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Educação & Realidade, Por to Alegre, v. 40, n. 2, p. 349-374, Apr./Juni 2015.
http://dx.doi.org/10.1590/2175-623654414
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Unterricht muss offener geplant,
die Offenheit aber auch klar
strukturiert werden
Hans Brügelmann
ABSTRACT – Unterricht muss offener geplant, die Offenheit aber auch
klar strukturiert werden. Schule heute kann kein Ort der Belehrung mehr
sein. Unterricht muss sich öffnen: für die großen Unterschiede zwischen
den Schülern, für Lernen als eine aktive Aneignung der Welt und für das
Recht der Heranwachsenden auf Selbst- und Mitbestimmung (UN-Kin-
derrechtskonvention). Damit verändert sich die Rolle der Lehrperson: vom
Vorgesetzten zum Gegenüber. Statt zu belehren regt sie an, fordert sie he-
raus, kritisiert und unterstützt sie. Dafür braucht auch ein offener Unter-
richt Strukturen – inhaltliche, methodische und soziale. Anders als in der
traditionellen Didaktik werden sie allerdings nicht „von oben“ vorgegeben,
sondern zwischen den Beteiligten ausgehandelt. Schule als Ort der Begeg-
nung – zwischen den Generationen und Kulturen.
Stichworte: Kinderrechte. Demokratische Schule. Offener Unterricht.
Lehrerrolle. Konstruktivismus.
RESU MO – Didática da Sa la de Aula: ent re abertu ra e estrut uração. A esc ola
não pode ser mais um lugar de si mples instrução. O ensi no precisa-se abrir:
para a s grandes diferenças entre os alunos, para a aprendizagem como u ma
apropriação ativda do mundo e para os direitos dos adolescentes à auto-
determinação e participação (Convenção sobre os direitos das crianças da
ONU). Com isso muda o papel do educador: do superior ao parceiro. Invés
de ensinar, ele estimula, desafia, critica e apoia. Para isso, também uma
aula aberta precisa de estruturas – em relação ao conteúdo, ao método e às
relações sociais. Porém, diferentemente da didática tradicional, estas es-
truturas não são impostas, mas negociadas entre os participantes. Escola
como um lugar de encontro – entre gerações e culturas.
Palavras-chave: Direito da Criança. Escola Democrática. Aula Aberta. Pa-
pel de Professor. Construtivismo.
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Unterricht muss offener geplant, die Offen heit aber auch kla r struk turier t werden
Output-Orientierung ist vielen Ländern zur Leitidee pädagogi-
schen Handelns geworden – und zwar auf allen Ebenen: bei der Steue-
rung des Schulsystems, bei der Entwicklung einzelner Schulen und bei
der Planung des Unterrichts, vorangetrieben vor allem von der OECD,
u.a. mit ihren internationalen Leistungsvergleichen wie PISA (vgl. Wöß-
mann u. a. 2007). Diese Engführung ist riskant (vgl. meine Kritik 2006).
Auf der Unterr ichtsebene ist ein seh r ähnliches Konzept vor 40, 50
Jahren schon einmal gescheitert. Damals wurde u. a. von Mager (1962),
gefordert, Unterricht an testbar formulierten Lernzielen (behavioral ob-
jectives) auszurichten. Für die deutsche Diskussion hat damals Tütken
(1970, S. 59, 57) dieses Verständnis von Unterrichtsplanung entschie-
den so formuliert: „Ein Curriculum ist also der Entwurf eines relativ
geschlossenen Lernsystems […] ein bestimmtes System der Lernwege
mit sachstrukturellen Aufgabensequenzen im Hinblick auf die erwarte-
ten Endleistungen [...]“. Mit diesem Anspruch war eine klare Aufgaben-
und Macht verteilung zwischen dem Curriculum (Lehrplan, Schulbuch,
Lernprogramm, ...) als außerschulischer Vorgabe einerseits und den
LehrerInnen sowie den SchülerInnen in der Schule andererseits verbun-
den.
1. Offener Unterricht: ein Alternativkonzept zur Output-
Orientierung
Als Gegenentwurf habe ich damals den Ansatz offener Curricula
(Brügelmann, 1975) entwickelt, für den ich vor allem drei Begründun-
gen angeführt habe:
• politisch und rechtlich: die Forderung nach einer demokratischen
Schule in der demokratischen Ge sellschaft mit der Notwendigkeit einer
Beteiligung der Betroffenen an Entschei dungen über Lernziele und
Inhalte (vgl. aktuell die Beiträge zu Backhaus; Knorre, 2008);
• reformstrategisch: die Einsicht in die begrenzte Steuerungskraft zent-
raler Maßnahmen in sozia len Systemen, insbesondere die Erfahrung
aus vielen Bereichen, dass detaillierte Programmvorgaben an den
Besonderheiten der jeweiligen Unterrichtssituation scheitern (Dalin,
1973);
• pädagogisch und didaktisch: der Anspruch einer Stimmigkeit von
Lernzie len wie Selbständigkeit, Kritik- und Kooperationsfähigkeit ei-
nerseits und den Formen bzw. Bedin gungen der Lernprozesse, über
die diese Fähigkeiten angebahnt werden sollen: Sie können sich nur
entwickeln, indem sie unterstellt bzw. zugemutet werden (vgl. Brügel-
mann; Brinkmann, 2008).
Diese Argumente drohen auch heute übersehen zu werden. In ih-
nen drückt sich ein bestimmtes Menschen- und Gesellschafts bild aus.
Der Grundgedanke ist dabei nicht, der Mensch sei von Natur aus gut
oder gar immer lernwillig und beliebig lernfähig. Vielmehr geht es um
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die Be grenzung der Ansprüche anderer an die Heranwachsenden – ob
von Eltern, Lehrerinnen oder Expertinnen.
In der Geschichte der Schule war es ein wichtiger Schritt, als die
Idee der allge meinen Bildung gegenüber der (für die Verwertung durch
andere) nützlichen Aus bildung entwickelt wurde. Mündigkeit, Selbst-
bestimmung, Entwicklung der individuellen Persönlichkeit wurden
erst in der Aufklärung zu zentralen Zielen der Schule erklärt.
Wir dürfen SchülerInnen aber nicht nur als zukünftige Erwach-
sene sehen, son dern müssen sie schon jetzt als PartnerInnen ernst
nehmen - mit ihren persönlichen Motiven und Zielen, mit ihren indivi-
duellen Erfahrungen und Problemen, mit ihren subjektiven Deutungs-
und Erklärungsversuchen (vgl. die UN Convention on the Rights of the
Child 1989).
Für das Folgende halte ich als Ausgangsthese fest: Soweit es nicht
überzeugende Gründe für einen Eingriff gibt, hat jeder Mensch das
Recht, seinen eigenen Weg zu gehen. Das gilt auch für Kinder.
Dieser Anspruch bedeutet nicht, dass die Schule ein Ort sei, an
dem Kinder tun und lassen können, was sie gerade wollen (s. dazu un-
ten Kap. 4 und 5). Wohl aber, dass von der Päd agogik nicht unterstellt
wird, es gebe eine selbstverständliche Überordnung des Wissens und
Könnens von Erwachsenen in den Inhaltsbereichen der Fächer bzw. in
ihrer Kompetenz und Verantwortung für Ziele und Wege des kindlichen
Lernens.
Diese sind vielmehr immer wieder neu auszuhandeln in der Span-
nung zw ischen Anforder ungen der Schule, z. B. um u nser Zusammen le-
ben und zu künftiges Überleben als Gesell schaft zu sichern, und den In-
teressen und Möglichkeiten des Kindes. Solche Aus einandersetzungen
sind schwierig, sie können pädagogisch wie auch juristisch nur sehr
allgemein und damit oft formelhaft gelöst werden.
2. Unterschiedliche (Miss-)Verständnisse von
Öffnung
des Unterrichts
Kinder ler nen, wo LehrerInnen lehren. Diese Leitidee hat auch die
Entwicklung der deutschen Schule bestimmt: Lehrgänge, linear aufge-
baut, in kleinen und gleichen Schritten für alle, prägen traditionell das
Bild von Unterricht. Aufgebrochen wurde es zu Beginn der 1970er Jahre
in der Grundschule, angestoßen durch Berichte aus der englischen In-
fant School (vgl. Plowden et al. 1967) und im Rückgriff auf reformpäda-
gogische Konzepte der 1920er Jahre, die während der nationalsozialis-
tischen Diktatur (1933-1945) unterdrückt worden waren. Dabei sind es
drei Argumente, mit denen eine stärkere Öffnung des Unterrichts be-
gründet wurde und wird:
• erstens lernpsychologisch und didaktisch als Antwort auf das Prob-
lem der Verschiedenheit der Anspruch einer Passung von Aufgaben
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
im Unterricht auf den Entwicklungsstand des Kindes (Brügelmann,
1986; 1999);
• zweitens erkenntnistheoretisch und entwicklungspsychologisch be-
gründet über eine konstruktivistische Sicht von Lernen (Piaget, 1928;
Glasersfeld, 1995);
• drittens bildungstheoretisch und politisch begründet mit dem Kri-
terium der Selbständigkeit als Ziel kindlicher Entwicklung und da-
mit Bedingung auch des schulischen Lernens (Freinet, 1993; Dewey,
2007).
