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Abstract

Produktion und Einsatz modernster Umwelttechnik werden in zunehmendem Maße von Politik und Wirtschaft als wichtige positive Faktoren sowohl für die ökologische als auch die wirtschaftliche Entwicklung gepriesen. Gleichzeitig wird die Umweltpolitik zu einem sehr kontrovers behandelten Element der aktuellen Standortdiskussion. In einer Vorstudie zu einem Projekt des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags (TAB) wurden bisher zu dieser Thematik vor-liegende Untersuchungen und Argumente zusammengetragen, analysiert und auf bestimmte Fragestellungen hin gebündelt und kommentiert.
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durch die Vergabe von Forschungsdarlehen hat
zwei wesentliche Aufgaben:
1. Übernahme des FuE-Risikos bei komplexen
Aufgabenstellungen im Bereich von Schlüssel-
und Hochtechnologien durch den Staat und Ge-
währleistung eines effizienten und marktorien-
tierten Technologietransfers;
2. Stärkung der Innovationskraft und Wettbe-
werbsfähigkeit der Unternehmen durch Abbau
von Subventionen im Falle einer erfolgreichen
Überführung von FuE-Ergebnissen.
Die Fördermittel werden als Forschungsdarlc-
hen an die industriellen Verbundpartner verge-
ben. Grundfinanzierte Forschungsinstitute wer-
den weiterhin direkt gefördert. Die Verbund-
partner führen ein eigenständiges Controlling
durch und entscheiden über die weitere Nutzung
der von ihnen erzielten Ergebnisse.
Werden diese durch die beteiligten Unterneh-
men nicht selbst genutzt, übernimmt der Staat
das Darlehen, aber auch alle FuE-Resultate, die
er durch einen kommerziell organisierten
Technologietransfer weitergibt. Somit können
sich für alle Beteiligten neue Chancen auf einen
wettbewerblich strukturierten Technologie-
transfermarkt ergeben. Durch die Verbundpart-
ner genutzte und überführte Ergebnisse sind das
Resultat einer Forschung, bei 'der nur noch das
Risiko durch den Staat mitgetragen wird. Die
erfolgreiche Umsetzung der Forschungsergeb-
nisse hat für den Industriepartner zur Konse-
quenz, daß das Forschungsdarlehen zu Kondi-
tionen, die denen des bereits existierenden
BMFT- Programms »FuE-Darlehen für kleine
Unternehmen zur Anwendung neuer Technolo-
gien« ähneln könnten, zurückgezahlt wird. Der
Projektträger übernimmt eine neue Funktion. Er
unterstützt die Integration außerdisziplinärer
Bereiche, die wesentlich zur erfolgreichen
Überführung von FuE-Ergebnissen beitragen
können, und fördert insbesondere kleine und
mittlere Unternehmen beim Controlling und
Technologietransfer.
Das neue Werkstofforschungsprogramm des
BMFT folgt dem Leitbild »Werkstoffe für
Schlüsseltechnologien«. Inwieweit sich Ele-
mente einer »Integrierten Werstofforschung«
zukünftig durchsetzen werden, bleibt abzuwar-
ten. Ungeachtet der Profilierung des einen oder
des anderen Leitbildes wird der Erfolg der
Werkstoiforschung zunehmend von den außer-
halb der originären Werkstofforsichung liegen-
den Bereichen entschieden. Dies gilt insbeson-
dere für die frühzeitige Berücksichtigung öko-
logischer Belange und der rechtlichen Rahmen-
bedingungen.
Martin Socher, Bonn
(Umwelt-)Technik und
zukunftsfähige Entwicklung
Produktion und Einsatz modernster Umwelttechnik werden in zunehmendem Maße von Politik und
Wirtschaft als wichtige positive Faktoren sowohl für die ökologische als auch die wirtschaftliche
Entwicklung gepriesen. Gleichzeitig wird die Umweltpolitik zu einem sehr kontrovers behandelten
Element der aktuellen Standortdiskussion. In einer Vorstudie zu einem Projekt des Büros für
Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags (TAB) wurden bisher zu dieser Thematik vor-
liegende Untersuchungen und Argumente zusammengetragen, analysiert und auf bestimmte
Fragestellungen hin gebündelt und kommentiert.
