Content uploaded by Heike Wiese
Author content
All content in this area was uploaded by Heike Wiese on Jun 09, 2015
Content may be subject to copyright.
1
Neue Dialekte im urbanen Europa
Heike Wiese
1. Einleitung
Im urbanen Europa haben sich seit dem ausgehenden 20.Jahrhundert in Kontexten
großer sozialer und sprachlicher Vielfalt neue sprachliche Praktiken entwickelt,
die in denletzten Jahrzehnten immer mehr in den Fokus der Linguistik getreten
sind. Besonders spannend sind hierbei neue Varianten der jeweiligen Majoritäts-
sprachen, die besonders in Peer-Group-Gesprächen jugendlicher Sprecher/innen
beoachtet werden. Hierzu gibt es seit den 1990ern eine Fülle sprachwissenschaft-
licher Untersuchungen vor allem aus Nordwesteuropa.1Diese neuen Varianten
sind keine fehlerhaften Abweichungen von den jeweiligen Standardsprachen,
sondern spiegeln die sprachliche Dynamik und Innovationskraft sprachlich hoch-
diverser Sprechergemeinschaften wieder, die einen hohen Anteil mehrsprachiger
Sprecher/innen verschiedener Herkunftssprachen umfassen.
Im vorliegenden Beitrag werde ich wesentliche Befunde hierzu zusammen-
bringen, um zentrale übergreifende Merkmale dieser Entwicklungen zu erfassen.
Den rotenFaden wird dabei eine Perspektive auf diese sprachlichen Varianten als
neue urbane Dialekte bilden. Um zu zeigen, was diese Dialekte konstituiert, wer-
de ich im folgendensprachstrukturelle ebenso wie sprecherbezogene Aspektedis-
kutieren. In Abschnitt 2 werde ich zunächst den Hintergrund für eine solche Un-
tersuchung zur Dialektentwicklung im urbanen Raum klären, indem ich kurz auf
die Heterogenität urbaner Sprache eingehe und aufzeige, wie die sich hieraus
speisende Dynamik durch die besonderesprachliche Vielfalt im heutigen Europa
noch verstärkt wird. Im Anschluss skizziere ichin Abschnitt 3die unterschiedli-
chen Perspektiven auf diese neuen sprachlichen Praktiken, die in der sprachwis-
senschaftlichen Diskussion entwickelt wurden, und gehe in diesem Zusammen-
hang auch auf die Charakterisierung als „Dialekt“ ein, die ich hier verwende.
Abschnitt 4 und 5 diskutierendann für die beiden Bereiche Sprachstruktur und
Sprachgebrauch exemplarische Befunde, die sprach- und länderübergreifende
Tendenzen illustrieren und damit einen wesentlichen Zugang zu neuen urbanen
Dialekten in Europa ermöglichen. Abschnitt 6 fasst die Ergebnisse in einem ab-
schließenden Gesamtbild zusammen und beleuchtet in einem Ausblick den Bei-
trag, den Untersuchungen zu diesen neuen sprachlichen Varianten über den spezi-
1 Einen Überblick zu Arbeiten in den letzten Jahren geben beispielsweise Quist &
Svendsen (Hg.) (2010), Källström & Lindberg (Hg) (2011), Kern & Selting (Hg.)
(2011), Nortier & Svendsen (Hg.) (2014). Als Pionierarbeiten können Kotsinas‘ Un-
tersuchungen zum Schwedischen gelten (etwa Kotsinas 1988, 1992), für den deutsch-
sprachigen Raum war – und ist – insbesondere Keim (2007) wegweisend.
Preliminary version, author’s manuscript;
final version to appear in:
Busse, Beatrix, & Warnke, Ingo (Hg.), Sprache im ur-
banen Raum / Language in Urban Space. Berlin, New
York: de Gruyter [Handbuchreihe Sprachwissen, Band
20]. Kap.II.
2
fischen Phänomenbereich hinaus für unser Verständnis von Sprachvariation
und -wandel leisten können.
2. Dialektentwicklung im urbanen Raum
Traditionell hat sich die sprachwissenschaftliche Untersuchung von Dialekten auf
den ländlichen Raum konzentriert, im Zentrum standen Sprecher, die Chambers
& Trudgill (1980) kurz als „NORM“, für‚non-mobile old rural males‘, bezeich-
nen: In dem Bestreben, einen möglichst stark ausgeprägten, ‚authentischen‘ Dia-
lekt zu identifizieren, wurden insbesondere ältere, männliche Sprecher untersucht,
die den Großteil ihres Lebens in der betreffenden ländlichen Region verbracht
hatten. Urbane Sprechergemeinschaften wurden dagegen eher vernachlässigt,
weil durch die hohe soziale Fluktuation und das hierdurch bedingte Aufeinander-
treffen vieler unterschiedlicher sprachlicher Varietäten in urbanen Zentren homo-
gene, historisch gewachsene Dialekte weniger zu erwarten waren. Gerade diese
Dynamik macht den urbanen Raum aber interessant für sprachwissenschaftliche
Untersuchungen, da sich hierTendenzen sprachlicher und sozialer Ausdifferenzie-
rung und Entwicklung besonders deutlich zeigen.So hat sich die moderne Sozio-
linguistik seit den klassischen Arbeiten Labovs aus den 1960/1970ern besonders
auf urbane Sprache konzentriert (vgl. Labov 1972). Im deutschsprachigen Raum
etablierte sich in dieser Folge etwa seit den 1980ern eine produktives Feld der
Stadtsprachenforschung.2
2.1 Heterogenität und Dynamik urbaner Sprache
Der heterogene, stärker veränderliche Charakter urbaner Sprechergemeinschaften
macht sie besonders offen für Sprachvariation und Sprachwandel, so dass sprach-
liche Entwicklungstendenzen und Neuerungen hier besonders gut erforscht wer-
den können: „urban centers are generally ahead of their hinterland in adopting
linguistic innovations […]. Cities often play a pioneering role“ (Vanderkerckhove
2010: 323; 324).
Diese Pionierrolle macht urbane Sprache nicht nur für primärsoziolinguisti-
sche, sondern auch für sprachstrukturelle Untersuchungen interessant. So konnte
Kerswill (2002) am Beispiel von Milton Keynes, einer erst 20 Jahre zuvor ge-
gründeten britischen Stadt, einen neuen Dialekt quasi in der Entstehung beschrei-
ben. Wie er zeigte, führte hier der durch Binnenmigration bewirkte Kontakt un-
terschiedlicher englischer Dialekte mit dem ursprünglichen in der Region behei-
mateten Dialekt zur Koineisierung, der Bildung eines neuen Dialekts mit innova-
tiven Merkmalen (vgl. auch Kerswill & Williams 2000).
2 Für eine Zusammenschau vgl. etwa Löffler & Hofer (Hg.) (2010).
3
Eine strikte Zweiteilung in urbane Sprache als dynamisch und innovativ und
ländliche Sprache als eher statisch, wie sie zu Beginn der modernen Soziolinguis-
tik und Variationsforschung mitunter implizit angenommen schien, ist zwar si-
cher zu stark (vgl. hierzu Britain 2002), dies umso mehrin einer Zeit, in der auch
der ländliche Raum in Folge gestiegener Mobilität und Industrialisierung durch
Dialektkontakt und größere Heterogenität gekennzeichnet ist (vgl. etwa Auer &
Hinskens 1996). Grundsätzlich finden wir aber im urbanen Raum durch die aus-
geprägte sprachliche und soziale Vielfalt eine Dynamik, die die Untersuchung
neuer Sprechweisen und Dialekte hier besonders interessant macht.
Diese Dynamik wird noch verstärkt durch unterschiedliche Formen der Mehr-
sprachigkeit, die in Folge von Migration entstehen. So beschreibt etwa Wölck
(2002) die Entstehung eines neuen urbanen Dialekts in New York State auf der
Basis unterschiedlicher Ethnolekte deutscher, italienischer und polnischer Zu-
wanderer. Wiewohl zunächst in diesen Ethnolekten verwurzelt und damit auf
Gruppen eines bestimmten Zuwanderungshintergrunds beschränkt,3 konnte sich
hier ein übergreifender Dialekt etablieren, der mittlerweile in der Region allge-
mein verwendet wird. Im urbanen Europa wird die Entwicklung neuer urbaner
Dialekte heute durch eine besondere sprachliche Heterogenität unterstützt, die
ebenfalls durch verstärkte Zuwanderung entstanden ist.
2.2 Das urbane Europa als hochdiverser Raum
In Folge von Migration, generell größerer Mobilität und internationaler Vernet-
zung ist das heutige Europa in hohem Maße durch eine kulturelle, eth-
nisch/soziale4 und sprachliche Vielfalt geprägt, und dies insbesondere im urbanen
Raum.Wenn auch zum Anteil der mehrsprachigen Bevölkerung und zu den unter-
schiedlichen Herkunftssprachen im allgemeinen keine spezifischen Zahlen vor-
liegen,5 so lässt sich doch aus den verfügbaren statistischen Daten zu Nationalitä-
ten und Familienhintergrund die sprachliche Vielfalt im urbanen Europa zumin-
dest grob extrapolieren.
So erhebt etwa in Deutschland das Statistische Bundesamt seit 2003 Daten
zum „Migrationshintergrund“, definiert als Merkmal von Personen, die nach 1949
auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind, allen in
Deutschland geborenen Ausländer/inne/n und allen in Deutschland Geborenen
mit zumindest einem zugezogenen oder als Ausländer/in in Deutschland gebore-
3 Vgl. Clyne (2000) zum Begriff des Ethnolekts.
4 Der Begriff der „Ethnie“ ist problematisch: Es handelt sich hier grundsätzlich
nicht um eine vorgefundene Kategorie, sondern um eine (Eigen- und/oder
Fremd-)Zuschreibung, die mit sozial konstruierten Gruppen assoziiert ist (vgl. auch
Fought 2002); ich behandele „ethnische“ Vielfalt daher hier nicht als eigene Domäne,
sondern nur im Konnex mit sozialer Vielfalt.