Theoretisch (im Sinne zunehmender pädagogischer Qualität)
und pragmatisch (im Sinne der berufsbiografischen Entwicklung einer
Lehrperson) kann man diese Dimensionen als Stufen verstehen. Wer
die Aufgaben inhaltlich offen gestaltet, um Kinder unterschiedliche
Zugänge bzw. Lösungswege zu ermöglichen, kommt nicht umhin, für
die Arbeit auch organisatorische Freiräume zu schaffen. Umgekehrt ist
aber denkbar, Wahlmöglichkeiten für die Organisation der Arbeit a n in-
haltlich geschlossenen Aufgaben zu eröffnen.
Diese Sicht erlaubt LehrerInnen eine Veränderung ihres Unter-
richts in Schritten, von denen schon der erste bedeutsam ist – wenn er
im Blick auf den letzten als Annäherung an das Ziel und nicht schon als
Erfüllung verstanden wird. Vor allem für die Evaluation von Unterricht
– sei es durch Selbst- oder Fremdbeobachtung – ist aber auch hilfreich,
innerhalb der Dimensionen Grade der Öffnung zu unterscheiden.
Denn viele LehrerInnen verstehen unter Öffnung nur organisato-
rische Freiräume, d. h. eine methodische Form der inneren Differenzie-
rung. Sie verlagern die Steuerung des Lernens lediglich aus ihrer Person
in das Material. Offenheit muss aber umfassender verstanden werden,
nicht ledig lich als eine methodische Option, sondern als pädagogische
Position (vgl. auch die Kritik von Peschel 2002 und das dort entwickelte
Gegenkonzept einer radikalen Öffnung des Unterrichts).
Andere, vor allem KritikerInnen der Öffnung von Unterricht, fas-
sen sie oft zu weit. Sie unterstellen, jedes Kind könne in einem offenen
Unterricht machen, was es wolle, und die Lehrerin gucke nur zu. Über-
dies werde das heute besonders wichtige soziale Lernen auf dem Altar
verabsolutierter Individualisierung geopfert.
Insofern müssen Rolle und Aufgaben von Lernenden und Lehren-
den genauer bestimmt werden – vor allem aber die Ordnungsformen
des Unterrichts, die Offenheit erst möglich und aushaltbar machen. Die
beiden kurz erwähnten Missverständnisse will ich im Folgenden klä-
ren, indem ich
• drei Entwicklungsdimensionen qualitativ unterschiedlicher Öffnung
bestimme (s. Kap. 3.);
• den Anspruch einer Öffnung des Unterrichts als spannungsreiche An-
forderung an die Lehrerrolle herausarbeite (s. Kap. 4.);
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• in vier Dimensionen unterschiedliche Formen der Strukturierung von
offenem Unterricht vorstelle (s. Kap. 5.).
Dabei möchte ich die meist fachdidaktisch eingeengte Diskussi-
on – Lernen Kinder [Lesen, Rechnen,...] im offenen Unterricht schlechter
oder besser? – erweitern um normative Anforderungen an Unterricht in
der Demokratie, indem ich die Frage auf werfe, welches Maß an Mitbe-
stimmung und Mitverantwortung Kindern als jun gen MitbürgerInnen
zusteht und wie Unterricht dazu beitragen kann, ihre Selb ständigkeit
und ihre Entwicklung zu einer selbst-bewussten Person zu stützen (s.
vor allem Kap. 4.4).
Ich stelle damit kurzfristig messbare Effektivität fachlicher Leis-
tungen als alleiniges Kriterium für Unterricht in Frage. Selbst auf dieser
Ebene sind die Befunde zudem widersprüchlich (vgl. Hattie, 2009). Wie
erfolgreich dieses Konzept selbst mit Kindern sein kann, die besondere
Schwierigkeiten haben, hat Peschel (2003) gezeigt.
Vergleichsuntersuchungen zu unterschiedli chen methodischen
Ansätzen zeigen außerdem generell, dass die Leistungsunter schiede
zwischen verschiedenen Programmen geringer sind als die Streuung
innerhalb eines jeden Ansatzes. D. h. Methoden und erst recht didak-
tische Kon zeptionen lassen sich nicht technisch umsetzen: die Lehr-
person und das soziale Umfeld prägen mit, wie ein Material oder eine
Methode wirken. Selbst bei geschlossenen Computerprogrammen un-
terscheidet sich schon der beobachtbare Unterricht von Klasse zu Klas-
se. Noch stärker streuen die Erfahrun gen, die verschiedene Kinder aus
diesem Unterricht mitnehmen.
Und selbst wenn sich der Unterrichtsprozess stärker standardisie-
ren ließe: Ob wir dies wollen und welche Verluste wir damit in ande-
ren Lerndimensionen wie höheren kognitiven Leistungen, emotionaler
und sozialer Entwicklung erkaufen müssten, wäre noch zu klären. Ge-
nau diese Dimensionen werden aber übersehen, wenn Offenheit und
Geschlossenheit als rein methodisch-organisatorische Merkmale von
Unter richt untersucht und diskutiert werden.
Ich unterscheide deshalb als erstes...
3. Drei Entwicklungsdimensionen der Öffnung von
Unterricht
Analytisch handelt es sich um Dimensionen von Unterricht, die
nebeneinander beachtet und unterschiedlich stark ausgestaltet werden
können. In der Umsetzung lässt sich aber meist ein Nacheinander be-
obachten, so dass die folgenden Dimensionen als Stufen interpretiert
werden können:
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
3.1 Öffnung des Unterrichts für Unterschiede zwischen den
Kindern [methodisch-organisatorische Öffnung des Unterrichts]
Unterschiede zwischen Kindern beeinflussen in verschiedener
Hinsicht den Erfolg beim Lernen:
• unterschiedliches Wissen und Können aus den vorherigen Erfahrun-
gen erschweren die Passung von Aufgabe und Leistungsstand;
• unterschiedliche Lernstile verlangen verschiedene Zugangsmöglich-
keiten und Aneignungsweisen;
• unterschiedliche Arbeitstempi bestimmen Dauer bzw. Menge der leist-
baren Arbeit.
Innere Differenzierung des Unterrichts ist deshalb eine alte For-
derung. Sie geht aber häufig mit einer starken Lenkung durch die Lehr-
person einher: Diagnose des Lernstandes, Zuweisung von spezifischen
Aufgaben, Kontrolle der Annäherung an genau definierte Teilziele.
In unseren Befragungen von PädagogInnen in Deutschland war
die enge Bestimmung einer Differenzierung von oben weit verbreitet
(vgl. Brügelmann; Brinkmann, 2009, 1993ff.). Rund zwei Drittel der
LehrerInnen verbinden den Begriff Öffnung mit einem Eingehen auf die
Leistungsunterschiede zwischen den SchülerInnen. Nach diesem Ver-
ständnis von Offenheit sollen zwar die Inhalte von Aufgaben und die
Formen ihrer Lösung den Kindern vorgegeben werden, nicht aber die
äußeren Bedingungen der Arbeit.
Insofern ermöglicht die methodisch-organisatorische Öffnung
des Unterrichts eine bessere Passung zwischen Anforderungen der Auf-
gaben und den Lernmöglich keiten der einzelnen Kinder, wenn diese
• dieselben Aufgaben in ihrem eigenen Rhythmus angehen,
• nebeneinander an leichteren oder schwierigeren Aufgaben arbeiten,
• Schwerpunkte in verschiedenen Inhaltsbereichen setzen können.
Wie kann das konkret aussehen?
Ich will diesen Anspruch für zwei Schlüsselbegriffe konkretisie-
ren, die in der didaktischen Dis kussion sehr verschieden verstanden
werden: Mit Freiarbeit werden den Kindern – je nach Konzeption un-
terschiedlich große – Handlungsräume im Unterricht eröff net; Wo-
chenpläne wiederum sind eine Organisationsform, um diese Freiräume
– unter schiedlich stark – zu strukturieren (Beispiele für die hier und
im Folgenden diskutierten Varianten der Wochenpläne finden sich in
Brügelmann; Brinkmann, 1998, Kap. 5).
Nach dem hier diskutierten methodisch-organisatorischen Ver-
ständnis der Öffnung von Unter richt könnte ein Wochenplan z. B. fol-
gendermaßen aussehen:
Die Aufgaben werden den SchülerInnen vorgegeben
• entweder für alle gleich,
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• oder mit Alternativen zur individuellen Auswahl
• oder einzelnen Kinder(gruppen) – nach ihrem Leistungsstand – von
der Lehrerin zugewiesen.
