer Distanzerfahrung, die jedoch nur den Beginn und keinesfalls das Gan-
ze des Bildungsvorgangs ausmacht. „Nicht die Entfremdung als solche, sondern
die Heimkehr zu sich, die freilich Entfremdung voraussetzt“ (Gadamer 1990, 20),
vollendet den Bildungsprozess - ohne ihn im Idealfall abzuschließen. Subjektiv
erfahrbar wird diese Heimkehr zu sich in einem spezifischen Können.
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Bildung ist demnach auf zukünftiges Können orientiert und vollzieht sich im Pro-
zess der Handlungsgegenwart auf der strukturellen Grundlage von Erfahrungen,
die in der Vergangenheit erworben worden sind.
Die Zeitlichkeit der Bildung verweist auf die grundlegende Bedeutung einer Anth-
ropologie des Handelns als Grundlage jeder Bildungstheorie: „Der Bildungsgang
des Menschen ist nur ein Sonderfall von menschlichen Handlungen“ (Lassahn
1993, 37). Um also Bildung vom Allgemeinbegriff der Handlung abgrenzen zu
können, liegt die zentrale Aufgabe in der Reflexion der Sinnsetzungen des bilden-
den Handelns: „Bildungstheorie als Handlungstheorie setzt immer einen Bildent-
wurf voraus, so wie alles Handeln Zwecke und Ziele verfolgt“ (a. a. O., 38).
Mit dem Problem der Reflexion von Sinnsetzungen bzw. Bildentwürfen des Han-
delns, das im bildungstheoretischen Kontext immer die Frage nach einem richtigen
bzw. guten Handeln beinhaltet, ist die normative Dimension der Bildung angespro-
chen. In diesem Punkt gelangen anthropologische und ethische Reflexionen zur
Deckung: „Philosophische Anthropologie, verstanden als Menschenbildtheorie,
und Ethik bilden ein einziges Bedingungsgefüge“ (Meinberg 1988, 269).
2.2 Die normative Dimension der Bildung
Für das praktische Handeln hat bereits Aristoteles in der Nikomachischen Ethik
das Gute als das Ziel nach dem alles strebt ausgemacht.
3
Aus diesem Grund liege
in der richtigen Bestimmung des Wertwörtchens gut das vorrangige Ziel der Ethik.
Bei der Frage nach einem Bildentwurf guten Handelns ist zu beachten, dass die
deutsche Sprache zwei Gegenbegriffe zu gut kennt, die je einen Aspekt der Ethik
kennzeichnen:
zum einen das Gegensatzpaar gut vs. schlecht, das sich auf den Aspekt der
evaluativen Qualität des Handelns bezieht;
zum anderen das Gegensatzpaar gut vs. böse, das den Aspekt der morali-
schen Richtigkeit des Handelns erfasst.
Für die antike Ethik, z.B. in der Utopie des platonischen Staates, war der Zusam-
menhang zwischen dem qualitativ Guten und dem moralisch Richtigen für ein
gelingendes Leben noch selbstverständlich. Erst die moderne Ethik in der Nachfol-
ge von Kant hat einen Konflikt zwischen Glück und Moral postuliert, der dazu
geführt hat, individualethische und sozialethische Konzepte getrennt zu entwi-
3
Zur ethischen Perspektive vgl. auch den Beitrag von CLAUDIA PAWLENKA in diesem Band.
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ckeln, d.h. Qualität und Moral der Lebensführung separat zu reflektieren (ausführ-
lich dazu Tugendhat 1984).
Jedoch ist einem tragfähigen Bildungsbegriff des Leistungssports der Versuch
aufgegeben, den qualitativen und den moralischen Aspekt im Sinne einer Einheit
zu erfassen, da sich pädagogische Leitvorstellungen guten sportlichen Handelns
nicht allein am Bewegungskönnen als qualitativ wertvoll erlebter körperlicher Leis-
tung orientieren dürfen, sondern darüber an einer spezifischen moralischen Katego-
rie zu bemessen sind, die als Fairness bezeichnet wird. Aufgrund der formalen
Dimension der Bildung, verstanden als Dialektik prozessualen Handelns und struk-
tureller Persönlichkeitsentwicklung, ist darüber hinaus die Integration des Leis-
tungssports in den Gesamtzusammenhang eines gelingenden Lebens des Menschen
zu berücksichtigen, der nur für eine relative kurze Spanne seines Lebens - und auch
während dieser keineswegs ausschließlich - Athlet ist.
Für diese Aspekte des leistungssportlichen Handelns geeignete Bezugspunkte zu
finden ist die anspruchsvolle Aufgabe einer Bildungstheorie des Leistungssports in
der normativen Dimension. Zu diesem Zweck eignen sich v. a. neuere Ansätze der
philosophischen Ethik, die der erwähnten Spaltung des Ethikbegriffs entgegenzu-
wirken versuchen, indem sie nicht mehr, wie einst die antike Ethik, gut/böse und
gut/schlecht vorbehaltlos in eins setzen, sondern die beiden Aspekte des Guten
aufeinander zu beziehen versuchen.
4
In diesen philosophischen Bemühungen um eine Erneuerung der Ethik des guten
Lebens wird übereinstimmend die bereits in der Antike gewonnene Grundeinsicht
aufgegriffen, dass die Chance für eine gelingende Existenz in der Weise des Wol-
lens liegt.
5
Diesen Grundgedanken der antiken Ethik hat Seel (1995a, 75) in einem
neueren „Versuch über die Form des Glücks“ aufgegriffen und aktualisiert:
Wenn wir uns in einer Welt, die uns diese Möglichkeit lässt, auf eine günstige Weise
zu den Möglichkeiten unserer Existenz verhalten, so sind wir in einem bestimmten
(übergreifenden) Sinn glücklich, auch dann, wenn wir nicht alles Erstrebte erreichen.
Auf die Frage Der Erfüllung welchen Wollens kann ich mir sicher sein? gibt es nur
eine Antwort: Es ist das spezifische Wie dieses Wollens. Während das Eintreffen
der intendierten Folgen meines Handelns, d.h. der Inhalt des Wollens, auch von
solchen Ereignissen in der Welt abhängig ist, die ich nicht beeinflussen kann, so
4
Z.B. MacIntyre, Taylor, Spaemann (zus. in Seel 1995a, 33ff.).
5
Diese Einsicht hat Angehrn (1985, 55f) wie folgt zusammengefasst: „Die Frage nach dem wahrhaft
Gewollten betrifft nicht die Ziele unserer Wollens, sondern das Wie des Wollens. Das Wort wahrhaft
ist hier ein Adverb, nicht ein Adjektiv.“
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liegt die Weise wie ich diese Folgen intendiere, d.h. die Qualität des Wollens,
vollständig in meiner Hand. In den Worten von Seel (a. a. O., 96):
„Nicht maximale Wunscherfüllung, sondern ein möglichst erfolgreicher Weg der Er-
füllung einer Konstellation von Wünschen gilt … als übergreifendes Glück“.
Für die normative Dimension der Bildung ergeben sich aus dieser formalen Be-
stimmung einer gelingenden Existenz bedeutsame Konsequenzen. Zunächst ist
festzuhalten, dass diese nicht identisch ist mit andauernder Glückseligkeit, denn
„glücklich kann überhaupt nur sein, wer auch nicht glücklich und - als Steigerung
des Nichtglücklichseins - unglücklich sein kann“ (a. a. O., 54). Jedoch sei ein
glückliches Leben ganz ohne Episoden des Glücks ebenfalls nicht vorstellbar:
Ein glückliches Leben besteht nicht einfach aus einer nicht enden wollenden Kette
von Episoden des Glücks; zu einem guten menschlichen Leben gehört ein gelingen-
des Bestehen von erfreulichen und unerfreulichen Situationen verschiedener Art (a.
a. O., 62).
Das Glück des erfüllten Augenblicks ist demnach nur episodischer Natur, das sich
als Widerfahrnis einstellt. Die Grundbedingung eines solchen Glücks besteht nach
Seel (a. a. O., 116) in der Bereitschaft und Fähigkeit, einen Abstand zu dem jewei-
ligen Wollen und Wünschen zuzulassen. Für eine gelingende Lebensführung sei es
zentral, gegenüber den eigenen (teleologischen) Zielen und Zwecken des Handelns
eine ästhetische Haltung zu entwickeln, „die es erlaubt, den plötzlichen Abstand
vom eigenen Entwurf als glückhafte Erfüllung zu erfahren“ (ebd.). Ein gelingendes
Leben müsse deshalb nicht zwingend auch ein gutes oder gar glückliches Leben
sein,
dann nämlich, wenn ihm die Erfüllung wesentlicher Wünsche versagt geblieben ist.
Gelingen kann es gleichwohl, solange es sich in einem Spielraum der freien Ver-
wirklichung zentraler Lebensmöglichkeiten hält (a. a. O., 179).
Diese Lebensmöglichkeiten erläutert Seel anhand verschiedener Tätigkeitsformen
als den Inhalten eines guten Lebens, wobei für das Anliegen einer Bildungstheorie
des Leistungssports vor allem der Zusammenhang von Arbeit und Spiel von Be-
deutung ist.
6
Unter Arbeit wird dabei „ein absichtsvolles und (mehr oder weniger)
aufwendiges Bewirken“ verstanden, „dem es primär um das Resultat dieses Bewir-
kens geht“ (a. a. O., 142). Ist dieser Zukunftsbezug das zentrale Merkmal jeglicher
Arbeitstätigkeit, so könne von gelingender Arbeit nur dann gesprochen werden,
wenn „ein gewünschter Zweck auf Wegen erreicht wird, die der Arbeitende zum
6
Damit wird nicht behauptet, dass die beiden anderen Dimensionen Interaktion und Betrachtung (vgl.