5 Vgl. zu dieser Problematik auch Extra & Yağmur (2004).
4
nen Elternteil.6 Einen solchen „Migrationshintergrund“ hatten 2012in Deutsch-
land 20% der Bevölkerung, bei steigender Tendenz und mit höheren Anteilen in
urbanen Gebieten: Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes wuchs 2010 in
Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohner/inne/n fast jedes zweite minderjäh-
rige Kind (46 %) in einer Familie mit Migrationshintergrund auf – und damit in
einer Familie, in der ein mehrsprachiger Alltag zumindest wahrscheinlich
ist.Vergleichbare Anteile finden sich ebenso in vielen anderen europäischen Län-
dern. So hat etwa in den Niederlanden in den vier großen Städten Amsterdam,
Utrecht, Rotterdam und Den Hague fast die Hälfte der Bevölkerung eine auslän-
dische Staatsbürgerschaft, nämlich 43%.7 Knapp 21% der niederländischen Be-
völkerung sind im Ausland geboren oder haben einen im Ausland geborenen
Elternteil,8in Frankreich gilt dies ebenfalls für etwa 21% der Bevölkerung,9 in-
Großbritannien für etwa 20%,10 in Schweden für über 26%11 und in Dänemark für
über 10% der Bevölkerung12.
Um die besondere Diversität, die sichdamit im urbanen Europa entwickelt
hat, zu betonen, wurde in einigen soziolinguistischen Ansätzen ein neuer Begriff
„Superdiversity“ geprägt (Vertovec 2007; Blommaert et al.,Hg., 2011); allerdings
ist noch zu zeigen, ob es sich, gerade auch im Vergleich zu historisch früheren
Epochen großer Mobilität, tatsächlich um ein kategorial neues Phänomen handelt,
das einen solchen eigenen Begriff rechtfertigt.
Die uns hier besonders interessierende sprachliche Vielfalt im urbanen Raum
stellt sich dar als eine Vielfalt auf Sprach- ebenso wie auf Sprecher/innen-Ebene:
Wir finden eine große Bandbreite von Herkunftssprachen neben den jeweiligen
Majoritätssprachen in jeweils unterschiedlichen Varianten, Dialekten, Stilen,
Registern, die zu vielfältigen ein- und mehrsprachigen Sprecherrepertoires beitra-
gen. Gerade für die sprachlich besonders dynamische Gruppe der jugendlichen
Sprecher/innen bedeutet dies, dass für die tägliche Sprachpraxis eine ungewöhnli-
che Bandbreite sprachlicher Ressourcen zur Verfügung steht.Die in Abbildung
6 Diese Kategorie fasst demnach alle Einwohner/innen mit nicht ausschließlich
deuschen Wurzeln zusammen und grenzt damit innerhalb der Menschen mit deutscher
Staatsbürgerschaft eine Gruppe ab. Zur Problematik dieser Klassifizierung auch aus
sprachwissenschaftlicher Sicht vgl. Scarvaglieri & Zech (2013).
7 Central Bureau for Statistics (CBS) der Niederlande, nach Hinskens (2007:
290).
8Annual report on integration, Statistics Netherlands, Grafimedia 2012.
9Institut national de la statistique, Report „Fiches thématiques - Population immi-
grée - Immigrés - Insee Références Édition“, 2008.
10 Migration Observatory at the University of Oxford, 2013.
11Statistics Sweden, „Number of persons with foreign or Swedish background
(detailed division) by region, age in ten year groups and sex. Year 2002 – 2012“.
12The Ministry of Refugee, Immigration and Integration Affairs Denmark, Statis-
tical overview of integration: Population, education, and employment, 2012.
5
1versammelten Liebesschwüre von Spielplätzen und Parks in Berlin-Kreuzberg
geben einen ersten Eindruck hiervon:13
Abbildung 1: Liebesschwüre im mehrsprachigen urbanen Raum
Wir finden hier – auf Fotos, die in einem relativ kleinen Radius gemacht wurden
(Stadtteil „SO36“ in Kreuzberg) – die kreative Verwendung von Sprachen wie
Englisch („I LOVE Maria 4EVER“ / forever), Französisch („QUENTIN JTM“ / je
t‘aime), Liebesschwüre auf Schwedisch („MIA, JAG ÄLKSER / ÄLSKAR DIG“
/ ‘Mia, ich liebe dich’), Türkisch („SİZİ çoook SEVIYORUM“ / ‘Ich liebe euch
seeeehr’ und Griechisch (‘Mein Papa, ich liebe dich sehr’), die Integration türki-
scher Ausdrücke ins Deutsche (“ich liebe Dich – Bebegim14 ‘mein Baby’– Ich
dich auch“) und die Verwendung des traditionellen Berliner Dialekts („DOLORIS
- ICK LIEBE DIR“).
13Diese Belege für Sprache im öffentlichen Raum dienen hier nur zur Illustration
sprachlicher Vielfalt im Kontext neuer urbaner Dialekte. Für eine tiefer gehende Ana-
lyse solcher Daten als Elemente eines Linguistic Landscape vgl. etwa Blommaert für
ein multiethnisches Wohngebiet in Antwerpen, Warnke (2013)für Berlin-Prenzlauer
Berg.
14 Im Türkischen selbst würde der Ausdruck als „bebeğım“ verschriftlicht; in der
Schreibweise „bebegim“ zeigt sich eine Integration in das Schriftsystem des Deut-
schen, das die Grapheme „ğ“ und „ı“ nicht besitzt (vgl. hierzu auch Abschnitt 4 un-
ten).
6
Die hier deutlich werdende sprachliche Vielfalt unterstützt eine kreative Ver-
wendung von Sprache, die gekennzeichnet ist durch den unterschiedlichen, situa-
tionsspezifischen Einsatz vielfältiger sprachlicher Ressourcen, der sich in Phäno-
menen wie Sprachwechsel, Sprachmischung, Bricolage und Stilisierung zeigt
und, damit zusammenhängend, in der Schöpfung innovativer sprachlicher For-
men: Die reichen Gelegenheiten des Sprachkontakts führen zu einer größeren
Offenheit gegenüber sprachlicher Variation und stützen damit neue sprachliche
Entwicklungen in Herkunfts- und Majoritätssprachen, die dem vorhandenen Vari-
antenreichtum weitere Elemente hinzufügen. Für das Türkische als verbreiteter
Herkunftssprache in einer Reihe europäischer Länder sind solche Entwicklungen
beispielsweise unter den Begriff des „Nordwesteuropäischen Türkisch“ gefasst
worden (vgl. etwa Boeschoten 2000, Rehbein 2001, Schroeder 2007).
Im vorliegenden Beitrag konzentriere ich mich mit der Darstellung neuer ur-
baner Dialekte auf neue Varianten derMajoritätssprachen, die sich in Zentren
sprachlicher Diversität im urbanen Europa entwickelt haben und hier in Peer-
Groups jugendlicher Sprecher/innen ihren Schwerpunkt haben. In der Forschung
zu diesen Dialekten lassen sich grob zwei zentrale Herangehensweisen unter-
scheiden, die konstruktiv miteinander kombiniert werden können.
3. Perspektiven: Varietät, Stil undneue urbane Dialekte
Mit Hinskens (2007: 294) kann man zweizentralePerspektiven auf neue sprachli-
che Praktiken im mehrsprachigen urbanen Raum als „language-centered ap-
proach“ vs. „ethnographic approach“ unterscheiden. In Studien, die eine stärker
sprachzentrierte Herangehensweiseverfolgen, wird die Sprache selbst fokussiert,
im Zentrum stehen Phänomene beispielsweise lexikalischer, phonologischer oder
morphosyntaktischer Natur.15 Demgegenüber fokussieren Studien, die eine stär-
ker ethnographische Herangehensweise verfolgen, die Sprecher/innen in ihrer
sprachlichen Praxis, etwa die situationsspezifische Wahl bestimmter sprachlicher
Elemente und ihre Funktion für die Selbst- und Fremdpositionierung innerhalb
eines sozialen Raums.16
Mit den beiden unterschiedlichen Perspektiven verbunden ist oft eine Sicht-
weise des betreffenden Sprachgebrauchs als Varietät vs. Stil. Die Beschreibung
als Varietät betont die Systematizität innerhalb des sprachlichen Systems und die
15 Einige Beispiele sind bereits die Pionierarbeiten Kotsinas‘ zum Schwedischen
(etwa Kotsinas 1988), außerdem unter anderem Quist (2000), Wiese (2006; 2009),
Ganuza (2008), Opsahl & Nistov (2010), te Velde (2013; 2014) sowie – in Kombina-
tion mit ethnographischen Fragestellungen – Fox et al. (2011), Cheshire et al. (2011).
16 Beispiele hierfür finden sich unter anderem in Rampton (1995), Fraurud & Bi-
jvoet (2004), Quist (2005), Keim (2007) sowie – in Kombination mit sprachstruktu-
rellen Fragestellungen – Kern & Selting (2006a,b), Selting (2011).
