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Ist das Superkompensationsmodell noch aktuell?

Authors:
1. Einleitung
Die Selbstregulation ist ein grundlegendes
Organisationsprinzip lebender Organismen und
findet im Lebensvollzug fortwährend statt. Ein
über längere Zeiträume beachtetes Modell der
organismischen Selbstregulation stammt von
dem Physiologen Roux (1914). Von dem Phy-
siologen Cannon (1932) wurde für dieses
Regulationsprinzip der Begriff der Homöostase
geprägt. Seine Darstellung über den Ablauf bio-
logischer Prozesse oder Regulationen für
Organfunktionen beruhte auf einem fast
mechanischen Konzept, indem er eine Analogie
zur Technik sah. Aus heutiger Erkenntnis ist der
für die Beschreibung biologischer oder psycho-
logischer Prozesse geprägte Begriff der
Homöostase, angesichts der beachtlich en bio-
logischen Variabilität physiologischer Prozesse,
als zu mechanistisch anzusehen. Die Dynamik
biologischer Prozesse, insbesondere unter
Belastung, war Anlass, begriffliche Alternativen
vorzuschlagen. Wird beispielsweise der histo-
risch geprägte Begri ff der Homöostas e durch
messbare Steady-State-Zustände von Funk ti-
onssystemen ersetzt, dann k ommt man der
biologischen Realität bereits näher. Auf die
funktionelle Homöostase ha tte bereits Hill
(1925) hingewiesen, der diesen Zustand a ls
„steady state“ bezeichnete.
Mit großem Interesse wurden die Vorstellung
von der allgemeinen Systemtheorie und
der Existenz biologischer Fließgleichgewichte
von Bertalanffy (1950) aufgenommen. Diese
Vorstellungen wurden für biologische Systeme
in Form eines nichtlinearen homöod yna -
mischen Modells erweitert (Lloyd et al., 2001;
Yates, 2008). Ein k omplexes biologisches
System wird dabei als ein Ensemble wechsel-
seitig gekoppelter oszillatorischer Prozesse
aufgefasst, welches nichtlineares und s elbst-
organisiertes Verhalten zeigt (Lloyd et al.,
2001).
Beim Steady-State handelt es sich um ei nen
zeitlich begrenzten Gleichgewichtszustand von
Funktionssystemen während der sportlichen
Belastung, der sich auf einem immer höheren
Niveau einstellen kann. Bei erschöpfenden
Belastungen wird dieser Zustand v erlassen.
Aus der Leistungsdiagnostik ist der Begriff des
maximalen Laktat-Steady-State (MAXLASS)
bekannt, der in der Belastungssteuerung ver-
wendet wird. Neben dem Laktat kann auch ein
Steady-State der Herzfrequenz (HF) oder der
Sauerstoffaufnahme (VO2) bei Belastung be-
stimmt werden.
Im sportlichen Trainingsprozess kommt es
regelmäßig zu Störungen funktioneller Gleich-
gewichtszustände, die als
Umstellungsreaktio-
nen
der Funktionssysteme anzusehen sind.
Durch Belastung provozierte Umstellungsreak-
tionen sind aber noch keine Anpassungen, hier-
für bedarf es wiederholter und zeitlich längerer
Reizeinwirkungen. Das regelmäßige Training ist
im Prinzip eine organisierte Heterostase mit
dem Ziel, Anpassungen zu erreichen. Das Auf-
rechterhalten von homöostatischen Zuständen
im Training würde zu keiner Veränderung führen
und damit zu k einer Adaptation an sportliche
Belastungen.
Um auf die Dynamik und Umstellungsfähigkeit
biologischer Systeme aufmerksam zu machen,
wurde statt des tautolo gischen Begriffs
Homöostase (gleicher, konstanter Zustand)
vorgeschlagen, dafür den Begriff der Homöo ki-
netik zu ben utzen (Yates, 2008). Andere
Physiologen wünschen sich aber, dass auf das
Präfix „homöo“ (gleich, k onstant) verzichtet
wird, weil biologische Systeme nichtlinear ar-
beiten und mit technisch geregelten Systemen
nicht gleich zu setzen sind.
Nichtlineare Modelle von zentralen physiologi-
schen Regulationssystemen und organis -
mischen Phänomenen (z.B. der Herz-Kreislauf-
Regulation) werden der physiologischen Realität
besser gerecht als linear-mechanis tische Model-
le (Yates, 2008). Diese Betrachtungsweise wird
beispielsweise im klinisch-medizinischen Be-
reich bei der Beschreibung der kardiovaskulären
Variabilität und der Regulation von Blutdruck,
Herzfrequenz und Atmung genutzt. Bei dieser
Betrachtungsweise lassen sich auch dir ekte
Bezüge zum Ausdauertraining herstellen. Die
Funktionsdynamik kommt besonders bei der
Analyse der Herzfrequenzv ariabilität zum Aus-
druck (Aubert et al., 20 03; Hottenrott et al.,
2006; Hautala et al., 2009). Die Homöodynamik
von systemischen Kenngrößen wie der Herzfre-
quenzvariabilität kann auch als Ausdruck der
Systeminteraktion und Komm unikation von
Subsystemen unter sportlicher Belastung ge-
deutet werden. Subsysteme können für das
Systemverhalten entscheidend werden, wie das
starrfrequente Verhalten der Herzfrequenzvaria-
bilität bei kardialen Überforderungen belegt.
TRAININGSLEHRE
13LEISTUNGSSPORT 2/2010
Kuno Hottenrott/Georg Neumann
Ist das Superkompensationsmodell noch aktuell?
Anlass der Auseinandersetzung mit dem
über 30-jährigen Erklärungsmodell der
Anpassung an Training von Jakowlew
(1976, 1977), über das Phänomen der
Superkompensation des Glykogens
durch depletierende Belastungen oder
erhöhte Kohlenhydrataufnahme, sind die
Erkenntnisse über die molekularen Vor-
gänge bei Belastungsreizen.
Auf molekularer Ebene gibt es eine hierar-
chische Ordnung von Signalproteinen,
die den Belastungsreiz über verschiedene
Stufen der gesteigerten Proteinsynthese
verarbeiten und zu strukturellen Verände-
rungen führen. Die Signale werden inner-
halb der Zelle nicht linear weiter gege-
ben, sondern verbreiten sich in komple-
xen Signalnetzwerken. Ursache und Wir-
kung von Signaltransduktionsvorgängen
sind bisher schwer zu beeinflussen. Aus-
dauer und Krafttraining lösen unterschied-
liche Signalkaskaden aus. Hohe Muskel-
anspannung beim Krafttraining ist das
entscheidende Triggersignal für die Frei-
setzung der Titinkinase aus dem Kontrak-
tionsprotein Titin, welches letztlich die Mus-
kelfaserhypertrophie einleitet. Hingegen
sind alle Ausdauerbelastungen unter
Normoxie, die zum Abfall der intrazel-
lulären ATP-Konzentration führen, Auslöser
der Mitochondrienbiogenese (Zunahme
des aeroben Energiedurchsatzes). Die
Mitochondrienzunahme wird über einen
Calcium-abhängigen und einen AMPK-
vermittelten Weg (AMPK = Adenosinmo-
nophospat aktivierte Proteinkinase) er-
reicht. Wird bei zu starker Ermüdung trai-
niert, dann führt der erhöhte biologische
Aufwand zu einer katabolen Stoffwech-
sellage und damit zur Drosselung der
Proteinsyntheserate und zur verzögerten
Anpassung.
Wird eine zunehmende Trainingsbelas -
tung durch regelmäßige Entlastung
(Reizminderung) fortgeführt, passt sich
der Organismus im Rahmen seiner Regu-
lationsmöglichkeiten am besten an.