Seel 1995a, 150ff, 160ff) im Sport keine Bedeutung hätten. Jedoch legen Strukturanalysen insbeson-
dere des Leistungssports einen Zusammenhang der Dimensionen Arbeit und Spiel nahe, auf den w. u.
in Kap. 3 Bezug genommen wird.
Robert Prohl
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Erreichen des Zwecks auch gehen will“ (a. a. O., 147). Umgekehrt ist nach Seel
(ebd.)
nicht die schlechteste Definition entfremdeter Arbeit …, dass in ihr nicht (oder nicht
zugleich) das eigene Leben, sondern vor allem oder ausschließlich das anderer ver-
wirklicht wird.
Spiel sei demgegenüber „ein vollzugsorientiertes Handeln; seine primären Zwecke
liegen im Vollzug des jeweiligen Handelns selbst“ und es „lebt von der Ungewiss-
heit seiner Verläufe“ (a. a. O., 159). Die Tätigkeit des Spielens wolle also nichts
bewirken, vielmehr sei der „Sinn des Spiels leibliche oder seelische Agitation.
Dabei wird stets um Gegenwart gespielt“ (a. a. O., 160). Damit stehe das Spiel in
einer besonderen Nähe zur Erfahrung des Augenblicks als einer Form des Han-
delns, „in denen Offenheit für erfüllte Augenblicke erworben, geübt und praktiziert
werden kann“ (a. a. O., 163). Aus diesem Grund bewertet Seel ein Spiel, unabhän-
gig von seinem Ausgang, dann als gelungen, wenn die Spannung um den Gewinn
oder Verlust von Gegenwart eintritt und somit die Offenheit für den erfüllten Au-
genblick praktiziert werden kann.
Da die beiden Tätigkeitsformen der Arbeit und des Spiels einander ergänzen, gehö-
re es zu einem gelingenden Leben, einen Zugang zu diesen Grundformen der Pra-
xis zu haben:
Das Spiel kompensiert den Nachteil der Arbeit, im Vollbringen immer auf Ziele aus
zu sein, mit deren Erreichen die Arbeit zum Erliegen kommt. (…) Die Arbeit wie-
derum kompensiert den Nachteil des Spiels, nichts Bleibendes hervorbringen zu
können (a. a. O., 174).
Sind Arbeit und Spiel zwei wesentliche Inhalte einer gelingenden Existenz, so
besteht für Seel die Einheit - nicht Identität - von Glück und Moral in dem Respekt
gegenüber den Bedingungen eines solchen Glücks: Es sei die Idee der Moral, „dass
alle allen gegenüber das Recht auf Zugang zum Spielraum eines guten Lebens
wahren“ (a. a. O., 237). Der Grundsatz der Moral könne daher lauten: „Handle so,
dass Du jederzeit allen anderen gegenüber die Möglichkeit eines für sie guten Le-
bens respektierst“ (a. a. O., 264). Um diesen Respekt aufbringen zu können, müsse
dem moralischen Subjekt die Form des Glücks als Wie des Wollens jedoch bekannt
sein. Aus diesem Grund kann es nach Seel keinen Begriff des moralisch Guten
ohne einen Begriff des qualitativ Guten geben.
Die nicht-identische Beziehung der beiden Begriffe des qualitativen und morali-
schen Guten ist aus pädagogischer Sicht von entscheidender Bedeutung, weil - wie
die Ausführungen zur formalen Dimension der Bildung gezeigt haben - in der
Erfahrung von Differenz und Widerstand wesentliche Bildungspotentiale liegen. In
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diesem Sinne gelangt auch Seel zu der Schlussfolgerung, dass auftretende Diffe-
renzen zwischen dem angestrebten individuellen Glück und einer die Interessen
anderer berücksichtigenden Moral zwar in der konkreten Situation als Mangel
empfunden werden können, im Ganzen jedoch als Zugewinn zu bewerten seien,
denn „existentielles Gelingen, das zugleich moralisches Gelingen wäre, wäre ge-
steigertes Gelingen“ (a. a. O., 358).
Für den vorliegenden Zusammenhang bleibt also festzuhalten, dass für ein gelin-
gendes Lebens als Ziel der Bildung das Wie des Wollens in zweifacher Hinsicht zu
berücksichtigen ist:
zum einen in der Art und Weise, wie danach getrachtet wird, die individu-
ellen Wünsche und Begehrungen
7
zu erfüllen,
zum anderen in der Art und Weise, wie dabei die Möglichkeiten aller an-
deren, ihre jeweiligen Wünsche und Begehrungen zu erfüllen, respektiert
werden.
Dabei liegt in der Einheit von Glück und Moral die Möglichkeit eines gesteigerten
Gelingens des Lebens, wobei eine Bedingung der Wahrnehmung dieses Guten
darin besteht, dass individuelles Glück und soziale Moral als Differenz erfahren
worden ist. Die Tätigkeitsformen einer gelingenden Praxis wirken dabei ergänzend
und kompensatorisch aufeinander ein (z.B. Arbeit und Spiel).
Jedes Wollen ist jedoch nur in der handelnden Wechselwirkung zwischen Indivi-
duum und Welt zu verwirklichen. Nicht umsonst bezeichnet von Humboldt Bil-
dung als die freieste und regeste Wechselwirkung zwischen Mensch und Welt. Der
Prozess der Bildung bedarf also einer Sache, d.h. der Mensch benötigt „Wirklich-
keit, Gegenstände oder Vorhandenes, an denen er sich bildet“ (Lassahn 1993, 42).
Aus diesem Grund umfasst der Bildungsbegriff, wie w. o. in Kap. 2 bereits ange-
deutet wurde, zwingend auch eine materiale Dimension.
Damit ist der zweite Schritt der Analyse vorbereitet, in dem die anthropologische
Bedeutung und die phänomenologische Struktur leistungssportlichen Handelns
erörtert werden sollen.
3 Was bedeutet Leistungssport“?
Die Ausdifferenzierung des Sports als Begriff und Kulturphänomen ist seit gerau-
mer Zeit ein Thema der geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen inner-
halb der Sportwissenschaft (vgl. bereits Kaschuba 1989; zus. Cachay & Thiel
7
Zum Begehren des Athleten vgl. den Beitrag von HARALD LANGE in diesem Band.
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2000) und muss in diesem Rahmen nicht eigens thematisiert werden. Stattdessen
soll dem Vorschlag von Schürmann (2001, 268) gefolgt und danach gefragt wer-
den, „was wir spezifisch tun, wenn wir Sport treiben“. Sporttreiben wird dabei als
eine besondere Tätigkeit aufgefasst, die sich durch eine spezifische Reflexionsstu-
fe
8
von anderen körperkulturellen Tätigkeiten unterscheidet, in welcher deren ei-
gentümliches Bildungspotential vermutet werden kann. Die Analyse des Bildungs-
potentials des Leistungssports anhand anthropologischer und phänomenologischer
Erörterungen dieser besonderen Tätigkeit vorzubereiten ist das Ziel dieses Kapi-
tels.
Eine erste, pragmatische Abgrenzung des Leistungssports gegenüber den vielfälti-
ge anderen Formen des Sporttreibens erlaubt die ebenso knappe wie präzise Defi-
nition von Emrich (2003, 343) im Sportwissenschaftlichen Lexikon, nach der
der äußere Rahmen leistungssportlicher Bewerbe geprägt ist durch die Geltung des
Konkurrenzprinzips und des Prinzips der Chancengleichheit sowie eines nach klaren
Regeln funktionierenden Zugangs- und Durchführungsprinzips des Wettkampfs
bzw. Wettbewerbs.
In diesem Merkmal unterscheidet sich der Leistungssport zumindest graduell vom
Breitensport und prinzipiell vom Freizeitsport. Trotz dieser Betonung von Konkur-
renz, so Emrich (ebd.) weiter, wird der Leistungssport „begleitet vom weltanschau-
lichen, ethisch verankerten Prinzip der Fairness.“
Fragt man über diese deskriptive definitorische Abgrenzung hinaus unter bildungs-
theoretischen Gesichtspunkten nach dem spezifischen Sinn sportlicher Leistung
(vgl. Grupe 2000, 195) als der Grundlage leistungssportlichen Handelns, dann fällt
eine schlüssige Antwort erheblich schwerer. Berning (1985, 80) fasst dieses Prob-
lem in folgender Frage:
Warum sollte ich Sport wollen? Welchen zu ergreifenden Beitrag kann sportliche
Betätigung für die Lebensgestaltung leisten? Das sind die grundlegenden Fragen ei-
ner Ethik des Guten für die Sportethik.
Aufgrund des bisherigen Standes der Analyse sind Antwortoptionen auf diese
Sinnfrage zunächst von einer Analyse der anthropologischen Struktur leistungs-
sportlichen Handelns zu erwarten.
8
Schürmann (2001) versteht Reflexion als ein strikt formales Charakteristikum, das weder Bewusstheit
voraussetzt noch einen Akt erfordert, der zur eigentlichen Tätigkeit hinzukommt. Der Vollzug einer
Tätigkeit auf einer höheren Reflexionsstufe ist demnach gekennzeichnet „durch ein definitives Mo-
ment von anders-sein-können, von Offenheit, ohne dass diese Offenheit notwendigerweise der Ver-
fügungsgewalt des Subjekts zugerechnet werden müsste. In einem reflexiven Übergang entspringt ein
Moment von Freiheit“ (a. a. O., 278) - z.B. in der Wahl zwischen verschiedenen Speisen in einem
Restaurant. In Tätigkeiten, die der reinen Befriedigung von Bedürfnissen dienen (z.B. essen, um den
Hunger zu stillen), stelle sich dieses Moment der Freiheit in gänzlich anderer Weise dar.
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21
3.1 Anthropologische Grundlagen leistungssportlichen Handelns
Das Besondere des leistungssportlichen Handelns kann nur im Rahmen von und in
Differenz zu einer allgemeinen Betrachtung des Handelns in den Blick geraten.
