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3 Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit
3.1.1 Wie verändert sich das Stadtklima?
Jürgen Baumüller
Wie verändert sich das Stadtklima? – Städte haben ein zum Umland verändertes Klima. Die Städte
sind wärmer, trockener, windstiller und schmutziger. Mehr als 50 % aller Menschen leben inzwischen
in Städten. In Europa sind es über 80%. Durch veränderte Klimabedingungen in der Zukunft sind die
Städte besonders betroffen. Die Gefahren liegen zum einen bei Hochwasserereignissen wie z.B. im Früh-
jahr 2013 in Deutschland und Nachbarländern, zum zweiten aber auch bei Hitzewellen wie im Sommer
2003 in Europa. Da heute schon im Sommer durch den Wärmeinseleffekt in großen Städten Gesund-
heitsprobleme auftreten und in Zukunft sich verstärken werden, ist es notwendig, neben Maßnahmen
zur Reduktion der Treibhausgase, auch Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen.
How does the urban climate changes? - Burdens on the environment typically go hand in hand with the
demands on land areas for intense land use. It therefore makes sense to use the means of regional and
urban development to pursue a precautionary planning towards the aim of environmental protection.
Zoning and planning at the municipal level thus serves as an important instrument that contributes
significantly to the protection of global and local climate as well as the preservation of air quality.
Local development plans allow the examination and assessment of climatic effects on the surrounding
area resulting from different forms of built structures. This is relevant for ventilation, sunlight, lighting,
possibilities for solar energy, and bioclimatic conditions. Urban development plans can also be used as
goal-setting plans for the implementation of climate-protecting measures along the lines of the Federal
»Agenda 21« program. In view of worldwide efforts to protect the earth’s atmosphere, one can conclude,
based on altered appraisals in favour of environmental protection – especially in favour of air quality
and climate –, that the value of these factors is no longer limited to aspects of local climate. Large-
scale climate protection is to be taken into consideration in zoning and planning as a public interest.
D
ie Verbreitung traditioneller Bauformen ist ein
Spiegelbild der unterschiedlichen Klimaver-
hältnisse auf der Erde. In den Klimaregionen finden
sich gewisse Unzuträglichkeiten für das Leben ihrer
Bewohner, die sich durch gewisse meist elementare
Maßnahmen im Haus- und Städtebau mildern lassen.
Aufgrund der fortschreitenden Technisierung sind
heute jedoch auch nicht klimagerechte Bauformen
anzutreffen, wobei die Behaglichkeit mit technischen
Mittel (z.B. Klimaanlagen) und einem in der Regel ho-
hen Energieaufwand künstlich hergestellt wird. Städte
stellen mit ihrem Verkehr, der Industrie, den Haushei-
zungen und Klimatisierungen eine der Hauptquellen
der anthropogenen CO
2
-Emissionen dar.
Zum weiteren ist eine Tendenz der Bevölkerung
vorhanden, sich in Städten niederzulassen. So leben
heute schon über 50% der Weltbevölkerung in Städten
Die UNO schätzt, dass es noch in diesem Jahrhundert
70% der Weltbevölkerung sein werden. Während es im
Jahr 2000 30 Städte mit über 8 Millionen Einwohner
gab, rechnet man im Jahr 2010 mit 60 solcher Städte.
(Abb. 3.1.1-1).
Mit dem Vertragswerk der Konferenz von Rio ha-
ben sich die Unterzeichnerstaaten, so auch Deutschland,
für eine zukunftsfähige nachhaltige Entwicklung aus-
gesprochen. Sie haben sich ausdrücklich verpflichtet,
auch auf kommunaler Ebene eine »lokale Agenda 21«
anzustoßen. Lokale Agenda 21 bedeutet frei übersetzt:
Was zu tun ist auf lokaler Ebene, um im 21. Jahrhundert
die Zukunft unserer Kinder zu sichern.
