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CLIPP
Christiani Lehmanni inedita, publicanda, publicata
titulus
Das japanische Wortartensystem
huius textus situs retis mundialis
http://www.christianlehmann.eu/publ/lehmann_nishina.pdf
dies manuscripti postremum modificati
18.03.2015
occasio orationis habitae
Konferenz zur Sprachwissenschaft des Japanischen, Erfurt,
14.02.2013
volumen publicationem continens
Nishina, Yoko (ed.), Sprachwissenschaft des Japanischen.
Hamburg: H. Buske (Linguistische Berichte, Sonderheft 20)
annus publicationis
2015
paginae
163-200
Das japanische Wortartensystem
Christian Lehmann & Yoko Nishina
1
Abstract
Die Wortarten des Japanischen werden vollständig, einschließlich aller Arten von
Partikeln und Hilfswörtern, klassifiziert. Sie werden als Distributionsklassen definiert und
nach funktionellen Gesichtspunkten systematisiert. Das Kriterium der
Grammatikalisierung führt zur Ansetzung grammatikalischer Subklassen. Für die
lexikalischen Wortarten wird die Produktivität beschrieben. Die traditionellen zwei Arten
von Adjektiven werden den Nomina bzw. den Verben zugeordnet. Postpositionen werden
von den Partikeln getrennt und mit den Adverbien zu einer Klasse zusammengefasst. Die
reichhaltige und regelmäßige Konversionsmorphologie ist ein Aspekt eines
Wortartensystems mit relativ scharfen Grenzen.
1 Einleitung
1.1 Ziele
Dieser Beitrag präsentiert keine neuen Daten oder empirischen Erkenntnisse über das
Japanische. Sein Zweck ist es, eine vollständige, theoretisch fundierte und der Sprache
angemessene Systematik der Wortarten des Japanischen vorzulegen. Der typologische
Vergleich des Japanischen mit anderen Sprachen bleibt dabei implizit, wird aber sowohl
methodisch vorausgesetzt als auch durch eine angemessene Beschreibung hernach erleichtert.
Die traditionelle japanische Grammatik, die auch die Schulgrammatik dieser Sprache
hervorgebracht hat, hat eine eigene Begrifflichkeit und Terminologie in diesem Bereich
entwickelt (s. Hinds 1986:170f, Suzuki 1989, Masuoka & Takubo 1992), die im folgenden
zwar nicht zugrundegelegt, wohl aber jeweils erwähnt wird, damit der kundige Leser die
nötigen Beziehungen herstellen kann. Wortartensysteme des Japanischen finden sich darüber
hinaus in der internationalen deskriptiven und typologisch angelegten Linguistik (z.B. Martin
1975, Hinds 1988, Iwasaki 2013) und in der Linguistik des Japanischen als Fremdsprache
(z.B. Lewin et al. 1983, Rickmeyer 1985). Deren Ergebnisse werden im folgenden
verarbeitet.
2
1
Diese Arbeit ist während eines Aufenthaltes von Yoko Nishina an der Universität Kyoto, Japan, im Rahmen des
Hakuho Foundation Japanese Research Fellowship entstanden.
2
Die bisher beste Behandlung unseres Themas ist in Iwasaki 2013, ch. 4.2. Dort finden sich für alle Wortarten
eine grammatische oder semantische Subklassifikation und zahlreiche Beispiele. Der engste Vorläufer unseres
methodischen Ansatzes ist Rickmeyer 1985.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 2
1.2 Theoretische und methodologische Basis
Das fundamentale methodologische Problem bei der Klassifikation der Wortarten einer
beliebigen Sprache ist dasjenige der Kriterien. Wir nehmen an, dass Wortarten
Distributionsklassen von Stämmen sind. Die Kriterien ihrer Klassifikation sind also
strukturelle. Daher können funktional („notional“) begründete Kategorien auf verschiedene
Distributionsklassen aufgespalten werden. Klare Beispiele in allen Sprachen sind die
Numeralia (§ 4.3) und im Japanischen die Eigenschaftswörter (§ 4.1). Umgekehrt können
Distributionsklassen semantisch heterogen sein, wie die japanischen Qualitätsnomina (§
3.1.3) zeigen.
Freilich gibt es so viele distributionelle Kriterien wie Klassen von Kontexten. Zwischen
ihnen ist also eine theoretisch begründete Wahl zu treffen. Die Basis dieser Wahl sind die
Funktionen der Wortarten. Hier kommen in erster Linie die beiden fundamentalen
kommunikativen Operationen, nämlich Referenz und Prädikation, sowie die sekundäre
Operation der Modifikation ins Spiel. Referenz und Prädikation manifestieren sich im
grammatischen System in den Kategorien nominaler und verbaler Syntagmen. Modifikation
setzt diese voraus. Modifikation eines nominalen Ausdrucks ist Attribution, Modifikation
eines verbalen Ausdrucks ist Adjunktion. In der Syntax entstehen dadurch Attribute und
Adjunkte.
Solche Kategorisierungen können sich – anstatt erst auf syntaktischer Ebene – bereits in
der Kategorisierung von Stämmen auswirken und so die funktionale Basis der primären
Wortarten Substantiv und Verb sowie von deren Modifikatoren, der sekundären Wortarten
Adjektiv und Adverb, abgeben. In diesem Punkte unterscheiden sich die Sprachen. Japanisch
ist eine der Sprachen, die zwar die Operation der Attribution durchaus in der Syntax umsetzt,
jedoch keine Wortart besitzt, deren primäre Funktion das Attribut wäre.
3
Man sucht also in der Sprachbeschreibung Wortarten, die diese Operationen umsetzen.
Der Grundgedanke der hier angewandten Methodologie ist, in der Sprache prototypische
Repräsentanten dieser Funktionen zu identifizieren, deren distributionelle Eigenschaften zu
untersuchen und unter diesen die für die Klassifikation fruchtbarsten zur distributionellen
Definition der Wortarten zu verwenden. Zu einer so definierten Wortart gehören dann die
Prototypen und alle Wörter, die dieselbe Distribution wie diese haben.
Viele in der Literatur vorfindliche Wortartensysteme erwecken den Anschein, als handle
es sich um eine völlig flache Klassifikation, also eigentlich eine Liste von Wortarten. In
Wahrheit ist jedes Wortartensystem eine Taxonomie. Von den primären Wortarten ergeben
sich Subklassen nach einer Reihe von Kriterien, deren wichtigste die folgenden sind:
a) Die grammatische Relationalität eines Elements kann seine Distribution einschränken
in dem Sinne, dass ein Komplement vorhanden sein und eine bestimmte Form haben
muss. So stehen neben den Adverbien die Adpositionen, neben den intransitiven die
transitiven Verben und neben den absoluten die relationalen Substantive. Das ist auch
im Japanischen so; allerdings sind die meisten Komplemente nicht obligatorisch.
b) Subklassen der primären Wortarten können besonderen distributionellen
Beschränkungen unterliegen. Z.B. kann es neben bivalenten noch trivalente Verben,
neben Appellativa noch Propria geben.
c) Die Mitglieder einer Wortart können in gleichförmiger Weise grammatikalisiert
werden. Dann entsteht eine Klasse grammatischer Formative, deren Distribution i.w.
3
Näheres zur hier zugrundegelegten Wortartentheorie in Lehmann 2013.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 3
als eine Ausweitung der Distribution der lexikalischen Klasse beschrieben werden
kann, aus der sie hervorgegangen ist. So können aus Vollverben Funktionsverben,
Auxiliarien und schließlich Konjugationsaffixe, aus Substantiven Enumerative usw.
entstehen. Die sog. Nebenwortarten (minor classes) werden also beschrieben als
grammatische Gegenstücke von bestimmten Hauptwortarten, aus denen sie per
Grammatikalisierung hervorgehen können.
4
Dies besagt, dass die in den meisten
Grammatiktheorien vorzufindende primäre Einteilung in major und minor classes in
unserer Systematik nicht an oberster Stelle, sondern erst bei der Subklassifikation der
primären Wortarten ins Spiel kommt.
1.3 Hauptprobleme
Die wichtigsten Probleme, die sich bei der Klassifikation der Wortarten des Japanischen
ergeben, sind die folgenden:
d) 1) Unterscheidung von freien und gebundenen Formen: Zahlreiche postnominale und
postverbale Formative des Japanischen haben eine ambivalente Stellung zwischen
Wort und Suffix, und für beide Alternativen finden sich Beschreibungen in der
Literatur.
5
Formative, die in ihrer Stellung auf die Kombination mit einer einzigen
Wortart beschränkt sind, werden hier als deren Affixe analysiert. Ob die Bedingung im
Einzelfall wirklich erfüllt ist, wird durch zwei Kombinationsproben überprüft.
e) a) Gegeben eine Konstruktion [ X
K1
Y
K2
], wo Y das zu überprüfende Formativ (von
der Kategorie K2) und X sein Träger (engl. host) (von der Kategorie K1) ist. Dann
gibt es zwei Koordinationstests:
• Wenn zwei Wörter A und B der Kategorie K1 koordiniert werden, kann Y mit dem
koordinierten Syntagma als ganzem (also [[A
K1
und B
K1
] Y
K2
]) oder mit jedem X einzeln
(also [[A
K1
Y
K2
] und [B
K1
Y
K2
]]) verbunden werden. Ist nur die letztere Konstruktion
möglich, ist Y
K2
ein Affix. Im ersteren Falle kann es auch ein Affix sein, allerdings ein
phrasales (engl. phrasal affix).
• Wenn zwei Mitglieder A und B der Kategorie K2 koordiniert werden können, nach dem
Schema [X
K1
[A
K2
und B
K2
]], ist Y
K2
ein Wort, kein Affix.
Der zweiteilige Koordinationstest wird u.a. in § 3.2.1.2 durchgeführt.
b) Ein weiterer Test auf den Status des Formativs Y
K2
in der Konstruktion [ X
K1
Y
K2
] ist der
folgende: Angenommen, X ist optional Operand eines Operators O, dessen Status als Enkliti-
kum (und folglich als Wort) bereits geklärt ist. Wenn die Konstruktion dann X+Y=O ist,
6
erfährt man nichts über den Status von Y. Ist sie dagegen X=O+Y, dann kann Y kein Suffix
sein und ist folglich vermutlich ein Enklitikum (die Konstruktion ist also X=O=Y). Siehe als
Beispiel die Diskussion der Partikeln in § 4.5.1.
f) 2) Zwei Arten von Adjektiven: Es gibt zwei Wortarten, deren Elemente Eigenschaften
und Zustände bezeichnen und sich syntaktisch ähnlich den Adjektiven anderer
Sprachen verhalten. Im Gegensatz zu solchen gibt es jedoch keine Evidenz, dass die
attributive Funktion ihre primäre ist. Stattdessen haben sie klare Gemeinsamkeiten mit
Verben bzw. mit Substantiven und sind auch morphologisch klar voneinander
4
In dieser Konzeption ist die japanische binäre Unterscheidung zwischen ziritugo (unabhängiges Wort) und
huzokugo (abhängiges Wort), die aus der chinesischen Tradition stammt, aufgehoben.
5
Einige Autoren wie Iwasaki (2013:57) rechnen sicherheitshalber die Affixe zu den Wortarten.
6
Das Gleichheitszeichen ‚=’ trennt ein Klitikum, der Bindestrich ‚-’ ein Affix von seinem Träger ab.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 4
verschieden. In einer funktional begründeten universalen Theorie der Wortarten (z.B.
Croft 1991, 2000) sind die sog. Adjektive des Japanischen schwer zu akkommodieren.
g) 3) Fehlen von Personalpronomina: Wie alle Sprachen verfügt auch das Japanische über
Wörter, mit denen man auf Sprechaktteilnehmer referieren kann. Aber sie bilden nicht
ein Subparadigma der Kategorie der Pronomina, so dass auch in diesem Punkte das
japanische Wortartensystem von dem vieler anderer Sprachen abweicht.
h) 4) Ungefestigte Terminologie: Die traditionelle japanische Grammatik hat sich –
anfangs auf Basis der chinesischen Grammatik – unabhängig von der okzidentalen
Grammatik entwickelt. Die entstandene Begrifflichkeit ist mit derjenigen der
europäischen Tradition weitgehend inkommensurabel. Erst recht die japanischen
Termini werden außerhalb Japans nur in der Linguistik des Japanischen als
Fremdsprache verwendet, wurden jedoch sonst durch wörtliche Übersetzungen, durch
traditionelle okzidentale Termini oder durch Neuschöpfungen ersetzt. Das Ergebnis ist
Unordnung. Dieser Aufsatz kann zu deren Behebung wenig beitragen, weil die von
uns vorgeschlagene Systematik teilweise neu ist und daher nicht in allen Fällen
gebräuchliche Termini verwenden kann.
