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Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze bei der Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen

Authors:

Abstract

Persönlichkeitsstörungen sind charakterisiert durch lang überdauernde Veränderungen in verschiedenen Funktionsbereichen, wie Störungen der Kognitionen (z. B. dysfunktionale Grundannahmen über sich selbst und die Umwelt sowie dysfunktionale Wahrnehmung), der Emotionen (gesteigertes oder vermindertes emotionales Erleben), der zwischenmenschlichen Interaktionen (erhöhte Konflikte und soziale Isolation) sowie der Impulskontrolle (gefährliches oder auch kriminelles Verhalten). Trotz eines allgemeinen Therapiepessimismus gegenüber Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bietet die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hilfreiche Konzepte für deren Behandlung.
Persönlichkeitsstörungen sind cha-
rakterisiert durch lang überdauern-
de Veränderungen in verschiedenen
Funktionsbereichen, wie Störungen
der Kognitionen (z.B. dysfunktiona-
le Grundannahmen über sich selbst
und die Umwelt sowie dysfunktionale
Wahrnehmung), der Emotionen (ge-
steigertes oder vermindertes emotio-
nales Erleben), der zwischenmensch-
lichen Interaktionen (erhöhte Kon-
flikte und soziale Isolation) sowie der
Impulskontrolle (gefährliches oder
auch kriminelles Verhalten). Trotz
eines allgemeinen Therapiepessimis-
mus gegenüber Patienten mit Per-
sönlichkeitsstörungen bietet die ko-
gnitive Verhaltenstherapie (KVT) hilf-
reiche Konzepte für deren Behand-
lung.
Hintergrund
Gegenüber spezifischen psychischen Stö-
rungen wie Depressionen oder Angst-
erkrankungen, die akute Einschränkun-
gen des normalen psychosozialen Funk-
tionsniveaus darstellen, werden Persön-
lichkeitsstörungen historisch als chro-
nisch und oft therapieresistent angesehen
(Oken 2000; Skodol et al. 2005). Den-
noch konnte gerade in den letzten Jahren
in zahlreichen Untersuchungen festge-
stellt werden, dass Patienten mit einer Per-
sönlichkeitsstörung im zeitlichen Verlauf
durchaus eine Symptomverbesserung er-
zielen können (Leichsenring und Leibing
2003; Unger et al. 2013; Reich und Vasi-
le 1993; Schmitz et al. 1996; Zanarini et al.
2007), und dass sich auch ihr psychoso-
ziales Funktionsniveau verbessern kann
(Bateman und Fonagy 2000; Mcmain und
Pos 2007).
Die KVT zeigt auf einem hohen Evi-
denzniveau (Evidenzgrade Ib und IIa),
dass die vielfältigen und oft langwieri-
gen Probleme von Patienten mit Persön-
lichkeitsstörungen erfolgreich behandelt
werden können (z. B. Bohus et al. 2004;
Emmelkamp et al. 2006; Renneberg et al.
1990; Stravynski et al. 1994; Young et al.
2005). Aus Sicht der KVT entwickeln sich
Persönlichkeitsstörungen aus einem Zu-
sammenspiel dysfunktionaler Grundan-
nahmen der Person über sich selbst und
andere. Diese beeinflussen die Informa-
tionsverarbeitung des Patienten und ver-
stärken psychosoziale Faktoren, die die
Symptomatik oder funktionales Verhal-
ten verhindern. Es besteht ein Mangel an
Fertigkeiten, sich adaptiv auf funktionale
Anforderungen, v. a. auf soziale Interakti-
onen, einzustellen (Beck et al. 2004; Line-
han 1993). In der KVT gibt es eine Viel-
zahl an Gesprächstechniken und Inter-
ventionsansätzen, mit denen diese Fak-
toren spezifisch günstig beeinflusst wer-
den können. Neben kognitiver Umstruk-
turierung, Verhaltensanalysen und -expe-
rimenten gehören dazu Psychoedukation
und spezifische „skills trainings“. Auch die
therapeutische Beziehung ist ein wesent-
liches Element im KVT-Prozess, um eine
Veränderungsbereitschaft beim Patienten
zu erreichen (Beck et al. 2004; Davidson et
al. 2009). Insbesondere eine validierende
und supportive Haltung des Therapeuten,
das Entwickeln eines für den Patienten
verständlichen Störungsmodells, die De-
finition konkreter Therapieziele sowie das
aktive Arbeiten an Veränderungsmotiva-
tion und Veränderung sind bedeutsam.
Zusammenfassend ist die KVT gut ge-
eignet, die dysfunktionalen Erlebens- und
Verhaltensweisen von Patienten mit Per-
sönlichkeitsstörungen zu behandeln bzw.
diese bei der Behandlung von spezifischen
psychischen Erkrankungen wie Depressi-
onen oder Angststörungen zu berücksich-
tigen.
Grundlegende
therapeutische Haltung
Die Behandlung von Persönlichkeitsstö-
rungen stellt eine große Herausforde-
rung an den jeweiligen Therapeuten dar.
Bei Persönlichkeitsstörungen handelt es
sich meist um komplexe Störungen des
zwischenmenschlichen Beziehungsver-
haltens. Daher wird in der Regel auch
der Therapeut in das Gebilde der jeweili-
gen Interaktionsstörung einbezogen. Bei
Therapeuten hält sich weiterhin hartnä-
ckig die negative Haltung, dass Patienten
mit Persönlichkeitsstörungen nur schwer
oder teilweise gar nicht behandelbar sind
(Fiedler 2007). Hieraus resultierend ist
KathrinRitter1 · StephanKöhler2 · TheresaUnger3 · ThomasFydrich4
1Psychiatrisch-psychotherapeutische Praxis, Berlin, Deutschland
2Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Universitätsmedizin
Berlin, Charité Campus Mitte, Berlin, Deutschland
3Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Berlin, Deutschland
4Institut für Psychologie, ZPHU – Zentrum für Psychotherapie, Humboldt-Universität zu Berlin,
Berlin, Deutschland
Kognitiv-verhaltenstherapeu-
tische Ansätze bei der
Behandlung von Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen
Psychotherapeut 2015 · 60:280–288
DOI 10.1007/s00278-015-0034-7
Online publizier t: 8. Juli 2015
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
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Psychotherapeut 4 · 2015
Schwerpunkt: Persönlichkeitsstörungen – Originalien
Redaktion
Thomas Fydrich, Berlin
Wolfgang Schneider, Rostock
nach wie vor ein grundlegender – aber
nichtgerechtfertigter – Therapiepessimis-
mus erkennbar. Insbesondere bei Schwie-
rigkeiten und Konflikten im therapeuti-
schen Prozess sowie in der therapeuti-
schen Beziehung wird häufig die Persön-
lichkeitsstörung als die für die Hinder-
nisse verantwortliche Komponente iden-
tifiziert (Renneberg et al. 2010). Es kann
die kritische Frage gestellt werden, ob
die Diagnose Persönlichkeitsstörung den
Therapeuten nicht zu oft als Post-hoc-Er-
klärung für wenig erfolgreiche Therapien
entlasten soll.
Zu Recht wird von Fiedler (2007) an-
gemerkt, dass jener Therapiepessimismus
einen eigenständigen Faktor darstellt, der
das Behandlungsergebnis negativ beein-
flussen kann (Dolan und Coid 1993; Fied-
ler 2004; Palmer 1992). Empirische Unter-
suchungen zeigen deutlich, dass grundle-
gende Zweifel an der Behandelbarkeit ei-
ner Erkrankung oder der Erfolgserwar-
tung mit einem negativen Behandlungs-
ergebnis im Zusammenhang stehen (Pal-
mer 1992). Als den Therapierfolg begüns-
tigender Faktor wirkt hingegen die Arbeit
mit dem Patienten an spezifischen Belas-
tungsfaktoren, die auf die besonderen Er-
lebnis- und Verhaltensweisen der jeweili-
gen Persönlichkeitsstörung zurückgeführt
werden können. Hierzu gehören spezifi-
sche, sich häufig wiederholende interak-
tionelle Konflikte oder psychosoziale Kri-
sen. Die konstruktive Entwicklung neuer
Lebensperspektiven und Handlungsmus-
ter kann sehr hilfreich sein und wird un-
ter dem Begriff der ressourcenorientier-
ten Psychotherapie subsumiert (Fiedler
2004).