Belastung und Entlastung (Regeneration)
sind im leistungsorientierten Training zu-
sammenhängende Wirkkomplexe. Bevor
nach etwa vier bis sechs Wochen Trai-
ning eine höhere Anpassungsstufe
erreicht wird, müssen die Zustandsände-
rungen Umstellung, Anpassung und
Regeneration im Organismus durchlau-
fen werden. Auf der Grundlage des hier
dargestellten Vierstufenmodells der An-
passung können konditionelle Fähigkei-
ten relativ stabil entwickelt werden.
Eingegangen: 24.4.2009
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Grundsätzlich ist bei der Betra chtung eines
nichtlinearen, dynamischen biologischen Sys -
tems, welches sich komplex selbst organisiert,
auch die Kommunikation zwischen den Subsys -
temen zu beachten, welche für das Systemver-
halten entscheidend werden kann (Yates,
2008).
Die Regel- oder Arbeitsbereiche der Funktions-
systeme, die Einfluss auf die körperl iche Leis -
tungsfähigkeit haben, können sich a ls Folge
des Trainings und Trainingszustands verschie-
ben. Der Regelbereich der Herzfrequenz ist bei
Sportlern anders als bei Untrainierten. Bei
Sportlern kann der Regelbereich bzw. die Funk-
tionsreserve 35 bis 210 Schläge/min betragen,
bei Untrainierten zwischen 70 und 200 Schlä-
gen/min. Im Stoffw echsel führen die ständi-
gen Ausschöpfungen der Ener giespeicher, be-
sonders des Glykogens, zu deren Zunahme.
2. Molekulare Vorstellung zur
Adaptation an sportliche Belastung
Der Grad der Beanspruchung von Organen und
Funktionen hängt von der Größe des Störreizes
und vom augenblicklichen Trainingszustand ab.
Der Organismus verarbeitet die Trainingsbelas -
tungen nicht sofort, sondern mit einer zeit li-
chen Verzögerung von Tagen und Wochen. Un-
abhängig von dieser zeitlichen Dimension im
Ablauf von Adaptationen, beginnt eine Anpas-
sung eigentlich sof ort mit der Aufnahme von
sportlichen Belastungen, nur die strukturellen
und funktionellen Resulta te folgen später.
Bereits ein Marathonlauf von durchschnittlich 4
Stunden Dauer führt bei einer Gl ykogendeple -
tion von 40 Prozent zur achtfachen Zunahme
der Phosphorylierung von ERK1/2 (extrazel-
lulär signalregulierte Kinase 1 und 2), einer
vierfachen Phosphorylierung v on p38MAPK
(mitogenaktivierte Proteinkinase mit Moleku-
largewicht von 38 kDa) und w eiteren Phos-
phorylierungen sowie Proteinexpressionen (Yu
et al., 2001).
In Abb. 1 sind die vermutlichen Signalwege auf
die Gentranskription im Zellkern aufgezeigt.
Auf der molekularen Ebene gibt es eine hierar-
chische Ordnung von Signalproteinen, die den
Belastungsreiz über v erschiedene Stufen der
gesteigerten Proteinsynthese verarbeiten und
zu strukturellen Veränderungen führen (Abb .
2). Der durch die erhöhte Muskelkontraktion
ausgelöste Anstieg der Adenosinmonophos-
phat-aktivierten Kinase (AMPK) inf olge Ener-
giemangels (ungenügende ATP-Resynthese)
hat eine Schlüsselstellung in der Proteinkaska-
de für die Anpassung im Kohlenh ydrat- und
Fettstoffwechsel sowie für die Genexpression
in den kontraktilen Strukturen des Muskels.
Der Skelettmuskel ist ein hochadaptives Gewe-
be und kann sich in seinem Stoffwechsel und
Phänotyp durch Training verändern. Da die kon-
traktilen Eigenschaften des Musk els unabhän-
gig von den metabolischen reguliert w erden,
bedeutet dies, dass das Ausdauertraining in der
Muskelzelle andere Auswirkungen hat als das
Kraft- oder Kraftausdauertrainin g. Die Abnah-
me der intrazellulären Glykogenreserven und
damit der Anstieg des Adenosinmonophosphats
(AMP) ist ein wichtiges Signal für die Stoff-
wechselanpassung, es kommt zur Verminde-
rung im mRNA-Gehalt (Messenger Nuklein -
säure), von GAPDH (Gl ycerinaldehyd-3-phos -
phat-Dehydrogenase, ein Glykolyseenzym) und
von PGC-1Alpha (Master-Regulator der Mito-
chondrienbiogenese) sowie der Citratsynthase.
Der Anstieg des AMP infolge Energienot akti-
viert die AMPK und diese wiederum aktiviert
und erhöht das Ausdauerfitnessprotein Nr. 1,
die PGC-1Alpha. Die PGC-1Alpha stimuliert als
wichtiger transkriptioneller Co-Faktor die Mito-
chondrienproduktion, die Kapillarisierung so-
wie den Muskelstoffwechsel.
Die Signale w erden innerhalb der Zelle nicht
linear weiter gegeben, sondern verbreiten sich
in komplexen Signalnetzwerken. Ursache und
Wirkung von Signaltransduktionsvorgängen
sind bisher schwer zu beeinflussen (Wackerha-
ge, 2006). Die Proteinphosphatase 1 (PP 1) und
Calciumionen führen zur Zunahme der Aktivität
der Citratsynthase.
Die Regulation unter normoxischen Bedingun-
gen verschiebt sich bei H ypoxie. Die Hypoxie
löst eine andere R eizkaskade auf molekularer
Ebene aus. Bei Sauerstoffmangel (Hypoxie im
Höhentraining) erfolgt eine Induktion des
nukleären Proteins HIF 1 (hypoxia inducible
factor 1), das mehrere Funktionssysteme zur
Abwehr des Sauerstoffmangels aktiviert
(Benizri et al., 2008).
Hingegen stimulieren Ausdauerbelastungen
mit niedriger Intensität u nd bei normaler
Sauerstoffversorgung über die CamK (Ca l-
modulinkinase, welche das Calcineurin akti-
viert) den Anstieg des cytosolischen Calziums.
Zusammen mit der Adenosinmonophospat-
kinase (AMPK) und der extrazellulär regulierten
Kinase (ERK 1/2) steigern sie die Protein syn-
these in den Mitochondrien und erhöhen belas-
tungsabhängig deren Zahl.
Über die Mitochondrienbiogenese (Mitochon-
drienzunahme) werden die Wege der aeroben
Energiegewinnung aus Gluk ose und freien
Fettsäuren erhöht. Das betrifft bei intensiv en
(noch aeroben) Grundlagen-Ausdauer-1-Belas -
tungen die Zunahme des Gl ykoseeinstroms in
die Zellen, indem die GLUT-4-Rezeptoren ver-
TRAININGSLEHRE
LEISTUNGSSPORT 2/201014
Exercise/Muscle Contraction
ERK 1/2 p38 MAPK JNK
p90 rsk MAPKAP-K2 JNK
MSK 1-2 MSK 1-2 Jun
GENE TRANSCRIPTION
Nucleus
Membrane
ABB. 1 Signalwege
Modellvorstellung von der im Muskel bei Ausdauerbelastung aktivierten
Kaskade von Proteinkinasen (MAPK) a uf die Gentranskription bei einem
Marathonlauf. Daten nach Yu et al. (2001). MSK1-2 = Mitogen und stressak-
tivierte Kinase 1 und 2. p90rsk = Ribosomale S6 Kinase. JNK = c-Jun NH 2-
terminale Kinase. MAPKAP-K2 = MAPK-aktivierte Proteinkinase 2.
AMPK
Muskelkontraktion
Genexpression
Betaoxidation
der Fettsäuren
Glukose-
transport
ABB. 2 AMPK-Aktivierung
Schematische Darstellung der Aktivierung der Adenosinmonophosphat-akti-
vierten Kinase (AMPK) durch Energiemangel bei der Muskelkontraktion. Der
Anstieg des Schlüsselsignalproteins AMPK löst die Steigerung des Gluk ose-
transports in die Zellen, die Zunahme der Fettsä urenoxidation sowie unter-
schiedliche Genexpressionen (siehe Text) für die erhöhte Proteinsynthese im
Muskel aus (nach Zierath et al., 2005).