Dessen anthropologische Grundlage liegt in dem Doppelcharakter menschlichen
Verhaltens als Bedingung von Handeln schlechthin: Der Mensch verhält sich nicht
nur zur Welt, sondern er verhält sich darüber hinaus zu seinem Verhalten. Diese
Fähigkeit zur Selbstdistanzierung kann mit Plessner (1975) als exzentrische Positi-
onalität bezeichnet werden, die eine Weltoffenheit des Menschen ebenso bedingt
wie voraussetzt. Eben darin entäußert sich ein besonderes Verhältnis gegenüber der
Zeit, die im Rahmen der bildungstheoretischen Erörterungen in Kap. 2 bereits
angesprochen worden ist.
Tenbruck (1978) hat die Merkmale der Welt- und Zeitoffenheit zu einer „Anthro-
pologie des Handelns“ verdichtet, die von einer ursprünglichen Unsicherheit als
conditio humana ihren Ausgang nimmt. Aus diesem Grund richte sich die Auf-
merksamkeit in der Regel auf die äußere Unsicherheit des Handelns als dem Prob-
lem, in der Welt zweckmäßig und erfolgreich zu agieren. Eher unterschätzt werde
dabei die anthropologische Bedeutung der inneren Unsicherheit des Handelns.
Auch diese gründet nach Tenbruck (
a. a. O., 95)
in der Weltoffenheit des Menschen, der zwar eine kaum erschöpfbare Zahl von Zie-
len und Wünschen haben kann, aber, von wenigen biologisch fundierten Bedürfnis-
sen abgesehen, keine bestimmten haben muss und eben deshalb vor der Frage steht,
was seine wahren Bedürfnisse sind.
Aus diesem Grund sei Handeln nicht einseitig instrumentell als eine Art Apparat
aufzufassen, über den zum Zwecke der Zielerreichung etwa unproblematisch ver-
fügt werden könne. Vielmehr ist es nach Tenbruck (a. a. O., 97) von ebensolcher
Bedeutung, den Eigenwert des Handelns zu berücksichtigen:
Diese Eigenqualitäten, welche das Handelnr den Menschen besitzen, werden
sinnfällig darin, dass unser Tun mit gewissen Last- oder Lustgefühlen befrachtet ist,
die noch vor Erfolg oder Misserfolg auf das Handeln selbst bezogen sind.
Während die Probleme der äußeren Handlungsführung dem Menschen in objekti-
vierter Form als konkrete Aufgaben in der Welt entgegentreten, habe die innere
Handlungsführung
es wesentlich mit der Steuerung von energetischen Zuständen und deren emotiona-
len Ausdrücken, … dazu mit Bedeutungen und Werten zu tun, die aber fließend,
schwankend und ungeformt, also kaum fassbar und objektivierbar und in keinem
Fall direkt beherrschbar sind“ (a. a. O., 101).
Infolge dessen habe der Schwerpunkt der kulturellen Entwicklung stets auf der
Reduzierung der äußeren Unsicherheitsfaktoren gelegen (z. B. durch technologi-
Robert Prohl
22
sche Errungenschaften), während für die Probleme der inneren Handlungsführung
solche kumulativen Fortschritte, zumindest in der abendländischen Tradition, nicht
zu verzeichnen seien.
Mit Blick auf die anthropologischen Grundlagen einer Bildungstheorie des Leis-
tungssports ist nun die Erkenntnis brisant, dass die beiden Dimensionen der Unsi-
cherheit des Handelns nicht gleichzeitig zu minimieren sind. Dieses Phänomen, das
Tenbruck (a. a. O., 112) als Paradoxie von Sicherheit und Ertragsverlust be-
schreibt, kommt in der alltäglich nachvollziehbaren Tatsache zum Ausdruck, dass
eine Aufgabe oder Handlungsherausforderung in der Regel ihren Reiz verliert,
wenn sie sicher gelöst wird oder problemlos gelingt:
In dem Maße, wie der Mensch erfolgssichere Handlungsmuster aufbaut, verliert das
Handeln seinen Eigenreiz als Handeln und entwertet sich subjektiv der Ertrag. Han-
deln bezahlt die Erfolgssicherheit mit Monotonisierung und Gratifikationsverfall.
Andererseits jedoch entspringt dieser Nicht-Identität von innerer und äußerer
Handlungsführung, die wie erwähnt auf der exzentrischen Positionalität des Men-
schen als einem welt- und zeitoffenen Lebewesen beruht, ein Moment der Freiheit,
in der Tenbruck (a. a. O., 137) die Bedingung der Möglichkeit von Kultur und
somit auch Bildung erkennt:
Insofern ist die Kultur, in der engeren und älteren Bedeutung objektivierter geistiger
Bedeutungen, gleichzeitig das unvermeidliche Resultat und die notwendige Voraus-
setzung der inneren Handlungsführung.
Nach der eingangs dieses Kapitels angeführten Definition repräsentiert der Leis-
tungssport ein solches Kulturphänomen im Sinne ideeller Objektivationen und
historisch tradierter Realisierungsformen möglicher leiblicher Bewegungsvollzüge.
Durch raum/zeitliche Vorgaben und soziale Regeln reduziert Sport einerseits die
Komplexität der individuellen Bewegungsentfaltung, andererseits jedoch wird eben
dadurch das Spektrum potentieller Bewegungshandlungen als dauerhaftes Angebot
und langfristige Herausforderung erweitert und vertieft. Aufgrund dieses kultur-
anthropologischen Arguments hält auch Grupe (1982, 107) „Sport nicht nur für
Vergnügen, Erholung, Spiel und Entspannung“ - dies natürlich auch; Sport biete
darüber hinaus jedoch auch „eine Möglichkeit, uns die freiwillige Selbsterschwer-
nis unseres Lebens zuzumuten, aus der Kultur entsteht“.
Diese Eigenwelt des wettkampforientierten Leistungssports, als kulturelle Antwort
auf die anthropologische Paradoxie des Handelns, kann nach Herzog (2002) in drei
qualitativ abgrenzbare Zeitzonen untergliedert werden:
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
23
Die Startperspektive des Vorher (Zukunft), die unter der Bedingung der
Chancengleichheit zwischen den opponierenden Parteien den Raum der
Möglichkeiten (des Sieges bzw. der Niederlage) beherbergt;
die Wettkampfperspektive des Während (Gegenwart) als Zeit der Ereig-
nisse;
die Zielperspektive des Nachher (Vergangenheit), die dem Reich der un-
widerruflichen Tatsachen angehört.
Im Unterschied zum reinen Spiel umfasst der Sport nach Herzog alle drei Ekstasen
dieser modalen Zeit, woraus sich dessen spezifisch rhythmischer, pulsierender
Charakter als symbolische Form ergibt. Die Sportarten als kulturelle Objektivatio-
nen des Bewegungshandelns überformen also keine „natürlicherweise existierende
Wirklichkeit, sondern schaffen diese gleichsam ex nihilo“ (Herzog a. a. O., 247).
Dies meint der Begriff symbolische Form zur Kennzeichnung des Sports, denn als
solche
überdauert die Organisation des Sports die pulsierende Wirklichkeit seiner kulturel-
len Objektivationen. Sie ist aber nur da, um den Sport als Kulturform zu schützen.
Der Sport lebt nicht von seiner Organisation, sondern von der Spannung, die er dank
der modalen Zeitgestalt, die ihm zugrunde liegt, zu erzeugen vermag: … jeder Wett-
kampf markiert einen Neuanfang. Immer scheint alles in einer neuen Gegenwart
wieder beginnen zu können“ (a. a. O., 248).
Andererseits führt leistungssportliches Handeln auch zu anstrebbaren Ergebnissen,
so dass Sport - und insbesondere Leistungssport - auch Strukturen der Arbeit bein-
haltet.
Im Folgenden wird es darum gehen, solche anthropologischen Besonderheiten der
zeitlichen Modalität des wettkampforientierten Leistungssports phänomenologisch
zu erhellen, die als Grundlage der Analyse materialer Bildungsmomente dienen
können. In notwendiger Begrenzung des Gegenstandsfeldes soll dies anhand des
Sportspiels in exemplarischer Weise erfolgen.
9
9
Sportartspezifische Besonderheiten, die selbstverständlich zwischen Individual- und Mannschafts-
oder Kontakt- und Rückschlagsportarten usw. bestehen, können im gegebenen Rahmen nicht berück-
sichtigt werden. Für die leichtathletische Disziplin Stabhochsprung (Ehni 2000) sowie für das Rudern
(Lenk 1985) sind phänomenologische Beschreibungen vorgenommen und entsprechende Bildungs-
potentiale herausgearbeitet worden. Für den vorliegenden Zusammenhang der phänomenologischen
Analyse leistungssportlichen Handelns erscheint allerdings das Sportspiel als besonders geeignet, da
hier die Zusammenhänge und Unterschiede zum reinen Spiel besonders deutlich ins Auge fallen.
Robert Prohl
24
3.2 Phänomenologie des leistungssportlichen Handelns am Beispiel
sportlichen Spielens
In einer Deutung von Röhrs (1981, 157) ist das Sportspiel als „ein soziales Hand-
lungssystem (zu verstehen), das trotz der Bindung an ein fixiertes Regelwerk spie-
lerische Freiheit in der Realisierung der Spielidee gewährt“. Nach Künstling (1990,
165) spannen die Spielregeln dabei einen Rahmen auf, „der die Komplementarität
von Zufall und Notwendigkeit gewährleistet.“ Diese phänomenologischen Erläute-
rungen beschreiben das Sportspiel im o. g. Sinne als ein Kulturphänomen, denn
einerseits bewirkt die raum/zeitliche Ausgrenzung der Situation, dass die
Komplexität der sozialen Umwelt reduziert wird,
andererseits bringen die Nullsummenkonkurrenz unter anfänglicher Chan-
cengleichheit zwischen den opponierenden Spielparteien und die hand-
lungslimitierenden Wettkampfregeln Komplexität im Sinne von Unsicher-
heit ins Spiel.