Um diesen therapeutischen Ansatz
verfolgen zu können, ist es in einem ers-
ten Schritt notwendig, in einem umfas-
senden Störungsmodell die Entstehung
und die Aufrechterhaltung der spezifi-
schen Persönlichkeitsmerkmale des Pati-
enten zu identifizieren sowie dem Patien-
ten durch wertschätzende und validieren-
de therapeutische Haltung die Möglich-
keit zu geben, ein positives intrinsisches
Konzept für die Entwicklung neuer lö-
sungsorientierter Denk- und Verhaltens-
weisen zu entwickeln. Es ist es wichtig, bei
der Behandlung eher nicht auf „die Per-
sönlichkeit“, sondern auf die situations-
bezogenen (dysfunktionalen) Denkwei-
sen und das konkrete Verhalten des Pati-
enten Bezug zu nehmen.
Hilfreich ist es, die Funktionalität der
erlernten Verhaltensweisen in Krisensitu-
ationen der Vergangenheit in primär dys-
funktionalen Systemen zu analysieren und
zu betonen. Dem Patienten soll vermittelt
werden, dass bestimmte Verhaltensmus-
ter in der Vergangenheit durchaus sinn-
voll waren, jedoch gegenwärtig zu häufig
wiederkehrenden Konflikten führen. Die-
se grundlegende Haltung gegenüber dem
Patienten ermöglicht es, relevante Proble-
me in der therapeutischen Interaktion an-
zusprechen und ggf. ressourcenorientiert
zu lösen. Auf diese Weise sind Verände-
rungen auf der kognitiven und der Ver-
haltensebene hin zu angemessenen und
zwischenmenschlich akzeptierbaren (so-
wie funktionaleren) Interaktionsmustern
erreichbar (Fiedler 2007). Therapieziel
ist nicht, die Persönlichkeitsstörung zu
behandeln. Ziel der Psychotherapie von
Menschen mit Persönlichkeitsstörun-
gen ist es vielmehr, auf eine Veränderung
in der konkreten interaktionellen Bezie-
hungsgestaltung hinzuwirken. Der Patient
soll über Veränderungen im Denken und
Verhalten lernen, angemessener mit kon-
flikthaften zwischenmenschlichen Situati-
onen umzugehen.
Eine therapeutische Haltung wird als
hilfreich erachtet, die sich weg vom „all-
wissenden Behandler“ hin zum Partner in
der gemeinsamen Arbeit gegen schwieri-
ge Lebensumstände und für eine funkti-
onale Bewältigung der (interaktionellen)
Probleme orientiert. Dies gelingt mit der
Herstellung klarer Strukturen, mit Trans-
parenz und Nachvollziehbarkeit der Stö-
rungsmodelle sowie darüber hinaus über
die Gestaltung der therapeutischen Ar-
beitsbeziehung im Sinne eines Modells
für eine funktionale und für beide Seiten
akzeptable Beziehungsgestaltung.
Kommunikation der Diagnose
und Psychoedukation
Die Vermittlung der Diagnose und des
Konzepts von Persönlichkeitsstörungen
ist nach wie vor ein viel diskutiertes The-
ma. Argumente für den defensiven Um-
gang mit der Vermittlung der Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung beruhen auf
einer möglichen Stigmatisierung des Pati-
enten, der Defizitorientierung der katego-
rialen Diagnostik und möglichen negati-
ven Einflüssen auf die Therapeut-Patient-
Beziehung (Renneberg et al. 2010). Dem
stehen jedoch die Aufklärungspflicht, die
sich aus dem Patientenrechtegesetz ergibt
(§ 630a–h des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
sowie das grundsätzliche Recht des Pati-
enten auf die Mitteilung der diagnostizier-
ten Erkrankungen und der Behandlungs-
optionen gegenüber. Nur der informierte
Patient kann in der Lage sein, den thera-
peutischen Prozess aktiv zu gestalten. In
der S2-Leitlinie für Persönlichkeitsstörun-
gen (2009) wird insbesondere darauf hin-
gewiesen, dass bestimmte ich-dystone Ei-
genschaften einer Persönlichkeitsstörung
(z. B. Selbstverletzungen) für die Entwick-
lung einer primären Behandlungsmotiva-
tion entscheidend sein können. Daraus
resultiert, dass „die beschreibende und er-
klärende Mitteilung der Diagnose an die
Patienten grundsätzlich empfohlen wird“
(2009).
Mit der Aufklärung über die Diagno-
se einer Persönlichkeitsstörung sollten
die spezifischen Konzepte von Persön-
lichkeitsstörungen im Rahmen der Psy-
choedukation vermittelt werden. Die S2-
Leitlinien empfehlen, die Erläuterung der
Diagnose in ein psychoedukatives Ge-
samtkonzept einzubetten, das auf ein Stö-
rungs- und Behandlungsmodell für den
Patienten abzielt und die Behandlungs-
motivation fördert. Hierbei ist auf eine
wertschätzende, nichtstigmatisierende
Sprache zu achten.
Zur Vermittlung der Diagnose ist es
hilfreich, sich beispielsweise am psycho-
edukativ- und kompetenzorientieren Ma-
nual von Schmitz et al. (2001) zu orien-
tieren, in dem Persönlichkeitsstile mit ih-
ren Stärken und Risiken bzw. Schwächen
beschrieben sowie individuelle Einstel-
lungen und Verhaltensweisen einbezo-
gen werden. Dem Patienten soll verdeut-
licht werden, dass die gezeigten Denk-
und Verhaltensmuster nicht grundsätz-
lich „pathologisch“ sind, sondern eine be-
stimmte Motivlage erkennbar machen.
Durch eine wertschätzende Beschreibung
spezifischer Persönlichkeitsstile (z. B. Ge-
wissenhaftigkeit statt Zwanghaftigkeit),
die in unterschiedlichen Maß bei vielen
Menschen verankert sind, können spe-
zifische Persönlichkeitsstörungen als Ex-
281Psychotherapeut 4 · 2015
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tremvarianten der jeweiligen Persönlich-
keitsstile (z. B. zwanghafte Persönlich-
keitsstörung als Extremvariante des ge-
wissenhaften Persönlichkeitsstils) ver-
mittelt werden. So kann ein dimensiona-
ler Ansatz in der Diagnostik von Persön-
lichkeitsstörungen bereits in der Diagno-
semitteilung vermittelt werden. Dem Pa-
tienten selbst können Vorteile und Stär-
ken bestimmter Persönlichkeitsmerkma-
le einerseits (z. B. Detailtreue bei hoher
Gewissenhaftigkeit) sowie mögliche da-
raus resultierende Konflikte andererseits
(z. B. Aufgaben können nicht rechtzeitig
beendet werden) deutlich gemacht wer-
den (Schmitz et al. 2001). Hieraus kön-
nen direkt therapeutische Ziele bezüglich
Zusammenfassung · Abstract
Psychotherapeut 2015 · 60:280–288 DOI 10.1007/s00278-015-0034 -7
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
K.Ritter· S.Köhler· T.Unger· T.Fydrich
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze bei der Behandlung
von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
Zusammenfassung
Hintergrund. Persönlichkeitsstörungen sind
charakterisiert durch lang andauernde und
stabile Veränderungen des Denkens, Erlebens
sowie Handelns und stellen eine besonde-
re Herausforderung für die psychotherapeuti-
sche Arbeit dar.
Ziel der Arbeit. Basierend auf der aktuellen
Fachliteratur und angelehnt an die S2-Leit-
linie „Persönlichkeitsstörungen“ werden im
vorliegenden Beitrag Strategien der kogniti-
ven Verhaltenstherapie zur Behandlung von
Patienten mit Persönlichkeitsstörungen dar-
gestellt.
Material und Methoden. Die therapeuti-
sche Haltung sowie ein spezifisches und va-
lidierendes Krankheitskonzept sind wichti-
ge Voraussetzungen in der kognitiven Verhal-
tenstherapie der Persönlichkeitsstörungen.