Umwelttechnik als Faktor
für wirtschaftliche Entwicklung
Bei der ökonomischen Betrachtung ist noch
weitgehend unbestritten, daß mit der Umwelt-
politik der 1970er und 1980er Jahre in der Bun-
desrepublik etwa aufgrund der Notwendigkeit
des Einsatzes insbesondere sogenannter »nach-
geschalteter Umwelttechnik« in der Gesamtbi-
lanz - trotz auch eintretender Verdrängungsef-
fekte - eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen
neu geschaffen worden ist. Angesichts der bis-
herigen Entwicklung des weltweiten Marktes
für Umwelttechnologien und -dienstleistungen,
der dortigen Position der Bundesrepublik sowie
des übereinstimmend prognostizierten künfti-
gen Wachstums in diesem Bereich bieten sich
der bundesdeutschen Industrie ohne Zweifel po-
sitive Entwicklungschancen.
Die Industrie beklagt jedoch in der aktuellen
Standortdiskussion nachdrücklich, daß für vie-
le Branchen der Faktor Umweltschutzkosten so-
wie das »Regelungsdickicht« der deutschen
Umweltpolitik (vor allem zu lange Genehmi-
gungsverfahren) und die von ihr nicht ausrei-
chend gewährleistete Planungssicherheit nach-
teilige Faktorenr den »Wirtschaftsstandort
Deutschland« darstellten.
Im Hinblick auf das Kostenargument deuten die
vorliegenden Untersuchungen demgegenüber
darauf hin, daß selbst stark durch Umwelt-
schutzkosten belastete Industriezweige in der
Vergangenheit kaum Veränderungen ihrer in-
ternationalen Wettbewerbsfähigkeit aufweisen.
Gründe hierfür können in der generell ver-
gleichsweise geringen Bedeutung der Umwelt-
schutzkosten der deutschen Industrie bezogen
auf den Produktionswert liegen (im Durch-
schnitt 0,7 %, bei den umweltkostenintensiven
Zweigen 2,5 % mit zum Teil deutlich höheren
Werten) oder auch in relativ geringen Preisela-
stizitäten der Nachfrage nach mit hohen Um-
weltkosten belasteten Produkten.
Untersuchungen dazu, inwieweit die recht pau-
schal geäußerte Umweltregulierungskritik zu-
treffend ist, existieren nicht. Feststellbar sind in
vielen Fällen suboptimale ökonomische wie
auch ökologische Anpassungsreaktionen von
Unternehmen. Inwieweit diese - wie häufig be-
hauptet - etwa auf die Dominanz ordnungs-
rechtlicher Instrumente in der Politik zurückzu-
führen sind, ist allerdings schwer abschätzbar.
Mit Blick auf die ökologische Komponente wird
von allen Seiten die wachsende Bedeutung und
Notwendigkeit einer schon in die Produktions-
prozesse bzw. die Produkte selbst einfließenden
»integrierten Umwelttechnik« betont. Während
die bislang vorwiegend eingesetzte nachge-
schaltete Umwelttechnik in der Regel keine Ma-
terial- oder Energieeinsparungen und häufig
Verlagerungen von Umweltproblemen zwischen
den einzelnen Medien Luft, Wasser und Boden
bewirkt hat, verspricht die integrierte Umwelt-
technik eine höhere ökologische Effizienz, da
sie an den eigentlichen Quellen von Umweltbe-
lastungen, dem Stoff- und Energieeinsatz, an-
setzt.
