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Der Bayerische Wald 27 / 1+2 NF S. 25-27 Dezember 2014 ISSN 0724-2131
Neufund des Berliner Prachtkäfers im Naturschutzgebiet Donauleiten
Rudolf Ritt, Hauzenberg & Sebastian Zoder, Neuburg am Inn
Zusammenfassung
Im Juni 2013 gelang der Erstnachweis der Urwaldreliktart
Dicerca berolinensis (Abb. 1 und 2) im Naturschutzgebiet
„Donauleiten von Passau bis Jochenstein“. Dies ist gleich-
zeitig der erste Nachweis für Niederbayern. Die Art gilt nach
der Roten Liste in Bayern als „vom Aussterben bedroht“ und
ist auf urständige Buchen- oder Hainbuchenbestände ange-
wiesen. Aus den Donauleiten war die Art bisher nicht be-
kannt, sie dürfte aber hier nicht selten sein.
Aktueller Fund
Am 30.06.2013 fand der Erstautor ein überfahrenes Exem-
plar von Dicerca berolinensis (HerbSt 1779) (Coleoptera,
Buprestidae) auf der Kreisstraße PA51 am Rande des Na-
turschutzgebietes „Donauleiten von Passau bis Jochenstein“
(NSG-00277.01). Der Fundort bendet sich im Gebietsteil
„Jochensteiner Leite“ (West) zwischen den Bächen Kohl-
bach und Rambach, nahe Grünau und dem dortigen „Schutz-
hafen“ (MTB 7448/3). Bei mehreren gezielten Begehungen
im Umfeld des Fundorts konnten keine weiteren Käfer ge-
funden werden.
Die Hänge des bayerisch-österreichischen Donautals bei Pas-
sau (Donauleiten) sind hinsichtlich ihrer Lebensräume sehr
heterogen. Dies wirkt sich insbesondere auf die dort herr-
schenden mikroklimatischen Bedingungen aus. Die Hänge
am Fundort benden sich am linken Donauufer, sind nach
Südwesten exponiert und relativ kontinuierlich geneigt. Nur
vereinzelt sind kleindimensionierte, steilere Felsformationen
anzutreffen. Die Hangneigung liegt im näheren Umfeld (ca.
500 Meter nordwestlich bzw. südöstlich) durchschnittlich
zwischen etwa 60% und 70%.
Der geologische Untergrund besteht aus verwitterten Gneis-
gesteinen. Auf den sauren Böden in der Umgebung des
Fundorts stocken hauptsächlich Hainsimsen-Buchenwälder;
in den Bachschluch ten und Teilen des Hangfußes dominie-
ren Ahorn-Eschenwälder (ASSMAnn 1990). Als Nutzungsty-
pen sind im betreffenden Bereich überwiegend „ungeregelt“
oder „mehr oder weniger geregelt“ genutzte Hochwälder
kartiert (ASSMAnn 1990). Dies trifft auch heute noch zu.
Abb. 1: Dicerca berolinensis, Italien, Friaul, Flussbett des Tagliamento, 13.6.2012; Foto: Rudolf Ritt
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Biologie, Verbreitung und Gefährdung
Biologie
Der Berliner Prachtkäfer gehört zur Familie der Buprestidae
(Prachtkäfer), wird bis zu 24 Millimeter groß und lebt xylo-
biont (= an Holz lebend). Die Art wird im Gildensystem xy-
lobionter Käfer von ScHMiDl & buSSler (2004) als Besiedler
von Frischholz und Frischtotholz angegeben.
Die Art besiedelt buchen- bzw. hainbuchenreiche, urständige
Laubwälder. Als Wirtspanzen werden hauptsächlich Rot-
buche (Fagus sylvatica) und Hainbuche (Carpinus betulus)
bevorzugt (becHtel & koStenbADer 2002). Der Käfer gilt
als hochgradig thermophil. Die Adulten halten sich zwischen
Mitte Mai und Ende September (Hauptaktivitätszeit: Anfang
Juni bis Anfang Juli) auf besonnten Kronenästen und Stam-
mabschnitten auf. Die Larven entwickeln sich bevorzugt in
absterbenden oder abgestorbenen, stärker dimensionierten
Kronenästen und oberen Stammpartien. Bei frei stehenden
Bäumen kann auch der untere Stammabschnitt besiedelt wer-
den (becHtel & koStenbADer 2002). Die Käfer schlüpfen
erst ab einer Holztemperatur von 30°C (geiS 1995). Solch
hohe Temperaturen werden meist nur in ganztägig sonnen-
exponierten Kronen- und Stammabschnitten erreicht. Nach
Müller (2006) müssen zur Besiedlung geeignete Altbuchen
ein Mindestalter von etwa 200 Jahren erreicht haben.
Verbreitung
Das Gesamtverbreitungsareal von D. berolinensis umfasst
das Gebiet zwischen Westsibirien und Frankreich. Die süd-
lichsten Vorkommen nden sich in Spanien und Griechen-
land. In Skandinavien fehlt die Art (becHtel & koStenbADer
2002). Von nieHuS (1988) wird die Art als kontinental mit
eurosibirischer Verbreitung eingestuft.
In Deutschland gibt es aktuelle Belege (ab 1950) aus Bay-
ern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und
Brandenburg (köHler 2014). Die Art ist wohl insgesamt nur
stellenweise und selten vorkommend (becHtel & koSten-
bADer2002).