Obwohl nur für drei Persönlichkeitsstörungen
manualisierte Behandlungsansätze empirisch
untersucht wurden, existieren für alle weite-
ren Persönlichkeitsstörungen Therapieansät-
ze, die vorwiegend auf kognitiv-verhaltens-
therapeutischen Störungsmodellen basieren.
Die hilfreiche Kategorisierung der Behand-
lungsansätze erfolgt dem Grad der Ich-Synto-
nie der Persönlichkeitsstörung entsprechend.
Dabei können Patienten mit hoher Ich-Dys-
tonie der Persönlichkeitsstörung und ho-
hem Leidensdruck, die wegen ihrer Persön-
lichkeitsstörung eine Behandlung aufsuchen,
und Patienten, die wegen einer anderen psy-
chischen Störung eine Behandlung aufsu-
chen und zusätzlich eine Persönlichkeitsstö-
rung mit einem hohen Grad an Ich-Syntonie
aufweisen, unterschieden werden. Weiterhin
gibt es Patienten, deren Merkmale der Per-
sönlichkeitsstörung zu Problemen in der Le-
bensbewältigung führen, die die Symptom-
störung (Achse-I-Störung) verstärken.
Ergebnisse. Aufgrund der Chronizität und
der Rigidität vieler Merkmale bei Persönlich-
keitsstörungen sollte als realistisches Ziel pri-
mär die Veränderung der zentralen leidbrin-
genden Symptomatik angestrebt werden.
Primär geht es darum, den Patienten in die
Lage zu versetzen – vor dem Hintergrund sei-
ner besonderen Persönlichkeit – Belastungen
und Beeinträchtigungen in der Lebensfüh-
rung sowie in interpersonellen Interaktionen
zu vermeiden, um dadurch eigene Lebenszie-
le – unter Beachtung der Motive und Ziele
anderer – umsetzen zu können.
Schlussfolgerung. Ein breites Spektrum an
theoretischen Ansätzen und Interventions-
techniken kann zur erfolgreichen Behand-
lung von Patienten mit Persönlichkeitsstörun-
gen eingesetzt werden. Hierbei stehen kog-
nitive Methoden zur Modifikation dysfunkti-
onaler Schemata und verhaltenstherapeuti-
sche Methoden zur Veränderung dysfunktio-
naler Verhaltensweisen im Vordergrund.
Schlüsselwörter
Krankheitskonzept· Therapeut-Patient-
Beziehung· Interaktion· Individuelles
Störungsmodell· Leitlinien
Cognitive-behavioral therapeutic approaches for treatment of personality disorders
Abstract
Background. Personality disorders are char-
acterized by enduring and stable alterations
in thought, perception and conduct and rep-
resent a special challenge for psychotherapy.
Aim. Based on the currently available litera-
ture and the S2 guidelines on personality dis-
orders, this article presents the strategies in
cognitive-behavioral therapy for treatment of
patients with personality disorders.
Material and methods. The therapeutic
conduct in particular and a specific and val-
idating disease concept when working with
these patients, are important basic princi-
ples in the cognitive-behavioral therapy of
personality disorders. Although manualized
treatment approaches have been empirical-
ly investigated for only three personality dis-
orders, therapy approaches exist for all other
personality disorders, predominantly based
on cognitive-behavioral therapeutic disorder
models. A useful categorization of treatment
approaches is made according to the degree
of ego-syntony of the personality disorder. In
this way patients with a higher ego-dystony
of the personality disorder and psychological
strain who require treatment for the person-
ality disorder and patients who require treat-
ment for another mental disorder and ad-
ditionally have a personality disorder with a
higher grade of ego-syntony, can be differen-
tiated. Furthermore, there are patients where
the characteristics of the personality disorder
lead to problems in coping with their lives,
which strengthen the symptom disorder (ax-
is I disorder).
Results. Due to the chronicity and rigidity of
many characteristics in personality disorders,
a realistic target for treatment is the psycho-
therapy for the ego-dystonic part of the pre-
sented problem. Given thebackground of
the particular personality, the primary aim is
to place the patient in a position to be able
to avoid stress and limitations in the lifestyle
and interpersonal interactions, in order to
be able to implement own targets in life and
taking the motives and targets of others in-
to account.
Conclusion. A broad spectrum of theoret-
ical approaches and interventional tech-
niques can be used for successful treatment
of patients with personality disorders. Priori-
ty is given to cognitive methods for modifica-
tion of dysfunctional schemata and behavior-
al therapeutic methods for alteration of dys-
functional behavioral patterns
Keyword
Disease concept· Therapeutic relationship·
Interaction· Individual disorder model·
Guidelines
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Psychotherapeut 4 · 2015
der Modifikation bestimmter Verhaltens-
weisen abgeleitet werden.
Indikation und Therapieplanung
Um Therapieziele bei Patienten mit einer
Persönlichkeitsstörung zu identifizieren,
ist die Orientierung am motivorientier-
ten Indikations- und Interventionsmodell
(MIIM; Fydrich 2001b) hilfreich. Ob eine
Persönlichkeitsstörung behandelt werden
soll, ist vom Grad der Ich-Syntonie der
Persönlichkeitsstörung und der sich dar-
aus ergebenden Veränderungsmotivation
des Patienten abhängig. Je nach Ausmaß
der Ich-Syntonie ergeben sich verschie-
dene Ansätze, die unterschiedliche the-
rapeutische Herangehensweisen erfor-
dern. Entsprechend können Patienten in
3 Gruppen eingeteilt werden:
5 Patienten mit hoher Ich-Dystonie
und hohem Leidensdruck, die wegen
ihrer Persönlichkeitsstörung selbst
Hilfe suchen [z. B. emotional-insta-
bile Persönlichkeitsstörung vom Bor-
derline-Typ (BPS), ängstliche Persön-
lichkeitsstörung],
5 Patienten mit einer anderen psy-
chischen Störung, die den Behand-
lungsanlass darstellt (z. B. Depres-
sion, Angststörung) und hoher Ich-
Syntonie der Persönlichkeitsstörung
(z. B. paranoide Persönlichkeitsstö-
rung) sowie
5 Patienten, deren Merkmale der Per-
sönlichkeitsstörung zu Problemen
in interpersonellen Situationen und
der Lebensbewältigung führen und/
oder die Symptomstörung verstärken
(Achse-I-Störung; z. B. dependente,
narzisstische, histrionische, zwang-
hafte oder schizoide Persönlichkeits-
störung).
Die ich-syntonen Anteile spielen insbe-
sondere bei der Beziehungsgestaltung im
therapeutischen Prozess eine große Rol-
le, da sich die Beziehungsmotive für in-
terpersonelles Handeln auch in der The-
rapeut-Patient-Interaktion wiederfinden.
Das bedeutet, dass je ich-syntoner die
Persönlichkeitsanteile sind, desto weniger
sind sie Bestandteil des Behandlungsauf-
trags, müssen aber dennoch bei der Be-
ziehungsgestaltung Berücksichtigung fin-
den. Eine wichtige Rolle spielt die mo-
tivorientierte bzw. komplementäre Be-
ziehungsgestaltung (z. B. Caspar 1996;
Sachse 2006). Dabei wird darauf geach-
tet, dass der Therapeut bewusst die Be-
ziehungswünsche des Patienten berück-
sichtigt. Beispielsweise erwartet ein Pati-
ent mit einer abhängigen Persönlichkeits-
störung viel Unterstützung und Rat, ein
Patient mit einer schizotypen Persönlich-
keitsstörung viel Freiraum für seine mög-
licherweise ungewöhnlichen Interpretati-
onen von Erlebtem, ein Patient mit einer
histrionischen Persönlichkeitsstörung viel
Aufmerksamkeit sowie ein Patient mit ei-
ner narzisstischen Persönlichkeitsstörung
viel Bewunderung und Lob. Die jeweili-
gen Beziehungsmotive werden im Rah-
men einer motivorientierten Beziehungs-
gestaltung einerseits erfüllt; andererseits
aber auch im Rahmen der Therapeut-Pa-
tient-Beziehung zu gegebener Zeit reflek-
tiert, um die Funktionalität und Dysfunk-
tionalität der Beziehungsmotive (auch in
Verhaltensanalysen) kennenzulernen. Ge-
gebenenfalls sind dies Anhaltspunkte für
spezifische Interventionen zur Änderung
entsprechender Erlebens- und Verhal-
tensweisen.