Folglich sind Städte und Gemeinden mit ihren
Bürgerinnen und Bürgern aufgerufen, der Bedrohung
durch den Treibhauseffekt entgegenzutreten. Das wei-
tere Ansteigen der klimaschädlichen Emissionen, die
zum Großteil durch Verbrennung fossiler Energieträger
entstehen, muss verhindert werden. Städte und ihre Ein-
wohner spielen bei der Reduzierung der Treibhausgase
eine bedeutende Rolle. Hier gibt es erhebliche Potenti-
ale, diese Gase zu mindern. Dies betrifft insbesondere
den Raumwärmebereich und den Verkehrssektor.
Stadtklima
Seit langem ist bekannt, dass Städte sich in ihrem Kli-
ma vom Umland z.T. erheblich unterscheiden (K
ratzer
1937), man spricht deshalb auch vom eigenen Stadtkli-
ma. Während das Klima in der freien Landschaft weit-
gehend von natürlichen Gegebenheiten abhängig ist,
bildet sich in Stadtlandschaften ein durch Bauwerke
beeinflusstes Klima aus (Abb. 3.1.1-1). Zusammenge-
fasst kann man sagen, dass die Städte wärmer, wind-
schwächer und stärker mit Luftschadstoffen belastet
sind. Nach der WMO ist das Stadtklima definiert als
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3.1.1 J. Baumüller
das durch die Wechselwirkung mit der Bebauung und
deren Auswirkungen (einschließlich der Abwärme und
den Emissionen von luftverunreinigenden Stoffen) mo-
difizierte Klima (
Hupfer & Kuttler 2006) (Kuttler
2010).
Zwischen dem Außenklima und dem Innenraum-
klima bestehen in der Regel enge Wechselwirkungen.
Die Veränderung des Klimas in den Häusern, z.B.
durch deren Ausstattung mit Heizungen, ist meist ge-
wünscht. Durch zunehmende bauliche Verdichtung
in den Städten und immer größer werdenden Städten
treten jedoch auch unerwünschte Klimaveränderungen
auf (
HelBig et al. 1999), die sich im Wesentlichen auf
die Bereiche Luftreinhaltung und Bioklima beziehen.
Infolge der globalen Klimaveränderung werden sich
die Probleme in den großen Städten noch verstärken.
Im Einzelnen können sich auch positive Effekte erge-
ben (B
randt 2006).
Jede Bebauung beeinflusst die einzelnen Klima-
elemente. Große Baugebiete setzen sich in klimatischer
Hinsicht deutlich von der sie umgebenden Landschaft
ab. Die wesentlichen Ursachen, die zur Ausbildung
eines eigenen Stadtklimas führen, liegen in der weit
reichenden Veränderung des Wärmehaushaltes (Abb.
3.1.1-2) und des örtlichen Windfeldes (
OKe 2003). Hin-
zu kommt eine starke Anreicherung der Stadtluft mit
Schadstoffen aus den Quellen von Hausbrand, Verkehr,
Industrie und Kraftwerken. Die Ausprägung eines ty-
pischen Stadtklimas ist in erster Linie abhängig von der
Stadtgröße, aber auch von der Geländeform, der Be-
bauungsstruktur und dem Freiflächenanteil.
Während es in den Städten Klimaelemente gibt,
die sich stadtteilbezogen nur wenig unterscheiden (z.B.
Sonnenstrahlung, Niederschlag), weisen andere Klima-
elemente, bedingt durch das Wärmespeichervermögen
der Baustoffe, die Versiegelung des Bodens, durch
veränderten Wasserhaushalt sowie durch Abwärme,
zum Teil recht große räumliche Unterschiede auf (z.B.
Temperatur, Windverhältnisse). Recht kleinräumliche
Unterschiede sind im Bereich von Gebäuden, Straßen-
zügen und Grünanlagen zu finden.
Städte sind wärmer
Typisch für Städte ist der Wärmeinseleffekt, gekenn-
zeichnet durch gegenüber der Umgebung höhere Luft-
temperatur. Dieser Effekt ist gut dokumentiert und stellt
eine Erscheinung dar, die sich nicht auf Großstädte be-
schränkt. Die größten Temperaturunterschiede ergeben
sich jedoch nicht am Tage sondern jeweils in der Nacht.
Sie können in Megastädten mehr als 10 Grad betragen
(Abb. 3.1.1-3).