1.4 Kriterien
Eine Wortart als Distributionsklasse zu definieren heißt, eine Menge von Stämmen zu einer
Klasse zusammenzufassen auf der Basis ihres Vorkommens im Kontext eines anderen
Elements oder einer anderen Klasse von Elementen. Da dies alles Elemente der gleichen Art –
nämlich sprachliche Zeichen – sind, gilt es, Zirkularität im Definitionssystem zu vermeiden.
Dies kann nur dadurch geschehen, dass bestimmte Elemente vorgängig identifiziert, also nicht
ihrerseits distributionell bestimmt werden. Das betrifft einerseits den Satz, seine Grenzen und
Positionen, und andererseits bestimmte Formative. Zwar kann und muss man eine Menge
grammatischer Formative auf der Basis ihrer Kombination mit Stämmen einer bestimmten
Kategorie zu einem Paradigma zusammenfassen. So sind etwa die japanischen Postpositionen
diejenigen Wörter, die unmittelbar hinter einem Nominalstamm kommutieren. Aber es führt
kein Weg daran vorbei, mindestens ein solches Formativ vorab zu identifizieren und als
Referenzpunkt für die distributionelle Definition einer Klasse lexikalischer Stämme, in
diesem Falle der Nominalstämme, zu verwenden. Dieses Formativ wird gemäß der in § 1.2
erwähnten Methodologie ausgewählt: Zunächst bestimmt man auf funktionaler Basis die Art
von Formativ, die am ehesten den gewünschten Zweck erfüllen wird – hier ein
Kasusmorphem; sodann wählt man unter den infrage kommenden Formativen (Kasus-
morphemen) dasjenige, welches für die Bildung der Klasse der Nomina am fruchtbarsten ist.
Zudem fungiert als Bezugspunkt einer distributionellen Definition einer Wortart ein
Morphem, nicht ein Morph. Man kann z.B. Verben als die Klasse definieren, die unmittelbar
vor dem Präteritumsuffix auftritt. Aber das Präteritum endet bei energetischen Verben
auf -(i)ta, bei Qualitätsverben jedoch auf -katta. Würde man also die distributionelle
Definition an Morphe binden, könnte man hier nur die Wortarten der energetischen Verben
und der Qualitätsverben identifizieren, hätte aber insoweit keine Handhabe, die
Superkategorie der Verben zu identifizieren. Methodisch betrachtet ist dieses Vorgehen
zirkulär, denn um -(i)ta und -katta zu einem Morphem zusammenfassen zu können, muss ich
schon wissen, dass energetische und Qualitätsverben zu einer Klasse gehören. Aber die
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 5
Heuristik der Aufstellung von Morphemen bleibt bei der distributionellen Definition von
Wortarten außer Betracht.
In der Untergliederung dieses Artikels ist die folgende Systematik intendiert: §§ 2, 3, 4.2
und 4.5 sind den Wortarten des Japanischen gewidmet. Auf weniger als fünf Hauptkategorien
lassen sich die Wortarten des Japanischen nicht zurückführen. Dazwischen sind die §§ 4.1, 4.3
und 4.4 eingestreut. Sie behandeln Klassen, die traditionell unter je einem Begriff geführt
werden, die aber in einer Distributionsklassensystematik auf die vorgenannten Klassen
aufzuteilen sind.
2 Holophrastische Wörter
Zwei fundamentale kommunikative Operationen konstituieren eine Äußerung, nämlich
Referenz und Prädikation. Viele Sätze sind in der Weise komplex, dass den beiden
Operationen unterschiedliche Satzkomponenten entsprechen. Sie können aber auch in einem
Wort zusammenfallen, das dann eine holophrastische Äußerung konstituiert.
Ein holophrastisches Wort ist ein satzwertiges Wort, d.h. ein Wort, das die Distribution
eines Satzes hat. Solche Wörter sind Interjektionen und Ideophone. Diese und weitere
Unterteilungen der holophrastischen Wörter folgen fast ausschließlich semantischen Kriterien,
weil es oberhalb der Satzgrenze kaum distributionelle Kriterien gibt.
Eine Interjektion (jap. kantoosi oder kantoo zyosi) ist ein holophrastisches Wort, das
eine Proposition über den Sprecher in der Sprechsituation übermittelt. Im Japanischen sind
das Wörter wie aita „autsch“, ne „he“, humu „hmhm“, anoo „äh“.
Ein Ideophon ist ein holophrastisches Wort, das eine Proposition mit einer anderen
Bedeutung als die der Interjektionen wiedergibt. Das sind also Propositionen über andere
Referenten in irgendeiner Situation einschließlich der Sprechsituation oder über den Sprecher
in einer anderen Situation.
Wie aus den Definitionen hervorgeht, stehen die beiden Wortarten in komplementärer
Verteilung, erschöpfen also gemeinsam die Kategorie der holophrastischen Wörter.
Da sowohl die Type- als auch die Tokenfrequenz von Ideophonen im Japanischen hoch
ist, sind sie in der einheimischen deskriptiven Linguistik ausgiebig behandelt worden. Sie
werden meist wie folgt eingeteilt:
1. Phonomime bezeichnen Geräusche, wie gatagata „klapperdiklapp“. Sie sind
normalerweise onomatopoetisch.
i) Phänomime bezeichnen visuelle Eindrücke, wie kossori „verstohlen“. Sie sind
normalerweise lautsymbolisch.
j) Psychomime bezeichnen Psychisches, wie ziin „durchdringend; eingeschlafen
[Gliedmaßen]“. Sie können auf analogischer Basis als lautsymbolisch empfunden
werden.
Holophrastische Wörter können adverbial oder als innerer Dependent des Funktionsverbs
suru „machen“ (s. § 3.2.1) in einen Satz eingebaut werden. Dazu werden sie im allgemeinen
mit der Quotativpartikel to versehen, wie in (1), was nur beweist, dass sie satzwertig sind.
7
Nur bei reduplizierten Ideophonen ist die Quotativpartikel optional.
7
In Iwasaki 2013:63 werden die Ideophone dennoch unter die „manner adverbs“ subsumiert.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 6
(1) a. kanojo =wa satemo=to si-ta
sie =TOP wow =QUOT mach-PRT
„sie machte ‚wow’“
b. neko =wa nyaa-nyaa =to nak-u
Katze =TOP miau-miau =QUOT wein-PRS
„die Katze macht ‚miau miau’“
Holophrastische Wörter werden selten grammatikalisiert, weil sie per definitionem keine
Funktion im Satz haben. Sie können folglich nur in dem Maße grammatikalisiert werden, wie
es satzübergreifende Regeln des Sprachsystems gibt. Eine davon betrifft in vielen Sprachen
die Antwort auf Polarfragen, für die es Satzproformen gibt. Das sind im Japanischen die
grammatischen Interjektionen hai „ja“ und iie „nein“.
Während Interjektionen eine geschlossene Klasse bilden, sind Ideophone produktiv. Das
wichtigste Mittel zu ihrer Bildung ist die Reduplikation, wie in tibitibi „ein bisschen,
allmählich“, tikutiku „nadelstichartig“.
3 Primäre Wortarten
Die funktionale Basis der primären Wortarten sind die Operationen der Referenz und der
Prädikation. Die Wortart, deren primäre Funktion die Referenz ist, ist das Nomen; die Wortart,
deren primäre Funktion die Prädikation ist, ist das Verb.
3.1 Nomina
3.1.1 Allgemeines
Die primäre Funktion der Referenz erweist sich darin, dass für sie keine weiteren
Strukturmittel eingesetzt werden. Ein japanisches Nomen ist ein Wort, das unmittelbar von
der Kasuspartikel ni gefolgt sein kann, wie in (4) unten.
8
Fungiert es dagegen als Prädikat,
wird es durch die Kopula da (§ 3.2.1.2) verbalisiert, wie in (2). Fungiert es als Attribut, wird
es durch einen postnominalen Attributor – no oder na – in ein solches überführt, wie in (3).
9
In diese Kategorie fallen Substantive, Qualitätsnomina, die in § 3.1.4 so genannten
ambivalenten Nomina und Numeralkomplexe (s. § 3.1.2.2.2).
(2) a. gakusei=da
Student =KOP(PRS)
„(er/sie/es) ist Student“
b. sizuka =da
ruhig =KOP(PRS)
„(es) ist ruhig“
c. huta-tu =da
zwei-KL.Stück =KOP(PRS)
„es sind zwei (Stück)“
8
Bevor diese Definition operationalisiert werden kann, muss sie noch verfeinert werden, um nicht in Fällen wie
(30)a ein Nomen to zu diagnostizieren.
9
Diese Attributoren sind, mindestens diachron, attributive Formen der Kopula da (Iwasaki 2013:66). Dann
könnten (mindestens diachron) alle japanischen Attribute als Relativsätze zu analysieren sein.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 7
(3) a. gakusei=no mati
Student =GEN Stadt
„Stadt der Studenten, studentische Stadt“
b. sizuka =na mati
ruhig =AT Stadt
„ruhige Stadt“
c. huta-tu =no mati
zwei-KL.Stück =GEN Stadt
„zwei Städte“
Ein nominaler Ausdruck kann i.w. auf zwei Weisen komplex werden: entweder durch ein
Attribut oder durch Koordination. Im ersten Falle ist das Nomen (inkl. des in § 3.1.2.1
erwähnten Pluralsuffixes) jedenfalls die letzte Komponente des Ausdrucks, wie in (4). Im
zweiten Falle kann der Ausdruck auf einen Koordinator enden, wie in (5):
(4) Taroo =ga Hanako =ni yat-ta hon
[ Taroo =NOM Hanako =DAT/LOK geb-PRÄT ] Buch
“Buch, das Taro Hanako gab”
(5) saru =to kitune =to usagi=to =ga
Affe =und Fuchs =und Hase =und=NOM
"Affe, Fuchs und Hase"
Außerdem kann dem nominalen Ausdruck eine der Fokuspartikeln von § 4.5.1 folgen, wie in
(6).
(6) saru =to kitune =to usagi=to =dake =ga
Affe =und Fuchs =und Hase =und=nur =NOM
"nur ein Affe, ein Fuchs und ein Hase"
Dies sind die in § 1.3 eingeführten Konstruktionen, in denen (in § 4.2.2.1) der Status der
postnominalen Partikeln getestet wird.
Es gibt eine Untergruppe von Nomina, die ausschließlich in attributiver Funktion
verwendet werden. Sie werden in § 4.1.1 behandelt.
3.1.2 Substantive
Ein Substantiv (jap. meisi) ist ein Nomen, das in attributiver Funktion von der
Genitivpartikel no als Attributor gefolgt wird, wie in (3)a.
3.1.2.1 Lexikalische Substantive
Wie in allen Sprachen sind die Substantive nach mehreren Kriterien zu klassifizieren
(umfangreiche Liste von Substantivklassen in Martin 1975:93). Z.B. gibt es Appellativa wie
neko „Katze“ und hude “Bürste” und daneben Propria wie yosiko „Yoshiko“ und huziyama
„Fujiyama“. Ebenfalls grammatisch relevant ist der Unterschied zwischen menschlichen und
allen anderen Substantiven: nur die ersteren nehmen optional ein Pluralsuffix (im einfachsten
Fall -tati P
LURAL
).
Wie in § 1.2 angekündigt, bildet das Kriterium der Relationalität eine Subkategorie der
Substantive, eben die relationalen Substantive. Diese sind allerdings im Japanischen nur
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 8
semantisch zu bestimmen. Es sind solche Substantive, die nur durch Einbeziehung eines
Bezugspunktes referentiell werden und daher entweder von einem Genitivattribut modifiziert
werden, wie in (7), oder, wenn das nicht der Fall ist, ein solches deiktisch oder anaphorisch
ergänzen lassen. Beispiele liefern in erster Linie Substantive, die Raumregionen bezeichnen,
wie ue „Oberseite, Spitze“, oku “Inneres”.