Zumindest mittel- und längerfristig kann sie
auch ökonomisch bessere Perspektiven eröff-
nen, da etwa durch die Erhöhung der Ressour-
cenproduktivität auch die Gesamtproduktivität
eines Produktionsprozesses verbessert werden
könnte.
Was kann Umwelttechnik leisten?
Für eine genauere Bilanz in bezug auf den
grundsätzlichen Stellenwert einer technik-be-
zogenen Umweltpolitik müssen verschiedene
Bewertungskriterien herangezogen werden.
Mit Blick auf die wirtschaftliche Frage zeigen
die vorliegenden Untersuchungen, daß Um-
weltschutz für die betroffenen Unternehmen in
der Regel Kosten bedeutet, allerdings selten in
nachhaltig wettbewerbsverzerrender oder exi-
stenzgefährdender Höhe. Gleichwohl ist für
eine Gesellschaft Umweltschutz zumindest
auch insoweit nicht »umsonst« zu haben, als sie
für die Finanzierung von Umweltschutzmaß-
nahmen auf die Befriedigung anderer Bedürf-
nisse oder möglicherweise »produktivere« In-
vestitionen (z. B. im Bildungsbereich) verzich-
ten muß.
Eine Betrachtung der ökologischen und insbe-
sondere auch der internationalen Dimension des
Einsatzes von Umwelttechnik umfaßt darüber
hinaus Aspekte, deren Einbeziehung zu einer
wesentlich kritischeren Einschätzung der Mög-
lichkeiten und des Stellenwerts von Umwelt-
technik angesichts der sich stellenden Probleme
führt.
Mit dem Begriff des »sustainable development«
kommt nun eine solche in verschiedener Hin-
sicht umfassendere Sichtweise erstmals in eine
breitere öffentliche Diskussion. Er ist allerdings
in den letzten Jahren in den wissenschaftlichen
und den umweit- bzw. entwicklungspolitischen
Diskussionen letztlich nur zu einem vielver-
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wendeten Schlagwort geworden. Der Begriff ist
bisher noch weitgehend auf dem Niveau einer
abstrakten Idee verblieben, in zum Teil sehr ver-
schiedener Weise definiert und interpretiert, je
nachdem von wem bzw. in welchem Zusam-
menhang er reflektiert wird. Das Spektrum des
Verständnisses von »sustainable development«
reicht dabei von einer - weitgehend an ökono-
mischen und technologischen Aspekten ausge-
richteten - ökologischen Modernisierung, wo
allein auf dem Weg der Modehiisierung des be-
stehenden Wachstums- und Zivilisationsmodells
die (globalen) Probleme als lösbar erachtet wer-
den, bis hin zu einer strukturellen Ökologisie-
rung, wo weniger (ökonomische) Effizienzkri-
terien im Vordergrund stehen, als beispielswei-
se (globale) Verteilungsaspekte und insbeson-
dere die Frage nach dem zukunftsfähigen bzw.
langfristig aufrechterhaltbaren Produktions-
und Konsumw/veaw einer Gesellschaft,
Neben der Berücksichtigung globaler Bezie-
hungen und Ursache-Wirkungsfaktoren besteht
ein wesentlicher Ansatz in dem letztgenannten,
etwas weiter gefaßten Verständnis von »su-
stainable development« in der ganzheitlichen
Einbeziehung von ökologischen, ökonomischen
und sozialen Aspekten und Kriterien in Ent-
wurf, Umsetzung und Bewertung von Entwick-
lungsstrategien bzw. einzelnen politischen
Maßnahmen. Im Hinblick auf die ökologische
Komponente stehen dabei zwei normative Ziel-
setzungen im Vordergrund:
• Die Nutzung von Rohstoffen auf ein Niveau
zurückzuführen, das auch zukünftigen Gene-
rationen den gleichen Zugriff auf die Ge-
samtheit der verfügbaren Rohstoffressourcen
gewährleistet bzw. das den Bestand an Roh-
stoffen nicht negativ verändert.