Diese sport(spiel)spezifische Komplexität beruht auf einem Wechselspiel von
Chaos und Ordnung, das nach Müller (1998, 109) bereits die elementare Grundsi-
tuation des Sportspiels 1 gegen 1 auszeichnet:
Das Entstehen von Chaos auf Seiten des Einen (Abwehrspieler) ermöglicht die neue
Ordnungsbildung auf Seiten des Anderen (Angreifer). Weil eine solche Konstellati-
on auch umkehrbar ist, bewegen sich beide Spieler insofern am Rand des Chaos’.
Aus dieser Konstellation ergeben sich zeittheoretische Konsequenzen, die für die
materiale Bildungsdimension des Sportspiels von entscheidender Bedeutung sind.
Um die spezifische Binnenstruktur der Zeitlichkeit, die dem wettkampfmäßigen
Sportspiel in Abgrenzung zum reinen Bewegungsspiel zu Eigen ist, phänomenolo-
gisch zu erhellen, muss man sich mit dem ungewohnten Gedanke vertraut machen,
dass der Mensch phänomenal nicht etwa, wie der Alltagsverstand glauben macht,
aus der Vergangenheit in die Zukunft handelt, sondern genau umgekehrt, aus der
Zukunft in die Vergangenheit.
10
Auf dieses contraintuitive Phänomen macht bereits
Buytendijk (1956, 54) mit folgendem Kernsatz einer phänomenologischen Bewe-
gungstheorie aufmerksam:
Bei allen zielgerichteten Bewegungen gibt es für das funktionelle Geschehen ein an-
deres Zeitsystem als für das physikalisch-physiologische. Wenn ich meinen Fuß auf
die Stelle setze, die ich vor mir sehe, so ist das Sehen früher als die Bewegung. „Ich
setze meinen Fuß in das Vergangene“.
10
Ausführlich dazu vom Verf. „Die Zeitlichkeit der Selbstbewegung“ (1995).
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
25
Dieser Satz trifft allerdings nur dann zu, wenn ich das Setzen meines Fußes auf
eine bestimmte räumliche Stelle intendiert habe. Besteht meine Absicht jedoch
darin, in einer Situation des Sportspiels zum Ball zu laufen, so bedeutet das Setzen
des Fußes nur einen unter mehreren Schritten in der Dauer der Gegenwart der
Bewegungshandlung, die sich rückläufig aus der Zukunft des angesteuerten Zieles
in die Vergangenheit des Fassens der Absicht, dorthin zu laufen, aufspannt. In
diesem Fall laufe ich in das Vergangene.
In abstracto bedeutet dies, dass die Absicht der Bewegung als intentionaler Vor-
entwurf die phänomenale Zukunft einer Bewegungshandlung darstellt, so dass sich
der Mensch einerseits physisch mit dem Zeitpfeil aus der Vergangenheit in die
Zukunft bewegt, andererseits und zugleich jedoch phänomenal aus der Zukunft in
die Vergangenheit handelt. Die resultierende diachrone Gegenläufigkeit der Zeit-
lichkeit spannt die Gegenwart der Bewegungshandlung auf, die phänomenal als
flüchtige räumliche Ordnung erlebt wird. In der leiblichen Bewegung werden also
die innere und die äußere Zeitreihe synchronisiert, unter der Maßgabe, die situativ
je beste Synthese zu finden.
Die diachrone Grundstruktur der phänomenalen Zeitlichkeit des Bewegungshan-
delns ist eine wesentliche Voraussetzung für das Verständnis des Werterlebens im
Sportspiel. Da dieses Werterleben, das im Folgenden als Bewegungsqualität be-
zeichnet wird, aus der Synchronisation zweier Zeitreihen hervorgeht, sind analy-
tisch zwei Qualitätsdimensionen des Bewegungshandelns zu unterscheiden.
Zum einen bemisst sich der Wert einer Bewegungshandlung am Maßstab
der Verwirklichung der Bewegungsabsicht, also deren ordnungsstiftendem
Effekt in der Beziehung zwischen Individuum und Umwelt. Diese Wert-
dimension, die das Maß der Übereinstimmung zwischen Zukunft (Hand-
lungsziel) und Vergangenheit (Zielerreichung) in der leiblichen Bewe-
gung repräsentiert, wird im Folgenden als telische Bewegungsqualität be-
zeichnet.
Zum anderen ist die Weise, wie der ordnungsstiftende Effekt zwischen
Individuum und Umwelt bewirkt wird, von entscheidender Bedeutung für
den Wert einer Bewegungshandlung. Absichten können auf verschiedene
Weise realisiert werden. Je nach dem wie es gelingt, die äußere mit der
inneren Zeitreihe zu synchronisieren und somit im Sinne des Wortes Ord-
nung zu schaffen, widerfährt die Bewegung unterschiedlich. Diese Wert-
dimension, die das resultierende Gegenwartsfenster im Sinne einer vermit-
Robert Prohl
26
telten Unmittelbarkeit
11
zur Welt repräsentiert, wird im Folgenden autote-
lische Bewegungsqualität genannt.
Die Prämisse, auf deren Grundlage schließlich die materiale Bildungsdimension
sportlichen Spielens phänomenologisch erhellt werden soll, lautet also, dass die
Qualität einer Bewegungshandlung nicht allein davon abhängt, dass eine Ordnung
in der Beziehung zwischen Individuum und Umwelt bewirkt worden ist (telische
Bewegungsqualität), sondern auch davon, wie diese Ordnung hergestellt wird (au-
totelische Bewegungsqualität). Erst die situationsadäquate Synthese von Telik und
Autotelik lässt die Qualität einer Bewegungshandlung als Wert widerfahren.
12
Hier kann nun ein phänomenologischer Bezug zu der erwähnten chaostheoreti-
schen Deutung der Grundsituation 1 gegen 1 hergestellt werden. Der angreifende
Spieler versucht durch Körpertäuschungen (Finten) den Verteidiger zu verleiten,
zeitlich in eine falsche, weil nicht eintreffende Zukunft zu intendieren und sich
räumlich in eine verkehrte Richtung zu bewegen. In der Begrifflichkeit der phäno-
menologischen Zeittheorie formuliert: Ein Sportspieler verwirklicht seine Hand-
lungsgegenwart auf Kosten der Gegenwart seines Gegenspielers.
Diese phänomenologische Zeitfigur gilt als Prinzip des wettkampfmäßigen Sport-
spiels sowohl auf der atomaren, individuellen (z.B. Finte, Dribbling) als auch auf
der molaren, mannschaftlichen Ebene (z.B. Doppelpass, Ballstafette): Stets geht es
um das Bestreben, für sich selbst die Bedingungen des Eintreffens einer richtigen
Zukunft zu schaffen und dabei flüchtige Ereignisse der Gegenwart in eine Tatsache
der Vergangenheit zu überführen, die es dem Gegner erschweren, es gleich (gut) zu
tun.
Gelingt dies, dann besteht die Belohnung nicht nur in der Wahrnehmung telischer
Bewegungsqualität als Tatsache einer gelungenen Vergangenheit, sondern auch
und vor allem in Form einer Gegenwartsspanne flüchtiger Ordnungsbildung inner-
halb der chaotischen Komplexität des Wettkampfprozesses. Diese Ordnung leibli-
cher Gegenwart widerfährt dem Sportspieler als autotelische Bewegungsqualität,
die nicht direkt herstellbar und insofern reflexiv ist, als sie sich nur indirekt bzw.
vermittelt durch die adäquate telische Vorwegnahme zukünftiger Spielsituationen
T
11
Vgl. Plessner (1975, 337): „Zeigt das Ergebnis eines wie immer sonst gearteten Bestrebens den
Charakter vermittelter Unmittelbarkeit, so stellt es sich als Was irgendwie, als Inhalt in einer Form
dar. Die Möglichkeit, das Was vom Wie der Durchführung der Intention abzuheben, legt diesen Cha-
rakter bloß. … Der Abstand des Zielpunktes der Intention vom Endpunkt der Realisierung der Inten-
tion ist eben das Wie oder die Form, die Art und Weise der Realisierung.“
P
12
Vgl. die Ausführungen zur anthropologischen Paradoxie des Handelns im vorhergehenden Ab-
schnitt.
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
27
einstellt. Das spontane Öffnen solcher leiblichen Gegenwartsfenster, unter gleich-
zeitigem Schließen derselben bei der opponierenden Partei, ist die Bedingung der
Möglichkeit des leistungssportlichen Erfolgs, d.h. des Sieges. Andererseits ist die
Reflexivität der spezifischen Qualität dieser leiblichen Gegenwart unabdingbar an
die Überwindung von Widerstand geknüpft.
Daraus folgt die bildungstheoretische These, dass im Risiko des Scheiterns der
Preis für die Möglichkeit der Widerfahrnis leiblicher Bewegungsqualität im Sport
(-spiel) liegt und im Umgang mit eben diesem Risiko dessen Bildungspotential.
Damit kann zum zweiten Schritt der Analyse übergegangen und Leistungssport als
materiale Bildungsdimension erörtert werden.
4 Leistungssport als materiale Bildungsdimension
Aus der vorangegangenen phänomenologischen Deutung des Sportspiels als Ex-
empel für leistungssportliches Handeln folgt, dass im Wie des Umgangs mit dem
Risiko des Scheiterns qualitativ-ästhetische
13
Erfahrungspotentiale liegen. Im Fol-
genden wird zu zeigen sein, dass deren Zusammenhang mit der ethisch-
moralischen Komponente der Fairness eben jene materiale Bildungsdimension des
Leistungssports in sich birgt, die in der normativen Dimension als Einheit ohne
Identität eines qualitativ und moralisch gelingenden Lebens erörtert worden ist (s.
