Solange wir nicht die ganze Geschichte [des] gebrochenen Denkens erzählt haben, bleibt nichts als Unsinn" (Pinkard 2018, S. 277) Hegels Erfahrungskonzept und seine Vorstellungen zur Bildung des Geistes wie auch seine Systemarchi-tektur und Logik sind bis heute Gegenstand vielgestaltiger Auseinandersetzungen und haben u.a. den mo-dernen systematischen Entwürfen der Pädagogik, philosophischen Systemen und Gesellschaftstheorien in Zustimmung, Weiterentwicklung und Ablehnung mit den Weg bereitet (vgl. Schnädelbach 2016, S. 197). Es ist die Radikalität Hegels, die systematisch beim Denken als Vollzug ansetzt und Auffassungen von Identität und Differenz als je offenes Problemverhältnis entwickelt, das ‚uns' betrifft: Unser Selbst-und Weltverhältnis erscheint auf unterschiedlichen Ebenen mit Zäsuren, Gegenläufigkeiten und Widersprüchen konfrontiert, die, wie Terry Pinkard es formuliert, beim "Bruch, den wir im Selbstbewusstsein von Anbe-ginn an finden," (Pinkard 2018, S. 277) einsetzt und in komplexen Reflexionsbewegungen etwa zu Fragen nach dessen Genese und Ausgestaltungsmöglichkeiten, nach Autonomie, Macht-und Herrschaftsverhält-nissen führt. Die Produktivität von Hegels facettenreichen Ausführungen zur Freiheit innerhalb von Rezeptionsweisen, die sein Denken auf psychologische Aspekte, auf Vorstellungen zu Recht und Geschichte, auf Moral, Öko-nomie und Freundschaft, auf Sittlichkeit, Ästhetik und Religion beziehen, wird an immer wieder aufflam-menden Rezeptionskonjunkturen, an einem umfangreichen Katalog an Neuveröffentlichungen in den letz-ten Jahren (speziell im Jubiläums-Jahr 2020) und an einer regen Hegelforschung sichtbar. So ist es etwa sein Sittlichkeitsbegriff, der die Polarisierung zwischen Rechts-und Linkshegelianismus im Kontext geschichtlicher Auseinandersetzungen hervorgebracht hat (vgl. Fulda 2003). Die Frontlinien zwi-schen den Schulen werden nicht zuletzt durch Karl Marx Kritik an Hegels Staat und der materialistischen Reformulierung von Hegels Dialektik verschärft. Hiernach öffnet sich ein Graben zwischen nationallibera-len Positionen und revolutionären Ansätzen in der Tradition von Marx, die auch in der französischen Re-zeption aufgrund der einflussreichen Hegel-Vorlesung von Alexandre Kojève an Relevanz gewonnen ha-ben. Neben weiteren Rezeptionslinien wie dem Neuhegelianimus (Dilthey 1974 [1905]; Windelband 2014 [1910] u.a.), dem Neomarxismus (Lukács 1954 [1948] und der frühen Frankfurter Schule) folgen Zeiten der Vergessenheit, die durch Kritiken, wie der von Karl Popper, ausgeweitet wurden. Mit dem Neohegeli-anismus, der sich seit dem Ende des 20. Jahrhundert formiert (McDowell 1994; Brandom 1998 u.a.), wer-den die Bemühungen zur Aktualisierung von hegelschen Begriffen wie Freiheit, Selbstbestimmung oder Vernunft und deren Begründung im Anschluss an Positionen analytischer Philosophie wieder intensiver. In diesem Kontext fächert sich eine breite Diskussion mit mannigfaltigen Facetten um die Begriffe der sozialen Freiheit und der Befreiung auf, in denen über die Möglichkeit der Verwirklichung sozialer Freiheit und der "Unruhe des Negativen" (Nancy 2011) im Sozialen verhandelt wird. Ein weiteres Diskussionsfeld bilden Auseinandersetzungen um den Subjektbegriff oder um Subjektivität, in denen die Frage nach auto-nomem Handeln und Entscheiden, nach normativer Verpflichtung und sozialer Teilhabe, irreduzibel auf praktische Vollzüge verweist. In diesen wäre die Referenz auf eine Subjektfigur konstitutiv unvollständig und prozessual im Zusammenhang mit den irreduzibel historischen Dimensionen von Macht und Herr-schaft, Kollektivität oder Formen des Gemeinsinns zu denken (Diese neu aufgenommenen intellektuell wie gesellschaftlich relevanten Herausforderungen finden auch in der Bildungs-und Erziehungsphilosophie ihre Resonanz. Aktuelle Studien von Krassimir Stojanov zum neohegelianischen Bildungsbegriff oder von Andreas Gelhard zur skeptischen Bildung sind einschlägige Beispiele dafür. Interessant erscheint dabei nicht zuletzt, dass die bislang mindestens in den disziplinären Rezeptionslinien häufig zu beobachtende Trennung von dezidiert philosophischen und etwa bildungstheo-retischen/-philosophischen Positionen mit Blick auf eindeutige fachliche Zuordnungen brüchig wird