(7) yama (no) oku =de
Berg GEN Inneres =INSTR/LOK
„in einem Berg“
Eine distributionelle Definition dieser Subkategorie ist im Japanischen nicht möglich, weil
einerseits auch nicht-relationale Substantive Genitivattribute derselben Art nehmen und
andererseits, wie gerade gesagt, das Genitivattribut bei relationalen Substantiven nicht
obligatorisch ist.
Substantive werden produktiv durch Komposition von Stämmen aller Wortarten gebildet
(zahlreiche Beispiele in Hinds 1986:172). Auch durch Nominalisierung von energetischen
Verbstämmen entstehen Substantive. Auf der Basis der Wurzel kari- von kariru „ein Darlehen
nehmen“ entstehen durch Konversion kari „Schulden“ und durch Derivation karite
„Schuldner“. Auch Qualitätsverben werden nominalisiert; z.B. werden zu taka-i „hoch“ die
Substantive taka-sa „Höhe“ (als graduelle Eigenschaft) und taka-mi „Höhe“ (als topologische
Region) und ebenso zu aka-i „rot“ die graduelle Eigenschaft aka-sa „Röte“ (neben der in § 5
erwähnten Basiseigenschaft) gebildet.
Es gibt eine Untergruppe von Substantiven, die nicht als Aktant fungieren können,
sondern in attributiver Funktion und, in einer Subkategorie, außerdem in prädikativer
Funktion verwendet werden. Es sind die in § 4.1.2 behandelten sog. no-Adjektive.
3.1.2.2 Grammatikalische Substantive
Ein leichtes Substantiv hat im Prinzip dieselbe Distribution wie ein Substantiv, ist aber zu
einem gewissen Grade grammatikalisiert, was sich u.a. in einer inzipienten Desemantisierung,
Bildung von Paradigmen und Obligatorietät in bestimmten syntaktischen Konstruktionen
äußert. Die Haupttypen von leichten Substantiven sind Funktionsnomen, Enumerativ und
Personalpronomen.
3.1.2.2.1 Funktionsnomina
Ein Funktionsnomen (jap. keisiki meisi „formales Substantiv“, „Formalnomen“ in Lewin
1983:319) ist ein desemantisiertes Substantiv, welches als Dummy-Substantiv in bestimmten
syntaktischen Positionen der Substantivierung dient, wie koto “Sache, Sachverhalt” in (8).
(8) yat-ta koto =wa yat-ta kedo ...
mach-PRT Ding =TOP mach-PRT zwar
„etwas haben wir zwar gemacht ...“ (Hinds 1986:177)
(9) neko =no (me) =mo
Katze =GEN Auge =auch
„auch die (Augen) der Katze“
In (9) ist no, wenn das Bezugsnomen steht, Genitivattributor; wenn es fehlt, vertritt no es, ist
also ein Dummy-Substantiv. Dies ist also ein Fall, wo ein Substantiv schrittweise zu einer
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 9
Kasuspartikel grammatikalisiert wird. In ähnlicher Weise fungieren mono „Gegenstand“,
tokoro „Ort“, toki „Zeit“, kata „Richtung, Seite, Form“, yoo „Aussehen“ und mehrere andere.
Wegen ihrer Funktion in der Bildung subordinativer Konjunktionen s. § 4.2.2.3.
3.1.2.2.2 Enumerative
Ein Enumerativ (jap. zyosuusi) ist ein Formativ, welches unmittelbar einem Numerale folgt
und mit diesem zusammen einen Numeralkomplex bildet. Dieser hinwiederum ist ein Wort,
das in die Distributionsklasse der Substantive fällt und folglich als Genitivattribut zum
gezählten Substantiv konstruiert werden kann, wie in (10).
10
(10) ni =hiki =no neko=o mi-ta
zwei =KL.Kleintier=GEN Katze=AKK seh-PRT
„sah zwei Katzen“
Die Enumerative heißen sonst auch engl. counter (Martin 1975:766, Iwasaki 2013:74) oder
classifier (Hinds 1986:174). Es gibt zwei Subklassen davon, nämlich Mensurative
(Maßwörter) und Zahlklassifikatoren. Zu den ersteren gehören u.a. hai „Tasse“ und hon
„Flasche“, zu letzteren seki „(Dick)schiff“ und hiki „Kleintier“. Beides sind im Japanischen
umfangreiche halb-grammatikalisierte Klassen. Der semantische Unterschied zwischen ihnen
ist der folgende: Mit Mensurativen zählt man Teilmengen einer Masse, wobei die Größe der
Menge durch das Mensurativ festgelegt wird. Mit Klassifikatoren zählt man Individuen; und
der Klassifikator ändert nichts an Art oder Umfang des Individuums. Das Mensurativ bildet
eine identifizierbare Einheit, die ohne es nicht individuiert wäre und sich folglich auch nicht
zählen ließe, während der Klassifikator das Individuum voraussetzt.
11
Für jedes der beiden Paradigmen von Zahlwörtern (s. § 4.3) gibt es ein zugehöriges
Paradigma von Enumerativen, derart dass genuin japanische Numeralia und Enumerative
miteinander und ebenso sinojapanische Numeralia und Enumerative miteinander kombiniert
werden. Allerdings sind die genuin japanischen Kombinationen rezessiv.
Während der Numeralkomplex ein Substantiv ist, ist es weniger leicht festzustellen, in
welche Kategorie das Enumerativ für sich fällt, da es ohne das Numerale nicht vorkommt.
Der Numeralkomplex hat allerdings die gleiche interne Struktur wie ein Substantiv mit
Attribut. Diese Konstruktion ist endozentrisch, erbt also ihre Kategorie von ihrem Nukleus,
was im Japanischen ihre letzte Komponente ist. Wenn daher der Numeralkomplex die Struktur
[Numerale Enumerativ
X
]
N
, hat, dann muss X = N sein. Deshalb werden die Enumerative hier
als grammatikalisierte Substantive kategorisiert.
12
Eine genauere Analyse des grammatischen
Status der Enumerative ist im Zusammenhang mit dem Status der Numeralia vorzunehmen; s
§ 4.3.
3.1.2.2.3 Pronomina
Die Klasse der Pronomina (jap. daimeisi) ist ausgesprochen heterogen. Wir behandeln sie hier
nicht erschöpfend, sondern erwähnen nur die beiden Subklassen, die an den Endpunkten eines
Grammatikalisierungskontinuums liegen. Am relativ schwächsten grammatikalisiert sind die
10
Alternativ kann der Numeralkomplex dem gezählten Nominalsyntagma folgen, also neko=o ni=hiki mi-ta.
11
Verschiedentlich findet sich in der Literatur die (auf älteren Zahlklassifikationstheorien beruhende)
Behauptung, alle japanischen Substantive seien Massensubstantive. Das ist nicht so; vgl. Lehmann 2010.
12
In Lewin 1983:322 und Iwasaki 2013:68 sind es Suffixe.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 10
Personalpronomina (jap. zindaimeisi), die man wie die soeben besprochenen zwei Subklassen
zu den leichten Substantiven zählen kann (in Lewin 1983:320 werden sie deshalb
„Personalnomina“ genannt). Zu dieser im Sprachvergleich sehr umfangreichen Klasse
gehören Wörter wie wata(ku)si „ich“ und anata “du”. Wie andere menschliche Substantive
nehmen sie das Pluralsuffix. Am stärksten grammatikalisiert sind die Demonstrativa und
Interrogativa wie kore „dieser“,
13
dore „welcher“ (s.a. § 4.4); aber auch diese haben im
Prinzip die Distribution von Substantiven, genauer gesagt, von Propria.
3.1.3 Qualitätsnomina
Ein Qualitätsnomen (jap. keiyoodoosi „Beschreibungsverb“) ist ein Nomen, das mit dem
Attributor na attribuiert wird, wie in (3)b. Um als Prädikat zu fungieren, wird es (wie alle
Nomina) durch die Kopula da verbalisiert, wie in (2)b.
14
Auch diese Wortart kursiert unter
mehreren Termini, darunter na-Adjektiv und Quasi-Adjektiv (Hadamitzky 1987:74),
Nominaladjektiv (Rickmeyer 1985), engl. nominal adjective (Iwasaki 2013:57) oder
adjectival noun (Martin 1975:754). Beispiele sind suki „lieb, gefällig“, kirei „hübsch, sauber“,
sizuka „ruhig“.
In der japanischen Linguistik spielt das Kriterium der Flektierbarkeit eine prominente
Rolle in der Wortartensystematik. Sowohl bei den Hauptwortarten als auch bei den
Formativen wird unterschieden zwischen flektierbaren (katuyoogo) und unflektierbaren
(hikatuyoogo oder mukatuyoogo). Dabei erscheint Flexion ausschließlich als Konjugation,
weil die an Substantiven auftretende Morphologie nicht als Deklination betrachtet wird.
Verben und Hilfsverben gelten als flektierbar, Nomina, Numeralia, Adverbien und Partikeln
hingegen nicht. Eine Kontroverse herrscht in bezug auf die Qualitätsnomina. Nach dem, was
in § 3.2 über die Konjugation gesagt ist, konjugieren sie nicht, weil die Konjugations-
kategorien nicht unmittelbar am Stamm eines Qualitätsnomens spezifiziert werden, sondern
die Einschaltung der Kopula da erfordern. Diese jedoch gilt manchen Linguisten als Suffix.
Unter dieser Voraussetzung würden also auch die Qualitätsnomina flektieren. (Allerdings
würden nach dieser Logik auch die Substantive flektieren, wie in (2)a; vgl. Fn.20.)
Qualitätsnomina bilden, wie die Substantive, ein Adverb auf =ni. Anders als bei
Qualitätsverben gibt es keine Nominalisierung, weil sie schon Nomina sind.
15
In dem
Minimalpaar (11) wird das deutsche Adjektiv in #a durch ein Qualitätsnomen (genki ist
sinojapanisch), in #b durch ein Substantiv wiedergegeben.
(11) a. genki =na hito
Vitalität=AT Mensch
„gesunder Mensch“
b. byooki =no hito
Krankheit =GEN Mensch
„kranker Mensch“
Manche Qualitätsnomina können ebenso wie Substantive als Aktant fungieren, wie in (12).
13
Die Wurzel ko- und ihre Ableitungen stehen hier und im folgenden stellvertretend für alle Demonstrativa.
14
Das ist jedenfalls im formalen Register so; im Basisregister kann die Kopula fehlen (Iwasaki 2013:62).
15
Es gibt allerdings die Ableitung eines Substantivs auf der Basis eines Qualitätsnomens; aber sie geht
semantisch über die schiere Umkategorisierung hinaus.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 11
(12) genki =ga de-ta
Vitalität=NOM herauskomm-PRT
„(ich) wurde munter“
Die Qualitätsnomina sind unterschiedlicher Herkunft. Einige sind von Verben abgeleitet. So
hat huzoroi (s.u. (13)) die morphologische Struktur hu-soro-i (N
EG
-übereinstimm-QN), wobei
sorou ein energetisches Verb ist. Ebenso stammt das Qualitätsnomen suki „lieb“ von dem
energetischen Verb suku „lieben“. Die meisten sind allerdings anderssprachigen (vor allem
chinesischen oder englischen) Ursprungs. Es handelt sich also um eine offene, produktive
Klasse.
Wie in § 3.1.4 gezeigt wird, lassen sich einige Substantive in der Attribution alternativ als
Qualitätsnomina behandeln. Diese Operation ist dieselbe, die auf Fremdwörter wie genki in
(11)a angewandt wird und diese als Qualitätsnomina kategorisiert. Man ist hier nicht, wie bei
den Qualitätsverben, auf wenige Operatoren zur Neubildung beschränkt, so dass die Klasse
der Qualitätsnomina derzeit produktiver in der Bezeichnung von Eigenschaften ist als die
Klasse der Qualitätsverben.
3.1.4 Ambivalente Nomina
Einige Nomina werden alternativ wie Substantive oder wie Qualitätsnomina attribuiert. Dazu
gehören einige lexikalische Nomina wie musin „unschuldig“ (Martin 1975:766) und huzoroi
“unausgeglichen”. So sind beide Varianten der Konstruktion (13) grammatisch und
synonym.
16
(13) huzoroi =na/no ringo
unausgeglichen=AT/GEN Apfel
„unausgeglichene Äpfel“
In anderen Fällen ist die Variation gerichtet in dem Sinne, dass ein Stamm, der vormals
ausschließlich ein Substantiv war, sekundär auch als Qualitätsnomen behandelt wird. Dieses
Prinzip illustrieren Bildungen wie (14) (Titel eines Fernsehprogramms).