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stärkt aktiv werden. Alle intensiven (aerob-ana-
eroben) Ausdauerbelastungen, die zum Abfall
der intrazellulären ATP-Konzentration führen,
können über zw ei Signalwege die Mitochon -
drienbiogenese aktivieren. Ein Weg ist die Mi-
tochondrienzunahme über die Aktivierung der
Calziumfreisetzung im Zytosol und Zellk ern
und der andere ein Anstieg von AMPK (Adeno-
sinmonophospat aktivierte Proteinkinase) bei
größerem Energiemangel. Die Calziumfreiset-
zung erfolgt über drei Signalw ege. Sie wird
hauptsächlich durch das Calzineurin, die Ca2+-
Calmudulin abhängige Proteinkinase (CaMK)
und die Ca 2+-abhängige Proteinkinase C
getriggert. Sie starten die Interaktion multipler
Transkriptionsfaktoren, welche die erhöhte
Proteinsynthese von Enzymen für die benötig-
ten Substrate und v on kontraktilen Proteinen
(Faserhypertrophie) einleiten.
Lange aerobe Belastungen führen zu einer
selektiven Stoffwechselaktivierung in den Mi-
tochondrien, indem die Beta-Oxida tion der
Fettsäuren gesteigert wird (s. Abb. 2). Im
Gegensatz zum Ausdauertraining wirkt das
Krafttraining über andere Signalw ege (Spur-
way & Wackerhage, 2006; Wackerhage, 2006).
Bisher ist der durch Krafttraining vermittelte
Reiz für die Muskelfaserhypertrophie noch un-
klar. Mehrere Faktor en werden diskutiert. Als
Adaptationsreize des Krafttrainings werden die
Muskeldehnung, die Muskelzellschwellung, die
hohe Muskelspannung sowie die Muskelzer-
störung angenommen. Wahrscheinlich sind die
Zellschwellung (Zellschwellungstheorie von
Häussinger et al., 1993) und/oder die hohe
Muskelanspannung die/das entscheidende(n)
Triggersignal(e). Sensor und Auslöser bei
hohen Muskelanspannungen soll die freige-
setzte Titinkinase aus dem Riesenmusk elpro-
tein Titin sein. Titin stabilisiert das Myosin nach
erfolgter Kontraktion und führt einen gedehn-
ten oder kontrahierten Muskel wieder in seinen
Ausgangszustand zurück. Die nach hoher Mus-
kelanspannung freigesetzte Titinkinase steuert
die Transkription von Genen für die Musk el -
hypertrophie (Grater et al., 2005).
Auch außerhalb der Molekularstrukturen v er-
läuft die Adaptation durch überschw ellig
einwirkende Reize in den einzelnen Organen
zeitlich unterschiedlich ab (Abb. 3). Wenn der
Muskel diese Belastungsreize nicht mehr in sei-
nem gewohnten Regulationsbereich bewälti-
gen kann, bekommt er Hilfe von weiteren Funk-
tionssystemen wie zentralem und v egetativem
Nervensystem, Hormon- und Immunsystem.
Das leistungsorientierte Training geht meist
mit einer Restermüdung einher , einem
Zustand, bei dem die durch Training hervorge-
rufenen Störreize autoregulativ verarbeitet
werden.
Die Zentrale der Selbstregul ation ist das
Gehirn, wobei die mentale Repräsenta tions-
ebene in diesem System die entscheidende
Führungsgröße ist. Auf dieser Ebene fällt der
Entschluss, eine Belastung auszuführen. In den
informationsverarbeitenden Gehirnregionen
erfolgt der Bewegungsentwurf, der auf stabile
motorische Programme zurückgreift. Mit der
persönlichen Entscheidung zur motorischen
Belastung in einer Sportart entwirft das Klein-
hirn ein Be wegungsprogramm, welches
zugleich Grundlage für die Be wegungsaus-
führung ist. Die in das motorische Programm
einbezogenen schnell („fast twitch“) und
langsam („slow twitch“) kontrahierenden Mus-
kelfasern (FTF und STF) werden nerval ange-
steuert. Die neuromuskuläre Aktivität führt zur
Transkription spezifischer Gene (Koulmann &
Bigard, 2006).
Das Motorikprogramm wird durch die Sportart
vorgegeben, und in diesem Rahmen vollziehen
sich die Adaptationen in den einzelnen Funk ti-
onssystemen und Musk eln. Die sportartspezi-
fisch beanspruchte Motorik wird dabei v on
zahlreichen Funktionssystemen unterstützt.
Die Adaptation auf molekularer Ebene verläuft
in einem genetisch f estgelegten zeitlichen
Ablauf (Hood, 2001, Abb. 3).
3. Adaptation leistungssichernder
Systeme
Zur Erklärung v on Anpassungszuständen im
Sport wurde über 30 Jahre in der Sportwissen-
schaft das Superk ompensationsmodell von
Jakowlew (1976, 1977) herangezogen. Dieses
Modell wurde mehrfach modif iziert und v on
einzelnen Autoren übernommen, ohne dass
inhaltliche Substanz hinzukam (Abb. 4).
Werden die Grundvorstellungen der Reiz-Reak-
tions-Beziehung zwischen Or ganismus und
Umwelt auf den gesamten Trainingsprozess
übertragen, so wird deutlich, dass das Training
nach kybernetischen Regelkreisen, bei dem die
sportliche Belastung durch die dosierte Mani-
pulation der Stellgröße Trainingsbelastung
organisiert wird, nicht steuerbar ist. Demnach
hebt sich das Superkompensationsmodell nach
Jakowlew von selbst auf, da es nur ein einfa-
ches Reiz-Reaktionsschema darstellt (Abb. 5,
siehe S. 12). Die Superk ompensationshypo -
these beschreibt einen Zeitv erlauf der verän-
derten Glykogenkonzentration (während und
nach dem Training) bzw. der Nahrungsaufnah-
me. Der dahinter steckende Mechanismus ist
die belas tungsbedingte Abnahme des Muskel-
und Leberglykogens und die dadurch aktivierte
erhöhte Glykolyse und/oder oxida tive Phos-
phorylierung. Die in der Regeneration auf ge-
nommene Glukose stimuliert die Insulinaus-
schüttung und die Gl ykogensynthese (Ak tiv-
TRAININGSLEHRE
15LEISTUNGSSPORT 2/2010
Aktivierung
Kinasen
Phosphat-
asen
mRNA-
Expression
mRNA-
Expression
Protein
Expression
Transkrip-
tionsfaktoren Gencodieren
der Mitochon-
drienproteine
Zunahme der
Sammelsignale
vieler Unterein-
heiten der
Atmungskette
ATP-Umsatz
CA2+ in
Cytosol und
Mitochondrien
Elektronen-
transport und
Sauerstoff-
aufnahme
Belastung
Veränderter
Phänotyp der
Muskulatur
Anpassung des
Stoffwechsels
an die Belastung
MITOCHONDRIEN
Sekunden Minuten Minuten-Stunden Stunden-Tage Tage-Wochen
ABB. 3 Mitochondrienbiogenese
Zeitlicher Ablauf der Anpassung am Beispiel der Mitochondrienbiogenese nach Hood (2001).
Trainingsbelastung Trainingsbelastung Trainingsbelastung
AUSGANGSNIVEAU
SUPERKOMPENSATION
Ermüdung
Erholung
ABB. 4 Superkompensation
Vereinfachte Darstellung von der Vorstellung der Superkompensation als Modell für Anpassungen im Trai-
ning (modifiziert nach Jakowlew, 1977).
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itätszunahme der Glykogensynthase) mit dem Effekt der Zunahme der
Glykogenkonzentration in den beanspruchten Muskeln.