Kap. 2.2).
4.1 Formale Bildungspotentiale leistungssportlichen Handelns
Auf die qualitativ-ästhetische Erfahrungskomponente des Sports im Allgemeinen
weist Franke (2001, 68) hin, wenn er feststellt, dass für das Bildungspotential des
Sports
die (leibgebundene) Differenzerfahrung zwischen wahrgenommenem und vorge-
stelltem Raum, wahrgenommener Zeit und vorgestellter Zeit sowie die existentielle
Unterscheidung … in Leib sein / Körper haben
entscheidend ist. In der Überwindung eben dieser Differenzerfahrung - im Sinne
der hegelianischen Bildungstheorie in der Heimkehr aus der Entfremdung zu sich
selbst - ist der ästhetische Kern des sportlichen Wettkampfs zu vermuten.
In einem philosophischen Essay zur Ästhetik des Sports mit dem Titel „Die Ze-
lebration des Unvermögens“ beschreibt Seel (1995b, 121ff.) die Überwindung der
Differenzerfahrung des (Leistungs-)Sportlers als Verselbständigung des Leibes.
13
Der Begriff des Ästhetischen wird hier in einem weiten Sinne auf eine spezifische Weise der sinnli-
chen Weltwahrnehmung und -gestaltung angewendet, der die enge Bedeutung des künstlerisch Schö-
nen überschreitet (vgl. Caysa 2003).
Robert Prohl
28
Den Kern sportlichen Handelns sieht Seel darin begründet, im Rahmen begrenzter
Zeit und begrenzten Raumes eine Leistung durch körperliche Tätigkeiten zu voll-
bringen, deren Koordination nicht vollständig beherrscht werden kann. In der unter
diesen Bedingungen gelingenden Bewegung handele der Sportler nicht länger im
Geschehen des Wettkampfs, sondern er werde eins mit dem Geschehen: „Der Sinn
dieser Anstrengung liegt darin, körperliches Tun als reines Geschehen erfahrbar
werden zu lassen“ (a. a. O., 123).
Um das Geschenk der Verselbstständigung des Leibes jedoch empfangen zu kön-
nen - schärfer formuliert: um eines solchen Geschenks überhaupt würdig zu sein -
bedarf es eingehender und langwieriger Vorbereitung, die Training genannt wird.
Es geht dabei um den formalen Bildungsaspekt der Erfahrungstiefe, den Bollnow
(1991) in einer Abhandlung über den „Geist des Übens“ in großer Klarheit darge-
stellt hat.
14
Bollnow (a. a. O., 51) betont, dass nicht nur Lernen, sondern auch Üben
zunächst einen negativen Charakter trägt, denn
Üben im eigentlichen Sinne entspringt erst dort, wo der gewohnte Ablauf der Tätig-
keit durch ein auftretendes Unvermögen unterbrochen wird und jetzt die bestimmte
Einzelleistung isolierend herausgehoben und zur Vervollkommnung gebracht wird.
Trotzdem oder gerade deshalb wohnen der Tätigkeit des Übens Bildungspotentiale
inne, wobei zunächst dem Prozess, d.h. dem Wie des Übens eine entscheidende
Bedeutung zukommt. Nach Bollnow (a. a. O., 78) ist die Gelassenheit als Bezeich-
nung „für den Seelenzustand, in dem der Mensch seinen Eigenwillen aufgegeben,
ihn gelassen hat“, ausschlaggebend für das Bildungspotential des Übens. Im Zu-
stand der Gelassenheit erfahre sich der Mensch als frei von „seinen kleinlichen
Sorgen und Empfindlichkeiten“ und könne somit eins mit der anstehenden Aufga-
be werden und im Einklang mit der Zeit handeln:
Die wahre innere Freiheit besteht darin, sich, ohne sich vom Spiel der Umstände ab-
lenken zu lassen, ruhig und stetig auf seine Aufgaben einzulassen, sein Werk bis zur
höchsten ihm möglichen Vollendung zu bringen und in gesammelter Anstrengung
sein Können und seine Leistung immer weiter zu steigern (a. a. O., 79).
Dies bedeutet, dass Üben nicht nur einen Selbstzweck verfolgen sollte, sondern
sein volles Bildungspotential erst dann entfaltet, wenn es auf eine Gesamtleistung,
ein Können hin orientiert ist. Hier liegt der Ursprung des dialektischen Zusammen-
hangs von Üben und Können: Die Leistung als Können dient als Maßstab für die
14
Es soll nicht verschwiegen werden, dass sich Bollnow (1991, 113) gerade hinsichtlich des Bildungs-
potentials des leistungssportlichen Trainings skeptisch geäußert hat. Allerdings legt Bollnow dabei
ein mechanistisches Trainingsverständnis zugrunde, dem mit diesem Beitrag und dem gesamten
Band gerade entgegengewirkt werden soll.
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
29
Qualität des Übens und umgekehrt gewinnt das Üben seinen eigentlichen Sinn erst
durch die Qualität des angestrebten Könnens. Dazu Bollnow (a. a. O., 117):
Diese Freude am gut Gekonnten, an der Leichtigkeit und Eleganz, mit der eine Tä-
tigkeit ausgeführt wird, ist im Grunde ein ästhetisches Gefühl; … die Freude an dem
Vollkommenen als solchen ist etwas spezifisch Ästhetisches. In dieser Weise hat je-
de in Strenge ausgeübte Kunst etwas vom Ethos der im engeren Sinne gefassten
schönen Künste.
Im leistungssportlichen Wettkampf wird diese mühevoll erworbene innere „Gelas-
sen“-heit und äußere „Fertig“-keit jedoch im Sinne des Wortes aufs Spiel gesetzt,
d.h. wie in Kap. 2 beschrieben, auf einer höheren Ebene verunsichert. Ehni (2000,
51) fasst diese paradoxe Logik von Training und Wettkampf prägnant zusammen:
Während die ganze Vernunft des Trainings darauf gerichtet ist, die Bedingungen für
den Sieg im Wettkampf herzustellen, ist die ganze Vernunft des Wettkampfs darauf
gerichtet, genau diese Rechnung zu widerlegen und offen zu halten.
Vor dem Hintergrund der Analyse der Zeitlichkeit des Sportspiels (vgl. Kap. 3.2)
liegt in eben dieser Paradoxie die Bedingung der Möglichkeit für jene Erfahrung
des reinen Geschehens, in der Seel den ästhetischen Sinn wettkampfsportlichen
Handelns erkennt. Im Strom induziert-chaotischer Situationen des Sports kann die
geleistete flüchtige Ordnung als leibliche Gegenwart auf einer höheren Ebene
erfahren werden, welche die Gegenwartserfahrung in der Gelassenheit des Übens
transzendiert. Somit erscheint der leistungssportliche Wettkampf in einer Formu-
lierung von Seel (1995b, 124f.) als
eine ästhetische Inszenierung der menschlichen Natur, und zwar nicht zuerst seiner
sozialen Natur, wie gern behauptet wird, sondern zuallererst seiner physischen Natur
- derjenigen Natur, auf die er sich in allen seinen körperlichen Aktionen verlassen
muss, deren er sich aber zugleich niemals vollständig versichern kann. (...) Denn das
Telos des Sports ist kein anderes als dieses ästhetische Telos - für eine begrenzte
Zeit die Unwägbarkeit unserer körperlichen Natur zu genießen.
Diese Deutung trifft zwar die Quelle leiblicher Bewegungsqualität, aus der das
Bildungspotential leistungssportlichen Handelns entspringt - jedoch ist diese Quel-
le damit noch nicht erschöpft. Die bildungstheoretische Pointe besteht vielmehr
darin, dass dieser qualitative Kern, d.h. das Glück im guten leistungssportlichen
Handeln untrennbar verknüpft ist mit der Moral des richtigen Handelns - als Ein-
heit ohne Identität. Gemeint ist das Prinzip Fairness.
Die hier im Ansatz entwickelte bildungstheoretische Perspektive des leistungs-
sportlichen Handelns lässt den systematischen Ort der Fairness im Spannungsfeld
zwischen Moral und Ästhetik erkennen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an
die notwendige Differenzerfahrung zwischen dem qualitativen und dem morali-
Robert Prohl
30
schen Guten, das in den Erörterungen der normativen Bildungsdimension als Be-
dingung für eine gelingende Existenz zu Tage gefördert wurde (vgl. Kap. 2.2.).
Unter ästhetischem Aspekt meint Fairness jenes Prinzip, welches eine Form leibli-
cher Erfahrung ermöglicht, die Seel (1995b) in seinen Ausführungen zur „Zelebra-
tion des Unvermögens“ charakterisiert hat. Geboten ist dabei eine ästhetische Hal-
tung des Sportlers, die sich in einer Telik der Autotelik, d.h. dem absichtlichen,
telischen Ermöglichen autotelischer Widerfahrnis leiblicher Bewegungsqualität
entäußert.
Der bipolare Fairness-Begriff generiert also ein Kontinuum bildungstheoretischer
Bedeutungen des Wettkampfsports, auf dem Ästhetik und Moral in nicht-
identischer Einheit aufeinander beziehbar sind. Moral und Ästhetik bilden gleich-
berechtigt je einen Extrempol des Kontinuums und können je nach Situation in
unterschiedlicher Ausprägung Geltung beanspruchen. Die resultierenden Fairness-
Gebote der jeweiligen Extrempole dieses Fairness-Kontinuums können etwa fol-
gendermaßen formuliert werden (vgl. auch Abb. 1):
In der moralischen Bedeutung: Befolge die Wettkampfregeln, denn sie ga-
rantieren - qua Chancengleichheit - eine optimale Widerstandsregulation,
die Dir und Deinem Gegner die spezifische Widerfahrnis leiblicher Be-
wegungsqualität als Ertrag Eures Handelns ermöglicht.