• Die Belastung der Umwelt durch Emissionen
bzw. Reststoffe auf ein Niveau zu reduzieren,
das die Verarbeitungskapazität der Ökosy-
steme für diese Einträge nicht überschreitet.
Es herrscht weitgehend Konsens darüber, daß
gegenwärtig sowohl der Ressourcenverzehr bei
den Rohstoffen als auch die Nutzung der Um-
welt als Aufnahmemedium für Reststoffe deut-
lich über dem für eine (global) zukunftsfähige
Entwicklung zuträglichen Maß liegen. Vor die-
sem Hintergrund wird im folgenden der Stel-
lenwert einer an Umwelttechnik bzw. techni-
schem Fortschritt orientierten Politik im Rah-
men von »sustainable-development«-Strategien
thesenhaft auf zwei Ebenen beleuchtet.
Die nationale Ebene
• Solange noch nicht annähernd ein gesell-
schaftlicher Konsens über Definition, Ziel-
setzungen und Operätionalisierungsstrate-
gien von »sustainable development« erzielt
ist, scheint mir der Versuch, Technikpolitik
an einer solchen gesellschaftlichen Leitidee
ausrichten zu wollen, ein kurzsichtiges und
sehr bald zum Scheitern verurteiltes Unter-
fangen zu sein.
• Ohne Zweifel wird ein Paradigmenwechsel
in der Technikentwicklung und -politik un-
erläßlich sein. Für die Entwicklung, Ein-
führung und Einsatzdauer einer neuen Tech-
nologie dürfen weniger rein ökonomische
Kriterien (insbesondere das der Kostenre-
duktion) ausschlaggebend sein, sondern es
muß eine Orientierung an Leitlinien wie »Sy-
stem- statt Einzelproblemlösungen«, »Mini-
mierung von Stoff-, Energie- und Flächen-
verbrauch« oder »integrierte statt nachge-
schaltete Technik« erfolgen,
Ein solcher Paradigmenwechsel ist jedoch vor
allem aus zwei Gründen bei weitem nicht hin-
reichend für die Lösung der anstehenden Pro-
bleme:
a) Eine ökologische Optimierung der Technik
kann letztlich immer nur spezifische Material-,
Energie- oder Finanzeinsparungen je Produk-
tionseinheit bewirken. Technik-orientierte Stra-
tegien können daher bestenfalls Gewinne auf
Zeit darstellen, da für die ökologische Gesamt-
bilanz die Art bzw. Intensität der Nutzung von
Techniken bzw. den erzeugten Produkten ent-
scheidend sind. Es lassen sich zahlreiche Bei-
spiele hierfür auflisten: Der positive Effekt von
Pkw-Katalysatoren wird in dem Maße kompen-
siert, wie die Autofahrer häufiger ihr Fahrzeug
benutzen und damit schneller und weitere
Strecken fahren. Gleiches gilt für ström- und
wassersparende Wasch- bzw. Geschirrspülma-
schinen, wenn sich deren Benutzungshäufigkeit
deutlich erhöht, oder für die sogenannten »Öko-
fern,seher«, wenn sie dann in zwei- oder sogar
dreifacher Ausfertigung in den Haushalten vor-
handen sind.
b) Nicht selten sind Wirkungen im Zusammen-
hang mit der Herstellung und Nutzung von
Technik nur unzureichend bekannt. Eingesetzte
Stoffe können unvorhergesehene Probleme ver-
ursachen (Bsp. FCKW), ökologische, ökono-
mische oder soziale Sekundärwirkungen des
Einsatzes bestimmter Stoffe bzw. Technologien
sind häufig nur schwer oder gar nicht vorher-
sehbar.
