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Gesundheitsverhalten von Schülern in der Kranken- und Altenpflege [Health behavior of nursing students in hospitals and homes for elderly care]

Authors:
  • Independent Researcher
  • Personal- und Organisationsberatung Jacobi
Michaelis et al. Gesundheitsverhalten von Schülern in der Kranken- und Altenpflege
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Gesundheitsverhalten von Schülern in der Kranken- und Altenpflege
M. Michaelis, M. Thinschmidt, I. Berger, M. Girbig, A. Schulz, A. Seidler
Einleitung und Fragestellung
Themen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (AGS) sollten schon in der
Ausbildung angehender Pflegekräfte einen zentralen Stellenwert bekommen,
um diese zu befähigen, ihren Beruf möglichst lange und gesund ausüben zu
können. Das Erlernen einer solchen AGS-Kompetenz darf nicht nur theore-
tisch, sondern muss auch in der praktischen Pflegeausbildung mit Unterstüt-
zung von Praxisanleitern erfolgen. Diese leiten Schüler am Praxislernort in
ihrer Arbeit an und sind damit an der Schnittstelle zwischen Theorie und
Praxis tätig. Im Rahmen des BMAS-Modellprojekts „DemoPrax Pflege“ unter
der Leitung von Prof. SEIDLER (Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialme-
dizin, TU Dresden) soll deshalb eine spezifische und bedarfsgerechte AGS-
Fortbildung für Praxisanleiter konzipiert werden. Ziel ist, auch diese Ziel-
gruppe mit Blick auf die Auszubildenden für AGS-Themen zu sensibilisieren
und zu schulen (zum Studiendesign siehe [1]). Im Vorfeld der Konzeption
wurden im Jahr 2012 Datenerhebungen mit dem Ziel der Bestandsaufnahme
und Bedarfserhebung zu AGS-Inhalten bei Pflegeschülern und Praxisanleitern
durchgeführt. Im vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit dem individu-
ellen Gesundheitsverhalten von Auszubildenden in der Pflege als Indikator für
die Bereitschaft auch zu einem professionellen Selbstschutz.
Fragestellungen
Wie ausgeprägt ist das individuelle Gesundheitsverhalten von Schülern in der
(Kinder-)Kranken- und Altenpflegeausbildung [(K)KP und AP]? Unterscheidet
sich das Gesundheitsverhalten in Abhängigkeit von sozio- und berufsdemogra-
fischen Merkmalen?
Methoden
Ende 2012 erfolgte die Datenerhebung mittels schriftlicher Befragung in zwei
(Kinder-)Kranken- und zwei Altenpflegeschulen an den Standorten des Modell-
projekts in Sachsen und Baden-Württemberg (Dresden, Freiburg) sowie an
einem weiteren Standort in einer Vergleichseinrichtung (beide Ausbildungs-
typen) in Leipzig.
Auszug aus: Hofmann F, Reschauer G, Stößel, U (Hrsg.) (2014): Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst. Tagungsband 27
des Freiburger Symposiums Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst. Edition FFAS, Freiburg, S. 99-102. www.ffas.de
I. Allgemeine Fragen und rechtliche Aspekte
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Als Erhebungsinstrumente wurden eingesetzt:
(1) Skala „Multiples Gesundheitsverhalten“ (MGV-39; 6 Dimensionen [2]),
(2) Selbsteinschätzung des eigenen AGS-Wissens für die berufliche Zukunft
(Einzelfrage).
Als Einflussfaktoren (getestete Prädiktoren) auf die Gesamt- und die sechs
Subskalen Aktive Lebensgestaltung, (Arzt)-Compliance, Substanzvermeidung,
Sicherheitsorientierung, Ernährung und Hygiene wurden betrachtet: Ge-
schlecht, Alter (Fünf-Jahresschritte; Referenzkategorie: höchstes Alter), Pflege-
Ausbildungstyp (Kranken-/Kinderkranken- vs. Altenpflege), Schulbildung
(Referenzkategorie: höchster Schulabschluss). Diese wurden für die drei Stand-
orte kontrolliert.
Die Datenanalyse erfolgte zu (1) mittels multivariater linearer Regression und
zu (2) mittels logistischer Regression; jeweils simultaner Einschluss (Methode
„enter“).
Rücklauf und Kollektiv
Rücklauf: Mindestens 80% (Ausfüllen des Fragebogens im Unterricht).
Kollektiv: 576 Auszubildende am Ende des zweiten (65%) bzw. dritten (35%)
Ausbildungsjahrs; 56% Ausbildung in der (Kinder-)Krankenpflege, die übrigen
in der Altenpflege. 30% bzw. 24% der Antworten an den Modellstandorten
Dresden bzw. Freiburg, 48% am Vergleichsstandort Leipzig; 77% weiblich,
68% jünger als 24 Jahre. Die Kollektive sind hinsichtlich der aufgeführten
Merkmale vergleichbar (Ausnahme: Die Schulbildung ist in Dresden signifi-
kant höher als an den anderen beiden Standorten).
Ergebnisse „Multiples Gesundheitsverhalten“
Der Gesamt-Skalenwert ist mittel bis hoch (Mittelwert 3,4; Standardabwei-
chung 0,3 von möglichen 1-5 Punkten; hoher Wert=positives Verhalten).
