In Platons Dialogen spielt der Begriff des Wissens eine herausragende Rolle. Sie ergibt sich schon daraus, dass er in der Apologie seinen Mentor Sokrates erklären lässt, der Spruch des delphischen Orakels, niemand sei so weise wie Sokrates — dieser Spruch ist wohl historisch —, sei so zu deuten, dass allein er sich bewusst sei, nichts zu wissen. (Vgl. Apol. 21a–d.) Da jedermann im landläufigen
... [Show full abstract] Sinn offenbar vieles weiß — wie er heißt, z.B., oder dass die Sonne im Osten aufgeht —, lässt sich diese Behauptung eines generellen Nichtwissens nur dann vertreten, wenn man einen anspruchsvolleren Wissensbegriff zugrunde legt als den normalen. Schon zur Zeit der Abfassung der Apologie hatte Platon also vermutlich einen solchen Wissensbegriff vor Augen und eine Vorstellung vom höheren Wert solchen Wissens. Jedenfalls kann man im Blick auf die späteren Dialoge sagen: Platon hat die große antike Philosophie mit der Verkündung eines neuen Wissensideals eröffnet, ebenso wie das Descartes für die neuzeitliche Philosophie getan hat. In beiden Fällen verbindet sich damit die Vision einer neuen Qualität, eines neuen Horizonts und einer neuen Fortschrittsdynamik menschlicher Erkenntnis.