Zusammenfassung Der Teichfrosch (Pelophylax esculentus, Genotypen LR, LLR oder LRR) ist ein natürlicher Hybrid zwischen dem Kleinen Wasserfrosch (P. lessonae, Genotyp LL) und dem Seefrosch (P. ridibundus, Genotyp RR). In der rein diploiden Form (LR) pflanzt sich der Hybrid via Hybridogenese fort, bei welcher ein Teil des elterlichen Genoms (entweder der L- oder der R-spezifische Teil) während der Gametogenese eliminiert und der verbleibende Teil klonal auf haploide Keimzellen übertragen wird. Rekombination zwischen dem L- und R-spezifischen Teil des Genoms ist in der Regel nicht möglich, weshalb es durch die wiederholte klonale Weitergabe innerhalb des Genoms zu einer Ansammlung schädlicher Mutationen kommt. Bei der Verpaarung zweiter Hybriden aus derselben Population sind deren Nachkommen durch die Kombination zweier klonaler Genome daher nicht überlebensfähig. Um lebensfähige Nachkommen zu zeugen, müssen sich die Hybriden mit der jeweiligen Elternart rückkreuzen, deren Teil des Hybridgenoms während der Gametogenese verloren ging. Aus dieser fortplanzungsbedingten Abhängigkeit heraus entwickelten sich verschiedene Formen eines gemischten Populationssystems aus Hybriden und Elternarten. In einigen Populationen produziert P. esculentus sowohl haploide (L oder R) als auch diploide Keimzellen (LR-Gameten, welche normalerweise nur von Individuen des Genotyps LR gebildet werden). Aus der Verschmelzung von diploiden und haploiden Keimzellen entstehen triploide Hybriden der Genotypen LLR und LRR, welche ihrerseits bei der Gametogenese jenen Genomteil ausschliessen, der nur in einzelner Ausführung vorliegt, und aus dem doppelt vorhandenen Genomteil haploide Gameten bilden (so produziert der Genotyp LLR haploide L-Gameten und der Genotyp LRR haploide R-Gameten). Dadurch entstehen über die Generationen hinweg abwechselnd diploide und triploide Hybride, welche sich unabhängig von der Anwesenheit der Elternarten erfolgreich miteinander fortpflanzen. Die reproduktive Unabhängigkeit dieser sogenannten gemischt-ploiden Systeme wird dadurch ermöglicht, dass die in den triploiden Fröschen doppelt vorhandenen Genomteile rekombiniert werden können, wodurch verhindert wird, dass sich in den Genomen zu viele schädliche Mutationen ansammeln. Sowohl die gemischten Systeme aus Hybriden und Elternarten als auch gemischt-ploide Systeme wurden in den letzten Jahrzehnten unter verschiedenen Aspekten und in unterschiedlichen geographischen Regionen untersucht. Jedoch fehlte bislang aufgrund der ungleichmässigen Verbreitung gemischt-ploider Populationssysteme in Europa ein umfassender und vergleichender populationsgenetischer Überblick im grösseren geographischen Masstab. Ferner sind die populationsgenetischen und phänotypischen Unterschiede zwischen Hybriden aus Elternarten-Populationen und gemischt-ploiden Populationen bisher noch weitgehend unbekannt, obwohl zwischen den unterschiedlichen Systemen, als auch zwischen geographischen Regionen, potentiell unterschiedliche Selektionsbedingungen herrschen. Die Zielsetzungen meiner Arbeit waren daher: a) gemischt-ploide Populationen aus unterschiedlichen Gegenden Europas genealogisch zu untersuchen und herauszufinden, ob deren ungleichmässige Verteilung auf eine unabhängige Entstehungsgeschichte zurückzuführen ist, b) zwei augenscheinlich unterschiedliche gemischt-ploide Fortpflanzungssysteme auf Unterschiede in der Keimzellenproduktion zu untersuchen, c) die bioakustischen Eigenschaften männlicher Paarungsrufe einer Anzahl gemischt-ploider Populationen unterschiedlicher geographischer Herkunft zu analysieren und mit den Eigenschaften der Paarungsrufe aus gemischten Hybrid-Elternarten-Populationen zu vergleichen, und d) die räumlichen Bewegungsmuster und das Distanzverhalten zwischen Männchen verschiedener Genotypen aus gemischt-ploiden und gemischten Hybrid- Elternart-Populationen zu untersuchen und potentielle Unterschiede auf Zusammenhänge mit phänotypischen Eigenschaften der Männchen sowie mit Eigenschaften der untersuchten Teiche zu testen. In Kapitel eins untersuchte ich durch Analysen von Mikrosatelliten-DNA und mitochondrialer DNA populationsgenetische Parameter für mehr als 2000 Gewebeproben, welche aus 72 Lokalitäten in Nord-, Mittel- und Osteuropa stammten. Die Ergebnisse dieser Studie zeigten, dass die auf der Mikrosatelliten- Analyse basierende genetische Diversität von der geographischen Lage, dem Vorhandensein der Elternarten P. lessonae und P. ridibundus sowie dem Populationstyp beeinflusst wird. Während sich die meisten gemischt-ploiden Populationen aus Mitteleuropa und dem östlichen Mitteleuropa genetisch nicht sehr unterscheiden, zeigen einige Populationen aus der Ukraine ein deutlich anderes genetisches Profil. Dieses Ergebnis wird durch den Fund ungewöhnlicher mitochondrialer DNA-Typen in Individuen jener Populationen bestätigt und legt die von den gemischt-ploiden Populationen Nord- und Mitteleuropas unabhängige Entstehung jener östlichen Populationen nahe. In der Diskussion interpretiere ich diese Ergebnisse mit Bezug auf nach- und zwischeneiszeitliche Kolonisationsszenarien in Europa. Kapitel zwei