Deshalb werden Strategien bzw. Maßnahmen
auf nationaler wie internationaler Ebene erfor-
derlich sein, die weit über die Denkkategorien
der Technikentwicklung hinausgehen und ins-
besondere an zwei Punkten ansetzen müssen:
Zum einen sind Veränderungen an einer Wirt-
schaftspolitik und -Wissenschaft notwendig, die
gesellschaftliche Rahmenbedingungen erheb-
lich prägt und die sich bislang ausschließlich an
Kriterien wie Globalisierung, Wachstum, Effi-
zienz oder Gewinnmaximierung orientiert bzw.
Wohlstand alleine über die Größe Bruttosozial-
produkt definiert.
Zum anderen werden für verschiedene Bereiche
spezifische Vermeidungsstrategien konzipiert
und umgesetzt werden müssen, die an sozio-
ökonomischen und sozialpsychologischen Fak-
toren ansetzen und die die verschiedenartigen
komplexen Ursache-Wirkungs-Mechanismen
vieler Probleme berücksichtigen. Spätestens
hier werden dann Fragen in bezug auf verschie-
dene gesellschaftliche Wertvorstellungen bzw.
langfristig aufrechterhaltbare Lebensstile vor al-
lem in den Industriestaaten zu stellen sein.
In der Literatur wird die Frage, ob die für die
Einleitung einer zukunftsfähigen Entwicklung
notwendigen Reduzierungen von Ressourcen-
nutzung und Reststoffanfall bei weiterem wirt-
schaftlichen Wachstum, gepaart mit hohem um-
welttechnischen Fortschritt, realisiert werden
können, sehr kontrovers diskutiert. Während
sich z.B. Meadows et al. und Daly relativ pes-
simistisch äußern (Meadows et al. 1992; Daly
1992), geht die sogenannte Brundtland-Kom-
mission in ihrem 1987 veröffentlichten Bericht
»Unsere gemeinsame Zukunft« davon aus, daß
eine global zukunftsfähige Entwicklung weite-
res erhebliches wirtschaftliches Wachstum in
den Entwicklungs- wie in den Industrieländern
erfordert (World Commission on Environment
and Development 1987, S. 50 ff).
In einem RWI/DIW-Gutachten von 1993 wird
zu diesem Thema ausgeführt, daß eine gute ge-
samtwirtschaftliche Konjunktur bzw. ein stabi-
les Wachstum u. a. aus folgenden Gründen für
eine reibungslose umweltbezogene Anpassung
förderlich sei:
- »Im Zug e reger Investitionstätigkeit werden
umweltbelastende Anlagen, Verfahren und
Produkte schneller gegen moderne umwelt-
schonendere ausgetauscht,
- Entwicklung und Diffusion moderner Quer-
schnitts- und Schlüsseltechnologie beschleu-
nigen sich (nicht zuletzt gespeist aus zuneh-
menden öffentlichen und privaten For-
schungs- und Entwicklungsausgaben),
- die öffentlichen Hände sind bei entspannterer
Finanzlage eher zu solchen Umweltinvesti-
tionen bereit, die sich in gewissem Umfang
zeitlich verschieben lassen (z. B. Sanierung
der Kanalisation),
- die Konsumenten sind bei steigenden Ein-
kommen und günstigen Einkommenserwar-
tungen eher zu tatsächlichen Mehrausgaben
für Umweltschutz bereit,
- ökonomisch gesunde (kapitalkräftige) Un-
ternehmen haben zudem größeren Spielraum
hinsichtlich langfristiger und umfassender
(integrierter) Umweltschutzmaßnahmen,
während Unternehmen in finanziellen
Schwierigkeiten eher gezwungen sein könn-
ten, zur Erfüllung von Auflagen kurzfristi-
gen, letztlich aber oft ineffektiven Umwelt-
schutz zu betreiben« (RWI/DIW 1993, S. 13
ff.).