Zur Erläuterung des Vorgehens wer-
den im Folgenden kognitiv-verhaltens-
therapeutische Behandlungsstrategien
exemplarisch für die drei genannten Fäl-
le dargestellt.
Fall1: Persönlichkeitsstörung
mit hoher Ich-Dystonie
Liegt eine Persönlichkeitsstörung mit ho-
her Ich-Dystonie vor, ist es dem Patien-
ten möglich, sein Leiden und seine Beein-
trächtigungen in der Lebensführung auf
die Persönlichkeitsstörung zurückzufüh-
ren. Der Therapieauftrag liegt primär dar-
in, das als störend erlebte Verhalten zu be-
handeln (z. B. selbstverletzendes Verhal-
ten und Emotionsregulationsstörung bei
BPS, beängstigende Gefühle im Zusam-
menhang mit der Aufnahme neuer sozi-
aler Kontakte und soziale Hemmung bei
ängstlicher Persönlichkeitsstörung). Die
wichtigsten Ansätze der Behandlung der
BPS und der ängstlichen Persönlichkeits-
störung werden vorgestellt.
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Bezüglich der Behandlung von Patienten
mit BPS liegen empirische Befunde zur
Wirksamkeit von zwei verhaltensthera-
peutischen Therapieansätzen vor:
5 dialektisch-behaviorale Therapie nach
Linehan (DBT, Evidenzgrad Ib; Bo-
hus et al. 2004; Bohus und Schmahl
2006) und
5 Schematherapie bzw. schemafokus-
sierte Therapie nach Young (Evidenz-
grad IIa; Young et al. 2005).
In der DBT werden Elemente der Verhal-
tens- sowie der Gestalttherapie und fern-
östliche Meditationstechniken in ein mo-
dular aufgebautes Therapiekonzept inte-
griert (Linehan 1993). Die DBT kann im
Einzel- und im Gruppensetting durchge-
führt werden. In der Einzeltherapie geht
es um die Veränderung selbst-, thera-
pieschädigender und die Lebensqualität
beeinträchtigender Verhaltens- und Er-
lebensweisen sowie die Behandlung der
psychischen Folgen möglicher traumati-
scher Ereignisse. In der Gruppentherapie,
dem Skills training, geht es v. a. darum,
wie Patienten mit Anspannungszustän-
den konkrete Alltagssituationen funktio-
nal bewältigen können. Auch der Umgang
mit dysfunktionalen „Denkfallen“ (dys-
funktionale Kognitionen) oder (selbst-
schädigenden) Impulsen ist Gegenstand
der Therapie (Linehan 1993).
Der schematherapeutische Ansatz
(Young et al. 2005) basiert auf der Kombi-
nation von kognitiver Verhaltenstherapie
und erlebnisorientierten Techniken. Hier
besteht das Ziel darin, durch begrenzte el-
terliche Fürsorge, erlebnisbasierte Strate-
gien (z. B. imaginative Techniken, Dia-
loge und Briefe), kognitive Restrukturie-
rung und Abbau fehlangepasster Verhal-
tensmuster die maladaptiven Schemata zu
verändern (s. Beitrag von Jacob und Faß-
binder 2015).
Ängstliche (vermeidende)
Persönlichkeitsstörung
Für die ängstliche (vermeidende) Per-
sönlichkeitsstörung liegen ebenfalls Be-
funde mit dem Evidenzgrad Ib zur Wirk-
samkeit der kognitiven Verhaltensthe-
rapie vor (z. B. Emmelkamp et al. 2006;
283Psychotherapeut 4 · 2015
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Renneberg et al. 1990). Die Empfehlun-
gen der S2-Leitlinie beziehen sich bei die-
ser Persönlichkeitsstörung auf Interventi-
onen im einzel- und gruppentherapeuti-
schen Setting. Hierbei geht es – angelehnt
an die Behandlung der sozialen Phobie –
um den Aufbau sozialer Fertigkeiten und
das Üben selbstsicheren Verhaltens. Hier-
zu kommen v. a. Rollenspiele und Video-
analysen zum Einsatz (Renneberg und Fy-
drich 1999).
Außerdem sollen zur Bewältigung
der Angst vor negativen Bewertungen
kognitive Techniken integriert werden.
Nach der Identifizierung dysfunktiona-
ler Grundannahmen sollten mithilfe von
KVT-Techniken (z. B. logistische, empiri-
sche und hedonistische Disputation) der
Wahrheitsgehalt dieser Grundannahmen
infrage gestellt, ihr hinderlicher Charak-
ter identifiziert und neue hilfreichere Ge-
danken formuliert werden (z. B. Fünfspal-
tentechnik nach Beck et al. 2004). In Form
von Verhaltensexperimenten können die
sozialphobischen Überzeugungen in der
Realität getestet und die neuen Gedanken
im Sinne einer positiven Selbstverbalisa-
tion geübt werden (Stangier et al. 2006).
Auch die Schematherapie bietet für
die Behandlung der ängstlichen Persön-
lichkeitsstörung durch empathische Kon-
frontation oder durch empathische Reali-
tätsprüfung eine Möglichkeit der Verän-
derung der frühen maladaptiven Schema-
ta (Young et al. 2005; Jacob und Faßbin-
der 2015).
Fall2: Achse-I-Störung
und ich-syntone
Persönlichkeitsstörung
Stellt sich ein Patient mit einer spezifi-
schen psychischen Störung (auch als Sym-
ptomstörung oder Achse-I-Störung be-
zeichnet, z. B. Depression, Angststörung,
Zwangsstörung) zur Behandlung vor, soll-
te diese zum Fokus einer problemzent-
rierten Behandlung werden, da diese Stö-
rung der Behandlungsanlass ist. Darüber
hinaus sollte das Vorliegen von komor-
biden Persönlichkeitsstörungen geprüft
werden, da diese Einfluss auf den Verlauf
und den Erfolg der Behandlung anderer
spezifischer Störungen haben können.
Nur so kann es dem Therapeuten durch
sein spezifisches Wissen gelingen, die In-
teraktionsmotive des Patienten sorgfältig
zu identifizieren, in der Therapeut-Pati-
ent-Interaktion zu beachten und den Er-
folg der Behandlung der Achse-I-Störung
positiv zu beeinflussen.
Fydrich (2006) beschreibt eine Be-
handlung, bei der ein Patient wegen ei-
ner spezifischen Phobie (Angst, eine lan-
ge Brücke mit dem Auto zu überqueren)
die Therapie aufsucht. Die Behandlung
der spezifischen Phobie wird aber durch
den stark ausgeprägten paranoiden Per-
sönlichkeitsstil des Patienten erschwert.
Der Patient gibt immer wieder an, dass er
an der Loyalität und der Kompetenz des
Therapeuten zweifelt, und äußert sich am-
bivalent gegenüber den Therapieinhalten
und -zielen. Aufgabe des Therapeuten ist
es, im Sinne einer komplementären Bezie-
hungsgestaltung, dem Patienten zu ver-
mitteln, dass er seine Zweifel und Ambi-
valenzen versteht, diese wertschätzt („Vor-
sicht ist besser als Nachsicht.“) und ihn er-
mutigt, genau zu prüfen, ob der Therapeut
und die Therapie für ihn richtig sind, und
sich ggf. auch dagegen zu entscheiden. So
wird durch den Therapeuten das Autono-
miebedürfnis des Patienten berücksich-
tigt; der Patient fühlt sich auch mit seiner
Skepsis verstanden. Gleichzeitig wird Ver-
trauen in die Arbeitsbeziehung gefördert,
was wiederum die Behandlung der spezi-
fischen Phobie erleichtert.