präsentiert eine Studie, welche in Zusammenarbeit mit Nicolas Pruvost durchgeführt wurde und in welcher wir Kreuzungsexperimente und Analysen von Mikrosatelliten-DNA benutzten, um fünf Populationen von unterschiedlicher Populationsstruktur zu vergleichen. Dafür untersuchten wir mit Hilfe von Indizes für Heterozygotie und genetische Differenzierung die Interaktionen zwischen verschiedenen Genotypen (LL, LLR, LR, LRR and RR). Die Ergebnisse dieser Studie erlaubten uns verschiedene Fortpflanzungssysteme zu definieren und zu unterscheiden, sowie ein evolutionäres Szenario für das Auftreten und die Aufrechterhaltung eines alternativen Systems gemischt-ploider Populationen in Mitteleuropa vorzuschlagen. In Kapitel drei befasste ich mich mit den bioakustischen Eigenschaften männlicher Paarungsrufe innerhalb und zwischen gemischt-ploider sowie gemischten Populationen aus Hybriden und den Elternarten P. lessonae und P. ridibundus. Aus der Analyse von Feldaufnahmen der Rufe leitete ich fünf Rufparameter ab, welche alle einen Dosiseffekt des jeweiligen Genoms L oder R zeigten, d.h. sie nahmen mit steigendem L:R-Verhältnis der Genotypen in der Reihenfolge LL-LLR-LR-LRR-RR entweder zu oder ab. Zwei der fünf Rufparameter unterschieden sich zudem zwischen Populationssystemen. Die Effektgrössen nahmen in der Reihenfolge Genotyp-Populationssystem –geographische Lage der Population ab. Die Rufe diploider Hybriden (LR) variierten zwischen den Populationssystemen in Abhängigkeit davon, ob die Hybriden zur erfolgreichen Fortpflanzung eine der beiden Elternarten benötigen, oder nicht. In Kapitel vier überprüfte ich innerhalb dreier Teiche (zwei mit gemischt- ploiden Populationen, einer mit einer Population aus LR-Hybriden und P. lessonae), ob sich das räumliche Mobilitätsmuster und Distanzverhalten der Männchen während der Paarungszeit zwischen Genotypen unterscheidet. Darüber hinaus testete ich die räumlichen Parameter auf Zusammenhänge mit der Körpergrösse und Kondition der Männchen, sowie mit der beobachteten Häufigkeit, in der die einzelnen Männchen im Amplexus mit Weibchen beobachtet wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass weder Genotyp noch Kondition das räumliche Bewegungsmuster beeinflussen und deuteten darauf hin, dass vorhandene Unterschiede zwischen den Teichen wahrscheinlich auf Unterschiede in der Populationsdichte zurückzuführen sind. Die Verteilung der Genotypen der Männchen im Amplexus entsprach für gemischt-ploide Populationen der tatsächlichen Verteilung der Genotypen der Männchen im Teich. Bei den Amplexus-Männchen der gemischten Hybrid-P. lessonae-Population waren P. lessonae-Männchen leicht überproportional vertreten. In Kapitel fünf präsentiere ich eine kollaborative Studie mit Anke Stöhr über Ranavirus-Infektionen in wilden Wasserfrosch-Populationen. Die Studie kombiniert die Fallstudie eines Ranavirus-Ausbruchs unter in Gehegen gehaltenen Wasserfröschen mit der Beschreibung eines neuen Ranavirus und dessen phylogenetischer Klassifizierung. Die Kapitel eins bis vier meiner Dissertation ermöglichen ein tieferes Verständnis der Diversität, Verbreitung sowie der genetischen und phänotypischen Differenzierung von P. esculentus-Populationen. Als Schlussfolgerung daraus argumentiere ich, dass es keinen „Allerwelts“-Hybriden gibt, sondern dass Teichfrosch-Populationen in Europa so divers sind, dass sie als signifikante Evolutionseinheiten denselben Respekt und dieselbe Aufmerksamkeit verdienen wie „reine“ Arten. Summary The edible frog (Pelophylax esculentus, genotypes LR, LLR or LRR) is a natural hybrid between the pool frog (P. lessonae, genotype LL) and the marsh frog (P. ridibundus, genotype RR). Diploid hybrids (LR) reproduce by hybridogenesis, where one part of the hybrid’s parental genome (either the L or the R chromosome set) is excluded during gametogenesis and the other part is clonally transmitted into haploid gametes. Recombination between the L and R genome within the hybrid is usually not possible. Therefore, repeated clonal transmission of one part of the genome leads to the accumulation of deleterious mutations which normally renders offspring from inter-hybrid crossings within the same population unviable. In order to produce viable offspring, the hybrid is thus forced to mate with the parental species whose part of the genome was excluded. This reproductive dependence has led to several forms of mixed hybrid-parental population systems. In some populations, P. esculentus can produce both haploid (L or R) and diploid gametes, LR gametes usually coming only from LR individuals. The fusion of diploid with haploid gametes results in triploid hybrids of the genotypes LLR and LRR, which exclude the single copy genome and produce only haploid gametes of the other genome (LLR produce L, LRR produce R gametes). Thus, in a perpetuating way, diploid and triploid hybrids are generated and can successfully reproduce with each other, independent of the presence of the parental species. The reproductive independence of these so-called mixed-ploidy systems is due to the fact that triploids recombine the part of their genome