Gleichzeitig wird dort aber nicht verkannt, daß
im Gefolge einer weiter zunehmenden Wirt-
schaftsaktivität die Umweltbelastung zunehmen
kann. Zugleich wird darauf verwiesen, daß in
wichtigen Wirtschaftsbereichen, so z. B. in der
Elektrizitätswirtschaft, in der chemischen In-
dustrie und der Stahlindustrie, zunehmende
Wirtschaftsleistung bei abnehmender Umwelt-
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belastung realisiert werden konnte (RIW/DIW,
1993, S. 14). Es wird dann weiter argumentiert,
daß somit der letztendliche Zusammenhang
zwischen Wirtschaftswachstum, Anpassungsla-
sten (und Umweltqualität, Hinzufügung des Ver-
fassers) offen bleibe, daß aber auf längere Sicht
- bei entsprechend ausgestalteter Umwelt- und
FuE-Politik - zumindest kein unüberwindlicher
Zielkonflikt zu unterstellen sei.
Die internationale Ebene
• Die Dimension der künftigen Herausforde-
rung aus globaler Sicht läßt sich an einem re-
lativ einfachen Beispiel verdeutlichen:
Bei einem für die nächsten 50 Jahre angenom-
menen Wachstum des BSP von 1 % pro Jahr in
den Industrieländern und 4 % in den Entwick-
lungsländern (also Werten, die eher am unteren
Rand des bisher diesbezüglich Prognostizierten
bzw. für wünschenswert Gehaltenen liegen)
würde alleine schon die Zielsetzung einer Sta-
bilisierung der heutigen Flußgrößen (d. h. der
jeweils neu hinzukommenden Mengen) bei den
Umweltbelastungen im rechnerischen globalen
Durchschnitt eine Effizienzsteigerung um rund
das Dreifache erforderlich machen. Dies ent-
spräche im Weltdurchschnitt einer durch tech-
nischen Fortschritt zu induzierenden Senkung
der Umweltbelastung pro BSP-Einheit um mehr
als 2 % pro Jahr. Ein Wert, den bis heute über ei-
nen längeren Zeitraum alleine Japan realisieren
konnte.
Geht man davon aus, daß in vielen ökologischen
Problembereichen aber zumindest eine Halbie-
rung der Flußgrößen notwendig ist, wird eine
Effizienzsteigerung um rund das Sechsfache
bzw. eine jährliche Rate von mehr als 3,5 % er-
forderlich, was in der Tat schon Züge einer »Ef-
fizienzrevolution« tragen würde.
Bei Zugrundelegung der u.a. auch von der
»Brundtland-Kommission« für notwendig er-
achteten Wachstumsraten von 2 % pro Jahr in
den Industriestaaten bzw. 6 % pro Jahr in den
Entwicklungsländern würde entsprechend eine
Effizienzsteigerung um das Siebenfache (bei
Stabilisierung der Umweltbelastungen) bzw. um
das Vierzehnfache (bei einer Halbierung), d. h.
eine Effizienzsteigerungsrate von 4% bzw.
5,5 % pro Jahr, notwendig werden.
Zieht man dann sinnvollerweise und auch reali-
stischerweise noch in Betracht, daß erstens
selbst eine Halbierung bestimmter Umweltbe-
lastungen aufgrund der schon vorhandenen
Schädigungs-Bestandsgrößen nach bisherigen
Erkenntnissen nicht ausreichen wird (Bsp. CO2)
und daß zweitens den Entwicklungsländern si-
cherlich derartige Reduktionen nicht zuzumuten
bzw. sogar auf längere Zeit noch Steigerungen
bei der Umweltbelastung zuzubilligen sind, er-
gäbe sich für die Industriestaaten eine noch
deutlich darüber hinausgehende Reduktions-
notwendigkeit.