(14) nyuusu =na nitiyoobi
Nachricht =AT Sonntag
„von Nachrichten geprägter Sonntag“
Nyuusu ist eigentlich ein Substantiv, der Attributor müsste also no lauten, und (14) ist
insoweit ungrammatisch. Durch die Attribution mit na wird das Substantiv zum
Qualitätsnomen umkategorisiert, bezeichnet also nun eine Eigenschaft des Bezugsnomens.
Solche Bildungen sind derzeit populär.
Die Basis dieser Ambivalenz ist freilich nicht spielerische Variation, sondern ist tief in
der Grammatik verankert. Eine Kategorie vollgrammatikalisierter Nomina, nämlich die
Wurzeln der schon in § 3.1.2.2.3 erwähnten Demonstrativa und Interrogativa, werden auf
beide Weisen attribuiert. Neben den als substantivische Attribute markierten ko-no „dies“ und
do-no „welch“ stehen die als Qualitätsnomina markierten Formen kon-na „solch, so ein“ und
don-na „welch, was für ein“. Im übrigen ist die in diesem Abschnitt beobachtete Variation ein
weiteres Argument für die Einheit der Klasse der Nomina.
16
Die Version mit no ist Teil des Titels des Fernsehdramas Huzoroi-no ringo-tati, eine Metapher für Jugendliche,
die in der Gesellschaft nicht zurechtkommen.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 12
3.2 Verben
Die primäre Funktion der Prädikation, die das Verb charaktierisiert, erweist sich darin, dass es
ohne weitere Strukturmittel das Prädikat eines Satzes bildet. Im Japanischen (wie in vielen
anderen Sprachen) manifestiert sich das darin, dass ein solcher Stamm unmittelbar (d.h. ohne
Einschaltung von Hilfswörtern) nach Tempus bzw. Aspekt flektiert, wie das in den a-
Versionen von (15) und (16) für energetische bzw. Qualitätsverben zu sehen ist. Ein Verb
(i.w.S.) des Japanischen (yoosi bei Kato 2013) kann definiert werden als ein Wort, das
unmittelbar nach Präteritum und Präsens
17
flektiert, also unmittelbar Suffixe nimmt, die
Allomorphe dieser Morpheme sind. Verben flektieren allerdings noch nach mehreren anderen
Kategorien, für die andere Wortarten nicht flektieren. Solche Konjugationskategorien könnten
also ebensogut als Fixpunkte einer distributionellen Definition der Verben dienen.
Ferner haben alle Verben gemeinsam, dass ihre prädikative Form gleich ihrer attributiven
Form (jap. rentaikei) ist, wie (15) und (16) zeigen.
(15) a. onnanoko=wa yom-u
Mädchen =TOP les-PRS
„das Mädchen liest“
b. yom-u onnanoko
les-PRS Mädchen
„lesendes Mädchen = Mädchen, das liest“
(16) a. kutu =wa aka-i
Schuh =TOP rot-PRS
“die Schuhe sind rot”
b. aka-i kutu
rot-PRS Schuh
“rote Schuhe = Schuhe, die rot sind”
Mit anderen Worten: Zwar sind Attribute auf der Basis von Verben grundsätzlich Relativsätze.
Aber es gibt kein Strukturmittel zu ihrer Bildung, es findet keine Nominalisierung statt und es
wird kein Attributor eingesetzt, wie bereits in (4) zu sehen war. Dies ist eine eher nominale
Eigenschaft des japanischen Verbs. Sie führt zu der methodischen Erschwernis, dass man
nicht leicht die prädikative Funktion als die primäre Funktion japanischer Verben bezeichnen
kann, da die attributive Funktion ebensowenig zusätzliche Strukturmittel erfordert. Die
Referenz freilich erfordert bei Verben zusätzliche Strukturmittel, eben die Nominalisierung.
Es gibt eine Untergruppe von Verben, die ausschließlich in attributiver Funktion
verwendet werden. Sie werden in § 4.1.1 behandelt.
17
Es gibt eine binäre Opposition zwischen einem markierten Präteritum und einem unmarkierten Nicht-
Präteritum, das präsentische oder futurische Referenz haben kann. Wir treten nicht in die Diskussion ein, ob
diese Kategorie besser als perfektiver vs. imperfektiver Aspekt aufzufassen wäre.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 13
3.2.1 Energetische Verben
3.2.1.1 Lexikalische energetische Verben
Ein energetisches Verb (jap. doosi „Handlungswort“) ist ein Verb, das das Präteritum
auf -(i)ta und das Präsens auf -(r)u bildet. Diese Wortart des Japanischen wird sonst in der
Linguistik einfach ‚Verb’ genannt, weil die Qualitätsverben inkonsistenterweise nicht unter
die Wortart ‚Verb’ subsumiert werden.
Syntaktisch unterscheiden sich energetische von Qualitätsverben durch ihre
umfangreichere und vielfältigere Valenz. So gibt es u.a. transitive und ditransitive
energetische Verben wie das in (4), aber keine ebensolchen Qualitätsverben. Die
energetischen Verben werden nach verschiedenen Kriterien subklassifiziert. Das Kriterium der
Möglichkeit und Interpretation des Imperfektivs (mit -te iru, s. § 3.2.1.2) als Zustand vs.
Progressiv ergibt vier Verbklassen (Kindaichi 1950).
Es gibt verhältnismäßig wenige energetische Wurzelverben. Die Menge energetischer
Verben wird vor allem durch Periphrasen erweitert, die ein grammatikalisiertes Verb (s. §
3.2.1.2) mit einem lexikalischen Wort als innerem Dependenten zu einem
Funktionsverbgefüge (engl. light verb construction) verbinden (Lehmann 2012:472f), wie in
(17) – (19).
(17) temaneki sur-u
Wink mach-PRS
„winken“
(18) yukkuri sur-u
langsam mach-PRS
„sich keinen Stress machen“
(19) appu sur-u
up mach-PRS
„hochladen“ (Iwasaki 2013:57)
Der innere Dependent kann von beliebiger Herkunft sein: in (17) und (18) ist er genuin
japanisch, in (19) englisch. Ebenso kann er im Prinzip von beliebiger Kategorie sein: in (17)
ist er ein Substantiv, in (18) ein Adverb, in (19) hat er außerhalb des Funktionsverbgefüges
gar keine Kategorie. Daher ist dieses das produktivste periphrastische Verfahren zur Bildung
von Verben.
3.2.1.2 Grammatikalische energetische Verben
Ein grammatikalisiertes Verb (jap. zyodoosi i.w.S.) ist ein Verb, das seinem unmittelbar
vorangehenden Dependenten verbale Kategorien verleiht, ohne die Bedeutung weiter zu
spezifizieren (vgl. Masuoka & Takubo 1992:29–32). Die grammatikalisierten Verben bilden
eine geschlossene Klasse und sind wie folgt einzuteilen:
1. Ein Verbalisator ist ein grammatikalisches Verb, das einem Nicht-Verb folgt und mit
diesem ein verbales Prädikat bildet, wie naru „werden“ und suru „machen“ (s.a. § 3.2.1).
Die Kopula ist ein Verbalisator, der einem Nomen folgt und dieses in ein intransitives Verb
konvertiert. Das ist da (klass. jap. nari) K
OP
(adressatenhonorativ desu, negativ
de(wa)=nai).
2. Ein Funktionsverb (jap. hozyodoosi) ist ein grammatikalisches Verb, das sich mit dem
Gerundium eines Vollverbs verbindet. Dazu gehören u.a. die Existenzverben iru „sein
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 14
[belebt]“ und aru „sein [unbelebt]“ > I
MPERFEKTIV
(adressatenhonorativ i-masu bzw. ar-
imasu, negativ i-nai bzw. nai), miru „sehen“ > K
ONATIV
sowie gewisse Transferverben wie
ageru „geben“ > B
ENEFAKTIV
, morau „bekommen“ > A
UTOBENEFAKTIV
.
18
Die periphrastischen Verbformen werden gebildet aus dem Stamm oder einer infiniten (d.h.
nominalen oder adverbialen) Form des Vollverbs und einem konjugierten grammatikalisierten
Verb. Z.B. ergibt das Gerundium des Vollverbs mit dem Funktionsverb iru „sein“ einen
imperfektiven Aspekt, wie in niru „ähneln“ – ni-te i-ru (ähnel-G
ER
sei-P
RS
) dito (s. (43)).
Die grammatikalisierten Verben können in Positionsklassen eingeteilt werden nach dem
Kriterium, ob sie miteinander kombiniert werden können. So können die Funktionsverben
ihrerseits wieder als Vollverb in einer Periphrase fungieren, wie in (20) zu sehen ist.
(20) doodoo=to =si-te =i=mas-u
eindrucksvoll=QUOT =mach-GER =sei-AHON-PRS
„macht Eindruck“
Grammatikalisierte Verben sind enklitisch. Sie agglutinieren an das vorangehende Vollverb
mit der Konsequenz, dass sie auch als (Derivations- oder Konjugations-)Suffixe beschrieben
werden. (21) zeigt die Anwendung des in § 1.3 eingeführte Koordinationstests auf die Kopula:
(21) a. *Hanako =wa gakusei =dat-ta =to =da
Hanako =TOP Student =KOP-PRT =und=KOP(PRS)
„Hanako war und ist Studentin“
b. *Hanako =wa gakusei =to syuhu (=to) =da
Hanako =TOP Student =und Hausfrau =und =KOP(PRS)
„Hanako ist Studentin und Hausfrau“
b’. Hanako =wa gakusei =de syuhu =da
Hanako =TOP Student =und Hausfrau =KOP(PRS)
„Hanako ist Studentin und Hausfrau“
(22) Hanako wa biiru =to wain =da =ga, Taro =wa biiru=dake =da.
Hanako TOP Bier =und Wein =KOP =zwar Taro =TOP Bier =nur =KOP(PRS)
„Was Hanako betrifft, (trinkt sie) Bier und Wein, aber bei Taro ist es nur Bier.“
Beide Teile des Koordinationstests sprechen nicht dafür, dass die Kopula ein selbständiges
Wort ist. Allerdings ist die in (21)a und b angewandte Koordination von Prädikatsnomina
wohl aus anderen Gründen ungrammatisch; die Ersatzversion (21)b’, mit einem anderen
Koordinator, ist grammatisch.
19
Andererseits zeigt der zweite, durch (22) illustrierte Test, dass
die Kopula von ihrem Träger durch ein Fokusenklitikum getrennt sein kann. Auch die auf der
Kopula basierenden satzeinleitenden Konjunktionen wie da=kara „daher“ (§ 4.2.1.3)
schließen aus, dass diese ein Suffix ist. Sie ist deshalb als ein Enklitikum einzustufen.
20
18
Zu solchen Funktionsverbgefügen ausführlich Nishina 2006.
19
Diese Art von Koordination ist nicht ganz symmetrisch und deswegen als Testrahmen nicht so aussagekräftig.
20
Dies ist ein in der japanischen Linguistik viel diskutiertes Problem. Z.B. wird in der japanischen
Schulgrammatik der komplexe Ausdruck sizuka=da von (2)a als ein Wort (jap. tango) behandelt, während das in
(2)b auftretende da in Masuoka & Takubo 1992 einer eigenen Wortart (hanteisi), einer Subklasse der von der
Schulgrammatik zur Verfügung gestellten zyodoosi, zugeordnet wird.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 15
3.2.2 Qualitätsverben
3.2.2.1 Lexikalische Qualitätsverben
Ein Qualitätsverb (jap. keiyoosi „Beschreibungswort“) ist ein Verb, das das Präsens auf -i
bildet. Diese Wortart wird mit sehr vielen unterschiedlichen Termini bedacht, darunter ‚i-
Adjektiv’, ‚flektierendes Adjektiv’ oder einfach ‚Adjektiv’ (Rickmeyer 1985),
‚Eigenschaftsverb’ (Lewin et al. 1983:303), engl. (verbal) adjective (Iwasaki 2013:57, 61)
oder adjectival verb. Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass ihre Mitglieder konjugiert
werden. Wenn das schon so ist, sollte es eine Art von Verben sein. Wir nennen sie
Qualitätsverben.
Als Verben brauchen die Qualitätsverben zur Bildung des Prädikats keine Kopula.