In der ästhetischen Bedeutung: Wähle - ohne dabei die Intention des Sie-
gens aus den Augen zu verlieren - diejenige Handlungsoption, die Deinen
Gegner in die Lage versetzt Dir optimalen Widerstand zu bieten, damit
Euch - qua Telik der Autotelik - die spezifische Widerfahrnis leiblicher
Bewegungsqualität als Ertrag Eures Handelns zuteil werden kann.
Telik der
Autotelik
Haltung
Widerstands-
regulation
Chancen-
gleichheit
Regeln
Moral Ästheti
k
Abb. 1: Das Fairness-Kontinuum als nicht-identische Einheit von Moral und Ästhetik im
leistungssportlichen Handeln.
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
31
In dem hochselektiven System des Leistungs- oder gar Spitzensports, das dafür
sorgt, dass in etwa ebenbürtige Gegner eine strikt geregelte Wettkampfsituation
bestreiten, scheint allein die moralische Bedeutung der Fairness von Belang zu
sein. Diese deckt sich weitgehend mit den gängigen Auffassungen der Fairness in
den funktionalen Ansätzen der Sportethik und muss hier nicht eigens erörtert wer-
den.
15
Das zunächst contraintuitiv - wenn nicht gar paradox
16
- anmutende, ästheti-
sche Fairness-Gebot ist im sportlichen Wettkampf jedoch ebenfalls stets präsent,
kommt allerdings nur in Ausnahmesituationen zum Vorschein.
17
Es fordert eine
Haltung des Sportlers, die Varela (1994) als moralische Klugheit bezeichnet. Eine
solche Haltung zum Wettkampf erlaubt es dem Sportler, das Risiko des Scheiterns
bewusst als Bedingung der Möglichkeit ästhetischer Bewegungserfahrungen nicht
nur in Kauf zu nehmen, sondern aktiv zu suchen.
Im fairen wettkampfsportlichen Handeln entäußert sich somit ein ethisches Kön-
nen, das Varela (a. a. O., 35) wie folgt umreißt:
18
Auf der höchsten (moralischen) Ebene entspringen die Handlungen den Neigungen,
welche die klugen Dispositionen eines Menschen in Reaktion auf die besondere Si-
tuation hervorbringen. Aus diesem Grund kann wahrhaft ethisches Verhalten dem
ungeübten Auge manchmal als unauslotbar, mitunter sogar als „verrückte Weisheit“
erscheinen.
Im vorliegenden Zusammenhang besteht die verrückte Weisheit fairen Handelns in
der bewussten Inkaufnahme des Risikos des Scheiterns als Ermöglichungsbedin-
gung eigener autotelischer Widerfahrnis als dem Material ästhetischen Bewe-
gungsgenusses im Wettkampfgeschehen (Telik der Autotelik).
Die bisherigen Ausführungen zur materialen Bildungsdimension des Leistungs-
sports im Hinblick auf eine gelingende (Sportler-)Existenz lassen sich somit auf
drei Thesen verdichten:
15
Der bekannteste Protagonist eines funktionalen Ansatzes innerhalb der sportethischen Diskussion ist
noch immer Gerhardt (1993, 24), der Fairness als Tugend des Sports bezeichnet, die „in jedem Fall
auf die Regeln des Spiels sowie auf dessen Sicherung durch das eigenständige Handeln des Indivi-
duums bezogen (ist).“ Zur utilitaristischen Deutung der Fairness vgl. den Beitrag von C
LAUDIA PAW-
LENKA
in diesem Band. Ein anthropologisches Verständnis der Fairness, das die ästhetische Bedeu-
tung der hier entwickelten bildungstheoretischen Perspektive im Blick hat, vertritt Stygermeer (1999,
133): „Fairness ist nicht zuerst ein Verhalten gegenüber dem Gegner, sondern die Klarheit in der je
eigenen sportlichen Leistung“. Vgl. dazu vom Verf. „Der ‚Fairness’ auf der Spur“ (2004).
16
Zu der Paradoxie des Regelspiels, auf der dieser bipolare Fairnessbegriff beruht, vgl. auch Suits
(2004).
17
Eine solche Ausnahmesituation liegt z.B. dann vor, wenn die unverhoffte, zufällige Gelegenheit eines
leichten Sieges eintritt, aber nicht genutzt wird (wie Jan Ullrich, der bei der Tour de France 2003 auf
seinen unglücklich gestürzten Hauptrivalen Lance Armstrong wartete).
18
In ähnlichem Sinn bezeichnet Volkamer (2001) Ironie als eine Bildungskategorie des Leistungs-
sports.
Robert Prohl
32
1. These:
Indem zukunftsgerichtete, telische Arbeitsstrukturen und gegenwartsorientier-
te, autotelische Spielstrukturen aufeinander verweisen, birgt leistungssportli-
ches Handeln spezifische ästhetische Erfahrungspotentiale.
2. These:
Diese ästhetischen Erfahrungspotentiale werden jedoch erst dann als Bildungs-
potential wirksam, wenn durch die Weise des Wollens - im Sinne einer Telik
der Autotelik - moralisch richtig gehandelt wird.
3. These:
Das Prinzip Fairness wirkt im Wie des Wollens und umfasst die ästhetische
und die moralische Dimension leistungssportlichen Handelns in nicht-
identischer Einheit. In diesem Sinne repräsentiert Fairness die materiale Bil-
dungsdimension des Leistungssports.
Gemäß diesen Thesen birgt der Umgang mit dem Risiko des Scheiterns als Fair-
ness jenes Bildungspotential, das sowohl die Lust der reinen Gegenwart des Spie-
lens als auch die Gelassenheit des zukunftsorientierten Übens transzendiert und
alle drei Zeitmodi des Leistungssports als einer Institution der Bewegungskultur
umfasst. Auf dieser Grundlage soll abschließend der Versuch gewagt werden,
einen Bildentwurf im Sinne der normativen Dimension einer Bildungstheorie des
Leistungssports zu skizzieren.
4.2 Der „mündige Ästhet“ als Bildentwurf einer Bildungstheorie des
Leistungssports
In dem eingangs dieses Beitrages zitierten Ehrenkodex des Deutschen Sportbundes
hat das pädagogische Leitbild des mündigen Athleten (Lenk 1979) eine offizielle
Form gefunden. Mit dem mündigen Athleten wird auf ein autonomes Subjekt ab-
gezielt, das, „wenn es sein muss auch gegen Verband, Verein oder Trainer, sein
Leben selbst verantwortet“ (Kurz 1988, 119). Im Folgenden soll gezeigt werden,
dass die hier im Ansatz entwickelte bildungstheoretische Perspektive eine wesent-
liche Ergänzung zu dieser sozialethischen Leitvorstellung eröffnet, weil sie darüber
hinaus das qualitativ-ästhetische Potential leistungssportlichen Handelns explizit
berücksichtigt.
Nimmt man die Form des Glücks als normative Bildungsdimension ernst, die nach
Seel (s. o.) auf der nicht-identischen Einheit von moralisch richtigem und qualitativ
gelingendem Handeln beruht und im Sport auf das Prinzip Fairness verdichtet
worden ist, dann bedarf es eines Bildentwurfs, der die moralische und die ästheti-
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
33
sche Dimension zu integrieren vermag: Eine gelingenden Sportlerexistenz wäre
demnach die des mündigen Ästheten.
19
In diesem bildungstheoretischen Leitbild
fallen die qualitative und moralische Dimension des gelingenden Lebens insofern
zusammen als faires Handeln die Bedingung der Möglichkeit für ästhetische Be-
wegungserfahrungen im Leistungssport darstellt. Einer Pädagogik des Leistungs-
sports ist es aufgegeben die Bedingungen aufzuzeigen, die solche Bildungsprozes-
se in der Biografie der Leistungssportler ermöglichen.
Diese bildungstheoretische Perspektive mag angesichts der Realität des Leistungs-
sports vor allem im Spitzenbereich geradezu naiv erscheinen, belegen doch eine
Vielzahl sozialwissenschaftlicher Studien der jüngeren Zeit die Machtlosigkeit, ja
geradezu ein Ausgeliefertsein des Individuums gegenüber der Institution. Mit Blick
auf das brisante Problem der Doping-Prävention resümieren Bette u.a. (2002, 26)
die Forschungslage wie folgt:
Zusammengefasst stellen sich Sportlerkarrieren somit als biografische Dynamiken
dar, die durch zeitliche, sachliche und soziale Fixierungen auf einen Leistungsindi-
vidualismus ausgerichtet sind und damit einen hohen Erfolgsdruck erzeugen, der
sich unter harten Konkurrenzbedingungen und angesichts der Ungewissheit körper-
lichen Leistungsvermögens extrem zuspitzt.
Aus diesem Grund griffen pädagogische Empfehlungen und Maßnahmen die „di-
rekt am Subjekt und dessen Autonomie ansetzen“ (a. a. O., 371) notwendigerweise
zu kurz. Die sozialwissenschaftliche Perspektive hingegen, so die Autoren, „relati-
viert rigoros die Autonomie-Idee des Subjekts und betont stattdessen die Verstri-
ckung des Einzelnen in strukturelle und prozessuale Zwänge“ (a. a. O., 373). In
den Organisationen und Institutionen des Leistungssports gelte es zu intervenieren,
denn „wenn die Fachverbände lernten, die Sportler in ihren Problemen und Nöten
ernster zu nehmen, könnten diese lernen, auf spezifische unfaire Maßnahmen zu
verzichten“ (a. a. O., 381).
Gleichwohl bleibt auch aus sozialwissenschaftlicher Sicht zumindest eine Restver-
antwortung beim Subjekt (a. a. O., 382), denn
wer sich für Leistungssport entscheidet, sollte hierfür auch eine individuelle Ver-
antwortung übernehmen. Biografien im Leistungssport sind weder umsonst noch
ohne Risiko zu haben.