Außer der Beschreibung des Glykogens im Tier- und Humanversuch gibt
es derzeit keine zuverlässigen Daten, die eine Superkompensation bele-
gen. Denn das Muskelprotein, die Mitochondrien oder die Kapillaren so-
wie weitere Funktionsgrößen gehen durch Trainingsbelas tungen nicht
zurück. Nach Ausdauerbelastungen kommt es im Rahmen der Ermüdung
zu einem mehrere Tage anhaltenden Überschwingen mehrerer Funk ti-
onssysteme, wobei vor allem Körpermasse und Musk elglykogen
abnehmen (Abb. 6).
Das Superkompensationsmodell, an dem Sportwissenschaft und Sport-
medizin nach fast 40 Jahren noch mehrheitlich f esthalten, hat bereits
Kritiker gefunden (Mader, 1990; Friedrich & Moeller , 1999; Tschiene,
2006; Schnabel, Harre & Krug, 2009).
Der Körper ha t verschiedene Funktionszustände, die in Ruhe autore -
gulativ in einem stabilen Zustand gehalten werden. Bisherige Vorstellun-
gen zur Adaptation an sportliches Training stützten sich auf ein Vier stu-
fenmodell (Neumann & Schüler, 1994). Neue Erkenntnisse über die Sig-
nalproteine, welche maßgeblich die Anpassungen auf unterschied liche
Reize (z. B. Ausdauer, Kraft) auf zellulärer Ebene steuern, geben
Anlass, die Adaptation der Organe und Funktionssysteme als einen zeit-
lich determinierten Prozess aufzufassen und haben demnach auch
Auswirkungen auf trainingsmethodische Maßnahmen. Biolo gische An-
pas sungs abläufe lassen sich durch methodische Planmaßnahmen in
ihrer Zeitstruktur nicht oder nur geringfügig beeinflussen.
Zu den durch Training veränderbaren (adaptiven) und leistungssichern-
den Systemen gehören: das v egetative Nervensystem, das Herz-Kreis-
lauf-System, der Energiestoffwechsel, das Hormon- und Immunsystem
sowie der Wasser- und Elektrolythaushalt. Alle sportartspezifischen Be-
wegungsformen müssen erst durch das Training konditionell stabilisiert
werden, damit eine Distanz oder Übungsfolge in einer festgelegten oder
vorgestellten Geschwindigkeit bzw. Dauer bewältigt werden kann. Mutet
sich der Sportler eine zu hohe Belastung zu, überschreitet er seine Be-
anspruchungstoleranz und ermüdet vorzeitig. Jedes Training bei zu star-
ker Ermüdung erfordert einen erhöhten biologischen Aufwand, und bei
kataboler Stoffwechsellage wird die Proteinsyntheserate gedrosselt und
die Anpassung verzögert.
Nur durch eine Entlastung kann der Körper die hohen Trainingsreize ver-
arbeiten und entgeht somit einem möglichen Fehltraining. Wird die zu-
nehmende Trainingsbelastung nach einer Entlastung (Reizminderung)
im 3-zu-1-Rhythmus fortgeführt, dann passt sich der Organismus im
Rahmen seiner Regula tionsmöglichkeiten höheren Anforderungen an
(Abb. 7).
Belastung und Entlastung (Regeneration) sind im leistungsorientierten
Training zusammenhängende Wi rkkomplexe, die für eine Leis -
tungszunahme notwendig sind. Bevor nach etwa vier bis sechs Wochen
Training eine neue Leistungsstufe erreicht wird, müssen drei
Zustandsänderungen im Organismus durchlaufen werden:
die Umstellung auf akute Belastungseinwirkungen,
die Anpassung an wiederholte Belastungen,
die Regeneration (Wiederherstellung) nach Belastung.
4. Vierstufenmodell der Anpassung
Nach gegenwärtigem Wissensstand stimmt ein mehrstufiges Modell der
Adaptation am besten mit der Trainingsrealität überein.
Umstellung
Bei einmaligen kurzzeitigen Belastungseinwirkungen nutzt der Organis-
mus die Regelbreite seiner Funktionssysteme aus. Das Ausschöpfen die-
ser Regelbreite ist eine Umstellungsregulation und noch nicht mit der
Anpassung identisch. Die Herzfrequenz kann beispielsw eise mit oder
ohne Ausprägung eines Sportlerherzens bis auf 200 Schläge/min bei
Belastung sowohl bei Untrainierten al s auch Trainierten ansteigen. Die
Funktionen und Strukturen werden so lange auf die wiederholten Be las -
tungen selbstregulierend eingestellt, bis der Be wältigungsaufwand auf
molekularer und funktionaler Ebene abnimmt.
TRAININGSLEHRE
LEISTUNGSSPORT 2/201016
Reiz Reaktion
O
O’
LINEAR
Reiz/
Belastung Reaktion
Umstellung
O
NICHT-LINEAR
Chronische
Reize/
Belastungen
Reaktion
Umstellung
Anpassung
OO’
O’’
KOMPLEX
Schematische Darstellung der Reiz-Reaktions- Beziehungen zwischen Orga-
nismus und Umwelt. Trainingseinflüsse an sportliches Training sind nicht mit
einem einfachen Reiz-Reaktions-Modell beschreibbar.
ABB. 5 Reiz-Reaktions-Beziehung
h min h h
Cortisol FFS
cRP
CK
Harnstoff
Lactat
Hf
akute Phase
Proteine
Glykogen
Insulin
Gewicht
400 %
300 %
200 %
100 %
+
-
100 %
200 %
Homöostase
1 2 3 4 5 1 3 1. 2. 3. 4. 5. Tag
Belastung Wiederherstellung
Vorstart
Homöostase
Modellierung von Stoffwechselabläufen nach einem 4-stündigen Mara thon-
lauf (Daten nach Neumann, 1993)
ABB. 6 Modellierung von Stoffwechselabläufen
123 4 56 87
Optimierung
zentralnervaler
Muskelansteuerung
Substrat-
zunahme Periphere
Autoregulation
auf molekularer
Ebene
Zentrale
Systemintegration
Trainings-
Wochen
Trainingsbelastung
3:1 Belastungs-Entlastungs-Rhythmus
Modellvorstellung zum Ablauf der Anpassung. Nach drei Wochen ansteigender
Belastung sollte eine Entlastungswoche zur autoregulativen Reizverarbeitung
folgen. Danach kann die Belastung erhöht werden. Nach etwa sechs Wochen
Training ist die erste Anpassungsstufe erreicht (mod. nach N eumann & Ber-
balk, 1991)
ABB. 7 Modell Vorstellung zur Anpassung
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Der durch das sportliche Training beanspruchte
Organismus ändert seinen Zustand, er reagiert
auf die Belastung im Regulationsbereich seiner
Funktionssysteme und erholt sich in bestimm-
ten Zeiträumen. Im Verlauf der Bel astungs-
Beanspruchungs-Regulationen entwickelt sich
die Anpassung, mittels derer der Organismus
sportliche Beanspruchungen mit geringerem
biologischen Aufwand besser bewältigt.
Anpassung
Erste Anpassungsstufe: Veränderung im
Bewegungsprogramm
In dieser ersten Anpassungsstufe kommt es
hauptsächlich zu Veränderungen im Bewe-
gungsprogramm. Die im sportartspezifischen
Motorikprogramm rekrutierten schnell (Typ II
a und II b) und langsam (Typ I) kontrahieren-
den Muskelfasern passen sich bei ihrer Aktivie-
rung den Anforderungen an Ausdauer oder
Intensität im Stoffw echsel an. Bei der Anpas-
sung im neuromuskulären System k ommt es
zur Zunahme des eff erenten motorischen
Antriebs, zum Anstieg der Feuerfrequenz über-
geordneter motorischer Einheiten, zur Syn-
chronisation und erhöhten Koordina tion inter-
und intramuskulärer motorischer Einheiten
sowie zur Abnahme der präsynaptischen Hem-
mung des Alpha-Motoneurons (Aagaard &
Thorstensson, 2002). Nach ein bis zwei
Wochen Training wird der Be wegungsablauf
leichter und flüssiger empfunden. Die Herzfre-
quenz reagiert am schnellsten auf veränderte
Beanspruchung und kann im Mikrozyklus
bereits signifikant abnehmen. Die Regulations-
umstellungen vollziehen sich besonders
schnell bei Wiederaufnahme des Trainings nach
vorausgegangener (krankheitsbedingter) Trai-
ningspause (Hottenrott, 1993). Die erniedrigte
Herzfrequenz bei Sportlern ist nicht n ur Aus-
druck der Anpassung in der Funktionsweise des
vegetativen Nervensystems (Vagotonie),
sondern im weiteren Training auch der Heraus-
bildung eines vergrößerten Herzens (Sportler-
herz).