21
Die
adressatenhonorative Form der Kopula, desu, ist jedoch nach einem Qualitätsverb möglich
(Iwasaki 2013:66). Von Qualitätsverben wird in regelmäßiger Weise ein Adverb auf -ku
abgeleitet, wie (23) (Okutsu 2007: 155) illustriert:
(23) a. oisi-i tenpura=o itadak -imas-ita
lecker-PRS Tempura =AKK bekomm -AHON-PRT
„aß leckeres Tempura”
b. tenpura =o oisi-ku itadak -imas-ita
Tempura =AKK lecker-ADVR bekomm -AHON-PRT
“aß Tempura auf leckere Weise zubereitet“
Während der Stamm eines energetischen Verbs auf Konsonant oder Vokal enden kann, endet
der Stamm eines Qualitätsverbs auf Vokal. Alle Qualitätsverben sind intransitiv. Sie
konjugieren nach denselben Kategorien wie die energetischen Verben, nehmen aber andere
Allomorphe. Diese sind durchweg komplexer als bei energetischen Verben, wie die
Gegenüberstellung in Tabelle 1 zeigt, die nur einige Konjugationskategorien und Allomorphe
exemplarisch aufführt.
Tabelle 1. Konjugation von energetischen und Qualitätsverben
Verbklasse
Konjugationskategorie energetisch Qualitätsverb
Präteritum -(i)ta -kat-ta
Konditional -(r)eba -ker-eba
Negativ -(a)nai -ku-nai
Gerundium -(i)te -ku-te
Die negative Form und das Gerundium werden auf der Basis des vorerwähnten Adverbs
gebildet. Ein Verbalsubstantiv wird auf -sa abgeleitet. Das Negationshilfsverb bildet ein
Qualitätsverb. Ferner kombinieren sich zwecks Bildung der adressatenhonorativen Form
energetische Verben mit dem speziellen Suffix -(i)masu, Qualitätsverben dagegen mit dem
generischen Auxiliar desu, wie in (24).
(24) a. yom -imas-u
les-AHON-PRS
„lese“
21
Dies gilt jedenfalls synchron; zur diachronen Analyse s. den nächsten Abschnitt.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 16
b. yom =anai =des-u
les =NEG =KOP:AHON-PRS
“lese nicht“
Die größere morphologische Komplexität der Konjugationsformen der Qualitätsverben und
ihre Gleichbehandlung mit Nomina bei der Bildung der adressatenhonorativen Form besagen,
dass sie mehr Eigenschaften mit den Nomina teilen als die energetischen Verben.
Es gibt relativ wenige Qualitätsverbwurzeln. Zur Kerngruppe gehören die elementaren
Bezeichnungen von Eigenschaften und Zuständen und praktisch alle antonymen Paare. Die
Wurzeln sind alle genuin japanisch, sind aber eigentlich nicht verbal. Diachron betrachtet,
stammen die meisten der Konjugationsformen aus der Agglutination eines vormaligen
Adjektivstamms mit einer Konjugationsform des Existenzverbs aru; s. den nächsten
Abschnitt.
3.2.2.2 Grammatikalische Qualitätsverben
Einige Hilfsverben fallen in die Kategorie der Qualitätsverben und überführen daher die mit
ihrer Hilfe gebildete periphrastische Konstruktion in diese Kategorie. Exemplarisch zu
nennen sind die folgenden:
• -nai N
EGATIV
, z.B. tabe-nai “nicht essen”
• -tai D
ESIDERATIV
, z.B. tabe-tai „essen wollen, hungrig“
• -yasui P
OTENTIAL
und -nikui I
MPOTENTIAL
, z.B. tabe-yasui „essbar“, tabe-nikui
„ungenießbar“
• E
VIDENTIAL
auf =rasii, z.B. taberu=rasii „zu essen scheinen“.
Diese Bildungen können lexikalisiert werden, d.h. die Kombination eines Vollverbs mit einem
Qualitätsverb als Auxiliar bleibt keine Periphrase, sondern wird ein Derivationsprozess. Somit
ist diese Periphrase der produktivste Prozess zur Bildung neuer Qualitätsverben.
Allerdings ist dieser Typ von Auxiliar nicht für die Valenz des Vollverbs transparent. Da
Qualitätsverben intransitiv sind, kann die Derivation die Valenz reduzieren. Das ist bei -nikui
und -yasui regelmäßig und bei -tai optional der Fall. =Rasii schließlich tritt nicht an den
Verbstamm, sondern an die Präsensform des Vollverbs, und in dieser Konstruktion ändert sich
dessen Valenz nicht. Ebenso wie bei den grammatischen energetischen Verben ist also auch
hier ein Übergang von der Wortart ‚Qualitätsverb’ in einen Operator zu beobachten.
Der Übergangsstatus der grammatikalisierten Qualitätsverben zwischen Wort und Suffix
erweist sich ebenso in der Diachronie. Zu Beginn des § 3.2 hatten wir das Verb als ein Wort
definiert, das ohne weiteres konjugiert wird. Nach diesem Kriterium sind die Qualitätsverben
eine Subklasse der Verben, während die Qualitätsnomina, die zur Prädikatsbildung die Kopula
brauchen, nicht unter die Verben fallen. Diachron betrachtet sind freilich alle Flexionsformen
der Qualitätsverben außer den auf -i und -ku endenden periphrastische, nämlich mit aru „sein“
zusammengesetzte, Formen, wie (25) an zweien davon exemplarisch zeigt.
(25) a. aka-katta < akaku atta < aka-ku ar-ita
rot-PRT rot-ADVR sei-PRT
b. aka-kereba < aka-ku ar-eba
rot-KOND rot-ADVR sei-KOND
Das entstehende Qualitätsverb erbt die grammatischen Eigenschaften des Auxiliars, und
dadurch wird das Adjektiv zum Verb. Die Qualitätsverben basieren also auf ehemaligen
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 17
Adjektiven; und das Japanische verfügte in einem früheren Zustand seiner Diachronie über
diese Wortart. Dies zeigt, dass Grammatikalisierung auch den Wortartenbestand einer Sprache
mitbestimmt.
4 Sekundäre Wortarten
4.1 Adjektive
Mehrere Beschreibungen des Japanischen (u.a. Iwasaki 2013:61f) rechnen mit einer Wortart
‘Adjektiv’ (in Lewin et al. 1983:303 heißen sie Qualitativa), zu der die Qualitätsverben und
Qualitätsnomina als Subklassen gerechnet werden. Letztere heißen dann oft nach ihrer
attributiven Form ‘i-Adjektiv’ und ‘na-Adjektiv’. In Tsujimura 1996 heißen sie hingegen
adjective und adjectival noun, in Iwasaki 2013:57, 61 adjective [sic!] und nominal adjective;
danach wären also lediglich die Qualitätsverben Adjektive. Es ist einerseits klar, dass die
Mitglieder dieser beiden Wortarten Bedeutungen tragen, die in europäischen Sprachen von
Adjektiven übernommen werden. Und andererseits ist klar, dass sie voneinander verschiedene
Distribution haben und dass die Distribution der Qualitätsverben am meisten der Distribution
der energetischen Verben ähnelt, während die Qualitätsnomina fast dieselbe Distribution wie
Substantive haben. Und keine dieser beiden Klassen repräsentiert das prototypische Adjektiv,
nämlich die Wortart, deren primäre Funktion die Attribution ist; denn das Qualitätsverb hat
weder in attributiver noch in prädikativer Funktion eine besondere Markierung, und das
Qualitätsnomen hat in beiden Funktionen eine besondere Markierung.
Es gibt also in unserer Systematik der japanischen Wortarten keine Adjektive. Es sind
jedoch ein paar Phänomene zu beschreiben, die in traditioneller Sicht am besten unter diese
Überschrift passen. Grob gesprochen, geht es um Wörter, die attributiv konstruiert werden,
jedoch nicht – wie die Nomina – als Aktant fungieren und auch nicht – wie die Verben –
konjugiert werden. Es gibt davon zwei Arten.
4.1.1 Adnomina
Ein Adnomen oder Attributiv (jap. rentaisi, „Adnominale“ in Rickmeyer 1985, engl. adnoun
in Martin 1975:742 und Iwasaki 2013:65
22
) ist ein Nomen, das ausschließlich in attributiver
Funktion auftritt, also weder Aktant noch – mit oder ohne Kopula – Prädikat des Satzes sein
kann. Es handelt sich ausnahmslos um Formen, die entweder nach den oben dargestellten
Regeln der Attribution oder nach Regeln einer früheren Sprachstufe als Attribute markiert
sind. Es sind zwei Gruppen von Adnomina zu unterscheiden:
a) Von den Lexemen der ersten Gruppe existiert heute nur die attributive Form. Hierbei
handelt es sich um seinerzeit attributive Formen von ehemaligen Verben oder Nomina. Z.B.
ist iwayuru „sogenannt“ die attributive Form der passivischen Form des Verbs i(w)u „sagen“,
bedeutet also ursprünglich „gesagt werdend“. Tannaru „einfach“ ist ursprünglich eine
periphrastische Bildung mit naru, der attributiven Form von nari, was wiederum die
klassische Form der Kopula ist. Kakkotaru „fest, entschlossen“ ist die attributive Form eines
ehemaligen auf -tari abgeleiteten Qualitätsnomens. Diese Lexeme lassen sich unter die
genannten Wortarten einsortieren mit der Irregularität, dass sie nur die attributive und nicht
die anderen Funktionen jener Wortarten besitzen.
22
Ebenda auch weitere Beispiele für die folgenden Subtypen.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 18
b) Von den Lexemen der zweiten Gruppe gibt es auch nicht-attributive Formen. Hier ist
vorab ein lexikalisierter Fall zu erwähnen, nämlich aru „ein gewisser“. Dieses Adnomen ist
das, was es zu sein scheint, nämlich die attributive Form des Existenzverbs aru, von dem es
sämtliche (wenn auch unregelmäßige) Konjugationsformen gibt (§ 3.2.1.2). Die Isolation des
Adnomens ist hier also keine grammatische, sondern eine semantische.
Dann bleiben mit dem Attributor na gebildete Formen, die keine regelmäßige Beziehung
zu einem Qualitätsnomen haben. Hier sind wieder zwei Untergruppen zu unterscheiden. Die
erste wird gebildet von einer kleinen Menge von Qualitätsverben, die neben der üblichen
attributiven Form auf -i eine weitere auf na haben. Es sind die in Tabelle 2 aufgeführten
Stämme.
Tabelle 2. Mit na attribuierte Qualitätsverben
Form Bedeutung
ooki groß
tiisa klein
atataka warm
okasi seltsam
komaka fein
Diachron gesehen, sind dies sekundär als Qualitätsverb kategorisierte Stämme, deren
ursprüngliche attributive Form sich ausnahmsweise neben der neuen erhalten hat.
23
Es ist
jedoch keine doppelte Kategorienzugehörigkeit, zu Qualitätsverb und Qualitätsnomen,
anzusetzen, denn die für Qualitätsnomina gültige Prädikation mit der Kopula ist
ausgeschlossen. Es genügt also, diese Stämme als Qualitätsverben mit einer zusätzlichen
attributiven Form zu kategorisieren.
Die zweite Untergruppe wird gestellt von den schon in § 3.1.4 vorgestellten
vollgrammatikalisierten ambivalenten Nomina vom Typ konna “solch, so ein”, donna “was
für ein”. Einige Autoren wie Iwasaki l.c. rechnen auch die auf -no abgeleiteten Formen der
Demonstrativa und Interrogativa zu den Adnomina. Sowohl die na- als auch die no-Formen
haben aber eine subreguläre Beziehung zu einem auf -re abgeleiteten substantivischen
Pronomen. Sie können also, wie schon geschehen, als eine Untergruppe der Nomina
kategorisiert werden und rechtfertigen keine eigene Wortart von Adnomina.
24
4.1.2 No-Adjektive
Ein No-Adjektiv ist ein Wort, das – wie die Substantive – mit no attribuiert wird, aber nicht
als Aktant fungieren kann. Von diesen gibt es wieder zwei Gruppen:
a) Die Lexeme der ersten Gruppe kommen auch in prädikativer Verwendung vor und
werden dann, wie die Nomina, mit der Kopula da versehen (in Martin 1975:821-824 heißen
sie precopular nouns). Die Kategorie und die Beispiele in Tabelle 3 stammen aus Muraki
2012:220-236.