19
In diesem Punkt bestehen enge Bezüge zwischen der hier entwickelten bildungstheoretischen Per-
spektive und dem utopischen Entwurf einer körperökologischen Lebenskunst, den Caysa (2003,
298f.) kürzlich vorgelegt hat: „Zum Sport als Lebenskunst gehört … die Kunst, mit Risiken umgehen
zu können. … Deshalb gilt nicht nur: Sage mir, was du für einen Sport treibst, und ich sage Dir, was
für ein Mensch du bist, sondern auch: Sage mir, wie du diesen Sport betreibst, und ich sage dir, was
für ein Mensch du bist. Vom Wie des Sportreibens hängt ab, wie ich mit den Risiken des Sports um-
gehe, ja wie ich sie selbst bestimme.“
Robert Prohl
34
Solche sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse und Interpretationen der Bedeutung
von Systemimperativen und erziehenden Institutionen sollen hier keineswegs ange-
zweifelt werden.
20
Jedoch ist in der Restverantwortung des Subjekts ein fruchtbarer
Ansatzpunkt für die hier entwickelte bildungstheoretische Perspektive zu vermu-
ten, der gerade im Wie des Umgangs mit dem biografischen Risiko liegt.
Daraus sich ergebende pädagogische Empfehlungen betreffen zum einen den be-
reits mehrfach erwähnten und im Ehrenkodex niedergelegten Respekt vor der
Selbstbestimmung des Athleten in allen Phasen und Dimensionen der leistungs-
sportlichen Karriere, von der Trainingsplanung über die Wettkampfauswahl bis zur
Beendigung der leistungssportlichen Karriere. Zum anderen und darüber hinaus
besteht aus pädagogischer Sicht eine notwendige Bedingung für die Befolgung des
ästhetischen Fairness-Gebots der Telik der Autotelik darin, dass Sportler Maßstäbe
zu entwickeln lernen, um die Erfahrungsqualitäten ihrer leistungssportlichen Be-
wegungshandlungen überhaupt wertschätzen zu können. Eine Pädagogik des Leis-
tungssports hat also das Recht des Athleten auf Selbstbestimmung und Gegenwart
21
in Wettkampf und Training zu respektieren, so dass sich die sportliche Persönlich-
keitsstruktur eines mündigen Ästheten entwickeln kann.
Für diese Forderung sprechen nicht nur bildungstheoretische Reflexionen, sondern
auch empirische Befunde sportpädagogischer Forschung. So zeigte sich in einer
Untersuchung über die biografische Verarbeitung der dramatischen Veränderungen
des Leistungssportsystems infolge der Wiedervereinigung durch Nachwuchsathle-
ten der ehemaligen DDR
22
der prägnante Befund, dass die Fähigkeit zur selbstbe-
stimmten Zentrierung der Lebensführung auf das leistungssportliche Training of-
fenbar eine entscheidende Ressource der Talentbewahrung darstellt. In genau die-
sem Punkt unterschieden sich die Nachwuchsathleten, die ihre leistungssportliche
Laufbahn (wie krisengeschüttelt auch immer) weiterführten von den sog. Drop-
outs.
Dabei ging die Entwicklung dieser Fähigkeit einher mit einem ausgeprägten Sys-
temmisstrauen gegenüber den Förderungsstrukturen des für die ehemaligen DDR-
Athleten ungewohnt offenen und pluralistischen (um nicht zu sagen lückenhaften)
Sportsystems der BRD. Es gelang den jungen Athleten Mitte der 1990er Jahre -
20
Vgl. auch den Beitrag von EIKE EMRICH in diesem Band.
21
In thematischer Abwandlung der bekannten Forderung von Schleiermacher (1959, 82ff.): Obwohl es
„die Natur der pädagogischen Erziehung ist, auf die Zukunft gerichtet zu sein“, solle dennoch jede
Lebenstätigkeit „ihre Befriedigung in der Gegenwart haben“ (vgl. auch den Beitrag von A
RNE GÜL-
LICH
, EIKE EMRICH & ROBERT PROHL in diesem Band).
22
Ausführlicher dazu Prohl & Elflein (1996).
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
35
übrigens fast ausnahmslos ohne die Unterstützung ihrer damaligen Trainer bzw.
Betreuer - das neue System zu nutzen, indem sie sich von ihm emanzipierten.
Übereinstimmend äußerten die jungen Athleten, dass sie ihre Karriere fortführen
konnten, weil sie selbstbestimmte leistungssportliche Ziele, Eigenkompetenz bei
der Trainingsgestaltung und teilweise auch bei der Auswahl der Trainer (sic!) so-
wie eine ausgeprägte, vielleicht sogar gesteigerte Sensibilität für die Qualität ihrer
sportlichen Betätigung entwickelten.
Das Interviewprotokoll einer damals bei den Juniorinnen und später im Seniorin-
nenbereich international hoch erfolgreichen Athletin soll abschließend der Konkre-
tisierung des Bildentwurfs der mündigen Ästhetin dienen:
23
Vor allem zu Beginn der 1990er Jahre, in der ersten Zeit nach der Wende, fühlte
sich die Athletin an ihrem Sportgymnasium (als Nachfolgeinstitution der ehemali-
gen Kinder- und Jugendsportschule) ein bisschen im Stich gelassen. Die Doppel-
belastung durch Leistungssport und Schule sei erheblich schwieriger geworden,
vor allem durch die Erhöhung der schulischen Anforderungen. Andererseits findet
sie dies mit Blick auf ihre (außersportliche) berufliche Zukunft eigentlich gar
nicht schlecht.
Sie verfügt zwar über konkrete mittelfristige Berufs- bzw. Studienziele, hält diese
jedoch terminlich offen, da sie sich nicht sicher ist, ob sie sich mit ihren anstehen-
den leistungssportlichen Ambitionen vereinbaren lassen: Wir werden sehen, ob es
sich vereinbaren lässt. Wenn ja - gut, wenn nicht, lässt sich’s auch nicht ändern.
Zum damaligen Zeitpunkt bestritt sie ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch
die Maximalförderung der Sporthilfe, so dass sie das sportliche Training als ihre
Arbeit betrachtete: Training, das ist wie zur Arbeit gehen. Ich verdiene Geld da-
mit. Diese pragmatische Einstellung zu ihrem Leistungssport hilft ihr auch über
Phasen der Unlust und des Zweifels hinweg, die sie als normale Erscheinungen
betrachtet.
Nach der Wende hat die Athletin die neuen Spielräume genutzt und aktiven Ein-
fluss auf ihre Trainingsgestaltung genommen: Ich weiß, welche Einheiten einfach
sein müssen, weil sie mich vorwärts bringen. Die Entwicklung ihrer sportlichen
Leistungsfähigkeit vergleicht sie mit dem Bau eines Hauses und betont die Bedeu-
tung der Eigenkompetenz des Athleten: … das ist dann wie ein Haus, das man
aufbaut. Wenn man dann - wie einen Stein - das bleiben lässt, weil man keine Lust
hat, dann wird es irgendwann einstürzen. So baut man Trainingseinheit auf Trai-
ningseinheit … und wenn man das weiß, erkannt hat und einfach verinnerlicht hat,
dann kann man auch den eigenen Schweinehund überwinden. Und früher war’s
eben, … sozusagen mehr Zwang vom Trainer. … Aber jetzt sollte man soweit sein,
23
Die Interviewzitate werden durch Kursivdruck kenntlich gemacht. Es ist es bemerkenswert, dass die
junge Athletin außer ihren Eltern, ihrem Trainer und einem funktionierenden Freundeskreis über kei-
nerlei institutionelle Unterstützung (Laufbahnberater, Manager o. ä.) in dieser schwierigen Phase ih-
rer Laufbahn verfügte. Ausführliche Darstellungen und Interpretationen dieses und weiterer Inter-
views, die 1993 durchgeführt wurden und deren anonyme Veröffentlichung die Interviewpartner da-
mals genehmigt haben, sind in Prohl & Elflein (1996) zu finden.
Robert Prohl
36
dass man das rein vom eigenen Willen und von der eigenen Einschätzung her sel-
ber macht und dann auch trainieren kann, ohne dass der Trainer dabei ist, sonst
hat man, glaube ich, das Ziel verfehlt.
Trotz dieser deutlich zukunftsorientierten Arbeitsstrukturen des Trainingsprozes-
ses betont die Athletin über weite Passagen des Interviews die Ästhetik ihrer
Sportart und die Qualität ihrer Bewegungserfahrungen: Eisschnelllaufen macht
Spaß! … Das kann, glaube ich, keiner nachvollziehen, der noch nie mit 45 km/h
durch ´ne Kurve gelaufen ist. … Dieses Gefühl plötzlich, man beherrscht den ei-
genen Körper. … Das ist einfach toll!
Es ginge sicherlich zu weit, wollte man diese kurze Fallstudie als paradigmatisch
für eine geglückte Existenz im Sport ansehen. Im Sinne einer best-practice-Analyse
sind in diesem biografischen Protokoll jedoch wesentliche Merkmale eines Bil-
dungsprozesses zu konstatieren, der dazu geführt hat, dass die junge Athletin ihre
leistungssportliche Karriere unter den damals schwierigen Rahmenbedingungen
fortführen und - wie im Abstand von mehr als zehn Jahren festgestellt werden kann
- zu einem (zumindest vorläufig) guten Ende bringen konnte.
Dabei fallen die vielen Passagen auf, in der die Weise ihres Wollens explizit oder
implizit zum Thema wird. Ihr Wille ist überaus konsequent und langfristig, hält
jedoch stets Gestaltungsspielräume offen, die es erlauben,
den damaligen dramatischen Veränderungen des Förderungssystems et-
was Positives abzugewinnen,
ihre sportliche Laufbahn ebenso wie ihre berufliche Zukunft gezielt aber
gelassen anzugehen (wobei sie viele ihrer sportlichen Ziele erreicht und
das Studium inzwischen erfolgreich abgeschlossen hat),
ihre leistungssportliche Aktivität sowohl telisch (Training als Arbeit) als
auch autotelisch (Ästhetik des beherrschten Gleitens) zu genießen,
um an dieser Stelle nur einige Merkmale zu nennen.