Dieser Effekt beschränkt sich auch nicht nur auf
den Sommer sondern tritt auch im Winter auf. In Som-
mernächten ist die Überwärmung infolge der Wärme-
belastung für den Menschen besonders negativ zu be-
urteilen, vor allem im Zusammenhang mit Hitzewellen,
wie im Sommer 2003, als in Europa mehr als 50 000
Menschen infolge der Hitze starben.
In Tokyo hat die Jahresmitteltemperatur seit 1900
um ca. 3 Grad zugenommen (Abb. 3.1.1-4). Das ist weit
mehr als das globale Mittel der Erwärmung (0,6 Grad).
Die Anzahl tropischer Nächte (T
min
> 25 °C) stieg dort
von 10 auf über 30 pro Jahr (muraKami 2006). Auch
Temperaturzeitreihen von Hongkong (Abb. 3.1.1-5),
zeigen einem Anstieg der nächtlichen Minimumtempe-
raturen (
lam Cy 2006) von 0,28 Grad pro Dekade seit
1947. In Prag hat die Jahresmitteltemperatur seit 1850
um 1,7 Grad zugenommen. Der Grund für die in den
Städten höheren Temperaturen ergibt sich durch die ge-
änderte Wärmebilanz durch die Bauwerke und Oberflä-
Abb. 3.1.1-1: Dichte Bebauung
in Hongkong (ca. 7 Mio. Einwoh-
ner).
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3 Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit
Abb. 3.1.1-2: Einflussgrößen des
urbanen Wärmehaushalts (Robel
et al 1978).
Abb. 3.1.1-3: Maximale nächt-
liche Temperaturunterschiede für
europäische Städte unterschied-
licher Größe.
Abb. 3.1.1-4: Temperaturzunahme
in Tokyo seit 1900 (MURAKAMI
2006).
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3.1.1 J. Baumüller
chen aber auch durch Abwärme (Abb. 3.1.1-2).
Die vom Menschen empfundene bzw. gefühlte
Temperatur (s.a. Kap.
lasCHewsKi und Kap. tinz et
al) hängt außer von der Lufttemperatur auch stark von
der Luftfeuchtigkeit, Strahlung und dem Wind ab. Die
in den Städten vorhandenen höheren Temperaturen
in Verbindung mit einer starken thermischen Infrarot
Strahlung von den Oberflächen führen im Sommer zu
ungesunden thermischen Belastungen für die Stadtbe-
wohner. Im Süden von Deutschland muss man derzeit
in den Städten an 30–35 Tagen im Jahr mit solchen Si-
tuationen rechnen. Nach den Projektionen für die Glo-
bale Klimaänderung auf regionaler Ebene (WetReg,
REMO) wird sich die Anzahl dieser Tage bis zum Ende
dieses Jahrhunderts verdoppeln. Für die Region Stuttgart
bedeutet dies z.B., dass derzeit auf 6% der Fläche an
mehr als 30 Tagen im Jahr Hitzebelastungen auftreten,
um 2100 jedoch auf 57% der Fläche. Wie das Rheintal
gehört die Region Stuttgart bedingt durch die Lage und
das Relief zu den stärker betroffenen Gebieten.
Städte sind trockener
Die Luft in den Städten ist was die relative Feuchtig-
keit betrifft trockener als die des Umlands, was sich be-
sonders in der Nacht in den Städten durch weniger Tau
und Nebel bemerkbar macht. Der Grund ist die in der
Stadt höhere Lufttemperatur. Betrachtet man jedoch die
absolute Feuchtigkeit, sind die Unterschiede zwischen
Stadt und Land nur gering. Der geringeren Verdunstung
in der Stadt stehen die Wasserdampf-Emissionen aus
Verbrennungsprozessen gegenüber.
Relativ wenige Untersuchungen gibt es in Bezug
auf die Niederschlagsverhältnisse in den Städten. In der
Tendenz scheint eine gewisse Niederschlagserhöhung
im Lee der Städte (http://earthobservatory.nasa.gov/
Study/UrbanRain/urbanrain.html) aufzutreten. Dies ist
sowohl großflächig zu beobachten (Abb. 3.1.1-6) aber
auch innerhalb der Städte, wo es in den Lee-Bereichen
mehr regnet als im Luv.