Auch der Weg der Bearbeitung und das richtige Ergebnis stehen fest.
Dennoch kann man in organisatorischer Hinsicht von Freiarbeit
sprechen. Sie bedeutet in diesem Verständnis: Die Kinder können das
WANN, WO und MIT WEM selbst bestimmen, d.h.
• Reihenfolge, Termin, Dauer der Arbeit
• ihren Ort,
• ihre PartnerIn(nen), also die Sozialform
• evtl. auch die Arbeitsform.
Nehmen wir das Beispiel Schreiben: Das Thema stellt die Lehre-
rin, auch die Form der Bearbeitung (z. B. ein Bericht, dessen formale
Merkmale vorweg erarbeitet wurden, über den Zoobesuch). Aber wann
die Kinder schreiben, wie lange sie brauchen, welche Hilfsmittel sie nut-
zen, steht ihnen – innerhalb der ausgewiesenen Zeiten – frei.
Beobachtungsfragen zur methodisch-organisatorischen Offenheit
Wie weit bietet der Unterricht SchülerInnen mit unterschiedlichen
Vorausset zungen:
• Raum für die selbstständige Organisation der eigenen Arbeit?
• Herausforderungen auf dem individuellen Leistungsstand?
• Hilfen für den Ausgleich je besonderer Schwächen?
Kritisch ist anzumerken: Solche Wahlmöglichkeiten sagen noch
nichts über die Qualität der Aufgaben selbst aus: z. B. über ihre Bedeut-
samkeit für das einzelne Kind; über die Möglichkeiten, sich zu fordern,
Neues zu erfahren, individuelle Neigungen zur Gelt ung zu bringen. Vie-
le Materialien für Freiarbeit beschränken sich nämlich darauf, Aufga-
ben aus Rechenbüchern oder aus Arbeitsheften zum Lesen bzw. Recht-
schreiben in Karteiform auszulegen. Die Aufgaben selbst sind genauso
geschlossen wie in den Schulbüchern. Was zählt, ist auch hier das rich-
tige Ergebnis. Zwar wird von Selbstkontrolle gesprochen, gemeint ist
aber eine Kontrolle durch das Material, in das die Lehrperson oder die
Programmentwickler eine bestimmte Lösung eingebaut haben.
Für viele Kinder ist schon das ein Vorteil: Sie sind nicht mehr ab-
hängig von Lob oder Tadel einer Person. Sie können ihre Vorstellungen
austesten und sehen am Erfolg, ob sie (im Sinne des Lernziels) richtig
gedacht haben. Die Auseinandersetzung mit der Sache wird also nicht
überlagert durch Beziehungsprobleme.
Inhaltlich aber bleibt es bei vorgegebenen Lösungen. Deren Kon-
trolle wird lediglich indirekt ausgeübt, indem die Kinder ihren Versuch
nicht der Lehrerin vor legen, sondern mit einer Musterlösung vergleichen.
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
Einfache Ordnungen im Wahrnehmungsbereich können so ver-
mittelt werden (vgl. das Sinnesmaterial von Montessori, 1936). Auch bei
der Automatisierung von (vorher) verstandenen Operationen in der Ma-
thematik, beim Lesen oder Rechtschreiben, also in der Übungsphase
des Lernprozesses können solche Aufgaben sinnvoll sein.
Individuelle Ideen oder ein Austausch unterschiedlicher Sicht-
weisen zwischen den Kindern werden dagegen weder gefördert noch
gefordert.
3.2 Öffnung zur persönlichen Erfahrungs- und Vorstellungswelt
der Kinder [„didaktisch-inhaltliche Öffnung“ von Unterricht]
Einen Schritt weiter führt die Einsicht, dass Lernen eigenakti-
ves Konstruieren, nicht bloßes Kopieren von Lösungen bedeutet (vgl.
Brügelmann, 1999). Jede neue Erfah rung wird im Zusammenhang der
bereits entwickelten Vorstellungen und Deu tungsmuster interpretiert,
und die Bedeutsamkeit einer Erfa hrung hat mit ihrem Bezug auf die all-
tägliche Lebenswelt der Kinder zu tun.
Daraus folgt, dass es auch im Unterricht nicht bei der Wahl zwi-
schen (geschlossenen) Aufgaben bleiben kann, sondern dass sich ihre
Qualität ändern muss. Nicht nur die Arbeitsbedingungen, auch die
Aufgaben selbst müssen offen, d. h. anspruchsvoller werden, indem sie
Raum für selbständiges Denken und einen inhaltlichen Bezug zu der
Erfahrungswelt der Kinder eröffnen.
Von den LehrerInnen unserer Befragung assoziieren nur noch
knapp die Hälfte solche Vorstellungen mit dem Begriff Öffnung des Un-
terrichts (gegenüber zwei Drittel bei der methodisch-organisatorischen
Öffnung).
Was unterscheidet nun konkret die inhaltliche von der methodi-
schen Öffnung?
Das Weiterführende wird anschaulich im Kontrast von Freinets
Werkstätten zu Montessoris vorbereiteter Umgebung mit didaktisch ein-
deutig definierten Materia lien: in seinem bewussten Ausbruch in die
außerschulische Welt als Lern feld, im Alltagsmaterial, das er zum Aus-
gangspunkt der Arbeit im Klassenzimmer macht und in der Korrespon-
denz mit anderen Klassen als sozialer Rahmung des Lernens.
Das bereits oben (3.1) zitierte Schreiben von Texten würde auf die-
ser Stufe der Öffnung insofern eine neue Qualität gewinnen, als die
Kinder auch Inhalt und Form von Texten selbst bestimmen. Sie machen
zum Thema, was sie persönlich beschäftigt, und stellen es so dar, wie
sie andere glauben ansprechen zu können.
Nach diesem Verständnis von Öffnung des Unterrichts könnte ein
Wochenplan – anders als oben 3.1 beschrieben – so aussehen, dass zwar
Aufgabentypen vorgegeben sind, z. B. Arbeit an der Rechtschreibung von
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Wörtern, aber dass die Kinder selbst entscheiden, ob sie einzelne Wör-
ter üben (eigene, die sie häufig brauchen, oder schwierige, in denen sie
immer wieder Fehler machen) oder ob sie einer Forschungsfrage nach-
gehen (z. B. Wie wird das /i:/ in der Regel verschriftet?). Darüber hinaus
könnten sie – wie in 3.1 – auch die Form des Übens sie selbst best immen
(Partnerdiktat, Abschreiben von Wendekarten, Ordnung von Wörtern
nach einem bestimmten Rechtschreibmuster).
Freiarbeit hieße dann in diesem Verständnis: Die Kinder können
im Auftragsrah men selbst Aufgaben wählen/ erfinden, z. B. zu einem
Alltagsproblem wie der Frage, wie viel Wasser ein Haus halt unter be-
stimmten Bedingungen verbraucht. Oder die vorgegebenen Aufgaben
lassen eine unterschiedliche Bearbeitung zu, z. B. eine leere Rechen-
mauer zum Erfinden von Additionsaufgaben, in die die Kinder unter-
schiedliche Zahlen eintragen, in der sie verschiedene Ausgangsmuster
ausprobieren.
Selbstkontrolle meint in diesem Verständnis von Öffnung nicht nur
den Vergleich der eigenen mit einer Musterlösung, sondern argumenta-
tive Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen und Vorgehenswei-
sen (z. B. mathematischen Modellierungen eines Problems oder Stra-
tegien beim Rechen). Sie verlangt dann eine Haltung gegenüber der
eigenen Arbeit, die von PsychologInnen als Metakognition be zeichnet
wird – im Sinne einer kontinuierlichen Selbstbeobachtung und -korrek-
tur bei der Arbeit.
Beobachtungsfragen zur didaktisch-inhaltlichen Offenheit
Wie weit erlauben und verlangen Aufgaben, Aktivitäten, Situationen,
• … eigene Erfahrungen, Vermutungen, Strategien einzubringen/ zu
erproben und neue Erfahrungen in das eigene Denken einzuordnen?
• … sich mit den Deutungen anderer Personen/ Traditionen ausei-
nander zu setzen, eine abweichende Sicht zu begründen?
• … individuelle Vorstellungen/ Zugangsweisen über verschiedene
Zwischenformen zu Konventionen bzw. fachspezifischen Theorien
zu entwickeln?
Die Verantwortung der SchülerInnen für konkrete Arbeiten
nimmt also im Vergleich zum methodisch-organisatorischen Verständ-
nis erheblich zu. An der Planung des Unterrichts, also Entscheidungen
über Ziele und Inhalte, werden sie aber auch hier nicht beteiligt.