Es bleibt festzuhalten, dass die Einheit von ndigkeit und Ästhetik im Sinne einer
gelingenden (Sportler-)Existenz das Herz einer Bildungstheorie des Leistungs-
sports ausmacht, wobei institutionelle Einflüsse zwar eine wesentliche Rolle spie-
len, die Autonomie des Subjekts als Träger von Bildungsprozessen jedoch nicht
determinieren.
24
24
Die daraus resultierenden Fragen nach der Ermöglichung von Bildungsprozessen in Training und
Wettkampf als Arm einer Pädagogik des Leistungssports sind bisher allerdings offen geblieben und
werden nachfolgend in einem didaktisch orientierten Beitrag von H
ARALD LANGE erörtert.
Bildungsaspekte des Trainings und Wettkampfs im Sport
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... In diesem Sinne trainiert wird heutzutage nicht nur im Thaiboxen und im Fitnessstudio, sondern auch im E-Sport, in der Polizei, in Wirtschaftsunternehmen, im Rettungsdienst oder in der chirurgischen Ausbildung (Chang et al., 2024;Mante, 2010;Taraporewalla et al., 2022). Die grundsätzliche Idee von Training durchläuft in der Gegenwart einen Prozess, den man angelehnt an einen Begriff aus der Psychologie als concept creep (Haslam, 2016) (Lüder et al., 2018;Wendeborn et al., 2023), richtet sich die Forderung für einen humanen, pädagogisch und insbesondere bildungstheoretisch verstandenen Leistungssport gegen die in diesem vorherrschende Erfolgsorientierung (Güllich et al., 2004;Prohl, 2004Prohl, , 2019. ...
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This paper examines training from a training pedagogy perspective, defining it as both a practical and research-oriented field concerned with the intentional design of effective learning environments. Central to this discussion is the question of how training can be planned and implemented to facilitate targeted learning processes. Drawing on conceptual considerations from coaching science and contrasting direct and indirect instructional approaches, the paper emphasizes the importance of well-founded decision-making in professional coaching practice. It provides a conceptual and methodological foundation for professional coaching practice and positions training pedagogy as both a descriptive and normative field of action aimed at fostering reflective decision-making in the design of effective learning environments.
... Der Gewinn einer solchen republikanischen Version wäre eine gänzlich andere normative Basis, die einen anderen Typus von Zivilreligion/Politik ermöglicht. Der Appell, man möge der mit der Olympischen Charta eingegangenen Verpflichtung auf faire Wettkämpfe zustimmen und praktizieren, zielt dann nämlich weder auf die egoistischen Eigeninteressen noch auf altruistische Selbstverleugnung, sondern auf einen gemeinsam geteilten Sinn, also auf Aufrechterhaltung eines wechselseitig gewollten spezifischen Vergnügens -angesprochen wären miteinander Sport-Treibende als mündige Ästheten (Prohl 2004 ...
Chapter
Full-text available
Article
Zusammenfassung Dieser Text nimmt die Erweiterung des Olympischen Mottos zu „citius, altius, fortius – communiter“ zum Anlass, nach der Bedeutung von Gemeinsinn (lat. sensus communis ) im Olympischen Sport zu fragen. Unter Bezugnahme auf eine gesellschaftstheoretische Perspektive argumentieren wir, dass der Gemeinsinn die Fähigkeit des Olympischen Sports bezeichnet, sein normatives Grundprinzip – das Fair Play – zum Thema zu machen. Die Akte der Reflektion haben ihren Ausgangspunkt häufig in individuellen Klagen über unfaire Verhältnisse und fordern dazu auf, traditionelle Verständnisse von Fair Play zu überprüfen. Unter Bezugnahme auf die Athletes‘ Rights and Responsibilities Declaration aus dem Jahr 2018 zeigen wir, dass solche Reflektionen zum einen die inhaltliche Bestimmung von Fair Play im Sinne eines ‚sauberen‘ Sports betreffen. Zum anderen gibt es eine formale Seite, die den individuellen Anspruch auf eine faire Behandlung gegenüber der Verpflichtung, andere fair zu behandeln, priorisiert. Theoretische Überlegungen zum Gemeinsinn im Olympischen Sport haben diese beiden Dimensionen gleichermaßen zu berücksichtigen.
Article
Zusammenfassung Der Beitrag unternimmt es, das Konzept der Mündigkeit historisch herzuleiten und zu zeigen, wie es im Ideal des „mündigen Athleten“ weiterwirkt. Ausgehend von begriffsgeschichtlichen Spuren wird durch eine konkrete Fallanalyse gezeigt, dass das Ideal für Sportler und Sportlerinnen problematische Konsequenzen zeitigt. Um diesen zu begegnen, wird ein erweitertes Verständnis von Mündigkeit entwickelt, welches im Wesentlichen eine Mündigkeit gegen sich selbst fordert. Es kommt der Mensch als Person in den Fokus, die sich mit heteronomen Einflüssen wie Gefühlen auseinanderzusetzen hat. Die Verteidigung des Konzepts erfolgt durch Aufzeigen theoretischer Reperspektivierungen, wobei zugleich auf neue theoretische Probleme hingewiesen wird. Insgesamt zeigt sich so die Relevanz anthropologischer Reflexionen für sportspezifische Fragestellungen.
Chapter
Dem Kinder- und Jugendsport im Verein werden vielfach Bildungspotenziale zugetraut, die neben dem körperlich-motorischen weitere Merkmale der Persönlichkeitsentwicklung einschließen. In der Sportpädagogik wird dies als Doppelfunktion (u. a. Prohl 2010; Gerlach und Brettschneider 2013) gefasst, die je nach theoretischem Zugang ausgewiesen wird als Erziehung, Bildung oder Sozialisation. Die Deutsche Sportjugend greift diese Doppelfunktion und die Potenziale des Sports im „Orientierungsrahmen Bildung“ (dsj 2012) auf und bietet mit „Persönlichkeits- und Teamentwicklung im Sport“ (dsj 2020) ein bildungsbedeutsames Konzept, das eine zielgerichtete Entwicklung personaler und sozialer Ressourcen in Training und Wettkampf fokussiert.
Chapter
Das Rahmenkonzept Persönlichkeits- und Teamentwicklung im Sport (dsj, 2020) zielt auf die Förderung solcher psychosozialen Ressourcen, die zur Bewältigung sportlicher Anforderungssituationen beitragen. Das Rahmenkonzept versteht sich damit als Beitrag zur Handlungs- und Leistungsfähigkeit im Sport. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der PRimus-Studie und vielfältige Erfahrungen von Praxispartnern*innen aus kooperativen Planungsprozessen bilden den Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des Rahmenkonzepts sowie für konzeptionelle Überlegungen zur Implementation und Evaluation des Rahmenkonzepts.
Book
Der Band „Sportpädagogik in 60 Minuten“ führt kompakt in diesen Teilbereich der Sportwissenschaft ein. Er zeigt, mit welchen Phänomenen sich die Sportpädagogik beschäftigt und welche Themen aus ihrer Sicht relevant sind. Folgende Fragen werden geklärt: Wie ist die Sportpädagogik entstanden, wie hat sie sich bis zum heutigen Stand entwickelt und welche Verbindungen bestehen zu ihrer Mutterwissenschaft? Welche wissenschaftlichen Zielsetzungen und Aufgaben hat die Sportpädagogik und mit welchen Theorien nähert sie sich den für sie relevanten Phänomenen und Themen? Welchen Problem-/Fragestellungen widmet sie sich und welche Methoden kommen dabei typischerweise zum Einsatz? Der Band enthält Lernziele, Kontrollfragen und ein Beispiel aus der Praxis. Jetzt mit sorgfältig ausgewählten
Chapter
Dieses erste Kapitel bildet die theoretische Grundlage aus trainingswissenschaftlicher Perspektive. Dazu wird zunächst die Ausdauer als grundlegende Fähigkeit ausdifferenziert (siehe 1.1 Ausdauer). Anschließend erfolgt die umfassende Darstellung vom sportlichen Training (siehe 1.2 Training). Im abschließenden Unterkapitel werden die beiden Gegenstandsbereiche aggregiert bzw. spezifisch verdichtet (siehe 1.3 Ausdauertraining).
Der Begriff des Glücks und die Frage der Ethik. Philosophisches Jahrbuch
  • E Angehrn
Angehrn, E. (1985). Der Begriff des Glücks und die Frage der Ethik. Philosophisches Jahrbuch, 92, 35-52.
Biographische Dynamiken im Leistungssport
  • K.-H U Bette
Bette, K.-H. u.a. (2002). Biographische Dynamiken im Leistungssport. Köln: Sport & Buch Strauß.
Allgemeine Pädagogik
  • D Benner
Benner, D. (1991). Allgemeine Pädagogik. (2. Aufl.). Weinheim: Juventa.
Grundlage einer Ethik des Sports: Glück oder Sittlichkeit
  • H Berning
Berning, H. (1985). Grundlage einer Ethik des Sports: Glück oder Sittlichkeit? In K. Cachay, H. Digel & G. Drexel (Red.), Sport und Ethik (74-88). Clausthal-Zellerfeld: dvs.
Vom Geist des Übens. (3. Aufl.). Stäfa
  • O F Bollnow
Bollnow, O.F. (1991). Vom Geist des Übens. (3. Aufl.). Stäfa/Schweiz: Kugler. Buytendijk, F.J.J. (1956). Allgemeine Theorie der menschlichen Haltung und Bewegung. Berlin u. a.: Springer.
Körperutopien. Frankfurt am Main
  • V Caysa
Caysa, V. (2003). Körperutopien. Frankfurt am Main/New York: Campus.