Tabelle 3. No-Adjektive
Form Bedeutung
23
Laut http://fr.wikipedia.org/wiki/Adjectif_en_japonais haben die Formen auf na eine „affektive Nuance“.
24
Masuoka & Takubo 1992 rechnen mit einer eigenen Wortart sizisi für die Demonstrativa.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 19
batugun-no ausgezeichnet
timamire-no blutgetränkt
umaretate-no neugeboren
(26) illustriert die Verwendung in attributiver und prädikativer Funktion.
(26) a. Toyota =wa batugun =no gizyutu =o mot-te i-ta
Toyota =TOP ausgezeichnet =GEN Technik =AKK hab-GER sei-PRT
„Toyota besaß ausgezeichnete Technik“
b. Toyota=no gizyutu=wa batugun =da-tta
Toyota=GEN Technik=TOP ausgezeichnet =KOP-PRT
„die Technik von Toyota war ausgezeichnet“
Batugun, ein Stamm sinojapanischer Herkunft, und timamire, ein aus ti „Blut“ und dem
Stamm des energetischen Verb mamireru „beschmiert sein“ zusammengesetzter Stamm,
können alternativ auch mit na attribuiert werden und fallen, abgesehen von der fehlenden
Verwendung als Aktant, insoweit in die Kategorie der ambivalenten Nomina. Umaretate ist
ein nach einem produktiven Muster aus dem Stamm des energetischen Verbs umareru
„geboren werden“ und dem Formativ -tate „frisch, soeben geschehen“ gebildetes Substantiv.
b) Die Lexeme der zweiten Gruppe können nicht Prädikatskern sein (in Martin 1975:824
heißen sie highly defective precopular nouns). Zur Verdeutlichung geben wir eine längere
Liste (Auszug aus Muraki 2012:220-236), wo nötig mit einem passenden Bezugsnomen.
Tabelle 4. Nur attributive no-Adjektive
Form Bedeutung
zitu (musume) echte/wahre (Tochter)
too betreffend
koyuu eigen
tuuzyoo gewöhnlich
zubu (sirooto) kompletter (Laie)
zubunure patschnass
anmoku stillschweigend
itiru (nozomi) schwache/letzte (Hoffnung)
hitokado tüchtig, bedeutend
Da die Attribution mit no für Substantive produktiv ist, ist auch für diese Stämme keine
eigene Wortart anzusetzen; es sind Substantive mit eingeschränkter Distribution, eben solche,
die nur attributiv vorkommen.
4.1.3 Status des Adjektivs
Das Fazit für die in §§ 4.1.1f behandelten Fälle ist also, dass man ihretwegen nicht eine
Wortart ‚Adjektiv’ für das Japanische aufmachen muss. In allen Fällen handelt es sich um
kleine Gruppen von Wörtern, die einer der primären Wortarten zuzurechnen sind, jedoch eine
eingeschränkte Distribution haben oder morphologisch isoliert sind. Sie sind nicht anders zu
beurteilen als deutsche Wörter wie ehemalig: obwohl sie nicht, wie Adjektive im allgemeinen,
prädikativ verwendet werden, setzt man für sie nicht eine eigene Wortart an, sondern führt sie
als Subklasse der Adjektive.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 20
Freilich wird diese Analyse nur dadurch möglich, dass alle diese Wörter morphologisch
derart zu segmentieren sind, dass sie auf einen der gängigen oder mindestens diachron
identifizierbaren Attributoren enden. Semantisch sind, wie die Beispiele auch zeigen, mehrere
von ihnen bereits einschließlich dieses Attributors lexikalisiert. Wenn die Lexikalisierung
fortschreitet und auch die morphologische Struktur bzw. ihre Beziehung zur Bedeutung
verunklart, dann kann auf diesem Wege durchaus im Japanischen (wieder) eine Wortart
‚Adjektiv’ entstehen. Da jedoch die Kernbegriffe von Eigenschaften (Dixon 1976) bis auf
weiteres in einer anderen Wortart (Qualitätsverben) aufgehoben sind, wird das Produkt eines
solchen Prozesses vorerst nicht dem Prototyp des Adjektivs entsprechen (vgl. Croft 1991:67
und 2000:89).
4.1.4 Nomen-Verb-Kontinuum
Das japanische Wortartensystem kennt (außer den sekundären Wortarten der adverbialen
Wörter und Partikeln) zwei primäre Wortarten, die Nomina und Verben. Diese werden je in
zwei weitere Wortarten unterteilt, nämlich die Substantive und Qualitätsnomina einerseits und
die Qualitätsverben und energetischen Verben andererseits. Diese Einteilung folgt aus den
jeweils suo loco dargestellten Kriterien. Neben dieser Taxonomie steht aber ein Kontinuum,
auf dem sich die vier Wortarten graduell unterscheiden:
a) Nur Substantive nehmen ein Attribut; Mitglieder der anderen Wortarten werden durch
Adverbien modifiziert.
b) Substantive und Qualitätsnomina werden mit no bzw. na attribuiert; Qualitätsverben
und energetische Verben stehen als Attribute einfach in der Präsensform.
c) Ebenso werden Nomina mit der Kopula da prädiziert; Verben dienen ohne weiteres als
Prädikat.
d) Die Prädikatsfokuskonstruktion basiert nur bei energetischen Verben auf dem reinen
Stamm und verwendet suru “machen” als Hilfsverb; bei Substantiven,
Qualitätsnomina und Qualitätsverben hingegen basiert sie auf einem Adverb und
verwendet aru „sein“.
Kriterium #d wird durch (27) illustriert (s. Kato 2013:30):
(27) a. gakusei=de=mo aru „auch Student sein“
b. sizuka=de=mo aru „auch ruhig sein“
c. aka-ku=mo aru „auch rot sein“
d. tabe=mo suru „auch essen“
Zudem unterscheiden sich die energetischen und Qualitätsverben voneinander (und übrigens
auch von den Qualitätsnomina) durch die Allomorphie der Konjugation.
Tabelle 5 stellt die Gruppierung der primären Wortarten nach diesen Kriterien dar:
Tabelle 5. Distributionelle Eigenschaften der primären Wortarten
Hauptwortart Wortart Modifikation
durch Adverb Attribution mit na/o
Prädikation mit da direkter
Prädikatsfokus
Substantiv - Nomen Qualitätsnomen +
Verb Qualitätsverb + -
-
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 21
energetisches
Verb +
Wie Tabelle 5 zeigt, bilden die Kriterien eine implikative Hierarchie und folglich eine
graduelle Unterscheidung der primären Wortarten. Substantive stehen am nominalen,
energetische Verben am verbalen Pol eines Nomen-Verb-Kontinuums; Qualitätsnomina und
Qualitätsverben stehen auf halbem Wege, und keine dieser beiden Kategorien repräsentiert
das prototypische Adjektiv. Bereits in § 3.2.2.1 wurde anhand anderer Kriterien argumentiert,
dass die Qualitätsverben nomenähnlicher sind als die energetischen Verben.
Die in der ersten Spalte von Tabelle 5 wiedergegebene Einteilung rechtfertigt sich aus der
Relevanz der Kriterien: Die Kriterien #b und #c betreffen die Kodierung der grundlegenden
Operationen der Referenz, Prädikation und Modifikation und korrelieren zudem miteinander.
Die Kriterien #a und #d sind demgegenüber zweitrangig.
4.2 Adverbiale Wörter
Adverbiale Wörter sind eine Klasse von unflektierbaren Wörtern (also Partikeln i.w.S.). Unter
der Bezeichnung werden Adverbien und Postpositionen zusammengefasst. Der grammatische
Unterschied zwischen ihnen besteht in der Relationalität: Postpositionen sind Adverbien, die
ein Komplement nehmen. Im übrigen aber verhalten sich die beiden Wortarten sehr ähnlich.
Die produktivste Quelle zur Bildung adverbialer Wörter sind im Japanischen die Nomina
und Verben. Durch Lexikalisierung und Grammatikalisierung ergeben relationale Substantive
und polyvalente Verben Postpositionen, nicht-relationale Nomina und monovalente Verben
ergeben Adverbien.
25
Zu beachten ist der große Parallelismus der Bildungsverfahren für
Adverbien und Postpositionen sowie für satzeinleitende und subordinative Konjunktionen (§§
4.2.1f).
Die Affinität der Adverbien zu Nomina zeigt sich auch in der Kombinatorik. So ist das
Ortsadverb in (28) direktes Objekt eines transitiven Verbs, in (29) Subjekt eines Kopulasatzes.
(28) ni-zi =ni koko=o de-ta
zwei-Uhr =DAT/LOK hier =AKK verlass-PRT
„um 2 Uhr ist (er) hier weggegangen“
(29) Koko =wa doko des-u ka?
hier =TOP wo KOP:AHON-PRS INT
„Wo sind wir?“ (wörtl.: „Hier ist wo?“)
4.2.1 Adverbien
Ein Adverb (jap. hukusi) ist ein Wort, das nicht flektiert und, einem verbalen, adverbialen,
qualitätsnominalen Syntagma oder einem Satz vorangestellt, mit diesem eine endozentrische
Konstruktion bildet.
25
In Nishina 2004:4ff wird ein achtstufiger Prozess beschrieben, in dem ein Adverbialsatz durch
Desententialisierung und Lexikalisierung in ein Adverb bzw. eine Postposition überführt wird.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 22
4.2.1.1 Grammatikalische Adverbien
Die zentralen grammatikalischen Adverbien basieren größtenteils auf den demonstrativen und
interrogativen Wurzeln, die mit verschiedenen adverbialisierenden Suffixen versehen sind.
Dazu gehören (mit Suffix -o) koo “auf diese Weise”, doo „wie“, (mit Suffix -ko) koko „hier“,
doko „wo“ u.v.a.m.
4.2.1.2 Lexikalische Adverbien
Beispiele für lexikalische Adverbien sind kinoo „gestern“, zenzen „absolut“. Sie fallen in die
bekannten semantischen Kategorien, die hier nicht vorgestellt werden müssen.
26
Sie bilden
eine offene Klasse, zu deren Bereicherung mehrere Wortbildungsprozesse existieren:
• Auf der Basis eines nicht-verbalen Stamms werden Adverbien mit verschiedenen
Suffixen abgeleitet: Auf die Kasuspartikel ni: hontoo-ni (Wahrheit-D
AT
/L
OK
) „wirklich“,
zyozyo-ni (graduell-D
AT
/L
OK
) „allmählich“; auf die Quotativpartikel to: kitin-to (akkurat-
Q
UOT
) „ordentlich“, goman-to (50.000-Q
UOT
) „viel“; auf das Suffix -ri: yukkuri
„langsam“, hakkiri „klärlich“, yappari „erwartungsgemäß“. Die letzteren werden oft
zusätzlich mit to versehen, wie sikkari-to „fest“.
• Von Qualitätsverben werden Adverbien auf -ku abgeleitet: sugoi „furchtbar“ - sugoku
„sehr“, hayai - hayaku „schnell“, yoi – yoku „gut“.
• Von energetischen Verben bildet das Gerundium auf -te die Adverbialform, z.B. hazimete
„zum ersten Mal“ von hazimeru „beginnen“, kessite „nie“ vollständig lexikalisiert von
kessuru „beschließen“.
4.2.1.3 Satzeinleitende Konjunktionen
Eine Subklasse der Adverbien sind die satzeinleitenden Konjunktionen (jap. setuzokusi;
umfangreiche Liste in Martin 1975:817f und Iwasaki 2013:64). Sie folgen denselben
Stellungsgesetzen wie andere Adverbien und werden produktiv auf die gleichen Weisen
gebildet:
• aus einem von einer primären Postposition regierten Postpositionalsyntagma: sore=de
(D2=I
NSTR
) „deshalb“, soo+da=kara (so+K
OP
=A
BL
) oder sore+da=kara
(D2+K
OP
=A
BL
) „aus diesem Grund“ oder kürzer da=kara „daher, deshalb“
• aus dem Gerundium eines energetischen Verbstamms: soo-si-te (so-mach-G
ER
) „daher,
und“; yoru „verursacht sein“ – yotte „deshalb“.
Trotz Lexikalisierung kann der deverbale Ursprung solcher Konjunktionen noch durchsichtig
sein, wenn sie z.B. eine adressatenhonorative Form bilden. So steht sitaga-imas-ite (folg-
A
HON
-G
ER
) „infolgedessen“ neben dem undurchsichtigeren sitagatte.
