Hans Henny Jahnn ist vielleicht der einzige deutsche Schriftsteller, von dem wir Aktzeichnungen besitzen. Sie zeigen den 22jährigen in voller Nacktheit in recht erotisierenden Stellungen und stammen von seinem Freund und Geliebten Gottlieb Harms. Die beiden haben schon als Schüler einen Karl-May-mäßigen Freundschaftsbund geschlossen und einen frühen, jugendbewegten Ausbruchsversuch aus ihren
... [Show full abstract] kleinbürgerlichen Hamburger Elternhäusern unternommen. Jahnn, der sich gern mit seinem angenommenen weiblichen Zunamen Henny rufen läßt, hat seinem Tagebuch der frühen Liebe Sätze anvertraut wie: »Aber ich bin seine Frau! — ich will seine Küsse! — Und schlafen will ich bei ihm!« Jetzt, 1915, als Gottliebs erotische Zeichnungen entstehen, sind die beiden in Norwegen, geflüchtet vor der Einberufung zum Kriegsdienst, bedroht von deutschen Behörden, beargwöhnt von den Einheimischen, von Krankheiten gepeinigt. Ihre Freundschaft hält allen Bewährungsproben stand, nicht zuletzt durch gemeinsame Kunst-, Musik- und Literaturstudien und durch das Schmieden kühner Pläne. Neben vielen anderen literarischen Versuchen schreibt Jahnn das Drama Pastor Ephraim Magnus und den Roman Ugrino und Ingrabanien. Das Drama wird 1919 veröffentlicht und von Oskar Loerke mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet, der Roman bleibt Fragment und zu Jahnns Lebzeiten unpubliziert.