Fall 3: durch eine Persönlich-
keitsstörung beeinträchtigtes
psychosoziales Funktionsniveau
Ist der Patient durch Erlebens- und Ver-
haltensweisen, die im Zusammenhang
mit seiner Persönlichkeitsstörung ste-
hen, in seiner Lebensführung und seinem
Funktionsniveau beeinträchtigt oder ver-
stärken diese Erlebens- und Verhaltens-
weisen das Vorliegen einer spezifischen
psychischen Störung, sollten die Persön-
lichkeitsstörung und die damit im Zusam-
menhang stehenden Erlebens- und Ver-
haltensweisen Behandlungsfokus sein.
Da es bisher nur für drei Persönlichkeits-
störungen (BPS, ängstliche und dissozia-
le Persönlichkeitsstörung) empirisch fun-
dierte störungsspezifische Behandlungs-
ansätze gibt, müssen Verhaltenstherapeu-
ten bei den anderen Persönlichkeitsstö-
rungen eher auf unspezifische Interven-
tionen zurückgreifen. Diese werden aus
Interaktionsmodellen (z. B. motivorien-
tiertes Modell) abgeleitet. Dabei geht es
grundsätzlich um die Veränderung von
problematischen Denk- und Verhaltens-
weisen, die mit der Persönlichkeitsstö-
rung im Zusammenhang stehen. Ziel ist
nicht, die „Persönlichkeit“ des Patienten
insgesamt zu verändern. Um die Denk-
und Verhaltensweisen zu verstehen, ist
die Erstellung eines individuellen Stö-
rungsmodells von essenzieller Bedeutung.
Dazu sind – wie bei der Behandlung von
Symptomstörungen (Achse-I-Störungen)
auch – genaue Analysen der Problemsitu-
ation und des Verhaltens in den Situatio-
nen notwendig und hilfreich.
Individuelles Störungsmodell/
Fallkonzeption
Durch das Erstellen eines individuellen
Störungsmodells sowie individueller Pro-
blem- und Verhaltensanalysen wird die
Einsicht in die Entstehung und die Auf-
rechterhaltung grundlegender Denk-,
Verhaltens- und Erlebensweisen des Pati-
enten ermöglicht. Dabei geht es nicht da-
rum, das Erleben oder Verhalten des Pati-
enten als grundsätzlich gut oder schlecht
zu bewerten, sondern zu analysieren, in-
wieweit Erleben und Verhalten des Pati-
enten zu Leiden und Belastung oder zu
Beeinträchtigungen im psychosozialen
Funktionsniveau führen. Das individuelle
Störungsmodell ist ein hypothetisches Be-
dingungsmodell für das problematische
bzw. dysfunktionale (Interaktions-)Ver-
halten. Es sollte möglichst frühzeitig im
Verlauf der Behandlung erstellt und wäh-
rend der Therapie immer wieder ange-
passt werden. Der klassische Aufbau eines
Störungsmodells in der Verhaltensthera-
pie entspricht der Dreiteilung in prädispo-
nierende, auslösende und aufrechterhal-
tende Bedingungen. Gemeinsam mit dem
Patienten wird ein individualisiertes Mo-
dell über die Bedingungen erarbeitet, die
zu Entstehung des problematischen (in-
teraktionellen) Verhaltens geführt haben
und zur Beibehaltung beitragen. Hierfür
werden – ganz entsprechend der grund-
legenden individualisierten und situati-
onsbezogenen Diagnostik in der Verhal-
tenstherapie – Mikro- und Makroanaly-
sen mit dem Patienten durchgeführt. Un-
284
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Psychotherapeut 4 · 2015
Schwerpunkt: Persönlichkeitsstörungen – Originalien
ter anderem sind Selbstbeobachtungsauf-
gaben hilfreiche therapeutische Mittel.
Die KVT bietet für die Erklärung der
Entstehung und der Aufrechterhaltung
von Persönlichkeitsstörungen verschie-
dene theoretische Modelle, die in die Ent-
wicklung eines individuellen Störungs-
modells einfließen können. Im Folgen-
den werden drei prominente Modelle nä-
her beschrieben:
5 kognitives Modell von Beck et al.
(2004),
5 Modell der doppelten Handlungsre-
gulation von Sachse (2000) und
5 konsistenztheoretisches Modell von
Grawe (1998).
Kognitives Modell nach Beck et al.
Nach Beck et al. (2004) sind Grundannah-
men nichtbewusste, verinnerlichte (ge-
lernte), meist abwertende Bemerkungen
der Eltern oder anderer naher Bezugsper-
sonen (z. B. „Du nervst“). Aus diesen in-
ternalisierten Aussagen oder Erfahrungen
entwickeln sich das Selbstbild (mit Selbst-
schemata wie z. B. „Ich bin nicht liebens-
wert“) sowie das Bild über andere und die
Beziehungserwartungen (mit Beziehungs-
schemata wie z. B. „Andere nehmen mich
nicht ernst“, „Ich werde abgelehnt“). Um
die mit der Aktivierung dieser Grundan-
nahmen einhergehenden unangenehmen
Gefühle zu vermeiden, entwickelt die Per-
son Vermeidungs- und Bewältigungsstra-
tegien, wie z. B. die eigene Meinung nicht
zu äußern, sich den Bedürfnissen anderer
anzupassen oder neue soziale Kontakte zu
vermeiden. Aus diesem Verhalten können
sich Leiden und Einschränkungen im psy-
chosozialen Funktionsniveau ergeben.
Modell der doppelten
Handlungsregulation nach Sachse
Im Modell der doppelten Handlungsregu-
lation stellt Sachse der „Motivebene“ eine
„Spielebene“ gegenüber. Die Motivebene
beinhaltet zentrale Beziehungsmotive, die
in der Interaktion mit anderen Menschen
befriedigt werden sollen (z. B. das Mo-
tiv einer Person mit einer histrionischen
Persönlichkeitsstörung, wichtig sein und
gesehen werden zu wollen). Es wird da-
von ausgegangen, dass diese Beziehungs-
motive situationsübergreifend besonders
handlungsbestimmend sind. Im Laufe
des Lebens können sich jedoch bei Men-
schen in Abhängigkeit von ihren Bezie-
hungserfahrungen Annahmen über sich
selbst und über Beziehungen entwickeln,
die diesen Beziehungsmotiven entgegen-
stehen (z. B. „Ich bin unwichtig“, „Ande-
re sind nicht verlässlich“). Infolgedessen
kommt es zum inneren Konflikt zwischen
dem Beziehungsmotiv (z. B. „Ich möchte
wichtig sein“) und den Selbst- und Bezie-
hungsschemata (z. B. „Andere sehen mich
nicht“, „Nur, wenn ich besonders bin, be-
komme ich Aufmerksamkeit“), da die-
se sich widersprechen. Das Beziehungs-
motiv bleibt jedoch aktiv. Daher werden
Handlungs- und Verarbeitungskompe-
tenzen entwickelt, um trotz des negati-
ven Selbst- und Beziehungsschemas das
Beziehungsmotiv zu befriedigen. Diese
Verhaltensweisen dienen der Kompen-
sation der dysfunktionalen Selbst- und
Beziehungsschemata und können u. U.
manipulativ wirken (z. B. übertrieben
emotionale Selbstdarstellung, Heischen
nach Aufmerksamkeit, auffälliges Äuße-
res). Betroffene versuchen, beim Gegen-
über ein bestimmtes Bild von sich zu er-
zeugen (z. B. „Ich bin ein interessanter
Mensch“), und fordern diese zu Verhal-
tensweisen auf (Appelle, z. B. „Beachte
mich! Gib mir Aufmerksamkeit!“), die der
Befriedigung des Beziehungsmotivs die-
nen. Hier spricht Sachse von der „Spiele-
bene“, denn diese Verhaltensweisen sind
eher intransparent und weniger authen-
tisch. Der Vorteil dieser Strategien ist je-
doch, dass sie kurzfristig das Beziehungs-
motiv befriedigen und damit dieses Ver-
halten positiv verstärkt wird. Das Spielver-
halten führt jedoch langfristig zu Proble-
men mit Interaktionspartnern. Zum Bei-
spiel sind diese genervt von der übertrie-
benen emotionalen Selbstdarstellung und
dem Heischen nach Aufmerksamkeit und
wenden sich von der Person ab. Dadurch
wird das eher negative Selbst- und Bezie-
hungsschema des Patienten bestätigt („Ich
bin nicht wichtig.“). Dies führt im Sinne
eines Teufelskreises dazu, dass das „Spiel-
verhalten“ aufrechterhalten oder gar ver-
stärkt wird: ein (verzweifelter) Versuch,
das Beziehungsmotiv nach Wichtigkeit
zu befriedigen.