Probleme treten in den Städten bei Starknieder-
schlägen auf, da das Wasser infolge von wenig Vege-
tationsflächen und somit geringer Regenrückhaltung
sehr rasch abfließt. Das Ergebnis sind u.a. lokale Über-
schwemmungen. Die Globale Klimaveränderung wird
nach den Projektionen zwar für Deutschland keine star-
ken Veränderungen des Gesamtniederschlags bewir-
ken, wohl werden sich aber im Sommer die kurzfristi-
gen Niederschlagmengen verstärken. Probleme stellen
dann weniger die großen Flüsse dar, sondern kleine
Bäche, welche die Wassermengen nicht mehr fassen
können. Auswirkungen auf die Dimensionierung der
Kanalisation mit Regenrückhaltungsbauwerken und
der Ausweisung von Siedlungsflächen in den Städten
sind zu erwarten. Auch finden derzeit Diskussionen
über Kurzfristprognosen des Niederschlags in Verbin-
dung mit kleinräumigen auf der Basis von hochauf-
lösenden Niederschlagsradarmessungen entwickelten
Abflussmodellen statt.
Abb. 3.1.1-5: Mittlere Tagesmaxima und Tagesminima der Lufttemperatur in Hongkong (Observatorium) 1947–2005
(lam Cy 2006).
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3 Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit
Städte sind windärmer
Die Gebäude der Stadt bewirken eine Veränderung
des Windfeldes, sowohl der Windrichtung als auch
der Windgeschwindigkeit. Durch die Rauhigkeit re-
duziert sich die Windgeschwindigkeit in den Städten,
was sich auch noch oberhalb der Gebäude bemerkbar
macht (Abb. 3.1.1-7) und somit für den Abtransport von
Schadstoffen negativ ist.
In Hongkong hat z.B. die mittlere Windgeschwin-
digkeit an der Station Kings Park von 1968 bis 2003 um
0,6 m/s pro Dekade abgenommen (lam Cy 2006). Fer-
ner hat die Windgeschwindigkeit einen großen Einfluss
auf die »Gefühlte Temperatur« (s.a. Kap.
lasCHewsKi).
Eine gute Durchlüftung der Stadt hat also sowohl bio-
klimatische als auch lufthygienische Vorteile.
An vielen Orten haben lokale Windsysteme (Berg-
Talwind, Land-Seewind, Flurwind), die sich aufgrund
der Oberflächenstruktur und des Reliefs einstellen
können eine besondere Bedeutung für die Stadtpla-
nung, wie z.B. in Stuttgart mit seiner Kessellage. Diese
Windsysteme können von überregionalen Winden teil-
Abb. 3.1.1-6: Lee-Niederschlag in
Houston (Texas), Juli, August, Sep-
tember 1989–2006 (http://www.dwd.
de/de/WundK/Warnungen/Hitzewar-
nung/index.htm).
Abb. 3.1.1-7: Vertikales Windprofil über Innenstadt, Stadtrand und Freiland (R
obel et al. 1978).
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3.1.1 J. Baumüller
weise völlig entkoppelt sein. Da diese Winde in der Re-
gel überwiegend bodennah auftreten, werden sie durch
Baumaßnahmen besonders stark beeinflusst. Tagsüber
kann es durch hohe Oberflächentemperaturen oder an
Hochhäusern zu thermischen Aufwinden kommen.
Städte sind schadstoffbelastet
Während in Deutschland die Luftbelastung in den Städ-
ten in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen ist,
liegen die Luftbelastungen in vielen großen Städten
weltweit noch auf einem gesundheitlich bedenklichen
Niveau, wenn man die Richtwerte der WHO heran-
zieht. Beispiele hierzu gab es in Paris und Bejing An-
fang 2014. Insbesondere in Verbindung mit starker
Sonneneinstrahlung und hohen Temperaturen kann sich
im Sommer ein photochemischer Smog ausbilden.
Die Hauptschadstoffquellen haben sich im Laufe
der Zeit verändert (Tab. 3.1.1-1), wobei der Autover-
kehr in Europa aber zunehmend weltweit im Vorder-
grund steht, wenn man die Schadstoffe Stickoxide und
Feinstaub betrachtet.