7
Interaktionen zwischen Repräsentationen und Entwicklungen auf verschiedenen
grammatischen und außergrammatischen Ebenen; die Sichtauf einen Sprachge-
brauch als Stil betont die selektive Wahl sprachlicher Mittel aus einer größeren
Bandbreite von Ressourcen durch die Sprecher/innen. Die folgende Gegenüber-
stellung aus Quist (2008:49) charakterisiert die unterschiedlichen Fragestellun-
gen, die die beiden Sichtweisen unterstützen:
„The two approaches […] answer different kinds of questions. The variety ap-
proach contributes to the description of variation in the speech community and
it helps us to find out if there is anything linguistically systematic going on at
all. The stylistic practice approach, on the other hand, is a way to examine the
social meanings, functions, and consequences of the speech of the adolescents.“
Wie hier deutlich wird, handelt es sich nicht um konfligierende und einander
ausschließende Modelle, sondern eher um komplementäre Herangehensweisen,
die einander ergänzen können. In verschiedenen Ansätzen wird daher eine Kom-
bination der beiden Perspektiven verfolgt, etwa in Quist (2008), die, in Anleh-
nung an Clyne (2000), den Terminus Multiethnolect vorschlägt, um die Verwen-
dung über „Ethnien“/Herkunftssprachen hinweg zu betonen, und für eine Verbin-
dung von Varietäten- und Stil-Einordnung unter dieser Bezeichnung argumen-
tiert.17Cheshire et al. (2011) diskutieren den Terminus als Option, auch eine stär-
ker variationslinguistische Perspektive zu stützen, die den „Feature pool“ betont,
den Fundus unterschiedlicher Merkmale, der Sprecher/inne/n in sprachlich hete-
rogenen Kontexten zur Verfügung steht.18
Um die Überwindung der Dichotomie sprachstruktureller und ethnographi-
scher Herangehensweisen noch weiter zu stützen, habe ich in Wiese (2013a) eine
Weiterentwicklung der „Feature pool“-Metapher zu „Feature pond“ vorgeschla-
gen. Die „Pond“-Metapher betont, dass die Merkmale, die Sprecher/innenim
sprachlichen „Pool“ vorfinden, nicht zu einer beliebigen, unstrukturierten Zu-
sammenstellung führen, sondern ein Netzwerk ineinandergreifender Elemente
unterstützen, d.h. eine reiche sprachlicheÖkologie, die interagierende Muster auf
verschiedenen sprachlichen Ebenen hervorbringt. Die „Feature pond“-Perspektive
erlaubt damit einen explizitenEinbezugder Befundesprachzentrierter Untersu-
chungen bei der Kombination mit ethnographischen Herangehensweisen: Sie
erlaubt es, die soziolinguistischen Repertoires und Entscheidungen von Spre-
cher/inne/n zu berücksichtigen, ohne dabei die Systematizität zu vernachlässigen,
die die resultierenden Varianten auch auf sprachstruktureller Ebene besitzen. Eine
solche explizite Anerkennung sprachlicher Muster beugt damit der Gefahr vor,
systematische sprachliche Praktiken auf sprachstruktureller Ebene lediglich als
17 In diesem Sinne auch Freywald et al. (2011).
18 Cheshire et al. beziehen sich mit diesem Konzept des Feature pools auf einen
Vorschlag Mufwenes (2001).
8
Abweichungen von der Standardsprache zu beschreiben oder gar als „Fehler“ zu
betrachten, wie sie in ausschließlich ethnographisch orientierten Studien mitunter
deutlich wird.19
Rampton (2010; 2013) argumentiert für die Bezeichnung „contemporary ur-
ban vernaculars“ für die uns hier interessierenden neuen Sprachvarianten, die
ebenfalls eine Verbindung sprachzentrierter und ethnographischer Herangehens-
weisen erlaubt und dabei zugleich die Normalität dieses Sprachgebrauchs im
heutigen urbanen Europa betont:
„If we reclaim an accessible and widely known term like ‘vernacular’ […], then
maybe we can also normalise the kind of urban speech we are examining, mov-
ing it out of the ‘marked’ margins, not just in sociolinguistic study but maybe
also in normative public discourse.“ (Rampton 2013:78)
In ähnlichem Sinne argumentiert bereits Quist (2008) für den Gebrauch der Be-
zeichnung „Multiethnolect“ als eines „-lect“-Begriffs, der einer Ausgrenzung und
Exotisierung auch außerhalb akademischer Kontexte entgegensteuern kann:
„The use of a ‘lect’ term signals that this is a parallel phenomenon to other
‘lects’ like sociolects, dialects, chronolects, and so forth, and it ought to be re-
garded as such, that is, as something mundane and not ‘exotic.’Outside of aca-
demia, in a Danish national context, this is arguably strategically and politically
important.“ (Quist 2008:49)
Für Kiezdeutsch, die deutsche Variante eines solchen Sprachgebrauchs, habe ich
in Wiese (2012; 2013ab) eineCharakterisierung als „Dialekt“ entwickelt und da-
mit gezielt eine Benennung genutzt, die Aspekte aus beiden Vorschlägen verbin-
den kann:
Der Ausdruck „Dialekt“ entspricht zunächst dem von Rampton vorgeschla-
genen Begriff des „vernacular“ insofern, alser durch diese Anknüpfung den be-
treffenden Sprachgebrauch „out of the ‘marked’ margins“ holt und normalisiert,
wobei er wie das englische „vernacular“ typischerweise auf Varietäten außerhalb
der Standardsprache beschränkt ist. Im deutschen Sprachraum ist „Dialekt“ dabei
zunächst prinzipiell positiv besetzt und wirdmit Varietäten assoziiert, die als Teil
der Volkskultur akzeptiert sind (wenn auch der tatsächliche Gebrauch dialektaler
Merkmale sozial negativ markiert sein kann). Die Bezeichung als „Dialekt“ auch
außerhalb des akademischen Kontexts kann daher eine Einordnung in das Spekt-
rum deutscher Varietäten zu stützen, die einer Ausgrenzung des Sprachgebrauchs
selbst ebenso wie seiner Sprecher/innen entgegenwirkt.Dies erlaubt es, in der
öffentlichen Diskussion eine Akzeptanz als Nichtstandard-Variante zu fördern,
kann hier jedoch gerade durch diese Implikationen mitunter auch starke Abwehr-
mechanismen auslösen und dabei auch verdeckte xenophobe Tendenzen offenle-
gen (vgl. Wiese 2014).
19 Vgl. hierzu ausführlich Wiese (2013a).
9
Mit Blick auf die sprachliche Struktur signalisiert die Bezeichnung „Dialekt“
als „-lekt“-Ausdruck sprachliche Systematizität. Ebenso, wie Quist (2008) dies
für „Multiethnolekt“ vorschlägt, verbindet sie zugleich Varietäten- und Stil-
Perspektiven. Insbesondere kann sie, anknüpfend an Befunde für traditionelle
Dialekte, Aspekte wie die Variabilität im Gebrauch bestimmter Merkmale, ihre
Sprecher/innen- und Kontextabhängigkeit und graduelle Übergänge zu standard-
naher Sprache einbeziehen.20
Unter dieser Perspektive stelle ich in den folgenden Abschnitten nun einige
zentrale konvergierende Befunde zu Sprachstruktur und Sprachgebrauch neuer
urbaner Dialekte in Europa vor.
4. Sprachstruktur: Dynamik des mehrsprachigen Kontexts
Wie bereits oben dargestellt, bietet der mehrsprachige urbane Raum im modernen
Europa einen besonders fruchtbaren Boden für sprachliche Entwicklungen: Durch
die reichen Gelegenheiten des Sprachkontakts und die vielfältigen Repertoires
von Sprecher/inne/n mit mehrsprachigem ebenso wie (zunächst) einsprachigem
Hintergrund finden wir hier eine Sprechergemeinschaft, die besonders offen für
sprachliche Variation ist. Die hier entstehenden neuen urbanen Dialekte besitzen
daher eine besondere Dynamik; sie sind gegenüber historisch älteren Varietäten
der betreffenden Majoritätssprachen charakterisiert durch eine Lockerung gram-
matischer Beschränkungen, die ihnen eine leichtere Aufnahme und Expansion
laufender Entwicklungen ermöglicht und sprachliche Innovationen besonders
begünstigt. Neue urbane Dialekte nehmen damit eine Sonderrolle im Spektrum
der Majoritätssprachen ein, sie sind „in full development, in contrast to the rela-
tively static traditional dialects“ (Hinskens 2011:125) und bieten daher einen
besonderen Zugang zu Sprachvariation und Wandel.
Neben sprachspezifischen Charakteristika finden wir hier ganz wesentlich
auchPhänomene, die ähnliche Entwicklungsverläufe sprachübergreifend über
unterschiedliche Majoritäts- und Herkunftssprachen hinweg in verschiedenen
20 Vgl. Wiese (2013a,b). Dies spricht meines Erachtens gegen Auers (2013) Vor-
schlag, den Terminus „Dialekt“ hier durch „Varietät“ zu ersetzen.
In der englischsprachigen internationalen Diskussion ist die Charakterisierung der
betreffenden Sprachvarianten als „dialects“ unkontrovers (etwa Cheshire et al. 2011
zur „dialect formation“ im urbanen Raum) – dies zumindest, soweit überhaupt identi-
fizierbare sprachliche Varianten angenommen und nicht, wie in einigen Ansätzen zur
Superdiversity, in einem dekonstruktivistischen Ansatz als ideologische Entitäten
aufgelöst werden (vgl. etwa Beiträge in Blommaert et al., Hg., 2011).
10
Ländern wiederspiegeln, und dies auf Ebenen von Lexikon, Phonologie, Morpho-
logie und Syntax.21
Sprachliche Entwicklungen sind hier grundsätzlich nicht nur das Ergebnis
von Transfer aus bestimmten Herkunftssprachen, sondern auch – und in weitaus
stärkerem Maße – binnenstrukturell gestützt: als dialektale Entwicklungen inner-
halb bestimmter Majoritätssprachen bzw. -Sprachfamilien, die interne Tendenzen
wiederspiegeln und weiterführen. Der sprachlich vielfältige, „superdiverse“ Kon-
text neuer urbaner Dialekte begünstigt Neuerungen hier nicht nur durch konkreten
Sprachkontakt, sondern ebenso durch eine generell größere sprachliche Liberalität
und Offenheit für Variation, die interne Tendenzen weiter stützt.
Die besondere Dynamik neuer urbaner Dialekte entsteht damit aus einem
komplexen Zusammenspiel systeminterner, binnenstruktureller Kräfte mit sol-
chen des Sprachkontakts.Dieses Zusammenspiel macht diese Dialekte sprachwis-
senschaftlich besonders interessant. Die jeweilige Gewichtung kann dabei ganz
unterschiedlich ausfallen. An einem Ende des Spektrums stehen direkte Übertra-
gungen aus spezifischen Herkunftssprachen, am anderen Ende stehen sprachliche
Phänomene, die sich in derselben Form auch in anderen Varianten der betreffen-
den Majoritätssprachen finden, dort aber weniger stark ausgeprägt oder weniger
salient sind. Im folgenden stelle ich kurz Beispiele für die beiden Extrema und für
einige Zwischenstufen in diesem Spektrum vor, die das komplexe Zusammen-
spiel zwischen Binnendynamik und Sprachkontakt verdeutlichen. Ich konzentrie-
re mich dabei der Übersichtlichkeit halber auf Beispiele, in denen das Türkische
als Kontaktsprache in Frage kommt.