which is present in a double copy and thus prevent the accumulation of deleterious alleles in the genetic pool of the population. Both the mixed hybrid-parental and the mixed-ploidy systems have been studied over the last decades in several aspects and geographic regions, but due to the patchy geographic distribution of mixed-ploidy systems in Europe, a comprehensive and comparative population genetic overview across a larger area has been lacking. Furthermore, population genetic and phenotypic differences between hybrid P. esculentus from mixed-parental and mixed-ploidy systems are vastly unknown, despite potentially different selection regimes between population types and geographic regions. The objectives of my thesis were thus: a) to compare mixed-ploidy populations from different European areas in a genealogical approach and to find out whether these patchily distributed populations are of independent origin, b) to examine the gamete production patterns between two supposedly different mixed-ploidy breeding systems, c) to study bioacoustic characteristics of male advertisement calls across a number of geographically distant mixed-ploidy populations and compare them with hybrids from mixed hybrid-parental systems, and d) to examine the spatial movement and spacing behavior of male frogs within and between mixed-ploidy and mixed hybrid-parental systems and relate potential differences to male genotype, male morphology and pond characteristics. In chapter one, I used microsatellite DNA and mitochondrial DNA analysis to obtain population genetic parameters for more than 2000 samples from 72 localities across Northern, Central and Eastern Europe. The results from this study showed that genetic diversity among populations based on microsatellites is structured by geographic latitude and longitude, the presence of parental genotypes (P. lessonae and P. ridibundus) and population type. Most mixed-ploidy populations from Central and East-Central Europe did not genetically differ substantially, but some populations from Ukraine showed a distinctively different genetic profile. This was confirmed by the novel finding of unusual types of mitochondrial DNA in specimens from there. My findings suggest an independent origin of polyploid water frogs from this area, which I discuss with reference to postglacial re-colonization scenarios in Europe. Chapter two presents a collaborative study with Nicolas Pruvost, where we used microsatellite DNA analyses and crossing experiments to compare five populations of different population structures. Indices of heterozygosity and genetic differentiation were used to depict the genetic interactions between the different genotypes (LL, LLR, LR, LRR and RR). The results from this study allowed us to define and differentiate between different breeding systems and propose an evolutionary scenario for the occurrence and maintenance of an alternative mixed- ploidy population type in Central Europe. In chapter three I studied the bioacoustic properties of male advertisement calls within and between mixed-ploidy and mixed hybrid-parental populations. From field recordings I derived five call parameters which all showed a genomic dosage effect, i.e. they either decreased or increased with the L/R ratio among genotypes in the order LL-LLR-LR-LRR-RR. Two of the five call parameters were also affected by the population system. Effect sizes decreased from genotype through population system to geographic location of the population. Calls of diploid (LR) hybrids varied between population systems, depending on whether they belonged to a system that required a sexual host for successful reproduction, or not. In chapter four I tested within three ponds whether male spatial movement and spacing behavior during the breeding season differs between genotypes. Furthermore, I related spatial parameters to male body size and condition, and to the observed frequency of amplexus by individual males. As a result, I found that neither genotype nor size nor condition affected spatial movement patterns and that differences are most likely to be explained by population density. The frequency of amplexus events among genotypes corresponded to the observed male genotype distribution in the two mixed-ploidy ponds, and slightly favored P. lessonae males in the mixed hybrid-parental population in the other pond. Chapter five represents a collaborative study with Anke Stöhr on ranavirus infection in wild populations of European water frogs. The study combines a case study of a ranavirus outbreak among captive water frogs with the description of a novel ranavirus and its phylogenetic classification. In conclusion, chapters one to four of my thesis allow a better understanding of the diversity, distribution and differentiation of P. esculentus populations in terms of genetic and phenotypic characteristics. I argue that there is no such thing as a “common” water frog hybrid, but rather that hybrid populations are so diverse that they represent evolutionary significant units which deserve the same respect and attention as other “true” anuran species.