Anpassung an den
Klimawandel in Städten
Seit 1976 verlangt das Baugesetz (Bundesbaugesetz
(BBauG 2013) heute Baugesetzbuch (BauGB) die Be-
lange Luft und Klima in der Bauleitplanung zu berück-
sichtigen. Früher ging man davon aus, dass das Klima
eines Ortes mehr oder weniger eine konstante Größe
ist. Inzwischen weiß man jedoch, dass sich das Klima
z.T. erheblich verändert hat und sich weiter verändern
wird (IPCC 2014). Der Gesetzgeber hat deshalb 2011
im BauGB (§1) festgeschrieben, außer dem Klima-
schutz (Mitigation) die Anpassung an den Klimawan-
del bei Planungen ebenfalls zu berücksichtigen. Man
muss sich deshalb bei Planungen und somit auch im
Umweltbericht mit den Auswirkungen des zukünftigen
Klimas befassen. Nach § 171 BauGB (Stadtumbau-
maßnahmen) können bei Nichterfüllung der Anforde-
rungen an den Klimaschutz und die Klimaanpassung
Stadtumbaumaßnahmen eingeleitet werden. Schon im
Jahr 2008 hatte das Bundeskabinett die Deutsche An-
passungsstrategie an den Klimawandel (DAS 2008)
erlassen mit einem Aktionsplan 2011.
Stadtklimauntersuchungen
Um stadtklimatische Aspekte bei Planungen und An-
passungen an Klimaveränderungen berücksichtigen
zu können ist es erforderlich die lokale Klimasituation
heute und zukünftig kleinräumig zu erfassen. Zu diesem
Zweck wurden in den letzten Jahren in vielen Städten
und Regionen der Bundesrepublik sogenannte Stadtkli-
mauntersuchungen und Stadtklimaatlanten (B
aumüller
et al. 2008) erstellt. Durch die Anforderung im Bauge-
setzbuch 2004, bei Planungen eigene Umweltberichte
zu erstellen, hat dies an Bedeutung gewonnen
Maßnahmen gegen den
Klimawandel in Städten
Welche Auswirkungen thermische Belastungen wäh-
rend Hitzewellen auftreten können, war im Sommer
2003 erkennbar. Ein Resultat dieser Erkenntnisse war
die Installation von Hitzewarnsystemen in Europa, so
auch durch den DWD in Deutschland) bei »Gefühlten
Temperaturen« über 32 °C (http://www.dwd.de/de/
WundK/Warnungen/Hitzewarnung/index.htm).
Grün in die Stadt
In der freien Landschaft wird ein erheblicher Teil der
Strahlung zum Verdunsten des im Boden und im Be-
wuchs gespeicherten Wassers verwandt. Dieser Anteil
ist wesentlich höher als der durch die Schattenwirkung
von Gebäuden auf die Temperatur bewirkte Effekt. Die
Vegetation, insbesondere der Wald, übt zudem eine
Tab. 3.1.1-1: Hauptschadstoffquellen, Maßnahmen und gesetzliche Grundlagen in Deutschland im zeitlichen Rückblick.
Jahr Schadstoff-Quellen Schadstoffe Maßnahmen Gesetze etc.
1700 Müll Fäkalien Gerüche
1800 Müll Fäkalien Gerüche Kehrwoche
1900 Hausbrand Industrie SO2 , CO, Staub Gewerbeordnung
1950 Hausbrand Industrie SO2 , CO, Staub Kohle-Öl-Erdgas Überwachung § 16 Gewerbeordnung
1970 Hausbrand SO2 , CO, Staub, Kohle®Öl®Erdgas, Verbren- BImschG + BImschV
Industrie, Kfz NOx nungsverbote, Stand der Technik
1980 Hausbrand SO2 , CO, Staub, SO2 im Heizöl Katalysator Smogverordnung
Industrie, Kfz NOx
1990 Kfz SO2 , CO, Staub Euronormen Luftreinhalteplan
Hausbrand NOx
2000 Kfz NOx, Benzol, Euronormen EU-Richtlinien
Russ, PM10 besserer »Sprit« 23. BImSchV
2005 Kfz NOx Motorentwicklung 22. BImSchV
insb. Lkw PM10 / PM2.5 Rußfilter Luftreinhalte-/Aktionsplan
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3 Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit
große Filterwirkung aus. So hat die Waldluft 200 bis
1.000 mal weniger Staub und Rußpartikel als die Luft
in Städten. Auch zeigen sich in innerstädtischen Park-
anlagen deutlich geringere Staubbelastungen als in den
Bauquartieren. Dies unterstreicht die hohe stadtklima-
tische Bedeutung von innerstädtischen Grünflächen.