In Bayern ist der Käfer nicht sehr verbreitet und nur regional
bzw. lokal dokumentiert. Es gibt gehäufte Funde insbeson-
dere aus wärmegetönten Regionen wie den Kalkbuchen-
wäldern am Südrand der Fränkischen und Schwäbischen
Alb; hier vor allem im Bereich zwischen Eichstätt und Re-
gensburg. Außerdem aus der Nördlichen Fränkischen Alb,
zwischen Wiesent und Pegnitz (gAuckler 1968; ScHMiDl
mündl.). Weitere Funde wurden aus dem Steigerwald (Mül-
ler 2006), dem Spessart, dem südlichen Landkreis Neumarkt
i. d. Opf. und den Donauhängen bei Donaustauff (ScHMiDl
mündl.) gemeldet. Im Jahr 1978 gelang ettenberger ein
Fund im südlichen Bayern bei Reit im Winkl (Weitsee-Ge-
biet) (brAnDl schriftl.).
Gefährdung
D. berolinensis gilt in Bayern als „vom Aussterben bedroht“;
in Deutschland als „stark gefährdet“. Müller (2006) be-
zeichnet die Art als Schirmart urständiger Buchenwälder.
Müller et al. (2005) betrachten sie als Urwaldrelikt, da die
Art auf urständige, totholzreiche Wälder angewiesen ist.
Hauptursache für die Gefährdung von D. berolinensis ist der
Mangel an absterbenden, anbrüchigen Altbuchen.
Bemerkungen zum Fund
D. berolinensis war bis dato nicht aus den Donauleiten be-
kannt, gleichwohl in den letzten etwa 10 Jahren verschiede-
ne entomologische Studien in den Jochensteiner Leiten statt-
fanden. Obwohl die Art relativ groß ist, kann sie aufgrund
Abb. 2: Dicerca berolinensis, Sammlung H. Fürsch, Slo-
wakei, Piestany, Juni 1941; Foto: Rudolf Ritt.
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ihrer überwiegend „versteckten“ Lebensweise in Baumkro-
nen übersehen werden. Gezielte Nachsuche im Umfeld des
Fundorts ergab keine weiteren Nachweise von Käfern. Es
ist anzunehmen, dass die Art durchaus regelmäßig im Na-
turschutzgebiet Donauleiten vorkommt, da ihre Habitatan-
sprüche ausreichend erfüllt sein dürften. Denn obwohl die
Donauleiten, bedingt durch die frühere Nutzung, fast über-
wiegend ein Bestandsalter < 200 Jahre aufweisen, gibt es
aufgrund der standörtlichen Bedingungen (hohe Tempera-
turen, schlechte Wasserversorgung) zahlreiche Buchen und
Hainbuchen mit anbrüchigen Kronenästen bzw. Stammparti-
en. Vermutlich können in entsprechend lichten und sonnen-
exponierten Hang- und Felsbereichen auch deutlich jüngere
Bäume besiedelt werden.
Gezielte Artenhilfsmaßnahmen für D. berolinensis sind in
den Donauleiten nicht angezeigt. Durch die Veränderung
der Nutzungsformen (Aufgabe der niederwaldartigen Be-
wirtschaftung), die stellenweise Nutzungsaufgabe und die
gezielte Entwicklung von Teilächen zu „Urwald“ durch
den Naturschutz, stellen aktuell und zukünftig ausreichend
Lebensraum zur Verfügung.
Quellen
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Entwicklungsplan zum Naturschutzgebiet „Donauleiten
von Passau bis Jochenstein“. – Unveröff. Bericht im Auf-
trag der Reg. v. Niederbayern.
becHtel, f. & H. koStenbAcHer (2002): Die Pracht- und
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Stuttgart.
gAuckler, K. (1968): Der Berliner Prachtkäfer und seine
Verwandten in der Frankenalb – Beiträge zur Zoogeo-
graphie und Ökologie von Dicerca berolinensis Herbst.
– Nachrichtenbl. d. Bay. Entomologen 17: 10-14.
geiS, K.-U. (1995): Reifungsfraß von Dicerca berolinensis
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Imagines (Coleoptera, Buprestidae). – Mitt. ent. Ver.
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Köhler, F.: Entomofauna Germanica – Verzeichnis der Kä-
fer Deutschlands. – http://www.colkat.de (abgerufen am
23.09.2014).
Müller, J. (2006): Ein Berliner im Steigerwald. – Berliner
Prachtkäfer Dicerca berolinensis liebt es ausgesprochen
warm. – LWF aktuell 53: S. 36.
Müller, J., buSSler, H., benSe, u., bruStel, H., flecHt-
ner, g., fowleS, A., kAHlen, M., Möller, g., MüHle, H.,
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and habitat tradition. – Waldökologie Online 2: 106-113.
nieHuS, M. (1988): Die Prachtkäfer (Coleoptera: Bupres-
tidae) in Rheinland-Pfalz. – Mainzer Naturwiss. Arch.,
Beih. 9: 196 S.
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lobionter Käfer Deutschlands. Einsatz in der landschaft-
sökologischen Praxis – ein Bearbeitungsstandard. – Na-
turschutz und Landschaftsplanung 36(7): 202-218.
Anschrift der Verfasser
Dr. Rudolf Ritt
Sonneneck 7
94051 Hauzenberg
rudi.ritt@t-online.de
Sebastian Zoder
Hauptstraße 45
94127 Neuburg am Inn
sebastian.zoder@gmail.com