4.2.2 Postpositionen
Eine Postposition ist ein adverbiales Wort, das unmittelbar auf einen nominalen Ausdruck
oder einen abhängigen Satz folgt und mit diesem zusammen ein Postpositionalsyntagma
bildet.
27
Die Postposition überführt also ihr Komplement in eine andere Kategorie. Das
Komplement kann beliebig komplex sein, wie es für die Nominalsyntagmen in § 3.1
26
Iwasaki (2013:63) bietet eine vollständige Klassifikation mit zahlreichen Beispielen.
27
Vollständige und illustrierte Auflistung in Lewin 1983:324-327.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 23
beschrieben ist. D.h. die Postposition folgt zwar dem letzten Wort des Komplements, ist aber
nicht dessen Suffix.
4.2.2.1 Grammatikalische Postpositionen
Eine primäre Postposition ist eine monomorphematische Postposition. Die primären
Postpositionen heißen auch Kasuspartikeln (jap. kakuzyosi oder teni[w]oha). Sie sind
enklitisch und werden gelegentlich als Suffixe beschrieben. Der in § 1.3 eingeführte
Koordinationstest ergibt folgendes:
(30) a. Oosaka=to Tookyoo (=to) =ni ik-u
Osaka =und Tokyo =und =DAT/LOK geh-PRS
„fährt nach Osaka und Tokyo“
b. Oosaka=ni =to Oosaka=kara ik-u
Osaka =DAT/LOK =und Osaka =ABL geh-PRS
„fährt nach und von Osaka“
In (30)a wurde das erste Vorkommen von ni weggelassen; m.a.W. die Kasuspartikel
kombiniert sich auch mit einem intern komplexen Nominalsyntagma; und dieses kann auch
auf den Koordinator enden. Wenn der Koordinator selbst ein Wort (und nicht ein Suffix) ist,
muss folglich auch die Kasuspartikel ein Wort sein, denn sie kann nicht gut ein Suffix an
einem Koordinator sein. Andererseits ist in (30)b das zweite Vorkommen von Oosaka nicht
weglassbar; m.a.W. die Kasuspartikeln sind nicht koordinierbar. Hierin ähneln sie eher
Affixen, können aber auch Enklitika sein. Das Resultat ist, dass die primären Kasuspartikeln
den Status von enklitischen Postpositionen haben, die auf dem Weg der Grammatikalisierung
zu Kasussuffixen sind.
Dies gilt auch für den Attributor na, der Qualitätsnomina attribuiert. (31) zeigt, dass er
nicht gut als Suffix an einem Qualitätsnomen analysiert werden kann, denn sein Operand ist
hier offensichtlich das komplexe Syntagma benri de sizuka.
(31) benri =de sizuka =na mati
praktisch =KOORD ruhig =AT Stadt
“praktische und ruhige Stadt”
Die primären Postpositionen bilden eine geschlossene Klasse, die allerdings intern heterogen
ist, denn sie verteilen sich auf zwei postnominale Positionen, im folgenden von links nach
rechts numeriert. Beide sind optional besetzt. D.h., die Feststellung, dass eine Partikel in
Position #2 auftritt, heißt nicht, dass Position #1 besetzt ist, sondern lediglich, dass sie besetzt
sein kann.
• Subklasse 1 besetzt Position #1. Dazu gehören u.a. kara “von” und made “bis”.
• Subklasse 2 besetzt Position #2. Subklasse 2a besteht aus ga N
OMINATIV
und o
A
KKUSATIV
. Zu Subklasse 2b gehören u.a. no G
ENITIV
(jap. zyuntaizyosi), ni
D
ATIV
/L
OKATIV
, de L
OKATIV
/I
NSTRUMENTAL
und to K
OMITATIV
.
• Subklasse 3 besetzt beide Positionen auf einmal; m.a.W. diese Partikeln gehen keine
Kombinationen ein. Diese Klasse besteht aus na A
TTRIBUTOR
.
Darüber hinaus gibt es Kombinationsbeschränkungen für bestimmte Kasuspartikeln, derart
dass nicht jede von Subklasse 2 auf jede der Subklasse 1 folgen kann. Nach Position #2 folgt
die Position der in § 4.5.1 zu besprechenden Fokuspartikeln. Einige davon sind inkompatibel
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 24
mit einigen der Kasuspartikeln von Subklasse #2 und #3, andere machen deren Verwendung
optional.
4.2.2.2 Lexikalische Postpositionen
Viele Postpositionen sind denominalen Ursprungs. Für einige monomorphematische wie kara
A
BLATIV
gibt es das originale Substantiv noch;
28
bei anderen Kasuspartikeln erweist die
Etymologie den denominalen Ursprung. Insofern könnten solche Postpositionen auch als
grammatikalisierte Substantive kategorisiert werden. Andere Postpositionen sind deverbalen
Ursprungs. So sind ni D
AT
/L
OK
und de L
OK
/I
NSTR
homonym mit und vermutlich
hervorgegangen aus gerundialen Formen des Existenzverbs bzw. der Kopula.
Sekundäre Postpositionen werden denominal oder deverbal gebildet (Iwasaki 2013:67).
Ein produktives Verfahren ist die Kombination eines relationalen Substantivs mit einer
Kasuspartikel, die schon in (7) zu sehen war. Das Komplement des relationalen Substantivs
ist dann das Komplement der komplexen Postposition. (32) zeigt dies für die Kombination
von mae „Vorderseite > vor“ mit der Postposition kara „von“.
(32) hyakunen mae =kara =no keikoku
100.Jahr Vorderseite =ABL =GEN Warnung
„Warnungen von vor hundert Jahren“
Viele sekundäre Postpositionen stammen auch von Gerundialformen von Verben. Tuku
“verbunden sein mit, berühren” regiert ein Komplement im Dativ/Lokativ. Das Gerundium
tuite wird mit der regierten Kasuspartikel zu einer sekundären Postposition nituite
“betreffend, über” lexikalisiert, wie in (33).
(33) tennoosei=ni tu-ite ronbun=o kai-ta
Kaisertum=DAT/LOK betreffend Aufsatz=AKK schreib-PRT
„(er) schrieb einen Aufsatz über das Kaisertum“
4.2.2.3 Subordinative Konjunktionen
Eine subordinative Konjunktion (jap. setuzokuzyosi) ist eine Postposition, die einem Satz
folgt und diesen dem folgenden Satz unterordnet, wie in (34).
(34) Zyoozu-ni odot-ta=keredo ni=i=dat-ta.
gut-ADVR tanz-PRT=KONZ zwei=Rang=KOP-PRT
„Obwohl (sie) gut getanzt hat, hat (sie) den zweiten Preis bekommen.“
Einige Postpositionen wie node „weil“, noni „obwohl“ sind auf die subordinative Funktion
beschränkt; andere wie to K
OMITATIV
/T
EMPORAL
~K
ONDITIONAL
, kara A
BLATIV
/weil, made
„bis“ stehen hinter Sätzen ebenso wie hinter Nominalsyntagmen, wie (35) illustriert.
(35) a. Kono densya =wa Maibara =made ik-imas-u =ka ?
D1-GEN Zug=TOP Maibara =bis geh-AHON-PRS =INT
„Fährt dieser Zug bis Maibara?“
b. kura-ku nar-u =made mat-te i-mas-ita
dunkel-ADVR werd-PRS =bis wart-GER sei-AHON-PRT
„(ich) wartete, bis es dunkel wurde“
28
Es kommen in der Tat mehrere infrage, die „Hülse“ oder auch „Blutsverwandtschaft“ bedeuten.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 25
Genauso wie die postnominalen Postpositionen lassen sich auch die subordinativen nach dem
Grammatikalisierungsgrad ordnen. Einige wie no N
R
und ga „zwar“ sind vollständig
grammatikalisiert. Andere sind nach einem produktiven Muster gebildet und lexikalisiert.
Z.B. ergibt die in (32) gesehene Kombination eines relationalen Substantivs mit einer
Kasuspartikel nicht nur sekundäre Postpositionen, sondern auch sekundäre Konjunktionen,
wie mae ni “bevor” in (36).
(36) odoru =mae =ni utat-ta
tanz =vor =LOK sing-PRT
„bevor ich tanzte, sang ich“
Auch zu Nominalisatoren grammatikalisierte leichte Substantive wie no werden mit
Kasuspartikeln kombiniert und ergeben so Konjunktionen, wie das schon erwähnte no=ni
(N
R
=D
AT
/L
OK
) „obwohl“ oder no=de (N
R
=L
OK
/I
NSTR
) „weil“ in (37).
(37) yakusoku=ga ar-u =no =de kaer-imas-u
Termin =NOM sei-PRS =NR =LOK/INSTR zurückkehr-AHON-PRS
„weil ich einen Termin habe, gehe ich nach Hause“
4.3 Numeralia
Ein Numerale (jap. suusi) ist ein Sprachzeichen, welches die Kardinalität einer Menge
wiedergibt, evtl. modifiziert durch weitere Begriffe wie Ordnungsposition oder Wiederholung
eines Vorgangs. Für das Japanische wird diese semantische Definition zugrundegelegt, weil
das Enumerativ mit Bezug auf das Numerale definiert wird (und nicht umgekehrt). Ein
japanisches kardinales Numerale verbindet sich mit einem folgenden Enumerativ zu einem
Numeralkomplex; s. § 3.1.2.2.2.
Numeralia sind in der Tat eine in erster Linie semantisch begründete Kategorie. Ihre
Subkategorien, wie Kardinalia, Ordinalia, Distributiva usw., werden in den Einzelsprachen
unterschiedlichen Wortarten zugewiesen; im Japanischen geschieht dies durch Derivation. Für
die Wortartklassifikation problematisch sind nur die Kardinalia, auf die wir uns im folgenden
beschränken.
Der grammatische Status der Numeralia ist erstens für das japanische und das
sinojapanische Paradigma getrennt und zweitens im Zusammenhang mit dem Status der
Enumerative zu beurteilen. Enumerative kommen nur in Kombination mit Numeralia vor.
Ebenso kommen japanische Numeralia nur in Kombination mit Enumerativen vor.
29
Hier
entsteht also das methodische Problem zu entscheiden, welches der Träger und welches das
gebundene Element ist. Sinojapanische Zahlwörter hingegen kommen auch ohne Enumerativ
vor, z.B. beim Zählen und Rechnen (Hinds 1986:174f). Folglich sind sie Wörter, während die
Enumerative offenbar an sie gebunden sind.
30
Anders als in zahlreichen anderen Sprachen wird das Zahlwort für ‚eins’, hito, nicht zu
einem indefiniten Artikel grammatikalisiert.
31
Allerdings zählen zu den Numeralia auch
Wörter, die unbestimmte Mengen bezeichnen, wie (sinojapan.) nan (= jap. iku) in
Numeralkomplexen wie nan-ko “wie viele Stück”, nan-ko ka „einige Stück“.
29
Bei Iwasaki 2013:73 ist von freien Formen der japanischen Numeralia die Rede; aber außer den gekürzten
Formen hii „1“ und huu „2“, die beim Aufzählen vorkommen, gibt es keine.
30
In Martin 1975, Lewin et al. 1985 und Iwasaki :68, 72 sind die Zahlwörter Wörter, die Enumerative deren
Suffixe.
31
Das Formativ, das einem indefiniten Artikel am nächsten kommt, ist das in § 4.1.1 erwähnte aru.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 26
Die Regeln zur Bildung von Zahlwörtern sind relativ komplex und i.w. aus dem
Chinesischen übernommen.
4.4 Proformen
Alle Proformen lassen sich in eine der bisher behandelten Wortarten einordnen. Dieser
Abschnitt dient lediglich dazu, die Demonstrativa und Interrogativa unter der Kategorie
‚Proform’ zusammenzufassen, um ihrer gleichartigen Bildungsweise Rechnung zu tragen.
Bei den Demonstrativa (jap. sizidaimeisi oder sizisi [Masuoka & Takubo 1992]) und
Interrogativa ist zunächst zwischen Wurzel und Stamm zu unterscheiden. Die meisten
Wurzeln sind gebunden und kategorieneutral, z.B. ko- „bei mir“, so- „bei dir“ und a- „bei
ihm“, do- „welch“. Durch Kombination mit einem Derivationssuffix werden sie zu freien
Stämmen und zu grammatikalisierten Mitgliedern einer der Wortarten kategorisiert (vgl.