Der direkte Einfluss konkreter Sprachkontaktsituationen findet sich besonders
deutlich beim lexikalischen Transfer: Hier findet eine direkte Übertragung von
Ausdrücken oder kurzen Routinen aus unterschiedlichen Herkunftssprachen in
die jeweilige Majoritätssprache statt. Abbildung 2 gibt ein Beispiel; hier wird auf
einer Kritzelei (von einem Spielplatz in Berlin-Kreuzberg) neben englischen
Elementen, wie sie generell für Jugendsprache typisch sind, der aus dem Türki-
schen stammende Ausdruck „Canim“ ‚mein Herz / mein Schatz‘ verwendet:
21Vgl. Keim (2010) für einen detaillierteren Überblick, Wiese (2009) für eine
sprachübergreifende Diskussion einiger morphosyntaktischer Merkmale.
11
Abbildung 2:„Canim“ als neues Fremdwort in Kiezdeutsch
Im Unterschied zum Code-Switching, das für homogen mehrsprachige Sprecher-
gruppen charakteristisch ist – etwa in Unterhaltungen zwischen einheitlich
deutsch-türkisch22 oder deutsch-arabisch mehrsprachigen Sprecher/innen –, wer-
den solche lexikalischen Übertragungen grundsätzlich als neue Fremdwörter in
die Empfängersprache integriert und entsprechend grammatisch und graphema-
tisch angepasst. Neue Elemente können so sprecherübergreifend und unabhängig
von Kompetenzen in bestimmten Herkunftssprachen verwendet werden. In dem
Beispiel in Abbildung 2 zeigt sich dies etwa in der Schreibung „Canim“, die
bereits an das Grapheminventar des Deutschen angepasst ist: Das türkische Ori-
ginal wäre „canım“.
Die sogenannten „m-Dubletten“, die sich in Kiezdeutsch finden,23 sind ein
Beispiel für die Übertragung eines Musters oberhalb der Wortebene, vgl. (1):24
(1) er sagt zu m=meiner cousine so fettsack METTsack [KiDKo, MuH27WT]
Hierbei wird ein Nomen in phonologisch modifizierter Form wiederholt, wobei
der ursprüngliche Onset durch [m] ersetzt wird. Durch die Duplizierung wird
Amplifikation ausgedrückt (im Sinne von „und so weiter“), die hierdurch erzielte
Vagheit kann dabei auch pejorative Effekte haben. m-Dubletten sind vermutlich
eine Übertragung aus dem Türkischen, in dem dieses Muster in der gesprochenen
Sprache gut etabliert ist. Anders als im Deutschen sind die Dubletten dort syntak-
tisch voll integriert und auch mit nicht-nominalen Basen möglich.
Einen Schritt weiter in Richtung binnenstruktureller Dynamik gehenEntwick-
lungen, in denensich zwar parallele Muster in einer Herkunftssprache finden,
zugleich jedoch eine deutliche interne, aus dem System der Majoritätssprache
rührende Motivation nachzuweisen ist. Kontaktsprachliche Einflüsse können hier
bereits vorhandene Binnentendenzen noch weiter stützen, insbesondere wenn
Kompetenzen in der betreffenden Sprache in der Sprechergemeinschaft relativ
weit verbreitet sind.Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung von gibs zu einer
Existenzpartikel in Kiezdeutsch, vgl. (2):25
(2) WEIßte doch, die, die in verschiedene FARben gibs? [KiDKo, MuH9WT]
22Vgl. hierzu etwa Dirim & Auer (2004).
23 Vgl. Wiese (2013a).
24Die Daten in (1) stammen aus dem KiezDeutsch-Korpus (KiDKo;
www.kiezdeutschkorpus.de), vgl. Abschnitt 5 / Fn.43. Versalien signalisieren Haupt-
akzente.
25 Zu gibs vgl. ausführlich Wiese & Duda (2012).
12
Die Form „gibs“, entstanden aus existenzanzeigendem „gibt es“, steht hier als
monomorphematische Form in der Position des finiten Verbs. Die Nominalphra-
se, die das Thema der Existenzaussage anzeigt (hier: die), kann dabei mitunter-
vom Akkusativobjekt der ursprünglichen Konstruktion mit existentiellem „geben“
zum Subjekt uminterpretiert werden und erscheint im Nominativ, vgl. (3):
(3) zeig mir mal, WER alles gibs.26
Das Türkische besitzt mit „var“ (negiert: „yok“) eine ganz ähnliche Existenzpart-
ikel. Da das Türkische eine verbreitete Herkunftssprache im urbanen Deutschland
ist und daher viele Sprecher/innen auf dieses Muster zugreifen können, ist es
plausibel, anzunehmen, dass diese Verwendung von gibsdurch das Türkische
gestützt wird.
Sie ist jedoch ganz wesentlich auch aus dem System des Deutschen heraus
motiviert.27Die herkömmliche Konstruktion „es gibt NP[OBJEKT]“ ist problematisch
in Bezug auf die Verbindung syntaktischer und semantischer Argumente: Sie
enthält mit dem Expletivum es ein syntaktisches Argument ohne semantisches
Gegenstück, und die höchste thematische Rolle (das Thema) korrespondiert nicht
mit dem Subjekt, sondern mit dem Objekt. Die Entwicklung, die wir in Kiez-
deutsch gegenwärtig beobachten können, führt dagegen zu einer Syntax-
Semantik-Alignierung: Das semantisch leere es entfällt, und durch die Uminter-
pretation des Akkusativ als Nominativ ist die höchste (weil einzige) thematische
Rolle nicht länger mit dem Objekt, sondern mit dem Subjekt assoziiert. Dies führt
somit zu einer Regularisierung im grammatischen System, die binnenstrukturell
motiviert und damit ganz wesentlich für die Entwicklungsdynamik der Konstruk-
tion ist. Diese Regularisierung wird in zweifacher Hinsicht gestützt. Erstens ist
die Univerbierung von „gibt es“ zu „gib(t)s“ eine generelle Tendenz im gespro-
chenen, teilweise auch schon im geschriebenen Deutschen, gestützt durch die
regelmäßige Klitisierung des schwachen Pronomens es in Wackernagel-Position
adjazent nachgibt. Zweitens besteht eine sehr weit gehende Formidentität zwi-
schen Akkusativ und Nominativ, die eine Uminterpretation von Objekt zu Subjekt
erleichtert. So könnte die in (2) oben ebenso als Nominativ- wie als Akkusativ-
form gelten.
Auf ein Primat der binnenstrukturellen Motivierung weisen auch erste Daten
aus einer Erhebung informeller Sprachdaten bei muttersprachlich deutschen Ju-
gendlichen in Namibia, deren Alltag mehrsprachig Deutsch-Englisch-Afrikaans
geprägt ist. (4) gibt ein Beispiel für eine Äußerung, in der gibs ebenfalls mit No-
26Wiese & Duda (2012). Solche eindeutigen Nominativformen sind möglicher-
weise auf jüngere Sprecher/innen beschränkt, vor allem auf solche im Vorschulalter,
bei denen gibs noch viel häufiger aufzutreten scheint als bei Jugendlichen und Er-
wachsenen. Hierzu stehen jedoch systematische Untersuchungen noch aus.
27 Vgl. hierzu ausführlich Wiese (2013b).
13
minativ-Ergänzung verwendet wird (hier, ähnlich wie in (3) oben durch den mas-
kulinen Singular vom Akkusativ unterscheidbar):28
(4) da gibs auch n berühmter SÄNger hier in namibia
Im Kontext des Namibiadeutschen spielt Türkisch keine Rolle. Wir finden hier
aber, wie im urbanen Deutschland, eine aktiv mehrsprachige Sprechergemein-
schaft vor. Dies weist darauf hin, dass für die Entwicklung von gibs als Existenz-
partikel die binnenstrukturelle Dynamik des Deutschen eine entscheidende Rolle
spielt, schließt dabei aber nicht aus, dass diese Dynamik im Fall von Kiezdeutsch
durch den Einfluss des Türkischen noch zusätzlich gestützt wird.
Eine Entwicklung, die noch einen Schritt weiter von direktem Transfer ent-
fernt ist, ist der Gebrauch bloßerNominalphrasen als Lokalangaben. (5) und (6)
geben Beispiele hierfür aus Kiezdeutsch und seinem englischen Pendant, dem
Multicultural London English:
(5) ich war grad alexanderplatz und hab ein AUtounfall gesehn29
(6) cos my mum sent me shop three times30
Abbildung 3 zeigt die Konstruktion in einer Kritzelei an einer Toilettentür (Kotti
ist hier ein Kürzel für das Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg, ein Verkehrskno-
tenpunkt und beliebter Treffpunkt;Bra ist ein Fremdwort aus dem US-
Amerikanischen (von „brother“), das jugendsprachlich als Anredeform genutzt
wird).
Abbildung 3:Bloße Lokal-NP in einer Toiletten-Kritzelei
Der Entfall der Präposition in Kiezdeutsch könnte prima facie durch das Türki-
sche gestützt werden, das für Lokalangaben ebenfall keine Präpositionen nutzt.
Zum einen gibt das Türkische stattdessen jedoch ein komplexes System nomina-
ler Suffixe vor, für die es hier kein Pendant gibt. Zum anderen können Präpositio-
nen in Kiezdeutsch nur unter bestimmten Bedingungen entfallen, die sich nicht
28 Fieldnotes, Windhoek 2013.
29 Wiese (2013a:224).
30 aus: English Language Teaching Resources Archive, Department of Linguis-
tics, QMUL (Jenny Cheshire et al.), http://linguistics.sllf.qmul.ac.uk/english-
language-teaching), transcript Courtney and Aimee.