Diese kann dann durchaus in dem Bereich einer
»Umwelteffizienzsteigerung« um den Faktor 10
bis 50 liegen, wie er im Rahmen des niederlän-
dischen Technologieprogramms »Sustainable
Technological Development« für notwendig ge-
halten wird, um den Erfordernissen einer global
zukunftsfähigen Entwicklung gerecht werden
zu können (Vergragt/Jansen 1993, S. 136). Für
den Verkehrsbereich wird hier z.B. die Not-
wendigkeit gesehen, ein Verkehrssystem zu rea-
lisieren, das die CC^-Emissionen um den Faktor
20 reduziert.
Spätestens derartige Größenordnungen liegen
sehr wahrscheinlich jenseits all dessen, was mit
technischen Lösungen - seien sie nachsorgender
oder auch integrierter Natur - realisierbar sein
wird. Um reale Verbesserungen erzielen zu kön-
nen, müßte die Rate des technischen Fortschritts
im Durchschnitt die Wachstumsrate des Brutto-
sozialprodukts mehr oder weniger deutlich
überschreiten. Aufgrund verschiedener nicht
außer Kraft setzbarer physikalischer Grenzen ist
jedoch auch hier mit tendenziell abnehmenden
Grenzerträgen zu rechnen. Deswegen erscheint
eine dauerhafte Entkopplung zwischen Um-
weltverbrauch und erwirtschaftetem Sozialpro-
dukt nicht realistisch. Ein sogenannter »techno-
logical fix« (d. h. die Vorstellung, die anstehen-
den Umweltprobleme seien allein durch techni-
schen Fortschritt lösbar) ist somit sehr zu be-
zweifeln.
• Eine aus der Sicht der Industriestaaten erfol-
greiche Politik, die zu spürbaren Reduktio-
nen der Stoff- oder Energieverbräuche
führen würde, hätte jedoch für viele rohstoff-
exportierende Entwicklungsländer nachteili-
ge Effekte etwa in Form von - ceteris paribus
- sinkenden Einnahmen. Dies würde umso
schwerer wiegen, als zahlreiche dieser Län-
der finanziell ganz erheblich von diesen Ex-
porten abhängig sind, die sich nicht selten auf
die Ausfuhr von nur zwei oder drei Rohstof-
fen konzentrieren. Es wäre dann sicher sehr
bald die Frage zu stellen, ob und in welcher
Form bzw. Höhe Kompensationsmaßnahmen
durch die Industriestaaten zu treffen wären.
All dies macht deutlich, daß eine Konzentration
der technik-politischen Debatte auf nationale
Aspekte - wie es momentan etwa in der bun-
desdeutschen Standortdiskussion geschieht -
angesichts der Notwendigkeit global zukunfts-
fähiger Entwicklungsstrategien eine unange-
messene und letztlich wenig hilfreiche Verkür-
zung der Problembetrachtung darstellt. Um die
genannten Dimensionen von Umweltverbesse-
rungen auch nur näherungsweise erreichen zu
können, sind konkret durch die Politik vorzu-
gebende operationale Zielsetzungen notwendig,
die etwa den Produzenten entsprechende ver-
läßliche Planungs- und Kalkulationsgrundlagen
bieten.
Das bisher einzige Beispiel für eine solche Stra-
tegie stellt der 1989 verabschiedete »National
Environmental Policy Plan« der Niederlande
(N.E.P.P.) dar. In ihm werden z.B. zeitlich
gestaffelte Zielvorgaben einer Reduktion der eu-
trophierenden Substanzen um 70 - 90% bis
zum Jahr 2010 sowie eine Reduktion des Roh-
stoffverbrauchs um 20 - 30 % ebenfalls bis 2010
festgesetzt (Ministry of Housing, Physical Plan-
ning and Environment 1989).