3.3 Öffnung zur Mitwirkung an und Mitverantwortung von
Entscheidungen [pädagogisch-institutionelle Öffnung der
Schule]
Bisher haben wir unterstellt, dass letztlich die Lehrerinnen, der
Lehrplan oder das Schulbuch bestimmen, was die Kinder lernen – ent-
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weder (s. 3.1) festgelegt auf konkrete Kenntnisse bzw. Fertigkeiten oder
zumindest (s. 3.2) als Vorgabe be stimmter Probleme oder Aufgabenty-
pen. Selbständigkeit der SchülerInnen be schränkt sich also auf inha ltli-
che und methodische Ideen für die Lösung von Auf gaben, die Entschei-
dung über die Aufgaben selbst bleibt der Lehrerin vorbehalten.
Auch in unserer Befragung versteht nur knapp ein Drittel der Leh-
rerInnen den Begriff Öffnung im Sinne von mehr Selbständigkeit und
Mitbestimmung im Unter richt (gegenüber immerhin 65% bei metho-
disch-organisatorischer bzw. knapp 50% bei didaktisch-inhaltlicher
Öffnung des Unterrichts). In den Ansprüchen der Lehrerinnen an ihren
eigenen Unterricht zeigt sich diese Zurückhaltung ebenfalls.
Während die Mitbestimmung von Unterrichtsinhalten auf Zu-
rückhaltung bei den KollegInnen stößt, findet die Mitverantwortung
für die sozialen Beziehungen in allen Gruppen eine etwa doppelt so
hohe Zustimmung. Bei inhaltlichen Entscheidungen sind den Lehre-
rInnen eher Freiräume für individuelle Entscheidungen wichtig als eine
Beteiligung der SchülerInnen an der Planung des Unterrichts.
Wie aber kann dieser Anspruch für den Grundschulunterricht
konkretisiert werden? In der pädagogischen Literatur werden dazu un-
terschiedliche Positionen formu liert, besonders radikal in Korczaks
Rechten des Kindes. Korczak (1962) meint Erziehung generell. Spezifi-
scher, d. h. auf Schule bezogen, hat Falko Peschel (2002) sein Konzept
Unterricht durch Nicht-Unterrichten postuliert.
Andere suchen verschiedene Kompromisse, die persönlichen
Rechte des Kindes und die gesellschaftlichen Ansprüche der Institution
Schule auszubalancieren (s. dazu im einzelnen unten Kap. 4). Diese Ba-
lance zu bestimmen fällt schwer – auch in f reien Schulen, die dem staat-
lichen Lehrplan nicht unterworfen sind (vgl. zu unterschiedlichen Aus-
legung des Demokratie-Gebots auch die Beiträge zu Backhaus; Knorre,
2008). Es handelt sich also nicht nur um ein rechtliches, sondern auch
um ein grundsätzliches pädagogisches Problem.
Wochenplan könnte in der letztgenannten Perspektive heißen,
dass die Lehrerin und die Klasse gemeinsam einen Arbeitsplan entwi-
ckeln und seine Umsetzung kontrollieren, wie Dewey das mit seiner
Projektmethode fordert. Denn Dewey bestimmt Projekt nicht äußerlich
als ein Vorhaben, das fachübergreifend angelegt ist, in dem SchülerIn-
nen selbst tät ig werden können und das in ein Pro dukt mündet, sondern
inhaltlich durch die Mitverantwortung und -kontrolle der gemeinsa-
men Arbeit durch alle Beteiligten.
Eine stärker individuelle Variante wäre, dass die Lehrerin mit dem
einzelnen Kind sozusagen einen Lernvertrag über bestimmte Aufgaben
und eine überschaubare Zeit abschließt.
Freiarbeit hieße dann, dass die Kinder eigene Ideen für Arbeits-
vorhaben einbringen und gemeinsam oder individuell umsetzen kön-
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nen. Selbstkontrolle beschränkt sich in diesem Kontext nicht auf die
Anwendung metakognitiver Strategien (s. 3.2), sondern bedeutet eine
gegenüber der Gruppe und der Lehrerin verantwortete Selbständigkeit.
Die eigene Arbeit und Erfah rung wird reflektiert, aber n icht nur im Blick
auf das gegenstandsbezogene Lernen, sondern auch auf die persönliche
Entwicklung des Kindes.
Beobachtungsfragen zur pädagogisch-institutionellen Offenheit
Wie weit ermöglicht und fordert der Unterricht von SchülerInnen,
• eigene Ziele und inhaltliche Schwerpunkte für ihre Arbeit zu set-
zen?
• an der Planung/ Gestaltung gemeinsamer Unterrichtsvorhaben
mitzuwirken?
• Mitverantwortung für das soziale Zusammenleben in der Klasse
und Schule zu übernehmen?
Wie wichtig der Differenzierung von Offenheit in den drei Dimen-
sionen 3.1-3.3 ist, wird deutlich, wenn wir analog zu Freiarbeit, Wochen-
plan und Selbstkontrolle die Verwendung weiterer Begriffe überprüfen.
Ein Beispiel ist das Prinzip der Selbsttätigkeit.
Für viele KollegInnen bedeutet Selbsttätigkeit, dass Kinder einen
(größeren) Bewegungsraum erhalten, nicht nur mit Papier und Bleistift
arbeiten, sondern auch reale Gegen stände untersuchen können. Die-
se Sicht entspricht der hand-werklichen Erweiterung schulischen Ler-
nens, wie sie schon im Rahmen methodisch-organisatorischer Öffnung
möglich ist. Sie entspricht dem in 3.2 postulierten An spruch des Kindes
(aber auch an das Kind), eigene Wege zur Lösung von prakti schen wie
intellektuellen Problemen zu finden. In einer dritten Bedeutung steht
Selbsttätigkeit für Selbständigkeit und Verantwor tung des eigenen Ler-
nens, wie hier in 3.3 entwickelt. Diese Dimension wird vor allem in der
Praxis oft unterschlagen.
Wer Unterrichtskonzepte vergleicht oder ihre Realisierung in der
Praxis untersucht, darf diese Unterschiede nicht übersehen, wenn der-
selbe Begriff von verschiede nen Beteiligten benutzt wird.
Doch zurück zum Inhaltlichen: Wie weit kann die geforder te Selb-
ständigkeit der Kinder gehen? Dies ist sowohl eine lerntheoretische Fra-
ge, die wir im fachdidaktischen Kontext, z. B. des Schriftspracherwerbs
oder das Mathematikunterrichts, zu beantworten ha ben, als auch eine
grundsätzliche pädagogische Frage, die über die fachliche Qualifizie-
rung hinaus auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder zielt. Da die
Diskussion meist fachbezogen geführt wird, will ich hier eine weitere
päd agogische Perspektive entwickeln.
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
4. Öffnung bis hin zur Beliebigkeit? Zur Rolle der
Lehrerin im Offenen Unterricht
Der bisherige Überblick macht deutlich, dass es eine Hierarchie
der Stufen zunehmender Öffnung gibt, wobei die höheren Anforderun-
gen die niedrigeren meist mit einschl ießen. Der Veränderungsanspruch
des Unterrichts wächst also
• von der methodisch-organisatorischen
• über die didaktisch-inhaltliche
• bis hin zur pädagogisch-institutionellen
Öffnung des Unterrichts.
Aber gilt auch für die ein zelne Ebene je offener, desto besser? Ist ein
Unterricht immer umso besser, je mehr Freiraum die SchülerInnen ha-
ben, je weniger die Lehrperson oder ein Programm Inhalt und Verlauf
festlegen?
Als erstes ist schon aus pragmatischen Gründen zu bedenken:
Nur das Maß an Offenheit, das die Lehrperson selbst aushalten kann,
wird sie fruchtbar gestalten können. Dies ist kein Freibrief, sich bequem
einzurichten. Aber es wäre naiv, die Bedeutung der Persönlichkeit für
die Umsetzbarkeit eines (noch so gut begründeten) Konzepts auszu-
blenden. Unsicherheit verführt zum Rückfall auf Routinen. Öffnung
des Un terrichts ist also eine persönliche Entwicklungsaufgabe, nicht
nur ein didak tisch-methodischer Fortbildungsauftrag.
Sicherheit brauchen auch die Kinder. Ein gängiges Argumentati-
onsmuster sieht in offenem Unterricht vor allem ein Angebot für Mit-
telschichtkinder. Daran ist richtig, dass Offenheit auch für Kinder nur
aushaltbar ist, wenn sie gelernt haben, mit Wahlmöglichkeiten umzu-
gehen, i hre Arbeit se lbst änd ig zu pl anen u nd zu kontroll ieren, Konf li kte
mit anderen situationsbezogen zu lösen.
Aus der Forschung wissen wir, dass Kinder aus der Unterschicht,
Kinder mit Lern schwierigkeiten und ängstliche Kinder im Durch-
schnitt eher mit offenen Unter richtsformen Probleme haben (und um-
gekehrt mehr von direktivem Unterricht profitieren) als Kinder aus der
Mittelschicht, leistungsstarke Kinder und weniger ängstliche Kinder –
jedenfa lls unter der untersuchten Schulbedingungen (vgl. Br ügelmann;
Brinkmann, 2009, p. 247).