14
mit dem türkischen Muster decken, nämlich z.B. nicht bei Determinantien (Pro-
nomen, Artikel) und nicht bei „woher“-Gefügen, bei denen der NP-Referent die
Quelle einer direktionalen Angabe ist (woher: „Ich komme vom Kotti.“ vs.
wo/wohin: „Ich bin/gehe Kotti.“).31
Dagegen bietet das Deutsche auch außerhalb von Kiezdeutsch ein Muster für
bloße lokale Nominalphrasen, wenn auch auf eine spezifischere Domäne be-
schränkt: In Angaben zu Haltestellen werden im gesprochenen Deutschen gene-
rell häufig Konstruktionen ohne Präposition und Artikel verwendet („Wir sind
Hauptbahnhof.“ / „Sie müssen Alexanderplatz umsteigen.“), teilweise findet man
dies auch in der geschriebenen Sprache, etwa in Zeitungstexten, und zumindest
für den mündlichen Bereich wurde dieser Gebrauch bereits Anfang des
20.Jahrhunderts beschrieben.32 Dies muss nicht zwingend der Auslöser für die
erweiterte Verwendung bloßer lokaler NPs in Kiezdeutsch sein, es zeigt aber,
dass das Deutsche eine solche Konstruktion grundsätzlich zulässt und damit bin-
nenstrukturell offen ist für diese Entwicklung, auch ohne eine kontaktsprachliche
Stützung.
Ein Bereich noch weiter am Ende der Skala, an dem direkte kontaktsprachli-
che Einflüsse keine Rolle mehr spielen, ist vermutlich die Möglichkeit einer
Verbdritt-Stellung (V3) in Deklarativsätzen, die sprachübergreifend für neue
urbane Dialekte germanischer V2-Sprachen beschrieben wurde. Die folgenden
Beispiele illustrieren das Muster mit Daten aus dem Deutschen, Schwedischen,
Dänischen und Norwegischen:33
(7) dann ich wollte so über AMpel gehen
(8) å sen dom får de(t) [= den] brevet
und dann sie bekommen den Brief
(9) Normalt man går på ungdomsskolen
normalerweise man geht zum Jugendclub
(10) I dag hun lagde somalisk mat
heute sie macht somalisches Essen
Diese Konstruktionen treten nicht durchgehend auf, sondern werden nur einge-
schränkt verwendet, es überwiegen Deklarativa (und andere Satztypen) mit stan-
dardsprachlicher Verbstellung. Die Verwendung dieser V3-Sätze unterscheidet
sich damit von dem oberflächlich ähnlichen Muster der strikten SVO-Stellung,
die auf frühen Stufen des Fremdspracherwerbs auftritt. Wie Wiese (2009; 2012;
31 Vgl. hierzu unter anderem Wiese (2012; 2013a), Auer (2013).Möglicherweise
gilt dies auch für das Multicultural London English, hier liegen jedoch noch keine
ausführlichen grammatischen Analysen vor.
32Vgl. Wiese (2012: Kap. 3.3); Wiese (2013a).
33(7) aus Pohle (2013:99), Versalien signalisieren Hauptakzente; (8) aus Ganuza
(2008:111); (9) aus Quist (2000:152); (10) aus Freywald et al. (2013:8).
15
2013a), Freywald et al. (2013), Schalowski (2014) zeigen, findet hier vielmehr
eine funktionale Differenzierung statt: V3-Deklarativa nutzen und erweitern die
Rolle des Vorfelds germanischer V2-Sprachen bei der Markierung pragmatischer
Funktionen, indem sie hier nicht nur ein, sondern zwei Elemente, nämlich Topiks
gemeinsam mit Diskurs-Linking-Elementen (z.B. dann, sen, vgl.(7)und (8)) oder
Rahmensetzern (etwa i dag, vgl. (10)),vor dem finiten Verb zulassen. Zu dieser
Einbettung in dietopologische Satzstruktur der Majoritätssprachen passt auch,
dass beispielsweise in Kiezdeutsch, wie (7) illustriert,anders als bei SVO-Stellung
die Verbklammer in V3-Sätzen erhalten bleibt. Der mehrsprachige Kontext wird
hier somit nicht in Form von Transfer aus Sprachkontaktsituationen wirksam,
sondern stützt die Entwicklung ausschließlich auf einer abstrakteren Ebene, in-
dem er neuen urbanen Dialekten durch die größere Offenheit gegenüber sprachli-
cher Variation und Innovation eine besonders Dynamik verleiht.
Ein letztes Beispiel, das quasi das Extremum auf dieser Skala markiert, sind
Nichtstandard-Phänomene, bei denen sich neue urbane Dialekten nicht qualitativ
von anderen Varianten unterscheiden, sondern die hier nur quantitativ stärker
ausgeprägt oder salienter ist. Ein solcher Fall liegt etwa bei einigen interessanten
Verwendungsweisen von deutsch so und seinen Pendants im Schwedischen und
Norwegischen, sån und sånn, vor. Diese Elemente können neben ihrer Kernver-
wendung als Inhaltswörter mit modal-indexikalischer Bedeutung auch in seman-
tisch gebleichter Form gebraucht werden und hier zu einem grammatischen oder
pragmatischen Funktionswort werden. Im ersten Fall können sie Determinierer-
funkionen erfüllen, im zweiten fungieren sie als Fokusmarker.34(11) und (12)
geben Beispiele, in denen die Determiniererfunktion (11) bzw. die als Fokusmar-
ker (12) im Vordergrund steht:35
(11) (a) jeg så på sånn proGRAM på tvnorge (.) [Norwegisch]
ichguckte auf so Program auf TVNorge
„Ich habe so‘n Programm auf TVNorge gesehen.“
(b) Ich such nicht so Ausbildungsplatz, ich such richtige Arbeit.
(c) … und so so Polin war auch da.
(12) (a) men de(t) e såhär roliga ORD som kommer ibland[Schwedisch]
aber es ist so komische Wörter diekommen manchmal
„Aber es kommen manchmal so komische Wörter.“
(b) das sieht so INdisch aus.
Einige dieser Verwendungsweisen können auch in anderen Varianten der betref-
fenden Majoritätssprachen, außerhalb neuer urbaner Dialekte, nachgewiesen wer-
34 Vgl. Ekberg et al. (2014) für eine ausführliche sprachvergleichende Diskussion.
35(11a) und (12a) aus Ekberg et al. (2014), (11b) aus Wiese (2006:256), (11c) aus
Dirim & Auer (2004: 209), (12b) aus Wiese (2011:992).
16
den. So findet Ekberg (2010) die hier beschriebenen Verwendungen im Fall des
schwedischen sånn auch in stärker monolingualen Kontexten, und Wiese
(2011),Wiese et al. (2012) zeigen für so, dass dieses Element auch außerhalb von
Kiezdeutsch als Fokusmarker im gesprochenen Deutschen auftritt und dort den-
selben Mustern unterliegt, mit einem lediglich quantitativen Vorteil bei Kiez-
deutsch.36 Neue urbane Dialekte zeigen sich hier deutlich als integraler Bestand-
teil im Spektrum der jeweiligen Majoritätssprachen. Sie können allerdings als
Varietäten, die durch ihre spezielle Dynamik besonders viele Innovationen her-
vorbringen, hier einen Kontext liefern, in dem solche Entwicklungen besonders
ausgeprägt oder salient sind.
5. Sprachgebrauch: Diversität und Repertoire
Zum Gebrauch neuer urbaner Dialekte gibt es zwei zentrale, sprachen- und län-
derübergreifende Befunde: Sie sind nicht an bestimmte Herkunftssprachen oder
„Ethnien“ gebunden, und sie sind grundsätzlich Teil eines größeren Repertoires,
in dem sie spezifisch mit informellen Peer-Group-Situationen assoziiert sind.
Der erste Punkt, die Diversität der Sprechergemeinschaft, motiviert die oben
(in Abschnitt 3) erwähnte Charakterisierung dieser neuen Dialekte als „Multieth-
nolekte“ oder beispielsweise im Fall von Großbritannien als „MulticulturalLon-
don English“.So stellen Fox et al. (2011: 20) fest:
„unlike the adoption of out-group language used for stylistic purposes described
in earlier work […], Multicultural London English, while drawing on different
ethnic varieties, has become the unselfconscious vernacular of some young peo-
ple regardless of their ethnic origin.“
Neue urbane Dialekte umfassen somit, anders als Ethnolekte i.e.S., grundsätzlich
Sprecher/innen unterschiedlicher,ein- und mehrsprachiger Hintergründe.37
Der zweite Punkt, das weitereRepertoire der Sprecher/innen, reflektiert die in
Abschnitt 2 bereits angesprochene große Diversität urbaner Sprechergemein-
schaften. Traditionelle, regionale Dialekte kommen hier zusammen mit anderen
informellen Varianten von Majoritätssprache und unterschiedlichen Herkunfts-
sprachen ebenso wie mit Formen des Zweit- und Fremdspracherwerbs und unter-
schiedlichen Mustern von Sprachwechsel und Sprachmischung in mehrsprachigen
Kontexten.
36 Eine Determiniererfunktion von so wurde für das Deutsche außerhalb von
Kiezdeutsch bislang noch nicht beschrieben; vgl. aber Hole & Klumpp (2000) zur
Entwicklung von son als neue Artikelform des Deutschen, die dem hier beschriebenen
Gebrauch zumindest ähnlich ist.
37 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Jaspers (2008) zu einer Kritik der Al-
loethnisierung der betreffenden Sprecher/innen durch den Begriff „Ethnolekt“.
17
Als Mitglieder solcher Gemeinschaften sind die Sprecher/innen neuer urbaner
Dialekte nicht nur mit einer entsprechend großen Bandbreite innerhalb der jewei-
ligen Majoritätssprache vertraut, sondern kommen regelmäßig auch mit Varietä-
ten anderer Sprachen in Kontakt, die nicht Teil ihres ursprünglichen sprachlichen
Hintergrundes sind, etwa Türkisch im Fall einsprachig deutscher oder zweispra-
chig deutsch-arabischer Sprecher/innen in Deutschland. Dies führt typischerweise
dazu, dass sie sich zumindest einige Wörter und kurze Routinen aneignen,oft
jedoch auch weitaus mehr, bis hin zu Kompetenzen, die ihnen eine Teilnahme an
informellen Gesprächen in der betreffenden Sprache erlauben.