Gemeinsame Eigenschaft sämtlicher Grünflächen
ist, dass es sich um Flächen mit nicht versiegeltem Bo-
den handelt, einem Umstand, dem sich konkrete klima-
tische Auswirkungen zuordnen lassen. Über bebauten,
versiegelten Oberflächen verdunsten nur kleinere Was-
sermengen. Dies ist ein sehr wesentlicher Faktor für
den Temperaturüberschuss bebauter Gebiete. Die Ab-
flussbeiwerte der versiegelten Flächen liegen bei über
90% des Niederschlagswassers. Der Einfluss der zur
Verdunstung nicht zur Verfügung stehenden Wasser-
mengen auf die Lufterwärmung wird durch folgenden
Vergleich deutlich: Zur Verdampfung von 1 l Wasser
sind bei normalem Luftdruck ca. 2.250 kJ erforderlich.
Mit dieser entzogenen Wärmemenge können aber 100
m³ Luft um 18 Grad abgekühlt werden.
Vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels
ist es notwendig in den Städten geeignete Maßnahmen
zur Anpassung und zur Reduktion der CO
2
-Emissionen
zu ergreifen. Für den Stadtplanung bedeutet dies, dass
man den Grünanteil in den Städten verstärken sollte,
dies kann geschehen durch öffentliche Grünflächen
und Parks, Straßenbäume und anderes Straßenbegleit-
grün sowie begrünte Gleisanlagen (Abb. 3.1.1-8), aber
auch durch Festsetzungen in den Bebauungsplänen, die
sicherstellen, dass der Grünanteil auf privaten Grund-
stücken erhöht wird. Beispiele hierzu sind Dachbegrü-
nungen bei Flachdächern und Garagen (Abb. 3.1.1-9),
Rasensteine bei Parkplätzen sowie Pflanzzwang und
Abb. 3.1.1-8: Begrünte Gleisanla-
gen der Stadtbahn in Stuttgart.
Abb. 3.1.1-9: Dachbegrünung in
Stuttgart.
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3.1.1 J. Baumüller
Pflanzbindung von Bäumen. Ein hoher Anteil von Ve-
getation wirkt nicht nur dem Wärmeinseleffekt entge-
gen, sondern bindet auch Niederschlagswasser und ist
deshalb ein praktizierter Hochwasserschutz. Der ästhe-
tische Effekt von Grünflächen in der Stadt ist ein wei-
terer positiver Gesichtspunkt (B
aumüller et.al. 2007).
Mit Blick auf den planerischen Handlungsbedarf
sollten folgende Ziele klimagerechter Planung verfolgt
werden:
• Verbesserung der Aufenthaltsbedingungen bzgl. des
Behaglichkeitsklimas / Bioklimas
• Verbesserung der Siedlungsdurchlüftung
• Förderung der Frischluftzufuhr durch lokale Wind-
systeme
• Verminderung der Freisetzung von Luftschadstoffen
und Treibhausgasen
• Ermittlung und sachgerechte Bewertung vorhande-
ner oder zu erwartender Belastungen und
• Sachgerechte Reaktion auf Belastungssituationen
durch Anpassung von Nutzungskonzepten
Da die Ausbildung des Stadtklimas überwiegend auf
der Umwandlung von Vegetationsflächen zur gebauten
Stadt beruht, liegt in der Erhaltung und Wiedergewin-
nung der natürlichen Vegetation ein Schwerpunkt kli-
magerechter Stadtplanung.
Die Ventilation der Städte muss ein wichtiger Ge-
sichtspunkt bei der Stadtplanung werden, sowohl im
Hinblick auf das Bioklima, als auch auf die Lufthygi-
ene. Ventilationsbahnen in Bezug auf die Hauptwind-
richtungen sind deshalb zu erhalten oder zu schaffen.