Konstistenztheoretisches
Modell nach Grawe
Nach Grawe (1998) werden 4 evolutionär
entwickelte Grundbedürfnisse von Men-
schen unterschieden: Bindung, Orientie-
rung/Kontrolle, Selbstwerterhöhung und
Lustgewinn/Unlustvermeidung. Mit der
Nichtbefriedigung dieser Grundbedürf-
nisse gehen negative Gefühle wie Angst
und Traurigkeit einher. Demgegenüber
steht die Befriedigung der Bedürfnisse
mit entsprechend positiven Emotionen
im Zusammenhang. Daher entwickeln
sich motivationale Schemata (Annäh-
rungs- und Vermeidungsschemata), die
darauf gerichtet sind, die Bedürfnisse zu
befriedigen bzw. eine Bedürfnisfrustrati-
on zu vermeiden. Im Laufe ihrer Lebens-
geschichte entwickeln Menschen Strategi-
en, um die Bedürfnisbefriedigung zu er-
reichen. Diese Strategien sind in sog. Plä-
nen „gespeichert“, innere Imperative (z. B.
„Tu alles, um nicht verlassen zu werden!“,
„Mach keine Fehler!“), die das Ziel haben,
die negativen Gefühle, die mit der Frus-
tration der Bedürfnisse einhergehen, zu
vermeiden. Aus diesen Plänen können
Verhaltensweisen entstehen, die zu Prob-
lemen in der Beziehungsgestaltung führen
(z. B. abhängiges Beziehungsverhalten).
Den drei beschriebenen Modellen ist
gemeinsam, dass Persönlichkeitsstörun-
gen auf der Entwicklung von dysfunkti-
onalen Grundannahmen und Schemata
über das Selbst und Beziehungen beru-
hen. Ziel der Behandlung ist es daher, die-
se zu identifizieren und zu modifizieren.
Identifizieren und
Explizieren von Schemata
In einem ersten Schritt werden die dys-
funktionalen Grundannahmen und Sche-
mata identifiziert. Hierzu bieten sich ver-
haltenstherapeutische Methoden wie das
geleitete Entdecken, detaillierte Prob-
lem- und Verhaltensanalysen, Planana-
lysen und Selbstbeobachtungsprotokolle
an. Zur Erfassung der Grundannahmen
und Schemata stehen standardisierte Fra-
gebogen zur Verfügung, wie z. B. das „Beck-
Inventar kognitiver Schemata“ (B-IKS;
Fydrich 2001a), der „Fragebogen zu Ge-
danken und Gefühlen“ (FGG; Renneberg
und Seehausen 2010) oder der „Frage-
285Psychotherapeut 4 · 2015
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bogen zur Analyse motivationaler Sche-
mata“ (FAMOS; Grosse Holtfort und Gra-
we 2002).
Nachdem die wichtigsten Grundan-
nahmen identifiziert wurden, sollte ge-
meinsam mit dem Patienten die Entste-
hungsgeschichte der jeweiligen Grundan-
nahmen erarbeitet werden. Hierbei geht es
v. a. darum, prägende Lebens- und insbe-
sondere Beziehungserfahrungen zu iden-
tifizieren, die zur Entstehung der Schema-
ta beigetragen haben. Ziel ist es – wie oben
bereits besprochen – das Verständnis des
Patienten für seine Erlebens- und Verhal-
tensweisen zu entwickeln. Dies kann die
Motivation des Patienten für eine Verän-
derung erhöhen und die Durchführung
von Interventionen (z. B. Verhaltensexpe-
rimente, kognitive Umstrukturierung) zur
Veränderung der Grundannahmen und
dysfunktionaler Bewältigungsstrategien
(z. B. Verhalten auf der Spielebene nach
Sachse, dysfunktionale Bewältigungsstra-
tegien nach Young et al. 2005) im Rahmen
der Therapie erleichtern.
Veränderung dysfunktionaler
Denk- und Verhaltensweisen
Kognitive Techniken
Ziel der Behandlung von Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen ist es, die dys-
funktionalen Grundannahmen zu mo-
difizieren. Hierfür steht kognitiven Ver-
haltenstherapeuten eine Reihe von Tech-
niken zur Verfügung, wie strukturier-
te Selbstbeobachtung, Verhaltensexperi-
mente und verschiedene Disputations-
techniken (hedonistische, empirische und
logische Disputation; z. B. Wilken 2012).
Bezüglich der Modifikation von
Grundannahmen und Schemata von Pa-
tienten mit Persönlichkeitsstörungen soll-
te sich der Therapeut bewusst sein, dass
die Schemata wie grundsätzliche Lebens-
regeln gesehen werden können und da-
her dem Patienten „lebensnotwendig“ er-
scheinen. Änderungen oder der Versuch,
im Rahmen der Therapie Änderungen zu
initiieren, können Angst und Widerstand
hervorrufen. Besonders bei Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen bedarf es des
behutsamen therapeutischen Vorgehens,
dass neben der Veränderungsorientierung
wesentlich durch die Validierung der Erle-
bens- und Verhaltensweisen des Patienten
und v. a. Geduld geprägt sein sollte.
An dieser Stelle wird auf den anhalten-
den Diskurs bezüglich der Veränderbar-
keit von Schemata, der von Freeman und
Christner (2005) aufgegriffen wird, ver-
wiesen. Die Autoren führen aus, dass eine
völlige Neustrukturierung von Schema-
ta ein unrealistisches Therapieziel sei. Sie
schlagen ein Veränderungsmodell auf ei-
nem Kontinuum vor, das von der Schema-
Rekonstruktion über die Schema-Modifi-
kation und die Schema-Reinterpretation
bis hin zum Schema-Camouflage reicht.
Schema-Rekonstruktion meint die
Aufgabe der Grundüberzeugungen bei
gleichzeitiger Aufnahme von neuen Über-
zeugungen. Das würde z. B. bei einem Pa-
tienten mit paranoider Persönlichkeitsstö-
rung bedeuten, ein völlig vertrauensvoller
Mensch zu werden. Aufgrund der Chro-
nizität und der Rigidität zentraler Merk-
male bei Persönlichkeitsstörungen ist die-
ses Therapieziel aber nicht realistisch, ja
sogar falsch.
Eine Schema-Modifikation, die mit
geringeren Veränderungen in den Sche-
mata einhergeht, kann ein realistischeres
Therapieziel darstellen. Für den Patien-
ten mit einer paranoiden Persönlichkeits-
störung würde dies eine Modifikation des
Schemas von „Ich kann niemanden trau-
en“ hin zu „Ich kann manchen Menschen
in bestimmten Situationen trauen“ bein-
halten. Damit würde sich der „sichere Be-
reich“ des Patienten erweitern und ihm
mehr Verhaltensflexibilität ermöglichen.
Bei der Schema-Reinterpretation geht
es darum, die Nachteile der Schemata in
Vorteile umzuwandeln, die dann zu einer
funktionaleren Neuinterpretation führen.
So könnte das Schema „Jedes Detail muss
perfekt sein“ der zwanghaften Persönlich-
keitsstörung bei einem Patienten, der als
Buchhalter arbeitet, als etwas sehr Wert-
volles für seinen Beruf reinterpretiert wer-
den. Dies würde den „Druck“ des Patien-
ten vermindern, das Schema immer und
überall bedienen zu müssen. So könnten
die Patienten lernen, das Schema nicht
nur von seiner negativen Seite zu betrach-
ten, sondern in bestimmten Situationen
funktional einzusetzen.