Dirim & Auer (2004: Kap.6) beschreiben dies beispielsweise für Türkisch-
kompetenzen von Sprecher/inne/n einsprachig deutschen Hintergrundes in
Deutschland. Die folgende Passage aus einem Interview mit einem Jugendlichen
aus Berlin-Kreuzberg illustriert die Integration des Türkischen in das Repertoire
eines arabisch-deutschen Sprechers.38 DieHerkunftssprachedes Sprechers ist Ara-
bisch, er erwähnte uns gegenüber aber, dass erauch Türkisch spreche, und erklär-
te:
„Ich hab viele türkische Freunde, und davon lernt man das halt. […] Z.B. die
telefonieren, wenn die, sagen wir mal, mit deren Familie spricht, und da fragt
man halt, „Das hat sich gut angehört, was heißt das denn?“ Und dann benutzt
man das halt auch, z.B. indem man das mit dem Deutschen, der deutschen Spra-
che so switcht.”
Im Bereich der Majoritätssprachen sind neue urbane Dialekte auf Spre-
cher/innen-Ebene Teil eines Repertoires, das weitere, informelle und formelle,
Varianten umfasst.39 Die folgende Zusammenstellung einiger Beispiele aus Ab-
schnitt 3 mit Produktionen standardnaher Pendants durch dieselben Spre-
cher/innen illustriert dies:40
(13) (a)ich war grad alexanderplatzund hab ein AUtounfall gesehn
[Gespräch mit einer Freundin; bloße NP]
(b)ich hab ähm auf meine FREUndin gewartet am alexanderplatz
[Gespräch mit einem Erwachsenen; PP[DP]]
(14)(a)dann ich wollte so über AMpel gehen
38 Wiese (2013a: 239). Vgl. auch bereits Kotsinas (1992) zu ähnlichen Daten aus
Schweden, Nortier (2000) zu den Niederlanden.
39 Vgl. exemplarisch Kotsinas (1992), Bodén (2004) und Ganuza (2008) zum
Schwedischen, Hewitt (1992) zum Englischen, Quist (2000; 2010) zum Dänischen,
Wiese (2006) und Auer (2013) zum Deutschen, Nortier & Dorleijn (2008) und Cor-
nips (2008) zum Niederländischen, Svendsen & Røyneland (2008) und Opsahl &
Nistov (2010) zum Norwegischen.
40(13) aus Wiese (2013a:224), (14) aus Pohle (2013:99), (15) aus Ganuza
(2008:111).
18
[Gespräch mit einem Freund; V3]
(b)dann ist plötzlich ein AUto gekommen
[Gespräch mit einem Erwachsenen; V2]
(15)(a) å sen dom får de(t) [= den] brevet
und dann sie bekommen den Brief
[Gespräch unter Jugendlichen allein; V3]
(b) å sen så förstå(r) rom [: dom]
und dann PARTverstehen sie
[Gespräch in Anwesenheit eines Lehrers; V2]
Wie die Gegenüberstellung der Beispiele in (a) vs. (b)unterstreicht, ist der Ge-
brauch neuer urbaner Dialekte mit informellen Peer-Group-Situationen assoziiert,
weniger mit formelleren Kontexten. Sie sind damit nicht Ausdruck eingeschränk-
ter Optionen in der betreffenden Majoritätssprache, sondern einerselektiven, si-
tuationsspezifischen Wahl. So stellt Ganuza (2008) im Rahmen einer größeren
Studie zum Schwedischen im mehrsprachigen urbanen Raum fest, dass Spre-
cher/innen Deklarativsätze, die dem V3-Muster41 folgen, vor allem in Gesprächen
mit Peers nutzten, und hier besonders dann, wenn sie in das Gesprochene beson-
ders involviert waren.Opsahl & Nistov (2010) finden im Norwegischen eine ähn-
liche Wortstellung mehr als drei Mal so häufig in Peer-Group-Gesprächen wie in
Interviews, beineun Sprecher/inne/n (unterschiedlichen sprachlichen Hinter-
grunds)warsie ausschließlich auf Peer-Group-Unterhaltungen beschränkt.
Dies hat generelle Implikationen auch für die Methodik empirischer Datener-
hebungen. Zum einen legen die Befunde nahe, unterschiedlicheKommunikations-
situationen einzubeziehen, wenn die Bandbreite möglicher Optionen auf Spre-
cherseite erfasst werden soll. Dies wird beispielsweise im schwedischen SUF-
Projekt („Language and Language Use Among Young People in Multilingual
Urban Settings“) realisiert, einem größeren Verbundprojekt, das systematisch
mündliche und schriftliche, spontane und elizitierte Sprachdaten aus unterschied-
lichen formellen und informellen Kontexten erhebt und damit nicht nur breite
Sprecherrepertoires erfassen kann, sondern auch gezielte Studien zur Interaktion
von Sprache und Identität im urbanen Raum ermöglicht.42
Zum anderen heben die Befunde innerhalb dieser Bandbreite die Relevanz
von Peer-Group-Gesprächen als zentralen Erhebungsort für sprachstrukturelle
Untersuchungen zu neuen urbanen Dialekten hervor. Besonders geeignet sind
damit spontansprachliche Daten der Sprecher/innen in informellen Geprächen
untereinander, wie sie etwa auf der Basis von Eigenaufnahmen für das Deutsche
41 Ganuza (2008) spricht dabei von „non-inversions“, nicht von „V3“, bezieht
sich aber auf dieselben Muster.
42 Vgl. Källström & Lindberg (Hg.) (2011).
19
im KiDKo („KiezDeutsch-Korpus“)43 oder für das Norwegische im UPUS-
Korpus („Developmental Processes in Urban linguistic Settings“)44 verfügbar
sind.
Demgegenüber liefern Gespräche mit externen Interviewer/inne/n oft stärker
formelle Sprache – Hinskens (2011) schließt daher beispielsweise in einer Studie
mit Gruppengesprächen alle Äußerungen der Sprecher/innen, die an
den/dieFeldforscher/ingerichtet wurden, systematisch von der Analyse aus –, und
in Akzeptanztests tendieren Sprecher/innen in ähnlicher Weise dazu, stan-
dardsprachliche Muster zu fokussieren.
Ganuza (2008) nutzt Letzteres, um zu untersuchen, inwieweit die von ihr un-
tersuchten Sprecher/innen auch auf standardsprachliches Schwedisch in ihrem
Repertoire zugreifen konnten, und stellt fest, dass die Mehrheit der Teilneh-
mer/innen mit den standardschwedischen Worstellungsnormen vertraut waren,
unabhängig davon, ob sie davon abweichende V3-Muster in informellen mündli-
chen Gesprächen produzierten. Für das Norwegische zeigt Aarsæther (2008), dass
auch hier das Repertoire der Sprecher/innen neben dem urbanen Dialekt stan-
dardsprachliche Kompetenzen umfasst:
„both reported and observed data show that by far the large majority of the
speakers command both standard-like South-Eastern Norwegian and multiethnic
youth language.“ (Aarsæther 2008:125)
Für Deutschland liegt bislang noch keine umfassende Repertoire-Studie zum
urbanen Dialekt mit jugendlichen Sprecher/inne/n unterschiedlicher Herkunfts-
sprachen vor; bereits Keim & Knöbl (2007) belegen jedoch den situationsbeding-
ten Wechsel türkischstämmiger Jugendlicher von ethnolektal geprägten Formen
in den Standard.45Metasprachliche Daten aus Interviews und Akzeptanztests wei-
sen zudem auf eine bewusste Wahl von Kiezdeutsch für informelle Gespräche im
Freundeskreis.46
43www.kiezdeutschkorpus.de; vgl. Wiese et al. (2012), Rehbein & Schalowski
(2014).
44 Vgl. unter anderem Aarsæther (2008), Svendsen & Røyneland (2008), Opsahl
& Nistov (2010), Freywald et al. (2013), Ekberg et al. (2014).
45 Dennoch sieht Dittmar (2013:202f) ein ernstes „Registerproblem“ und be-
hauptet, „Über einen innovativen Dialekt […] könnten wir uns noch mehr freuen,
wenn klar wäre, dass die Sprecher dieser neuen „Redekunst“ sich auch in allen for-
mellen kommunikativen Gattungen via standardnahes Sprechen behaupten können.
Ich rate hier zur Vorsicht: Wir sollten genau hinschauen und bei aller Sympathie für
den kreativen sprachlichen Wildwuchs keine Gelegenheit auslassen, darauf hinzuwei-
sen, dass die MED [„multiethnisch geprägtes Deutsch“, H.W.]-SprecherInnen […]
sich auch im deutschen Standard üben müssen – nur so können sie wertvolle, unver-
zichtbare Mitgestalter und kreative Sprachveränderer unserer Gesellschaft sein und in
Zukunft auch bleiben.“
46Vgl. Wiese (2009), Freywald et al. (2011).
20
Zusammengenommen können neue urbane Dialekte damit, als Teil eines brei-
teren Repertoires, zum Ausdruck einer gemeinsamen, Herkunftssprachen und
„Ethnien“ übergreifenden Peer-Group-Identitätdienen. Sie kennzeichnen Zugehö-
rigkeit im Alltag mehrsprachiger urbaner Wohngebiete, der Jugendliche unter-
schiedlicher Herkunftssprachen, einschließlich der Majoritätssprache, zusammen-
bringt.
6. Fazit und Ausblick
Der vorliegende Beitrag hat neue Varianten von Majoritätssprachen, wie sie sich
heute im mehrsprachigen urbanen Europa entwickeln, als neue urbane Dialekte
beschrieben. Diese Perspektive erlaubte es uns, systematische Charakteristika auf
sprachstruktureller Ebene ebenso zu berücksichtigen wie ihre Variation in unter-
schiedlichen sprachlichen und sozialen Kontexten, ähnlich wie wir dies für tradi-
tionelle, stärker regional gebundene Dialekte kennen. Gegenüber letzteren werden
neue urbane Dialekte durch eine sprachlich besonders vielfältige Sprecherge-
meinschaft gestützt, die unterschiedliche ein- und mehrsprachige Repertoires
einbringt.