Beim Vorhandensein lokaler Windsysteme wie Berg-
Talwind- oder Land-Seewind-Zirkulation müssen diese
eine wichtige Planungsgrundlage sein.
Die Luftqualität in unseren Städten ist zum Teil im-
mer noch zu schlecht. Maßnahmen zur Luftreinhaltung
bieten die Möglichkeit, als Synergieeffekt auch CO
2
ein-
zusparen. Hierzu gehören Maßnahmen wie der Ausbau
des Öffentliche Nahverkehrs und Reduktion des Au-
toverkehrs evtl. unterstützt durch eine City-Maut, wie
in London und Stockholm schon praktiziert, Verflüssi-
gung des Autoverkehrs in Verbindung mit Geschwin-
digkeitsbeschränkungen, Sanierung von Gebäuden mit
dem Ziel den Energiestandard zu verbessern und somit
neben Energie auch Emissionen einzusparen.
Zahlreiche Städte haben in den vergangenen Jahren
Klimaschutzkonzepte erarbeitet mit dem Ziel die CO
2
-
Emissionen zu reduzieren. Mit Bezug zur Stadtplanung
sind insbesondere zu nennen:
• verkehrsreduzierende Bauleitplanung
• Förderung des Radverkehrs
• Städtische Parkraumkonzepte
• Siedlungsstrukturelle Maßnahmen
• Energiebewusste Bauleitplanung
• Förderung der Niedrigenergiehausbauweise
• Förderung der Nahwärmeversorgung aus Blockheiz-
kraftwerken
• Planung von Standorten für Windenergieanlagen
Anpassungsstrategien an den Klimawandel sind in den
Städten derzeit nur ansatzweise vorhanden. Unterstüt-
zung durch die Ministerien fand u.a. statt in KlimaMO-
RO und KlimaExwost Projekten und Handlungsleitfä-
den wie
HandBuCH stadtKlima (2011).
Energiesparende Bauten
Durch die ansteigenden Temperaturen in den Städten
wird auch in Europa die Klimatisierung in Gebäuden
zunehmen, wie sie z.B. in anderen warmen Ländern
schon üblich ist. Die Kühlung der Räume wird der-
zeit überwiegend mit elektrischer Energie betrieben.
Bei dem in Bezug auf die eingesetzte Primärenergie
schlechte Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung, ver-
stärkt dies beim Einsatz von fossilen Brennstoffen den
CO
2
Ausstoß. Es muss deshalb gelingen, die Klimatisie-
rung (Heizung und Kühlung) möglichst mit regenerativ
erzeugter Energie bzw. Strom zu leisten. Noch besser
ist es durch intelligente Gebäudeplanung den erfor-
derlichen Energieverbrauch zu minimieren beispiels-
weise durch erhöhte Wärmedämmung und geschickter
Solararchitektur (z.B. Passivhaus) und Sonnenschutz
im Sommer. Der noch notwendige Energiebedarf kann
dann leichter alternativ gedeckt werden.
Schlussbetrachtung
Da sehr viele Menschen in den Städten leben, wird die
Betroffenheit durch den Klimawandel dort besonders
spürbar werden. Im Vordergrund stehen hier die bio-
klimatischen Auswirkungen, die sowohl bezüglich der
Planung von Gebäuden aber auch der gesamten Stadt
neue angepasste Konzepte erfordern. Daneben sollten
aber In Städten, als eine der Hauptquellen für CO
2
-
Emissionen, auch Maßnahmen zur Reduktion von CO
2
mit hoher Priorität vollzogen werden.
Wirksamer Klimaschutz verlangt von allen Betei-
ligten Anstrengungen, auch in finanzieller Hinsicht,
Maßnahmenkonzepte nicht nur zu entwickeln sondern
auch umzusetzen. Hier besteht noch ein erheblicher
Nachholbedarf, wobei man sich im Klaren sein muss,
dass ein Klimaschutz in den Städten nicht zum Nulltarif
zu haben ist.
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3 Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit
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Kontakt:
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juergen.baumueller@web.de
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