Der Punktwert ist im Regressionsmodell (Modellgüte R2=0.041) marginal,
aber signifikant höher bei (Kinder-)Kranken- als bei Altenpflegeschülern und
bei Frauen ebenfalls marginal, aber signifikant höher als bei Männern. Auch
ist ein Alterseffekt vorhanden (Jüngere haben ein schlechteres Gesundheits-
verhalten als Ältere). Der Punktwert ist am Modellstandort Freiburg signifikant
höher als am Referenzstandort Leipzig. Abbildung 1 zeigt die im Regressions-
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Michaelis et al. Gesundheitsverhalten von Schülern in der Kranken- und Altenpflege
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modell geschätzten Punktwerte, Tabelle 1 die Regressions-Kennwerte für die
Gesamt- und die Subskalen.
Abb. 1: Multiples Gesundheitsverhalten; Schätzwerte Regression; Darstellung ohne
Alter/Standort (Spanne 1-5; hoher Wert: positives Verhalten)
Abkürzungen: (K)KP=(Kinder-)Krankenpflege; AP=Altenpflege
Referenz (Kategoriale Variablen): Alter: > 35 Jahre; Schulbildung: Abitur; Standort: Leipzig (Vergleichsschulen)
P -> schattiert, jedoch nicht fett markiert: nicht mehr signifikant nach Bonferroni-Adjustierung -> (p(adj.)=.008)
Tab. 1: Multiples Gesundheitsverhalten - Regressionskoeffizienten und p-Werte
(Gesamtskala und Subskalen)
Subskalen (s. Tab. 1): Die Variable Geschlecht (nach Bonferroni-adjustierter
Signifikanzschwelle von p=0.008) deutet bei den Subskalen (Arzt)-Com-
pliance (=medizinische Vorsorge), Substanzvermeidung, Sicherheitsorientie-
rung und Hygiene auf ein besseres, bei der Subskala Ernährung auf ein gering-
fügig schlechteres Gesundheitsverhalten bei Frauen hin.
Bei (Arzt-)Compliance und Sicherheitsorientierung sind die Werte im Kollektiv
der Altenpflegeschüler geringer, d.h. das Verhalten schlechter als in dem der
(Kinder-)Krankenpflege.
Auszug aus: Hofmann F, Reschauer G, Stößel, U (Hrsg.) (2014): Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst. Tagungsband 27
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I. Allgemeine Fragen und rechtliche Aspekte
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Schlussfolgerungen
Pflegeschüler scheinen dem gesundheitlichem Selbstschutz im Beruf - abgelei-
tet aus dem individuellen Gesundheitsverhalten - gegenüber mehrheitlich
offen zu sein.
Eine zielgruppenspezifische Sensibilisierung sollte ggf. insbesondere in der
Altenpflege stattfinden. Geschlechts- und ausbildungsspezifische Effekte sind
gering; bevölkerungsbezogene Normstichproben für vergleichende Einschät-
zungen wären wünschenswert.
Literatur
1. SEIDLER, A., THINSCHMIDT, M., MICHAELIS, M., BERGER, I., DRÖGE, P., GIRBIG,
M., SCHULZ, A., NIENHAUS, A.: Vermittlung von Themen des Arbeits- und
Gesundheitsschutzes in der Pflegeausbildung - Studiendesign und erste Ergebnisse
des Versorgungsforschungs-Projektes „DemoPrax Pflege“. 53. Wissenschaftliche
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
(DGAUM), 13.-16. März 2013, Bregenz. ASU Sonderheft: Abstracts der Vorträge und
Poster 57 (Abstract V104) (2013)
2. WIESMANN, U., TIMM, A., HANNICH, H.J.: Multiples Gesundheitsverhalten und
Vulnerabilität im Geschlechtervergleich - Eine explorative Studie. Zeitschrift für
Gesundheitspsychologie 11(4): 153-162 (2003)
Anschrift für die Verfasser
Dr. Martina Michaelis
Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS)
Bertoldstr. 27
79098 Freiburg
Auszug aus: Hofmann F, Reschauer G, Stößel, U (Hrsg.) (2014): Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst. Tagungsband 27
des Freiburger Symposiums Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst. Edition FFAS, Freiburg, S. 99-102. www.ffas.de
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Zusammenfassung. Mit dem neu entwickelten Fragebogen zum Multiplen Gesundheitsverhalten (MGV-39) wurde das Spektrum habituellen gesundheitsbezogenen Verhaltens einer studentischen Stichprobe erfasst. Die erhobenen 39 Verhaltensbereiche wiesen eine gute interne Konsistenz auf, was die Bildung eines Summenscores (MGV) erlaubte. In einer Hauptkomponentenanalyse liesen sich die 39 Verhaltenskategorien auf sechs Dimensionen reduzieren: Aktive Lebensgestaltung, Compliance, Substanzvermeidung, Sicherheitsorientierung, Ernahrung und Hygiene. Der MGV-39 erwies sich als sensitiv fur Geschlechtsunterschiede; das in der Literatur beschriebene Defizit von Mannern in der Compliance, Substanzvermeidung, Sicherheitsorientierung und Hygiene (sowie im MGV) konnte repliziert werden. In einem weiteren Schritt wurde der Zusammenhang zwischen MGV und Vulnerabilitat aus einer Geschlechterperspektive beleuchtet. Die Ergebnisse eines additiven hierarchischen Regressionsmodells wiesen auf, dass hoheres Alter, weibliches Geschlecht...