Die Metapher des Feature Pool, die für die vielfältigen sprachlichen Ressour-
cen vorgeschlagen wurde, auf die diese Sprechergemeinschaft zugreifen kann,
wurde hier ergänzt durch eine Metapher des Feature Pond, die das Ergebnis die-
ses Zugriffs nicht als beliebige, unstrukturierte Zusammenstellung beschreibt,
sondern als System ineinandergreifender Elemente: Neue urbane Dialekte basie-
ren nach dieser Auffassung auf einer reichen sprachlichenÖkologie, die interagie-
rende Muster auf verschiedenen sprachlichen Ebenen hervorbringt. Spre-
cher/innen wählen aus diesem Netzwerk systematisch je nach Gesprächssituation
aus. Dies stützt eine integrative Sichtweise, die uns erlaubt, Charakteristika dieser
Sprechweisen als Stil vs. Varietät gleichermaßen zu erfassen. Wir können so die
Systematik auf sprachlicher Ebene anerkennen, ohne diegezielte Wahl, die Spre-
cher/innen jeweils treffen, zu vernachlässigen.
In den vorangegangenen Abschnitten habe ich neue urbane Dialekte in Euro-
pa unter dieser Perspektive beschrieben und hierbei Befunde zu Sprachstruktur
und Sprachgebrauch zusammengebracht. Neue Dialekte im mehrsprachigen urba-
nen Europa stellten sich vor diesem Hintergrund dar als Neuzugänge zum sprach-
lichen Spektrum der jeweiligen Majoritätssprachen, die durch eine besondere
sprachliche Dynamik charakterisiert sind. Der sprachlich heterogene, durch viel-
fältige Sprachkontaktsituationen gekennzeichnete Kontext stützt eine charakteris-
tische Offenheit gegenüber sprachlicher Variation und erlaubt es diesen neuen
Dialekten, interne, binnenstrukturelle Entwicklungen der Majoritätssprachen
besonders leicht aufzunehmen. Wie die Beispiele zur Sprachstruktur illustrierten,
sind sie entsprechend gekennzeichnet durch ein komplexes, je unterschiedlich
21
gewichtetes Zusammenspiel von Sprachkontakt und binnenstrukturellen Entwick-
lungstendenzen.
Diese Dialekte fügen der Dynamik, die urbane Sprache generell auszeichnet,
damit eine neue Qualität hinzu. Eine solche Dynamik findet sich, wie hier deut-
lich wurde, auch auf Sprecherebene: Neue urbane Dialekte entstehen in Sprecher-
gemeinschaften, die durch vielfältige, heterogene sprachliche Repertoires ge-
kennzeichnet sind. In diesen Repertoires stehen sie neben weiteren, informellen
und formellen, Varianten der betreffenden Majoritätssprachen ebenso wie solchen
aus anderen Sprachen, wobei Kenntnisse anderer Sprachen nicht an die Grenzen
von Herkunftssprachen gebunden seinmüssen. Sprecherrepertoires in solchen
sprachlich vielfältigen Gemeinschaften überschreiten damit herkömmliche Unter-
scheidungen von ein- und mehrsprachigen Sprecher/inne/n ebenso wie die von
„native vs. non-native speakers“ der Majoritätssprachen.
Neue urbane Dialekte stellen damit eine sprachwissenschaftlich besonders in-
teressante empirische Domäne dar. Ihr sprachlich heterogener Kontext bietet nicht
nur ein außergewöhnlich vielversprechendes „Labor“, um die Rolle des Sprach-
kontakts für Sprachwandel zu untersuchen. Durch ihre Dynamik können sie auch
ein Licht auf Spannungsfelder im sprachlichen System werfen, auf Bereiche mit
besonderem Entwicklungspotential, in denen die Interaktion unterschiedlicher
grammatischer und pragmatischer Subsysteme neue sprachliche Varianten moti-
viert.Die heterogenen und variablen Repertoires, in die diese Entwicklungen ein-
gehen, erlauben dabei durch ihre Sprecher/innen- und Sprachenvielfalt einen
besonderen Zugangzum Konnex von Sprache und Identität, der situationsspezifi-
schen Wahl bestimmer Varianten und der einstellungsbezogenen Faktoren, die
hierbei eine Rolle spielen.
Neue urbane Dialekte können damit über ihren spezifischen Phänomenbe-
reich hinaus einen fruchtbaren Beitrag für unser Verständnis der vielfältig mitei-
nander verwobenen Bereiche Sprachvariation, Sprachwandel und Sprachpraxis
leisten: Untersuchungen in diesem Bereich sind besonders geeignet, das Zusam-
menspiel von Sprachkontakt und Sprachentwicklung, das in ihrer Ausbildung
deutlich wird, mit soziolinguistischen Fragestellungen zu verbinden. Wir finden
für diese empirische Domäne heute ein noch junges, jedoch rasch wachsendes
und hochproduktives Forschungsfeld vor, das bereits eine ganze Reihe neuer
Befunde und Ansätze hervorgebracht hat und für die Zukunft, gerade mit der
Zunahme disziplinen- und sprachübergreifender Untersuchungen, weitere interes-
sante Erkenntnisse verspricht.
Literaturnachweis
Aarsæther, Finn (2010). The use of multiethnic youth language in Oslo. In: Quist
& Sevendsen (Hg.), S.111-126.
22
Auer, Peter (2013). Ethnische Marker im Deutschen zwischen Varietät und Stil.
In: Arnulf Deppermann (Hg.), Das Deutsch der Migranten [IDS Jahrbuch
2012]. Berlin, New York: de Gruyter. S.9-40.
Auer, Peter, & Hinskens, Frans (1996). The convergence and divergence of dia-
lects in Europe. New and not so new developments in an old area. Sociolin-
guistica 10: 1-30.
Blommaert, Jan (2013). Ethnography, Superdiversity and Linguistic Landscapes
Chronicles of Complexity. Clevedon et al.: Multilingual Matters.
Blommaert, Jan; Rampton, Ben, & Spotti, Massimiliano (Hg.) (2011). Language
and Superdiversities. Diversities [Special Issue] 13;2.
Bodén, Petra (2004). A new variety of Swedish? In Steve Cassidy, Felicity Cox,
Robert Mannell & Sallyanne Palethorpe (Hg.), Proceedings of the Tenth
Australian International Conference on Speech Science and Technology.
Macquarie University, Sydney, 8th–10th December, 2004. Sydney: Aus-
tralian Speech Science and Technology Association. S.475-480.
Boeschoten, Hendrik (2000). Convergence and divergence in migrant Turkish. In:
Klaus Mattheier (Hg.), Dialect and Migration in a Changing Europe. Frank-
furt / Main: Peter Lang. S.145-154.
Britain, David (2002). Space and spatial diffusion. In: Jack K. Chambers, Peter
Trudgill & Nathalie Schilling-Estes (Hg.), The Handbook of Language Var-
iation and Change. London: Blackwell. S.603-637.
Chambers, Jack K., & Trudgill, Peter (1980). Dialectology. Cambridge: Cam-
bridge University Press.
Clyne, Michael (2000). Lingua franca and ethnolects in Europe and beyond. So-
ciolinguistica 14: 83-89.
Cornips, Leonie (2008). Losing grammatical gender in Dutch: The result of bilin-
gual acquisition and/or an act of identity? International Journal of Bilin-
gualism 12;1&2: 105-124.
Ekberg, Lena (2010). Extended uses of sån 'such' among adolescents in a multi-
lingual context. In Quist& Svendsen (Hg.), S.17-30.
Ekberg, Lena; Opsahl, Toril, & Wiese, Heike (2014). Functional gains: a cross-
linguistic case study of three particles in Swedish, Norwegian, and German.
Ersch. in: Jacomine Nortier & Bente A. Svendson (Hgs.), Language, Youth,
and Identity in the 21st Century. Oxford University Press. Kap.4.
Extra, Guus, & Yağmur, Kutlay (2004). Demographic perspectives. In: dies.
(Hg.), Urban Multilingualism in Europe. Clevedon et al.: Multilingual Mat-
ters. S.25-72 (Kap.3).
Fought, Carmen (2002). Ethnicity. In: Jack K. Chambers, Peter Trudgill &
Nathalie Schilling-Estes (Hg.), The Handbook of Language Variation and
Change. London: Blackwell. S.444-472.
Fox, Sue; Khan, Arfaan, & Torgersen, Eiving (2011). The emergence and diffu-
sion of Multicultural London English. In: Kern & Selting (Hg.), S.19-44.
23
Fraurud, Kari, & Bijvoet, Ellen (2004). Multietniska ungdomsspråk och andra
varieteter av svenska i flerspråkiga miljöer. In: Kenneth Hyltenstam & In-
ger Lindberg (Hg.), Svenska som andraspråk. Lund: Studentlitteratur.
S.377-405.
Freywald, Ulrike; Cornips, Leonie; Ganuza, Natalia; Nistov, Ingvild, & Opsahl,
Toril (2013). Urban vernaculars in contemporary northern Europe: Innova-
tive variants of V2 in Germany, Norway and Sweden. Working Papers in
Urban Language and Literacies 119 (ed. Ben Rampton et al.). King’s Col-
lege London.
Freywald, Ulrike; Mayr, Katharina; Özçelik, Tiner, & Wiese, Heike (2011).
Kiezdeutsch as a multiethnolect. In: Kern & Selting (Hg.) (2011), S.45-73.
Ganuza, Natalia (2008). Syntactic Variation in the Swedish of Adolescents in
Multilingual Urban Settings. Subject-Verb Order in Declaratives, Ques-
tions and Subordinate Clauses. Dissertation, Stockholm University, Centre
for Research on Bilingualism. Stockholm: Stockholm Universitet.
Hewitt, Roger (1992). Language, youth and the destabilization of ethnicity. In
Cecilia Palmgren, Karin Lövgren & Goran Bolin (Hg.), Ethnicity in Youth
Culture. Stockholm: Stockholm University. S.27-41.
Hinskens, Frans (2007). New types of nonstandard Dutch. In: Christian Fandrych
& Reinier Salverda (Hg.), Standard, Variation und Sprachwandel in den
germanischen Sprachen. Tübingen: Narr [Studien zur deutschen Sprache
41]. S.281-300.
Hinskens, Frans (2011). Emerging Moroccan and Turkish varieties of Dutch:
ethnolects or ethnic styles? In Kern & Selting (Hg.), S.101-139.
Hole, Daniel, & Klumpp, Gerson (2000). Definite type and indefinite token: the
article ‘son’ in colloquial German. Linguistische Berichte 182: 231-244.
Jaspers, Jürgen (2008). Problematizing ethnolects: Naming linguistic practices in
an Antwerp secondary school. International Journal of Bilingualism 12: 85-
103.