Nur: Heißt das, diese Probleme als naturgegeben hinnehmen zu
müssen, sozusa gen als Eigenschaften dieser Kinder(gruppen)? Auch
Selbständigkeit ist lernbar. Schärfer noch: Sie ist nur durch zugemutete
Selbständigkeit lernbar – und damit eine zentrale Aufgabe des Unter-
richts. Allerdings nicht als Überfall, sondern a ls dosierte – und das kann
heißen: individuell unterschiedliche – Anforderung. Institutionen, also
berechenbare Elemente des Unterrichts wie Morgenkreis, Tagesplan,
Meckerkasten, Schreibkonferenz können den offenen Raum so struk-
Educação & Realidade, Por to Alegre, v. 40, n. 2, p. 349-374, Apr./Juni 2015.
Brügelmann
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turieren, dass die Kinder Halt finden, wenn sie Schwierigkeiten in der
Sache oder mit Personen bekommen. Lernschwierigkeiten und Verhal-
tensprobleme folgen aus der Wechselwirkung von Einstellungen der
Kinder und Formen des Unterrichts (s. ausführlicher unten 5.2 und 5.3).
Eine Öffnung, die den Kindern ernsthafte Aufgaben stellt, kann solche
Schwierigkeiten sogar vermeiden oder nachträglich vermindern.
Lernen Kinder also doch umso besser, je weniger die Lehrerin
eingreift? Meine Antwort ist: ja – aber. Entscheidend ist, aus welchem
Anlass, mit welchem Ziel und in welcher Form sie eingreift, d. h. wie
sie ihre Funktion im Lernprozess der Kinder definiert. Ist sie PartnerIn,
die ihre eigenen Rechte, bzw. ModeratorIn, die die Rechte der Gruppe
vertritt – oder beansprucht sie ein Entscheidungsrecht als Autorität, die
durch eine institutionelle Hierarchie legitimiert ist?
Wie läs st sich diese Rolle der L ehrerin im Spannu ngsfeld zwi schen
Führung/ Belehrung und bloßem Zuschauen definieren? Ein zentrales
Problem folgt aus der Frage, ob Schwierigkeiten beim Lernen als Ent-
wicklungsverzögerung zu erklären seien, so dass die Lehrerin lediglich
abwarten müsse.
Ist das auch die hier gemeinte Position? Ja und Nein.
Ja, weil wir feststellen, dass langsame und schnelle Lerner die-
selben Grundschritte gehen, dass die Leistungen nicht grundsätzlich
andersartig sind, sondern die Kin der lediglich mehr Zeit, mehr Hilfe,
vielfältigere Lernformen brauchen. Und weil wir wissen, dass Verhal-
tensänderungen zwar oberflächlich antrainiert, dass aber Bildung
nicht erzwungen, sondern nur angeregt und unterstützt werden kann.
Nein, weil wir nicht einfach abwarten, sondern die Kinder durch
eine sozial und materiell anregungsreiche Umwelt, durch inhaltliche
und persönliche Herausforderungen und über gezielte Aufgaben, auch
Übungen, und über unsere Hilfe in ihrer Entwicklung fördern wollen.
Dabei gilt aber: Nicht die Quantität kurzfristiger Lernerfolge, sondern
die Qualität des Lernprozes ses ist der Maßstab für guten Unterricht.
Ich versuche, die Aufgabe der Lehrerin in diesem Unterricht über
den Begriff als Herausforderung, den ich in vier Perspektiven auslege,
genauer zu bestimmen:
• Herausforderung durch Sachen
• Herausforderung durch Personen
• Herausforderung durch Traditionen
• Herausforderung durch Institutionen.
Ein in diesem Verständnis als offen qualifizierter Unterricht be-
deutet also: Die Lehrerin vermittelt nicht Stoff oder Normen, sondern
sie fordert die Erfahrungen, das Denken, die Urteile der Kindes heraus.
Denn: Lernen bedeutet immer Ver änderung, Passung (s. oben 3.1) heißt
insofern nicht Anpassung. Statt Wissen und Können als Produkt zu
transportieren, werden Lehrpersonen zu kritischen BegleiterInnen von
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
Lernprozessen, in die sie zwar bestimmte Inhalte einbringen, nie aber
deren Wirkung auf die SchülerInnen determinieren können.
Schon diese Kurzformel macht deutlich, dass LehrerInnen eine
wichtige Funktion haben: Kinder herauszufordern, indem sie
• Fragen stellen (Wie bist du darauf gekommen? Was soll das bedeuten?)
• Alternativen aufzeigen (Probier es doch einmal so! Ich würde es so ma-
chen!)
• Zweifel äußern (Geht das denn auch, wenn...? Tom hat aber ein anderes
Ergebnis).
Hinweise für die Moderation von Lernen (statt Belehren) finden
sich unter dem Gesichtspunkt dosierter Diskrepanz in unterschiedli-
chen psychologischen Theorien (vgl. Piagets Konzept der Perturbation
oder Vigotskijs Zone der nächsten Entwicklung). Sie alle machen darauf
aufmerksam, dass Lernen Konflikte voraussetzt, d. h. eine Spannung
zwischen individuellen Denk- bzw. Verhaltensschemata und Anforde-
rungen der Situation. Konflikte zu inszenieren – über Material, durch
Fragen oder Behauptungen, durch soziale Konstellationen – das ist die
wichtige Aufgabe der Lehrperson.
Der Begriff Öffnung bekommt damit einen zusät zlichen Sinn: Un-
terricht soll die Entwicklung nicht kanalisieren und festlegen, indem
die Vorstellungen des Kindes durch andere ersetzt werden, sondern
diese entwickeln, erweitern und bereichern.
Was heißt das konkret?
4.1 Herausforderung durch Sachen: als Rätsel, nicht als Lösung
Mit der Praxis des weißen Blattes werfen manche LehrerInnen die
Kinder au f sich selbst, auf ihre eigenen Fragen und Erfa hrungen zu rück.
Andere PädagogInnen fokussieren die Aufmerksamkeit der Kinder stär-
ker, indem sie die Kinder mit einer Sache konfrontieren. Der Spielraum,
den Kinder in der Auseinandersetzung mit der Sache haben, ist dabei
unterschiedlich weit.
Bei Maria Montessori ist der Fokus sehr eng: mögliche Aktivitäten
und Deutungen sind festgelegt durch die Isolierung von Merkmalen. Je-
des Material hat seine vor her bestimmte (und damit im didaktischen
Konzept nur eine sinnvolle) Verwen dung. Insofern ist es geschlossen,
auch wenn die Kinder in der Wahl der Arbeits bedingungen viel Freiheit
haben (s. 3.1).
Ganz anders bei DidakterInnen wie Martin Wagenschein. Er kon-
frontiert die Kinder mit einer Situa tion, die unterschiedliche Interpre-
tationen zulässt. Diese Deutungsversuche verweist er immer w ieder zu-
rück auf die Sache, an der die Kinder gegenständlich oder mental ihre
Hypothesen erproben sollen. Dabei gibt es nicht falsche oder richtige,
sondern nur g ut oder schlecht begründete Lösungen. Alltagsgegenstän-
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Brügelmann
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de, Instrumente, Versuchsanordnungen, Dokumente – die Sa che kann
unterschiedlich aussehen. Ihre Offenheit besteht darin, dass nicht eine
bestimmte Deutung vorgegeben ist. Aber die Lehrerin überlässt die
Vielfalt der Sichtweisen nicht dem freien Spiel der Kräfte. Sie fordert die
Deutungen/ Lösungs versuche Umgangsweisen der Kinder dadurch he-
raus, dass sie immer wieder auf die Sache verweist: Stimmt das?, Geht
denn das?, Was wäre, wenn...?
Hier wird deutlich, wie wichtig die Fachkompetenz der Lehrerin
ist. Nicht um zu belehren, sondern um die Sache zur Herausforderung
werden zu lassen – und zwar in unterschiedlicher (Zu-)Richtung, je
nach den Deutungen, die die Kinder versuchen.
4.2 Herausforderung durch Personen: als PartnerIn, nicht als
VorgesetzteR
Lernen hat immer zwei Seiten: eine Erfahrung mit (Aspekten) der
Umwelt und eine Erfahrung mit sich selbst in der Beziehung zu anderen
(vgl. zur bdeutsamen Rolle der anderen Kinder unten Kap. 4.4).
Die kindliche Persönlichkeit kann sich nur entwickeln, wenn ihr
zureichend Raum gewährt wird, sich zu erproben. Erproben kann sich
eine Person andererseits nur, wenn der Raum Grenzen hat und wenn er
nicht diffus ist. Grenzen müssen aber nicht künstlich gesetzt werden.
Sie ergeben sich in der Lerngruppe nicht nur aus der Widerständigkeit
der Sache, sondern auch aus abweichenden Sichtweisen anderer Betei-
ligter und aus konkurrierenden Interessen.