Wie bereits angeführt, wird auf molekularer
Ebene nach den ersten reizwirksamen Trai-
ningsbelastungen die Kaskade v erschiedener
Proteinkinasen gestartet und werden aufgrund
der trainingsbedingten Ener gienot die Mito-
chondrienbiogenese und die Proteinsynthese-
rate erhöht. Bereits ein Marathonlauf führt da-
zu, dass die Aktivität extrazellulär regulierter
Kinasen (ERK 1/2) so wie der mito genaktivie-
renden Proteinkinase (p38MAP) signifikant um
ein Mehr faches ansteigt, wodurch eine Gen-
transkription im Skelettmuskel eingeleitet wird
(Yu et al., 2001). Die Aktivität der Glykogen-
synthase steigt und damit k ommt es zur Zu-
nahme der Gl ykogenspeicher in M uskulatur
und Leber (Berg ström et al., 1967). Diese erste
Anpassungsstufe benötigt etwa sieben bis zehn
Tage.
Zweite Anpassungsstufe: Vergrößerung
der Energiespeicher
In der zweiten Anpassungsstufe kommt es in-
folge der Expression von metabolen Genen zur
eindeutigen Vergrößerung der Energiespeicher
Creatinphosphat (CP) und Gl ykogen (Kjaer et
al., 2003). Die CP-Speicher nehmen bei kurz-
zeitigen hochintensiven Trainingsreizen von 6
Sekunden Dauer zu. Aerobes oder aerob-an -
aerobes (intensives) Ausdauertraining und
auch Maximalkrafttraining steigern den Mus-
kelglykogengehalt (MacDougall et al., 1977,
1998). Für die Vergrößerung der Glykogenspei-
cher sind aerobe Belastungen über 120 Minu-
ten oder aerob-anaerobe Belastungen bis zu 70
Minuten Dauer notw endig. Belastungen unter
einer Stunde erhöhen die Gl ykogenspeicher
kaum. Dauerbelastungen steigern besonders
die Mitochondrienbiogenese (Hood, 2001) und
damit den Ener gieumsatz aus Gluk ose und
Fettsäuren.
Aufgrund anderer Reizeinwirkungen auf den
Muskel beim Krafttraining bewirken die Belas -
tungen mit erhöhtem Widerstand ( Kraftaus-
dauer) eine Musk elfaserhypertrophie. Auf
molekularer Ebene kommt es über einen Trans-
kriptionsfaktor im Zellkern zur Steigerung der
Expression von IGF-1 (insulina bhängiger
Wachstumsfaktor) und/oder MGF (Muskel-
wachstumsfaktor). IGF-1 und das Wachstums-
protein mTOR hemmen das Myostatin, wo-
durch es zur erhöhten Proteinsynthese k ommt
(Wackerhage & Atherton, 2006).
Sportpraktisch führen Reize auf den Dehnungs-
Verkürzungs-Zyklus der Muskulatur zum Struk-
turumbau des Musk elgewebes. Die am
Kontraktionsvorgang beteiligten Proteine
Aktin, Myosin, Troponin und Titin werden, ent-
sprechend der Stärke und des Widerstands des
Belastungsreizes, in ihren Proteinstrukturen
umgebaut, um den sportartspezifischen Kraft-
oder Kraftausdaueranforderungen besser zu
entsprechen (Howald, 1985). Die Neubildung
von Muskelproteinen kann erst durch die Ak ti-
vierung von mitogen-aktivierten Proteinkina-
sen (MAPK, p38MAP) erf olgen, welche Signal-
kaskaden und Trankriptionsfaktoren in Gang
setzen (Kyriakis & Avruch (2001). Signalgeber
sind der muskuläre Belastungsstress und auf
molekularer Ebene wahrscheinlich die ver-
schlissenen Altproteine. Neben der Aktivierung
der mitogen-aktivierten Proteinkinase durch
die Zunahme der intrazellulären Calciumk on-
zentration, die ein entscheidender Signalgeber
ist, führt auch die Abnahme der Glykogenkon-
zentration (Energienot) zu einer Zunahme der
aeroben mitochondrialen Anpassung (Mito-
chondrienbiogenese).
Dritte Anpassungsstufe: Optimierung
geregelter Systeme und Strukturen
Ausdauerorientiertes Training führt zu einer
Mitochondrienzunahme und damit zum Anstieg
der oxidativen Kapazität (Glukose- und Fettsäu-
renumsatz). Beim widerstandsorientierten Trai-
ning kommt es durch die gesteigerte Protein-
synthese in den kontraktilen Proteinen zu einer
Muskelhypertrophie. Die Ansteuerungscharak-
teristik der FT-und ST-Fasern erfolgt nach den
energetischen Bedürfnissen der belasteten
Muskulatur. Die ablaufende Funktionsoptimie-
rung ist zwischen der dritte n und vierten Trai-
ningswoche leicht störbar und erf ordert eine
17LEISTUNGSSPORT 2/2010
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Reduzierung der Gesamttrainingsbela stung.
Durch die Entlastung kommt es zu einer signifi-
kant höheren oxidativen Kapazität (Citratsynt-
hase), wie Tierversuche belegen (Feustel et al.,
1990). In diesem Zeitraum sind jedoch kürzere
intensivere Belastungen möglich, die aber den
Energieverbrauch insgesamt senk en müssen.
Ohne ausreichende Entlastungszeiträume
kommt es zu keiner oder nur zu einer geringen
Leistungsverbesserung.
Vierte Anpassungsstufe: Koordinierung
leistungsbeeinflussender Systeme
Das vegetative Nervensystem, das Zentral -
nervensystem, das kardiopulmona le System,
der Elektrolythaushalt, der Energiestoffwech-
sel, das Hormonsystem und das Immunsystem
gehören zu den leistungsbeeinflussenden Sys -
temen. Die Abstimmung der Steuersysteme ist
notwendig, da der Muskel die Vielfalt der Trai-
ningsbeanspruchungen nicht allein autoregula-
tiv bewältigen kann. Die Adaptation ist abge-
schlossen, wenn die neuen Strukturen in der
sportartspezifischen Muskulatur mit diesen
Sys temen abgestimmt funktionieren. Zu be-
achten ist, dass die zentralnervalen Steuer -
programme dennoch viele Freiheitsgrade bei
der Belastungsbewältigung zulassen.
Für die Herausbildu ng ökonomisierender Pro-
zesse (Wirkungsgradverbesserung der Muskel-
arbeit) ist die erhöhte v agale Aktivität des ve-
getativen Nervensystems von Nutzen.
Die Funktionsabstimmung zwischen dem Zent -
ralnervensystem und den veränderten Muskel-
strukturen erfolgt etwa v om 30. bis 40. Trai-
ningstag. Die Anpassungsprozesse können sich
im Training überlagern und sind frühestens
nach vier bis sechs Wochen abgeschlossen. In
Modellberechnungen nimmt Mad er (1990)
einen Austausch von Aminosäuren in der bean-
spruchten Muskulatur von zwei bis sechs
Prozent an einem Trainingstag an. Der Ersatz
verschlissener Muskelproteine von etwa zw ei
Prozent an einem Trainingstag mit moderater
Be las tung würde bedeuten, dass der gesamte
Muskel in 50 Trainingstagen in seiner Struktur
adaptiv verändert wäre und damit eine erhöhte
Belastbarkeit aufwiese.