Beim Schema-Camouflage handelt es
sich um eine zeitlich begrenzte Strategie,
um das psychosoziale Funktionsniveau
aufrechtzuerhalten. Hier lernen die Pati-
enten, sich selbst Anweisungen zum Um-
gang mit dem Schema zu geben. So könn-
te ein narzisstischer Patient lernen, seine
Kränkung zu überspielen und nicht mit
Wutanfällen zu reagieren, weil das z. B. im
beruflichen Kontext eher negative Konse-
quenzen hätte. Das funktioniert aber nur
so lange, bis die allgemeine Belastung des
Patienten zunimmt und das „alte Verhal-
ten“ wieder durchbricht.
Verhaltenstherapeutische
Techniken
Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
weisen häufig neben dysfunktionalen
Denkweisen auch dysfunktionale Ver-
haltensweisen und u. U. Verhaltensdefizi-
te auf. Auch hier stehen in der kognitiven
Verhaltenstherapie viele Techniken zum
Aufbau von Fertigkeiten und zum Abbau
von hinderlichen Verhaltensexzessen zur
Verfügung. Hierzu gehören u. a. das Trai-
ning sozialer Kompetenzen, die Verbesse-
rung von Emotionsregulationsstrategien,
euthyme Therapiemethoden und das Er-
lernen von Problemlösekompetenzen. Ein
Patient mit zwanghafter Persönlichkeits-
störung könnte z. B. durch ein Problem-
lösetraining lernen, Prioritäten zu setzen,
und durch Techniken der euthymen The-
rapie, seine Genussfähigkeit zu fördern.
Ein Patient mit einer dependenten Per-
sönlichkeitsstörung könnte im Rahmen
eines sozialen Kompetenztrainings ler-
nen, seine Bedürfnisse zu äußern.
Hilfreich ist – bei gegebener Indikation
– der Einsatz verhaltenstherapeutischer
Rollenspiele. Sie haben das Ziel, neu erar-
beitete Verhaltensweisen auszuprobieren
und einzuüben. Des Weiteren sind Ver-
haltensexperimente sinnvoll, in denen
der Patient bisher vermiedenes Verhal-
tens durchführt (z. B. bewusst einen Feh-
ler machen) und überprüft, ob seine Be-
fürchtungen (z. B. „Andere werden mich
ablehnen“) eintreten. Neben dem einzel-
therapeutischen Setting sind besonders
bei Persönlichkeitsstörungen als Interak-
tions- oder Beziehungsstörungen Grup-
penpsychotherapien sinnvoll, weil gerade
hier verschiedene Formen der Beziehun-
gen geboten werden und ein vielschichti-
ger Übungsraum entsteht. Ein manuali-
siertes sowie evaluiertes psychoedukativ-
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Psychotherapeut 4 · 2015
Schwerpunkt: Persönlichkeitsstörungen – Originalien
und kompetenzorientiertes Gruppenpro-
gramm wurde von Schmitz et al. (2001)
entwickelt.
Besondere Anforderungen an eine
Psychotherapie ergeben sich, wenn Pati-
enten auf Veranlassung Dritter in die The-
rapie kommen. Dies ist beispielsweise bei
vielen forensischen Patienten (möglicher-
weise mit dem Vorliegen einer dissozia-
len Persönlichkeitsstörung) der Fall. Die-
se Patienten haben i. Allg. keine explizite
Veränderungsmotivation und sind durch
hoch ich-syntone Symptomatik gekenn-
zeichnet. Verurteilungen und richterliche
Auflagen gestalten den Behandlungsauf-
trag in hohem Maß. Dennoch – oder ge-
rade deshalb – sind für diese Menschen
wirksame Behandlungsprogramme ent-
wickelt worden, die primär zum Ziel ha-
ben, das kriminelle Verhalten zu beein-
flussen. Die bekanntesten Programme
sind das multimodale kognitiv-behavio-
rale „Reasoning and Rehabilitation Pro-
gram“ (Evidenzgrad Ia, Tong und Far-
rington (2006) und das „Rückfallvermei-
dungsmodell“ (Evidenzgrad Ia, Dowden
et al. 2003). In diesen manualisierten Pro-
grammen geht es um die Förderung der
Selbstkontrolle, der Fähigkeiten zu Meta-
kognitionen, der Entwicklung von sozia-
len Fertigkeiten, kritischem Denken und
Emotionsregulationsstrategien. Infor-
mationsvermittlung (Psychoedukation),
Gruppendiskussionen und Rollenspiele
stehen im Vordergrund (2009).
Fazit für die Praxis
In der KVT ist ein breites Spektrum an
theoretischen Ansätzen und Interven-
tionstechniken verfügbar, die zur er-
folgreichen Behandlung von Patien-
ten mit Persönlichkeitsstörungen einge-
setzt werden können. Hierbei stehen ko-
gnitive Methoden zur Modifikation dys-
funktionaler Schemata und verhaltens-
therapeutische Methoden zur Verän-
derung dysfunktionaler Verhaltenswei-
sen im Vordergrund. Aufgrund der Chro-
nizität und der Rigidität vieler Merkma-
le bei Persönlichkeitsstörungen sollte als
realistisches Ziel eher eine tendenziel-
le Veränderung angestrebt werden; eine
„Restrukturierung“ der gesamten „Per-
sönlichkeit“ ist nicht realistisch und er-
scheint auch nicht notwendig. Primär
geht es darum, den Patienten in die La-
ge zu versetzen – vor dem Hintergrund
seiner besonderen Persönlichkeit – Be-
lastungen und Beeinträchtigungen in
der Lebensführung und in interpersonel-
len Interaktionen zu vermeiden, um da-
durch eigene Lebensziele – unter Beach-
tung der Motive und Ziele anderer – um-
setzen zu können.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. T. Fydrich
Institut für Psychologie, ZPHU – Zentrum für
Psychotherapie
Humboldt-Universität zu Berlin
Klosterstr. 64, 10179 Berlin
Fydrich@hu-berlin.de
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. Kathrin Ritter, Stephan Köhler,
Theresa Unger und Thomas Fydrich geben an, dass
kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen
oder Tieren.
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Psychotherapeut 4 · 2015
Fachnachrichten
Wissenschaftsrat stärkt
wissenschaftliche Integrität
Wissenschaftliche Integrität ist die Grundla-
ge für eine hohe Qualität und die Leistungs-
fähigkeit des Standorts Deutschland. Der
Wissenschaftsrat hat diesbezüglich in einem
Positionspapier Empfehlungen zur wissen-
schaftlichen Integrität verabschiedet, womit
der Fokus zu einer umfassenden Kultur der
Redlichkeit und Qualität an wissenschaft-
lichen Einrichtungen erweitert werden soll.
Zu den Rahmenbedingungen der Integri-
tät sollen vor allem die Vermittlung guter
wissenschaftlicher Praxis, Beratung und Auf-
klärungsstrukturen in Konfliktfällen sowie
eine stärkere Ausrichtung auf Qualität statt
Quantität in der gesamten Forschungs- und
Publikationspraxis zählen.
Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates
widmen sich nicht nur gravierenden Fällen
des Betrugs, sondern betrachten auch die
Grauzone nicht integren Verhaltens. Damit
geht der Wissenschaftsrat über den Schwer-
punkt von Plagiatsfällen in Doktorarbeiten
hinaus. Das Positionspapier beleuchtet
Rahmenbedingungen, die wissenschaftliche
Integrität erschweren können, wie etwa der
Druck für Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler, möglichst viel und in hochrangi-
gen Fachzeitschriften zu veröffentlichen,
gepaart mit schwierigen Arbeitsbedingun-
gen sowie starken Abhängigkeiten. Hierbei
entstehe insbesondere für den Nachwuchs
eine Situation, die integres Handeln gefähr-
den kann.
Laut Wissenschaftsrat sollen Hochschulen
und wissenschaftliche Einrichtungen künftig
im Umgang mit Verdachtsfällen spezielle
Beratung in einer neu zu etablierenden,
institutionenübergreifenden Einrichtung
erhalten.