Erziehung wird oft verstanden als Vermittlung von Normen. Kin-
dern wird erklärt, was gut oder richtig ist, sie werden bestraft, wenn sie
böse sind, und zurecht gewiesen, wenn sie etwas falsch machen. Eine
solche Erziehung von oben verfehlt die Leitidee der Selbständigkeit.
Aber daraus folgt nicht, keine Grenzen zu setzen.
Wichtige Erfahrungen machen Kinder im Umgang und in der
Auseinandersetzung mit anderen. Wenn Erwachsene sich als Partne-
rInnen verstehen, heißt das nicht, dass sie sich den kindlichen Wün-
schen unterordnen, sondern dass sie ihre Interessen, ihre Vorstellungen
als gleichwertig behaupten.
Herausforderung bedeutet dann, dass die Lehrerin die Kinder
nicht nur auf die Sache verweist, sondern sie mit der eigenen Deutung
(der Sache, einer Situation, eines Verhaltens) konfrontiert – nicht im
Sinne einer ex cathedra überlegenen oder sozusagen authentischen In-
terpretation, sondern als alternative Sicht, z. B. bei der Erklärung eines
Versuchsergebnisses, bei der Auslegung eines Gedichts oder bei der Re-
aktion auf einen Konflikt.
Wenn die Lehrperson das Kind als Partner ernst nimmt, ist sie
zum einen offen für seine Sicht der Dinge, behauptet aber die eigene Po-
sition als ebenso bedeutsam. Ihre Verantwortung für die Gruppe weist
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
ihr darüber hinaus eine zweite Funktion zu: den Schwächeren und Lei-
sen zu helfen, ihre Rechte, Gefühle und Gedanken zu artikulieren, auch
einmal stellvertretend ihre Position zu vertreten, soweit sie das in einer
Situation nicht selbst schaffen (s. unten 4.4).
4.3 Herausforderung durch Traditionen: als Möglichkeit, nicht
als Bindung
Jeder Mensch konstruiert seine eigene Welt im Kopf. Aber Men-
schen leben nicht als Einsiedler, sondern in einem sozialen Raum mit
Traditionen des Denkens und Urteilens.
An den individuellen Erfahrungen anzuknüpfen ist wichtig. Die
Vielfalt der Subkul turen in unserer heutigen Gesellschaft macht es an-
dererseits unverzichtbar, ge meinsame Erfahrungen zu ermöglichen,
eine gemeinsame Sprache zu sichern. Bildungstheoretisch bedeutet das:
Individualisierung findet ihre Grenzen im An spruch sozialen Lernens,
im Respekt für andere Sichtweisen und in der Beherr schung von Kon-
ventionen (sozialen und sprachlichen Umgangsformen, aber auch: Stel-
lenwertsystem in der Mathematik, Grammatik und Rechtschreibung
der Sprache usw.; vgl. Hey mann 2003, Kap. 3).
Prägnant haben Gallin; Ruf (1990) beschrieben, was dies für die
Öffnung des Unterrichts bedeutet: von der Singularität individueller
Denkversuche über die Divergenz kon kurrierender Deutungen zur Re-
gularität (wobei deutlich zu machen ist, dass auch diese eine Konventi-
on und nicht die einzig mögliche Lösung darstellt).
Das Denken des Kindes in seinen individuellen Lösungen von
Aufgaben akzeptie ren, es durch die soziale Interaktion (z. B. über Re-
chenplakate oder Schreibkonfe renzen) in Bewegung bringen und
schließlich mit den Konventionen der Fächer oder den Traditionen ver-
schiedener Subkulturen als möglicher Vereinfachung, Zusammenfas-
sung oder Differenzierung wieder zu seiner Konsolidierung auf einem
höheren Niveau beitragen – als Oszillation zwischen diesen Polen lässt
sich die Aufgabe der Lehrerin in diesem Feld beschreiben.
Um diesen Prozess zu regulieren, hat Lawrence Stenhouse (1975,
Kap. 7) – speziell zur Diskussion kontroverser Fragen – Kriterien für die
Lehrerrolle formuliert (er nennt sie Standards): Aufgabe der Lehrperson
sei es nicht, richtige Meinungen zu vermitteln oder diese zu bestätigen,
sondern Begründungen zu erfragen, Minderheitenpositionen zu stär-
ken, Kon sens in Frage zu stellen, alternative Sichtweisen ein zuführen.
4.4 Herausforderung durch Institutionen: als Aufgabe, nicht als
Vorgabe
Schule ist (abgesehen von dem noch nicht so stark formalisierten
Kindergarten) die erste Institution im Leben eines Kindes. Hier erlebt
es grundsätzlich andere Normen für die Interaktion als in der Familie.
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Brügelmann
365
Der Wechsel von einer persönlichen zu einer universalistischen Orien-
tierung bereitet vor auf das Leben in einer Gesell schaft, die wegen ihrer
Komplexität soziale Beziehungen in hohem Maße formali sieren muss.
Die Schule, vor allem der Anfangsunterricht, stellt damit eine
schwierige, aber notwendige Entwicklungsaufgabe: von der individu-
ellen, auch stark emotional geprägten Beziehung zu anderen Personen
hin zur Rolle als SchülerIn, die von der Funktion in der Institution her
definiert sind.
Die Lehrerin steht damit in einer doppelten Spannung:
• einerseits zwischen ihrer Rolle als Bezugsperson für viele Kinder (s.
Kap. 4.2) und ihrer Funktion als Inhaberin eines Amtes in der Insti-
tution;
• andererseits zwischen dem Anspruch, die Selbständigkeit der Kinder
nicht nur zu fördern, sondern auch zu respektieren, und dem Auftrag,
gesellschaftliche Anforderungen durchzusetzen (z. B. durch Selekti-
on für verschiedene Schularten).
Diese Spannung lässt sich nicht generell, sondern nur situativ lö-
sen: als jeweils neu zu findende Kompromisse. Ob diese überzeugen,
ist nicht nur eine Frage der inhaltlichen Stimmigkeit, sondern auch der
persönlichen Glaubwürdigkeit. Glaub würdig können verschiedene Lö-
sungen sein, wenn deutlich wird, dass die Lehrper son die widerstrei-
tenden Interessen/Anforderungen wahr- und ernst nimmt.
Lernen in einer demokratischen Schule und für eine demokrati-
sche Gesel lschaf t fordert aber einen weiteren Schrit t, über die in Kap. 4.2
begründete Öffnung hinaus: Beteiligung der SchülerInnen an der Pla-
nung des Unterrichts und Mitverantwortung für das Zu sammenleben
in der Klasse. In Kap. 3.3 habe ich das als Anspruch des Kindes auf Öff-
nung der Entscheidungsverfahren formuliert. Diesem Recht korrespon-
diert eine Pflicht, sich Entscheidungen zu beugen, die in einem offenen
Verfahren gefunden wurden.
Die vierte Aufgabe der Lehrperson heißt also: Institutionalisie-
rung von Verfahren, vom regelmäßigen Gesprächskreis am Morgen
über die ebenfalls noch informelle Leseversammlung bis zum Klassen-
rat oder gar zum Schülergericht (wie etwa bei Korczak).
Solche Formen der Meinungsbildung und der Konfliktlösung ge-
meinsam mit den Kindern zu entwickeln ist ein wesentliches Medium
sozialen Lernens, beschränkt sich aber nicht – wie bei vielen Lehrerin-
nen (s. die Befunde in Brügelmann; Brinkmann, 2009, 198ff.) – auf die
Regelung des sozia len Miteinander, sondern schließt Entscheidungen
über Inhalte des Unterrichts mit ein. Den Anspruch auf Respektie-
rung der gemeinsam gefundenen Entscheidungen und Regeln im Alltag
durchzusetzen, auch stellver tretend für die Leisen und Schwachen, ist
eine zentrale Funktion der Lehrperson.
In dieser Hinsicht steht sie auch für gesellschaftliche Anforderun-
gen, allerdings nicht im Sinne eines Curriculums vorgegebener Stun-
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
deninhalte, sondern eines Grundkonzepts von Bildung in der Schule
insgesamt (s. zum Stichwort Unterrichtskultur unten 5.3).
5. Strukturen im Offenen Unterricht
Wie lässt sich die beschriebene Rolle der Lehrerin konkret umset-
zen und abstüt zen?
Herkömmliche Lehrgänge entlasten die Lehrerin, indem sie den
Unterrichtsgegenstand, die Lehrziele und den Lernweg für die Arbeit
der SchülerInnen vorgeben. Dieser Ansatz unterstellt den DidaktikerIn-
nen eine besondere Autorität in fachlicher, institutioneller und didak-
tisch-methodischer Hinsicht, die sie den LehrerInnen (im Verhältnis zu
den SchülerInnen) über ihre Konzeptionen, Programme und Materiali-
en übertragen.