Källström, Roger, & Lindberg, Inger (Hg.) (2011). Young Urban Swedish. Varia-
tion and Change in Multilingual Settings. University of Gothenburg.
Keim, Inken (2007). Die „türkischen Powergirls“. Lebenswelt und kommunikati-
ver Stil einer Migrantinnengruppe in Mannheim. Tübingen: Narr [Studien
zur deutschen Sprache Bd. 39].
Keim, Inken (2010). Sprachkontakt: Ethnische Varietäten. In: Hans-Jürgen
Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen & Claudia Riemer (Hg.),
Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Berlin, New York: de Gruyter
[HKS 35;1]. S.447-457.
Keim, Inken, & Knöbl, Ralf (2007). Sprachliche Varianz und sprachliche Virtuo-
sität türkischstämmiger Ghetto-Jugendlicher in Mannheim. In: Christian
Fandrych & Reinier Salverda (Hg.), Standard, Variation und Sprachwandel
24
in germanischen Sprachen. Tübingen: Narr [Studien zur deutschen Spra-
che]. S.157-199.
Kern, Friederike, & Selting, Margret (2006). Einheitenkonstruktion im Türken-
deutschen: Grammatische und prosodische Aspekte. Zeitschrift für
Sprachwissenschaft 25:2: 239-272.
Kern, Friederike, and Margret Selting (Hg.) (2011). Ethnic Styles of Speaking in
European Metropolitan Areas. Amsterdam, Philadelphia: Benjamins.
Kerswill, Paul (2002). Koineization and accomodation. In: Jack K. Chambers,
Peter Trudgill & Nathalie Schilling-Estes (Hg.), The Handbook of Language
Variation and Change. London: Blackwell. S.669-702.
Kerswill, Paul, & Williams, Ann (2000). Creating a new town koine: children and
language change in Milton Keynes. Language in Society 29: 65-115.
Kotsinas, Ulla-Britt (1988). Immigrant children’s Swedish – a new variety? Jour-
nal of Multilingual and Multicultural Development 9;1-2:129-140.
Kotsinas, Ulla-Britt (1992). Immigrant adolescents’ Swedish in multicultural
areas. In: Cecilia Palmgren, Karin Lövgren, & Göran Bolin (Hg.), Ethnicity
in Youth Culture. Stockholm: Stockholms Universitet [Youth Culture at
Stockholm University]. S.43-62.
Labov, William (1972). Language in the Inner City. Studies in Black English
Vernacular. Philadelphia: University of Pennsylvania Press.
Löffler, Heinrich, & Hofer, Lorenz (Hg.), Stadtsprachenforschung – Ein Reader.
2 Bände. Hildesheim, Zürich, New York: Olms.
Mufwene, Salikoko. S. (2001). The Ecology of Language Evolution. Cambridge:
Cambridge University Press.
Nortier, Jacomine (2000). Street language in the Netherlands. In: Anna-Brita
Stenström, Ulla-Britt Kotsinas & Eli-Marie Drange (Hg.), Ungdommers
språkmøter, Nord 20. Kopenhagen: Nordisk Ministerråd. S.129-139.
Nortier, Jacomine, & Dorlein, Margreet (2008). A Moroccan accent in Dutch: a
sociocultural style restricted to the Moroccan community? International
Journal of Multilingualism 12 (1&2): 125-142.
Nortier, Jacomine, & Svendsen, Bente A. (Hg.) (2014). Language, Youth, and
Identity in the 21st Century. Oxford University Press.
Opsahl, Toril, & Nistov, Ingvild (2010). On some structural aspects of Norwegian
spoken among adolescents in multilingual settings in Oslo. In: Quist &
Svendsen (Hg.), S.49-64.
Pohle, Maria (2013). Registerdifferenzierung bei Kreuzberger Jugendlichen. Mas-
terarbeit (Betreuerin: H. Wiese), Institut für Germanistik, Universität Pots-
dam.
Quist, Pia (2000). Ny kobenhavnsk “multietnolekt.” Om sprogbrug blandt unge i
sprogligt ogkulturelt heterogene miljoer. Danske Talesprog. Bd 1, S.143 –
212. Institut for DanskDialektforskning. Kopenhagen: C. A. Reitzels For-
lag.
25
Quist, Pia (2005). Stilistiske Praksisser i Storbyens Heterogene Skole. En etno-
grafisk og sociolingvistiskundersøgelse af sproglig variation. Dissertation,
Nordisk Forskningsinstitut,afd. for dialektforskning. Universität Kopenha-
gen.
Quist, Pia (2008). Sociolinguistic approaches to multiethnolect: Language variety
and stylistic practice. International Journal of Bilingualism 12: 43-61.
Quist, Pia (2010). Untying the language-body-place connection: a study on lin-
guistic variation and social style in a Copenhagen community of practice.
In: Peter Auer & Jürgen Erich Schmidt (Hg.), Language and Space: Theo-
ries and Methods. Berlin, New York: de Gruyter [HSK 30.1]. S.632-648.
Rampton, Ben (1995). Crossing: Language and Ethnicity Among Adolescents.
London: Longman.
Rampton, Ben (2010). From ‘multi-ethnic urban heteroglossia’ to ‘contemporary
urban vernaculars’. Working Papers in Urban Language & Literacies 61.
London: King’s College
Rampton, Ben (2013). From ‘Youth Language’ to contemporary urban vernacu-
lars. In: Arnulf Deppermann (Hg.), Das Deutsch der Migranten [IDS Jahr-
buch 2012]. Berlin, New York: de Gruyter. S.59-80.
Rehbein, Ines, & Schalowski, Sören (2014). „STTS goes Kiez.“ Experiments on
annotating and tagging urban youth language. Erscheint in: Journal for
Language Technology and Computational Linguistics (Themenheft „Das
STTS-Tagset für Wortartentagging - Stand und Perspektiven“).
Rehbein, Jochen (2001). Turkish in European societies. Lingua e Stile 36: 317-
334.
Scarvaglieri, Claudio, & Zech, Claudia (2013). „ganz normale Jugendliche, aller-
dings meist mit Migrationshintergrund“. Eine funktional-semantische Ana-
lyse von „Migrationshintergrund“. Zeitschrift für angewandte Linguistik 1:
201-227.
Schalowski, Sören (2014). From adverbial to discourse connective: the function
of German 'dann' and 'danach' in non-canonical prefields. Erscheint in: Mir-
jam Fried & Eva Leheckova (Hg.), Connectives as a Functional Category:
Between Clauses and Discourse Units. Amsterdam: Benjamins.
Schroeder, Christoph (2007). Integration und Sprache. APuZ 22/23: 6-12.
Selting, Margret (2011). Prosody and uni-construction in an ethnic style: the case
of Turkish German and ist use and function in conversation. In: Kern &
Selting (Hg.), S.131-159.
Svendsen, Bente Ailin, & Quist, Pia (Hg.) (2010). Multilingual Urban Scandina-
via: New Linguistic Practices. Clevedon et al.: Multilingual Matters.
Svendsen, Bente Ailin, & Røyneland, Unn (2008). Multiethnolectal facts and
functions in Oslo, Norway. International Journal of Bilingualism 12
(1&2): 63-83.
26
te Velde, John R. (2013). Are Kiezdeutsch and Hochdeutsch on the same page
with V2? Paper presented at GLAC 19, 26.-27.4.2013, University at Buffa-
lo / SUNY.
te Velde, John R. (2014). Temporal adverbs in the Kiezdeutsch left periph-
ery:combining late merge with deaccentuation for V3. Ms., Oklahoma
State University.
Vanderkerckhove, Reinhild (2010). Urban and rural language. In: Peter Auer &
Jürgen Erich Schmidt (Hg.), Language and Space: Theories and Methods.
Berlin, New York: de Gruyter [HSK 30.1]. S.315-332.
Vertovec, Steven (2007). Super-diversity and its implications. Ethnic and Racial
Studies 30;6: 1024-1054.
Warnke, Ingo (2013). Making place through urban epigraphy – Berlin Prenzlauer
Berg and the grammar of linguistic landscapes. Zeitschrift für Diskursfor-
schung 2: 159-181.
Wiese, Heike (2006). „Ich mach dich Messer“ – Grammatische Produktivität in
Kiez-Sprache. Linguistische Berichte 207: 245-273.
Wiese, Heike (2009). Grammatical innovation in multiethnic urban Europe: new
linguistic practices among adolescents. Lingua 119: 782-806.
Wiese, Heike (2012). Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht. München: C.H.
Beck.
Wiese, Heike (2013a). What can new urban dialects tell us about internal lan-
guage dynamics? The power of language diversity. Linguistische Berichte,
Sonderheft 19: 208-245.
Wiese, Heike (2013b). Das Potential multiethnischer Sprechergemeinschaften. In:
Arnulf Deppermann (Hg.), Das Deutsch der Migranten [IDS Jahrbuch
2012]. Berlin, New York: de Gruyter. S.41-58.
Wiese, Heike (2014). Voices of linguistic outrage: standard language constructs
and the discourse on new urban dialects. Working Papers in Urban Lan-
guage and Literacies 120 (ed. Ben Rampton et al.). King’s College London.
Wiese, Heike, & Duda, Sibylle (2012). A new German particle ‘gib(t)s’ – The
dynamics of a successful cooperation. In: Katharina Spalek & Juliane Dom-
ke (Hg.), Sprachliche Variationen, Varietäten und Kontexte. Beiträge zu
psycholinguistischen Schnittstellen. Festschrift für Rainer Dietrich. Tübin-
gen: Stauffenburg. S.39-59.
Wiese, Heike; Freywald, Ulrike; Schalowski, Sören, & Mayr, Katharina (2012).
Das KiezDeutsch-Korpus. Spontansprachliche Daten Jugendlicher aus urba-
nen Wohngebieten. Deutsche Sprache 2: 97-123.
Wölck, Wolfgang (2002). Ethnolects - between bilingualism and urban dialect.
In: Li Wei, Jean-Marc Dewaele & Alex Housen (Hg.), Opportunities and
Challenges of Bilingualism. Berlin, New York: Mouton de Gruyter [Contri-
butions to the Sociology of Language]. S.157-170.
27