Das dargestellte Vierstufenmodell der Anpas-
sung von Neumann und Berbalk (1991) ist
wahrscheinlich nur für ein ausdauerorientiertes
Training zutreffend.
Belastungssprünge im Training sind immer von
der Gesamttrainingsbelastung abhängig. Aus
einem niedrigen Trainingsniveau sind größere
Zuwachsraten in der Belastung möglich. Im
leistungsorientierten Training, bei rela tiv ho-
hem Niveau, sollte die Trainingsbelastung in
nicht zu großen Sprüngen (weniger als 10 Pro-
zent) gesteigert werden. Es besteht die Gefahr
einer Überforderung der Proteinsynthesera te
und damit ein Überwiegen einer ka tabolen
Stoffwechselsituation. Nur im Jugendalter sind
bei niedriger Gesamtbelastung höhere Steige-
rungsraten möglich, weil der Stoffwechsel des
wachsenden Organismus stärker anabol rea-
giert.
5. Deadaptation
Bei der Deadaptation handelt sich es um v er-
schiedene Formen der Trainingsunterbrechung.
Die häufigste Form der Deadaptation ist das Ab-
training, ein besonderer Zustand nach Beendi-
gung des Leistungstrainings. Durch plötz liches
Unterlassen der Trainingsbelastungen stellt
sich, besonders bei Ausdauersportlern,
eine subjektiv als bedrohli ch empfundene
Störung in der Herzfunktion ein (Dru ck in der
Herzgegend, Herzsensationen, Herzrhythmus-
störungen). Als wirksamste Maßnahme erwies
sich eine intensiv e Belastung, w obei zwei bis
vier Stunden pro Woche zum Abtraining und
Abklingen/Verschwinden der Herzs ensationen
ausreichten.
Neben dem Abtraining wird unter Deadaptation
oder Detraining auch der Verlust von Belas -
tungs- oder Trainingsreizen verstanden, der in-
folge unterschiedlicher Trainingsunterbrechung
entsteht. Ursachen der Deada ptation können
demnach sein: Belastungsverminderung, Trai-
ningsunterbrechung, Teiltraining, Bettruhe
oder Schwerelosigkeit. Die objektiv en Daten
zum Phänomen der Deadaptation kommen aus
Experimenten bei Bettruhe, durch Trainingsab-
bruch und aus der Raumfahrt (T ab. 1). Die
Schwerelosigkeit führt, ähnlich wie eine durch-
gehende Bettruhe, in der Muskulatur zu einem
beeindruckenden Kraftverlust in relativ kurzer
Zeit (Riley et al., 2002). Bereits nach 5 Tagen
Schwerelosigkeit verkleinerte sich der Muskel-
faserdurchmesser der Typ I-Fasern um 11 Pro-
zent und in den Typ II-Fasern um 24 Prozent.
Nach 11 Tagen Schwerelosigkeit war die Fase-
ratrophie noch größer, verbunden mit einer Ver-
minderung des oxida tiven Stoffwechsels und
der Kapillarisierung (Edgerton et al., 1 995).
Nach 17 Tagen Bettruhe nahm das Kontrak-
tionsprotein Aktin im M . soleus um 16 bis 2 3
Prozent ab, während das Myosin noch nicht be-
einflusst war (Riley et al., 1998). Ein ähn liches
TRAININGSLEHRE
LEISTUNGSSPORT 2/201018
3-5 Tage (BR) Anstieg der Herzfrequenz (HF) in Ruhe und bei sub- +3 bis +10 Schläge/min
maximaler Belastung
5 Tage (TU) Abnahme der Glykogensynthase-Aktivität -42 %
5 Tage (SL) Abnahme der ST-Faserfläche -6 bis -8 %
10 Tage (TU) Rückgang der Aktivität der oxidativen Muskelenzyme -23 bis -45 %
11 Tage (SL) Abnahme der ST-Faserfläche -16 bis -36 %
12 Tage (BR) Abnahme der VO2max, -7 %
Abnahme des Schlagvolumens -11 %
14 Tage (BR) Verkleinerung der ST-Fasern -12 bis -15 %
14 Tage (TU) Zunahme der submaximalen HF +10 Schläge/min
14 Tage (TU) EMG-Aktivität der Muskulatur -3 bis -13 %
17 Tage (BR) Abnahme der dünnen Muskelfilamente (Aktin); -16 bis -23 %
dicke Filamente (Myosin) unverändert;
Rückgang Maximalkraft (MK) -13 %
17 Tage (SL) Atrophie von ST-und FT-Fasern; Kraftverminderung;
Abnahme der absoluten Kraft -6 %
21 Tage (TU) Abnahme von Muskelmasse, -1 bis -5 %
Schlagvolumen submaximal und maximal -25 %
sowie VO2max -7 bis -27 %
28 Tage (TU) Kraftausdauerrückgang -7 bis -14 %
Tage ohne Training Systeme, Fähigkeiten, Leistung Veränderung
TAB. 1 Muskel- und Leistungsverlust bei Trainingsunterbrechung*
Einfluss von Bettruhe (BR), Schwerelosigkeit (SL) und (verletzungsbedingter) Trainingsunterbrechung (TU) auf die Leistungsfähigkeit und Funktionssysteme
* Daten nach: Coyle et al., 1984; Rundell,1994; Wilmore & Costill, 1994; Widrick et al., 1997; Widrick et al., 2001; Mc Ardle et al., 2001, Hollmann & Strüder, 2009
lsp10_02_13_19.qxd:LSP_Vorlage_2003_Layout_rechts.qxd 03.03.2010 11:24 Uhr Seite 18
Ergebnis wurde nach 17 Tagen Schwerelosig-
keit erreicht, wo die Atrophie des Aktins bis zu
25 Prozent ausmachte, begleitet von einer Zu-
nahme der Verkürzungsgeschwindigkeit der
dünnen Filamente (Widrick et al., 2001).
Die Ursache der Nachwirkungen einer Deadap-
tation bzw. Immobilisation wird in der anabo-
len Hemmung der Aminosäuren in der m yo fi-
brillären Proteinsynthese gesehen (Glo ver et
al., 2008).
Die Deadaptation läuft stets schneller ab als die
Adaptation. Wenn durch Ruhigstellung oder
Schwerelosigkeit die Reize auf die Muskulatur
ausbleiben, muss nach geeigneten Trainings-
programmen gesucht w erden. Bei Zwangs ru-
higstellung von Gliedmaßen (z.B. Fraktur) soll-
ten Ausgleichsübungen erfolgen, um den mus-
kulären Kraftabfall kl ein zu ha lten und das
Herz-Kreislauf-System zu aktivieren.
Bei Sportpausen oder v erletzungsbedingter
Trainingsunterbrechung kommt es neben der
Abnahme der Muskelkraft auch zu ganzen
Organveränderungen; so ka nn sich ein Sport-
lerherz in w enigen Wochen zurückbilden.
Durch ein für die Sportart geeignetes
Crosstraining (andere Sportart) können die
Auswirkungen des Detrainings v erzögert und
die allgemeine Belastbarkeit gesichert werden.