Wenn wir diese Autorität relativieren im Sinne der oben gefor-
derten Öffnung des Unterrichts (s. oben 3.1 bis 3.3), dann stellt sich die
Frage nach alternativen Strukturen. Denn das Wechselspiel von Eigen-
aktivität der SchülerInnen und Herausforderung durch die Lehrerin ge-
deiht nicht im luftleeren Raum.
Strukturen können LehrerInnen in drei Dimensionen entw ickeln,
die ich im Folgen den exemplarisch am Beispiel des Anfangsunterrichts,
vor allem im Lesen und Schreiben konkretisiere.
5.1 Strukturierung durch die inhaltliche Gestaltung von Materialien
Materialien, die wir für Erkundungs-, Ordnungs-, Übungsauf-
gaben bereitstellen, können inhaltlich so strukturiert werden, dass
sie bestimmte Umgangsweisen und Einsichten nahe legen. Das Wort-
listen-Training mit der Grup pierung von Wörtern nach Rechtschreib-
gemeinsamkeiten oder die morphematisch unter schiedliche Färbung
von Wortbausteinen sind Bei spiele für solche ins Material eingebaute
Muster wie auch folgende Spiele/ Aufgaben in der ABC-Lernlandschaft
(s. Brügelmann; Brinkmann, 2012):
– das gezinkte Memory mit Minimalpaarwörtern, die auf die struktu-
relle Entsprechung von Veränderungen auf den Ebenen Schrift, Laut
und Sinn aufmerksam machen;
– die Wortbaumaschine mit Fenstern für Stamm-, Vor- und Nachsilben,
die den morphematischen Aufbau von Wörtern greif-bar werden las-
sen;
– alle Aufgaben nach dem Odd-man-out - Muster, die neben mehreren
mustergerechten Beispielen einen Störenfried enthalten.
Solche Aufgaben/Materialien enthalten also eine Struktur, die
dem Kind implizit für die Rekonstruktion von Mustern im Rahmen
seines aktuellen Denkens angeboten, diesem aber nicht durch expli-
zite Vermittlung und Forderung aufgezwungen wird. Dann bleiben
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Brügelmann
367
sie nämlich oft äußerlich und werden nur als Etiketten übernommen.
Ob, wann und wie das Kind die Struktur aufnimmt, entscheidet nicht
die Lehrerin, aber sie fordert das kindliche Denken durch das Material
heraus und bietet ihm sinn volle Entwicklungsmöglichkeiten an: enger
fokussiert im eindimensionalen Sinnesmaterial von Maria Montessori,
weiter in den Fröbelschen Spielgaben (vgl. Kishimoto, 1996).
Eine Anlauttabelle zum Schreiben ist das eindrucksvollste Bei-
spiel dafür, wie mit minimaler Vorgabe eine Denk- und Ordnungshilfe
angeboten werden kann, die eine Sachlogik repräsentiert, diese aber als
Werkzeug in die Hand des Kindes gibt, um seine Selbständigkeit zu stei-
gern: Für das Verschriften ihrer gesprochenen Wörter können die Kin-
der die notwendigen Buchstaben finden, indem sie das entsprechende
Anlautbild i n der Tabelle suchen. Wir sind in d ieser Richtung noch einen
Schritt weitergegangen und haben vorgeschlagen, die An lauttabelle nur
als Hohl form vorzugeben, in die Kinder individuell unterschiedliche
Bilder einkleben oder -malen, die ihre persönlichen Schlüsselwörter
– im Sinne von Paolo Freire (2008; s. auch Lyra, 1996) repräsentieren.
Damit wird die inhaltliche Bedeutsamkeit der Elemente gestärkt, aber
auch – in Form einer wachsenden Anlauttabelle – eine graduelle Zunah-
me der Komplexität ermöglicht.
In ihrer Werkzeugfunktion weist die Anlauttabelle schon den
Übergang zu einer zweiten Strukturierungsform Offenen Unterrichts:
5.2 Strukturierung durch die methodische Gestaltung von Arbeitsformen
Orientierung und Sicherheit geben wiederkehrende Aufgaben-
typen. Wir haben sie in der Ideenkiste Schriftsprache als methodische
Institutionen bezeich net, die von einfachen, häufig an ein Material
gebundenen Arbeitsformen (z. B. die Lektion bei Montessori) über die
zweckgebundene Ausweisung von Zeiten (z. B. der Wochenplan bei
Petersen, 2007) bis zur aufgabenspezifischen Gestaltung von Räu men
(z. B. die Ateliers bei Freinet) reichen: Buchstabenplakate, Anlaut-Tel-
ler, Karteikästen für die alphabetische Sammlung persönlich wichtiger
Wörter und ihre Übung sind Hohlformen, die individuell gefüllt werden
können.
Ziel solcher methodischen Strukturierungen ist es, Haltungen
und Arbeitstechniken zu entwickeln, die das selbständige Lernen er-
leichtern: Probieren, Prüfen, Ordnen sind wichtige übergreifende
Leistungen. Eine besondere Qualität gewinnen solche methodischen
Grundformen, wenn sie persönlich bedeutungsvolle Aktivitäten er-
möglichen wie beispielsweise das Sammeln von Besonderem und Ord-
nen von Ähnlichem, das schon kleine Kinder fasziniert, aber ebenso
wissen schaftliches Arbeiten charakterisiert.
Ist Montessori die Meisterin in der Strukturierung von Mate-
rial, so können wir für die Strukturierung des Unterrichts durch me-
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
thodische Institutionen viel von Peter Petersens Jenaplan lernen. Sei-
ne Urformen der Bildung – Gespräch, Arbeit, Spiel, Feier – bieten ein
Repertoire an Bauformen des Unterrichts, die sich in gut durchdachter
Weise ergänzen. In der zeitlichen Rhythmisierung der Woche, z. B. mit
Schulfeiern zum Auftakt und Ende der Woche, mit Klassengesprächen
am Wochenanfang und -ende, mit Kursen und Arbeitsgemeinschaften,
wird den SchülerInnen eine Zeit struktur geboten, die erst den Raum für
eine Mitplanung und eigene Verantwor tung der Arbeit schafft.
Arbeitsformen lassen sich insofern nicht rein technisch bestim-
men. Damit kommen wir zur dritten Dimension der Strukturierung
von Offenheit, die auch schon bei Petersen in seiner Ausformung der
Gemeinschaft anklingt:
5.3 Strukturierung durch die soziale Gestaltung einer Unterrichtskultur
Soziale Normen und Praktiken, kurz die Kultur des Unterrichts,
haben eine hohe Bedeutung für die Qualität der Lernmöglichkeiten
(vgl. Heymann, 2003).
Rituale sind wie die methodischen Strukturen Hohlformen, die
inhaltlich unterschiedlich gefüllt werden können. A ls gemeinsame Ori-
entierungshilfe bieten sie Sicherheit im Tages- und Wochenablauf, da-
rüber hinaus fördern sie die Entwicklung individueller Routinen. Diese
entlasten bei der Arbeit, aber sie prägen auch Einstellungen und Verhal-
tensweisen.
Darum brauchen wir soziale Strukturen, die die Selbständigkeit,
die Gesprächs- und Kooperationsfähigkeit, die Toleranz und Kritikfä-
higkeit der Kinder stützen. Einige bereits erwähnte Möglichkeiten, in
denen Sache und Spra che zusammenfinden und auf einer Meta-Ebene
gemeinsam geplant bzw. kon trolliert werden: Anfangs- und Schluss-
kreise, Schreib- und Rechenkonferenzen, Klassen- und Schulversamm-
lung, Präsentationen und Ausstellungen.
Diese sozialen Institutionen haben gemeinsam, dass sie das Von-
und Miteinan der-Lernen der Kinder stützen, dass also nicht die Lehre-
rin Aktivitäten steuern und strukturieren muss. Ihre Aufgabe ist vor-
rangig, diese wechselseitige Herausforderung und Unterstützung zu
moderieren – in einer Lernwerkstatt statt Belehrungsanstalt:
In ähnlicher Perspektive haben Beck u. a. (1995, 28 ff.) sozial
strukturierte Arbeits formen erprobt, die Kindern helfen können, ihren
Lernprozess selbst zu steuern und zu überwachen. In der folgenden
Rangfolge haben sie sich als besonders effektiv erwiesen, die Selbstkon-
trolle anzuregen und zu stützen:
• Arbeit in festen Lernpartnerschaften, um sich über Erfahrungen und
Schwierig- keiten beim Lernen auszutauschen und diese zu bewerten
(evaluation);
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Brügelmann
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• Notieren von Selbstbeobachtungen bei der Arbeit im Arbeitsheft (mo-
nitoring);
• Austausch über inhaltliche und Strategie-Probleme in der Klasse (con-
ferencing);
• periodische schriftliche Arbeitsrückschau im Lernheft (reflection);
• LehrerIn oder MitschülerIn als laut denkende Modelle für Lösungsver-
suche und Strategien (modeling).