Fazit
Die möglichen Potentiale nachgeschalteter
und integrierter Umweltschutztechnik sind
prinzipiell vor dem Hintergrund einer erhofften
Entkopplung von Wirtschaftswachstum und
Umweltbelastungen zu betrachten. Nachge-
schaltete Umweltschutztechnik bedeutet in be-
zug auf die Umweltentlastung bei weiterem
wirtschaftlichen Wachstum zumeist lediglich ei-
nen Gewinn auf Zeit, da ihre positiven Wirkun-
gen bei weiter steigender Nutzungsintensität
sehr rasch überkompensiert werden. Zudem
sind in vielen Fällen Verlagerungseffekte zu
konstatieren, d. h. Entlastungseffekte bei einem
Umweltmedium führen zu zusätzlichen Um-
weltbelastungen in anderen Medien.
Integrierte Umwelttechnik bietet zwar grund-
sätzlich das Potential zur Entkopplung von
Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung.
Dies setzt aber voraus, daß die Wachstumsraten
der »Umweltproduktivität« im Durchschnitt
langfristig über denen des BSP liegen müssen,
was - wie bereits erwähnt - eher zu bezweifeln
ist. Entgegen der zunehmend geäußerten hohen
Erwartungen müssen technik-orientierte Poli-
tikstrategien angesichts der oben genannten
Faktoren als grundsätzlich eingeschränkt be-
wertet und um andere, nicht-technische Ansätze
zur Reduktion der aktuellen Umweltprobleme
ergänzt werden.
Jürgen Kopfmüller, Karlsruhe
Literatur
• Daly, H. 1992: Steady-State Economics: Concepts,
Questions, Policies, in: GAIA, Heft 6, S. 333-338
• Meadows, D. et al. 1992: Die neuen Grenzen des
Wachstums, Stuttgart
• Ministry of Housing, Physical Planning and Envi-
ronment 1989: National Environmental Policy Plan
- To Choose or to Loose, The Hague
• RWI/DIW 1993: Umweltschutz und Industriestan-
dort. Forschungsbericht 101 03 62, UBA-FB 93-
031, UBA-Bericht 1/1993, Berlin
• Vergragt, P./Jansen, L. 1993: Sustainable Techno-
logical Development: The Making of a Dutch Long-
Term Oriented Technology Programme, in: Project
Appraisal, Vol. 8, No. 3, S. 134-140
• World Commission on environment and Develop-
ment 1987: Our Common Future, Oxford/New York
Redaktionsschluß
der nächsten Ausgabe:
2. Dezember 1994
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... Hauff, V. (1987 Vgl. Kopfmüller, J. (1994). (Umwelt-)Technik und zukunftsfähige Entwicklung. ...
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Regina Osranek stellt sich der Frage, wie nachhaltiges Verhalten in Unternehmen motiviert werden kann, da Nachhaltigkeit längst Bestandteil zeitgemäßer Wirtschaftspraxis geworden ist. Kern der Arbeit ist die Generierung eines prozesshaften Modells zur Veränderung nachhaltigen Verhaltens. Erkenntnisse aus der Organisationstheorie, der Nachhaltigkeitsforschung und der Psychologie bilden hierfür die Grundlage. Denn theoretische und empirische Befunde legen nahe, dass hierbei unterschiedliche Phasen der Veränderung berücksichtigt werden müssen. Der Inhalt • Der Begriff Nachhaltigkeit und zugrundeliegende Motivationen • Die Übersetzung des Leitbildes Nachhaltiger Entwicklung auf Unternehmen • Menschliches Verhalten im organisationalen Kontext und Ansätze der Motivierung • Empirische Validierung eines hypothetischen Modells in der Praxis • Empfehlungen für die praktische Umsetzung der Ergebnisse im organisationalen Kontext: Skizzierung der organisationalen Einbettung Die Zielgruppen • Dozierende und Studierende sowie Praktiker im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung und des Nachhaltigkeitsmanagements Die Autorin Dr. Regina Osranek, Diplom-Psychologin, ist seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Technologie und Arbeit e. V. in Kaiserslautern. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Human Resource Management, Personalführung, Innovationsfähigkeit von Unternehmen und Nachhaltigkeit.
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