*
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*
Die Autoren
Prof. Dr. phil. habil. Kuno HOTTENROTT, Direktor des Insti-
tuts für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung an
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Vizepräsi-
dent der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs)
Prof. Dr. med. habil. Georg NEUMANN, Facharzt für Sportme-
dizin, Leistungs- und Ernährungsphysiologie
Anschrift: Institut für Leistungsdiagnostik und Gesundheits-
förderung an der Martin-Luther-Universität Halle-Witten-
berg, Selkestr. 9 Haus F, 06122 Halle (Saale)
E-Mail: kuno.hottenrott@sport.uni-halle.de; www.sport.uni-
halle.de ; www.hottenrott.info
TRAININGSLEHRE
19LEISTUNGSSPORT 2/2010
lsp10_02_13_19.qxd:LSP_Vorlage_2003_Layout_rechts.qxd 03.03.2010 11:24 Uhr Seite 19
... Schnabel et al. (2005) sprechen bei den Mechanismen der Leistungsveränderung von bleibenden (chronischen) Beanspruchungsfolgen, die auf zwei Prinzipien beruhen: dem Modell der Superkompensation (Jakowlew, 1977) und dem Modell der Informationsorganisation (Stark, 1984;Hoffmann, 1993). Aufgrund weniger empirischer Belege wird die Praxisrelevanz dieser Modelle kritisiert (Hohmann, 2007;Hottenrott, 2010). Sie sind eher als Demonstrationsmodelle für die komplexen Anpassungsvorgänge zu betrachten. ...
Article
Einleitung Modelle zur Analyse und Prognose von Trainingswirkungen sind vielversprechende Verfahren für eine individuelle Optimierung der Belastungsgestaltung. Die starken Vereinfachungen der antagonistischen und non-parametrischen Modelle führen aber zu einer geringen Modellgüte und Prognoseleistung. Forschungsbedarf besteht daher hinsichtlich neuer multifaktorieller Modelle, die den komplexen und dynamischen Trainingsprozess hinreichend abbilden. Künstliche neuronale Netze (KNN) haben sich als Methode zur Analyse und Prognose von nichtlinearem und dynamischem Systemverhalten bewährt. Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Zusammenhang zwischen Beanspruchung und sportlicher Leistungsfähigkeit mit KNN verlaufsorientiert abzubilden und die Leistungsentwicklung vorherzusagen. Material und Methoden An dieser Studie nahmen drei hochtrainierte Triathleten teil (27 ± 10 Jahre; VO2 max = 3,72 ± 0,15 l/min). Während des dreimonatigen Untersuchungszeitraums wurde täglich die Trainingsbeanspruchung in vier Kategorien (Laufen, Radfahren, Schwimmen und Krafttraining) anhand der Herzfrequenz und des zeitlichen Umfangs dokumentiert. Die Erholungs-Beanspruchungsbilanz der Athleten wurde jeden dritten Tag an 30 Messzeitpunkten mit einem Fragebogen erfasst. Die maximale Sauerstoffaufnahme wurde als Maß für die Ausdauerleistungsfähigkeit ebenfalls alle drei Tage mit einer Fahrrad-Spiroergometrie bestimmt. Für die multivariate Zeitreihenanalyse wurde ein Backpropagation-Netz eingesetzt. Die Trainingsbeanspruchung und der psychometrisch erfasste Erholungs- und Beanspruchungszustand wurden als Prädiktorvariablen berücksichtigt. Die Dynamik des Trainingsprozesses wurde über den Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit und der Leistungsentwicklung abgebildet. Die KNN wurden für jeden Athleten mit 24 Datensätzen trainiert. Die Entwicklung der Leistungsfähigkeit wurde über vier Messzeitpunkte vorhergesagt. Durch eine schrittweise Reduktion der Eingabedaten, wurde das multivariate Modellkonzept auf seine Gültigkeit hin geprüft. Die Modellgüte und Prognoseleistung wurden im Vergleich zu den antagonistischen Modellen bewertet. Ergebnisse Bei allen Probanden wird bei der Analyse und Prognose von Trainingswirkungen mit KNN (KNN-Modell) eine hohe Modellgüte (root mean square error (RMSE) = 0,05 ± 0,02 l/min) und Vorhersagegenauigkeit (RMSE = 0,08 ± 0,03 l/min) erreicht. Die Reduktion der Eingabedaten führt zu einer abnehmenden Abbildungs- und Prognoseleistung. Die Modellgüte und Prognoseleistung des KNN-Modells ist im Vergleich zu den antagonistischen Trainings-Wirkungs-Modellen höher. Diskussion KNN sind besonders zur verlaufsorientierten Analyse und Prognose von Trainingswirkungen geeignet. Der Vorteil dieser Methode ist in der multivariaten Modellstruktur zu sehen. Durch die differenzierte Berücksichtigung trainingsinduzierter Beanspruchungen und des aktuellen Erholungs- und Beanspruchungszustands wird ein höherer Erklärungswert für die Leistungsentwicklung erreicht. Trainings-Wirkungs-Modelle mit geringerer Komplexität bilden den Leistungsverlauf nur ungenau ab und können die Leistungsentwicklung nicht exakt vorhersagen. Schlussfolgerung Simulative Trainings-Wirkungs-Modelle eignen sich für eine individuelle Trainingssteuerung nur dann, wenn sie in hohem Maße die Komplexität und Dynamik des Trainingsprozesses abbilden. Dann bietet sich aber ein praktischer Einsatz vor allem in der kurzfristigen Trainingsplanung oder Wettkampfvorbereitung an.
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Trainingswissenschaftliche Kenntnisse sind nicht nur für den Leistungssport von großer Bedeutung, sondern werden von ganz unterschiedlichen Personengruppen vorausgesetzt. Ob die Sportlehrerin den Fitnesskurs für das nächste Schuljahr plant, der Fußballtrainer mit seiner Mannschaft die anstehende Saison vorbereitet oder der Physiotherapeut neuartige Methoden und Trainingskonzepte in den Behandlungsalltag integriert – all diese Situationen müssen differenziert betrachtet werden und erfordern ein übergreifend trainingswissenschaftliches Basiswissen.
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Trainingswissenschaftliche Kenntnisse sind nicht nur für den Leistungssport von großer Bedeutung, sondern werden von ganz unterschiedlichen Personengruppen vorausgesetzt. Ob die Sportlehrerin den Fitnesskurs für das nächste Schuljahr plant, der Fußballtrainer mit seiner Mannschaft die anstehende Saison vorbereitet oder der Physiotherapeut neuartige Methoden und Trainingskonzepte in den Behandlungsalltag integriert – all diese Situationen müssen differenziert betrachtet werden und erfordern ein übergreifend trainingswissenschaftliches Basiswissen.
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Das Training spielt die zentrale Rolle im Prozess der Leistungsentwicklung (Digel, 2010; Pfützner, 2009). Für die objektive Bewertung der Wettkampfresultate anlässlich sportlicher Großveranstaltungen – Olympische Spiele und Weltmeisterschaften – und für die Ableitung langfristiger, trainingsstrategischer Aufgaben und Ziele bedarf es einer umfassenden Analyse bisheriger trainingswissenschaftlicher Einflussnahme auf den Prozess der Leistungsentwicklung. Dazu gehören - die Durchführung von Untersuchungen zur Leistungsstruktur neuer Disziplinen, - die Evaluierung bestehender und Entwicklung neuer disziplinspezifischer Trainingskonzeptionen, - die Methodenentwicklung zur Diagnostik und zur Schulung sportartspezifischer Leistungsvoraussetzungen, - die weitere Aufhellung der Einheit von Kondition und Technik sowie Entwicklung diagnostischer Verfahren zur Technikobjektivierung und Effizienzbetrachtung, - die Neu-/Weiterentwicklung von Geräten und Methoden zur Qualifizierung des Messplatztrainings sowie - die Methodenentwicklung „Trainingswirkungsanalyse“ zur Beurteilung der individuellen Wirksamkeit des Trainings. Im Folgenden sollen Probleme der Leistungsstruktur, der Trainingsstruktur und der Ableitung von sportart- und disziplinspezifischen Trainingskonzepten näher beleuchtet werden.