Zusam menfassung: Kriter ien für eine gelungene Öffnu ng des Unterrichts
- als Hilfe für die Planung und Beurteilung von didaktischen Arran-
gements
Die Organisationsform, die materielle Umgebung, vereinbarte Rege-
ln, konkrete Vorhaben/ Impulse sollten sich dadurch auszeichnen,
dass sie...
•... die Kinder zu selbst bestimmter und eigenverantwortlicher Arbeit
anregen, z. B. durch morgendliche Planungssitzungen oder indivi-
duelle Lernverträge;
•... ihre vertrauten Denkweisen und verfügbaren Handlungsmuster
herausfordern, z. B. durch Konfrontation mit anderen Sichtweisen
in Kreisgesprächen oder durch Rückfragen der Lehrperson am Ar-
beitsplatz;
•... unterschiedliche Aktivitäten ermöglichen, z. B. durch Raum für
individuelle Vorhaben oder durch vorbereitete Wahlangebote;
•... den Austausch der individuellen Erfahrungen und Ergebnisse
verlangen und stützen, z. B. durch institutionalisierte Formen der
Berichterstattung;
•... eine Reflexion der eigenen Arbeit fördern, z. B. durch regelmäßige
Selbstbewertung eigener und konstruktive Kritik fremder Beiträge;
•... bei auftretenden Schwierigkeiten hilfreiche Unterstützung si-
chern, z. B. durch ein Helfersystem, geregelten Zugang zur Lehr-
person;
•... und dass Regeln/ Anweisungen funktional begründet werden
(Beeinträchtigung anderer, Störung der Arbeit), nicht erzieherisch.
5.4 Strukturierung didaktischer Planungshilfen für die Lehrerin
Die drei Dimensionen der Strukturierung des Unterrichts geben
der Lehrerin ein flexibles Repertoire an die Hand. Je dichter die eine
Dimension strukturiert wird, umso offener sollte (und kann) die andere
sein. Aber auch jede Str uktur f ür sich muss unter dem Anspruch geprüft
werden, dass sie die intellektuelle und die soziale Selbständigkeit der
Kinder fordert (und damit fördert).
Es sind insofern andere Strukturen, die die Arbeit und das Zu-
sammenleben in einem offenen Unterricht reg ulieren. Für LehrerInnen
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
bedeutet das, ihre eigene Arbeit als Experiment und sich selbst als For-
scherInnen zu verstehen (vgl. schon Stenhouse, 1975). Curricula sind
hilfreich als Anregung und Stütze – aber sie können nie mehr sein als
Hypothesen, die von der Lehrperson auf die besonderen Bedingungen
der jeweiligen Lerngroppe abzustimmen und im Blick auf ihre Wirkun-
gen kritische zu prüfen sind. Das ist eine evidenzbasierte Didaktik – die
sich nicht als bloß technische Anwendung externer Vorgaben missver-
steht.
Für ihre eigene Orientierung und Ent lastung braucht die Lehrerin
also andere Strukturen als in der Lehrgangsform denk- und machbar.
Dies gilt vor al lem, wenn wir die Forscher-Rolle der Lehrerin ernst neh-
men. Für den Lese- und Schreibunterricht haben wir vier solcher offener
Strukturen in der Ideen-Kiste 1 Schrift-Sprache und in der ABC-Lernland-
schaft entwickelt. Ihre zentralen Elemente:
– ein Vier-Säulen -Konzept zentraler Aktivitäten als Grundlage für die
Planung des Unterrichts (Brügelmann; Brinkmann, 2013);
– eine didaktische Landkarte mit acht konkreten Lernfeldern als geord-
nete Ziel- und Inhaltsperspektive (Brügelmann, 1986);
– ein Stufenmodell kindlicher Entwicklung als Beobachtungs- und
Deutungshilfe konkreter Lese- bzw. Schreibversuche der Kinder (Brü-
gelmann, 1989);
– Prinzipien für die methodische Gestaltung des Unterrichts als Pro-
zesskriterien (Brügelmann; Brinkmann, 2009, 38ff.).
LehrerInnen brauchen neben solchen didaktisch-methodischen
Orientierungen aber weite re Strukturen für einen erfolgreichen offe-
nen Unterricht, die sie nicht allein schaffen können. Dazu zählen or-
ganisatorische Rahmenbedingungen, über die das Kollegium oder die
Gesamt konferenz entscheiden (z.B. Rhythmisierung des Schultags,
Abschaffung der Pausenklin gel, Gleitzeiten am Anfang und Ende des
Schultages, Anschaffung von alternativen Lehr-/ Lernmitteln), aber
auch Angebote der Beratung und Supervision, wie sie für andere sozi-
ale Berufe selbstverständlich sind - wiederum als Rahmenbedingung
politisch zu entscheiden, aber konkret in den Hochschulen und von der
Schulverwaltung zu entwickeln und bereitzustellen (s. die Evaluations-
hilfen im Kasten).
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Prinzipien f ür die Beratung im offenem Unterricht
Im Nachgespräch zur Beobachtung des Unterrichts durch Externe sollten
folgende Fragen mit der vera ntwortlichen Leh rperson besprochen werden:
• Was waren/ sind Ihre wichtigsten Ziele und Pr inzipien?
Nachf rage: Wie stehen Sie zu folgenden Vorgaben der Richtlinien/ Lehrplä-
ne, zu folgenden Positionen der schulpädagogischen und (fach-)didakti-
schen Diskussion?
○ Kla rheit der Darstellung der eigenen Position
○ überzeugende Einordnung in rechtliche Vorgaben und in die Fachdiskus-
sion
○ fundierte Begründungen
• Wo steht ihre Lerngruppe, wo stehen einzelne Kinder in den zentralen
Entwicklungsdimensionen?
Nachfrage: Ist Ihnen aufgefa llen, dass SchülerIn X...?
○ Wahrnehmung der einzelnen Kinder in ihrer Besonderheit
○ Differenziertheit der Beschreibung ihrer Stärken und Schwächen
○ begründete Einschätzung der Entwicklung und angemessene Bewertung
des Lernstands
• Wo sehen Sie die Stärken und die Schwächen Ihrer Arbeit, also Ihrer Ver-
suche, die eigenen Ansprüche und die vorgegebenen Anforderungen um-
zusetzen?
Nachfrage: Mir ist bei der Beobacht ung des Unterrichts aufgefa llen, dass...
○ Bereitschaft zu selbstkritischer Wahrnehmung
○ Offen heit für andere Perspektiven
○ konstr uktiver Umgang mit eigenen Schwächen
• Welche Umstände erschweren es Ihnen, Ihre Ansprüche im Alltag umzu-
setzen?
Nachf rage: Könnten Ihre Schw ierigkeiten auch daran liegen, dass ...?
○ Anerkennung eigener Schwächen
○ Konzentration auf beeinflussbare Beding ungen
○ Abgrenzung gegen Überlastung der eigenen Möglichkeiten
• Was haben Sie sich als nächste Schritte zur Entwicklung Ihrer Arbeit vor-
genommen?
Nachfrage: Haben Sie auch an folgende Mög lichkeiten gedacht: .... ?
○ Bereitschaft, eigenes Repertoire zu er weitern
○ Produktivität der Ideen
○ realistische (Selbst-)Einschätzung der Veränderungsmöglichkeiten
• Welche Unterstützung/ welche Rahmenbedingungen wären nötig bzw.
hilfreich?
Nachfrage: Würde es Ihnen helfen, wenn...?
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Unterr icht muss offener geplant, die Offen heit aber auch klar struk turiert werden
6. Ein Wort zum Schluss
Der Vorwurf, offener Unterricht sei unstrukturiert, bloßes lais-
sez-faire oder lasse die Kinder mit ihren Lernproblemen allein, sollte
nach dem Gesagten in Zukunft der Vergangenheit angehören. Die in
Kap. 4 und 5 vorgestellten Strukturen machen deutlich, dass die Lehre-
rin weder zum passiven Zuschauen noch zum bloßen Abwarten verur-
teilt ist. Allerdings verpflichten die in Kap. 1 und 3.3 begründeten Prin-
zipien sie dazu, die Arbeit im Klassenzimmer in Abstimmung mit den
Kindern bzw. Jugendlichen zu entwickeln und zu überprüfen1.
Eingegangen: 01.12.2014
Angenommen: 05.03.2015
Fußnote
1 Eine Vorf assung d ieses Beit rags ist er schienen i n: Brügelm ann; Bri nkm ann, 200 9.
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Dr. Hans Brügelmann, von 1980 bis 2012 Professor für Grundschuldidaktik
an den Universitäten Bremen und Siegen. Arbeitsschwerpunkte und Publi-
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tegien der Schulreform, Methoden der Evaluation.
Mailadresse: hans.bruegelmann@uni-siegen.de