Iwasaki 2013:60); zB. ko-re (n.) „dieser“, do-re „welcher“; ko-no (Adnomen) „dies“, do-no
„welch“; ko-ko (adv.) „hier“, do-ko „wo“. Es gibt auch eine Proform dieses Typs in der
Kategorie der Kardinalia, nämlich nan “einige, wie viele”. Ähnlich werden nominale und
adverbiale Formen von nan(i) „was“ gebildet.
4.5 Partikeln
Eine Partikel i.e.S. (jap. zyosi) ist ein Wort, das nicht flektiert und einer (nominalen oder
verbalen) Satzkomponente oder einem Satz unmittelbar folgt. Viele davon sind enklitisch.
32
Traditionell werden auch die Postpositionen zu den Partikeln gezählt. Wir haben in § 4.2 dafür
argumentiert, sie zu den Adverbien zu stellen. Partikeln i.e.S. sind grammatikalisierte
Formative, die geschlossene Klassen bilden und nicht produktiv sind.
4.5.1 Fokuspartikeln
Eine Fokuspartikel (jap. toritatezyosi, hukuzyosi, kakarizyosi “Verbindungspartikel”; engl.
auch adverbial particle [Iwasaki 2013:67] oder restrictive [Martin 1975:90]) ist eine Partikel,
die mit einem ihr vorangehenden Syntagma eine endozentrische Konstruktion bildet. Daher
ändert sie, insoweit einem Adverb vergleichbar und anders als eine Postposition, nichts an der
grammatischen Kategorie des Syntagmas. Der semantische Effekt besteht in der Fokussierung
des Operanden. Es handelt sich um Partikeln wie wa T
OPIC
, mo “auch”, sae “sogar”, dake
“nur”, sika “außer”, koso E
MPHASE
, nado “wie etwa, zum Beispiel, etcetera” (illustriert durch
(41)a unten).
Die Fokuspartikeln folgen teils unterschiedlichen Stellungsgesetzen, die auch zu ihrer
Subklassifikation dienen. Eine besondere Subklasse sind die Informationsstrukturpartikeln wa
T
OPIC
und mo „auch“. Sie sind inkompatibel mit den Kasuspartikeln der Subklassen 2a und 3;
andererseits können sie anderen Fokuspartikeln folgen. In Kombination mit einem
Postpositionalsyntagma einschließlich eines subordinierten Satzes (s. § 4.2.2.3) nehmen
Fokuspartikeln verschiedene Positionen ein. Der Normalfall ist, dass sie die dritte Position
hinter dem Nomen (s. § 4.2.2.1) einnehmen. Das gilt z.B. für sae und koso in (38)f. Andere
wie dake nehmen wahlweise auch bloß das Komplement der Postposition in den Skopus,
gehen dieser also voran. Die Stellungsvarianten (40)a und b sind synonym. Außerdem können
solche Partikeln auch eine ganze Prädikation im Skopus haben, wie in #c.
32
Hinds (1986:187) behauptet, es gebe keine Klitika.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 27
(38) odor-u =toki =sae utat-ta
tanz-PRS=Zeit =sogar sing-PRT
„sogar während ich tanzte, sang ich“
(39) nandomo sippais-ita =kara =koso seikoos-ita
mehrmals missling-PRT=ABL =EMPH geling-PRT
„gerade weil es (mir) mehrmals misslungen ist, hatte ich Erfolg“
(40) a. Yamada san=dake=ni age=mas-ita
b. Yamada san =ni =dake age=mas-ita
Yamada Herr =DAT/LOK =nur geb-AHON-PRT
„habe es nur Herrn Yamada (sonst niemandem) gegeben“
c. Yamada san =ni age-ta =dake =des-u
Yamada Herr =DAT/LOK geb-PRT =nur =KOP:AHON-PRS
„habe es nur Herrn Yamada gegeben (und weiter nichts getan)“
Schließlich sind die Kasuspartikeln ga und o vor sae, dake, sika und koso optional. Die
Kasuspartikeln haben z.T. auch informationsstrukturelle Funktionen, die für die erwähnten
Kombinationsrestriktionen mit Fokuspartikeln sorgen.
4.5.2 Konnektoren
Ein Konnektor (jap. heirituzyosi „parallele Partikel“, engl. conjunctive particle [Iwasaki
2013:67]) ist eine Partikel, die, indem sie einem Syntagma einer bestimmten Kategorie folgt,
von einem Syntagma derselben Kategorie gefolgt wird. Beispiele sind die Wörter für ‚und’, to
(vollständige Aufzählung), ya (unvollständige/repräsentative Aufzählung) sowie ka „oder“. Ya
steht hinter dem ersten Konjunkt, wie in (41)a, während mit to beliebig viele Konjunkte
angereiht werden, und es folgt optional auch dem letzten, wie in #b.
33
(41) a. niku =ya sakana (=nado) =o tabe-ta
Fleisch =und Fisch =usw. =AKK ess-PRT
„aß Fleisch, Fisch ... (usw.)“
b. niku =to sakana =(to) =o tabe-ta
Fleisch =und Fisch =und =AKK ess-PRT
„aß Fleisch und Fisch“
Der Konnektor für Sätze ist si „zudem“, wie in (42).
(42) gakusei =dat-ta =si (ima=mo) gakusei =da
Student =KOP-PRT =zudem jetzt=auch Student =KOP(PRS)
„war Student und ist (jetzt auch) Student“
4.5.3 Satzfinale Partikeln
Eine satzfinale Partikel oder Satztyppartikel (jap. syuuzyosi) ist eine Partikel, die einen
selbständigen Satz beschließt. Einige wie ka/no I
NTERROGATIV
((43)a) und na P
ROHIBITIV
kodieren die Basisillokutionen von Satztypen; andere wie sa (A
SSERTION
) “halt“, ne(e)
33
Diese letztere Möglichkeit unterscheidet den Konnektor to von der komitativen Postposition to, aus der er
grammatikalisiert ist.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 28
K
ONFIRMATIV
(gemeinsame Information) (#b) oder yo „definitiv“ (#c) kodieren (vergleichbar
den deutschen Modalpartikeln) die Funktion des Gesagten beim derzeitigen Zustand des
Redeuniversums.
(43) a. Ame=ga hut-te i-masu=ka?
Regen=NOM fall-GER sei-AHON=INT
„Regnet es gerade?“
b. Ame=ga hut-te i-masu=ne.
Regen=NOM fall-GER sei-AHON=KONF
„Es regnet gerade, wie Sie sehen.“
c. Ame=ga hut-te i-masu=yo.
Regen=NOM fall-GER sei-AHON=DEF
„Es regnet (definitiv) gerade.“
Einige der satzfinalen Partikeln sind syntagmatisch kombinierbar, wie in (44).
(44) Ame=ga hut-te i-masu=yo=ne.
Regen=NOM fall-GER sei-AHON=DEF=KONF
„Es regnet doch gerade, oder?“
Eine Teilmenge der satzfinalen Partikeln, nämlich ne, yo und sa, können auch innerhalb des
Satzes einem Satzglied folgen, wie in (45) illustriert.
(45) Hanako=ga(=ne) niku=to(=ne) sakana=o(=ne) tabeta=no=ne
Hanako=NOM=KONF Fleisch=und=KONF Fisch=AKK=KONF ess-PRT=NR=KONF
„Hanako, nicht wahr, hat Fleisch, nicht wahr, und Fisch, nicht wahr, gegessen, nicht
wahr?“
Die Quotativpartikel to hat eine Sonderstellung unter den satzfinalen Partikeln. Da
Äußerungen beliebiger Struktur zitiert werden können, kann sie nach beliebigen Syntagmen
und somit auch nach allen anderen satzfinalen Partikeln vorkommen. Ähnliches gilt für tte
R
EPORTATIV
.
5 Schluss
Das japanische Wortartensystem ist im Sprachvergleich relativ klar gegliedert. Bereits auf der
Ebene der Wurzel gehören die meisten Sprachzeichen genau einer Wortart an, deren
Distribution sie dann haben.
34
Erst recht gilt dies für die Stämme. Die Überführung eines
Stamms in eine andere Wortart durch einen entsprechenden Operator ist für mehrere
Wortarten hochgradig produktiv und regelmäßig. Daher stehen mehrere dieser Bildungen,
etwa die Adverbialisierung durch -ku, an der Grenze zwischen Flexion und Derivation.
Nichtsdestoweniger gibt es Wurzeln, die mehreren Distributionsklassen angehören
(Hinds 1986:171): nagare „Strom, fließen“ ist Substantiv und (mit den Suffixen energetischer
Konjugation) intransitives Verb. Ein paar Farbwörter wie aka „Röte, rot“ sind Substantive und
(mit den entsprechenden Konjugationssuffixen) Qualitätsverben. Dies sind jedoch Ausnahmen
34
In Lehmann 2008 wird gezeigt, dass ein typologischer Unterschied zwischen Sprachen darin besteht, auf
welcher Ebene der grammatischen Komplexität sie syntaktische Kategorien festlegen. In einigen Sprachen wie
Chinesisch und Englisch sind die Wurzeln weitgehend präkategorial, in anderen wie Deutsch sind sie nach
Wortart kategorisiert.
Lehmann & Nishina, Das Wortartensystem des Japanischen 29
in einem System, das sich durch einen hohen Grad kategorialer Determiniertheit der Wurzeln
auszeichnet.
Die Anzahl der Verbwurzeln ist im typologischen Vergleich relativ klein. Stämme anderer
Wortarten können mit Funktionsverben und Auxiliarien verbunden werden. Daraus entstehen
Verbalperiphrasen. Solange diese nicht so weit grammatikalisiert sind, dass sie als
Derivationen zu analysieren sind, kann das japanische Verb als eine geschlossene Klasse
gelten.
Die Anwendung einheitlicher, theoretisch basierter distributioneller Kriterien führt zu
einer teilweise neuen und hierarchisch tiefer gegliederten Systematik der japanischen
Wortarten. Unsere Systematik geht über die bereits vorliegenden vor allem in folgenden
Punkten hinaus: Erstens kann alles, was gewöhnlich unter ‚Adjektiv’ figuriert, einer
nominalen oder verbalen Wortart zugeordnet werden. Zweitens bekommen mehrere
Wortarten, die im allgemeinen in der Papierkorbkategorie ‚Partikel’ landen, einen Status in
der Systematik. Das betrifft die Holophrastika, die Postpositionen und die Konjunktionen.
Abkürzungen
ABL Ablativ
ADVR Adverbialisator
AKK Akkusativ
AHON Adressatenhonorativ
AT Attributor
D2 adressatenbezogenes
Deiktikum
DAT Dativ
DEF Definitiv
EMPH Emphase
GEN Genitiv
INSTR Instrumental
INT Interrogativ
KOND Konditional
KONF konfirmativ
KOORD Koordinator
KOP Kopula
LOK Lokativ
NEG Negativ
NOM Nominativ
NR Nominalisator
PRS Präsens
PRT Präteritum
TOP Topic
QUOT Quotativ
Literatur
Croft, William 1991, Syntactic categories and grammatical relations. The cognitive organization of
information. Chicago: Chicago University Press.
Croft, William 2000, "Parts of speech as language universals and as language-particular categories."
Vogel, Petra M. & Comrie, Bernard (eds.), Approaches to the typology of word classes. Berlin &
New York: Mouton de Gruyter (Empirical Approaches to Language Typology, 23); 65-102.
Dixon, Robert M.W. 1976, "Where have all the adjectives gone?" Studies in Language 1:19-80.
Hinds, John 1986, Japanese. London etc.: Croom Helm (Croom Helm Descriptive Grammars, 4).
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Erfurt Christian Lehmann
Universität Erfurt, Seminar für Sprachwissenschaft, Nordhäuser Str. 63, Erfurt, e-mail: christian.lehmann@uni-erfurt.de
Erfurt/Kyoto Yoko Nishina
Universität Erfurt, Sprachenzentrum, Nordhäuser Str. 63, Erfurt, e-mail: yoko.nishina@uni-erfurt.de
Universität Kyoto, Graduate School of Human and Environmental Studies, Yoshida Nihonmatsu-cho, Sakyo-ku, Kyoto-shi
e-Mail: nishina.yoko.85u@st.kyoto-u.ac.jp