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Seven endurance exercise-trained subjects were studied 12, 21, 56, and 84 days after cessation of training. Maximal O2 uptake (VO2 max) declined 7% (P less than 0.05) during the first 21 days of inactivity and stabilized after 56 days at a level 16% (P less than 0.05) below the initial trained value. After 84 days of detraining the experimental subjects still had a higher VO2 max than did eight sedentary control subjects who had never trained (50.8 vs. 43.3 ml X kg-1 X min-1), due primarily to a larger arterial-mixed venous O2 (a-vO2) difference. Stroke volume (SV) during exercise was high initially and declined during the early detraining period to a level not different from control. Skeletal muscle capillarization did not decline with inactivity and remained 50% above (P less than 0.05) sedentary control. Citrate synthase and succinate dehydrogenase activities in muscle declined with a half-time of 12 days and stabilized at levels 50% above sedentary control (P less than 0.05). The initial decline in VO2 max was related to a reduced SV and the later decline to a reduced a-vO2 difference. Muscle capillarization and oxidative enzyme activity remained above sedentary levels and this may help explain why a-vO2 difference and VO2 max after 84 days of detraining were still higher than in untrained subjects.
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This title is directed primarily towards health care professionals outside of the United States. It starts with the origin of life and ends with the mechanisms that make muscles adapt to different forms of training. In between, it considers how evidence has been obtained about the extent of genetic influence on human capacities, how muscles and their fibres are studied for general properties and individual differences, and how molecular biological techniques have been combined with physiological ones to produce the new discipline of molecular exercise physiology. This is the first book on such topics written specifically for modules in exercise and sport science at final year Hons BSc and taught MSc levels.
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This essay addresses the puzzlement, the missing piece, sensed when attempts are made to build a bridge from the synchronic, informational genotype to the diachronic, dynamic phenotype—a regular mapping that seems to be extraphysical. There is no formal, dynamic foundation for the bridge. Albert Einstein, Max Delbrück, and Erwin Schrödinger all expressed acute awareness of limitations of contemporary physics when considering biology because physics addresses much simpler sysems. As a proposed remedy, a new physical heuristic, homeokinetics, developed by Arthur Iberall and Harry Soodak (and later recast for biology by me as homeodynamics) is introduced here as a foundation for comprehending energy flows and transformations in complex systems, including those in metabolic networks of living systems. Their individual dynamic stability is flexible and marginal—it must allow for adaptations and changes in physiological and behavioral states to occur in an orderly fashion as external circumstances change. At the population level, stability must allow for evolvability of chemical networks that have energized terrestrial living systems for about 3.9 billion years. Homeokinetics/homeodynamics emphasizes that persistent, marginally stable metabolic networks, as open thermodynamic systems, necessarily organize energy processing as cyclic, physical action modes. Conceptually, that organization is under 2 kinds of biological time pressure—time as a cycle that daily closes the thermodynamic books and time as an arrow orthogonally pressing the cyles into the future, creating joint time as a helix. In most animals, after maturity, the helix is additionally shaped into a tapered ellipsoid by a senesence process that gains influence as dynamic degrees of freedom are frozen out by the constructions of development.
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The author presents a discussion of the steady states (homeostases) of the body, with the explanation, so far as such is possible, of the mechanisms controlling such conditions. The account is closed with analogies between the regulation of the body and the regulation of social processes. Brief bibliography. (PsycINFO Database Record (c) 2012 APA, all rights reserved)
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The muscle glycogen content of the quadriceps femoris muscle was determined in 9 healthy subjects with the aid of the needle biopsy technique. The glycogen content could be varied in the individual subjects by instituting different diets after exhaustion of the glycogen store by hard exercise. Thus, the glycogen content after a fat ± protein (P) and a carbohydrate-rich (C) diet varied maximally from 0.6 g/100g muscle to 4.7 g. In all subjects, the glycogen content after the C diet was higher than the normal range for muscle glycogen, determined after the mixed (M) diet. After each diet period, the subjects worked on a bicycle ergometer at a work load corresponding to 75 per cent of their maximal O2 uptake, to complete exhaustion. The average work time was 59, 126 and 189 min after diets P, M and C, and a good correlation was noted between work time and the initial muscle glycogen content. The total carbohydrate utilization during the work periods (54–798 g) was well correlated to the decrease in glycogen content. It is therefore concluded that the glycogen content of the working muscle is a determinant for the capacity to perform long-term heavy exercise. Moreover, it has been shown that the glycogen content and, consequently, the long-term work capacity can be appreciably varied by instituting different diets after glycogen depletion.
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• We tested the hypothesis that long-distance running activates parallel mitogen-activated protein kinase (MAPK) cascades that involve extracellular signal regulated kinase 1 and 2 (ERK1/2) and p38 MAPK and their downstream substrates. • Eleven men completed a 42.2 km marathon (mean race time 4 h 1 min; range 2 h 56 min to 4 h 33 min). Vastus lateralis muscle biopsies were obtained before and after the race. Glycogen content was measured spectrophotometrically. ERK1/2 and p38 MAPK phosphorylation was determined by immunoblot analysis using phosphospecific antibodies. Activation of the downstream targets of ERK1/2 and p38 MAPK, MAPK-activated protein kinase-1 (MAPKAP-K1; also called p90 ribosomal S6 kinase, p90rsk), MAPK-activated protein kinase-2 (MAPKAP-K2), mitogen- and stress-activated kinase 1 (MSK1) and mitogen- and stress-activated kinase 2 (MSK2) was determined using immune complex assays. • Muscle glycogen content was reduced by 40 ± 6 % after the marathon. ERK1/2 phosphorylation increased 7.8-fold and p38 MAPK phosphorylation increased 4.4-fold post-exercise. Prolonged running did not alter ERK1/2 and p38 MAPK protein expression. The activity of p90rsk, a downstream target of ERK1/2, increased 2.8-fold after the marathon. The activity of MAPKAPK-K2, a downstream target of p38 MAPK, increased 3.1-fold post-exercise. MSK1 and MSK2 are downstream of both ERK1/2 and p38 MAPK. MSK1 activity increased 2.4-fold post-exercise. MSK2 activity was low, relative to MSK1, with little activation post-exercise. • In conclusion, prolonged distance running activates MAPK signalling cascades in skeletal muscle, including increased activity of downstream targets: p90rsk, MAPKAP-K2 and MSK. Activation of these downstream targets provides a potential mechanism by which exercise induces gene transcription in skeletal muscle.
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The purpose of this investigation was to study the effects of a 17-day spaceflight on the contractile properties of individual fast- and slow-twitch fibers isolated from biopsies of the fast-twitch gastrocnemius muscle of four male astronauts. Single chemically skinned fibers were studied during maximal Ca2+-activated contractions with fiber myosin heavy chain (MHC) isoform expression subsequently determined by SDS gel electrophoresis. Spaceflight had no significant effect on the mean diameter or specific force of single fibers expressing type I, IIa, or IIa/IIx MHC, although a small reduction in average absolute force (Po) was observed for the type I fibers (0.68 ± 0.02 vs. 0.64 ± 0.02 mN, P < 0.05). Subject-by-flight interactions indicated significant intersubject variation in response to the flight, as postflight fiber diameter and Po where significantly reduced for the type I and IIa fibers obtained from one astronaut and for the type IIa fibers from another astronaut. Average unloaded shortening velocity [Vo, in fiber lengths (FL)/s] was greater after the flight for both type I (0.60 ± 0.03 vs. 0.76 ± 0.02 FL/s) and IIa fibers (2.33 ± 0.25 vs. 3.10 ± 0.16 FL/s). Postflight peak power of the type I and IIa fibers was significantly reduced only for the astronaut experiencing the greatest fiber atrophy and loss of Po. These results demonstrate that 1) slow and fast gastrocnemius fibers show little atrophy and loss of Po but increased Vo after a typical 17-day spaceflight, 2) there is, however, considerable intersubject variation in these responses, possibly due to intersubject differences in in-flight physical activity, and 3) in these four astronauts, fiber atrophy and reductions in Po were less for slow and fast fibers obtained from the phasic fast-twitch gastrocnemius muscle compared with slow and fast fibers obtained from the slow antigravity soleus.