Quelle: Wissenschaftsrat,
www.wissenschaftsrat.de
Therapie von
Phantomschmerzen durch
Small Fiber Matrix Stimulation
Erste Ergebnisse einer Studie am Univer-
sitätsklinikum Bonn zeigen, dass sowohl
Phantomschmerzen als auch die Schmerz-
empfindlichkeit durch die Behandlung mit
einer von „med4life“ (ein Ausgründungs-
projekt des Life Science Inkubators) entwi-
ckelten Small Fiber Matrix Stimulation signi-
fikant reduziert werden können. Rund 75%
aller Patienten mit Amputation leiden unter
zum Teil heftigen Schmerzen in dem nicht
mehr vorhandenen Körperteil. Auslöser da-
für ist, neben dem Schmerzgedächtnis, die
dauerhafte Erregung der Nerven im Stumpf.
Bei der Studie durchliefen 23 Patienten
mit einseitiger Teilbeinamputation und
Phantom- bzw. Stumpfschmerzen zuerst
eine Kontrollphase zur Dokumentation ihrer
täglichen Schmerzen. In der anschließenden
Therapiephase behandelten die Betroffe-
nen morgens und abends je 20 Minuten
ihren Stumpf selbstständig mit der in ein
Stumpfband integrierten Small Fiber Matrix
Stimulation. Die Patienten berichteten an-
schließend von einem starken Rückgang der
brennenden, klopfenden oder stechenden
Schmerzen, die zum Teil nur mit hochdosier-
ten Schmerzmitteln zu ertragen waren.
Die Technologie der Small Fiber Matrix Sti-
mulation wird derzeit schon erfolgreich bei
Rücken- und anderen Schmerzen des Mus-
kel-Skelett-Systems eingesetzt und soll nun
auch bei der Behandlung von Patienten mit
Tumorschmerzen untersucht werden.
Quelle: Life Science Inkubator GmbH,
http://life-science-inkubator.de/
Hier steht eine Anzeige.
1 Springer
... Die aktuellen Regelungen zur Differenzialindikation von KZT oder LZT basieren im Wesentlichen auf klinischer Erfahrung und praxisorientierten Leitlinien; sie sind weniger durch kontrollierte wissenschaftliche Studien fundiert (Ritter et al. 2015;Sulz 1997). Dennoch vorhandene empirische Grundlagen für Erfahrungen mit dieser Einteilung, die möglicherweise Hinweise auf Indikation, Effizienz und Praktikabilität der unterschiedlichen Behandlungskontingente geben können, werden im Folgenden im Kontext von aktuellen Befunden aus KVT-Studien beschrieben und diskutiert. ...
... Traditionell werden Persönlichkeitsstörungen als schwierig zu behandeln eingestuft, und es wird folglich eine höhere Behandlungsintensität gefordert (Ritter et al. 2015). Insbesondere die "dialektisch-behaviorale Therapie" (DBT; Linehan 1993) für die Borderline-Störung wurde in diesem Kontext in den letzten Jahren stark beforscht. ...
... In den aktuellen NICE-Leitlinien zu Borderline-Persönlichkeitsstörungen ist noch keine optimale Behandlungsdosis für KVT formuliert (NICE 2009b). Auch wenn bezüglich anderer Persönlichkeitsstörungen generell Evidenz für die Wirksamkeit von KVT existiert, besteht aktuell hier noch weniger empirische Evidenz zur optimalen Sitzungszahl (Ritter et al. 2015). Offen bleibt also die Frage, welche Therapiedosis letztendlich wirklich relevant für die optimale Behandlung einer Persönlichkeitsstörung ist. ...
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In Deutschland sind Kurz- und Langzeittherapie die beiden etablierten Grundformen der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT). In der vorliegenden Arbeit wird die empirische Evidenz zu diesen Strukturierungsformen beschrieben und kritisch diskutiert. Dazu werden Befunde aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) präsentiert, deren Implikationen für die optimale Sitzungsanzahl ausgeführt und wichtige Ergebnisse aus der naturalistischen Prozess-Outcome-Forschung skizziert. Zusätzlich wird anhand von aktuellen Daten der kassenärztlichen Vereinigungen die faktische Nutzung von Sitzungskontingenten in der Praxis dargelegt, um den individuellen Bedarf von Patienten in der Realversorgung zu klären. Generell zeigen die RCT-Befunde, dass starke empirische Evidenz für die Effektivität von KVT bei Einfachdiagnosen mit kurzen Sitzungskontingenten von 7 bis 20 Sitzungen vorliegt. Für die allgemeine Wirksamkeit und die differenzielle Indikation von KVT-Langzeittherapie liegen weniger empirische Befunde vor. Die Studienergebnisse decken sich mit Daten von 200.000 Patienten aus der KVT-Realversorgung zur Ausreizung von Sitzungskontingenten in Deutschland. Bei zwei Drittel der Patienten reichen kurze Therapien unter 25 Sitzungen aus, um subjektiv ausreichende klinische Verbesserungen zu erzielen. Allerdings nehmen ca. 10 % der Patienten Interventionen über 60 Therapiestunden in Anspruch. Über die Relevanz solch höherer Sitzungskontingente für den Therapieerfolg ist bei Langzeittherapien empirisch wenig bekannt. Zukünftige Forschung sollte diese genauer untersuchen und empirisch individuelle Adaptationsregeln für die optimale Sitzungsanzahl solcher Langzeittherapien identifizieren.
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Objective: The purpose of this study was to determine the cumulative rates of 2- and 4-year remission, and the recurrences that follow them, of 24 symptoms of borderline personality disorder over 16 years of prospective follow-up. Method: A total of 290 inpatients meeting rigorous criteria for borderline personality disorder and 72 axis II comparison subjects were assessed during their index admission using a series of semistructured diagnostic interviews. The same instruments were readministered at eight contiguous 2-year time periods. Results: The 12 acute symptoms (e.g., self-mutilation, help-seeking suicide attempts) of borderline personality disorder were more likely to remit for a period of 2 years and for a period of 4 years than the 12 temperamental symptoms (e.g., chronic anger/frequent angry acts, intolerance of aloneness) of this disorder. They were also less likely to recur after a remission lasting 2 years or a remission lasting 4 years. Conclusions: Taken together, the symptoms of borderline personality disorder are quite fluid, with remissions and recurrences being common. However, the more clinically urgent acute symptoms of borderline personality disorder seem to have a better prognosis than the less turbulent temperamental symptoms of the disorder.
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Schematherapie (ST) ist ein integrativer Ansatz zur Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (PS) und anderen chronischen psychischen Störungen. Die Methode hat sich bei verschiedenen PS als gut wirksam gezeigt. Sie verbindet Konzepte der Verhaltenstherapie, der Tiefenpsychologie und humanistischer Verfahren. Eine zentrale Rolle spielen die Gestaltung der Therapiebeziehung als „limited reparenting“ (begrenztes Nachbeeltern) und der Einsatz emotionsorientierter Techniken. Mittlerweile liegen auch einige Ansätze zum gruppentherapeutischen Setting vor. In diesem Beitrag wird vertieft auf die ST in Gruppen zur Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) eingegangen; hierzu existieren erste sehr positive Daten. Das Vorgehen in der Behandlung, einschließlich der Anpassung der wichtigsten Techniken an das gruppentherapeutische Setting, wird beschrieben und potenzielle Schwierigkeiten diskutiert.
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Zusammenfassung. Theoretischer Hintergrund: Basierend auf kognitiven Ansatzen sowie dem bio-sozialen Modell von Linehan zur Borderline Storung wurden eine Kurz- (14 Items) und eine Langversion (37 Items) des Fragebogens zu Gedanken und Gefuhlen (FGG; Renneberg et al., 2005) entwickelt. Fragestellung: Die psychometrischen Kennwerte beider Versionen sowie die Eignung der Kurzversion als Screening Verfahren sollten uberpruft werden. Methode: Itemkennwerte, Reliabilitat und konvergente sowie diskriminante Validitat werden an verschiedenen klinischen und nicht-klinischen Stichproben fur den FGG-37 (insgesamt n = 530) und den FGG-14 (insgesamt n = 378) ermittelt. Mit der Langversion des FGG wurde zusatzlich zum Mittelwert ein Index zur Erfassung widerspruchsvollen Denkens (IWD) gebildet. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen eine gute interne Konsistenz und Test-Retest-Reliabilitat, eine hohe konvergente Validitat und sehr gute diskriminante Validitat des FGG-37 und der Kurzversion des FGG mit 14 Items. Schlussfolg...